13
Rough Guide Jazz Der ultimative Führer zur Jazzmusik. 1800 Künstler und Bands von den Anfängen bis heute Bearbeitet von Mirella Bauerle, Dieter Fuchs, Werner Voran, Ralf Siemers, Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley erweitert, überarbeitet 2004. Taschenbuch. VIII, 805 S. Paperback ISBN 978 3 476 01892 2 Format (B x L): 17 x 24 cm Gewicht: 1350 g Weitere Fachgebiete > Musik, Darstellende Künste, Film > Musikgattungen > Jazz schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Rough Guide Jazz - · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

  • Upload
    vandan

  • View
    243

  • Download
    3

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

Rough Guide Jazz

Der ultimative Führer zur Jazzmusik. 1800 Künstler und Bands von den Anfängen bis heute

Bearbeitet vonMirella Bauerle, Dieter Fuchs, Werner Voran, Ralf Siemers, Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley

erweitert, überarbeitet 2004. Taschenbuch. VIII, 805 S. PaperbackISBN 978 3 476 01892 2

Format (B x L): 17 x 24 cmGewicht: 1350 g

Weitere Fachgebiete > Musik, Darstellende Künste, Film > Musikgattungen > Jazz

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

als 8 Millionen Produkte.

Page 2: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,
Page 3: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

1

A

JOH

N A

BE

RC

RO

MB

IE

AA H M E D A B D U L - M A L I KBaß, Oud.geb. am 30. Januar 1927 in New York;gest. am 2. Oktober 1993.

A bdul-Malik, Sohn eines Sudanesen, wuchs imarabischen Viertel Brooklyns auf. Entgegen an-

derslautender Gerüchte hatte sich Mitte der 50er derBassist Sam Gill seines Namens nicht bedient. Ahmedspielte als Bassist mit seinem Jugendfreund RandyWeston und anderen, darunter mit Art Blakey, DonByas, Sam »The Man« Taylor, Thelonious Monk (zwi-schen 1957 und 1958), Herbie Mann (1961) und EarlHines (1964). Auch auf der Oud, einer arabischenLaute, die er 1961 auf einer Platte mit Coltrane und1977 mit Hamiet Bluiett einsetzte, galt er als Fach-mann. Unter seinem eigenen Namen sind zwischen1958 und 1964 mehrere Alben erschienen, welche dieEinführung der arabischen Musik in den Jazz wesent-lich beförderten. [BP]

b Jazz Sahara (1958; Riverside/OJC). Auf Abdul-Malikserstem Album ist er umgeben von Instrumenten wieDarabeka, Duf, Kanoon und einer Geige. Mit Jimmy Griffinund dem Schlagzeuger Al Harewood, die den jazzigen Teilbeisteuern.

J O H N A B E R C R O M B I EGitarre, Gitarrensynthesizer, elektrischezwölfsaitige Gitarre, Mandolinengitarre.geb. am 16. Dezember 1944 in Port Chester, New York.

A bercrombie nahm erstmals mit vierzehn Gitarren-stunden bei einem ortsansässigen Lehrer und

spielte schon während seiner Schulzeit in Rock-Bands. Von 1962 bis 1966 studierte er bei Jack Peter-son an der Berklee School of Music. In Boston arbei-tete er zwischen 1967 bis 1968 mit dem OrganistenJohnny »Hammond« Smith und 1969 in New Yorkkurz mit Mike und Randy Brecker in der BandDreams. Eineinhalb Jahre (zwischen 1970 bis 1971)verbrachte er mit Chico Hamilton, mit dem er auchseine erste Reise nach Europa unternahm und aufdem Festival in Montreux gastierte. Bis 1973 arbei-tete er mit Jeremy Steig, Gil Evans und Gato Barieri,anschließend war er zwei Jahre lang mit Dave Lieb-man im Studio, spielte mit Billy Cobham, ging mitJack DeJohnette auf Europa-Tournee und trat dane-ben auch mit seinem eigenen Trio und Quartett auf.1974 nahm er für ECM sein erstes eigenes Album, Ti-meless, mit Jan Hammer an den Keyboards und JackDeJohnette am Schlagzeug auf, der Auftakt einer

langen und fruchtbaren Beziehung zu diesem Label.Seither hat er an einer ganzen Reihe von herausra-genden Trio- und Quartettformationen mitgewirkt.

In den späten 70ern zählte Abercrombie zu JackDeJohnettes New Directions. Bis in die 80er hineintourte er mit dem Gitarristen Ralph Towner undnahm mit diesem auch auf. 1988 war er mit einemglänzenden Quintett des Trompeters Kenny Wheelerunterwegs, dem auch Dave Holland am Baß, PianistJohn Taylor und der Schlagzeuger aus Abercrombiesderzeitiger Trioformation, Peter Erskine, angehörten.Abercrombie wirkte 1990 sowohl in Wheelers Quintettwie auch in dessen neunzehnköpfigem Ensemble anAufnahmen mit und bereiste mit dem Trompeter 1991Amerika sowie im darauffolgenden Jahr Europa. Erspielte ebenfalls in Gunther Schullers großem Orche-ster, das postum Charles Mingus’ Epitaph aufführteund aufnahm. In dieser Zeit arbeitete er auch mit sei-nem eigenen Trio Gateway, dem Jack DeJohnette undDave Holland angehörten. In den frühen 90ern be-sann er sich wieder auf eine seiner ersten Vorlieben,das Orgeltrio mit Dan Wall (org.) und dem Schlagzeu-ger Adam Nussbaum. Diese drei waren das ganzeJahrzehnt über zusammen. Im Oktober 1998 nahmdas Trio mit den drei Gästen Kenny Wheeler, Joe Lo-vano und Mark Feldman für ECM auf. 1997 war Aber-crombie neben Wheeler, John Taylor, Michael Brecker,Lovano, Peter Erskine, Marc Johnson und dem LondonPhilharmonic Orchestra an einer Aufnahme des Kom-ponisten und Arrangeurs Vince Mendoza beteiligt. ImJahr 2000 nahm er mit Erskine, John Patitucci undBob Mintzer The Hudson Project auf.

Abercrombie ist in allen Sparten zuhause: im Jazzund im Rock, in der elektrischen oder akustischenMusik, in vorgegebenen Strukturen oder freien Im-provisationen, in kleinen Gruppen oder in größerenEnsembles (wenngleich er die kleinen Gruppen vor-zuziehen scheint). Seine melodischen Linien sindvon großer Beredsamkeit, er swingt wundervoll, undemotional verfügt er über ein umfangreiches Spek-trum – von den zarten Schattierungen der Melancho-lie bis zum zügellosen Jubilieren. Er ist eine der indi-viduellsten Persönlichkeiten in der Post-Coltrane-Äraund außerdem ein vorzüglicher Komponist. Seinefrühen Vorbilder sind Jim Hall, Barney Kessel und TalFarlow; später wurde er von Pat Martino, George Ben-son, Larry Coryell und John McLaughlin beeinflußt.[IC]

JOHN ABERCROMBIE

b Timeless (1974; ECM). Einfühlungsvermögen undIntensität werden auf dem brillanten Debütalbum vonAbercrombies Trio konstant aufrechterhalten.

Page 4: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

2

BR

IAN

AB

RA

HA

MS

b Gateway (1975; ECM). Ein weiteres hervorragendes Trio,wieder mit DeJohnette und – diesmal – dem Bassisten DaveHolland. Es handelt sich um ein akustisches Album: einbißchen zurückhaltend, aber mit starken Bündelungen undvielen fesselnden Episoden.

JOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER

b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner anGitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,aber wesentlich kraftvoller als es auf den ersten Blickerscheinen mag.

JOHN ABERCROMBIE

b Characters (1977; ECM). Dies ist ein kontemplativesSoloalbum mit einer großartigen lyrischen Komposition undebensolchem Spiel. Alle von Abercrombie gesetzten Notenund Phrasierungen fügen sich hier zu einer einzigenunaufdringlichen, aber leidenschaftlichen persönlichenAussage zusammen.b Getting There (1987; ECM). Nun ein Abstecher mit einemQuartett: mit Michael Brecker (ts.), Marc Johnson (b.) undPeter Erskine (dr.). Die Rhythmusgruppe, mit der Abercrombiebereits zwei Jahre gearbeitet hat, ist, wie gewohnt, exzellent.Breckers Präsenz läßt ihn in die Höhe steigen – und der Funkespringt in dieser dynamischen Aufnahme über.b Animato (1989; ECM). Noch ein vorzügliches Trio mitVince Mendoza (synth.) und dem großen norwegischenSchlagzeuger Jon Christensen. Einige ausgezeichneteKompositionen von Mendoza plus Christensens Brillanz feuernAbercrombie richtiggehend an, und die schöpferischeSpannung wird schier greifbar. Außerdem haben sich hier dieelektronischen Ausdrucksmittel in makellosen orchestralenEffekten entfaltet.b While We’re Young (1992; ECM). Abercrombie hat zuAnfang seiner Laufbahn mit einem Organisten zusammen-gearbeitet, nun besinnt er sich darauf und sucht nach»einer wirklich aus dem Bauch heraus empfundenen Kraftund einem starken rhythmischen Aspekt«. Die Energie desOrganisten Dan Wall ist subtil, und seine vier Kompositionensind für Abercrombie perfekte Vehikel. Nussbaums Schlag-zeug ist ein maßgeblicher Faktor in bezug auf Farbe undKlarheit.b November (1992; ECM). Die Basis dieses Trios wird vonder alten Besetzung – Johnson und Erskine – gebildet,ergänzt um den Sopran- und Baritonsaxophonisten bzw.Baßklarinettisten John Surman auf vier von zwölf Tracks.Das Ergebnis ist exquisit – von Balladen und anderen kom-ponierten Stücken über verschiedene Abstraktionsstufen hinzum kollektiven Improvisieren. Surmans in hohem Maßeklagender Lyrismus bereichert das Ganze um eine zusätzlicheund wesentliche Komponente.b Speak Of The Devil (1993; ECM). Ein weiteres Mal das TrioAbercrombie/Wall/Nussbaum, aber mit mehr Atmosphäre undFarbe. Dennoch läßt der nicht im Zaum zu haltende Nussbaumdie Temperatur gelegentlich ansteigen. Es gibt zweigemeinsam entstandene Kompositionen des Trios, und dieanderen sieben Stücke haben die einzelnen Mitglieder derGruppe beigetragen.>> Jack DeJohnette (New Directions); Kenny Wheeler (MusicFor Large & Small Ensembles; The Widow In The Window).

B R I A N A B R A H A M SSchlagzeug, Perkussion, Gesang.geb. am 26. Juni 1947 in Kapstadt.

Im Alter von dreizehn Jahren begann Abrahams,mit lokalen Bands zu musizieren. Besondere Auf-

merksamkeit erregte dabei sein Gesang. In den frü-

hen 70ern entwickelte er sich als Schlagzeuger durchdie Arbeit mit Sängern und Tänzern. Später spielte ermit einem Trio in Swasiland, wo er Sarah Vaughanund Nancy Wilson begleitete. 1975 zog er nach Groß-britannien; seither hat er mit John Taylors Quartett,dem Quintett von Ronnie Scott, Chris Hunters BandJazz Afrika, Zila von Dudu Pukwana, Johnny DyanisWitchdoctor’s Son und den Brotherhood of Breath ge-arbeitet. In den 80ern gründete er seine eigeneGruppe, District Six. 1988 schloß er sich für zweiJahre Abdullah Ibrahims Band Ekaya an. Seine Zu-sammenarbeit mit Jim Pepper, der indianische Vor-fahren hatte, währte von 1988 bis 1992, als der Saxo-phonist frühzeitig verstarb. Abrahams hat auch injüngerer Zeit mit vielen führenden Musikern gearbei-tet, darunter mit Dewey Redman, Mal Waldron, Ar-chie Shepp, Annie Ross und Courtney Pine. Außerdemhat er in Europa und Skandinavien Workshops fürSchlagzeug und afrikanische Chormusik geleitet. InAmerika hat Abrahams mit Howard Johnson, RobinEubanks und Buster Williams aufgenommen. Außer-dem ist er mit der Band Ekaya, zu der Delfayo Marsa-lis und Craig Handy gehörten, durch Europa gereist.Weiter trat er mit Sonny Fortune, Arthur Blythe, GaryBartz, Jimmy Witherspoon, David Murray und DonCherry auf. Er ist auf vielen Alben vertreten und inzahllosen Fernseh- und Radiomitschnitten zu hören,darunter mit seiner Band District Six, die es heutenoch gibt, und dem Grand Union Orchestra. 1998 be-sann er sich auf seine Wurzeln, indem er an dem De-bütalbum des jungen südafrikanischen Altsaxophoni-sten Ntshuks Bonga, Abo Bharyi, mitwirkte.

Abrahams ist seit 1985 Professor für Jazz an derLondoner Guildhall School of Music und einer derwichtigsten und einflußreichsten britischen Schlag-zeuger. Er bewundert einerseits Max Roach, Art Bla-key und Jack DeJohnette und ist andererseits von El-lington, Monk und Chris McGregor inspiriert worden.[IC]

BRIAN ABRAHAMS’ DISTRICT SIX

b Imgoma Yabantwana (1989; D6 Records). Die Mischungaus akustischen und elektrischen Instrumenten auf diesemQuintettalbum ist glänzend umgesetzt. Die Musik reicht vonbeschwingten afrikanischen Rhythmen und Themen bis zufreiem Spiel im Sinne von Albert Ayler. Die Kompositionen –drei von dem Trompeter Jim Dvorak, drei vom Bandleaderselbst und eine von dem Keyboarder Steve Lodder – zeugenvon echter Vorstellungskraft und melodischem Gespür, undder Vortrag ›atmet‹ mit beachtlichem Kunstsinn.>> Abdullah Ibrahim (African River).

M U H A L R I C H A R D A B R A M SKlavier, Klarinette, Komposition, Dozent.geb. am 19. September 1930 in Chicago.

A brams lernte mit siebzehn Klavier und besuchtevier Jahre das Chicago Music College, spielte aber

erstmals 1948 professionell. Bald darauf komponierteund arrangierte er auch für Bands. 1961 gründete erdas Podium für alle Improvisatoren der Stadt, die Ex-

A

Page 5: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

3

MU

HA

L R

ICH

AR

D A

BR

AM

S

perimental Band, der Eddie Harris, Donald Garrett,Victor Sproles und Roscoe Mitchell angehörten. Dieganze Unternehmung mündete in eine Organisationnamens Association for the Advancement of CreativeMusic (AACM). AACM fungierte zunächst als Koopera-tive von Chicagoer Musikern, um deren Musik, die indie etablierten, kommerziellen Kanäle keinen Ein-gang fand, weiterzubringen und zu präsentieren. Sieentwickelte sich jedoch schnell zu einer sozialenKraft, die die schwarze Öffentlichkeit mittels Musikzu unterstützen suchte. Abrams und die AACM riefeneinerseits eine Schule für junge Musiker ins Lebenund organisierten andererseits Festivals und Kon-zerte. Eine bis dato von Zufällen abhängige und form-lose Szene sollte auf diese Weise strukturiert und ge-lenkt werden. In diesem Zusammenhang spielteAbrams sowohl die ethisch wie auch die musikalischmaßgebliche Rolle: So ermunterte er beispielsweiseden Posaunisten George Lewis, weitere Studien zutreiben (in diesem Falle: deutsche Philosophie). Saxo-phonist Joseph Jarman beschrieb in einer oft zitier-ten Aussage, wie es zu seiner Förderung kam: »Vormeinem ersten Treffen mit Richard Abrams war ichgenauso drauf wie der ganze Rest dieser ›hippen‹Ghettoneger: Ich war cool, ich nahm Dope, qualmtePot etc. Durch die Chance, in der Experimental Bandmit Richard und den anderen Musikern arbeiten zudürfen, habe ich etwas Sinnvolles, Vernünftiges inmeinem Leben entdeckt.«

Einige wichtige Gruppen und viele namhafte Musi-ker sind aus der AACM hervorgegangen, darunter The

Art Ensemble of Chicago, Air, Leroy Jenkins, AnthonyBraxton, Chico Freeman und Ray Anderson. Währendder 60er bis Anfang der 70er lehrte die ›Graue Emi-nenz‹ Abrams als einziges Überbleibsel in Chicago, ar-beitete als Pianist und begleitete häufig gastierendeSolisten. 1973 besuchte er mit seiner Gruppe Europaund zog 1976 nach New York. Zwei Jahre später ga-stierte er auf dem Festival in Montreux und wurde alsPianist schließlich auch international anerkannt. Inden 80ern trat er dann häufiger international in Er-scheinung, und 1994 gab sein Oktett sechs Konzertein Großbritannien. Seine Bedeutung, die er für dieMusik hat, wurde wahrscheinlich am meisten inSkandinavien geschätzt: 1988 nahm das finnischeUMO Jazz Orchestra unter seiner Leitung ein Albumseiner Kompositionen auf (UMO Plays The Music OfMuhal Richard Abrams), und 1990 erhielt er als ersterüberhaupt den dänischen Jazzpar-Preis, den weltweitnamhaftesten Jazz-Preis.

Abrams’ Musik war beinahe immer qualitativschwankend, weil der Prozeß des Spielens ihmscheinbar wichtiger war als das fertige Produktselbst. Spontane (abstrakte) Improvisation ist im all-gemeinen ein wesentlicher Faktor seiner Auftritte, obals Kopf einer Gruppe oder als Solist. Diese Haltungmag teilweise auf Erfahrungen aus seiner Lehrtätig-keit zurückgehen: Musik war das Medium, durch wel-ches in den frühen Chicagoer Tagen die eigene Per-sönlichkeit zur Entfaltung kam, Selbsthilfe undGemeinschaftssinn gefördert wurden.

Sein Klavierstil verarbeitet die ganze schwarze Tra-dition: vom Ragtime, Boogie-Woogie und der Stride-Schule bis hin zum Bebop und zu freien, vollkommenabstrakten Improvisationen. Seine Einflüsse reichenvon James P. Johnson, Willie »The Lion« Smith undArt Tatum bis zu Nat »King« Cole und Bud Powell. Erhat aber auch die klassische europäische Traditionvor Augen, und seine Kompositionen reflektieren alledisparaten Elemente seines musikalischen Erbes. Erverfaßte Novi für Sinfonieorchester und Jazz-Quar-tett, und sein String Quartet No. 2 wurde vom KronosQuartett aufgeführt. [IC]

b Levels And Degrees Of Light (1967; Delmark). Abramssteht – mit zwiespältigen Resultaten – an der Spitze einerachtköpfigen Band plus Stimme.b Young At Heart/Wise In Time (1968; Delmark). Auf Seiteeins gibt es Abrams in einer Quintettformation mit Leo Smith(tp.) und Henry Threadgill (as.) plus Baß und Schlagzeug zuhören; auf der zweiten Seite Abrams solo am Klavier.b Sightsong (1975; Black Saint). Abrams und Malachi Favors(b./voc.) im Duo zollen ihren musikalischen Weggefährteneine Reihe poetischer Tribute.b Spihumonesty (1979; Black Saint). Ein diszipliniertes Sep-tettalbum, auf dem – gleichermaßen geglückt – elektronischewie akustische Instrumente eingesetzt werden. Mit GeorgeLewis (tb.), Roscoe Mitchell (s.) und Jay Clayton (voc.).b Colors In Thirty-Third (1986; Black Saint). Ein Sextettmit Dave Holland, John Purcell, Andrew Cyrille, Fred Hopkinsund John Blake. Abrams setzt alle in Trio-, Quartett-,Quintett- und Sextettformationen ein. Mit einigenhinreißenden Vorträgen.b Blu Blu Blu (1990; Black Saint). Ein Vierzehn-Mann-Orchester, u.a. mit Blech- und Holzbläsern, zwei Bässen,

AMuhal Richard Abrams

JAK

KILB

Y

Page 6: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

4

ALE

X A

CU

ÑA

Perkussion sowie dem virtuosen Pfeifer Joel Brandon und demaufstrebenden Gitarrenstar Dave Fiuczynski.b One Line, Two Views (1995; New World). Abrams miteiner zehnköpfigen Band, zu der der Holzbläser Marty Ehrlich,der Geiger Mark Feldman, der Akkordeonspieler Tony Cedrasund der Vibraphonist Bryan Carrott gehören. Falls erforder-lich, singen auch alle. Eines der dichten und handfestenAlben in Abrams’ Diskographie.b The Open Air Meeting (1996; New World). Hier gibt es einlebendiges Duo, bestehend aus Abrams (p.) und Marty Ehrlich(as.; cl.), zwei alten Freunden, die sich erstmals in den 70ernzusammengeschlossen hatten. Ihr Sommerkonzert fand vordem Brooklyn Museum statt.>> Anthony Braxton (Three Compositions Of New Jazz); EddieHarris (Artist’s Choice: The Eddie Harris Anthology).

A L E X A C U Ñ ASchlagzeug, Perkussion.geb. am 12. Dezember 1944 in Pativilca, Peru.

A ls Sohn einer äußerst musikalischen Familie be-gann Alejandro Neciosup Acuña im Alter von vier

Jahren zu trommeln und spielte schon mit zehn inörtlichen Gruppen. Als Teenager zog er nach Lima, woer bald als einer der herausragenden Schlagzeuger Pe-rus gehandelt wurde und vom berühmten BandleaderPerez Prado für seine Latin-Band engagiert wurde,mit der er 1964 durch die USA tourte. Drei Jahre spä-ter zog es ihn nach Puerto Rico, wo er sein Geld alsStudiomusiker und Freelancer verdiente, während erklassische Perkussion am Puerto Rico Conservatory ofMusic studierte.

1974 ging er nach Las Vegas, wo er in diversen Hil-ton-Hotels für Künstler wie Elvis Presley und DianaRoss trommelte. Im folgenden Jahr schloß er sich derexzellenten Jazz-Fusion-Band Weather Report an, beider er von 1975 bis 1976 als Perkussionist und diebeiden nächsten Jahre als Drummer tätig war. In derBesetzung Joe Zawinul, Wayne Shorter, Jaco Pasto-rius, Acuña und Badrena feierte die Gruppe sowohlkünstlerisch als auch kommerziell ihre größten Er-folge. Acuña nahm mit Weather Report die AlbenBlack Market (1976 als Perkussionist) und Heavy We-ather (1977 als Schlagzeuger) auf. Letzteres war einerder Bestseller der Jazz-Fusion-Periode mit Titeln wie»Birdland«, »Havona« und dem elegischen »A RemarkYou Made«.

1978 ging Acuña nach Los Angeles, wo er als Stu-diomusiker für große Rock-, Pop-, Soul- und Jazz-Stars und für Filmkomponisten wie Michel Legrand,Dave Grusin und Michel Colombier arbeitete. 1989nahm er sein erstes Soloalbum Alex Acuña & The Un-knowns für JVC auf, später folgte Rhythms For A NewMillenium, auf dem er unter anderem die unter-schiedlichen Spielarten von Latin, südamerikani-schen und afrikanischen Perkussionsstilen demon-strierte. Die Los Angeles Times lobte ihn dafür als»Inbegriff des Weltmusik-Perkussionisten, dem keinStil fremd ist«. Von den Lesern des Fachmagazins Mo-dern Drummers wurde er fünf Jahre in Folge zum be-sten Latin/Brazilian Percussionist gewählt. Mittler-

weile betreibt der umtriebige Acuña zusammen mitseinem Sohn Javier seine eigene Plattenfirma NidoEntertainment und betätigt sich als begabter Lehrer,der nebenher selbstentwickelte Becken und Stöckezum Patent anmeldet. [IC]

>> Joe Zawinul (Heavy Weather).

G E O R G E A D A M STenorsaxophon, Flöte, Baßklarinette.geb. am 29. April 1940 in Covington, Georgia;gest. am 14. November 1992 in New York.

A dams fing als Elfjähriger am Klavier an und be-gleitete schon bald den Kirchenchor. In der

Schule kam dann das Saxophon hinzu, mit dem er inHigh School-Bands auftrat und Rhythm & Blues-Funkin einem Nachtclub spielte, wo er auch Blues-Sängerwie Howlin’ Wolf und Lightnin’ Hopkins hörte. AlsStipendiat am Clark College absolvierte er ein Musik-studium. 1961 war er in den Sommerferien mit demBlues-Sänger Sam Cooke unterwegs. Zwei Jahre spä-ter zog er nach Ohio, um mit Orgelbands zu arbeiten,und reiste 1966 mit der Band des Organisten HankMarr, zu welcher auch James »Blood« Ulmer zählte,durch Europa. 1968 arbeitete er in New York mit RoyHaynes, Gil Evans und Art Blakey. Ende der 70ersetzte er die Zusammenarbeit mit Evans fort, spieltevon 1973 bis 1976 aber auch mit Charles Mingus. Spä-ter zog er über diese Epoche Bilanz: »Meine Verbin-dung zu Mingus als Musiker und als Mensch war mei-ner Meinung nach eine der wichtigsten Antriebs-kräfte für mein musikalisches Leben.« Nach Mingusarbeitete er eine Zeitlang freischaffend in New York,dann tat er sich mit McCoy Tyner zusammen. Endeder 70er und in den 80ern führte er seine eigenenGruppen an. 1978 trat er mit Heinz Sauer und ArchieShepp auf dem Frankfurter Jazz-Festival auf und war1979 auf dem Jazz-Festival in New York zu hören. Inden 80ern tourte er überregional mit einem hervorra-genden Quartett, das sich aus Don Pullen am Klavier,Dannie Richmond am Schlagzeug und dem BassistenCameron Brown zusammensetzte. Mit Mingus, Evansund seinen eigenen Bands bespielte er alle namhaf-ten Festivals in Europa und den USA. Anfang der 80eranimierte er sein Publikum sogar gelegentlich dazu,mit ihm in einen Blues einzustimmen.

Adams’ Spiel kennzeichnete sich, neben der har-monischen und linearen Freiheit nach Coltrane, durchdie stimmliche Modulation und Kraft des Blues undGospel. Sein robuster Sound ging zurück auf ColemanHawkins und Ben Webster, er versah ihn jedoch miteiner flexiblen Linienführung und einem ganz eige-nen Timbre.

Als Mingus’ gewaltiges, orchestrales Werk Epitaph1990 postum Premiere hatte, war Adams einer dermaßgeblichsten Solisten. Seine Gesundheit ver-schlechterte sich im folgenden Jahr zunehmend,trotz Atemnot trat er aber bis 1992 weiter mit MingusDynasty auf. [IC]

A

Page 7: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

5

CA

NN

ON

BA

LL A

DD

ER

LEY

b City Gates (1983; Timeless). Ein Werk des Adams/Pullen-Quartetts, einer der potentesten kleinen Gruppen der80er, das eine Ahnung ihres Könnens vermittelt: ihre Ver-beugung vor Mingus und Monk; ihre Liebe zum Blues und zuden Wurzeln des Jazz; ihr gewagtes Anbandeln mit demFreien.b Live At The Village Vanguard (1983; Soul Note). Nocheinmal das Adams-Quartett: Die ganze Session ist auf zweieinzelnen CDs erhältlich und bietet ein wunderbaresPanorama der Band und ihrer Musik, die sich dynamisch vonnotierten Strukturen zum Freien hin und wieder zurückbewegt.>> Gil Evans (Priestess); Charles Mingus (Changes One).

P E P P E R A D A M SBaritonsaxophon.geb. am 8. Oktober 1930 in Highland Park, Illinois;gest. am 10. September 1986 in New York.

P epper Adams (bürgerlich: Park Adams III.) spielteanfangs in Rochester, New York, und als Sieb-

zehnjähriger dann mit Lucky Thompson in Detroit.Daneben ging er mit Lionel Hampton auf Tournee. Vorund nach seinem Wehrdienst (von 1951 bis 1953) trater regelmäßig mit Donald Byrd, Kenny Burell, TommyFlanagan und Elvin Jones auf. Nach Stationen beiStan Kenton, Maynard Ferguson und Chet Bakernahm er 1957 seine ersten eigenen Platten an derWestküste auf. In New York – seinem Stützpunkt ab1958 – spielte er 1958 und 1959 mit Benny Goodman,und 1959, 1962 und 1963 gehörte er zuweilen demStab von Charles Mingus an. Von 1958 bis 1962 lei-tete er zusammen mit Donald Byrd ein Quintett undverdingte sich anschließend als Studiomusiker. Von1965 bis 1978 arbeitete er mit der Thad Jones/MelLewis-Band, die auch mehrmals Europa bereiste. Au-ßerdem brachte er während seiner Zeit in Europa1973 und 1976 eigene Aufnahmen heraus und unter-nahm in den 80ern Solotourneen durch die Staaten,Europa und Japan.

Adams – ganz Produkt der Post-Bop-Ära – war ei-ner der raren Musiker, die diesen spezifischen Stil aufdem Baritonsaxophon wagten. Sein harter, trockenerTon überhöhte geradezu seine messerscharf präziseTime und seine unablässigen, an das Walzen einerDampfmaschine erinnernden Linien. [BP]

b Conjuration (1983; Reservoir). Eine seiner letzten (Live-)Aufnahmen setzt sich aus Stücken von Kenny Wheeler, derauch mitspielt, und aus Adams’ kompromißlosen Improvisa-tionen zusammen.

C A N N O N B A L L A D D E R L E YAlt- und Sopransaxophon.geb. am 15. September 1928 in Tampa, Florida;gest. am 8. August 1975 in Gary, Indiana.

C annonball (Julien Edwin) Adderley war vor undnach seinem Wehrdienst Musiklehrer in Fort Lau-

derdale. Nebenbei leitete er noch seine eigenen Grup-pen. Auf Anregung von Eddie Vinson und anderenzog er 1955 (kurz nach Charlie Parkers Tod) nach New

York – und schlug ein wie eine Bombe. Zwischen 1956und 1957 unterhielt er ein Tourneequintett, dem u.a.auch sein Bruder angehörte. Anschließend ging ervon 1957 bis 1959 zu Miles Davis. Ende 1959 refor-mierte er ein Quintett mit Nat – eine Partnerschaft,die (mit wechselnden Rhythmusgruppen) bis zu sei-nem Tod infolge eines Gehirnschlags populär seinsollte. Adderleys Soli standen anfangs unter nichtunbeträchtlichem Einfluß von Charlie Parker, obwohlseine weniger emphatischen Akzente und sein runderTon eine Verbeugung vor Benny Carter waren; rhyth-misch betrachtet, hinterließ die Phraseologie vonVinson und Louis Jordan ihre Spuren, wie bei so vie-len anderen in Adderleys Generation. In den späten50ern zeigte sich seine Begabung, weitere Einflüssewie die von John Coltrane und sogar Ornette Colemanaufzunehmen und in einem homogenen Stil zu verei-nen. Der Duktus von beiden harmonisierte auf unter-schiedliche Weise mit Adderleys Vorliebe für Melodikund für äußerst weitschweifige Verzierungen, diedem Zuhörer bisweilen kaum Ruhepausen gönnten.

Mit seiner eigenen Formation bewies er, daß erauch allerhand von Davis gelernt hatte. Wie Cannon-ball beispielsweise die Rhythmusgruppe einsetzte,brachte Substanz in den ›Soul Jazz‹ der 60er, mit demman ihn vor allem in Verbindung bringt. Mancheneigten dazu, diese Entwicklung ausschließlich kom-merziellen Absichten zuzuschreiben, aber vieles vonAdderley war im Vergleich zu dem seiner Zeitgenossenweitaus ehrlicher. Obwohl die meisten der bekanntenStücke des Quintetts aus der Feder von Bandmitglie-dern stammten, wurden Adderleys »Sermonette« und»Sack O’ Woe« von vielen anderen Gruppen gespielt.[BP]

b Somethin’ Else (1958; Blue Note). Die Session verdanktMiles Davis (hier ein letztes Mal mit einer kleinen, nicht unterseiner Leitung stehenden Gruppe zu hören) an Cannonballs

Cannonball Adderley

HER

MA

N L

EON

ARD

Page 8: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

6

NA

T A

DD

ER

LEY

Seite einiges. Dennoch läuft der Altsaxophonist in Titeln wie»One For Daddy-O« und »Autumn Leaves« zur Topform auf.b Quintet In Chicago (1959; Blue Note). Obwohl das Albumüberwiegend von dem damaligen Davis-Sextett (ohne Miles)geprägt wird, ist es eine von Cannonball und Coltraneangeführte klassische Bläsersession, in der einfach gutzusammenpassende Charaktere aufeinandertreffen.b Them Dirty Blues (1960; Capitol). Diese Session enthältdie Hit-Versionen von »Dat Dere« und »Work Song« nebenDuke Pearsons »Jeannine«. Außer Nat Adderley präsentiertdieses feste Quintett kurz Bobby Timmons, der auf beinaheder Hälfte der Stücke durch Barry Harris ersetzt wird, und dieexzellente Rhythmusgruppe, bestehend aus Sam Jones undLouis Hayes.b The Best Of … The Capitol Years (1962–1969; Capitol).Eine Auswahl von Hits, von denen viele live eingespieltwurden, mit Bruder Nat und Joe Zawinul, der Material wie»Mercy, Mercy, Mercy« und »Country Preacher« beisteuerte.

N AT A D D E R L E YKornett, Trompete.geb. am 25. November 1931 in Tampa, Florida;gest. am 2. Januar 2000 in Lakeland, Florida.

N at Adderleys Arbeit mit Lionel Hampton (zwi-schen 1954 und 1955), J.J. Johnson (zwischen

1957 und 1958) und Woody Herman (1959) steht hin-ter der Zeit mit der Gruppe seines älteren Bruders(von 1955 bis 1957 und von 1959 bis 1975) zurück.In den zwanzig Jahren seit Cannonballs Tod hatte Natals Gastsolist und mit seiner eigenen Gruppe, zu derzuletzt der cannonballeske Altsaxophonist VincentHerring zählte, den Geist dieser Zusammenarbeit ge-pflegt. Außer in Big Bands zog Nat den weicherenKlang des Kornetts dem der Trompete vor. Damithatte er eine interessante Mischung aus Dizzy Gille-spie, Clark Terry und Miles Davis geschaffen, die amgelungensten war, wenn er sich nicht allzu sehr aneinem der drei Trompeter orientierte. Daneben war erder Verfasser des »Work Song« und der »Jive Samba«,die oft an Cannonball erinnern. Sein Sohn Nat Adder-ley Jr. (geb. 1955) ist Keyboarder und hat mit demSänger Luther Vandross gearbeitet. [BP]

b The Old Country (1990; Enja). Nat einmal mehr auf denSpuren der Band seines Bruders bei solchen Nummern wie»Jeannine« und »Nippon Soul«. Mit seinem verläßlichenQuintett, zu dem der cannonballeske Altsaxophonist VincentHerring gehört.

T O S H I K O A K I Y O S H IKlavier, Komposition.geb. am 12. Dezember 1929 in Dairen, Mandschurei.

A kiyoshi zog 1946 nach Japan, wo sie in verschie-denen Gruppen mit dem Jazz in Berührung kam

und ab 1951 ihre eigene Band unterhielt. Oscar Peter-son war es zu verdanken, daß sie in die USA ging.Dort studierte sie von 1956 bis 1959 an der BerkleeSchool in Boston sowie bei der Mutter von Serge Cha-loff. Mit ihrem Mann Charlie Mariano gründete sie dasToshiko/Mariano-Quartett. Nach einem Jahr mit Ma-

riano in Japan arbeitete sie 1962 einige Monate mitCharles Mingus, darunter war sie an seinem TownHall-Konzert beteiligt. Anschließend kehrte sie fürdrei Jahre nach Japan zurück. In New York hatte siedann eine Radioserie, schrieb für eine eigens dafürzusammengestellte Big Band und rief 1970 mit ihremzweiten Gatten, Lew Tabackin, ein neues Quartett insLeben. Zwei Jahre später ließ sie sich in Los Angelesnieder, stellte aus Studiomusikern allererster Güteeine Big Band zusammen, gab gelegentlich Konzerteund veröffentlichte diverse Platten. 1981 ging siewieder nach New York und formierte mit Lew Tabak-kin eine neue Big Band. 1991 feierte sie mit einemKonzert in der Carnegie Hall ihren fünfunddreißig-sten Jahrestag in den USA. Ab dem Ende der 90er tratihre Band einmal wöchentlich im neuen Birdland-Club auf. Zur selben Zeit wurde ihre und MarianosTochter, die Sängerin Monday Michiru, internationalbekannt. Unter ihren jüngeren Kompositionen wurdedas umfangreiche Werk Hiroshima, Rising From TheAbyss 2001 in New York uraufgeführt.

Obwohl ihr Klavierspiel äußerst versiert und starkvon Bud Powell beeinflußt ist, so sind ihre Komposi-tionen für Big Bands weitaus individueller. Hiermacht sich möglicherweise der Einfluß von Gil Evensbemerkbar, doch die vorherrschende Stimmung istnicht dieselbe, was teilweise auf die fernöstlichenTexturen insbesondere von Perkussion und Holzblas-instrumenten zurückzuführen ist. Ihre Herkunftzeigt sich noch mehr, aber weniger absichtsvoll in derSpannbreite und im melodischen Charme ihrerStücke. [BP]

b Toshiko Akiyoshi/Lew Tabackin Big Band (1974–1976;Novus). Diese Zusammenstellung von nur in Japan erhält-lichen Alben wie Kogun und Sumi-e gibt einen kleinen Vor-geschmack auf Akiyoshis Klavierspiel und eine größerePortion von ihrer originellen und atmosphärischen Komposi-tionsweise.

M A N N Y A L B A MKomposition, Arrangement, Baritonsaxophon.geb. am 24. Juni 1922 in Samaná, Dominikanische Republik;gest. am 2. Oktober 2001 in Croton, New York.

A lbam wuchs in New York auf, wo er in der SchuleKlarinette lernte. Ab 1940 trat er professionell

auf und spezialisierte sich in einer Vielzahl von BigBands wie der von Georgie Auld, Boyd Raeburn undCharlie Barnet auf das Baritonsaxophon. Schon hierzeigte er großes Talent als Arrangeur, und nach Enga-gements bei berühmten Bandleadern wie Herman,Kenton und Charlie Ventura hängte er 1950 das In-strument an den Nagel und betätigte sich als vielbe-schäftigter freischaffender Komponist und Arrangeur.Während des LP-Booms der späten 50er nahm er zehnAlben mit eigenen Studiobands auf und betreute LP-Produktionen von Coleman Hawkins (1956 und1962), Joe Morello (1961) und Curtis Fuller (1962).Seit Mitte der 60er schrieb er für den Film und dasFernsehen, arbeitete mit kleinen Gruppen und gro-

Page 9: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

7

OS

CA

R A

LEM

ÁN

ßen Bands wie der von Buddy Rich und lehrte Arran-gement an der Eastman School und dem GlassboroState College. Ab 1988 leitete er zusammen mit BobBrookmeyer den wöchentlichen BMI Jazz Composers’Workshop, der 1996 zur Gründung des BMI-New YorkJazz Orchestra führte. Das Universaltalent Albam istnoch immer als Komponist aktiv und wurde 1996 vonJoe Lovano erwählt, um die Partitur für dessen Al-bum Celebrating Sinatra zu erarbeiten. [BP]

b The Jazz Workshop (1955; RCA Victor). Albams erste (undeinzig lieferbare) Session unter eigenem Namen spiegelt diestilistischen Verschmelzungen der damaligen Zeit. Seineeigenen Kompositionen fügen sich nahtlos an aufgemöbelteGassenhauer der 20er. Das Oktett bietet sechs Bläser auf,darunter Solisten wie Brookmeyer, Al Cohn und Joe Newman.

J O E A L B A N YKlavier.geb. am 24. Januar 1924 in Atlantic City, New Jersey;gest. am 11. Januar 1988 in New York.

D er Italo-Amerikaner Albany (Albani) arbeitetenach dem Krieg mit Charlie Parker und Lester

Young, mit denen er auf einem Mitschnitt und in ei-ner Studioaufnahme zu hören ist. 1944 spielte er au-ßerdem mit Benny Carter, 1945 mit Georgie Auld und1947 mit Stan Getz. Nachdem er fünfundzwanzigJahre lang fast ganz von der Jazz-Bildfläche ver-schwunden war, tauchte er in den 70ern wieder auf,um an einer Solokarriere zu feilen. Der in mancherHinsicht immer noch ungebrochene Bopper besaß dieKlarheit, die für von Saxophonisten wie Parker undYoung inspirierte Keyboarder so bezeichnend ist. Derbrillante Anschlag und die rhythmische Vitalität sei-ner rechten Hand kamen auf einer Reihe von Albenund in einem Dokumentarfilm (Joe Albany … A JazzLife von Carole Langer) zur Geltung und erreichtenMitte der 40er ihren Höhepunkt. [BP]

b Bird Lives! (1979; Storyville). In dieser Sammlung vonParker-Linien (fünf von acht basieren auf einem zwölf-taktigen Blues) ist Albany mit Roy Haynes und dem BassistenArt Davis ganz in seinem Element.

H O W A R D A L D E NGitarre, Banjo.geb. am 17. Oktober 1958 in Newport Beach, Kalifornien.

A lden fing früh mit dem Banjo an und war bereitsals Teenager in südkalifornischen Pizzerien zu-

gange. Dann legte er sich eine Gitarre zu und brachtesich, bevor er bei Jimmy Wyble und danach bei Ho-ward Roberts in Unterricht ging, das Spielen selbstbei. Mit achtzehn jobbte er im Disneyland und schloßsich 1978 vier Monate lang Red Norvo in Atlantic Cityan. Nach einem kurzen Zwischenspiel in L.A. wurdeer von Dick Sudhalter in New York verpflichtet undverlegte 1982 schließlich auch seinen festen Wohn-sitz dorthin. In Eddie Condon’s Club trat er mitWoody Herman und auch gelegentlich mit Ruby Braff

auf. Ab 1987 spielte er neben Frank Tates in BraffsTrio, bei Kenny Davern, Flip Phillips, dem OrchesterBuck Clayton und Warren Vaché und leitete zusam-men mit dem Posaunisten Dan Barrett ein beachtetesQuintett. Mitte der 80er unterzeichnete Alden einenVertrag mit Concord Records, der u.a. zu Aufnahmenmit Braffs Trio und zu einem Set ruhiger und tech-nisch makelloser Duette mit dem meisterlichen Gitar-risten George Van Eps führte. In den 90ern avancierteer zum führenden Gitarristen unter den jungen ame-rikanischen Swing-Erneuerern, trat international alsSolist auf und arbeitete mit ausgewählten Gruppen,darunter 1993 mit Ed Polcers ›Salute to Eddie Con-don‹-Band. Nachdem er lange krank gewesen war,meldete er sich 2003 als aktiver Musiker wieder zu-rück. [DF]

HOWARD ALDEN UND MONTY ALEXANDER

b Snowy Morning Blues (1990; Concord). Eine kraftvolleVorstellung von Aldens Fähigkeiten mit einer Gruppe umMonty Alexander, einem der anregenden zeitgenössischenPianisten. Die Bandbreite reicht von Monks »Bye-ya« bis zumTitelstück von James P. Johnson.

RUBY BRAFF TRIO

b Bravura Elegance (1990; Concord). Aldens zurückhaltendeMusikalität paßt besser zu Braff als der brillante, aberzuweilen ostentative George Barnes. Der Klang erinnert andas Braff/Barnes-Quartett, Ruby darf hier aber freier mitAldens diskreter Begleitung umgehen.b Take Your Pick (1996; Concord). Mit Lew Tabackin undRenee Rosnes ist dies ein spätes Beispiel dafür, wie Aldensich die Jazz-Tradition zu eigen macht. Intensivität undmakelloses Spiel kommen hier zusammen.

HOWARD ALDEN UND GEORGE VAN EPS

b 13 Strings (1991; Concord). Wunderschöne Duette mitdem Maestro der siebensaitigen Gitarre, Aldens festemPartner George Van Eps. Außerdem dabei: Dave Stone (b.)und Jake Hanna (dr.).b Seven And Seven (1992; Concord). Nach dem 13Strings-Set beschloß Alden, es an der siebensaitigen Gitarrezu versuchen – und das ist das Ergebnis.

O S C A R A L E M Á NGitarre.geb. am 20. Februar 1909 in Resistencia, Argentinien;gest. am 10. Oktober 1980.

D er Sohn eines Gitarristen und Leiters einer argen-tinischen Folklore-Truppe war bereits ein ausge-

fuchster Tango-, Foxtrott- und Walzer-Spezialist, alser im Brasilien der frühen 20er zum ersten Mal Jazzhörte. Nach Abschluß einer zweijährigen Europa-Tournee, wo er den amerikanischen Tänzer HarryFlemming begleitete, wurde Alemán 1932 Mitgliedder Begleitband von Josephine Baker im Casino deParis. Alemán war ein virtuoser Gitarrist mit einemstark swingenden Jazz-Stil, der sich durch schmissigeAkkorde und durchdringende Läufe auf einer Saitekennzeichnete. Obwohl er von Pariser Jazz-Musikern(einschließlich der ausgewanderten Amerikaner BillColeman und Danny Polo) geschätzt wurde, ver-mochte er nicht aus dem Schatten Django Reinhardts

Page 10: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

8

MO

NTY

ALE

XA

ND

ER

herauszutreten und kehrte während der deutschenBesatzung schließlich wieder nach Argentinien zu-rück. [CA]

b Special Guitares Vol. 1 (1937–1945; Jazz Time). DieseKompilation enthält u.a. seine herausragenden Solostückevon 1938, »Nobody’s Sweetheart« und »Whispering«,Trioaufnahmen von 1939 sowie Quintett- und Septettitel, diezwischen 1942 und 1943 in Argentinien aufgenommenworden sind.

M O N T Y A L E X A N D E RKlavier.geb. am 6. Juni 1944 in Kingston, Jamaika.

M ontgomery Bernard Alexander ist ein dynami-scher Musiker, der bereits in den 60ern in den

USA Zeichen gesetzt hat. Obwohl er häufig als Side-man von Ray Brown und/oder Milt Jackson assoziiertwird, so hat er doch auch viele eigene Alben heraus-gebracht. Seit 1977 ergänzt er seine Gruppe, mit derer in den 80ern und Anfang der 90er unter dem Motto»Ivory And Steel« und in den späten 90ern unter»Yard Movement« auf Tournee gegangen ist, biswei-len um karibische Musiker (beispielsweise an denSteel-Drums).

Oscar Petersons flüssige Technik schlägt sich nach-haltig in Alexanders Stil nieder und kann – wie so oftbei unprätentiösen, im Swing verankerten Musikern –sehr anziehend sein. [BP]

b Facets (1979; Concord). Die erste von einigen Sessionsmit Ray Brown enthält den Calypso »Hold ’Em Joe« und dasmit Fats Domino assoziierte »I’m Walkin’« neben konventio-nellerem Material.b Stir It Up (1998; Telarc). Das Material, das ausschließlichvon Bob Marley stammt, wiegt ein bißchen schwer. Trotzdemgibt es gutes Spiel von Alexander, der abwechselnd von einemjazzigeren Rhythmustrio (mit dem Gast Steve Turré auf zweiStücken) und einer Reggae-Section namens The GumptionBand begleitet wird.>> Milt Jackson (Soul Fusion).

R A S H I E D A L ISchlagzeug, Congas.geb. am 1. Juli 1935 in Philadelphia.

A li, dessen Mutter bei Jimmie Lunceford sang, ar-beitete zunächst mit lokalen Gruppen und

R & B-Bands, bevor er 1953 seine ersten Jazz-Gigs mitder eigenen Gruppe hatte. 1963 ließ er sich in NewYork nieder, wo er mit Pharoah Sanders, Don Cherry,Paul Bley, Bill Dixon, Archie Shepp, Earl Hines, Ma-rion Brown und Sun Ra spielte. 1965 wurde er zweiterPerkussionist in John Coltranes Gruppe und avan-cierte nach Elvin Jones’ Abschied 1966 dort zum ein-zigen Trommler. Nach Coltranes Tod zählte er zumTrio von Alice Coltrane. Der Schlagzeuger bereiste1968 mit seinem eigenen Quartett Europa und arbei-tete außerdem mit Sonny Rollins. 1969 spielte er mitJackie McLean und leitete weiterhin seine eigenenBands. 1972 gründete Ali Survival Records und orga-

nisierte das New York Jazz Musicians’ Festival. In den70ern machte er für Workshops, Konzerte und Lesun-gen sein Loft (Ali’s Alley/Studio 77) der Öffentlich-keit zugänglich. In den späten 80ern war er mitJames »Blood« Ulmer und dessen Band Phalanx zuhören und trat 1991 im Duo mit dem SaxophonistenEvan Parker auf dem Total Music Meeting in Berlinauf. Heute arbeitet er mit Leuten um Sonny Fortuneund gilt als einer der technisch versiertesten Pioniereder freien Perkussion. [IC]

JOHN COLTRANE

b Interstellar Space (1967, Impulse!). Diese Reihe vongalaktischen Stücken nimmt ihren Anfang bei den freierenRhythmen, wie man sie von Coltranes letzter Gruppe kennt,und mündet schlüssig in der schnörkellosen, einzigenDuoaufnahme des Saxophonisten. Das Spiel ist intensiv undAli ein empfänglicher und interaktiver Partner.

D O N A L I A SPerkussion, Schlagzeug, gelegentlich Gitarre, Baß.geb. am 25. Dezember 1939 in New York.

C harles Don Alias ist Autodidakt. Er brachte sichdas Spielen in den Straßen New Yorks bei und

stieß 1957 zur Begleitgruppe von Eartha Kitt. Wäh-rend des Medizin- und Biochemiestudiums in Bostonspielte er in den Clubs der Stadt mit Leuten wie ChickCorea und Tony Williams, später belegte er für einigeMonate Kurse am Berklee College und nahm Privatun-terricht. Zurück in New York schloss er sich Nina Si-mone an und nahm häufig an Sessions namhafterMusiker teil. Er war unter anderem an Aufnahmenvon Weather Report und Elvin Jones sowie – alsSchlagzeuger – von Mongo Santamaria beteiligt. AufBitches Brew ist er sowohl als Perkussionist als auchherausragend auf »Miles Runs The Voodoo Down« alsSchlagzeuger zu hören. 1971 ging er mit Miles Davisauf Tournee, auf dessen Platten er 1972 (On The Cor-ner) und 1989 (Amandla) wieder mitwirkte. Seiner ei-genen Einschätzung nach sind neben den Aufnahmenmit Miles Davis das Debüt von Jaco Pastorius, JoniMitchells Shadows And Light und Heads Up von StoneAlliance, der Gruppe, die er Mitte der 70er mit demBassisten Gene Perla gründete, seine besten Platten.Als Perkussionisten schätzte er Patato Valdes, TataGüines und Giovanni Hidalgo; musikalisch am anre-gendsten waren für ihn jedoch Miles, Dizzy und Her-bie Hancock, mit dem er 1997 auf Tournee ging. [BP]

>> Miles Davis (Bitches Brew; Amandla).

T H O M A S A L K I E RSchlagzeug.geb. am 11. August 1965 in Recklinghausen.

A lkier ist seit 1985 Berufsmusiker und trat seitherhauptsächlich als Mitglied großer Ensembles in

Erscheinung. Er gehörte ab 1990 zum Vienna Art Or-chestra (VAO) und spielt hauptamtlich in der Big

Page 11: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

9

HA

RR

Y A

LLE

N

Band des Norddeutschen Rundfunks. Darüber hinaustrommelt er auch in kleineren Besetzungen wie derdes Tenorsaxophonisten Christof Lauer, des Trompe-ters Markus Stockhausen und des AltsaxophonistenWolfgang Puschnig. Um sowohl in der NDR-Big Bandals auch im VAO zu bestehen, muß Alkier eine Vielfaltvon Stilen beherrschen. Das Repertoire der Big Bandreicht von Monk bis Mike Gibbs und von Hendrix bisLauer, das des Orchestras ähnlich weit von EricDolphy bis Erik Satie. Dementsprechend breitgefä-chert erstreckt sich Alkiers persönlicher Geschmackvon Mozart über Coltrane bis zu Prince. Dieser musi-kalische Eklektizismus ist auf 20th Anniversary vonVAO wunderbar nachzuvollziehen. Ende der 90er stieger dort jedoch aus, spielte in diversen europäischenCombos und begleitete in jüngster Zeit Diven wieEartha Kitt und Jocelyn B. Smith. [CP/CI]

CHRISTOPH LAUER

b Bluebells (1992; CMP). Eine faszinierende Besetzung mitLauer (ts.), Wolfgang Puschnig (as.), Bob Stewart (tu.) undAlkier. Heftig interaktive, eigenständige Musik, bei derStewart den Baßpart übernimmt, während sich die Saxophoneüber ihm duellieren und Alkier die Crew zu Höchstleistungenantreibt.

VIENNA ART ORCHESTRA

b 20th Anniversary (1997; Amadeo). Eine Dreier-Box, diehalbwegs repräsentativ das gewaltige Spektrum von dreiJahrzehnten VAO dokumentiert. Alkier ist am besten aufPowerful Ways: Nine Immortal Evergreens For Eric Dolphy,einem Medley, das von »Out There« über »Hat And Beard«und »Straight Up And Down« bis zum unsterblichen»Jitterbug Waltz« reicht.

G E R I A L L E NKlavier, Keyboards.geb. am 12. Juni 1957 in Pontiac, Michigan.

A llen fing mit sieben am Klavier an. Ihre erstenJazz-Erfahrungen sammelte sie im Jazz Develop-

ment Workshop in Detroit. Dann spielte sie (währendihrer Lehrtätigkeit an der Howard University in Wa-shington, D.C.) 1979 mit Wallace Roney. Anschlie-ßend zog sie nach New York und arbeitete mit OliverLake, Joseph Jarman und Lester Bowie. Ihr Debütal-bum legte sie 1983 vor. Als frühes Mitglied der M-Base-Bewegung war sie zwischen 1985 und 1986 anden ersten drei Alben von Steve Coleman beteiligt,wandte sich dann verschiedenartigen Musikern zu,darunter Ralph Peterson, Dewey Redman, Charlie Ha-den und Paul Motian. Mit Haden und Motian reiste siein Triobesetzung 1991 durch Großbritannien undging im Duo mit Betty Carter, deren Firma Bet-CarProductions sie auch managte, 1993 auf Europa-Tour-nee. Im selben Jahr schrieb sie im Auftrag des Jazz AtLincoln Center die Suite »Sister Leola, An AmericanPortrait« und war 1994 mit dem neuen, akustischenQuartett von Ornette Coleman unterwegs. Coleman istauch als Gast auf ihrem Album Eyes … In The Back OfYour Head von 1996 im Duo mit ihr zu hören. Im glei-chen Jahr erhielt sie den Jazzpar-Preis und schrieb

für das Preisträgerkonzert »Some Aspects Of Water«.Neben ihren eigenen Projekten hat sie live und imStudio mit ihrem Mann Wallace Roney gearbeitet. Ob-wohl sie in den letzten Jahren bei keinem großen La-bel unter Vertrag gewesen ist, ist sie musikalisch ih-ren Weg gegangen.

Schon früh deutete es sich an, daß ihr freier Geistund die vollendete Beherrschung ihres Instrumentseinmal ausgezeichnete, aber schwierig zu kategori-sierende Musik hervorbringen würden. Allen interes-siert sich für Monk und Herbie Nichols, verwendetvollkommen offene Formen neben Jazz-Standardsund ist, wie viele Musiker ihrer Generation, in man-nigfaltigen Besetzungen und Gattungen zu hören –ob solo, in Trioformation oder bei dem Reggae-Jazzvon Oliver Lake. [BP]

CHARLIE HADEN, PAUL MOTIAN UND GERI ALLEN

b Etudes (1987; Soul Note). Entgegen der Reihenfolge derNamensnennung ist dies eigentlich ein Klaviertrio mit einerunerschöpflich erfinderischen Allen. Das Repertoire umfaßt»Lonely Woman« von Ornette Coleman und Herbie Nichols’»Shuffle Montgomery« ebenso wie Neues.

GERI ALLEN

b The Nurturer (1990; Blue Note). Um Allen versammeltsich ein Quintett, bestehend aus ihrem Mentor, dem ehe-maligen Trompeter von Ray Charles Marcus Belgrave, und mitKenny Garrett und Robert Hurst aus weiteren Belgrave-Schülern. Allen beschwört so verschiedenartige Stimmungenwie den Neo-Bop von »Batista’s Groove« und die verträumteWeitläufigkeit des Titelstücks.

H A R R Y A L L E NTenorsaxophon.geb. am 12. Oktober 1966 in Washington, D.C.

D er talentierteste Swing-Tenorsaxophonist, dendie neue Generation seit Scott Hamilton hervor-

gebracht hat, fing als Siebenjähriger mit dem Akkor-deon an und wechselte, zunächst unter dem Einflußvon Paul Gonsalves, auf der High School in Los Ange-les zu Klarinette und Tenorsaxophon. In Rhode Islandwaren es dann Lester Young und Ben Webster, die ihnnachhaltig beeindruckten. Nach einer prägendenPhase u.a. bei Bucky Pizzarelli absolvierte er die Rut-gers University in New Jersey. 1991 trat er auf dem›Swing Under 40‹-Konzert im Rahmen des New YorkJVC Jazz Festivals auf und hatte bis zu diesem Zeit-punkt bereits mit den Pianisten John Colliani undKeith Ingham aufgenommen. Allen hat im internatio-nalen Tourneegeschäft Fuß gefaßt, und sein be-trächtliches Können scheint sich in bezug auf künst-lerischen Erfolg und Anerkennung mit HamiltonsLeistungen messen zu können. [DF]

b Someone To Light Up My Life (1991; Mastermix). Hierwird in einer anglo-amerikanischen Band – bestehend ausOliver Jackson (dr.), John Horler (p.) und Pete Morgan (b.) –Allens Begabung für den Swing überzeugend präsentiert.b I Know That You Know (1992; Mastermix). Das ebenfallsempfehlenswerte Set bringt Allen mit zwei seiner festenamerikanischen Partner, John Colliani (p.) und Michael Moore

Page 12: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

10

HE

NR

Y »

RE

ALL

EN

(b.), zusammen. Ohne Schlagzeuger wird Allens entspanntemStil Raum und Luft gelassen.b Harry Allen Meets The John Pizzarelli Trio (1995; BMG).Allens (feste) Partnerschaft mit dem charismatischenPizzarelli und seinem schlagzeugerlosen Trio produziertmeisterlichen Swing, bei dem jede Note stimmt.

H E N R Y » R E D « A L L E NTrompete, Gesang, Komposition.geb. am 7. Januar 1908 in New Orleans; gest. am 17. April1967 in New York.

A llen, dessen Vater von 1907 bis 1940 eine in derStadt berühmte Blaskapelle unterhielt, galt als

einer der besten und strahlendsten Trompeter im NewOrleans der frühen 20er-Jahre. 1927 zog er in denNorden, um bei King Olivers Dixie Syncopators mitzu-machen. Zurück in New Orleans arbeitete er mit demPianisten Walter »Fats« Pichon und Fate Marable,dann nahm ihn Loren Watson, ein Talentsucher beiVictor, als Antwort auf Louis Armstrong, die das Labeldringend benötigte, unter Vertrag.

Allen reiste nach New York und nahm mit dem Or-chester von Luis Russell auf, zu dessen festem Kerner auch bald zählte. Dort fühlte er sich unter altenFreunden wie Paul Barbarin und Greely Walton sehrwohl. »Das war die geeignetste Band, der ich je ange-hörte«, erinnerte sich Allen später. »Und es war auchdie swingendste Band in New York – sie löste unterden Musikern einen Tumult aus!« In den sich derjunge Trompetenstar sofort stürzte. Sein einzigarti-ger ›moderner‹ Stil – gebundene Noten, atonale Wen-dungen und Growls – war eine echte Alternative zuArmstrong, wie sich beispielsweise auf dem Russell-Klassiker »Jersey Lightning« und Allens Soli mit sei-nen New Yorkern zeigte.

Geld und Prestige bewegten ihn, sich 1933 FletcherHenderson anzuschließen. Er blieb ein Jahr undtauschte sich derweil auch rege mit Coleman Hawkinsaus. Dann folgten drei Jahre bei Lucky Millinder,währenddessen Allen seinen Hit »Ride Red Ride« auf-nahm, eine anfangs wenig beachtete B-Seite. 1937ging er als Anheizer für Louis Armstrong wieder zuRussell zurück: Jeden Abend wurde ihm, bevor Arm-strong übernahm, ein Set gestattet, in dem er selbstim Scheinwerferlicht stand. Dennoch war er auchweiterhin mit anderen Projekten beschäftigt: Sonahm er solo bei Perfect und Vocalion auf, arbeitetemit Joe Marsala in einer gemischtrassigen Gruppeund spielte auf der ganzen 52nd Street.

1940 wurde Russells Band komplett von Arm-strongs Manager Joe Glaser übernommen, und Allenleitete daraufhin in den verbleibenden siebenund-zwanzig Jahren seines Lebens eigene Bands und ar-beitete solo. Sein im selben Jahr gegründetes Sextett(u.a. mit Ed Hall, J.C. Higginbotham und Ken Kersey)wurde schnell erfolgreich, arbeitete vierzehn Jahrelang verläßlich und pendelte zwischen Boston, Chi-cago, San Francisco und New York. 1954 arbeitete Al-len fest im New Yorker Metropole, einer Musikerbar,

in der zwei oder mehr Jazz-Bands aus allen Spartenzur selben Zeit präsentiert wurden. Allens Gruppe –mit Coleman Hawkins, Buster Bailey und J.C. Higgin-botham – war meistens mit von der Partie, und auf-merksame Gäste konnten hören, wie sich AllensTrompete inmitten des Getöses in einer oft flüsterndvorgebrachten Collage aus Blues-Phrasen, Raketen-zündungen, unterirdischem Donnern, Grollen undZittern wundervoll verfeinerte.

Die 60er kündigten ein großes »Red« Allen-Revi-val an. Mit einem Quartett (dem populärsten Formatfür Swing-Trompeter seit Jonah Jones) nahm er beiPrestige ein von Down Beat hochgelobtes Album auf.Ein zweites Album, Feelin’ Good, avancierte schnellzum Klassiker und veranlaßte den Modern-TrompeterDon Ellis zu der Bemerkung, daß »Red« Allen »deravantgardistischste Trompeter New Yorks« war. Allenarbeitete weiterhin in den New Yorker Clubs und be-reiste 1964, 1966 und 1967 England (zum ersten Mal1959 mit Kid Ory): Reisen, auf denen sowohl seinemangenehmen Wesen und Humor wie auch seiner Mu-sik Respekt und Zuneigung entgegengebracht wur-den. Seinen letzten England-Besuch unternahm er1967 mit Sammy Price, als es offensichtlich war, daßer nur noch mit verminderter Kraft spielen konnte:Er starb im selben Jahr infolge seiner Krebserkran-kung. [DF]

b Red Red Rice (1930–1934; ASV). Eine exzellente Session,die Allens Kreativität zeigt. Mit Luis Russell, FletcherHenderson, Billy Banks u.v.a. sowie wichtigen Klassikern,darunter »Queer Notions« und der »Patrol Wagon Blues«.b Henry »Red« Allen And His Orchestra 1929–33(Classics). Allens erste Aufnahmen als Leiter, die seineeinzigartige Interpretation Armstrongs in zauberhaftenKlassikern wie dem »Biff’ly Blues«, »Feeling Drowsy« und»Swing Out« unter Beweis stellen.b The Henry Allen Collection 1932–46 (Collectors’Classics). Die definitive Allen-Sammlung, angefangen beiBilly Banks’ Rhythmakers und weitergehend. Das Albumenthält auch unfertigte Takes.b World On A String (1957; RCA Bluebird). LegendäreSessions mit Hawkins, Higginbotham und Bailey, die AllensSoli auf Tracks wie »I Cover The Waterfront« und »Let Me MissYou Baby« raffiniert flankieren.

Page 13: Rough Guide Jazz -  · PDF fileJOHN ABERCROMBIE UND RALPH TOWNER b Sargasso Sea (1976; ECM). Die Musik mit Towner an Gitarre und Klavier ist impressionistisch und pastellfarben,

11

LAU

RIN

DO

ALM

EID

A

c Mr. Allen (1962; Prestige Swingville). Die Quartett-aufnahmen, die Martin Williams in Down Beat würdigte:Reklame, die Allen in den 60ern weiteren Beifall der Kritiker-zunft einbrachte.c Feelin’ Good (1965; CBS). Möglicherweise sein bestesAlbum, das live mit einem Quartett im Blue Spruce Inn, LongIsland, eingespielt wurde.>> Kid Ory (Henry »Red« Allen And The Kid).

Klavier, Gesang, Trompete, Komposition.geb. am 11. November 1927 in Tippo, Mississippi.

A llison hatte seit seinem fünften Lebensjahr Kla-vierunterricht und spielte in der High School

Trompete in einer Dixieland-Band. Er war mit demBlues und der Black Music aus Mississippi verhaftet,hörte aber auch Nat »King« Coles Trio und Bebop.Nach dem Besuch der Louisiana State Universityspielte er zunächst im Süden und siedelte 1956 nachNew York über. In den folgenden drei Jahren arbei-tete er mit Stan Getz, Gerry Mulligan, Al Cohn undZoot Sims. Neben seinen eigenen, in New York agie-renden Trios spielte er auch mit ortsansässigenRhythmusgruppen in Paris, Stockholm und Kopenha-gen. Ab den 60ern bis in die 90er setzte er die Arbeitmit seinem Trio in amerikanischen Clubs und zuwei-len auch in Europa fort.

Seine Vorbilder schließen sowohl Blues-Sänger wieSonny Boy Williamson und Tampa Red wie auch El-lington und Monk ein, und in seinen Gesang und seinSpiel gehen all diese Einflüsse ein. Er ist sehr zurück-haltend und besitzt eine swingende Time. Sein sanf-ter Gesang zeichnet sich durch den Rhythmus, diehingeworfenen (halb gesprochenen) Worte und Mo-

M O S E A L L I S O N

dulationen des Country-Blues aus, dennoch verleihter seinem ›modernen‹ Trio etwas städtisch Kultivier-tes. Sein Klavierspiel ist lakonisch, und Allison hateine einzigartige, überzeugende Vision. Musik undText seiner Songs spiegeln seine sanft-ironische Welt-anschauung, aber auch Standards und Blues-Num-mern aus seinem umfangreichen Repertoire werdenentsprechend behandelt. Einige seiner bekanntestenKompositionen sind »Parchman Farm«, »If You Live«,»Everybody Cryin’ Mercy«, »Look What You Made MeDo«, »I Don’t Worry About A Thing« und »Your MindIs On Vacation«. [IC]

b Sings And Plays (1957–1959; Prestige). Dies ist eineergiebige Kompilation mit dreizehn vokalen (daruntermehrere klassische Tracks) und zehn instrumentalen Stücken.b Creek Bank (1958; Prestige). Diese Zweier-CD setzt sichaus dem Album gleichen Namens und Young Man Moseszusammen. Das aus Addison Farmer am Baß und Nick Stabulasoder Ronnie Free am Schlagzeug bestehende Trio zeigtAllisons gesamtes Spektrum: seine eigenen Songs, Standardsund Blues-Nummern.b I Don’t Worry About A Thing (1962; Rhino/Atlantic).Ein sehr schönes Album, wieder mit Addison Farmer und dies-mal Osie Johnson am Schlagzeug. Mehr klassische Gesangs-nummern (darunter der Titeltrack) und drei instrumentaleStücke.

L A U R I N D O A L M E I D AGitarre.geb. am 2. September 1917 in São Paulo;gest. am 26. Juli 1995 in Los Angeles.

N ach seiner Arbeit als Studiomusiker bei einembrasilianischen Radiosender, wo er seine eigene

Gruppe unterhielt, tat sich Almeida von 1947 bis

Henry »Red« Allen

WIL

LIA

M G

OTTL

IEB