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Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Beiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz Beilage zu Heft 4, 2011 TIMM KABUS & RÜDIGER MAUERSBERGER Unter Mitarbeit von STEFAN RÄTZEL, LOTHAR TÄU- SCHER & KLAUS VAN DE WEYER Liste und Rote Liste der Armleuchteralgen (Characeae) des Landes Brandenburg 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Geschichte der Untersuchung der Armleuchteralgen in Brandenburg und Berlin 4 3 Systematik und Nomenklatur 6 4 Ökologie und Lebensräume 7 5 Gefährdung und Schutz 5.1 Seen 9 5.2 Kleingewässer 13 6 Methoden der Gefährdungs- einschätzung 13 7 Gesamtartenliste der Armleuchteralgen Brandenburgs 17 8 Rote Liste der Armleuchteralgen Brandenburgs 18 9 Bilanz und Diskussion der Roten Liste 19 10 Zur Situation der einzelnen Arten 20 Danksagung 29 Literatur 29 2 ROTE LISTE ARMLEUCHTERALGEN; NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 20 (4) 2011 Impressum Herausgeber: Landesamt für Umwelt, Gesund- heit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV) Schriftleitung: LUGV, Referat Ö2 Natura 2000/Arten- und Biotopschutz Dr. Matthias Hille Dr. Frank Zimmermann Beirat: Thomas Avermann Dr. Martin Flade Dr. Lothar Kalbe Dr. Bärbel Litzbarski Dr. Annemarie Schaepe Dr. Thomas Schoknecht Anschrift: LUGV, Schriftleitung NundLBbg Seeburger Chaussee 2 14476 Potsdam OT Groß Glienicke Tel. 033 201/442 223 E-Mail: matthias.hille@ lugv.brandenburg.de Redaktionsschluss: 10.12.2011 Layout/Druck/Versand: Brandenburgische Universitäts- druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Karl-Liebknecht-Str. 24/25 14476 Potsdam (OT Golm) Tel. 0331/56 89-0 Fax 0331/56 89-16 Titelbild: Armleuchteralgen unterscheiden sich durch ihre Gliederung in „Stämm- chen“ und „Äste“ deutlich von ande- ren Makroalgen und erinnern an höhere Pflanzen (Chara tomentosa) Foto: K. van de Weyer Rücktitel: Der Große Wummsee ist eines der wertvollsten Characeen-Gewässer Brandenburgs Foto: T. Kabus Zitiervorschlag: KABUS, T. & MAUERSBERGER, R. unter Mitarbeit von RÄTZEL, S., TÄUSCHER, L., & VAN DE WEYER, K. (2011): Liste und Rote Liste der Armleuchteralgen (Characeae) des Landes Branden- burg 2011, Natur und Landschafts- pflege in Brandenburg 20 (4), Beila- ge, 32 S.

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Naturschutz und Landschaftspflege inBrandenburgBeiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz

Beilage zu Heft 4, 2011

TIMM KABUS & RÜDIGER MAUERSBERGER

Unter Mitarbeit von STEFAN RÄTZEL, LOTHAR TÄU-SCHER & KLAUS VAN DE WEYER

Liste und Rote Liste der Armleuchteralgen(Characeae) des Landes Brandenburg 2011

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Geschichte der Untersuchung der Armleuchteralgen in Brandenburg und Berlin 4

3 Systematik und Nomenklatur 6

4 Ökologie und Lebensräume 7

5 Gefährdung und Schutz

5.1 Seen 9

5.2 Kleingewässer 13

6 Methoden der Gefährdungs-einschätzung 13

7 Gesamtartenliste der Armleuchteralgen Brandenburgs 17

8 Rote Liste der Armleuchteralgen Brandenburgs 18

9 Bilanz und Diskussion der Roten Liste 19

10 Zur Situation der einzelnen Arten 20

Danksagung 29

Literatur 29

2 ROTE LISTE ARMLEUCHTERALGEN; NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 20 (4) 2011

Impressum

Herausgeber: Landesamt für Umwelt, Gesund-heit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV)

Schriftleitung: LUGV, Referat Ö2Natura 2000/Arten- und BiotopschutzDr. Matthias HilleDr. Frank Zimmermann

Beirat: Thomas AvermannDr. Martin FladeDr. Lothar KalbeDr. Bärbel LitzbarskiDr. Annemarie SchaepeDr. Thomas Schoknecht

Anschrift: LUGV, Schriftleitung NundLBbgSeeburger Chaussee 214476 PotsdamOT Groß GlienickeTel. 033 201/442 223E-Mail: matthias.hille@

lugv.brandenburg.de

Redaktionsschluss: 10.12.2011

Layout/Druck/Versand:Brandenburgische Universitäts-druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbHKarl-Liebknecht-Str. 24/2514476 Potsdam (OT Golm)Tel. 0331/56 89-0Fax 0331/56 89-16

Titelbild: Armleuchteralgen unterscheiden sichdurch ihre Gliederung in „Stämm-chen“ und „Äste“ deutlich von ande-ren Makroalgen und erinnern anhöhere Pflanzen (Chara tomentosa)

Foto: K. van de Weyer

Rücktitel: Der Große Wummsee ist eines derwertvollsten Characeen-GewässerBrandenburgs Foto: T. Kabus

Zitiervorschlag: KABUS, T. & MAUERSBERGER, R. unterMitarbeit von RÄTZEL, S., TÄUSCHER, L.,& VAN DE WEYER, K. (2011): Liste undRote Liste der Armleuchteralgen(Characeae) des Landes Branden-burg 2011, Natur und Landschafts-pflege in Brandenburg 20 (4), Beila-ge, 32 S.

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TIMM KABUS & RÜDIGER MAUERSBERGER

Unter Mitarbeit von STEFAN RÄTZEL, LOTHAR TÄUSCHER & KLAUS VAN DE WEYER

Liste und Rote Liste der Armleuchteralgen (Characeae)des Landes Brandenburg 2011

1 Einleitung

Die Armleuchteralgengewächse stellen eine rela-tiv artenarme und übersichtliche systematischeGruppe dar. Trotzdem handelt es sich bei ihnenum eine bei Laien eher unbekannte Pflanzen-familie. Dies liegt sicherlich an ihrer Bindung anGewässerbiotope, wo sie gerade in tieferenSeen nicht auf den ersten Blick sichtbar sind,aber auch an der Seltenheit der von vielen Artenbevorzugten Klarwasserseen, an der Besiedlungephemerer Kleinst„gewässer“ – und am allge-meinen Rückgang von Armleuchteralgen in denletzten Jahrzehnten. Aus Sicht des Arten- bzw. Natur- und Gewässer-schutzes handelt es sich um eine wichtige

ROTE LISTE ARMLEUCHTERALGEN; NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 20 (4) 2011 3

Gruppe, da viele Arten der Armleuchteralgeneine hohe Bedeutung als Indikatoren der Gewäs-sergüte haben und sich die Verbreitung mancherArten auf nährstoffarme und somit allgemeingefährdete Gewässertypen beschränkt. Die vonanderen Armleuchteralgen besiedelten Klein-gewässer und temporären Gewässer sind imZuge der Melioration in der Landwirtschaft sel-ten geworden. Die hohe Indikatorfunktion mancher Characeen,aber auch der an höhere Pflanzen erinnern-der Habitus dieser Algengruppe, haben dazugeführt, dass die Armleuchteralgen im Gegen-satz zu anderen Makroalgen als „Makrophy-ten“ angesehen und in der Regel gleichrangigmit den höheren Wasserpflanzen bei floristischen

Abb. 1Chara tomentosa im Flachwasser des Großen Mehlitzsees (2008) Foto: R. Mauersberger

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Untersuchungen berücksichtigt werden müssen(z. B. bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmen-richtlinie). Für das Land Brandenburg erschien 1993 eineerste Fassung der Roten Liste der Armleuchter-algen (SCHMIDT et al. 1993a, b), die bereits alleheute für Brandenburg bekannten Arten ent-hielt und einstufte. Aufgrund des Erkenntnis-fortschritts, aber auch aufgrund der veränder-ten Gefährdungssituation mancher Arten, istinzwischen eine Neufassung der Roten Listenotwendig geworden, die hier vorgelegt wirdund zugleich die aktuellen, veränderten Einstu-fungskriterien für Rote Listen berücksichtigt. Als Enklave innerhalb der administrativen Gren-zen des Bundeslandes Brandenburg ist auch dieFläche Berlins sinngemäß in diese Rote Listeeingeschlossen. Als Bundesland besitzt Berlinallerdings schon eine eigene, aktuelle Rote Lis-te (KUSBER et al. 2005), die aufgrund der beson-deren Ausstattung des urbanen Gebietes ihreBerechtigung hat.

2 Geschichte der Untersuchungder Armleuchteralgen inBrandenburg und Berlin

Armleuchteralgen waren lange vor ihrer Ent-deckung durch die Wissenschaft volkstümlichbekannt. So wurden sie unter der Bezeichnung„Post“ geerntet und als Kalk- bzw. Kohlensäure-dünger auf die Felder verbracht. Davon kün-den regional Flurnamen wie „Postbruch“ oder„Postluch“, allerdings sind hiermit in einigenRegionen Brandenburgs aber auch Sumpfporst(Ledum palustre) und Rentierflechte (Cladoniaspp.) gemeint. Die Tatsache, dass diese Ernteverbreitet war, spricht für eine Dominanz inmanchen Gewässern und mehrere Berichte(FROMM 1857, SIEMSSEN 1791, TEUCHERT 1970)zeugen von der Verwendung des Post. SCHULZ-FLEETH (1851) untersuchte die Zusammenset-zung der Asche von Armleuchteralgen undbeschreibt, dass die Characeen in Nordost-deutschland in „bedeutender Menge“ vorkom-men. Im gewässerreichen Brandenburg wurden ent-sprechend schon früh Armleuchteralgen durchBotaniker gesammelt. In seiner „Flora Beroli-nensis“ führt schon WILLDENOW (1787) verein-

zelte Armleuchteralgen für das Gebiet von Ber-lin auf und in seinem Herbar sind Belege vonArmleuchteralgen erhalten. Von ihm stammtferner der heute noch gültige Name für Charaaspera (WILLDENOW 1809). Weitere, meist aufWilldenow zurückgehende Funde enthält dieFlora seines Schülers KUNTH (1813) sowie dieBerliner Flora von SCHLECHTENDAL (1824). Späterpublizierte MEYEN (1827) eine Übersicht überArmleuchteralgen im Berliner Raum, die wesent-lich mehr Arten enthält und sich auch kritischmit Willdenows Herbar auseinandersetzt. VonMeyen stammt auch ein Nachweis von Lych-nothamnus barbatus (Plötzensee Berlin) – einerheute in Berlin und Brandenburg ausgestorbe-nen Art. Die Characeenforschung in Brandenburg nahmEnde der 1820er Jahre wesentliche Fortschritte,insbesondere durch Gustav Heinrich Bauer, derzwar keine eigenen Veröffentlichungen hinterlas-sen hat, aber dessen Kenntnisse von den Bota-nikern seiner Zeit sehr gelobt wurden (z. B. BRAUN

1876a, zu Bauer vgl. auch RAABE 2009a, b), inFloren eingingen (REICHENBACH 1929) und des-sen Aufsammlungen auch in Exsikkatesammlun-gen (zusammen mit K. J. FRITZSCHE für REICHEN-BACHs „Flora Germanica exsiccata“, Leipzig1830-1846) verkauft wurden bzw. sich nochheute in verschiedenen Herbarien finden. Überdie von Bauer in Berlin gesammelten und an dasRegensburger Herbarium gespendeten Belegeberichtet z. B. FÜRNROHR (1831) mit Fundort-angaben. Bauer beschrieb u. a. Chara scoparianeu für die Wissenschaft – die später jedochvon Braun mit dem bis heute gültigen Namen,ihm zu Ehren, als C. baueri benannt wurde. A. BRAUN war es dann auch, der die Armleuchter-algen entwicklungsgeschichtlich und morpho-logisch (und damit auch systematisch) seit den1830er Jahren untersuchte. Er bezeichnet diebrandenburgische Characeen-Flora als unterden von ihm behandelten Gebieten heraus-ragend und gibt 25 der von ihm aufgeführten33 Arten für dieses Gebiet an. Eine Übersichtüber die Armleuchteralgen Brandenburgs publi-zierte er zwar selbst (BRAUN 1876b), seine gro-ße Monographie der Characeen wurde aller-dings erst posthum von NORDSTEDT publiziert(BRAUN 1882). Auch Braun beteiligte sich ander Herausgabe einer Exsikkatensammlung(zusammen mit RABENHORST und STITZENBERGER:

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„Die Characeen Europa’s…“, Dresden 1857-1878, 121 Belege). In zahlreichen Regionalfloren wurden Armleuch-teralgen berücksichtigt und mit Fundorten auf-geführt – wenn auch manchmal mit wenigenArten oder zu wenig kritisch. Angaben findensich z. B. für Brandenburg bei SCHRAMM (1857),für den Raum Jüterbog bei VAN THÜMEN-GRÄFEN-DORF (1857), bei WINTER (1870) für das Gebietum Menz (Stechlin) oder für die Lausitz (nur zueinem kleinen Teil mit heute in Brandenburgliegenden Fundpunkten) bei RABENHORST (1863).Auch die Brandenburg-Flora von RUTHE (1834)berücksichtigt Armleuchteralgen, u. a. in Beru-fung auf Fritzsche und Braun. Als weiterer Kenner der brandenburgischen Arm-leuchteralgen ist K. L. Jahn zu nennen (z. B.Funde im Parsteiner See, vgl. ULBRICH 1912),sowie P. Magnus – eigentlich als Mykologe be-kannt – der eifrig Characeen sammelte. SchonMitte des 19. Jahrhunderts fand HERTZSCH

(1855) Chara filiformis im Parsteiner See, der erden heute gültigen Namen gab. P. Sydow gabzusammen mit W. MIGULA und L. J. WAHLSTEDT

eine Characeen-Exsikkatensammlung heraus(„Characeae exsiccatae“, Berlin, 1892-1901,150 Belege) und publizierte eine Übersicht der„bisher bekannten europäischen Characeen“(SYDOW 1882). Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert gelang dann fast parallel dieHerausgabe zweier Florenwerke, in denen dasgesammelte Wissen zu Taxonomie und Ver-breitung in Brandenburg – stellenweise fastdeckungsgleich – zusammengetragen wurde.MIGULA (1897) unternahm als erster eine aus-führliche Zusammenstellung der Brandenbur-ger Nachweise mit Fundortangaben, auchwenn sein Werk einen geographisch viel grö-ßeren Bereich abdeckte. HOLTZ (1903) verfasstewenige Jahre später seine Characeenflora derMark Brandenburg. Er gilt gemeinhin als her-ausragender Kenner der norddeutschen Chara-ceenflora und besaß eingehende taxonomischeKenntnisse. Für seine Flora bezieht er sich beiMorphologie und Systematik auf MIGULA (1897),die Verbreitungsangaben gehen wesentlich aufdie Auswertung der Belege von BRAUN und an-deren Herbarien zurück. Auch wenn mit den vorliegenden Florenwerkendie Untersuchung der Characeenflora günstig

wie nie gewesen wären, geht die Beschäfti-gung mit den Armleuchteralgen fortan zurück.Schon HOLTZ (1903: 63) selbst erkennt, dassnach Brauns Tod eine „gewisse Ruhe [in derCharaceenkunde] eingetreten“ war und hofft,dass „die eingetretene Stille“ nur „die Stille vordem Sturme ist und dass später eine neueSturmperiode eintreten wird“ – bis dahin solltees allerdings noch einige Jahrzehnte dauern. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sindnur wenige detaillierte Beschäftigungen mitden Armleuchteralgen überliefert. Auch durchdas im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ver-festigte taxonomische System kommt es in derBotanik immer mehr zu einer Trennung zwi-schen Phanerogamen und anderen Gruppen,der sich auch in den Floren niederschlägt, indenen Armleuchteralgen meist fehlen. In floris-tischen Arbeiten einiger Gebiete finden sich im-mer wieder Neufunde oder Bestätigungen vonArmleuchteralgen, so z. B. von MARSSON (in PAS-SARGE 1904) für Seen bei Lychen in der Ucker-mark. Bei der Inventarisierung des Natur-schutzgebietes Plagefenn (und Umgebung)werden ebenfalls die Characeen der Gewässerberücksichtigt (ULBRICH 1912). Auch PANKNIN

(1941) gibt bei der Untersuchung des Grim-nitzsees – neben weiteren Makroalgen – Arm-leuchteralgen an. STROEDE (1931/32) beschäf-tigt sich – erstmals für das Gebiet mittels Wasser-analysen – mit der Ökologie der Characeen. Erst später sind beginnend mit den Arbeiten amStechlinsee (KRAUSCH 1964) in der DDR zahlrei-che Untersuchungen durchgeführt worden, beidenen die Verbreitung, die Ökologie und dieSyntaxonomie der in den nordbrandenburgi-schen Klarwasserseen auftretenden Arten imMittelpunkt standen. Dies betrifft unter ande-rem das Rheinsberger Seengebiet (JESCHKE &MÜTHER 1978), sowie zahlreiche durch DOLL

(z. B. 1981, 1982, 1989) untersuchte Seen. AuchSUCCOW & REINHOLD (1978) und SUCCOW & KOPP

(1985) publizieren Armleuchteralgen-Fundebzw. nutzen diese zur Bioindikation.SCHMIDT (1981, 1984) wies erneut auf die Schutz-bedürftigkeit der Armleuchteralgen hin und fasstden aktuellen Stand zur Ökologie, Verbreitungund Morphologie einschließlich eines Bestim-mungsschlüssels zusammen und ist Erstautor derersten Roten Listen für Armleuchteralgen für dieLänder Brandenburg (SCHMIDT et al. 1993a, b)

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und Mecklenburg-Vorpommern (SCHMIDT 1994)sowie für die zweite Fassung für die Bundesre-publik Deutschland (SCHMIDT et al. 1996). Diet-rich Schmidt verstarb im Jahr 2004 (Nachruf s. TÄUSCHER 2009a). In den 1990er Jahren wurde im Rahmen derErstellung von Pflege- und Entwicklungsplänenin den Großschutzgebieten, deren Seen teilweisebedeutende Armleuchteralgen-Vorkommen ent-hielten, umfassende Aufnahmen der Gewässer-flora vorgenommen, insbesondere im Biosphä-renreservat Schorfheide-Chorin (MAUERSBERGER &MAUERSBERGER 1996), dem Naturpark Ucker-märkische Seen (z. B. von Kroy, s. in MAUERSBER-GER 2004), aber auch im Naturpark MärkischeSchweiz (TÄUSCHER 2012). Im 2001 gegründe-ten Naturpark Stechlin-Ruppiner Land wurdendie Erstuntersuchungen erst 2011 abgeschlos-sen (z. B. BUKOWSKY & SPIEß 2004, KABUS 2011,KABUS & WIEHLE 2012).In den Biosphärenreservaten (BR) des LandesBrandenburg findet eine ökosystemare Umwelt-beobachtung (ÖUB) statt, wobei für die Chara-ceen besonders das seenreiche BR Schorfheide-Chorin zu nennen ist (MAUERSBERGER 1999,SCHMIDT et al. 2005, KABUS in LUTHARDT et al.2009). Ende der 1990er Jahre bzw. Anfang des neuenJahrtausends erhielt die Erfassung der Armleuch-teralgen weitere Impulse. Diese gehen für diegrößeren Seen insbesondere von der EU-Wasser-rahmenrichtlinie aus, in deren Umsetzung dieArmleuchteralgen eine wichtige indikatorischeGruppe für den geforderten „guten ökologi-schen“ Zustand sind (Methoden und einzelneArtnachweise in STELZER 2003, PÄZOLT 2007). Auch in der Umsetzung der Fauna-Flora-Habi-tat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Gemein-schaften stellen die Armleuchteralgen für eini-ge Gewässertypen eine wichtige Gruppe zurGewässerbewertung dar (ZIMMERMANN et al.2007). Die von Characeenvegetation dominier-ten nährstoffarmen, kalkhaltigen Seen sind inder Richtlinie als ein eigener, besonders zu schüt-zender Lebensraumtyp (LRT 3140) enthalten(vgl. KABUS 2004, MÜLLER et al. 2004). Durch die Gründung einer „Arbeitsgruppe Cha-raceen Deutschland“ (Gründungstagung 2004in Rostock, siehe http://www.biologie.uni-ros-tock.de/oekologie/oekologie/agcd/index.htm,vgl. VAN DE WEYER et al. 2006) konnte Experten-

wissen zusammengeführt bzw. der Austauschgefördert werden. Nicht zuletzt durch die Publi-kation eines Verbreitungsatlas der CharaceenDeutschlands (KORSCH et al. 2008) wurde einBearbeitungsstand erreicht, der die aktuelleDatenlage zusammenfasst und auch für diehier vorliegende Neufassung der Roten Listegenutzt werden konnte. Neben der laufenden Aktualisierung der Daten,besonders für die gefährdeten Arten, sollte fürdie Armleuchteralgen-Forschung in Branden-burg in Zukunft auch eine intensivere Untersu-chung der Klein- und Temporärgewässer erfol-gen. Gerade im Rahmen der landesweiten,auch außerhalb der FFH- und Großschutzge-biete durchgeführten Kartierung der nach §32BbgNatSchG geschützten Biotope, ist es wün-schenswert, dass die Armleuchteralgen stärkerals bisher berücksichtigt werden. Dabei ist da-rauf zu achten, dass die Vorgaben der Kartie-rungsanleitung (ZIMMERMANN et al. o.J.) umge-setzt und die entsprechenden Gewässer > 1 hamindestens vom Boot aus untersucht werden.Armleuchteralgen sollten, wenn den Bearbei-tern eine Bestimmung nicht möglich ist, gesam-melt und durch Dritte determiniert werden.Viele Kleingewässer wie Sölle zählen ebenfallszu den geschützten Biotopen und sind im Rah-men der Kartierungen zu berücksichtigen. Nicht geschlossen wird hierdurch jedoch dieErfassung der nicht in jedem Falle nach §32BbgNatSchG geschützten Biotope, wie Grä-ben und temporäre Wasseransammlungen aufÄckern. Auch eine Erfassung der Frühjahrsartenist über das Routinemonitoring im Rahmen derBiotopkartierung entsprechend einer sommer-lichen Auftragsvergabe erfahrungsgemäß nichtzu leisten. Eine Umsetzung der genannten Maßnahmenkönnte zu einer angemessenen Berücksichti-gung der Armleuchteralgen im Rahmen desFlorenschutzkonzeptes Brandenburg (vgl. HERR-MANN 2008) führen.

3 Systematik und Nomenklatur

In der Klasse der Charophyceae RABENHORST 1863existieren die Charales DUMORTIER 1829 als ein-zige Ordnung. Von den zwei Familien kommenin Mitteleuropa nur die Characeae S. F. GRAY

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1821 vor, die in Nordostdeutschland sechs Gat-tungen umfassen, von denen fünf auch in Bran-denburg vorkommen: Chara, Lychnothamnus,Nitella, Nitellopsis und Tolypella. Die GattungLamprothamnium fehlt in Brandenburg; sie ist aufBrack- und Meerwasserlebensräume beschränkt.Die Nomenklatur dieser Roten Liste und Check-liste folgt BLÜMEL & RAABE (2004). Auf dieseQuelle sei auch bezüglich der zahlreichen Syno-nyme verwiesen. Hier werden nur drei geläufigeSynonyme genannt:

Chara globularis, Synonym: Chara fragilisChara virgata, Synonym: Chara delicatulaNitella confervacea, Synonym: Nitella batra-chosperma

4 Ökologie und Lebensräume

Alle Armleuchteralgen sind aquatische, in derRegel submers wachsende Pflanzen. Von ver-schiedenen Arten werden unterschiedlicheLebensräume besiedelt. Viele Arten haben ihrOptimum in den (großen) oligotrophen undmesotrophen Seen. Daneben werden auchKleinseen, Sölle, Temporärgewässer, Fischteiche,Speicherbecken und Gräben, teilweise auchgering eutrophierte Gewässer, besiedelt. Als typische Characeengewässer sind bezogenauf Menge und Fläche der Lebensräume inBrandenburg die kalkreichen oligo- bis meso-trophen Klarwasserseen anzusehen. In diesenwird der Vegetationstyp der Grundrasen teil-weise vollständig von Armleuchteralgengesell-schaften der Ordnung Charetalia hispidae ge-bildet; die verschiedenen Arten der GattungChara (z. B. C. aspera, C. filiformis,C. tomen-tosa, C. rudis, vgl. Artenliste in KABUS 2004)können hier von der Flachwasserzone aus biszur unteren Makrophytengrenze – in typischerZonierung – die prägende Unterwasservegeta-tion bilden. Oft sind Nitella flexilis oder Nitel-lopsis obtusa in solchen Seen die am tiefstenverbreiteten Makrophyten und bilden die untereVegetationsgrenze zusammen mit Schlauch-algen (Vaucheria spp.). In diesen Seen können –zumindest bei mehrjährigem Untersuchungs-turnus – zweistellige Artenzahlen allein unterden Armleuchteralgen erreicht werden unddiese Pflanzenfamilie auch in der prozentualen

Deckung prägend sein, wie z. B. im GroßenGollinsee (vgl. MAUERSBERGER 2004). Die Bestän-de reichen in den mesotrophen Seen mindes-tens 4 Meter tief hinab; bei entsprechenderWassertransparenz sind in Brandenburg bisherArmleuchteralgen in bis zu 20 Meter Tiefe nach-gewiesen worden (im Stechlinsee: KRAUSCH

1964) bzw. evtl. auch erheblich größere Besied-lungstiefen möglich (VAN DE WEYER et al. 2009b).Diese nährstoffarmen, kalkreichen Gewässer(FFH-LRT 3140, vgl. auch MÜLLER et al. 2004)konzentrieren sich – mit wenigen Ausnahmen –auf das nordbrandenburgische Jungmoränen-gebiet an der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern, so dass ein Großteil von ihnen inden Naturparken Stechlin-Ruppiner Land (z. B.Großer Stechlinsee, Wittwesee, Wummsee),Uckermärkische Seen (z. B. Tiefer und FaulerSee Lychen, Großer Kastavensee) und im Bio-sphärenreservat Schorfheide-Chorin (z. B. Gro-ßer Gollinsee, Parsteiner See, Tiefer See Bölken-dorf) eingeschlossen sind. Einige der Seen undihre Armleuchteralgenflora sind u. a. ausführlichin DOLL (1980, 1981, 1982), JESCHKE & MÜTHER

(1978), KRAUSCH (1964), MAUERSBERGER &MAUERSBERGER (1996), NATUR & TEXT (1996),SCHMIDT et al. (2005) sowie SPIEß (2003) dar-gestellt. Neben den genannten großen und überwiegendrecht tiefen Seen sind die gegenüber Eutrophie-rung noch empfindlicheren characeenreichenFlachseen besonders hervorzuheben, wie z. B.der Untere Giesenschlagsee (KABUS 2011), derZerwelinsee oder der Jungfernsee (MAUERSBER-GER 2004). Im südlichen Brandenburg ist der FFH-LRT 3140(bzw. der Typus des mesotrophen Sees allge-mein) bezogen auf natürliche Gewässer deut-lich seltener (vgl. Verbreitungskarte in KABUS

2004). Characeenreiche Gewässer sind hier z. B.der Scharmützelsee und unweit davon der Tiefeoder Grubensee sowie der Pinnower See beiGuben, im Altmoränenland fehlen natürlicheSeen dieses Typs. Außerhalb der jungpleistozä-nen Seenlandschaften können künstlicheGewässer wie der Helenesee bei Frankfurt/Oder (NATUR & TEXT 1996) oder der Senften-berger See (VAN DE WEYER et al. 2009a) wertvolleSekundärlebensräume darstellen. Für die basenarmen Weichwasserseen gilt aufvegetationskundlicher Ebene die Ordnung Nitel-

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letalia flexilis als typisch (z. B. DOLL 1989,KRAUSCH 1964, POTT 1995). Auch bezogen aufdie Nitella-Arten ist eine gewisse Affinität zuweichen Gewässern nicht abzustreiten, dochwerden viele Vertreter in Brandenburg auch inHartwasserseen gefunden. Dies gilt insbeson-dere für die bereits genannte Nitella flexilis(vgl. MAUERSBERGER & MAUERSBERGER 1996), aberbeispielsweise auch für N. opaca und N. mucro-nata. Andere Nitella-Arten sind zudem als Klein-gewässerarten und somit als seenuntypischanzusehen. Den Characeenvorkommen in Seen ökologischnahe stehend und oft mit ihnen verzahnt sinddie Bestände in Moorgewässern, Verlandungs-zonen und Bult-Schlenken-Komplexen. Die wich-tigsten Arten sind hier C. vulgaris, C. globularis,C. virgata und mitunter auch C. intermedia. Alsweitere, ökologisch vergleichbare Standortesind verschiedene Standgewässertypen unter-halb der Größendefinition von Seen zu nennenwie Weiher, nicht durchflossene Torfstiche undandere Kleingewässer, die mit nährstoffarmem,kalkreichen Wasser gefüllt sind. Hier sind imgünstigen Fall Arten wie C. intermedia, C. hispi-da, C. globularis und Nitella mucronata anzu-treffen.Ehemalige Kiesgruben können im nährstoff-armen Zustand ein weites Artenspektrum auf-weisen; je nach Größe der Gewässer tretenArten der Seen oder der Kleingewässer auf.Insbesondere großflächige Characeenbeständenehmen (wie auch viele andere submerseMakrophyten) wesentlichen Einfluss auf dieStoffumsätze des Gewässers und auf andereBestandteile der Biozönose. So bilden die„unterseeischen Wiesen“ eine Abdeckung derSedimentoberfläche und behindern damit mas-siv z. B. die Resuspension der bereits abgela-gerten Partikel zurück in den Wasserkörper.Dies ist eine Ursache dafür, dass das Wasser inflachen, von Characeen bewachsenen See-bereichen oft glasklar erscheint. Außerdem wirdauch die Phosphorrücklösung aus der Muddein den See – ein im Zusammenhang mit derSanierung eutrophierter Seen gefürchteter Vor-gang – weitgehend unterbunden. Die Pflanzenselbst bilden eine eng verzweigte Struktur, inder sich nicht nur Schwebstoffe verfangen undaus dem Wasserkörper gleichsam gefiltert wer-den, sondern auf dem sich auch unzählige

Organismen ansiedeln („Aufwuchs“ oder„Biofilm“). Diese vergrößern die Oberflächedes Vegetationskörpers weiter und entziehendem Wasser Nährstoffe. Der pflanzliche Auf-wuchs (Periphyton) tritt in Konkurrenz zu denplanktischen Algen. Gewinnt das Periphytongemeinsam mit den Makrophyten die Ober-hand, werden algenbedingte Trübungen derGewässer unterdrückt. Characeenrasen bilden aber auch einen wichti-gen Lebensraum für viele Tierarten; hier findenZooplankter Schutz, Wasserinsekten oder ihreLarven (Käfer, Libellen, Wasserwanzen) Nah-rung und viele Fischarten Laichsubstrat undVerstecke. Darüber, wie viele Tierarten fakulta-tiv oder obligatorisch von Characeen abhängigsind, sind uns keine Untersuchungen bekannt.Es seien aber stellvertretend einige FFH-Artengenannt, die regelmäßig oder bevorzugtBestände von Armleuchtergewächsen besie-deln: der Breitrand (Dytiscus latissimus), dieÖstliche und die Zierliche Moosjungfer (Leu-corrhinia albifrons und L. caudalis) und derMedizinische Blutegel (Hirudo medicinalis).Fließgewässervorkommen von Characeen spie-len in Brandenburg – anders als beispielsweise imwestlichen Niedersachsen (vgl. BECKER 2008) –keine Rolle. Lediglich einige, von gering belas-tetem Grundwasser gespeiste Gräben, weisenVorkommen von wenigen Arten, in erster Linieaber Chara globularis und C. vulgaris auf. Eine Sonderstellung nehmen die Characeenvor-kommen in periodisch wasserführenden Klein-gewässern ein. Dabei kann es sich z. B. umSchneeschmelze-Pfützen in lehmigen Äckern,periodisch vernässte Ackersenken, wassergefüllteFahrspuren, Trittsiegelpfützen von Wild oderWeidetieren oder zeitweise überstaute Nass-wiesen handeln. All diesen Lebensräumen istgemein, dass sie meist vollständig besonnt sindund trotzdem wenig Konkurrenz für Characeendurch andere Pflanzen herrscht. Die Oogoniendieser hier lebenden Pionier-Characeen sindoffenbar in hinreichender Menge in den obers-ten Bodenschichten vorhanden, wo sie jahre-lang ausharren können und ggf. selbst dasDurchpflügen überstehen. Sobald sich günstigeBedingungen ergeben, keimen sie rasch undbilden bald größere Bestände, die mit der som-merlichen Austrocknung – und vielleicht fürJahre – wieder verschwinden. Zu den Arten, die

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an diesen Lebenszyklus angepasst sind, gehö-ren mit Chara baueri oder Tolypella proliferaüberwiegend extrem seltene Vertreter derGruppe. Auch die Begleitflora besteht zu einemgroßen Teil aus Rote-Liste-Arten, wie z. B. Ela-tine alsinastrum (RAABE 2009a). Diese Artensind auf nicht zu nährstoffreiche Standorte mitkatastrophenartig-dynamischen, wiederkehren-den Prozessen angewiesen; diese Konstellationist sowohl in der bewaldeten Naturlandschaftabseits der Flussauen wie auch in der planvollgenutzten Kulturlandschaft a priori als etwasBesonderes anzusehen. Diese Standorte undLebensgemeinschaften waren über lange Zeitin Brandenburg nur unzureichend erforscht, dasie einerseits sehr kurzlebig sind und anderer-seits weder bei Gewässeruntersuchungen nochbei terrestrischen Kartierungen systematischerfasst werden. In jüngster Zeit ist aber durchdie Untersuchungen von U. Raabe und dieSammeltätigkeit weitere Botaniker (u. a. S. Rät-zel, H. Illig) ein Kenntniszuwachs sowohl zurVerbreitung als auch zur Ökologie dieser Artenzu verzeichnen (vgl. RAABE et al. 2004, RAABE

2009a, RAABE 2011).

5 Gefährdung und Schutz

5.1 Seen

Da die glazial entstandenen Seen in Deutsch-land auf Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom-mern, Schleswig-Holstein und das Alpenvorlandkonzentriert sind, stellt Brandenburg deutsch-landweit einen erheblichen Anteil dieser Lebens-räume und kann daher als einer von wenigenSchwerpunkten für die Verbreitung der Artender großen Seen angesehen werden. Wie bereits dargestellt, dürfen naturnahe, tro-phisch unbelastete Seen als Optimallebensraumvieler Characeenarten gelten. In geschichteten,kalkreichen Seen sind ihre Bestände – in Rein-form als „unterseeische Wiesen“ oder als Bei-mengung von Röhricht- oder Schwimmblatt-gesellschaften – als potentiell natürliche Vege-tation des gesamten photosynthetisch nutz-baren Gewässergrundes anzusehen. Die ökolo-gische Strategie der Arten beruht zum Erstendarauf, auch bei minimalen Mengen pflanzen-verfügbaren Phosphors im Wasserkörper opti-mal zu gedeihen und damit sowohl Samen-

Abb. 2Ausuferndes Auenaltwasser an der Elbe, das zwischen eigentlichem See und Ackerfläche einen großen Bestand von Nitellacapillaris aufweist (2010) Foto: T. Kabus

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pflanzen wie auch vielen Mikroalgen beimKampf um Nährstoffe und Licht überlegen zusein. Zum Zweiten können sie mit Hilfe ihrerwahrscheinlich jahrzehntelang keimfähigenOogonien in Sedimenten ausharren und beiEintreten günstiger Bedingungen innerhalb vonwenigen Monaten bis Jahren riesige Flächenneu besiedeln (z. B. Grimnitzsee 1994).Die Konkurrenzstärke in nährstoffarmen Gewäs-sern bietet ihnen in der heutigen, von extre-men Stoffflüssen geprägten Kulturlandschaftkeinen Vorteil mehr: bereits bei geringfügigerhöhter Phosphorlast werden ihre Thalli zustark von Bewüchsen anderer Algen überzogen(z. B. fädige Jochalgen: Mougeotia-, Spirogyra-,Zygnema-Arten) und in ihrem Wachstumgehemmt (s. TÄUSCHER 2008) oder von Tausend-blatt- und Laichkrautgesellschaften bedrängt.Bei höheren Nährstoffkonzentrationen (ober-halb von etwa 25 mg/m3 Gesamtphosphor)werden Tauchfluren, Schwimmblattrasen undRöhrichte üblicherweise so dicht, dass Chara-ceenbestände zusammenschmelzen. Ab demeutrophen Milieu konkurrieren hydrophytische

Samenpflanzen und Mikroalgen um die Stand-orte in den Seen; Characeen spielen dann keinenennenswerte Rolle mehr. Im phytoplankton-dominierten polytrophen Trübwassersee fehlensie in der Regel komplett.Mit dieser Eutrophierungsreihe ist die Besied-lungsgeschichte der Characeen in zahllosenbrandenburgischen Seen innerhalb der letztenhundert Jahre umschrieben. Nährstoffeinträgeaus gedüngten Agrarflächen und aus Abwasser-einleitungen bestimmen seit dieser Zeit das Bild.Es ist jedoch davon auszugehen, dass ersteBestandseinbrüche seit den mittelalterlichenRodungen und den damit verbundenen katas-trophalen Bodenerosionen zu verzeichnenwaren, die erstmals in unserem Raum zu massi-ven anthropogenen Nährstoffbelastungen führ-ten. Später folgte mit der weiträumigen Eta-blierung von Mühlenstauen (DRIESCHER 2003)die größte Ausdehnung von Gewässern inBrandenburg und damit vermutlich auch diePhase der stärksten Besiedlung durch Chara-ceen. Eine weitere Welle stofflicher Beeinträch-tigungen der Seen begann allerdings spätes-

Abb.3 Durch Algenwatten bedrängte Chara intermedia im Jungfernsee (Uckermark, 2007) Foto: R. Mauersberger

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tens im frühen 19. Jahrhundert, als im damali-gen Preußen intensive Anstrengungen unter-nommen wurden, die Landschaft zu entwäs-sern. Dabei wurden nicht nur Gewässer direktbeseitigt, sondern viele in ihrem Wasserspiegelabgesenkt oder in Entwässerungssysteme ein-gebunden. Eine Folge davon war die Verkür-zung der Verweilzeit des Wassers in den Seen(gemäß Flächenbelastungsmodell von VOLLEN-WEIDER gleichbedeutend mit der Erhöhung derTrophie, s. LAWA 1999) sowie die Erhöhungder Phosphorkonzentrationen in den Zuflüssendurch mineralisierende Torfe der entwässertenMoore. Dass aus den trockengelegten Niederungenauch große Mengen von Huminstoffen einge-tragen wurden und bis heute werden, muss zuden weiteren wesentlichen, anthropogen ver-ursachten Problemen für Characeen gerechnetwerden. Die daraus folgende verstärkte Braun-färbung des Wassers begrenzt das Eindringendes Sonnenlichtes in den Wasserkörper. Damitkönnen tiefere Gewässerbereiche nicht mehrbesiedelt werden.

Vor dem Hintergrund all dieser nutzungsbeding-ten Landschaftsveränderungen wird erklärlich,warum die meisten der nennenswerten heuti-gen Characeenvorkommen in Brandenburg aufwenige Seen konzentriert sind: grundwasser-gespeiste Seen in dünnbesiedelten Gebietenmit hohem Waldanteil und ohne oberirdischeZuflüsse.Zu einem weiteren wesentlichen Problemfaktorfür die Characeen der Seen wurden fischereilicheEinflüsse. Insbesondere überhöhte Beständebenthivorer Arten, die bei der Nahrungssucheden Seeboden durchwühlen und Sedimenteaufwirbeln, die sich dann auf den Characeenwieder absetzen und diese zum Absterbenbringen, führten vielerorts zur Beeinträchti-gung der Characeenvorkommen. In erster Liniehandelt es sich dabei um die in verschiedenenZuchtformen von in Seen eingesetzten Speise-karpfen, die dabei eine sehr unrühmliche Rollespielen. So kommt es, dass selbst phosphor-arme Gewässer mit bedeutenden Characeen-beständen zeitweise fast ohne Besiedlung blei-ben wie z. B. aktuell der Plötzensee bei Luhme

Abb. 4Ufernutzung, z. B. durch Badende, kann Voraussetzungen für Pionierarten schaffen (hier: Chara virgata im Deulowitzer Seeb. Guben, 2006), kann aber auch Bestände schädigen und sollte daher einem angepassten Management unterliegen

Foto: T. Kabus

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(KABUS 2011), der Kölpinsee und der KleineTietzensee bei Rheinsberg oder der Torgelow-see und der Krumme See bei Lychen. Da Karpfenwärmeliebend sind, halten sie sich bevorzugt inbesonnten Flachwasserbereichen auf. Hier kön-nen dann lokal Verluste von Characeen entste-hen, wie z. B. im Nehmitzsee, welcher in ande-ren Flachwasserzonen und in den etwas tiefe-ren Bereichen hingegen noch ungestörte Vor-kommen aufweist.Durch mechanische Schädigung, z. B. an Bade-stellen oder durch Taucher, können Armleuchter-algen bei starkem Nutzungsdruck geschädigtwerden. Geringe Störungen können jedochauch zur Schaffung von Pionierstandorten bei-tragen und manche Arten fördern. Die Characeen der Seen bedürfen im Wesent-lichen keiner spezifischen Schutzmaßnahmen,sondern sie gehören zu den wichtigsten Organis-mengruppen, die von konsequenten Seesanie-rungsvorhaben profitieren. Characeenseen soll-ten ein Einzugsgebiet ohne Ackerbau und ohneentwässerte Moorstandorte haben. Da die Stan-dardverfahren zur Abwasserreinigung heutzu-

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tage aus Sicht des Schutzes von Characeen nurhochbelastetes Wasser erzeugen, müssen Abwas-sereinleitungen generell von Characeenseenferngehalten werden. Karpfenbesatz in potentiellen Characeenseenmuss unterbleiben, vorhandene Bestände sindzu eliminieren oder zumindest zu dezimieren.In anderen Bundesländern spielen anthropogeneGewässer (vor allem Kiesgruben) eine zuneh-mende Rolle als Ersatzlebensraum für Seen besie-delnde Characeen, in Brandenburg sind dies bis-lang noch Ausnahmen. Prinzipiell können jedochaus wassergefüllten Abgrabungssenken wert-volle, artenreiche Standorte entstehen, soferndie Gewässer ohne Kontakt zum Oberflächen-gewässersystem bleiben. Dieser Aspekt besitztbesondere Bedeutung für die heutige Land-schaftsplanung, da z. B. bei Ausgleichs- undErsatzmaßnahmen wegen der angestrebtenBesiedlung mit Fischen allzu gern Gewässer mitdirekter Fließgewässeranbindung geplant wer-den, was üblicherweise Nährstoffbelastung, trü-bes Wasser und Fehlen von Characeen zur Fol-ge hat.

Abb.5Wie Moospolster anmutende Chara-Rasen auf überrieselter Flachabtorfungsfläche in einem wiedervernässten Moor (Lehst-Niederung bei Lychen, 2008) Foto: R. Mauersberger

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5.2 Kleingewässer

Characeenbestände in Verlandungsmooren sindgegenüber trophischen Belastungen der Gewäs-ser weniger empfindlich, da die Nährstoffeinträ-ge zumeist die eigentlichen Seebecken betreffen,weniger die peripheren Kleinstgewässer der Ver-landungszonen. Derartige Characeenstandortewerden bei Wasserstandsanhebungen in Seenund Mooren gefördert. Auch Torfstiche könnenzu bedeutenden Characeenstandorten werden.Besonders schwierig ist die Einschätzung deranthropogenen Gefährdung von Characeen-arten unvermoorter Kleingewässer der Offen-landschaft, die meist auch eine temporäreWasserführung aufweisen. Es ist unklar, obArten, die heute sehr sporadisch in Acker-senken und Pseudosöllen nachgewiesen werden,überhaupt zur indigenen Flora Brandenburgszu rechnen sind. Es liegen keine Erkenntnissedarüber vor, ob es diese Arten einst in den nochintakten Flussauen mit dynamischen Gewässer-bildungsprozessen gegeben hat. Möglicher-weise handelt es sich um Kulturfolger, die erstmit den mittelalterlichen Landschaftsumwälzun-gen eingedrungen sind und nur durch spezielleBewirtschaftungsformen oder Zufälle erhaltenwerden können.Die Schaffung geeigneter Lebensräume für dieseArten bedeutet, dass nasse Ackersenken nichtdrainiert werden dürfen und bei der Düngungausgespart bleiben, aber dennoch regelmäßigdurchgepflügt werden müssen, um den Pionier-arten den jeweiligen Konkurrenzvorteil gegen-über eutraphenten Röhrichten oder Stauden-fluren zu bieten. Von einer derartigen Behand-lung würden zahlreiche andere Pflanzenartendes FFH-Lebensraumtyps 3132 (Nanojuncetea)sowie Vogelarten wie z. B. der Kiebitz Nutzenziehen. Für Sölle oder Nassstellen auf extensiven Feucht-wiesen kann dies bedeuten, dass die Gewässernicht aus der Beweidungsnutzung genommenwerden dürfen, bzw. dass weiterhin eine Mahdstattfinden sollte. Die meisten Armleuchter-algen dieser Gewässertypen sind auf Pionier-standorte und damit auf offene Bodenflächenangewiesen. Dies gilt auch für Gräben, diegenauso wie einige andere Kleingewässertypenbei Mahd- oder Beweidungsaufgabe mit dich-ter Röhricht- und/oder Riedvegetation bewach-

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sen werden. Abgestimmt auf die Erhaltungs-ziele sollte daher die extensive Nutzung fort-geführt und ggf. auch eine Schädigung der(Helophyten-) Vegetation in Kauf genommenwerden (vgl. KABUS 2002). Teilweise ergebensich daraus Widersprüche zur geltenden Natur-schutzgesetzgebung.

6 Methoden der Gefährdungs-einschätzung

Gegenüber der ersten Fassung der Roten Listewurden inzwischen neue methodische Vorgabendurch das Bundesamtes für Naturschutz (BfN)erstellt (LUDWIG et al. 2006), die sich in derBenennung an den internationalen Kriteriender IUCN orientieren. Daraus ergeben sich Än-derungen der Gefährdungskategorien (Tab. 1)sowie neue Ansätze zur Gefährdungseinschät-zung, die folgende Teilkriterien berücksichtigt:

- die aktuelle Bestandessituation einer Art, - ihren lang- und kurzfristigen Bestandstrend- sowie Risikofaktoren, falls diese erwarten

lassen, dass sich die Bestandesentwicklungeiner Art in den nächsten Jahren ver-schlechtert.

Mögliche Schwierigkeiten der Anwendung die-ser Kriterien auf die Armleuchteralgen wurdendurch VAN DE WEYER et al. (2008) benannt undLösungen dazu durch HAUPT & LUDWIG (2009)

Tabelle 1: Gefährdungskategorien der Roten Liste

Kategorie Bedeutung Rote-Liste-Status

0 Ausgestorben oder Arten der Roten Listeverschollen

1 Vom Aussterben bedroht

2 Stark gefährdet

3 Gefährdet

G Gefährdung unbe-kannten Ausmaßes

R Extrem selten

V Vorwarnliste keine Arten der

D Daten unzureichend Roten Liste

* Ungefährdet

◊ Nicht bewertet

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aufgezeigt. Am Beispiel des Landes Branden-burg soll auf die Kriterien eingegangen werden.

Die aktuelle Bestandssituation umfasst die Situ-ation ab 1990 bis heute, analog zum Verbrei-tungsatlas der Characeen (KORSCH et al. 2008).Bei der Nutzung dieser Quelle ist jedoch zubedenken, dass es für die Gefährdungssituationentscheidend ist, ob hinter einem Rasterpunktnur ein oder mehrere Vorkommen stehen. Soerreichen beispielsweise Chara globularis undC. vulgaris eine ähnliche Verbreitung, erstere Artist innerhalb der Rasterfelder jedoch bedeutendhäufiger. Auch sind in die Rasterkarten nur ingeringem Umfang Auswertungen der aktuellenPublikationen eingegangen bzw. lagen nicht alleKartierdaten vor (z. B. fehlt dort Chara tomen-tosa östlich von Berlin, es existieren aber meh-rere Funde, vgl. z. B. TÄUSCHER 2012). In Brandenburg gibt es etwa 3000 Seen, die 1 ha oder größer sind. Den Verfassern liegeneigene Daten für etwa ein Drittel davon, mitSchwerpunkt in Nordbrandenburg, vor. DieCharaceenflora zahlreicher weiterer Seen istdurch Publikationen und Mitteilungen sowienaturschutzfachliche Kartierungen (z. B. in denGroßschutzgebieten Brandenburgs) oder wasser-wirtschaftliche Untersuchungen Dritter (z. B. inUmsetzung der Wasserrahmenrichtlinie anGroßseen) bekannt. Außerdem lassen sich ausGewässeruntersuchungen des Gewässerkatas-ters im Institut für angewandte Gewässeröko-logie (Seddin) mesotrophe Seen – Lebensraumder gefährdeten Seenarten – bestimmen; sie sindgrößtenteils in den beschriebenen floristischenDaten enthalten. Die Kenntnis der Characeen-flora der Seen Brandenburgs ist daher als guteinzuschätzen.Durch Wiederholungsuntersuchungen und Mo-nitoring-Programme (z. B. KABUS in LUTHARDT

et al. 2009; Wasserrahmenrichtlinie-Monito-ring des Landesumweltamtes [PÄZOLT 2007];vgl. auch MAUERSBERGER 2004) konnte aus mehre-ren Seen ein kurzfristiger Bestandstrend abge-leitet werden, der durch zusätzlich erhobeneökologische Parameter (z. B. limnochemischeMessungen, Klimadaten, Hydrologie) auf ande-re Bestände übertragen oder verallgemeinertwerden kann. Bei Arten, die in anderen Gewässern als Seenwachsen, sind deutliche Erfassungslücken zu

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erwarten (s. Kap. 4). Dies liegt nicht nur in dergroßen Zahl potenzieller Lebensräume begrün-det, sondern auch in der ephemeren Lebens-weise und dem anscheinend nicht über Jahrekonstanten Auftreten von Arten (abhängig vonWitterung, Landnutzung usw.). Dank einigerUntersuchungen der vergangenen Jahre (vgl.Kap. 4, Quellen s. Artendiskussion in Kap. 10)ist die Kenntnis aber doch als relativ gut zubezeichnen.

Der für die Bewertung in der Roten Liste analy-sierte langfristige Bestandstrend umfasst etwadie letzten 150 oder mehr Jahre. Er ist für dieArmleuchteralgen nur zu geringen Teilen ausder Literatur bzw. aus Herbarien abzuleiten.Wie in Kap. 2 dargestellt, können Brandenburgund Berlin zwar als Zentrum der deutschenCharaceenforschung des 19. Jahrhunderts gel-ten, betrachtet man aber die Fundortangaben,so ist festzustellen, dass Fundorte aus Berlindominieren. Das heutige Brandenburg wurdekaum über größere Flächen untersucht, son-dern nur in der Umgebung der Wohnorte vonBotanikern, in gut erreichbaren Gebieten (Bahn-anschluss!) bzw. an „hot spots“, von denensich herumgesprochen hatte, dass sie floristischlohnend sind (vgl. z. B. zum NaturschutzgebietPlagefenn die Übersicht bei ULBRICH 1912).Unter den Untersuchungsgewässern dominie-ren Kleingewässer, deren Untersuchung weni-ger technisch anspruchsvoll war als die der gro-ßen und tiefen Seen. Wie klein die Zahl deruntersuchten Seen (im Vergleich zu heute) war,lässt sich auch aus der Liste in HOLTZ (1903)ablesen.

Wegen des Fehlens belastbarer Daten war fürdie Beurteilung des kurz- und langfristigenBestandstrends daher vielfach von der allge-meinen Situation auszugehen, wie sie sich auchaus Kap. 4 und 5 ergibt: Für Klein- und Flach-gewässer ist in den letzten Jahrzehnten einebesondere Bedrohung durch den angespann-ten Wasserhaushalt, sinkende Grundwasser-stände (GERSTENGARBE et al. 2003, LANDGRAF 2001)und damit verbunden sinkende Oberflächen-wasserstände vorhanden, die in Söllen undanderen Typen von Kleingewässern zu Wasser-standsrückgängen oder Austrocknung geführthaben (z. B. DREGER 2002, LUTHARDT et al. 2009).

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Der Trend soll sich bisherigen Erkenntnissen zu-folge künftig noch verstärken (GERSTENGARBE et al.2003) und kann durch die Aufkonzentration vonNährstoffen und durch verminderten Anschlussan (kalkreiche) Grundwasserleiter zur Eutro-phierung von Seen und zum „weicher werden“mäßig harter Gewässer führen (eigene Daten). Die Seen waren und sind von Eutrophierungbedroht. Gegenwärtig, insbesondere seit den1990er Jahren, ist jedoch eher eine Abnahme

der Trophie der brandenburgischen Seen zu ver-zeichnen. Heute können wieder 22 % der Seenals oligo- oder mesotroph bezeichnet werden(VIETINGHOFF & MIETZ 2004), im Gegensatz zu 8 % zu Anfang der 1990er Jahre (MIETZ 1996).Diese beginnende Reoligotrophierung entwickel-te sich zum wichtigen Faktor zur Wiederaus-breitung von Armleuchteralgen. Da Oosporenvieler Arten im Sediment der Seen lange keim-fähig bleiben, besteht eine realistische Chance

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Abb.6Chara vulgaris in einem austrocknenden Seichtgewässer Foto: R. Mauersberger

Tabelle 2: Trophiestufen und ihre Bedeutung für Characeen (zusammengefasst nach: KABUS 2004, LAWA 1999, MAUERSBERGER & MAUERSBERGER 1996, PETZOLD et al. 2006, SUCCOW & KOPP 1985)

Trophiestufe (Abkürzung) Charakteristik Bedeutung für Armleuchteralgen

oligotroph (o) extrem nährstoffarm, ungetrübt sehr hoch (von Characeen dominiert)

schwach mesotroph (m1) sehr nährstoffarm, sehr klar sehr hoch (von Characeen dominiert)

stark mesotroph (m2) nährstoffarm, klar Zwischenstellung zwischen Characeen-seen und anderen Typen

eutroph (e1) mäßig nährstoffreich, noch ziemlich klar Characeen als Begleiter, nur stellen-weise dominant

hocheutroph (e2) stärker nährstoffreich und sommerlich trüb gering (allgemein arm an Wasserpflanzen)

polytroph, hypertroph (p1, p2, h) sehr nährstoffreich und stark getrübt keine (fast frei von Unterwasserpflanzen)

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zur Wiederbesiedlung vieler Gewässer. Problema-tisch könnte diese allerdings in Seen mit einerin den letzten Jahrzehnten angereicherten, oftmeterdicken Feindetritusmudde-Schicht sein. Die-se ist grundsätzlich ein Ansiedlungshindernis fürWasserpflanzen (KABUS 2005) und sie überdecktdie Oosporen des historischen Sediments. Auch die heute oligo- bis mesotrophen Gewässermüssen gegenüber dem „naturnahen“ Zustandals eutrophiert gelten. Da bereits in stark meso-trophen Gewässern (m2, vgl. Tab. 2) die meso-traphenten Arten zurückgehen, kann auch einegeringe Eutrophierung von oligo- und schwachmesotrophen Seen (o, m1) eine Gefährdungfür manche Armleuchteralgen darstellen (MÜLLER

et al. 2004). Ein Beispiel hierfür ist der Stechlin-see – lange Zeit Beispiel eines oligotrophenSees – der heute leicht eutrophiert ist (o � m1)und in dem die Makrophytenbesiedlung heute5 bis 6 Meter weniger in die Tiefe reicht alsnoch vor 40 Jahren (BUKOWSKI & SPIEß 2004),auch wenn teilweise noch eine sehr großeTiefenverbreitung erreicht wird (VAN DE WEYER

et al. 2009b). Vielfach sind mesotrophe Seendurch Eutrophierung stark verändert und stehenals Lebensraum mesotraphenter Armleuchter-algen nicht mehr zur Verfügung. Im Biosphären-reservat Schorfheide-Chorin befanden sichAnfang der 1990er Jahre von 134 potenziellnatürlich mesotroph-alkalischen Seen nur noch12 in diesem Zustand (MAUERSBERGER & MAUERS-BERGER 1996).In den Kleingewässern, deren trophischer Zustandheute und früher nie repräsentativ erfasst wur-de (zum Stand für Kleingewässer > 1 ha vgl.:KORCZYNSKI et al. 2005), dürfte die Eutrophie-rung auch heute anhalten, wenn nicht Nut-zungsaufgabe oder bewusste Nährstoffredu-zierung in der Landwirtschaft in einigen Fällenpositivere Auswirkungen haben. Weiterhin sindunzählige Kleingewässer durch Meliorationenin der Landwirtschaft heute ganz verschwun-den. Für den Schutz der Arten dieser Lebens-räume, besonders auch der ephemeren Artentemporärer Kleingewässer, liegen jedoch nur

wenige Grundlagendaten zu ihren ökologi-schen Ansprüchen und somit auch für eineVorhersage von Bestandstrends oder Risikofak-toren vor – auch wenn die Erkenntnisse in denvergangenen Jahren zugenommen haben (vgl.RAABE 2008, 2009a, 2011) und sich Schutzzieleaus auf die Begleitflora bezogenen Artenschutz-aspekten ableiten lassen. Aus den genannten Faktoren ergibt sich für diePrognose der Bestandssituation, dass für dieArten der nährstoffarmen (Wald-)Seen Nord-brandenburgs meist stabile Zustände und eherpositive Bestandstrends zu erwarten sind. Da dasKriteriensystem zur Roten Liste (LUDWIG et al.2006) nur einen gleich bleibenden Bestands-trend oder eine deutliche Zunahme unterschei-det (oder mehrere Abnahme-Kategorien anbie-tet), wurde der Trend meist als gleich bleibenddefiniert: Für mesotraphente Arten ist dahervon einem langfristig sehr starken Rückgang(vor 50 bis 150 Jahren) auszugehen, kurzfristig(vor bis zu 20 Jahren) von einem gleich bleiben-den oder höchstens gering positiven Bestands-trend. Dabei ist für den kurzfristigen Bestands-trend auch berücksichtigt, dass wie bereits dar-gestellt innerhalb der letzten rund 10 Jahre eineerhebliche Steigerung der Untersuchungsinten-sität zu beobachten ist. In den letzten Jahren zeigte sich allerdings, dasseinige der wertvollsten Characeengewässer star-ke Verluste an mesotraphenten Armleuchter-algenbeständen hinnehmen mussten (z. B. Gol-linsee, Stechlinsee, Wittwesee, Twernsee, Fau-ler See); Standorte mit flächenhaften „unter-seeischen Wiesen“ sind rar geworden. Chararudis, früher in diesen Gewässern Dominanz-bestände bildend, wurde 2010 und 2011 nurnoch an rund einem Dutzend Seen nachgewie-sen, wobei es sich überwiegend um kleine Vor-kommen handelte. Es kann zum gegenwärti-gen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden, obes sich um Schwankungen, um Einzelereignisse(mit konkreten Ursachen) oder um einen allge-meinen und anhaltenden Trend handelt, der inder Roten Liste zu berücksichtigen wäre.