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20 2/2017 � FOOD-LAB RUBRIK Metabolic Fingerprinting nting g Kakaoschalennachweis in Kakaoprodukten Unsere Autoren: Nicolas Cain 1 , Torben Segelke 1 , Alina Stahl 2 , Heike Frerichs 2 und Markus Fischer 1 1 HAMBURG SCHOOL OF FOOD SCIENCE, Institut für Lebensmittelchemie, Universität Hamburg, Grindelallee 117, 20146 Hamburg, Deutschland. 2 Zentrallabor Chemische Analytik, Technische Universität Hamburg, Eißendorfer Straße 38, 21073 Hamburg, Deutschland D ie Produkt- und Prozessqualitäten von Lebensmitteln unter- schiedlicher Verarbeitungsstufen haben in den letzten Jahren für den Verbraucher zunehmend an Bedeutung gewonnen. Um einen entsprechend höheren Preis zu rechtfertigen werden, neben Angaben zur geografischen Herkunft oder zu Anbaubedingungen, auch besondere Qualitätsparameter werbewirksam eingesetzt [1] . Neben einer nicht verschuldeten Falschdeklaration z.B. aufgrund fehlerhafter Lieferpapiere und einer davon bedingten Verwendung von nichtauthentischem Ausgangsmaterial, ist zunehmend auch eine kriminell motivierte Manipulation zu beobachten, wie die kürzlich von Europol und INTERPOL koordinierte Operation OPSON VI zur Bekämp- fung von Lebensmittelbetrug zeigte. Nicht nur eine falsche Kennzeich- nung sondern generell auch das Weglassen, der Ersatz oder das „Ver- dünnen“ von wertgebenden Bestandteilen auch mit Nebenprodukten wird als Food Fraud bezeichnet. Eine Täuschung würde bspw. vorlie- gen, falls Kakaoprodukte durch Zusatz von Kakaoschalenanteilen in ihrem Gewicht „gestreckt“ würden. Das Ziel des hier vorgestellten Projektes ist die Entwicklung einer Methode für den Nachweis von Kakaoschalen in Kakaoprodukten um eine Verunreinigung rechtzeitig, sowohl im Rahmen von unterneh- merischen Qualitätssicherungsmaßnahmen, als auch im Zuge einer Überwachung rechtzeitig erkennen zu können. Kakaokern und Kakaoschale Als Kakao werden die vom Fruchtfleisch befreiten Samen des Kaka- obaums (Theobroma cacao) bezeichnet, die als Hauptbestandteil in Schokoladenprodukten eingesetzt werden. Die größten Erzeuger- gebiete befinden sich in Westafrika (u. a. Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Kamerun), Südostasien (u. a. Indonesien) sowie in Süd- und Mittelamerika (u. a. Brasilien, Ecuador) [2] . Die unfermentierte Kaka- obohne besteht aus einer Samenschale (Testa), welche 10 – 14 % des Trockengewichts ausmacht und eine semi-permeable Barriere zwi- schen Samen und Fruchtfleisch bildet. Die restlichen 86 - 90 % des Trockengewichts stellen die zwei Keimblätter (Cotyledonen) sowie das Keimwürzelchen dar [3] . Traditionell werden die getrockneten und fermentierten Bohnen aus den Anbauländern in die Industrieländer exportiert, um dort ge- röstet und weiter zu Kakaoprodukten verarbeitet zu werden. In zu- nehmendem Maß werden die Bohnen inzwischen auch direkt in den Erzeugerländern zu Kakaorohmassen oder anderen Kakaoprodukten weiterverarbeitet. Im Erntejahr 2013/14 wurden bereits ca. 45 % der geernteten Bohnen direkt in den Erzeugerländern verarbeitet [4] . Ne- ben diversen Vorteilen (z.B. geringeres Transportgewicht) birgt die Weiterverarbeitung der Kakaobohnen zu unterschiedlichen Halbferti- gprodukten in den Ursprungsländern jedoch ein nicht unerhebliches Problem für die Qualitätskontrolle. Eine zentrale Problematik stellt hierbei der Kakaoschalengehalt in den verarbeiteten Produkten dar [5] . Neben dem Einfluss auf die senso- rischen Eigenschaften der Kakaoprodukte werden weitere Qualitäts- und Prozessparameter durch den Kakaoschalengehalt beeinflusst. So können die Steinzellen und die Faserstruktur der Kakaoschalen im Produktionsverlauf zu einem erhöhten Verschleiß der Produktions- anlagen führen sowie unerwünschte Veränderungen der Viskosität und Fließeigenschaften der Kakaomassen induzieren [6, 7] . Weiterhin kann es durch den Eintrag von Kakaoschale, welche die Abgrenzung der Kakaobohne zur Umwelt darstellt, zu einer Kontamination mit Schadstoffen wie Mykotoxinen, Schwermetallen oder Mikroorganis- men kommen [8, 9] .

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20 2/2017 � FOOD-Lab

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IK Metabolic FingerprintingMetabolic FingerprintingMetabolic FingerprintingMetabolic FingerprintingKakaoschalennachweis in Kakaoprodukten

Unsere Autoren: Nicolas Cain1, Torben Segelke1, Alina Stahl2, Heike Frerichs2 und Markus Fischer1

1 HAMBURG SCHOOL OF FOOD SCIENCE, Institut für Lebensmittelchemie, Universität Hamburg,

Grindelallee 117, 20146 Hamburg, Deutschland.

2 Zentrallabor Chemische Analytik, Technische Universität Hamburg, Eißendorfer Straße 38, 21073 Hamburg,

Deutschland

Die Produkt- und Prozessqualitäten von Lebensmitteln unter-schiedlicher Verarbeitungsstufen haben in den letzten Jahren für den Verbraucher zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Um einen entsprechend höheren Preis zu rechtfertigen werden, neben Angaben zur geografischen Herkunft oder zu Anbaubedingungen, auch besondere Qualitätsparameter werbewirksam eingesetzt [1].

Neben einer nicht verschuldeten Falschdeklaration z.B. aufgrund fehlerhafter Lieferpapiere und einer davon bedingten Verwendung von nichtauthentischem Ausgangsmaterial, ist zunehmend auch eine kriminell motivierte Manipulation zu beobachten, wie die kürzlich von Europol und INTERPOL koordinierte Operation OPSON VI zur Bekämp-fung von Lebensmittelbetrug zeigte. Nicht nur eine falsche Kennzeich-nung sondern generell auch das Weglassen, der Ersatz oder das „Ver-dünnen“ von wertgebenden Bestandteilen auch mit Nebenprodukten wird als Food Fraud bezeichnet. Eine Täuschung würde bspw. vorlie-gen, falls Kakaoprodukte durch Zusatz von Kakaoschalenanteilen in ihrem Gewicht „gestreckt“ würden.

Das Ziel des hier vorgestellten Projektes ist die Entwicklung einer Methode für den Nachweis von Kakaoschalen in Kakaoprodukten um eine Verunreinigung rechtzeitig, sowohl im Rahmen von unterneh-merischen Qualitätssicherungsmaßnahmen, als auch im Zuge einer Überwachung rechtzeitig erkennen zu können.

Kakaokern und KakaoschaleAls Kakao werden die vom Fruchtfleisch befreiten Samen des Kaka-obaums (Theobroma cacao) bezeichnet, die als Hauptbestandteil in Schokoladenprodukten eingesetzt werden. Die größten Erzeuger-gebiete befinden sich in Westafrika (u. a. Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Kamerun), Südostasien (u. a. Indonesien) sowie in Süd- und

Mittelamerika (u. a. Brasilien, Ecuador) [2]. Die unfermentierte Kaka-obohne besteht aus einer Samenschale (Testa), welche 10 – 14 % des Trockengewichts ausmacht und eine semi-permeable Barriere zwi-schen Samen und Fruchtfleisch bildet. Die restlichen 86 - 90 % des Trockengewichts stellen die zwei Keimblätter (Cotyledonen) sowie das Keimwürzelchen dar [3].

Traditionell werden die getrockneten und fermentierten Bohnen aus den Anbauländern in die Industrieländer exportiert, um dort ge-röstet und weiter zu Kakaoprodukten verarbeitet zu werden. In zu-nehmendem Maß werden die Bohnen inzwischen auch direkt in den Erzeugerländern zu Kakaorohmassen oder anderen Kakaoprodukten weiterverarbeitet. Im Erntejahr 2013/14 wurden bereits ca. 45 % der geernteten Bohnen direkt in den Erzeugerländern verarbeitet [4]. Ne-ben diversen Vorteilen (z.B. geringeres Transportgewicht) birgt die Weiterverarbeitung der Kakaobohnen zu unterschiedlichen Halbferti-gprodukten in den Ursprungsländern jedoch ein nicht unerhebliches Problem für die Qualitätskontrolle.

Eine zentrale Problematik stellt hierbei der Kakaoschalengehalt in den verarbeiteten Produkten dar [5]. Neben dem Einfluss auf die senso-rischen Eigenschaften der Kakaoprodukte werden weitere Qualitäts- und Prozessparameter durch den Kakaoschalengehalt beeinflusst. So können die Steinzellen und die Faserstruktur der Kakaoschalen im Produktionsverlauf zu einem erhöhten Verschleiß der Produktions-anlagen führen sowie unerwünschte Veränderungen der Viskosität und Fließeigenschaften der Kakaomassen induzieren [6, 7]. Weiterhin kann es durch den Eintrag von Kakaoschale, welche die Abgrenzung der Kakaobohne zur Umwelt darstellt, zu einer Kontamination mit Schadstoffen wie Mykotoxinen, Schwermetallen oder Mikroorganis-men kommen [8, 9].

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Kakaoschalen sind im Zuge der normalen Verarbeitung der Kakao-bohnen nicht gänzlich vermeidbar. Bei der Rohstoffgewinnung wer-den die gerösteten Bohnen gebrochen und die Schalenteile sowie der Keimling durch Sichten im Luftstrom bzw. mittels Sieb- und Rüttelstu-fen entfernt [10]. Der erhaltene Kakaobruch, welcher abhängig von der Prozessführung noch einen geringen Anteil an Schalen und Keimlingen enthalten kann, wird zu einer Kakaomasse vermahlen und zu den un-terschiedlichsten Produkten weiterverarbeitet. Daneben kann es zu einer Streckung der Kakaomasse durch Zugabe von Schalenanteilen kommen, was zwar die organoleptischen Eigenschaften verschlechtert, jedoch höheren finanziellen Gewinn verspricht.

Bis Ende des Jahres 2003 wurde der Anteil von Schalen und Keim-würzelchen in Kakaobohnen bezogen auf die fettfreie Trockenmasse durch die RL 73/241/EWG [11] in den Mitgliedsstaaten der europä-ischen Wirtschaftsgemeinschaft auf 5 % begrenzt. Mit der europa-weiten Harmonisierung des Lebensmittelrechts wurde diese Richtlinie überarbeitet und durch die RL 2000/36/EG [12] ersetzt. In der neuen Richtlinie ist der Grenzwert weggefallen und auch von dem natio-nalen Gesetzgeber in Deutschland nicht erneut aufgenommen wor-den. In Anlehnung an die alte Gesetzgebung sowie den internatio-nal vorgegebenen Lebensmittelstandard für Kakaomasse durch die Codex-Alimentarius-Kommission hat sich jedoch in der kakaoverar-beitenden Branche der Grenzwert von max. 5 % an Schalenanteilen und Keimlingen etabliert. Dieser Wert gilt als technologisch nicht zu vermeiden und entspricht der allgemeinen Verkehrsauffassung. Bei Überschreitung dieses Wertes kann von gestreckter Ware bzw. Verar-beitung minderwertiger Bohnen/Rohware oder fehlerhafter Prozess-führung ausgegangen werden.

Wie können Schalenanteile nachgewiesen werden?In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche analytische Ansätze verfolgt, um Kakaoschalen quantitativ nachzuweisen. Hierzu zählen unterschiedliche mikroskopische [13], gravimetrische [14], photome-trische [15] und flüssigchromatographische [5] Methoden. Die bisher verwendeten Techniken sind jedoch nicht in der Lage, robuste und re-produzierbare Ergebnisse für Proben unterschiedlicher Herkunft und/oder Sorte und unterschiedlicher Prozessierungsstufen zu liefern.

Der an der Hamburg School of Food Science (HSFS) verfolgte Me-tabolomics-basierte Ansatz zeichnet sich gegenüber den bislang an-gewandten Verfahren durch die Verwendung einer Vielzahl an un-terschiedlichen, potentiellen Schlüsselmetaboliten, die sich aus dem Metabolom der zugrundeliegenden Pflanze ergeben, aus. Kurzum es wird ein mehr oder weniger hoch aufgelöster molekularer Finger-abdruck erhalten, während die etablierten Methoden lediglich auf der Bestimmung einer oder weniger Substanzen beruhen.

Der Begriff Metabolomics beschreibt dabei die Identifizierung und Quantifizierung möglichst aller Metabolite eines Organismus. Das Metabolom, also die Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte eines Organismus, steht dem Phänotyp sehr nahe, sodass es u.a. emp-findlich auf exogene, anthropogene aber auch endogene Faktoren reagiert. Grundkonzept des gewählten Metabolomics-basierten An-satzes zur Unterscheidung von Schale und Kern ist die Annahme, dass sich die Metabolome der beiden pflanzlichen Organe signifikant und reproduzierbar in Konzentration oder Anwesenheit bzw. Abwesen-heit bestimmter Metabolite und Metabolitmuster voneinander un-terscheiden. Zum Auffinden dieser Unterschiede ist es notwendig, analytische Systeme zu verwenden, die in der Lage sind in möglichst kurzer Analysezeit möglichst viele Analyten innerhalb eines Proben-

extraktes, unter Akquisition verschiedener qualitativer und quanti-tativer Parameter zu messen. Diese Anforderungen werden zurzeit vor allem von der NMR-Spektroskopie, ultrahochauflösenden und tandemfähigen LC-MS/MS-Kopplungen, sowie, für den flüchtigen Be-reich, von GC×GC-ToF-MS-Systemen erfüllt.

Bei der Auswahl der Schlüsselmetabolite gilt es Verbindungen zu identifizieren, deren Konzentration in der Kakaoschale unabhängig d.h. stabil in Bezug auf geographische, genetische oder thermische Einflüsse ist. Durch die Integration von Proben verschiedener Provenienzen und Sorten im Forschungsprojekt werden diese Einflussfaktoren direkt er-fasst und in die Auswahl der letztendlich zu verwendenden Schlüssel-metabolite mit einbezogen. Zusätzlich wird durch eine durchgeführte Röstreihe auch der Temperatureinfluss auf das Metabolom erforscht.

Der wesentliche Vorteil eines multiparametrischen Metabolomics-Ansatzes ist eine deutlich höhere Auflösung zwischen Populationen (i.v.F. Schale und Kern) und eine deutlich verbesserte Robustheit im Vergleich zu den herkömmlichen monoparametrischen Strategien.

Wie gehen wir praktisch vor?Zunächst werden Schale und Kern akribisch voneinander getrennt, sorgfältig extrahiert und an einem hochauflösenden Massenspek-trometer vermessen. Dabei werden ungerichtet (non-targeted) eine hohe Anzahl qualitativ unterschiedlicher Metabolite, die sich auch in ihren jeweiligen Konzentrationen unterscheiden, erfasst. Das Vorge-hen ist zu diesem Zeitpunkt hypothesenfrei, d.h. es werden einfach ausgedrückt, nur Datenpunkte gesammelt und miteinander ver-glichen. Sowohl bedingt durch die qualitativen, als auch durch die quantitativen Unterschiede, also den relativen Konzentrationen, wird ein unterscheidbares Metabolitmuster gebildet. Das Metabolitmuster ist analog zu einem Fingerabdruck für die jeweilige Probe einzigar-tig und repräsentativ. Die durchgeführten ungerichteten Analysen werden auch als Metabolic Fingerprinting bezeichnet. Sollte bei der anschließenden Analyse von prozessierten Kakaoprodukten der spe-zifische molekulare Fingerabdruck der Kakaoschale wiedergefunden werden, kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Produkt ein gewisser Anteil an Kakaoschale enthalten ist (s. Abbildung 1).

Konkret erfolgt in diesem Projekt die Analyse mittels eines ESI-QToF-Massenspektrometers, das an eine HPLC-Anlage gekoppelt ist (Ultimate 3000; Dionex® und ImpaktTM; Bruker®). Im „Full scan“-Modus werden über den chromatographischen Lauf mehrmals pro

Abbildung 1: Metabolischer Fingerabdruck der Kakaoschale in prozessierten Kakaoprodukten

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ik Sekunde Massenspektren mit Molekülmassen bis zu einem Masse-zu-Ladungsverhältnis (m/z) von 1.200 aufgenommen. In den folgenden Abbildungen ist jeweils beispielhaft ein akquirierter Metabolic Finger-print der Kakaoschale und des Kakaokerns dargestellt.

Bei der Aufnahme der Chromatogramme werden geeignete In-formationen registriert, die sowohl für eine Quantifizierung der detektierten Analysesignale als auch für eine Qualifizierung, d.h. Identifizierung der Verbindungen herangezogen werden. Für die Identifizierung der Verbindungen ist vor allem die hohe Massenauf-lösung und -genauigkeit von großer Bedeutung. Basierend auf der exakten Masse und des Isotopenmusters einer zu identifizierenden Verbindung kann die wahrscheinlichste Summenformel berechnet werden, anhand derer zusammen mit den Informationen aus dem MS/MS-Spektrum und der Retentionszeit (Polarität) die Identität der Substanz durch Datenbankrecherchen aufgeklärt werden kann. Bei der Analyse einer einzelnen Kakaoprobe können in einem Ana-lyseschritt ca. 1.200 Analyten unter Akquisition qualitativer und quantitativer Parameter erfasst werden.

Was kommt nach der Probenaufarbeitung und der Datenakquise? Um aus der großen Informationsmenge diejenigen Schlüsselver-bindungen zu identifizieren, welche für eine eindeutige Unter-scheidung relevant sind, müssen i.d.R. multivariate Datenanaly-severfahren herangezogen werden. Hierbei gilt es die Metabolite zu definieren, welche aufgrund der Konzentration oder Anwe-senheit bzw. Abwesenheit in Kakaokern- und Kakaoschalen-proben reproduzierbar für den Nachweis des Schalengehaltes herangezogen werden können. Die verwendeten statistischen Methoden sind dafür geeignet, umfangreiche Datenmengen zu reduzieren, die Informationsdichte zu erhöhen, relevante Schlüsselinformationen hervorzuheben und Informationen, wel-che zum Beispiel durch das Grundrauschen hervorgerufen wer-den, zu eliminieren. Die relevanten Schlüsselmetabolite können dabei durch unterschiedliche multivariate Methoden extrahiert werden. Multivariate Datenanalysenmodelle verringern mathe-matisch die Anzahl der Variablen um die Auswertung der Daten zu erleichtern. Hierbei unterscheidet man nicht supervisierte

Analysenmodelle wie beispielsweise die Principal Component Analysis (PCA) von supervisierten Modellen wie der Partial Least Square-Diskriminanzanalyse (PLS-DA). Im Folgenden ist die Vor-gehensweise am Beispiel einer PCA dargestellt, welche zu den am häufigsten genutzten Methoden zählt [16]. Die PCA dient dazu die Proben anhand von sogenannten Hauptkomponenten zu un-terscheiden. Diese Hauptkomponenten werden mathematisch generiert und entsprechen keinen realen Variablen. Für die Be-stimmung der ersten Hauptkomponente eines p-dimensionalen Datensatzes mit „n“ Punkten wird diejenige Linearkombination der „p“ Merkmale gesucht, bei der die Varianz maximal ist. Die zweite Hauptkomponente beschreibt die Linearkombination, bei der die Varianz am zweitgrößten ist. Mathematisch gesehen steht der Vektor, den die Linearkombination beschreibt, ortho-gonal auf dem Vektor der ersten Hauptkomponente. Die weite-ren Hauptkomponenten bilden analog diejenigen Linearkombi-nationen, die die drittgrößte, etc. Varianz aufweisen.

Die in Abbildung 5 dargestellte PCA wurde auf der Grundlage von jeweils fünf Kakaokern- (rot) und Kakaoschalenproben (grün) be-rechnet. Den Messungen liegen unpolare Extrakte zugrunde, die im positiven Ionenmodus analysiert wurden. Jeder dargestellte Kreis im folgenden Scores-Plot steht für die Analyse einer Probe. Die räumliche Anordnung der unterschiedlichen Proben im Plot gibt Auskunft über die Zusammensetzung des Metaboloms. Proben, deren Metabolom starke Gemeinsamkeiten aufweisen zeigen eine Gruppenbildung im selben Bereich des Plots, während Proben, die sich stark voneinander unterscheiden, in unterschiedlichen Bereichen angeordnet sind.

Sowohl die Kakaokern- als auch die Kakaoschalenproben bil-den im Scores-Plot aufgrund der Abweichungen im Metabolom Gruppen in unterschiedlichen Bereichen des Diagramms. Anhand des Loadings-Plots können relevante Schlüsselmetabolite, die in der Kakaoschale, aber nicht im Kakaokern nachweisbar sind, identifiziert werden. Im Loadings-Plot (s. Abbildung 6) steht jeder blaue Kreis für ein Bucket, also für ein detektiertes Messsignal, dem eine Retentionszeit und ein Masse-zu-Ladungsverhältnis zu-geordnet werden kann. Der Loadings- und der Scores-Plot kor-relieren direkt miteinander, sodass diejenigen Buckets, die sich im rechten Bereich des Loadings-Plots befinden auch in hohen Konzentrationen in den Proben enthalten sind, die sich in rech-ten Bereich des Scores-Plots befinden. Analog dazu verhält es sich mit den Buckets im linken Bereich des Loadings-Plots. Dem-nach sind die relevanten Verbindungen im rechten Bereich des Loadings-Plots angeordnet. Beispielhaft hierfür ist in der Abbil-dung 5 die Bucket Statistic eines Buckets aus dem rechten Bereich des Loadings-Plots dargestellt. Die repräsentativ dargestellte Bucket Statistic zeigt ein Analysesignal mit einer Retentionszeit von 18.57 Minuten und einem Masse-zu-Ladungsverhältnis von

Abbildung 2: LC-MS Chromatogramm eines unpolaren Extraktes einer Kakaoschalenprobe im positiven Ionenmodus

Abbildung 3: LC-MS Chromatogramm eines unpolaren Extraktes einer Kakaokernprobe im positiven Ionenmodus

Abbildung 4: Scores-Plot Hauptkomponentenanalyse (Kakaokern-proben: rot; Kakaoschalenproben: grün)

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845.823. Hierbei wird deutlich, dass dieses Analysesignal lediglich in den grün dargestellten Punkten, den Kakaoschalenproben (s. Abbildung 5), detektiert werden konnte. Ausgehend von den ge-wonnen Erkenntnissen könnte es sich bei diesem Bucket um ein potentielles Schlüsselmetabolit handeln.

Der Bereich des Loadings-Plots, welcher die relevanten Analysesi-gnale zeigt, ist in der Abbildung 6 in einer höheren Auflösung darge-stellt. In der Vergrößerung sind die relevanten Buckets dargestellt, die in der Kakaoschale, aber nicht im Kakaokern enthalten sind.

Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich lediglich auf die Ana-lyse unpolarer Extrakte im positiven Ionenmodus. Werden sowohl die unpolaren als auch die polaren Extrakte in beiden Ionenmodi berücksichtigt, ergibt sich eine Summe von ca. 200 potentiellen Schlüsselmetaboliten. In weiterführenden Untersuchungen gilt es die Tauglichkeit der hypothetischen Schlüsselmetabolite für den Kakaoschalennachweis von Proben unterschiedlicher Herkunft, Erntejahre und unterschiedlicher Prozessierungsstufen (Röstungen) zu bestimmen. Für die Abschätzung der unterschiedlichen Einfluss-faktoren auf das Metabolom werden im vorliegenden Projekt über 50 unterschiedliche Proben analysiert. Die abschließende Auswahl der Schlüsselmetabolite sollte Verbindungen umfassen, deren Kon-zentration in den Kakaoproben weder geographischen, ernteperio-dischen noch thermischen Einflussfaktoren unterliegt.

Wie geht es weiter?Durch die Auswahl valider Schlüsselmetabolite und deren Über-tragung in eine targeted-Applikation, wird eine targeted-Metho-de auf der Basis eines LC-QqQ-Massenspektrometers entwickelt.

Abbildung 6: Ausschnitt aus dem relevanten Bereich des Loadings-Plots

Abbildung 5: Bucket Statistic von einem möglichen Schlüsselmetabolit

Die Methode sollte in der Lage sein, eine überschaubare Gruppe an Metaboliten (Mini-Fingerprints) in einem Lauf sowohl quali-tativ als auch quantitativ nachzuweisen. Nach Entwicklung und Validierung an Modellmischungen wird nachfolgend anhand des entwickelten statistischen Modells der Kakaoschalenanteil in un-bekannten Proben bestimmt. Darüber hinaus werden auch unter-schiedlich verarbeitete Kakao- und Schokoladenprodukte in die Messungen einbezogen.

Literatur:[1] Etzroth, S., Ausgewählte Einflussfaktoren auf die Kaufentschei-

dung von Endverbrauchern bei Bio-, Fairtrade-und regionalen Lebensmitteln. 2013: GRIN Verlag.

[2] Food and Agriculture Organisation of the United Nations, (2012), Countries by commodity-Cocoa beans, http://faostat.fao.org/site/339/default.aspx, (Stand: 19.01.2015).

[3] Holm, C.S., J.W. Aston, and K. Douglas, The effects of the organic acids in cocoa on the flavour of chocolate. Journal of the Science of Food and Agriculture, 1993. 61(1): p. 65-71.

[4] Organization, I.C. Quarterly Bulletin of Cocoa Statistics. 2016 [cited 2017 13.03.2017]; Available from: https://www.icco.org/about-us/international-cocoa-agreements/cat_view/30-related-documents/46-statistics-production.html.

[5] Janßen, K. and R. Matissek, Fatty acid tryptamides as shell indicators for cocoa products and as quality parameters for cocoa butter. European Food Research and Technology, 2001. 214(3): p. 259-264.

[6] Beckett, S.T., Industrial Chocolate Manufacture and Use. 2011: Wiley.[7] Miao, X.S. and C.D. Metcalfe, Determination of pharmaceuticals

in aqueous samples using positive and negative voltage switching microbore liquid chromatography/electrospray ionization tandem mass spectrometry. J Mass Spectrom, 2003. 38(1): p. 27-34.

[8] Copetti, M.V., et al., Occurrence of ochratoxin A in cocoa by-products and determination of its reduction during chocolate manufacture. Food Chemistry, 2013. 136(1): p. 100-104.

[9] Raters, M. and R. Matissek, Study on distribution of mycotoxins in cocoa beans. Mycotoxin Research, 2005. 21(3): p. 182-186.

[10] Südwind, Institut für Ökonomie und Ökumene, (2012), Vom Kakaobaum bis zum Konsumenten. Die Wertschöpfungskette von Schokolade, http://www.suedwind-institut.de/fileadmin/fuerSuedwind/Publikationen/2012/2012-18_Vom_Kakaobaum_zum_Konsumenten._Die_Wertschoepfungskette_von_Schokola-de_download.pdf, (Stand: 19.01.2015). 2014.

[11] Richtlinie 73/241/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Anglei-chung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für zur Ernäh-rung bestimmte Kakao- und Schokoladeerzeugnisse.

[12] Richtlinie 2000/36/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung. (ABl. L 197 vom 3.8.2000, S. 19).

[13] Ezendam, J.A., Determination of the content of cacao shells in cocoa powder. Pharm. Weekbl., 1923. 60: p. 603-614.

[14] L., B.J. and H.H.F. E., ESTIMATION OF SHELL IN COCOA AND CACAO PRODUCTS. Analyst, 1918. 43: p. 197-204.

[15] Münch, M. and P. Schieberle, A sensitive and selective method for the quantitative determination of fatty acid tryptamides as shell indicators in cocoa products. Z lebensm Unters Forsch A, 1999. 208: p. 39-46.

[16] Jolliffe, I.T., Principal component analysis and factor analysis. Prin-cipal component analysis, 2002: p. 150-166.