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4S /IWO Festschrift

ALBI ROSENTHAL

Herausgegeben von Rudolf Elvers

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VERLEGT BEI HANS SCHNEIDER " TUTZING

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Tilo Brandis

Ein mittelhochdeutscher Papst-Kaiser-Rotulus des 15. Jahrhunderts

Vorbemerkung

Am 26. Januar 1978 beim Mittagessen kurz vor der alljährlich mit Auf-

regung erwarteten Eröffnung der Antiquariatsmesse in Stuttgart zog der

Antiquar Albi Rosenthal aus einer Plastiktüte eine notdürftig eingewickelte mittelalterliche Pergamentrolle mit einer bebilderten Reihenchronik heraus

und fragte mich, ob sie für die Handschriftensammlung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz von Interesse sein könnte. Ich brauchte nur einen flüchtigen Blick auf den ersten aufgerollten Meter zu werfen und mich in die

ersten Texte einzulesen, um von den langen, rührend-gedrängten Reihen der

geistlichen und weltlichen Herrscherfiguren sowie von den erläuternden Be-

schriftungen fasziniert und von dem Wert der ganzen Handschrift überzeugt

zu sein. Mein großes Interesse bekundete ich ganz spontan; und die Ent-

scheidung für den Kauf - es war der glücklichste seit langer Zeit - konnte

noch vor der Eröffnung der Messe fallen.

Albi Rosenthal (Oxford und London) hat hier wie etliche Male vorher und nachher etwas getan, was ganz in der Tradition der großen und weitver- zweigten Antiquariatsfamilie Rosenthal stand, insbesondere seines väterli- chen Hauses, des von seinem Großvater Jacques Rosenthal (1854-1937) 1895

gegründeten und von seinem Vater Erwin Rosenthal (1889-1980) bis 1933 fortgeführten berühmten Münchener Antiquariats sowie auch des seit 1867 in München bestehenden ebenso berühmten Antiquariats seines Großonkels Ludwig Rosenthal (1840-1928): nämlich besondere Handschriften, kostbare

Autographen und Inkunabeln direkt und im persönlichen Gespräch den ver- antwortlichen Leitern der bedeutenden öffentlichen Sammlungen zur Ergän-

zung ihrer Bestände zum Kauf anzubieten. Die Bereicherung der großen Ber- liner Handschriftensammlung auf diesem Wege kann anhand zahlreicher Einzelstücke, die oft zu den besten der Bestände überhaupt zählen, belegt

werden. Es soll hier nur der Erwerb der wichtigen Musiktraktatehandschrift

aus Lucca von 1292 (Ms. theol. lat. qu. 261) im Jahre 18901, der unikalen Meditationeshandschriften des Henricus Arnoldi von Alfeld (Ms. theol. lat.

t Vgl. G. Achten, Die theol. Jar. Handschriften in Quarto der Staatsbibl. Preuß. Kulturbes. 1, Wiesbaden 1979, S. 193-196.

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qu. 324,1.2 u. 4) im Jahre 19032, einer schönen Augustinushandschcift des 12. Jahrhunderts (Ms. lat.. fol. 786) im Jahre 1914 sowie der bebilderten Stam-

ser Moral ia-inJob-Handschrift des 12. Jahrhunderts (Hdschr. 88) im Jahre 19743 über die Rosenthals genannt werden.

Valentin Rose, der erste Leiter der Handschriftenabteilung der königlichen Bibliothek in Berlin, berichtet im Zusammenhang mit der Beschreibung

einer Chronikrolle in seinem Verzeichnis der lateinischen Handschriften, daß ihm am 25. April 1892 eine Geschichtskompilation nach Johannes de Utino

�in langem Pergamentblatte schön gefaltet" mit den

�Namen der Päp-

ste und Kaiser bis 1353 ... vom Antiquar Rosenthal in München vorgelegt" worden sei.; Zu einem Kauf scheint es damals nicht gekommen zu sein, wie ja selbstverständlich nicht auf alle Angebote eingegangen werden konnte und kann. Eine ähnliche Reihenchronik in Form einer Rolle ist nun aber, 86 Jahre später, wiederum von einem Rosenthal der Bibliothek vorgelegt wor- den und konnte diesmal glücklicherweise erworben werden. Ihre Beschrei- bung und Charakterisierung soll hier als Dank des Bibliothekars für das durchaus als Entgegenkommen und Bevorzugung zu wertende erste Anbie- ten hervorragender Objekte durch den Antiquar Albi Rosenthal veröffent- licht werden.

1. Beschreibstoff, Zusammensetzung, Format, Erhaltungszustand

Der vorzustellende Rotulus der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin, der die Signatur Hdschr. 143 trägt, ist aus 15 verschieden langen Per-

gamentstücken zu einem Streifen von einer Gesamtlänge von 667 cm zusam- mengeklebt worden (Streifen 1: 39 cm, 2: 57,2 cm, 3: 50 cm, 4: 55,5 cm, 5: 52,7 cm, 6: 60,2 cm, 7: 50,1 cm, 8: 57 cm, 9: 38,9 cm, 10: 19 cm, 11: 58,2 cm, 12: 47,3 cm, 13: 9,1 cm, 14: 44,1 cm, 15: 28,7 cm). Die Stücke sind jeweils

sorgfältig durch Überlappung in einer Breite von 1 cm aneinandergeklebt worden, abgesehen von Streifen 8-9 und 12-13, die Stoß an Stoß aneinan- dergesetzt sind und durch hinterklebte Pergamentstreifen zusammengehalten werden. Streifen 9 und 10 sind wohl erst in jüngster Zeit durch einen geraden Schnitt getrennt worden, der notdürftig durch einen Papierklebestreifen

repariert worden ist.

2 Vgl. G. Achten, in: Historia et Spiritualitas Cartusiensis, Colloquium Gent-Ant- werpen-Brügge 1982, Destelbergen 1983, S. 15-20.

3 Vgl. Zimelien, Abendlind. Handschriften d. Kittelalters aus d. Sammlungen der Stiftung Areuß. Kulturbes., Wiesbaden 1975, S. 81-82 u. 307 (Corrigenda).

{ Zu Ms. lat. fol. 141, vgl. V. Rose, Verzeichnis d. lat. Handschriften der Kgl. Bibl. 2,3, Berlin 1905, S. 1031-32 Nr. 876.

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Die Schreibrichtung folgt anders als bei den meisten mittelalterlichen Rol- len den langen Rindern parallel, die Rolle ist also von links nach rechts und nicht wie sonst üblich von oben nach unten zu öffnen und zu lesen. Ihre Höhe beträgt 18,5-20,4 cm. Die unbeschriftete Rückseite ist im 16. Jahr- hundert zur Versteifung des Pergaments und zur Reparatur der Bruchstellen, die durch häufiges Aufrollen und zu scharfe Faltung einzelner Abschnitte

verursacht sein mögen, dilettantisch mit Papierblättern (Wasserzeichen: Rundschild mit Schriftrand, nicht genau erkennbar, 16. Jh. ) hinterklebt wor- den, das parallel zu den Längsseiten heute angerissen ist, so daß nur die Mitte durchgehend überklebt ist und an den Längsrändern Leimspuren sichtbar sind.

Der Erhaltungszustand des Pergaments ist im ganzen gut. Am Anfang gibt es einige Löcher und vertikale Ausrißkeile an den Rindern (z. T. restau- riert), in der Mitte Risse mit Verlusten von Zeichnungen und Beschriftun-

gen, z. B. bei P(apst) 4,10,17,133,140-143 und Augustus und K(aiser) 9,14, 19. Einige alte Einrisse sind sorgfältig vernäht. Fast sämtliche Löcher sind mit Papierstückchen (16. Jh. ) unsachgemäß hinterklebt. Bei K 31-33 ist die Rolle durch zwei große Einschnitte von unten beschädigt, bei K 56/57 fin- den sich größere Quetschfalten.

Ein Rollenstab zum Aufwickeln ist nicht vorhanden, auch ist eine Anhän- gungsvorrichtung an einen solchen Stab weder am Anfang noch am Ende er- kennbar.

Z Einrichtung, Schrift, Zeichner, Ausstattung, Farben

Der Rotulus ist über seine ganze Länge geteilt in zwei Längsreihen von je 6,5 cm Höhe mit jeweils dicht aufeinanderfolgenden, durch 0,3 cm breite Stege getrennten Brustbildern bzw. Dreiviertelfiguren der geistlichen (oben)

und der weltlichen (unten) Herrscher. Bis P 6/K 11 gibt es eine Spaltenein-

richtung mit starken Tintenlinien, danach sind die Längsspalten und die Trennungsstege sehr sorgfältig mit geritzten Blindlinien vorgezeichnet wor- den. Über den einzelnen Figuren bzw. Figurengruppen finden sich in 1,5-13,5 cm breiten Kolumnen die Beschriftungstexte von 2-6, meist 3-4 Zeilen, in der unteren Reihe am unteren Rand außerdem, in die Zeichnun-

gen einiger Figuren hineingeschrieben, einzelne Schriftzeilen mit Angabe der Todesart oder der Gräbnisstätte der Kaiser. Ganz an den Rollenrändern oben die Jahreszahlen in römischen Ziffern, außerdem oben und unten in 1-2 Zeilen Angaben zu allgemeinen historischen Ereignissen.

Die Beschriftungstexte stammen von einer einzigen Hand, die eine flüssige, leicht nach links gekippte mittelhochdeutsche Bastarda mit zum Verwech-

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sein ähnlichen Buchstabenformen von v, x und y schreibt. Die Texte sind bis

auf die größeren Anfangsbuchstaben zu Caesar und Christus nicht rubri- ziert.

Die Päpste sind von 1-214, die Kaiser von 1-112 (die Zitate im folgenden

richten sich nach diesen Zählungen) und die Christenverfolger von 1-13 jeweils mit arabischen Ziffern durchgezählt, wahrscheinlich von einer wenig späteren Hand. Außerdem gibt es in beiden Reihen eine Dekadenmarkierung durch ein Schleifenzeichen bei jeder 10. Figur.

Die Zeichnungen sind zwei deutlich zu unterscheidenden Händen zuzu- schreiben, von denen die erste nur den 1. Streifen bis P 6/K 11 mit sicherer und kräftiger Feder und sehr blasser Kolorierung ausgeführt hat, während die zweite bei sparsamen, dünnen Vorzeichnungen sich durch abwechslungs- reiche Kolorierung viel malerischer gibt.

In der Papstreihe herrscht ab P 35 in dem stets einheitlich gestalteten Ornat ein leuchtendes Rot mit gelbgehöhtem Besatz vor; für die ersten Papstgewänder wie für sämtliche Kaisergewänder, die z. T. sehr phantasie- voll ausgestaltet sind, werden dagegen vielfach gebrochene Farben in feinen Schattierungen verwendet. Die Heiligenscheine und Bücher sind grün oder blau, Buchschnitt, Kreuzstab, Szepter und Krone jeweils gelb, die Wappen in klaren heraldischen Farben mit gelb statt gold und weiß statt silber. Für letz-

tere sind offensichtlich, wie Verwischungen am Schluß zeigen, andere Far- ben als für die sonstigen Zeichnungen verwendet worden.

. 3. Entstehrurgszeit, Entstehungsland

Die Rolle dürfte nach dem Schluß der Papstreihe mit Eugen IV. (März 1431-1447): Eugenius der iiij hat gesessen und der weltlichen Herrscherreihe

mit König Sigismund (1410-37): ... Nach trist geborte Afccccxi Orff genuinen

und regnyrt sowie nach der Erwähnung des Concilium zu Constancz Alccccxv in den Jahren 1431-37 beendet worden sein. Eine genauere Datie-

rung auf 1431-33 ergibt sich aus der Tatsache, daß weder das von Eugen im Juli 1431 einberufene Konzil zu Basel (das freilich im Dezember 1431 vorläu- fig von ihm wieder aufgelöst wurde) noch die Kaiserkrönung Sigismunds im Mai 1433 erwähnt sind; Fakten, die sonst immer ausdrücklich vermerkt wer- den.

Auftraggeber und Schreiber bzw. Zeichner der Rolle werden nicht ge- nannt. Einen Hinweis auf die Entstehungslandschaft geben aber einige Mundartformen innerhalb der sonst im sogenannten schriftsprachlichen Mit-

telhochdeutsch abgefaßten Beschriftungstexte. Nach der durchaus fehlenden

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neuhochdeutschen Diphthongierung, der Wandlung von t zu d (ted K 90 - tat, großtedig K 97, getodet K 17 neben getotet K 64, geweldig K 59, konde K 82, vierde K 21, P 56) und vor allem den nicht umgelauteten bzw. nicht mit Umlautbezeichnungen versehenen Vokalen o und u (kurz und lang: Romer P 3, P 61, bosen P 110, boslich K 98, allersnodest K 6, K 64, K 71,

vorstort K 15, gutig K 9, P 46, vbet K 58 - übt, funjfte P 84, lute K 64 - Leute, losen K 82 - Läusen, demutig K 69, vorsunet P 111, wutrich K 98, K 100) ist deutlich eine mitteldeutsche Herkunft anzunehmen. Darüberhin-

aus weist die monophthongische Schreibung von ie (prister P 39, K 65, K 68, czyrer K 22, lip K 49, liplich K 75, hylt K 92, dynern K 64) und ganz besonders der charakteristische Wandel von u, ü, üe zu o (erworget K 16, ge- foret P 155 - geführt, korfursten K 89, gebarte K 87, dorch K 42 neben durch K 66, konde K 82) auf die westmitteldeutsche Sprachlandschaft. Schließlich machen die Dialektlaute und -formen wie bede K 66, tuende P 119, P 127 (neben manet P 177, inaned P 189, P 190 - Monate), Mencze K 22 (- Mainz), enelend K 86 (- ellent, Verbannung), Walenland K 80, K 87, K 95 (- Welschland, Italien), zuschen K 94 (- zwischen), ader P 12, P 25 (- oder), krang K 59 und palczgraff K 11, die zahlreich in Frankfurter Urkunden und anderen rheinfränkischen-südhessischen Quellen belegt wer- den können, die Herkunft des Schreibers speziell aus dem Rhein-Maingebiet

wahrscheinlich. Zu Frankfurt, der Stadt der Königskrönungen, würde auch das Interesse an leicht faßbaren, übersichtlich und bunt gestalteten reichsge- schichtlichen, chronologischen Aufzeichnungen, wie sie diese Rolle enthält, gut passen. 5

Zu erwähnen ist noch die Eigenart des Schreibers, vokalische Nebentöne

mit h in einzelne Wörter (veheter P 39 - Väter, mehend P 130 - Monate,

vyhenden K 93 - Feinden) bzw. in die Lautgruppe chs einzuschieben (sahas-

sen K 44 - Sachsen, seheste P 80, K 65). Wie wenig gefestigt die Orthogra-

phie der Zeit noch ist, zeigen die zahlreichen verschiedenen Schreibweisen des Wortes regieren bzw. regnieren (hat regirt ader regnert K 65, hat gesellen ader gereygirt P 25, hat geregnert K 10 u. ö., außerdem geregirt, regeret, regyrt, regnyrt, hant regnerent usw. ), das für die Päpste und Kaiser in glei- cher Weise verwendet wird, während die Verben berschet K 82, K 87, heißer K 38 und hat geseßen vornehmlich nur bei den Päpsten stehen.

5 Zur Dialektbestimmung ist außer den gängigen mittelhochdeutschen Lexika und Grammatiken hauptsächlich V. Moser, Friihneuhochdeutsche Grammatik, 1 u. 3, Hei- delberg 1929 u. 1951 benutzt worden.

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4. Provenienz

Über die ältere Besitzgeschichte der Rolle ist nichts bekannt. Auf dem Papier der Rückseite findet sich am Anfang eine Ziffer 1566 (16. Jh. ) und ein sehr verwackelter roter Besitzstempel (19. Jh. ) in ovaler Begrenzung mit um- laufender Schrift und einem von zwei steigenden (geflügelten? ) Löwen ge- stützten, gekrönten Schild (oder Emblem, vielleicht einer Säule? ). Von der

nicht vollständig erhaltenen Schrift kann mit großer Ungewißheit gelesen werden: FÜRSTLICH ...

BIBLIO[THEK] (Höhe 1,8, Breite 2,2 cm, heute

abgelöst und unter Glas gesondert neben der Rolle aufbewahrt, für die eine große Bibliothekskassette angefertigt worden ist). Die Herkunft aus einer fürstlichen deutschen Bibliothek darf demnach mit einiger Sicherheit ange- nommen werden. Vor 1937 besaß sie dann der Dresdener Bankier, Biblio-

phile und Sammler Dr. jur. Kurt Arnhold (1887-1951, ab 1939 in Brasilien)", der bevorzugt mittelalterliche Handschriften sammelte und diese bei Jacques Rosenthal in München kaufte. Nach seinem Tode verkaufte seine Witwe, Else Leonore Arnhold (geb. 1895), seine Sammlung über William Schab, New York, einzelne Stücke, darunter auch diesen Rotulus, über Albi Rosenthal, Oxford.

5. Inhalt

Der Rotulus zeichnet in lückenloser Reihung die Namen und Regierungs-

zeiten der Päpste und, beginnend mit Julius Caesar, die der weltlichen Herr-

scher des Heiligen Römischen Reiches auf und reicht bis zu Papst Eugen IV.

und König Sigismund um 1431-33. Das annalistische Gerüst geben am obe- ren Rand die römischen Jahreszahlen Nach cristi gebort, die in Abständen

von jeweils 5-10 Figuren in möglichst runden Zahlen notiert werden. Außerdem werden oben bei den entsprechenden Päpsten die acht ökumeni-

schen Konzilien bis zum 9. Jahrhundert und dann erst wieder die Konzilien

zu Pisa und Konstanz im beginnenden 15. Jahrhundert verzeichnet, während am unteren Rand abwechslungsreiche Angaben stehen z. B. zu berühmten Dichtern (Ouidius was K 3), Gelehrten (Ptholotneus ey sterncluger... Galie-

nus der arcze warent K 12-15), Ketzern und Propheten (Dy keczer), e. -I rryan hub sich K 41, Afachtnet eyn prophet waz der sarraczen K 63), Ereignissen der Völkerwanderungszeit (Alaricus eyn konig zu gottern westoret alle ding

K 51, wandali vorstorent K 52) und besonders zu Verwandlungen des Kai-

sertums (Daz keysertum wart vor wandelt in Constantinopel K 38, Daz key-

sertum wart vor wandelt in dy tutschen K 87) und anderen reichspolitischen Änderungen.

6 Vgl. Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933,1, München usw. 1980, S. 20.

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Den Hauptinhalt stellen die beiden Figurenreihen dar, die durch die zwei Standfiguren des Julius Caesar und Octavianus, letzteren als Sieger mit dem Fuß auf einem König, eingeleitet werden. Die geistliche Reihe - das eigent- liche Textinitium der Rolle ist leider zerstört - beginnt danach mit Crist der herre hat gelebet xxxiiij jar; er trägt als Insignien die kreuzstabähnliciie Ferula der Päpste und ein Buch. Es folgen Petrus mit Krummstab und Schlüssel und Paulus mit Schwert und Buch. Sämtliche Päpste in der Folge stützen sich auf die Ferula mit der einen Hand und tragen in der anderen bis Silvester I. (P 34) den Palmzweig als Attribut der Märtyrer, von da an bis Innozenz VI. (P 203) überwiegend das Buch als Attribut der Kirchenlehrer bzw. der Verwalter des Predigtamtes. Nur ausnahmsweise (P 61,64,128, 133) erscheint noch der Palmzweig. Die sechs letzten Päpste werden ohne Buch mit erhobener Rechten und Segensgestus dargestellt. Interessant ist die Kennzeichnung des liederlichen Papstes Johannes XII. (P 136) mit einem Hund und des

�Zauberers" Silvester II. (P 147) mit einem kopflosen Teufel

auf dem Gewand. Ab Urban V. (P 204) erscheinen alle Figuren mit den heraldisch genau wiedergegebenen päpstlichen Familienwappen.

Das große Interesse des Zeichners an Herrschaftsinsignien und -symbolen zeigt sich auch in der Darstellung des Ornats: bis Silvester I. tragen alle Päp-

ste die bischöfliche Mitra; von da an die spitze, mit drei Kronreifen gezierte Tiara (Triregnum). Böse Päpste (z. B. der Gegenpapst zu Sergius I. Leo hyn- derczt P 87, darüber von späterer Hand scisma und Johannes XI. hyndert daz babestum P 129) und Gegenpäpste werden. ohne Tiara barhäuptig mit Tonsur dargestellt, alle heiliggesprochenen sehr akkurat mit Heiligenschein. Die legendäre Päpstin Johannes von mencz (nach Leo IV. im Jahre 855, P 108, darüber von späterer Hand fraw hulda) ist an den ornamentierten Haarlocken und einem Zipfel des weißen Kopftuches, das unter der Tiara hervorflattert, kenntlich gemacht worden. Bei Papst Eugen IV. scheint der Versuch unternommen worden zu sein, das Gesicht sorgfältig, vielleicht nach damals kursierenden Bildern, zu porträtieren. Seine Tiara zeigt als ein- zige der langen Reihe die heute noch bestehende gerundete Form. Von Be- deutung ist sicher auch, daß dieser Papst frontal zum Beschauer wie die

guten und bedeutenden Päpste Silvester I. (P 34), Leo I. (P 47) und Zacha-

rias (P 94) dargestellt wird.

Die Kaiser-König-Reihe unten ist - wie schon erwähnt - sehr viel bunter

und, da weniger Figuren im ganzen unterzubringen waren als bei den Päp-

sten (133 gegenüber 232 Päpsten! ), viel platzaufwendiger und auch mit sehr viel mehr Text zu historischen Ereignissen gestaltet worden. Zu dem im gan-

7 Vgl. J. Braun, Tracht u. Attribute der Heiligen in d. dt. Kunst, Stuttgart 1943 (Repr. 1964), S. 786,814,823 u. ö.

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zen monumentaleren Eindruck trägt wesentlich auch die üppige Bart- und Haartracht bei, die für die meisten Figuren der weltlichen Herrscherreihe ge- wählt worden ist. In der geistlichen Reihe tragen nach Christus, Paulus, Linus, Cletus nur Bonifacius V. (P 71) und Benedikt VII. (P 142) - wahr- scheinlich versehentlich - einen Bart.

Eine lebensnahe Porträtierung - nach welchen Quellen auch immer - ist

sicher bei König Sigismund beabsichtigt gewesen, wie die große Ähnlichkeit des Kopfes mit den für ihre Naturwahrheit berühmten Louvre-Zeichnungen

und dem Wiener Gemälde Sigismunds von Antonio Pisanello (1397-1455)

nahelegen. $ Dieser bärtige Kopf dürfte für den Zeichner wie für den Auftrag-

geber und Benutzer der Rolle schlechthin den Typus �würdiger Herrscher"

bedeutet haben.

Wie die Päpste werden die meisten Figuren in wenig rechts oder links ge- wendeten Brustbildern dargestellt; ganz frontal erscheint - offensichtlich in bewußter Heraushebung - nur Heinrich II., der Heilige, (K 90) mit Aureole wie sonst nur die byzantinischen Christenkaiser und Ketzergegner Justi-

nus I. und II. (K 57,59).

Von großer Bedeutung sind selbstverständlich auch in dieser Reihe die Herrschaftszeichen: in der Regel sind alle Figuren mit Bügelkrone, Lilien- szepter und Reichsapfel ausgestattet, von Konstantin dem Großen (K 38) an auch mit Wappen. Die Gegenkönige des Altertums und frühen Mittelalters tragen nur die Blätterkrone; einige Nebenfiguren erscheinen in Kriegs-

rüstung mit Helm und Lanze (zu K 58,59) oder mit Helm und darüberge-

setzter Krone (zti K 66). Die Blätterkrone wird dann ab Karl dem Großen (K 76) in genauer Rangabgrenzung zu den Kaisern Kennzeichen der Könige.

Von der Zweiheit der Reichsinsignien Szepter und Reichsapfel gibt es nur wenige Abweichungen, die wiederum deutlich zeigen, daß der Zeichner die Figuren nicht mechanisch als Chiffren aufreiht, sondern daß ihm Besonder- heiten in der Entwicklung des christlichen Kaisertums am Herzen liegen. So

tragen die von 1-13 durchgezählten Christenverfolger von Nero (K 6) bis Diokletian und Maximian (K 35,36) statt des Szepters ein erhobenes Schwert, Hadrian (K 13) statt des Reichsapfels ein Buch. Anastasius II. und Theodosius III. (K 68,69 vortryben und prister worden) zusätzlich ein gol- denes Rauchfaß (? ). Als einzige Frau ist neben Konstantin VI. (K 73 vor- blendet) seine Mutter Irene mit edelsteinbesetzter Blätterkrone, aber ohne weitere Herrschaftsabzeichen dargestellt. Die drei Kaiser aus dem Jahr 68/69 (K 7) tragen nur Dolche, die sie sich gegenseitig auf die Brust setzen. Schließ-

2 Vgl. G. A. Dell'Acqua u. R. Chiarelli, Lopera completa del Pisanello, Mailand 1972, Cat. delle opere Nr. 29-31.

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lich seien noch die bildlichen Beigaben der Bogenarchitekturteile bei Vespa-

sian und Titus (K 8,9) als Andeutung für das zerstörte Jerusalem und des Feuerregens bei dem echtiger der kyrchen Anastasius (K 56) erwähnt, der

vom Blitz erschlagen worden sein soll (vorbrant von hirnelsfuer).

Besonders große Sorgfalt wendet der Zeichner oder wahrscheinlich, wie die anderen Farben vermuten lassen, ein eigener Wappenmaler auf die Heral- dik an. Die lange Reihe der Wappenschilde sollte dem Beschauer auf den

ersten Blick ermöglichen, die Entwicklung des Kaisertums und speziell des Reichswappens zu erkennen und nachzuvollziehen. Die oströmischen Kaiser

tragen - erstmalig ab Konstantin dem Großen - ein goldenes Kreuz in

rotem Schild. Bei Karl dem Großen werden die Schilde des Reichsadlers und der fränkischen Lilien vereinigt zum gold und blau gespaltenen Reichswap-

pen: rechts ein halber schwarzer Adler am Spalt; links mit goldenen Lilien besät. Dieses Phantasiewappen galt über das ganze Mittelalter als das Kaiser Karls des Großen und wird heute noch als Wappen des Aachener Domkapi-

tels geführt. 9 In der Folge erscheinen dann nach dem Wechsel der Herrscher

neben dem halben Reichsadler jeweils auf der linken Schildseite die Farben der entsprechenden Stammhäuser. Bei Otto dem Großen (K 87) ist der Schild geviert und zeigt neben dem doppelköpfigen Reichsadler zwei goldene Leoparden in rot. Zum Schluß hin sind die Wappen nicht mehr vollständig ausgeführt worden.

6. Zweckbestimmung, literarische Einordnung und Würdigung

Die aus der Antike stammende Form der Rolle als Überlieferungsträger für längere Texte lebt im Mittelalter mit veränderter Schreibrichtung, nämlich parallel zum Rand der Schmalseite, weiter, tritt aber neben dem allgemein üblich gewordenen Codex im ganzen nur noch selten auf: in älterer Zeit namentlich für liturgische Texte und Urkunden, seit dein Hochmittelalter dann etwas häufiger beispielsweise für Osterspiele, Pilgerfahrtsbeschreibun- gen, medizinische und alchemistische Texte, Gebete, Briefe, Mitteilungen über Todesfälle von Kloster zu Kloster (die sog. Totenroteln), Güterver- zeichnisse, Zinsaufstellungen, Stadtrechnungen und besonders zahlreich für biblische Geschichtskompendien, Welt- und Länderchroniken, Wappenfol- gen und Genealogien aller Art. 10 Gerade für stammbaumähnliche Aufzeich-

9 Vgl. 0. Neubecker, Heraldik. Wappen, ihr Ursprung, Sinn und Wert, Frank- furt/M. 1977, S. 31 u. 230.

10 Vgl. W. " Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter, 4. Aufl., Graz 1958, S. 157-174; B. Bischoff, Paliographie des röte. Altertums u. des abendlind. Mittel- alters, Berlin 1979, S. 48-50; H. Rosenfeld, in: Gutenberg Jahrbuch 1976, S. 48-56.

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nungen eignete sich die Rolle als theoretisch endlose Schriftkolumne sehr gut. So lassen sich annalistisch-genealogische biblische Geschichtszusammen-

stellungen, meist gegliedert nach dem weithin üblichen heilsgeschichtlichen Prinzip der sechs Weltalter, aber auch Chroniken der mittelalterlichen Reichs- und Ländergeschichte (z. B. eine englische Königschronik des 13. Jhs. in der Phillipps-Bibliothek 32 043 und 32 105, zuletzt bei Dörling, Auktion Nr. 100, Hamburg 1980, Nr. 126, und eine dreisträngige Rom-Paris-London- Chronik von 1351 aus dem Besitz des Grafen Heinrich von Chambord, vgl. V. Rose a. a. O. zu Nr. 876) in vielen Rollen nachweisen. Die biblischen Ge-

schichtsrollen beginnen oben mit Adam, bringen dann in mehreren Schrift-

spalten die alttestamentlichen und profangeschichtlichen Ereignisse und streuen dazwischen in Medaillons, die durch Stamm- und Zweiglinien ver- bunden sind, Namen, Porträtbildnisse und wichtige heilsgeschichtliche Sze-

nen des alten Testaments, so z. B. die kleine Münchener Rolle der Genealo-

gia Salvatoris, 1468 von Conrad von Leonberg geschrieben (BSB Clm 28514), die große Berliner Rolle der Compilatio ystoriarum Veteris Testamenti aus England um 1335 (SBPK Ms. lat. fol. 899) und die Berliner Reihenchronik bis Oktavian aus dem 14. Jahrhundert (SBPK Ms. lat. fol. 141). Letztere wird in dem Prolog ausdrücklich als Schultext:... a studiosis facile possint pre oculis habita memorie conunendari bezeichnet. " Mit Sicherheit dürfte auch die Papst-Kaiserrolle als Anschauungsmaterial für den Schulunterricht herge-

stellt worden sein.

Eine Parallelüberlieferung zu unserer rein annalistisch. aufgebauten Bild- figurenrolle, die ungewöhnlicherweise in horizontaler Richtung geschrieben und gezeichnet ist, hat sich bisher nicht auffinden lassen. Am ehesten kann ihr die 1344 verfaßte, heute freilich nur noch in Codices des 15. Jahrhunderts

und nicht in einer Rolle vorhandene Prosachronik des Franziskaners Johan-

nes de Utino an die Seite gestellt werden, die in ihrem letzten Teil eine paral- lele Papst-Kaiser-Medaillonreihe mit ausführlichen chronikalischen Texten

enthält. '' Sie ist in allen fünf erhaltenen Handschriften" sowohl der origina- len lateinischen Version (Vatikan Ottob. 479, Stuttgart theol. et philos.

11. D. i. der bekannte Prolog: Considerans historiae sacrae prolixitatem zum Ge-

schichtskompendium Arbor historiae biblicae' des Petrus Pictaviensis, vgl. F. Steg-

müller, Repertorium biblicunt, 1940 ff., Nr. 6778. t= Vgl. N. H. Ott, in: Die dt. Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon 4,1983,

Sp. 785-788 u. ders.. Typen der Weltchronik-lkonographie, in: Jahrbuch d. Oswald

v. Wolkenstein-Gesellschaft 1,1980/81, S. 29-55, bes. über die Berliner Handschrift germ. fol. 947.

13 Eine weitere, vor wenigen Jahren von der Nationalbibliothek Budapest erwor- bene Überlieferung der Chronik des Johannes de Utino wird Andris Vizkelety in der Festschrift De captu lectoris' für Wieland Schmidt, Berlin, de Gruyter, bekannt- machen.

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fol. 100, Wolfenbüttel 1.6.5. Aug. fol. ) als auch der mittelhochdeutschen Übersetzung (Berlin germ. fol. 947, Budapest Nat. bibl. germ. 53) bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts (bis Pius II. 1458 und Friedrich 111.1442) fortge-

setzt worden und weist noch freien Platz für weitere Eintragungen auf. Daß

sie ursprünglich als horizontal zu öffnende Rolle konzipiert worden ist, legt die eingangs erwähnte Überlieferung auf einem �schön gefalteten langen Per-

gamentblatt" des 14. Jahrhunderts nahe, die der Antiquar Rosenthal 1892 der Königlichen Bibliothek zum Kauf vorgelegt hatte. Dieses Faltbuch ist leider bis heute nicht wieder aufgetaucht.

Eine literarische Abhängigkeit ugserer Rolle von der Chronik des Johan- nes de Utino ist kaum anzunehmen; ein Beweis über die Unabhängigkeit ließe sich freilich erst erbringen, wenn letztere gedruckt vorläge. Beide Werke stehen in der Tradition der sogenannten Martins-Chroniken, d. i. der Geschichtsbücher des Spätmittelalters bis hin zu Hartmann Schedels Chro- nik, die in der Anlage den gesondert geführten Papst- und Kaiserkatalogen der berühmten handbuchartigen Chronik Martins von Troppau (gest. 1278) folgen, und benutzen auch andere konventionelle Weltchroniken, Papstkata- loge und Kaisergeschichten der Zeit, ohne daß sich direkte Quellen und Vor- lagen namhaft machen ließen.

Wegen ihrer vereinzelten individuellen Eigenheiten, der Figurenreihung statt der sonst allgemein üblichen typisierten Idealporträts in Medaillons und vor allem der Hervorhebung der Herrschaftsinsignien und ihrer für das Mit- telalter so bedeutenden Symbolik sowie der Betonung der heraldischen Ent- wicklungen nimmt unsere Rolle durchaus einen besonderen Platz innerhalb der historiographischen Literatur des 14. /15. Jahrhunderts ein und vermag als ein bisher unbekanntes, sehr buntes und anschauliches Zeugnis vielleicht neue Aspekte in der Entwicklung des deutschen Geschichtsbuches und des Geschichtsunterrichts der Zeit aufzuzeigen.

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