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CommunityPower
Februar 2016 WWEA Policy Paper Series (PP-01-16)
Rücken- und Gegenwind für die Bürgerenergie Bürgerwind-Perspektiven aus Nordrhein-Westfalen und der Welt
www.WWindEA.org – www.wind.community
Copyright WWEA 2016
Sofern nicht anders vermerkt und die WWEA als Quelle kenntlich gemacht wird, können die Unterlagen dieser er entli hung rei verwendet weitergege en oder na hgedru kt werden
Über die Partner:
Der Weltwindenergieverband (WWEA) ist ein internationaler ge einnüt iger er and it auptsit in Bonn euts hland WW ar eitet it vers hiedenen egierungen und internationalen rganisationen usa en u die
Windenergie weltweit aus u auen er ein Net werk von er nden und itgliedern in ü er ndustrie- und ntwi klungsl ndern hat der er and viele egierungen ei der ntwi klung wirksa er Progra e ur rderung von rneuer aren nergien unterstüt t ines der iele von WW ist die t rkung der Bürgerenergie und einer
de entraleren nergieversorgung innerhal e istierender egierungs- Bildungs- und ors hungseinri htungen sowie ei internationalen nstitutionen
Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW ist die nteressenvertretung aller e hnologien ür erneuer are nergietr ger in Nordrhein-Westfalen euts hlands ev lkerungsrei hste Bundesland er er and set t si h ür das na hhaltige Wa hstu des Wirts ha sstandorts Nordrhein-Westfalen ein ein iel ist is eine vollst ndig au erneuer aren nergien asierende nergieversorgung voran utrei en
Über die Autoren:
arlo hi k ar eitet ei der World Wind nerg sso iation it auptsit in Bonn euts hland als ein ors hungsanal st und Bürgerenergie eau ragter r hat einen Ba helor s hluss in Politikwissens ha und ist nw rter au den aster in nviron ental overnan e uvor ar eitete er ei e hnologies or ono i evelop ent
einer in esotho t tigen N die si h au na hhaltige ntwi klung und e hnologien ür erneuer are nergietr ger wie B Biogas und solare leinanlagen spe ialisiert
te an s nger hat WW seit ründung i ahr geleitet und ist eneralsekret r des er andes r ist au h itglied i nternational teering o i ee von N e utive o i ee der lo al - a pagne und i anaging o i ee der nternational enewa le nerg llian e
an o ertin es h s ührender eiter N W
Weitere Anmerkungen und Kommentare von:
Paul ipe Wind-Works
adi areli sraeli Wind nerg sso iation
ugo u as a tor panien euts hland
r en ono Bündnis Bürgerenergie
r hane ulligan adi le Works td anada
aura Willia son N
Übersetzung der deutschen Version:
r Ben a in Badura en a in adura outlook o
Finanzielle Unterstützung:
ür ors hung und er entli hung dieser tudie sowie ür das nternationale Bürgerenergie posiu a anuar in Bonn dankt WW ür die nan ielle nterstüt ung der Stiftung Umwelt und Entwicklung des Landes
Nordrhein-Westfalen und der Stiftung für Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn.
II
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Kurzzusammenfassung
DasModelldesBürgerwindparksstehtinNRWundDeutschland am Scheideweg. Einerseits habenBürgerwindprojektegroßesPotenzial fürdieUm-wandlung des kohlenstoffbasierten Energiere-gimeszueinemdemokratischen,dezentralisiertenundemissionsfreien,mitandernWorten:wahrlichnachhaltigenEnergiesystem.Darüberhinausstel-len Bürgerwindprojekte die dringend benötigtehohelokaleAkzeptanzsicherundtragenzurloka-lenWertschöpfungbei.Andererseitswirdvondenbevorstehenden Ausschreibungen erwartet, dasssie Bürgerwindprojekten einen großen Wettbe-werbsnachteileinbringen.DieExternalisierungder"Akzeptanzkosten" vonWindkraft könnte in derFolge eine drastische negative Wirkung auf dieweitere Verbreitung von BürgerwindprojektenundinsgesamtaufdenErfolgderdeutschenEner-giewendehaben.
Das in Paris geschlossene Rahmenabkommen der
Vereinten Nationen über Klimaänderungen aus
demJahr2015markiert faktischdiebishergrößte
weltweiteVerpflichtung zumAusbauderErneuer-
barenEnergieninderGeschichte.195Nationenha-
ben sich auf die Neutralisierung der Treibhaus-
gasemissionen bis 2050 geeinigt; ein Ziel, das nur
durch den schnellen Abbau des Einsatzes fossiler
Brennstoffe und einen Übergang zur Versorgung
durchErneuerbareEnergienzuerreichenist.Diege-
wähltenFormulierungen lassen immernochSpiel-
raumfüreineaufnuklearenundauffossilenBrenn-
stoffen basierende Energieenergieumwandlung in
KombinationmitCarbonCaptureandStorage.Die
historischniedrigenKostenderErneuerbarenEner-
gien und die sich allmählich angleichenden Rah-
menbedingungenfürdieunterschiedlichenEnergie-
träger erlauben jedoch eine einfache und gute
Schlussfolgerung: Erneuerbare Energien sind die
neueNorm–alleanderenLösungenstehenunter
Rechtfertigungszwang.NunstelltsichdieFrage,wie
eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich faire
Transformationhinzu100%ErneuerbarenEnergien
realisierbar ist.EinesolcheUmwandlungmussdie
spezifischenPotenzialeundHerausforderungenvon
Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse
undGeothermieberücksichtigen.Außerdemmuss
siesichumdieBelangeundAkzeptanzderPersonen
kümmern, die Erneuerbare Energie produzieren
undkonsumieren.
Eine geeignete Option ist das Bürgerenergiekon-
zept,dasaufderIdeederlokalenTrägerschaftvon
ErneuerbarenEnergienbasiert.DiedreiHauptkrite-
rien,dieBürgerenergieprojektevomanderenPro-
jektenunterscheiden,sindlokaleBeteiligungamEi-
genkapital (>50%), lokaleStimmhoheit imProjekt
undmehrheitlichlokalerVerbleibdersozialenund
wirtschaftlichenWertschöpfung,diedurchdasPro-
jekt entsteht (gemäß Definition der mit Experten
ausallenKontinentenbesetztenWWEACommunity
PowerWorkingGroup).Bürgerwindisteinetechno-
logiespezifischeUnterkategorievonBürgerenergie.
Das WWEA-Projekt "Bürgerwindperspektiven aus
NRWundderWelt"hatzumZiel,günstigeRahmen-
bedingungenfürBürgerenergiezuidentifizieren.In-
nerhalb dieses Rahmens wurde eine Fallstudie zu
Bürgerwind inNordrhein-Westfalen (NRW) durch-
geführt.BasierendaufExperteninterviewsmitGe-
schäftsführernvonBürgerwindprojektenundeiner
Online-Befragung,diesichaneineweitergefasste
GruppevonBürgerwindakteuren richtete,wurden
diefolgendenSchlussfolgerungengezogen:
BiszumheutigenTageistBürgerwindeinnichtganz
einfachzufassendesKonzept,dasinNRW(oderin
Deutschland)bislangwederrechtlichnochpolitisch
definiertist.BürgerwindwirdjedochalseinModell
betrachtet,welche viele positive soziale undwirt-
schaftlicheWirkungen mit sich bringt, von denen
zwei der wichtigsten die Erhöhung lokaler Akzep-
tanz und der lokalenWertschöpfung sind. In den
meistenFällenstimmtdievondenExpertengege-
beneDarstellungvonBürgerwindmitderDefinition
derWWEAüberein,wasaufdieBrauchbarkeitder
LetzterenalsBasis füreineverbindlicheDefinition
sowiefürzukünftigeForschungenhindeutet.
NachMeinungderbefragtenExpertenistderwich-
tigsteEinflussfaktordesBürgerwindsdergarantier-
tenEinspeisevergütungzuzuschreiben,dieaufBun-
desebene durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) im Jahr 2000 eingeführt wurde. Andere Ein
flussfaktorensinddiewindenergie-freundlicheRe-
gierunginNRWseit2010,Klimaschutz-oderErneu-
erbare–Energien-Initiativen von Kommunen und
3
Regionen, informelle Bürgerwind-Leitlinien sowie
gesetzliche Richtlinien, die auf die Vereinfachung
vonPlanungs-undGenehmigungsverfahrenausge-
richtetsind,auchwennletzterenichtinersterLinie
anBürgerwindprojektegerichtetsind.Andererseits
wurdeverdeutlicht,dassdiesteigendeKomplexität,
dasvonkommerziellenWindkraftentwicklernindie
Höhe getriebene Pachtniveau, dieOpposition von
Natur-undArtenschutzverbänden,undeinewahr-
nehmbareAbnahmedesgesellschaftlichenInteres-
ses an Erneuerbaren Energien derzeit den Zubau
vonBürgerwindbehindern.Vondenbevorstehen-
denAusschreibungenfürWindenergieanLandwird
erwartet,dasssiegroßeHürdenfürdenEinsatzvon
Bürgerwind in NRW und Deutschland darstellen.
Von den Eckpunkten des bevorstehenden Aus-
schreibungsmodellswirderwartet,dasssieBürger-
windprojekteneinemgroßenWettbewerbsnachteil
aussetzenunddaherunabhängigeBürgerwindent-
wicklung in Zukunft unmöglich machen könnten.
DieimFebruar2016veröffentlichtenvereinfachten
Teilnahmebedingungen für Bürgerwindprojekte
können als ein erster, wenn auch unzureichender
SchrittindierichtigeRichtunginBezugaufdenEr-
haltderAkteursvielfaltbewertetwerden.Dennoch
werden Bürgerwindprojekte im Wettbewerb mit
Projekten von kommerziellen Projektentwicklern
bestehen müssen, welche im Ausschreibungspro-
zess daher weiterhin Wettbewerbsvorteile genie-
ßenwerden.
Künftige potenziell attraktive Geschäftsfelder und
AktivitätenfürBürgerwindprojekteumfassenunter
anderemRepowering,regionaleStromtarife,Ener-
giespeicherung, ElektromobilitätundEnergieeffizi-
enz.MomentanstehenjedochderhoheProfessio-
nalisierungsdruckunddiesichwandelndenrechtli-
chenRahmenbedingungeneinerflächendeckenden
AusweitungdieserAktivitäten imWege -mitAus-
nahme einiger Vorreiterprojekte von erfahrenen
Bürgerwindinitiatoren. Bürgerwind-Netzwerke,
entsprechendeInformationsplattformenundWind-
energie-VerbändewerdeneinewichtigeVermittler-
rolle für die Verbreitung des Bürgerwindkonzepts
undder innovativenGeschäftsmodellezugeschrie-
ben.
4
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
INHALTSVERZEICHNIS
Kurzzusammenfassung II
TeilA:FallstudieBürgerwindinNordrhein-Westfalen 11.KontextundHintergrundzurStudie 1
1.1.Einführung 11.2.DefinitionvonSchlüsselbegriffen:Bürgerenergie,Bürgerwind,Bürgerwindakteure 31.3.DerStandvonBürgerwindinDeutschland 51.3.DiekommendenAusschreibungenfürWindenergieanLand 81.4.EinführungindieFallstudienregionNordrhein-Westfalen 10
2.StudiendesignundmethodischesVorgehen 133.ErgebnisseundDiskussion 14
3.1.ZusammensetzungderBefragten 143.2.ÜberlegungenzumBürgerwindkonzept 153.2.NutzeneffektederBürgerwindkraft 163.3.HürdenundTriebkräftedesBürgerwindsinNRW 183.4.BürgerwindimAusschreibungssystem–MeinungenundErwartungen 233.5.DieZukunftdesBürgerwinds 29
4.Schlussfolgerung 325.EmpfehlungenandiePolitik 35
5.1EmpfehlungenandiePolitikaufkommunalerEbene 355.2EmpfehlungenandiePolitikaufLandesebene 355.3EmpfehlungenandiePolitikaufBundesebene 355.4EmpfehlungenfürweitereForschungenimBereichderBürgerenergie 35
TeilB:ZusammenfassungWWEA-Bürgerwind-Symposium2016 361.PodiumsdiskussionderNRW-Bürgerwind-Experten 372.Präsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“ 393.Präsentationsreihe„Bürgerwind-Weltreise“ 394.Podiumsdiskussion„DieZukunftderBürgerenergie–EineGlobaleDiskussion“ 40
TeilC:ZehnElementeeinerGlobalenBürgerenergie-Strategie 42
Anhang 43EckpunktederAusschreibungfürWindenergieanLandundErklärungdeseinstufigenReferenzertragsmodells 43
Literaturverzeichnis 45
1
TeilA:FallstudieBürgerwindinNordrhein-Westfalen
1.KontextundHintergrundzurStudie
“DieDurchschnittstemperaturaufderErdoberflä-chefürdasJahr2015istwahrscheinlichdiewärmsteseitBeginnderAufzeichnungenundwird1GradCelsiusüberdemsymbolischbedeutendenSchwellenwertdervorindustriellenÄraliegen.”
WorldMeteorologicalOrganisation
1.1.Einführung
FürdieÄrader fossilenBrennstoffemarkiertedas
Jahr2015den"AnfangvomEnde".Daslangerwar-
tete Rahmenabkommen der Vereinten Nationen
überKlimaänderungen,oderAbkommenvonParis,
wirdwahrscheinlich als der offizielleWendepunkt
imlangenundlangwierigenKampfgegendenvom
Menschen verursachten Klimawandel in die Ge-
schichteeingehen.Esmussimmernochvon195Re-
gierungen ratifiziert werden und wird seine volle
Wirkung nicht vor 2020 entfalten. Demgegenüber
kannschonjetztderEinsatzundAusbauErneuerba-
rerEnergiendieErreichungvonTreibhausgasneut-
ralität bis 2050 erreichen. Auf globaler Ebene hat
dieserParadigmenwechselbereitsdenAbflussvon
InvestitionenauskohlenstoffbasiertenEnergiequel-
len auf 2,6 Billionen USD gesteigert (Arabella
Advisors2015)undfürbreiteInvestitionsströmein
Industrie-undEntwicklungsländerninErneuerbare
Energiengesorgt.ImJahr2015wurdeweltweiteine
Rekordsumme von 329 Billionen USD in Erneuer-
bareEnergieninvestiert(Bloomberg2016).
AbgesehenvomAbkommenvonParishabendieAk-
tivitätenundVerpflichtungenderweltweitenBewe-
gungfür100%ErneuerbareEnergienindenletzten
JahreneinenormesNiveauerreicht.Überallaufder
WeltverfolgenLänder,Regionen,Gemeindenoder
StädtefreiwilligdasZiel,aufeinzu100%auserneu-
erbaren Energiequellen gespeistes Energiesystem
1DieInternetseitederGlobal100%EEKampagneisteinewertvolleInformationsquelleüberden
umzuschalten1.Dieservonobenunduntenausge-
hendeDruckaufdasbestehendeEnergiesystemad-
diertsichzudenallgemeinsinkendenStromgeste-
hungskosten für Erneuerbare Energien (IRENA
2015).AlledieseFaktorenmachendieErneuerba-
renzurneuenNormalität.
Nun stellt sich die Frage,wie eine sozial gerechte
TransformationzudenErneuerbarenEnergienun-
ter Berücksichtigung der spezifischen Potenziale
undHerausforderungenderTechnologienfürWind,
Sonne,Wasserkraft,BiomasseundGeothermieso-
wieunterBerücksichtigungderBelangeundBeden-
kenderLeute,dieErneuerbareEnergieproduzieren
und konsumieren, lokal umgesetzt werden kann.
DieAntwortaufdieseFrageistverbundenmitder
EntwicklungderWindkrafttechnologieimAllgemei-
nen. Dänemark und Deutschland gelten nicht nur
alsWindkraftpioniere, sondern auch als jene zwei
Länder, die das Bürgerwindmodell aus derWiege
gehobenhaben(Valentine2015;Toke2009).
Bis in die späten 90er Jahre war Windenergie in
Deutschland noch eineNischentechnologie. Frühe
Windkraftprojekte haben hauptsächlich Investitio-
nen in windreiche Küstenregionen angezogen, in
denenLandwirteundlokaleverankerteWindkraft-
pioniereihrLandzurNutzungderreichlichvorhan-
denen Windressourcen einsetzten. In dieser An-
fangsphasederWindenergiewurdedasModellge-
meinsamer lokalerTrägerschaft,dasdenKerndes
Bürgerwindkonzeptsdarstellt,dafüreingesetzt,das
finanzielle Risiko zu verteilen, das die hohen An-
fangsinvestitionenmitsichbrachten. ImJahr2000
wurdeinDeutschlanddasbisdatogültigeStromein-
speisungsgesetz (StrEG) durch das Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG) ersetzt und die rechtlichen
Grundlagen für die Boomphase der Windenergie
gelegt.DieKombinationeiner20-jährigentechnolo-
giespezifischen Vergütungsgarantie für unabhän-
gigeEnergieproduzentenhatsichalseinErfolgsmo-
dell für die Einführung der Erneuerbaren in den
deutschenEnergiemarkterwiesen,welcherzudie-
semZeitpunktvonkohlenstoffintensivenbzw.nuk-
learenTechnologiendominiertunddirektoderindi-
rekt stark subventioniert wurde. Angezogen von
Standvon100%erneuerbareEnergien:www.go100re.net
2
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
den finanziellen Schutzklauseln des EEG, vergrö-
ßerte sich die Anzahl von Bürgerwindprojekten
stark;genausowiedieWertschöpfungfürdieEin-
satzregionen und die Akzeptanz. Bürgerwind und
garantierteEinspeisevergütunghabensichsozusa-
genHandinHandentwickelt.
Heute sind Varianten des deutschen Vergütungs-
modellsin108Regierungsbezirkenaufnationalero-
dersubnationalerEbeneinKraft(REN212015),wosie günstige Rahmenbedingungen geschaffen und
denZuwachsanErneuerbarenEnergienbeschleu-
nigthaben.Abbildung1zeigt,dassimJuli2015die
globale Gesamtleistung der Windenergie an Land
undaufSeebei435GWbzw.gut4%desWeltelek-
trizitätsbedarfs lag (WWEA 2016), was zeigt, dass
dieWindkraft endgültig ihren Kinderschuhen ent-
wachsenist.
Wennmandie Investitionen in Erneuerbare Ener-
giennachLändergruppenvergleicht,befindensich
EntwicklungsländermittlerweileaufAugenhöhemit
den Industrienationen (REN21 2015). Aber inwie-
fernschließtdieserschnelleZuwachsanErneuerba-
ren Energien das Bürger(wind)energiemodell mit
ein?BesondersinEntwicklungsländernhabenBür-
gerwindprojekteeingroßesPotenzial;nichtnurdie
Entwicklungsphase des kohlenstoffbasierten Ener-
giesystemsauszulassen,sondernauchalseinnach-
haltigesundinkludierendesInstrumentzurArmuts-
minderung,undzwarunabhängigdavon,obessich
2Ausschreibungsverfahrenbeinhaltennormaler-weisemehralseinAuswahlkriterium,während
um große netzgekoppelte Anlagen oder Offgrid-
Kleinwindanlagen handelt. Der Anteil von Bürger-
windprojektenistjedochaufglobalerEbeneimmer
nochsehrgering.GenauergesagtistderAnteilnicht
einmalgemessenworden.BisherwirdderZuwachs
oderderAusbauvonWindkraftanlageninEntwick-
lungsländern eher von großen, global agierenden
Energieversorgern und Projektentwicklern ange-
trieben (Baker 2015; WWEA Community Wind
Symposium2016).
Vor diesem Hintergrund gibt es einen gewissen
weltweitenTrendhinzuAusschreibungsmodellen.
Während im Jahr2005nur fünfLänderAusschrei-
bungen2fürErneuerbarevorgesehenhatten,haben
2015 bereits 60 Länder Ausschreibungen einge-
führt. Theoretisch haben auch gut ausgestaltete
Ausschreibungsmodelle das Potenzial, den Anteil
vonBürgerwindzuvergrößern.DieRealitätzeichnet
aber ein anderes Bild, da die meisten Ausschrei-
bungsdesignsdieMarktzugangsbarrierenfürkleine
Teilnehmer vergrößern und erfahrene, kapital-
starke Projektentwickler und internationale Kon-
zernebegünstigen.
DasProjekt“BürgerwindperspektivenausNRWund
derWelt”hatdasübergeordneteZiel,günstigeRah-
menbedingungenfürBürgerwindunterbesonderer
Berücksichtigung der Regelungen im Zusammen-
hang mit Ausschreibungen zu identifizieren. Über
diegesamteProjektphasehinweg,dieaucheinin-
ternationales Bürgerwind-Symposium umfasste,
AuktionsmechanismenerfolgreicheBieternurauf-grunddesPreisesauswählen.BeideBegriffewer-dentrotzdemoftmiteinandervertauscht.
WeltweiterWindenergieZubau2011-2015
Abbildung1
3
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
wird einMehr-Ebenen-Ansatz verfolgt. Dieser ba-
siert auf dem Grundsatz "think global, act local":
also globale Probleme und Tendenzen verstehen
undlokaleAntwortenuntersuchen,umsolideEmp-
fehlungenfürdiePolitikabzuleiten.Indiesemwei-
terenRahmenuntersuchtdieFallstudieBürgerwind
in Nordrhein-Westfalen (NRW), wie das Bürger-
windkonzeptlokalumgesetztwird.Dabeiwirdnicht
angenommen, dass die konkreten Ergebnisse ein-
facheinszueinsaufdieglobaleEbeneübertragen
werdenkönnen.TrotzdemkönnenvondenErgeb-
nissenwertvolleErkenntnisseerwartetwerden,die
die Diskussion um die Förderung und Weiterent-
wicklung des Bürgerwindkonzepts vorantreiben
können.
DieStudiewirddenderzeitigenStandvonBürger-
windinNRW,Deutschlandsbevölkerungsreichstem
und(mitBlickaufEnergieangebotund-nachfrage)
energieintensivstemBundesland, untersuchen. Sie
basiert auf Experteninterviews mit Geschäftsfüh-
rern vonBürgerwindprojekten und einerUmfrage
unter Mitgliedern von Windenergie-Genossen-
schaftenundAnteilseignernvonBürgerwindprojek-
ten.DerfolgendeAbschnittgibteinenÜberblickauf
dasKonzeptBürgerwind, seinenderzeitigenStand
in Deutschland und besonders in NRW. Der Ab-
schnittmitHintergrundinformationenendetmitei-
ner Einführung zum bevorstehenden Ausschrei-
bungsmodellfürWindenergieanLand.Nachderin-
haltlichenEinführungwerden inKapitel2dasStu-
diendesign und die methodische Vorgehensweise
präsentiert.DiewichtigstenErgebnisseausdenIn-
terviewsundderUmfragewerdeninKapitel3vor-
gestellt und erörtert. Auf eine kurze Schlussfolge-
rungfolgenkonkreteEmpfehlungenandiePolitik,
basierend auf den Belangen der Bürgerwindak-
teure.InTeilBderStudiewerdendiezentralenEr-
gebnissederPräsentationenundDiskussionendes
Internationalen Bürgerwindsymposiums (Bonn,
26.01.2016)vorgestellt.DerBerichtschließtmitden
ElementeneinerGlobalenBürgerenergie-Strategie.
1.2.DefinitionvonSchlüsselbegriffen:Bür-gerenergie,Bürgerwind,Bürgerwindak-teure
DasBürgerenergiekonzepthateinelangeTradition,
diesichaufdievorindustrielleÄrazurückverfolgen
lässt,alssichimlokalenEigentumbefindlicheMüh-
len die reichlich vorhandene Wind- und Wasser-
energiezunutzemachten(Hvelplund2014).Zusätz-
lichzudenfrüherenFormenderBürgerenergiewar
einGroßteildererstenStromverteilernetzeinganz
EuropainderHandvonlokalenGenossenschaften.
MitderZentralisierungvonEnergiesystemenverlo-
ren allerdings viele dieser Modelle ihre Funktion.
NacheinerPhasedesStillstandsinden1970erJah-
renwurdedasBürgerenergiekonzeptdurchdieAus-
wirkungendererstenglobalenÖlkriseunddeners-
ten technologischen Innovationen im Bereich der
ErneuerbarenEnergienwiederbelebt.EsistdenAk-
tivitäten der Bürgerenergieakteure zu verdanken,
dass erneuerbare Technologien in den Bereichen
Wind,Sonne,WasserundBiogasdazu inderLage
waren,sichvoneinerNischentechnologiezueiner
ernst zu nehmenden Alternative zum damals vor-
herrschenden Energiesystem zu entwickeln, das
vornehmlich auf fossilen Brennstoffen und Kern-
energieberuht(Hvelplund2014).
Die zeitgemäße Definition von Bürgerenergie ba-
siertaufdenEckpfeilerngemeinsamerlokalerTrä-
gerschaft, demokratischer Entscheidungsfindung
undeinemdezentralenVerständnisvonEnergiever-
sorgung.Wieobendetailliertbeschrieben,verkör-
pern Bürgerenergieprojekte gemäß der Definition
derWWEAeinGeschäftsmodell,indemBürgermin-
destens50%derAnteilsscheinehalten,dieAnleger
aus der Region kommen, in der die Anlage steht,
unddieWertschöpfungausdemProjektmehrheit-
lichlokalverteiltwird(Abbildung2).DieAusgestal-
tungdesGeschäftsmodellskannvonEnergiegenos-
senschaften, gemeinsamen Investitionen (einer
kleinenGruppelokalerInvestoren),lokalenInvesti-
tionen(gemeinsameInvestitionvonGemeindeund
Bürgern) bis hin zu geschlossenen Fonds reichen
(Yildiz2014). IndividuelleEigentümervonAnlagen
wie z. B landwirtschaftliche Einzelunternehmen,
EinpersonengesellschaftenundkleinereUnterneh-
menzählenauchzudenBürgerenergieakteuren.
4
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Abbildung2:DiedreiGrundpfeilerderBürgerenergie
AlseineUnterkategorievonBürgerenergie,umfasst
Bürgerwind alle Arten vonWindenergieprojekten,
die die oben erwähnten Kriterien erfüllen. Bisher
gibt es weder national noch international verab-
schiedete, rechtlich bindende Definitionen oder
Standards,diedabeihelfenkönnten,klarzwischen
"kommerziellen" und Bürgerwindprojekten zu un-
terscheiden.Dieser Sachverhaltmacht die globale
BestandsaufnahmevonBürgerwindprojektenzuei-
nem schwierigen Unterfangen. Seit 2011 benutzt
dieWWEAdiefolgendeDefinition,dieauseinerin-
tensivenDiskussionunterden(ausallenKontinen-
tenstammenden)MitgliedernderWWEACommu-
nityPowerArbeitsgruppehervorgegangenist:
BürgerwindistjedeKombinationvonmindestenszweiderdreifolgendenElemente:
1. DieBeteiligunglokalerIndividuenund/o-derGruppenamEigenkapitalderGesell-schaftbeträgtmindestens50Prozent:
Der Hauptanteil oder das ganze Projekt befindet
sichimBesitzeinerlokalenEinzelpersonodereiner
Gruppe vonAnteilseignern, egal, ob es sich dabei
um Landwirte, Genossenschaften, unabhängige
Stromproduzenten, Finanzinstitutionen, Kommu-
nen,Schulen,etc.handelt.
3FüreineausführlichewissenschaftlicheDefinitionvonBürgerwind,siehetrend:research2013(aufDeutsch).
2. DieStimmhoheitliegtbeieinerBürgerge-sellschaft
EineBürgerorganisationbestehendauslokalenAn-
teilseignernhältdenHauptteilderStimmrechte
beiProjektentscheidungen.
3. DerGroßteilderWertschöpfungeinesProjektsverbleibtinderRegion:
DerGroßteilallensozialenundwirtschaftlichen
NutzensverbleibtbeiderlokalenGemeinschaft.
DieseDefinitionwird vorzugsweise fürAktivitäten
derWWEAimBereichBürgerwindverwendet;ins-
besonderedann,wennvonBürgerwindaufglobaler
EbenedieRede ist. In die vorliegende Studie sind
Sekundärdaten aus verschiedenen Quellen einge-
flossen.SiebasiertalsoaufunterschiedlichenKon-
zeptionen vonBürgerwind3.Währendder gesam-
tenStudiewurdedaraufgeachtet,einMindestmaß
an Übereinstimmung zwischen den unterschiedli-
chen Bürgerwindkonzepten einzuhalten. Der Ein-
fachheithalberwirdBürgerwindbeiderWWEAan-
hand der drei oben beschriebenen Kriterien defi-
niert.
BeieinernäherenBetrachtungvonBürgerwind ist
esauchwichtig,zwischenbestimmtenAkteursgrup-
penunterscheidenzukönnen,dienormalerweisein
der Bürgerwindenergie verwickelt sind.Man kann
die folgenden Bürgerwind-Akteursgruppen unter-
scheiden,diesichnichtgegenseitigausschließen:
1. Geschäftsführer von Bürgerwindparks oderProjektinitiatoren sind die Haupttriebkräfteund Unternehmer hinter einem
Bürgerwindprojekt. Sie sind normalerweise
diejenigen, die mit einer Vision oder einer
einfachen Idee hinter einem bestimmten
Projekt stehen. Ihre Motive für die
Projektdurchführung können dem politischen
EinsatzfüreinnachhaltigesEnergiesystemoder
reinfinanziellenÜberlegungenentspringen.
2. Bürgerwindanteilseigner sind Landbesitzer,
Mitglieder von Energiegenossenschaften,
Partner in GmbH & Co. KGs oder
Mehrheitsbeteiligung
der Bürgerakteure
LokalgebündelteStimmrechte
RegionaleWertschöpfung
5
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Bürgerwindprojektanleger. Sie haben ein
generelles InteresseanderEnergiewendehin
zueinemdezentralisiertenEnergiesystemund
sind bereit in Erneuerbare zu investieren,
solangesiesicheineanhaltendeRenditedavon
versprechen.
3. Bürgerwindvermittler und -experten sind
damit beschäftigt, günstige
Rahmenbedingungen für Bürgerwind zu
schaffen. In diese Kategorie fallen Verbände,
Netzwerke und NGOs, aber auch
Einzelpersonen, die unabhängig oder
gemeinsammitdiesenInstitutionenarbeiten.
4. ProsumentensindsehraktiveStakeholderderErneuerbaren im Allgemeinen. Diese
Personengruppe besitzt oft eigene Solar-
Dachsysteme und sind in den Bereichen
Energieeffizienz,Heimspeicherung,Nahwärme
und Elektromobilität aktiv. Sie unterstützen
und beteiligen sich an Bürgerwindprojekten,
helfen bei örtlichen Umwandlungsprozessen
undhabeneineVorbildfunktion.
1.3.DerStandvonBürgerwindinDeutsch-land
Bürgerwind gemäß WWEA-Definition hat 2012
24,6% der Gesamtleistung von 30´854 MW der
Windenergie an Land in Deutschland ausgemacht
(sieheAbbildung3).ZähltmandazudenAnteilder
ProjektemitMinderheitsbeteiligungenörtlicherAk-
teureundüberregionalemFremd-undMezzanine-
kapitaldurchEinzelinvestoren,erreichtederAnteil
sogar50,4%.InstitutionelleundstrategischeInves-
torentrugen39,4%bei,währendnur10,2%imBe-
sitzvongroßenStromversorgernwar(Trend:Rese-
arch2013).EineStudieüberdieEigentumsverhält-
nisse neu zugebauter Anlagen im Zeitraum zwi-
schen2012-2014kommtzudemSchluss,dassun-
gefähr15-16%dieserAnlagendurchGeschäftsfüh-
rervonBürgerwindparksoderProjektinitiatorenre-
alisiert und 16-20% dieser Anlagen durch Bürger-
handbetriebenwurde(BWE2015).DieskleineDif-ferenz zwischen den beiden Phasen (Realisierung
undBetrieb)wurdedurchdieTatsacheerklärt,dass
manche Projekte möglicherweise von größeren
Windkraftentwicklernrealisiertwurden,diebeauf-
tragtwordenwaren,dieseProjektespäteranBür-
gerwindakteure zu verkaufen. Wegen fehlender
Einheitlichkeit der jeweils verwendeten Bürger-
winddefinitionenkönnendieErgebnissedieserStu-
dienjedochnurmitVorsichtinterpretiertwerden.
Der hohe Anteil von Bürgerwind in Deutschland
kann anhand mehrerer Faktoren erklärt werden.
Zuallererst zeichnet sich Windenergie durch ver-
gleichsweisehoheTransaktionskostenundgeringe
Rendite aus,was kommerzielle Entwickler und In-
vestorenabschreckenkann(Yildiz2014).ImGegen-
satzdazuwerdenindividuelleInvestorendurchdie
langfristige Investitionssicherheit mit moderaten
Renditeerwartungen von 4-6% angezogen. Dieser
TrendwirdvorallemdurchdasanhaltendeNiedrig-
zinsumfeldinDeutschlandbestärkt(BrühlandWalz
InstitutionelleInvestoren39,4%
Energieversorger10,2% Einzeleigentümer4,2%
Bürgerwind(imEinklangmitWWEA
Definition)20,4%
Bürgerbeteiligungüberregional,
Minderheitsbeteiligung25,8%
Bürgerwind (weiteDefinition) 50,4%
InstallierteLeistungWindenergieanLandnachEigentümergruppeinDeutschlandin2012(gesamt30.854MW)
Abbildung3:trend:research(2013)
6
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
2015). Das relativ hohe Einkommensniveau in
Deutschland und die Investitionssicherheit durch
garantierteEinspeisevergütung (sieheKapitel1.4.)
ermöglicht der lokalen Bevölkerung dann, das In-
vestitionsvolumen gemeinsam aufzubringen. Ne-
benwirtschaftlichenMotivenkönnenlokaleTräger-
schaftundBeteiligungeheralseinewertvolleBerei-
cherungundnichtalsTransaktionskostenverstan-
denwerden.Bürgerwindakteurekönneneineaktive
RollebeimWechsellokalerEnergiepolitikund-pla-
nung spielenund individuell zurUmwandlungdes
Energiesystemsbeitragen.Zuletztwirdauchhäufig
unterschätzt, wie wichtig Bürgerwind ist, um zur
notwendigenAkzeptanzvonWindrädernbeizutra-
gen(Valentine2015;MusallandKuik2011).Inder
Vergangenheit wurde die Akzeptanz von
Windrädern oft als ein positiver Nebeneffekt
dargestellt.VordemHintergrundeinerwachsenden
4FüreinenkurzenÜberblicküberFremd-undMezzani-nekapitalsieheYildiz2014(Englisch)oderEnergieAgen-tur.NRW2014(Deutsch).
ZahlvonWindrädern,angesichtsgrößererWindrä-
derundsinkenderAkzeptanzratenkannBürgerwind
heute eine entscheidende Voraussetzung für die
RealisierungvonWindkraftprojektensein.
In Deutschland sind die meisten Bürgerwindpro-
jektealsGmbH&Co.KGs,Energiegenossenschaften
odereineKombinationdieserbeidenGeschäftsmo-
delleorganisiert.Tabelle1gibteinenkurzenÜber-
blicküberdieVorschriften,andiesichdieseRechts-
formenzuhaltenhaben.Zusätzlichzudieseneigen-
kapital-basiertenBürgerwindprojekten,gibtesauch
Windparks,dieeineBeteiligungdurchFremd-und
Mezzaninekapitalermöglichen.Dieseserlaubtein-
zelnen Investoren, sichmit geringerem unterneh-
merischemRisikozubeteiligen,schließtsieaberda-
von aus, eine aktive Rolle in konzeptionellen Ent-
scheidungsabläufenzuspielen4.
Tabelle1:BWE(2012)
7
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
1.3.1.ENERGIEGENOSSENSCHAFTEN
InDeutschlandhatdasGenossenschaftsmodelleine
lange Tradition. Die erste Genossenschaft nahm
1863denBetriebauf (DRGV2015). Seitherhaben
sich selbstverwaltete Genossenschaften in ver-
schiedenen Wirtschaftszweigen erfolgreich etab-
liert. Genossenschaften funktionieren normaler-
weise auf der Basis der folgenden siebenGrunds-
ätze: freiwillige und offeneMitgliedschaft; demo-
kratische Entscheidungsfindung durch dieMitglie-
der;wirtschaftlicheMitwirkungderMitglieder;Au-
tonomie und Unabhängigkeit; Ausbildung, Fortbil-
dung und Information; Kooperation mit anderen
Genossenschaften; Vorsorge für dieGemeinschaft
derGenossenschaft(Viardot2013).
DieseVoraussetzungenmachenGenossenschaften
zueinemGeschäftsmodell,dassichperfektfürBür-
gerenergieundBürgerwindprojekteeignet,daihre
MitgliederdieGelegenheithaben,sichfinanziellzu
beteiligen und eine aktive Rolle in den Entschei-
dungsabläufen zu spielen. Jedes Mitglied der Ge-
nossenschafthateineStimme,egalwievieleAnteile
der Genossenschaft es hält. Die demokratische
Grundhaltung der Genossenschaften spiegelt sich
auch inderdurchschnittlichenMindestbeteiligung
von738Eurowieder,welcheauchPersonenmitge-
ringererKapitalausstattungermöglicht,sichzube-
teiligen.EinViertelderderzeitexistierendenEner-
giegenossenschaftenarbeitetsogarmiteinerMin-
destbeteiligungvonunter100Euro.2014betrugdie
durchschnittliche finanzielle Beteiligung der Mit-
glieder von Energiegenossenschaften 3.298 Euro
(DRGV2014).
Abbildung4:DRGV(2014)
Die 973 deutschen Energiegenossenschaften kön-
nen entweder auf der Basis ihrer Ressourcen
(Sonne,WindoderBioenergie)oderihrerAktivitä-
ten (Energieproduktion, Energieverbrauch oder
Dienstleistungen) klassifiziert werden. 75% aller
Energiegenossenschaften sind imBereich Sonnen-
energieaktiv,aberderBoomderSolarenergie-Ge-
nossenschaften hat sichmit der Novellierung des
Erneuerbaren-Energie-GesetzesimJahr2012dras-
tischvermindert(sieheAbbildung4),dadamalsdie
VergütungenfürSolarenergieprojektestarkgekürzt
wurden.Zusätzlicherwartetman,dasspotenzielle
neue Solar-Genossenschaften durch die seit 2014
bestehende Ausschreibungspflicht für Freiflächen-
anlagenabgeschrecktwerden.
WährenddieletztenJahrebereitsziemlichtrostlos
für Solarenergie-Genossenschaften waren, ist
Stromerzeugung durch Windkraft eine machbare
Alternative für Energie-Genossenschaften geblie-
ben.Bürgerwind-GenossenschaftenerzeugenEner-
gie vor allem durchWindräder, aber ihr Portfolio
kannauchandereAktivitätenundRessourcenbein-
halten. 2014waren68 aller deutschenEnergiege-
nossenschaftenvorallemimBereichWindkraftak-
tiv,undeinweitererkleinerZuwachsvonWind-Ge-
nossenschaftenistfürEnde2015zuerwarten.Vor
demHintergrundderab2017bevorstehendenAus-
schreibungen dürfte die Zukunftsperspektive der
Bürgerwind-Genossenschaften jedochähnlichdüs-
terwiediederSolar-Genossenschaftensein.
1.3.2.GMBH&CO.KGS
DieMehrheitderdeutschenBürgerwindparkssind
alsGmbH&Co.KGsorganisiert.ÄhnlichwiebeiGe-
nossenschaften zielt das Geschäftsmodell der ge-
schlossenenFondsdaraufab,Eigenkapitalvoneiner
großenZahlvonInvestorenzubeschaffen.DieGe-
schäftsführungmanagtdieGmbH,währenddieört-
lichenBewohneroderandere individuelleAnleger
alsGesellschafterfinanziellbeteiligtsind.ImGegen-
satz zu Bürgerwind-Genossenschaften sind ge-
schlossene Fondsweniger für Bürgerwindprojekte
geeignet,dieausdrücklichdaraufabzielen,alleAn-
teilseigner gleichermaßen an der unternehmeri-
schenEntscheidungsfindungzubeteiligenundKon-
trolleüberdieGeschäftsführungauszuüben.Ande-
rerseitserlaubengeschlosseneFondsverschiedene
Organisationsformen. Zum Beispiel kann eine
GmbH&Co.KGgroßeWindparksrealisierenundei-
nenTeilihresPortfoliosaufeineBürgerwindgenos-
senschaftübertragen,oderetwaeinzelnenlokalen
Investoren erlauben, sich finanziell durch Fremd-
923
58
132
160
194 183
104
29
0
50
100
150
200
250
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
AnzahlderNeugründungenvonEnergiegenossenschaften inDeutschland
8
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
undMezzaninekapitalzubeteiligen.UmAnlegernfi-
nanzielle Beteiligungen anbieten zu können,müs-
sengeschlosseneFonds inderRegelstrengePros-
pektierungsvorgabenerfüllen.
LeidergibteskeinestatistischenDatenüberdieAn-
zahl und Zusammensetzung der Bürgerwindparks,
diealsGmbH&Co.KGsorganisiertsind.DerDeut-
scheVerbandfürGeschlosseneFonds(VGF)bietet
empirischeStudienzugeschlossenenFonds inner-
halb des Energiesektors im Allgemeinen an. Da
dieseStatistikenaberauchnicht-erneuerbareEner-
gieprojekteenthaltenundnichtzwischenkommer-
ziellenWindparks und Bürgerwind unterscheiden,
sindsienurvonbeschränktemNutzen(Yildiz2014).
1.3.DiekommendenAusschreibungenfürWindenergieanLand
Die Einführung einer garantierten Einspeisevergü-
tungdurchdasErneuerbare-Energien-Gesetz(EEG)
im Jahr 2000war eine entscheidende Rahmenbe-
dingungfürdasAufkommenunddenErfolgderBür-
gerenergie (Toke 2009; Li et al. 2013; Yildiz et al.
2015).SeithersindalleBetreibervonerneuerbarenEnergieanlagendazuberechtigt,technologiespezifi-
scheundschrittweiseverringerteZahlungenfürdie
insStromnetzeingespeisteElektrizitätzuerhalten.
2012 führteeineNovellierungdesEEGdieMarkt-
prämie und die Flexibilitätsprämie für Anlagenbe-
treiberein,dieihrenStromdirektverkaufen5.
Aus der Perspektive des Bürgerwinds hat die kos-
tendeckendeVergütungpro kWhübereinenZeit-
raumvon20JahrenerheblichzurBerechenbarkeit
derRenditebeigetragenundreduziertedasfinanzi-
elleRisiko,dasmiteinerhohenAnfangsinvestition
verbunden ist. Zusätzlichhat dasReferenzertrags-
modellesermöglicht,dassBürgerwindprojektenan
OrtenmitmittleremWindpotenzial realisiertwer-
denkonntenunddamitzufairenWettbewerbsbe-
dingungenfürdenZubauvonWindenergieinganz
Deutschlandbeigetragen.DasdeutscheModellder
garantierten Einspeisevergütung hat sich als Er-
folgsmodell für dieMarkteinführung von Erneuer-
baren Energien erwiesen und ist mittlerweile auf
globaler Ebene 108-mal repliziert worden (REN21
2015).
5FüreinenausführlicherenhistorischenÜberblickzumErneuerbare-Energien-GesetzsieheValentine(2015)
VordemHintergrund steigenderMarktanteileder
Erneuerbaren Energien und damit verbundenen
Fragen zu deren Integration in das Energiesystem
hatdieEuropäischeKommission2014neueRichtli-
nienfürstaatlicheBeihilfenzuEnergieundUmwelt-
schutzerlassen.DieseRichtlinien fordern,dass ab
2017UnterstützungfürErneuerbare-Energien-Pro-
jektegrundsätzlichdurcheineAusschreibungzuer-
folgenhat;obwohleinsolchesVorgehennichtun-
bedingt die Einbindung kleinerer Anbieter in den
Energiemarktfördert.DieHauptmotivationmagda-
rinbestehen, einedirekteMengensteuerungüber
dasAusschreibungsvolumenzuschaffen,kleineIn-
vestorenwieBürgerwindprojektezurückzudrängen
undgünstigeundvor allemplanbareMarktbedin-
gungen für traditionelle Stromversorger zu schaf-
fen,welchederzeitwegenihrespassivenInvestiti-
onsverhaltens gegenüber den Erneuerbaren Ener-
gienwirtschaftlicheProblemehaben(WWEACom-
munity Wind Symposium 2016). Nichtsdestotrotz
hatdiedeutscheRegierungbasierendaufdendrei
folgendenZielenentschieden,daserfolgreicheMo-
dell der garantierten Einspeisevergütung fallen zu
lassenundesdurchAusschreibungenfürWindener-
gieanLandundaufSeeundFreiflächen-Photovol-
taikanlagen(>1MW)zuersetzen:
1. DieAusbaukorridorefürErneuerbareEnergiennachdemEEG2014solleneingehaltenwer-den.DurchdieAusschreibungensollderzu-künftigeAusbaueffektivgesteuertwerden.
2. DieAusschreibungensollendenWettbewerbzwischenAnlagenbetreibernfördern–umaufdieseWeisedieKostendesFördersystemsge-ringzuhalten.DasGrundprinziphierbei:Erneu-erbarerStromsollnurinderHöhevergütetwerden,diefüreinenwirtschaftlichenBetriebderAnlagenerforderlichist.
3. VongroßenFirmenbiszukleinenGenossen-schaften:DieAkteursvielfaltunterdenAnla-genbetreibernsollerhaltenbleiben.Dennge-radekleineundmittlereUnternehmenerwei-sensichhäufigalsbesondersinnovativ(BMWi2015).
9
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
DieStellungnahmenderBürgerwindakteurebezüg-
lich der bevorstehenden Restrukturierung war
überwiegend negativ6, da erwartetwird, dass die
Ausschreibungen einen Wettbewerbsnachteil für
kleineWindentwickler darstellen. Im Vergleich zu
professionellenProjektentwicklern,dievonmehre-
renSkaleneffekten (z.B.niedrigereEinkaufspreise
für Bauteile, höhere Kredit-Ratings) und größeren
Projektportfolios profitieren können, fehlt es klei-
nerenMitbietern am Know-how für strategisches
Bietverhalten,undsiekönntendurchdasRisikoab-
geschrecktwerden,sichvoneinemerfolglosabge-
gebenenAngebotnichterholen zukönnen.Daher
wirddasZiel,denderzeithohenGradanAkteurs-
vielfalt (z. B. kleine und mittlere Unternehmen,
Energiegenossenschaften,lokaleProjektentwickler,
etc.)aufrechtzuerhalten,alsunvereinbarmitAus-
schreibungenerachtet.DasErgebnisderbeideners-
ten Photovoltaikfreiflächen-Ausschreibungen hat
diese negativen Stellungnahmen weiter verstärkt,
dakeineinzigesBürgerenergieprojekteineKonzes-
sionerhaltenkonnte.ErstinderdrittenAusschrei-
bungsrundeerhieltenBürgerenergieprojekteeinen
Zuschlag, wobei die Zahl dieser Projekte mit fünf
voninsgesamt43bezuschlagtenProjektensehrge-
ringist.
EineMöglichkeitdiegroßeAkteursvielfaltaufrecht
zuerhalten,ist,kleineAkteureoderihreProjektein
denAusschreibungengesondertzubehandelnoder
sievondenAusschreibungenauszunehmen.Diese
MöglichkeitistindenRichtlinienderEuropäischen
Kommission vorgesehen,welche es zulassen, klei-
nereAnlagenvonderBeteiligungandenAusschrei-
bungen auszunehmen. Kleine Anlagen werden in
derRichtliniealssolchedefiniert,diewenigerals6
MW an Windkraft (oder 6 Erzeugungseinheiten)
umfassen.ImJanuar2016hatdieEU-Wettbewerbs-
kommissarinaufAnfragedesBundesverbandWind-
EnergiedieseVorgabenspezifiziert: „DieLeitlinien
beziehensichaufeinedurchschnittlichgroßeErzeu-
gungseinheitvon2,5bis3MWKapazität.DieBefrei-
ung vom Erfordernis der wettbewerblichen Aus-
schreibunggilt daher fürWindkraftprojektemitei-
nerHöchstgrenzevoninsgesamt18MW(6x3MW)
aninstallierterLeistung“(Vestager2016).
6FüreineAnalyseundBewertungderAussagenvonBür-gerenergie-/BürgerwindakteurenimoffiziellenBMWiKonsultationsprozesssieheBündnisBürgerenergiee.V.(2015)
Basierendaufdiesersogenanntende-minimisRe-
gelunghabenForschungsinstituteundBürgerwind-
experten Ausnahmekriterien entworfen und diese
in den offiziellen Konsultationsprozess zum kom-
mendenAusschreibungsdesigneingebracht.Bisher
hatdasBundesministeriumfürWirtschaftundEner-
giejedochentschieden,keineAusnahmenfürBür-
gerenergieprojekteindieEckpunkteaufzunehmen:
ZentralfürdasErreichenderAusbauzieleistderEr-haltderAkteursvielfalt:DerbisherigeAusbauderer-neuerbaren Energien basiert maßgeblich auf demEngagementeinerVielzahlverschiedenerPersonen,Unternehmen und Verbände; dies umfasst auchviele Bürgerenergiegenossenschaften. Bei derUm-stellungaufAusschreibungensolldiehoheAkteurs-vielfaltgewahrtbleiben.DiesemZweckdientzumei-nen die Bagatellgrenze von 1 [...]Weitere Ausnah-menzumSchutzderAkteursvielfaltwerdennichtimEEGgeregelt.Sowirdz.B.dieAusnahmefürWind-parksmitbiszusechsAnlagenausdenUmwelt-undEnergiebeihilfeleitliniennichtübernommen,weilsiedenAnlagenmarktsegmentieren,denWettbewerbverringern und zu volkswirtschaftlich ineffizientenLösungenführenwürde.(BMWi2015)
ErstimFebruar2016,nachdemdieBefragungenzur
vorliegendenStudieschonabgeschlossenwar,ver-
öffentlichte das BMWi eine aktualisierte Fassung
derEckpunkte7,welchenunauchvereinfachteTeil-
nahmebedingungen für Bürgerwindprojekte bein-
halten. Einerseitswird beiGebotsabgabe auf eine
BImSchG-Genehmigungverzichtet(soferneinNach-
weis der Flächensicherung und ein zertifiziertes
Windgutachtenvorgelegtwird).Zumanderenmuss
dieHälftederüblichenzuhinterlegendenSicherheit
(bid bond) erst nach der BImSchG-Genehmigung
hinterlegtwerden.DiesevereinfachtenTeilnahme-
bedingungengeltennurfürProjekte,diediefolgen-
denKriterienerfüllen:
• Gesellschaften,dieausmind.zehnPrivatperso-
nenbestehenundbeidenendieMehrheitder
Stimmrechte bei Privatpersonen vor Ort (im
Landkreis)liegt.
• Kein Gesellschafter darf mehr als 10% der
Stimmrechtehaben.�
7EineausführlicheÜbersichtzudenEckpunktenderAus-schreibungenfürWindenergieanLandsowieeineErläu-terungdeseinstufigenReferenzertragsmodellsbefindetsichimAnhangderStudie.
10
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
• Die Gesellschafter dürfen nicht mehr als ein
ProjektproJahrplanen.�
• Max. Projektgröße: 6 Anlagen mit einer Ge-
samtleistungvonmax.18MW.�
DerLEENRWkritisiertdieseRegelungalsungenü-
gend, da sich viele Kosten erst im Laufe des Pla-
nungsprozesses ergeben und somit das zunächst
abgegebeneGebotoftmalsnichthaltbarist.Gene-
rell seien die vorgeschlagenen vereinfachten Teil-
nahmebedingungen nicht ausreichend, das Aus-
schreibungsverfahrenzueinemfairenWettbewerb
zwischenBürgerenergieprojektenundgroßenAkt-
eurenumzugestalten(LEENRW2016).
1.4.EinführungindieFallstudienregionNordrhein-Westfalen NRW ist mit 17,5Millionen Einwohnern Deutsch-
lands bevölkerungsstärkstes Bundesland und, ge-
messenanderFläche,dasviertgrößte(34´083km2).
Der größte Teil des Bundeslandeswird von Land-
wirtschaftsflächen (fast52%)undWald (25%)ein-
genommen.2013hatdieNRW-Landesregierungdas
KlimaschutzgesetzmitdemambitioniertenZieler-
lassen, die gesamten Kohlenstoffemissionen bis
2020um25%undbis2050um80%imVergleichzu
1990zureduzieren(LANUV2015).DerEinsatzvonErneuerbaren Energien und insbesondere der
WindenergiewirdalseinMittelgesehen,diesesZiel
zuerreichen.DasentsprechendeZielfürWindener-
gie ist, den Anteil der von Windkraft erzeugten
Elektrizitätbis 2020vonderzeit 4% (5,9TWh)auf
15%(20,7TWh)zuerhöhen.EineWindpotenzialstu-
die aus dem Jahr 2012 kam zu dem Schluss, dass
NRWbis zu 71 TWh erzeugen kann, fallsweniger
ökologisch-bedeutsame Waldflächen (z.B. Nadel-
holzmonokulturen) für die Erzeugung von Wind-
kraftnutzbargemachtwürden.Diemeistenpoten-
ziellenWindstandorteliegenzwischen60%und90
%desReferenzertrags(LANUV2015).
Mit 3073 Windrädern, die zusammengenommen
aufeineLeistungvon4080MWkommen(StandDe-
zember2015),nimmtNRWbundesweitdenfünften
Platz in SachenWindkraftkapazität ein (LEE NRW
2015).Abbildung5zeigtdieEntwicklungdesWind-
energieausbausinNRW.NacheinerkurzenBoom-
phasevon2000-2002istdieAusbauratestarkein-
gebrochen.DienachfolgendeStagnationkannzum
Teil aufdie schwarz-gelbeKoalitionsregierungvon
2005-2010zurückgeführtwerden,welchesichklar
gegenWindenergieausgesprochenhatte.DieseEin-
stellung wurde exemplarisch durch extrem hohe
AbstandsempfehlungenunddasVerbotvonWind-
kraftanlagen in Wäldern zum Ausdruck gebracht.
DieseEinschränkungenwurdenbzw.werdenvon
Abbildung5:BWE2015
11
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
derderzeitigenrot-grünenKoalitionsregierungwie-
derabgeschafft,welcheseit2010imAmtist.Seit-
her ist eine kontinuierliche Steigerung des Wind-
energieausbaus zu sehen, von der erwartet wird,
dass sie mindestens bis zur Einführung der Aus-
schreibungenAnfang2017andauert.
ZentraleDokumentefürWindenergieentwicklunginNRW
• Erlass für die Planung und Genehmigung von
WindenergieanlagenundHinweisefürdieZiel-
setzungundAnwendung (Windenergie-Erlass)
2015
• Leitfaden Rahmenbedingungen fürWindener-
gieanlagenaufWaldflächeninNRW(2012)
• LeitfadenUmsetzung des Arten- undHabitat-
schutzes bei der Planung und Genehmigung
vonWindenergieanlageninNRW(2013;Evalu-
ationvorgesehen)
• Klimaschutzgesetz NRW (2013) und Klima-
schutzplanNRW(2015)
• Landesentwicklungsplan NRW (Fassung aus
demJahr1995,neuerLEPderzeitimEntwurfs-
stadium)
• Teilweise bereits überarbeitete, bzw. in der
Überarbeitung befindliche Regionalpläne der
sechsRegierungsbezirke
• FlächennutzungsplänederGemeinden
NRWunterteiltsichinsechsVerwaltungsregionen:
Arnsberg,Detmold,Düsseldorf,Köln,Münsterund
den Regionalverband Ruhr (siehe Abbildung 6).
DieseVerwaltungsregionensindverantwortlichfür
die Regionalplanung, welche sich wiederum nach
den übergeordneten Zielen des NRW-Landesent-
wicklungsplans richtet. Der Entwurf des Entwick-
lungsplans,dessenVerabschiedungfür2016erwar-
tetwird,siehtvor,ungefähr1,6%(54.000ha)von
NRWfürdenWindkrafteinsatz zu reservierenund
diese je nach entsprechendem Potenzial (das von
18.000hainArnsbergbiszu1.500haimRegional-
verbandRuhrreicht)überdieVerwaltungsregionen
zuverteilen.MitBezugzurWindkraftplanungwei-
sen die regionalen Entwicklungspläne nur die po-
tenziellenFlächenaus,dienichtinKonfliktmitan-
derenLandnutzungenstehen.Letztendlichsinddie
Kommunen die wichtigsten Behörden für die Pla-
nungvonWindparks,dasiefürdieBewilligungvon
Abbildung6:www.brd.nrw.de
12
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
VorranggebietenfürdieWindenergieentwicklungin
ihren Flächennutzungsplänen verantwortlich sind.
NurinnerhalbdieserGebietekönnenWindprojekte
AntragaufBewilligungunterdemBundes-Immissi-
onsschutzgesetz (BImSchg) stellen. Kommunen
müssendieVorranggebieteausdenjeweiligenRe-
gionalplänenübernehmen,könnendarüberhinaus
aberauchnocheigeneFlächenausweisen.
DerWindenergie-Erlass,derimNovember2015auf
den neuesten Stand gebracht wurde, enthält pla-
nungsrechtlicheEmpfehlungenundgenehmigungs-
rechtlichbindendeVorgabenbezüglichFlächenwid-
mung, Repowering und Höhenbegrenzungen für
Kommunen, Investoren,ProjektplanerundBürger.
Sein wichtigstes Ziel ist es, den Windkrafteinsatz
durch die Festlegung intern verbindlicher Richt-
wertefürnachgeordneteBehördenzuerleichtern.
Bisher ist es das einzige offizielle Dokument des
Bundeslandes NRW, welches das Bürgerwindkon-
zept ("Bürgerwindparks") einführt. Darin werden
BürgerwindparksalsWindparksdargestellt,dieeine
konzeptionelleundfinanzielleBeteiligungvonBür-
gernermöglichen.DerErlassgibtmehrereEmpfeh-
lungen,wie Bürgerwindparks eingerichtetwerden
können,siehtaberdavonab,eineerschöpfendeDe-
finitionoderStandardsvorzuschlagen.ImVerständ-
nisdesPlanungsgesetzesmüssenBürgerwindparks
genauwiejederandererWindparkbehandeltwer-
den(LANUV2015).
DerzeitexistiereninNRWungefähr100Energiege-
nossenschaftenmit insgesamt23’000Mitgliedern.
DiemeistendieserEnergiegenossenschaftenarbei-
tenmitSolarenergie,undnursechsEnergiegenos-
senschaftenkönnendemBürgerwind zugerechnet
werden.DerallgemeineRückgangbeidenNeugrün-
dungen von Energiegenossenschaften lässt sich
auchinNRWbeobachten,dadieZahlsichmehrals
halbierthat:von22in2011zu8in2014.DerKlima-
schutzplan versucht diesenRückgang aufzuhalten,
indem er 100 neu gegründete Energiegenossen-
schaften in den nächsten Jahren zum Ziel erhebt.
WährenddieAnzahl der Energiegenossenschaften
vom Regionalen Genossenschaftsverband (RWGV)
im Auge behalten wird, gibt es keine Statistiken
überdenAnteilvonBürgerwindparks,diealsGmbH
&Co.KGsorganisiertsind.
Die EnergieAgentur.NRW, die im Auftrag der Lan-
desregierung arbeitet, betreibt eine Projektdaten-
bank fürBürgerenergie inNRW.Ende2015zählte
sie39Projekte,diezurWindenergiegehörten,wo-
von22nochandereErneuerbareEnergieninihrem
Portfoliohatten(EnergieAgentur.NRW2015).Zwar
basieren diese Zahlen auf der freiwilligen Eintra-
gungderProjekteundschließenMinderheitsbetei-
ligungenundFremd-undMezzaninekapitalmitein,
siestellenaberbisherdiedetailliertesteBestands-
aufnahmevonBürgerwindprojekteninNRWdar.
In NRW sindmehrere Klimaschutz- oder Erneuer-
bare–Energien-Initiativen von einzelnen Kommu-
neninsLebengerufenworden.Vieledavonbefas-
sensichauchmitBürgerwind.DerLandkreisStein-
furt, der entschieden hat, bis 2050 zum Energie-
selbstversorgerzuwerden,kannalseinBest-Prac-
tice-Beispiel für behördliche Bürgerwindinitiativen
herangezogenwerden.SteinfurthateinWindener-
gie-ServicezentruminderAbteilungfürKlimaschutz
und Nachhaltigkeit geschaffen. Zusätzlich hat der
KreiseineReihevoninformellenBürgerwind-Leitli-
nien entwickelt, und seit ihrer Einführung im Jahr
2011hatsichjederneurealisierteWindparkimZu-
ständigkeitsbereichandiefolgendenStandardsge-
halten:
BürgerwindparkLeitlinienimKreisSteinfurt
1. AlleGruppenimUmfeldwerdenamProjektbeteiligtGrundeigentümer,Anwohner,Landwirte,Bürger,Gemeinden,kommunale�Einrichtungen
2. FaireTeilhabedernichtdirektprofitierendenFlächeneigentümer,AnwohnerundsonstigenBetroffenenEntschädigungnichtmitdemSchwerpunktaufdiedirektenWindenergiestandorte
3. SicherstellungeinerdirektenkonzeptionellenundfinanziellenBürgerbeteiligungMindestanteilvon25%desEigenkapitalsindenHändeneinzelnerBürger�(außerhalbderGruppederFlächeneigentü-merinderWindvorrangzone)
4. VermeidungvonMehrheitsbeteiligungen5. GeringeMindestbeteiligungab1.000€6. Einbeziehungderörtlichen/regionalenStadt-
werkealsVermarktungspartner7. EinbeziehungderregionalenSparkassenund
VolksbankenzurFinanzierungdesFremdkapi-talsbzw.derEinzeleinlagen(KreisSteinfurt2015).
13
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
2.StudiendesignundmethodischesVorge-hen
IndenletztenJahrensindvieleStudienzumThema
Bürgerwinddurchgeführtworden,insbesonderein
Deutschland. Vor dem Hintergrund der bevorste-
henden Ausschreibungen und deren absehbaren
(vorallemnegativen)Effekten fürBürgerwindpro-
jektestanddasThema2014und2015aufderTa-
gesordnung von Verbänden, Forschungsinstituten
und Fachmagazinen. Leider basierten diemeisten
derErgebnissenichtodernurteilweiseaufderPer-
spektive von Bürgerwindexperten mit praktischer
Umsetzungserfahrung.DievorliegendeStudiever-
suchtdieseLückezuschließenunddarausEmpfeh-
lungen für die Politik abzuleiten, die dabei helfen
können,denAnteilvonBürgerwindparksinZukunft
zuerhaltenodersogarzueinerVergrößerungdes-
selbenbeizutragen.DiesspiegeltauchdasZieldes
BMWiwieder,diederzeitigeAkteursvielfalt inden
bevorstehendenAusschreibungenbeizubehalten.
DievorliegendeStudieverfolgteinenexplorativen
Ansatz und versucht dabei, einen erschöpfenden
Überblick auf die derzeitigen Herausforderungen
und Potenziale von Bürgerwindparks in NRW aus
SichtderExpertenzugeben.Expertenwerdendefi-
niert als Bürgerwindakteure, vor allem Geschäfts-
führer (Projektinitiatoren)undBürgerwindvermitt-
lermiteinemMinimumvonfünfJahrenErfahrung
inderProjektentwicklung,demBetriebvonBürger-
windparks oder der Vermittlung des Bürgerwind-
konzeptsdurchindividuelleoderinstitutionelleAk-
tivitäten(z.B.Verbandsarbeit,Verwaltungundöf-
fentlicher Sektor). Zusätzlich wurde auch die Per-
spektivederlokalenGesellschaftermiteinbezogen,
da ein gewisser "Durchsickereffekt" des Experten-
wissenszuerwartenist.DieseGruppederAnteils-
eignerwurdeallerdingsdurchdieOnline-Befragung
abgedeckt.
ZentraleForschungsfragen:
1. WiedefinierenBürgerwindakteuredasKonzeptBürgerwind?
2. Was sind die vorteilhaften Wirkungen desBürgerwinds?
3. WaswarenbisherdieTriebkräfteundHürdenfürBürgerwindinNRW?
4. Wie bewerten Bürgerwindakteure die
bevorstehendenAusschreibungen?
5. Was sind potenziell attraktiveGeschäftsmodellefürBürgerwind?
DieseForschungsfragenhabendieGrundlagefürei-
nenMethodenmixgelegt,dersichausExpertenin-
terviews und einer Online-Befragung zusammen-
setzt.WährenddiequalitativenExperteninterviews
einenleitfadengestützten,offenenDialogzwischen
demForscherunddenExpertenermöglichen,zielen
diegeschlossenenFragenderOnline-Befragungda-
raufab,einefacettenreichere,quantitativeAnalyse
einerbreiterenStichprobezuermöglichen.Alsers-
ter Schritt wurde eine Literaturrecherche zu den
einschlägigenPolitikentwürfenundStudienzuBür-
gerwindinDeutschlandundNRWdurchgeführt.Da-
nachwurdederersteEntwurfdes Interviewleitfa-
densunddesOnlinefragebogensausgearbeitetund
einem Pre-Test durch die Projektpartner WWEA
undLEENRWundeinemExpertenderEnergieAgen-
tur.NRW unterzogen. Insgesamtwurden zwischen
dem26.Oktoberunddem16.November2015zehn
Experteninterviews durchgeführt, von denen acht
in Anwesenheit und zwei telefonisch stattfanden.
AnderOnline-Befragungkonntezwischendem30.
Oktober und dem 30 November 2015 teilgenom-
menwerden.
DieAuswertungderqualitativenInterviewserfolgte
durch eine "Pooling"-Variante der qualitativen In-
haltsanalyse nach Mayring (2002). Basierend auf
den Forschungsfragen wurde nach Transkription
derExperteninterviewseinKodierungskatalogent-
wickelt.NacheinererstenDurchsichtderqualitati-
venDaten,wurdendievomForscherdeduktivher-
geleitetenKodierungendurchKonzepteundKodie-
rungenergänzt,diesichausdenAntwortenderBe-
fragtenabzeichneten.
Abbildung7:Mayring(2002)
14
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
IneinemletztenSchrittwurdederdarausentstan-
deneKodierungskatalogdazubenutzt,dieKomple-
xitätderTranskriptezustrukturierenundzuredu-
zieren, um, wo möglich, einen kontextualisierten
Vergleich und eine Interpretation der Ergebnisse
vor demHintergrund der Online-Befragung zu er-
lauben.DieAuswertungderErgebnissederOnline-
BefragungbasiertaufdeskriptiverStatistik.
3.ErgebnisseundDiskussion
3.1.ZusammensetzungderBefragten
Wiezuvorangedeutet, sindkeinegenauenZahlen
über die Anzahl der Bürgerwindprojekte in NRW
verfügbar.DaherwurdedereinzigerhältlicheRicht-
wertvon39ProjektenalsGrundgesamtheitfestge-
legt.ImLaufdesProjektswurden17Geschäftsfüh-
rer von Bürgerwindparks befragt, sieben davon
durchExperteninterviewsundzehndavondurchdie
Online-Befragung. Nach streng statistischenMaß-
stäbenerlaubtdieStichprobekeineverallgemeiner-
baren Aussagen über die Grundgesamtheit. Die
Stichprobe enthält allerdings auch zwei Bürger-
windvermittler, mehrere Geschäftsführermit grö-
ßeren Portfolios sowie einen Bürgerwind-Projekt-
entwickler,derbiszu80Projekteberät.Bezüglich
der räumlichen Verteilung schließt die Stichprobe
BefragteausallenVerwaltungsregionenmitein.Vor
diesemHintergrundkanndavonausgegangenwer-
den,dassdieStudieeinestarkeempirischeBasishat
unddieErgebnisseeinenvalidenÜberblicküberdie
StandpunktederBürgerwindakteureinNRWgeben.
Zusammensetzung der Stichprobe für die Exper-teninterviews
• 1ExpertefürBürgerenergie-Geschäftsmodelle,derbeiderEnergieAgentur.NRWtätigist
• 1 Experte für Energiegenossenschaften, derbeim RWGV arbeitet (regionalerGenossenschaftsverband)
• 1 Geschäftsführer eines Bürgerwind-Projektentwicklers, der derzeit 80 Projekteberät
• 1 Geschäftsführer eines Bürgerwindprojekts,welches sich seit sechs Jahren in Entwicklungbefindet
• 1 Geschäftsführer einer Bürgerwind-Energiegenossenschaft
• 5 Geschäftsführer von Bürgerwindprojekten,diealsgeschlosseneFondsorganisiertsind
◦ 3davonmitgrößerenPortfolios,dieauchmit Energiegenossenschaftenzusammenarbeiten
Geschäftsführereines
Bürgerwindparks 10Kommanditist/An-legereines
Bürgerwindparks9
sonstigerBürgerwindakteur 3
HintergrundzurPerson
wenigerals5Jahre6
5-9Jahre3
10-15Jahre4
längerals15Jahre9
SeitwannsindSiealsBürgerwindakteuraktiv?
16
3
1
2
GmbH&Co.KG.
KooperationGenossenschaft+GmbH&Co.KG.
Genossenschaft
Andere
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
WelcheGesellschaftsformwurdefürIhrBürgerwindprojektgewählt?
7
4
8
5
3 3
0
5
10
InwelcherPlanungsregionsindSieprimäraktiv?
Abbildung8
ZusammensetzungderStichprobeinderOnline-Befragung
15
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
DieMehrheit der Befragten (Geschäftsführer und
Gesellschafter) kannden geschlossenen Fonds zu-
gerechnetwerden.ZweiunabhängigeBürgerwind-
Genossenschaften haben noch ein Experteninter-
view und einen Online-Fragebogen beigetragen.
SechsGeschäftsführervonProjekteningeschlosse-
nenFondshabendaraufhingewiesen,dasssiemit
einerGenossenschaftbeimBetriebdesWindparks
zusammenarbeiten.
3.2.ÜberlegungenzumBürgerwindkonzept
DerfolgendeTeilabschnittbasiertaufdenErgebnis-
sen der Experteninterviews,welche ermöglichten,
offeneÜberlegungen zumBürgerwindkonzept an-
zustellen. DieMehrheit der Interviewten betonte,
dassBürgerwindalsKonzeptnichtrechtlichfestge-
legtist,wederinDeutschlandnochinNRW.Dieser-
möglichtstattdessen,dasKonzeptsozudefinieren,
wieesdenBelangenundÜberzeugungenderjewei-
ligenBürgerwindakteureentspricht.
In diesem Zusammenhang erwähnten Geschäfts-
führervonBürgerwindparksmitkleinenPortfolios,
dassdasFehleneinergemeinsamenDefinitionund
gemeinsamer Standards von Bürgerwind, rein
"kommerziellen"WindentwicklernSpielraumlässt,
ihreProjektealsBürgerwindauszugeben,ohnesich
an die dahinter stehenden Grundsätze zu halten.
DreiBefragteerwähnten,dassKommunen,diean
derFörderungvonBürgerwindinihremZuständig-
keitsbereich interessiert sind, Schwierigkeiten da-
mithaben,zwischenBürgerwindprojektenundde-
ren Nachahmern zu unterscheiden. Im Gegensatz
dazusorgtensichInterviewtemitgrößerenPortfo-
lioswenigerüberdie schwammigeAuslegungvon
Bürgerwind.
Viele Experten erklärten das Bürgerwindkonzept,
indem sie es von kommerziell betriebenenWind-
parks großer Projektentwickler abgrenzten. Letz-
terewurdenalsProjektedargestellt,dieprimärda-
raufabzielen,großeInvestitionsvolumenfürinstitu-
tionelleAnlegerzuerzeugen,dienichtmitderEin-
satzregion inVerbindungstehen.Zusätzlichwurde
angemerkt, dass die Projektentwicklungskosten
("weicheKosten")kommerziellerWindprojektebe-
deutendhöhersind(inmanchenFällenbiszu25%
AnteilimVergleichzu5-10%beiBürgerwind),weil
größere Projektentwickler daran interessiert sind,
ProfiteeherdurchdenspäterenVerkaufnachFer-
tigstellungderProjektealsdurchdenBetriebder-
selbenzuerzielen.AlsErgebnisdavonwirderwar-
tet,dassdieWertschöpfung,diedurchdasProjekt
geschaffenwird,ausderRegionabfließt.
DiefolgendeListefasstdieimmerwiedererwähn-
ten Eigenschaften zusammen, die Bürgerwindpro-
jekten durch die Interviewten zugeschriebenwur-
den.DieZahlinKlammernbeziehtsichaufdieAn-
zahlderExperten,diedieseEigenschaftenerwähn-
ten.
Ofterwähnt(5-10-mal)
• Durch lokale Bürger entwickelte,motivierteundfinanzierteProjekte(9)
○ Ausnahme 1: Projekte die vor Ortinitiiert, aber durch nicht-regionaleProjektentwickler unter derBedingung realisiert wurden, dassprimärlokaleAnlegereineChanceaufBeteiligunghabensollen(5)
○ Ausnahme 2: Im Falle, dass dasEigenkapital nicht von lokalenAnlegern beschafft werden kann,sollte das Projekt für eine weitereBeteiligung überregionaler, einzelnerAnlegergeöffnetwerden(8)
• Stückelungsstrukturen (Verteilung derAnteilsscheine), die eine breit angelegtefinanzielle Beteiligung lokaler Anlegerermöglichen(9)
• Bedeutender Beitrag zur lokalenWertschöpfung(9)
• BürgerenergieschließtgrößereWindparksnichtaus(8)
• Finanzierung des Fremdkapitals durchlokaleBanken(5)
• Optionale lokale Stiftungen für dieVerteilungvonProjekteinkünften(5)
• Hoher Anteil anehrenamtlichen/freiwilligen Aktivitäten inPlanungundBetriebdesBürgerwinds(5)
16
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Wenigerofterwähnt(2-4-mal)
• WindparksimBesitzeinerkleinenZahlvonlokalenLandwirtenundLandbesitzernsindkeineBürgerwindparks(4)
• Anteilder"weichenKosten"istnichthöherals5%(2)oder10%(1)
• Transparenz aller Aktivitäten,insbesonderederfinanziellenAspekte(3)
• RechtlicherTrägerdesBürgerwindprojektsamgleichenOrtwiedieWindräder(3)
• Projektentwicklung und -betrieb in derHandderselbenPersonengruppe(2)
VonallenerwähntenEigenschaftenstimmtnureine
nicht mit der Bürgerwind-Definition der WWEA
überein.Windparks,dievoneinerkleinenZahlvon
Landwirten und Landbesitzern betrieben werden,
wurdenvonvierExpertenvomBürgerwindkonzept
ausgeschlossen,weildieseProjektedenentstehen-
denNutzenaufwenigelokaleAnlegerverteilt.Eine
strikte Anwendung der WWEA-Standards würde
auch diese spezielle Projektform dem Bürgerwind
zurechnen.
DieBeteiligungderKommunenanBürgerwindpro-
jektenisteineeherumstritteneAngelegenheit.Ei-
nigederInterviewtenschlossendieBeteiligungvon
Kommunen (z. B. Planung und/oder Betrieb, An-
teilseigner) mit in ihre Bürgerwind-Definition mit
derBegründungein,dassGemeindenimAllgemei-
nen einen "bürgerorientierten" Ansatz verfolgten.
AndereschlossenWindprojekte,diesichprimärim
Eigentum und Betrieb von Stadtwerken befinden,
ausdemBürgerwindkonzeptaus,dadiesedemda-
hinterstehenden Prinzip des Bürgers entgegenste-
hen.
EbensowenigÜbereinkunftgabesinderFrage,wie
derentscheidendeBegriff "lokal"operationalisiert
werdensollte.DieMehrheitderExpertenhatdavon
Abstandgenommen,strikteräumlicheGrenzenfür
Bürgerwindprojektefestzulegen,undwiesaufkon-
zeptionelleFlexibilitätfürFällehin,indenenEigen-
kapital nicht auf lokaler Ebene beschafft werden
kann. Der Geschäftsführer eines Bürgerwindparks
hatProjektanteileerst lokalenBewohnernderbe-
herbergenden Kommune angeboten und später
seine Zielgruppe auf Bewohner des beherbergen-
den Landkreises ausgeweitet. Ein anderer Inter-
viewpartner schlug ein Örtlichkeitskriterium vor,
welchesverlangt,dasswenigstens75%derGesell-
schafterausderGegendmitderselbenPostleitzahl
stammensollen,woauchdieWindränderstehen.
DiebeidenBefragtenausdemGenossenschaftsum-
feldwurden zu denAlleinstellungsmerkmalen des
genossenschaftlichenBürgerwindeinsatzesbefragt.
Beide wiesen darauf hin, dass Genossenschaften
nicht nur Anlagevehikel seien, sondern inkludie-
rendeGeschäftsmodelle,welchediekonzeptionelle
BeteiligungallerGenossenschaftsmitgliederermög-
lichten. Außerdem wurden Genossenschaften als
einfache und verständlicheGeschäftsmodelle dar-
gestellt,dieauchLaienerlaubten,zurnachhaltigen
Entwicklungbeizutragen.
3.2.NutzeneffektederBürgerwindkraft
ImJahr2015wurdeeineStudieüberdieNutzenef-
fektederBürgerenergie inDeutschlandveröffent-
licht.DieseStudiekamzudemSchluss,dassBürge-
renergieprojekte zehn positive sozioökonomische
Wirkungenhaben, vondenen fünf als soziale und
6
4
4
3
10
11
11
12
9
6
11
7
6
10
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
IntegrationvonBürgerninnachhaltigeWirtschaftsprozesse
Akzeptanz vonerneuerbarenEnergieerzeugnungsanlagen
ErhöhungdesgesellschatlichenEngagementsimEnergiesektor
MitbestimmungundTransparenz
Identitätsbildung(ProjektundOrt)
WiebewertenSiedenEinfluss,denBürgerwindparksaufdiefolgendengesellschaftlichenNutzeneffektehabenkönnen?
keinEinfluss gemäßigter Einfluss großerEinfluss sehrgroßerEinflussAbbildung9
17
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
fünfalswirtschaftlicheWirkungendargestelltwer-
denkönnen(IZES2015).EineListedieserzehnNut-zeneffektewurdedemOnline-Fragebogenmitdem
Zielbeigefügt,dieWirkungenausderSichtweiseder
Bürgerwindakteure inNRWzumessenund zube-
werten.DieinterviewtenExpertenwurdennichtdi-
rektaufgefordert,dieWirkungenzubewerten,alle
WirkungenwurdenjedochvondenBefragtenselbst
angesprochen, außer dem Nutzeneffekt, welcher
Bürgerwind die Schaffung und den Erhalt von Ar-
beitsplätzenzurechnet.
DieerstenfünfFaktorenwerdenalssozialeWirkun-
gen dargestellt.Wie Abbildung 9 zeigt, wird dem
Bürgerwindmodell ein großer Einfluss auf die In-
tegration von Bürgern in nachhaltigeWirtschafts-
prozesse (73%), Akzeptanz (100%), gesellschaftli-
ches Engagement im Energiesektor (82%), Mitbe-
stimmung und Transparenz (81%) und regionale
Identitätsbildung (86%) zugesprochen. Keine der
dargestelltensozialenWirkungenwurdemitderKa-
tegorie"keinEinfluss"bewertet.
Die gesellschaftlicheAkzeptanzwirkungwurde aus
SichtweisedesBürgerwindsüberallezehnWirkun-
gen hinweg am stärksten eingeschätzt. Dieser
Standpunkt wurde auch von allen Interviewpart-
nern erwähnt. Die positive Wirkung des Bürger-
winds auf lokale Akzeptanzwird auch durch viele
empirischeStudienbelegt.Einedavon,2011durch-
geführt in Südost-Deutschland, hat herausgefun-
den,dass62%derjenigen,dieinderNäheeinesBür-
gerwindparks leben,einepositivebissehrpositive
Meinungundnur1%einenegativeodersehrnega-
tiveMeinunghatten.ImGegensatzdazuhattenPer-
sonen,dieinderNäheeineskommerziellenWind-
parkslebten,eineneutraleMeinung(47%),wohin-
gegen26%positivodersehrpositivund27%negativ
oder sehr negativ eingestellt waren (Musall und
Kuik2011).
NichtsdestotrotzbetonteneinigeInterviewpartner,
dassderEinsatzdesBürgerwindmodellskeinehin-
reichendeBedingungfürdasAusbleibenlokalenWi-
derstandsgegenWindparksist.Gegenbewegungen
wie Bürgerinitiativen formieren sich auch gegen
Bürgerwindprojekte. Die Interviewpartner schätz-
tendieStärkedesWiderstandsgegenBürgerwind-
projektegeringereinalsbeikommerziellenProjek-
ten,dienichtlokaleingebettetsind.
Vonden fünfwirtschaftlichenNutzeneffekten,die
derBürgerenergie zugeschriebenwerden,wurden
nurvieraufeinensignifikantenEinflussdesBürger-
winds zurückgeführt. 86 % der Befragten sagten,
dassBürgerwindeinenstarkenEinflussaufdieRea-
lisierung von Projekten hat, die zuvor gescheitert
sind oder nicht von anderenMarktteilnehmern in
Betracht gezogen werden. Dieses Ergebnis kann
auchdurchdie Erfahrungeines Interviewten illus-
triertwerden,dereinProjektdurchgeführthat,wel-
ches zuerst in der Hand eines großen Projektent-
wicklerswar, aberdannamFehlen lokalerAkzep-
tanz scheiterte. Außerdem wurde erwähnt, dass
ProjektemitgeringerRenditeerwartung,z.B.3-4%,
einegeringereRealisierungschancedurch instituti-
onelleAkteurehaben,aberfürBürgerwindakteure
immernocheineattraktiveOptiondarstellen.
DieamzweithöchstenvonalleneingeschätzteWir-
kungwurdederRolledesBürgerwinds fürdieAk-
teursvielfalt zugeschrieben (95%). Im Gegensatz
dazuerhieltenAufbauundProfessionalisierungei-
nesneuenWirtschaftszweigsdaszweitschwächste
1
1
3
1
9
2
12
11
12
6
7
5
8
9
5
13
4
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
RealisierungbestimmterAnlagennurdurchBürgerenergie
ErhöhungderAkteursvielfalt
AufbauundProfessionalisierungeinesneuen"Wirtschaftszweigs"
RegionaleWertschöpfung
SchaffungundErhaltvonArbeitsplätzen
WiebewertenSiedenEinfluss,denBürgerwindparksaufdiefolgendenökonomischenNutzeneffektehabenkönnen?
keinEinfluss gemäßigterEinfluss großerEinfluss sehrgroßerEinflussAbbildung10
18
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Rating; nur 52% der Befragten schrieben Bürger-
windeinengroßenEinflussaufdieseKategoriezu.
DieskanndurchdengegenwärtighohenProfessio-
nalisierungsgrad und den hohen Anteil desWind-
energieeinsatzes im Allgemeinen erklärt werden.
Viele Experten wiesen auf die Tatsache hin, dass
BürgerwindeinstmalsderGeburtshelferdesWind-
krafteinsatzes war und die Technologie auf den
Markt gebracht hat. In dieser Hinsichtmögen die
positivenWirkungen über die Zeit hinweg schwä-
chergewordensein.
Mit93%wurdedieWirkungaufdieGenerierunglo-
kalerWertschöpfungalsdrittstärksteEinflussgröße
des Bürgerwinds eingeschätzt. Diese Momentauf-
nahmewurdeauchvon9der10Expertengeteilt.
EinerderExpertenzitierteeineStudie,diebesagte,
dassein2MW-WindradübereinenZeitraumvon20
JahreneineWertschöpfungvon2,8Millionengene-
rierenkannunddass,wenndasBürgerwindmodell
angewendet würde, diemeisteWertschöpfung in
derRegionverbleibt(Mühlenhoff2010).Einande-
rer Experte sagte, dass Bürgerwind als ein Mittel
undWertschöpfungalseinZweckgesehenwerden
können.
Im Gegensatz dazu wird Bürgerwind nicht als ein
großerEinflussfaktorfürdieSchaffungunddenEr-
haltvonArbeitsplätzengesehen.60%derBefragten
schriebenBürgerwindnureinenmittlerenEinfluss
aufdieseWirkungzu.
3.3. Hürden und Triebkräfte des Bürger-windsinNRW
IndiesemUnterkapitelliegtderFokusaufdenHür-
den und Triebkräften des Bürgerwinds. Abbildung
11gibteinenÜberblickaufdieErgebnissederOn-
linebefragung bezüglich der übergeordneten Rah-
menbedingungen für den Windenergieeinsatz in
Deutschland.DieErgebnissezeigen,dassdiegaran-
tierte Einspeisevergütung als die allerwichtigste
RahmenbedingungfürdieEntwicklungdesBürger-
windsgesehenwird.DieGesamtstichprobederStu-
die(22Online-Befragungenund10Experten)waren
sichüberderenpositivenEffektfürBürgerwindpro-
jekteeinig.
NachMeinungderExperten,hatdieEinspeisever-
gütungInvestitionssicherheitüberdiegesamtePro-
jektdauer von 20 Jahren hinweg hergestellt. Aus
dem Blickwinkel der Bürgerwind-Geschäftsführer
betrachtetemanProjektealsintrockenenTüchern,
sobaldsieordentlichgeplantundallenotwendigen
Genehmigungenerhaltenhatten.Zudemwurdege-
sagt, dass die garantierte Einspeisevergütung ein
starkesSignalanBankenausgesendethat,diesich
bereiterklärten,dasFremdkapitalvonBürgerwind-
projektenzufinanzieren.ZusammenmitdemRefe-
renzertragsmodell,welchesnurvon40%derFrage-
bogenteilnehmeralspositiveingeschätztwird,war
dasBürgerwindkonzeptinderLage,voneinerklei-
nenZahlvisionärerProjekteinGegendenmitsehr
1
1
2
9
12
16
16
12
22
9
5
4
1
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
GarantierteEinspeisevergütung
Referenzertragsmodell
FallendeKostenWindtechnologie
EinführungDirektvermarktung
Prospektpflicht
WelchederfolgendenRahmenbedingungenwarenfürdieRealisierungIhresBürgerwindprojektesentscheidend?
negativ neutral positivAbbildung11
19
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
hoherWindgeschwindigkeit zueinemweitverbrei-
tetenModellmit dezentralisierter, lokaler Träger-
schaftzuexpandieren.
DerübergeordneteRahmendesErneuerbare-Ener-
gien-Gesetzes,welchesdiebeidenobenerwähnten
Regelungen enthält, hat allerdings seit seinemEr-
lassimJahr2000häufigeNovellierungenerfahren.
In den Experteninterviews erwähnten Projektent-
wickler,dasssieimmeraufrechtlicheÄnderungen
während der Durchführung der Projekte gefasst
seinmussten.DienegativenKommentareüberdas
ReferenzertragsmodellbezogensichaufdieTatsa-
che,dassdiederzeitigeVersiondesEEG70%-oder
60%-Standorte, die in ganz NRW ziemlich häufig
sind,nichtmiteinschließt.DenfallendenKostenfür
WindtechnologieundderrechtlichenVerpflichtung
aufDirektvermarktungwurdenwederinderOnline-
StichprobenochvondenExperten signifikanteEf-
fektezugeschrieben.
EineHürdefürBürgerwind,zumindestausSichtder
Bürgerwindakteure, die mit geschlossenen Fonds
arbeiten,warendie2009eingeführtenProspektie-
rungsvorgaben. 40% der Online-Befragten schätz-
tendieProspektierungsvorgabenalseinenhinderli-
chenundkostentreibendenFaktor fürBürgerwind
ein.DreiExpertenundProjektleiterstelltendenge-
nerellenNutzenvonProspekteninFrage,dadiese
nur an der Einhaltung formaler Regeln und eher
nicht nach ihrem Inhalt bewertetwürden. Außer-
demwidersprechendieAusnahmevonProspektie-
rungsvorgabenfürWindparks,diealsgeschlossene
Fondsorganisiertsindundvonwenigerals20An-
teilseignerngehaltenwerden,demBürgerwindmo-
dell.
AusbauzielefürErneuerbarenEnergienaufBundes-
und Landesebenewerdennichtalsentscheidende
FaktorenfürBürgerwindparksangesehen.Mit41%
waren die Bewertungen der Ausbauziele NRWs
leichthöheralsdiejenigenfürdieAusbauzieledes
1
1
4
9
15
18
15
12
7
3
3
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
NRWWindenergieerlass2011
KommunaleKlimaschutz- oderErneuerbareInitiativen
NRWLeitfadenWald
NRWLeitfadenArten-undHabitatschutz
WelchederfolgendenRahmenbedingungenaufNRW-LandesebenewarenfürdieRealisierungIhresBürgerwindprojektesentscheidend?
negativ neutral positiv
1
13
13
9
8
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
AusbauzieleErneuerbareEnergienNRW
AusbauzieleErneuerbareEnergienBund
WiebewertenSiedenEinflussderAusbauzielefürErneuerbareEnergieninNRWundaufBundesebene aufIhreAktivitätenimBereichdesBürgerwinds?
negativ neutral positiv
Abbildung12
Abbildung13
20
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Bundes. Nach Meinung der Experten ist das Ziel
NRWs,dassWindenergie15%desEnergiemixes in
2020ausmachensoll,einwichtigespolitischesSig-
nal,nichtmehrundnichtweniger.DieAusbauziele
würdenalsnützlichererachtet,wennsieinnerhalb
deszuverabschiedendenLandesentwicklungsplans
formalisiertwürden.VordemHintergrunddesder-
zeitigenAusbautempos derWindenergiewird das
ErreichendesAusbauzielsvon15%bis2020alseher
unrealistischbetrachtet.
SiehtmansichdieBewertungdernormativenund
planungsbezogenenRahmenbedingungfürBürger-
windinNRWan(Abbildung13),sokannmansehen,
dass diemeisten Items neutral bewertet werden.
NurderNRW-Windenergieerlass in seinerVersionausdemJahr2011
8wurdeklaralseinepositiveRah-
menbedingungangesehen (57%).DieExpertener-
klärten den Windenergieerlass als eine Richtlinie,
die nachgeordneten Behörden dabei hilft, zu Ent-
scheidungen für oder gegen denWindenergieein-
satz zu kommen. Die "mündliche Verpflichtung"
zumBürgerenergiekonzeptisteinerdererstenPa-
ragraphendes Erlasses undwirdwohlwollendbe-
trachtet,abereswirdnichtgesagt,dasserirgendei-
nenEinflussaufdieBasisarbeitvonProjektinitiato-
rengehabthat.KeinebesonderenUnterstützungs-
programmewurdeneingesetzt,sodasssichProjek-
tinitiatoren allein gelassen und nur dann wertge-
schätztfühlten,wennsieesschaffeneinProjektzu
realisieren.AuchvonderbevorstehendenNovellie-
rungdesErlasseswurdenichterwartet,dasssieum-
wälzendeVeränderungenmitsichbringen,sondern
eher,dasssieeinigeDetailsundGerichtsentscheide
hinzufügenwürde.
NebendemWindenergieerlassexistiereneinNRW-
LeitfadenWaldundeinNRW-LeitfadenArten-und
Habitatschutz. Ähnlich wie der Windenergieerlass
dienen diese Richtlinien Kommunen, Projektent-
wicklern und Genehmigungsbehörden als Bezugs-
punkt,diesichmitdemWindenergieeinsatzimAll-
gemeinenbefassen.WährendsichdiebeidenRicht-
linienamEndederRanglistebefinden,danur13%
sie als positiv fürBürgerwindeinschätzen,und im
FalldesLeitfadensArtenundHabitatschutzdiene-
gative Einschätzung mit 17% sogar noch stärker
8TheWindEnergyDecreeinits2015versionwasnotyetenacted/publishedbythetimeofthesurvey/inter-views.
war,weichtdieMeinungderinterviewtenExperten
vondiesenErgebnissenab.
Einige Experten betonten, dass die Auswirkungen
dieserbeidenPapieresowiederWindenergieerlass
nur im Verhältnis zur gesamten Windenergieent-
wicklung gemessen werden können. Denn keines
dieser Dokumente bietet spezifische Anreize für
Bürgerwindprojekte.AusSichtderEntwickleristder
LeitfadenWaldimGrundenützlich,abervieleKom-
munenbehandelnWälderimmernochalsTabu-Zo-
nenfürdenWindenergieeinsatz.MitBlickaufden
SchutzvonArtenundLebensräumenerwähntendie
Experten,dassdieAuflagenunddiedarausabgelei-
tetenUntersuchungenundBewilligungenmitsehr
hohenKostenverbundenensindunddeshalbdiefi-
nanzielle Belastung der Bürgerwindprojekte erhö-
hen. Deshalb halten viele Experten eine Vereinfa-
chungvonGenehmigungsverfahrenfürwichtig.
Klimaschutz- oder Erneuerbare–Energien-Initiati-
venvoneinzelnenKommunenwurdenvon35%der
Stichprobe als günstige Rahmenbedingungen be-
wertet. Experten gaben an, dass windenergie-
freundliche Gemeinderäte und Bürgermeister zu-
nehmendanderlokalenAkzeptanzderWindener-
gieinteressiertsind,wasBürgerwindaufihreTages-
ordnung setzt. Dabei muss man berücksichtigen,
dasssienichtdazubefugtsind,Bürgerwindrecht-
lich zu erzwingen. Nichtsdestotrotz kann ihre Ein-
stellungeinentscheidenderFaktorzuGunstendes
Bürgerwindssein(sieheauchdasBeispieldesLand-
kreisesSteinfurtinKapitel1.4.).IneinemFallwurde
eine kommunale Klimaschutz-Initiative als Haupt-
triebkraft hinter dem Erfolg eines Bürgerwindpro-
jekts gesehen,welches zuvor gescheitertwar.Die
BeteiligungvonLokalpolitikernundKommunenan
BürgerwindprojektenwurdeauchalswichtigerFak-
torfürdieVerbesserunglokalerAkzeptanzerachtet.
ZusätzlichglaubenExperten,dassZielezuErneuer-
barenEnergienaufkommunalerEbenedenSinnfür
dieDringlichkeitdesZubausErneuerbarerEnergien
verstärken und als Triebkraft für Bürgerwind die-
nen.
21
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Abbildung14
Abbildung14zeigt,wiedieTeilnehmerderOnline-
BefragungdieNetzwerkstrukturenfürBürgerwind-
akteure in NRW einschätzen. DieMehrheit (45%)
bewertet die Netzwerkstrukturen als neutral, ge-
folgtvon40%derBefragten,welchedieexistieren-
denStrukturen„gut“bewertet.DreiBefragtewaren
mitdenexistierendenGelegenheitenzumNetzwer-
ken unzufrieden und die Antwortkategorie "sehr
gut"wurdeüberhauptnichtgewählt.AlsdieExper-
ten zu den existierenden Netzwerkstrukturen be-
fragtwurden,antwortetensiemitVerweisauf re-
gelmäßige Zusammenkünfte und internetbasierte
InformationsplattformenderEnergieagenturNRW.
Zusätzlich wurde auch der Regionalverband des
DeutschenWindenergieverbandes (BWENRW)er-
wähnt. Bisher ist keine der existierenden Netz-
werkstrukturenspeziellaufBürgerwindakteureaus-
gerichtet. Der befragte Experte der Energieagen-
tur.NRW,welcheraucheinekostenloseEinstiegsbe-
ratungfürBürgerwindakteureanbietet,sagte,dass
einBürgerenergie-NetzwerkAnfang2016gestartet
werdensoll.DieAuftaktveranstaltungfandEndeJa-
nuar2016inWittenstatt.Außerdembietetderre-
gionaleGenossenschaftsverband(RWGV)regelmä-
ßigeWeiterbildungssitzungenundTreffenfürseine
Mitgliederan.
DieübrigenErgebnissediesesUnterkapitelszuden
TriebkräftenundHürdenfürBürgerwindinNRWba-
sieren allein auf den Antworten der interviewten
Experten.WährenddieRückendeckungderLandes-
regierung (zumindest für den Windenergieeinsatz
imAllgemeinen)alseineTriebkrafthervorgehoben
werdenkann,könnenalleanderenerwähntenRah-
menbedingungen als Hindernisse für Bürgerwind
kategorisiertwerden.
PolitischeVerpflichtungderLandesregierung
Diewindenergie-freundlicheLandesregierungwird
als wichtige Triebkraft für den Ausbau derWind-
energie gesehen. Einige Geschäftsführer von Bür-
gerwindparks merkten jedoch an, dass politische
EntscheidungsfindungzuGunstenderWindenergie
nicht schnell genug verläuft. Insbesondere der
"Durchsickereffekt"vonLandesvorschriftenbishin-
unter zur kommunalen Verwaltung wird als sehr
langsamwahrgenommen.DasZielderLandesregie-
rung die Neugründung von 100 Energiegenossen-
schaftenzufördern,wurdevondenbeidenExper-
tenausdemUmfeldderEnergie-Genossenschaften
positivbewertet.Siezweifeltenjedochdaran,dass
dieses Ziel in naher Zukunft erreichtwird und sie
hattenbishernichtsvonderEinrichtungvonFörder-
programmen für Energiegenossenschaften be-
merkt.
Wettbewerb mit kommerziellen Projektentwick-lern
DieMehrheitderExpertenhaben ihreSorgeüber
die hohenPachtniveaus (bis zu 12%des Jahreser-
trags) zumAusdruck gebracht, die den Landbesit-
zern von kommerziellen Windprojektentwicklern
versprochen werden. Bürgerwindprojekte bieten
normalerweise niedrigere Pachtniveaus in Höhe
von5%anundkönnendahernichtmitdengröße-
renMarktteilnehmernmithalten,sofernLandbesit-
zernurdurchhöherenProfitmotiviertsind.
MitBlickaufdieGesamtkostenvonBürgerwindpro-
jekten,haltenGeschäftsführervonkleinenBürger-
windprojekten diesemit Bezug auf die Kosten als
schlankerinderEntwicklungsphase,daeinigeihrer
AktivitätenauffreiwilligerBasisdurchgeführtwer-
denunddieProjektesogestaltetsind,einenProfit
inderBetriebsphaseabzuwerfen.Zusätzlicherwar-
tet man von Bürgerwind Kostensenkungen durch
TransparenzundMitbestimmung,dadiesedenlo-
kalen Widerstand gegen das Projekt vermindern.
Nichtsdestotrotznimmtmanan,dassdieAktivitä-
tenvonBürgerwindakteurenhöhereTransaktions-
kostenhaben,wennesdarumgeht,potenzielleAn-
legerzugewinnen,Fremdkapitalzubeschaffenoder
PreisevonBauteilenauszuhandeln.
21
109
00
2
4
6
8
10
12
sehrschlecht schlecht neutral gut sehrgut
WiebewertenSiedieNetzwerkstrukturenfürBürgerwindakteureinNRW?
22
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
KomplexitätvonPlanungundProfessionalisierung
EinedergrößtenHürdenfürdenBürgerwindeinsatz
wird der steigenden Komplexität der Planungsab-
läufezugeschrieben,dievondenBürgerwindakteu-
renverlangt,ihreUnternehmungenzuprofessiona-
lisieren. Diesbezüglich betonten Projektentwickler
mitkleinerenPortfolios,dasssiestarkvonWissen
und Fachkenntnissen abhängen, was dazu führt,
dassdieunabhängigeProjektentwicklungeinenho-
henRessourcenaufwandbetreibenmuss.EineMög-
lichkeit,umanWissenzukommen,wurdeinguten
Netzwerkstrukturen und den persönlichen Bezie-
hungen zwischen Geschäftsführern von Bürger-
windprojektenundBürgerwindvermittlernund-ex-
pertengesehen,diebereitserfolgreichwaren.Ob-
wohldieunabhängigeEntwicklungvonBürgerwind-
projekten von der Basis aus in der Vergangenheit
möglichwar,denkenvieleExpertennun,dassohne
professionelleHilfeundAufsichtsowieverlässlicher
undausdauernderPersönlichkeiten,diedasProjekt
durch die Entwicklungsphase bringen, Bürgerwind
in seiner klassischen Form in Zukunft nicht mehr
möglichseinwird.
Ein anderer mit der Professionalisierung zusam-
menhängender Aspekt ist die geringe politische
Vertretung und Einflussnahme von Bürgerwindak-
teuren. Nach Ansicht eines Experten sind der
schwerdefinierbareCharakterdesBürgerwindsund
das Fehlen finanziellerRessourcen sowieder Zeit-
mangelfürzusätzlichefreiwilligeAktivitätenfürdie-
sesProblemverantwortlich.InsbesondereaufBun-
desebene wird die fehlende Fürsprache als ein
Problembetrachtet,daBürgerwindakteureerwar-
tungsgemäß gegen größere,mitmehrRessourcen
ausgestattet Windmarktteilnehmer im Nachteil
sind.
KonfliktemitWindenergiegegnernundArten-undNaturschutzverbänden
ImAllgemeinengehtmandavonaus,dassBürger-
windprojekte erheblich zur lokalenAkzeptanz von
WindrädernbeitragenundgeringerenWiderstand
durch Bürgerinitiativen hervorrufen. Aber Bürger-
windistkeinPatentrezeptgegenjeglicheFormvon
Konflikt.Wenn jedocheinKonflikt inderEntwick-
lungsphaseentsteht,haltenExpertenBürgerwind-
projekte für vorteilhafter als Projekte auswärtiger
Entwickler, da Geschäftsführer von Bürgerwind-
parksoderProjektinitiatoreninderRegelgutauflo-
kalerEbenevernetztundansprechbarsind.Außer-
dem erwähnten Geschäftsführer von Bürgerwind-
parks,dasssiediefolgendenStrategieneinsetzten,
umKonflikteschonimVorfeldzuvermeiden:Trans-
parenzdurchInformationundKonsultation,direkte
finanzielleBeiträgedurchBeteiligungundFlächen-
pachtmodelle, die benachbarte Grundstücke mit
einbinden,undindirektefinanzielleBeiträgedurch
lokale Stiftungen zum Erhalt ländlicher Infrastruk-
tur.AuchbetrachtetmandieMedienalswichtigen
Akteur,wennesumdieMinderunglokalerKonflikte
durch ausgewogene und sachgerechte Berichter-
stattunggeht.
AlsbesonderskonfliktträchtigwerdendieAktivitä-
teneinigerNaturschutzverbändegesehen.VieleEx-
pertenwiesenaufdengrundsätzlichenWiderstand
vonTeilendieserInteressengruppehin,wennesum
Windprojektentwicklunggeht,egal,obdieProjekte
alsBürgerwindoderkommerzielleWindparksreali-
siert werden. Das Beispiel des Windparks in der
Kommune Hilbeck wurde von allen Experten er-
wähnt. IndiesemFallwurdeeinbereits inAuftrag
gegebenes Windprojekt vor Gericht verklagt und
musstedenBetriebeinstellen,weil einebedrohte
TierartinseinerNäheausgemachtwordenwarund
obwohldieProjektentwickler sichandieAuflagen
der Kommune gehalten hatten. Man geht davon
aus,dassdieserspezielleFalleinestarkeSignalwir-
kung für Bürgerwindakteure hat, die sich von der
Gerichtsentscheidungmöglicherweiseabschrecken
lassen,da siebefürchten, etwasÄhnliches könnte
auchihremProjektpassieren.
GesellschaftlicherRückhaltderEnergiewende
EinandererofterwähnterFaktor,demeinehinder-
licheWirkungaufdenEinsatzvonBürgerwindzuge-
schriebenwird, istdiegenerelleAbnahmedesge-
sellschaftlichenRückhaltsfürBürgerwind,Erneuer-
bareEnergienunddieEnergiewende imAllgemei-
nen.WährenddiepolitischeUnterstützungundder
gesellschaftlicheRückhaltfürBürgerwindnachdem
UnfallinFukushimaimJahr2011sehrgroßwaren,
geht derzeit das öffentliche Interesse wieder zu-
rück. "Jeweiter Fukushima zurückliegt, umso grö-
ßerwirddie Kritik anWindenergie", sagte ein Ex-
perte.EinandererExpertemerktean,dassdieAk-
zeptanz zurückgeht und "Nicht-hier-bei-mir"-Ein-
23
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
stellungen zunehmen; unterstützt vonMedienbe-
richtenübererneuerbareEnergien,diesichnurauf
diesteigendenStrompreisekonzentrieren.Dreider
interviewtenFachleuteäußertenhingegendieVer-
mutung, dass die Vertragsstaatenkonferenz (COP
21) des Rahmenabkommens der Vereinten Natio-
nenüberKlimaänderungeninParis(diedamalsim-
mernochbevorstand)dasPotenzialhat,dieerneu-
erbarenEnergienundBürgerwindzurückaufdieTa-
gesordnung zu setzen. Ein Experte war der Mei-
nung,dassinternationaleVerpflichtungenzurege-
nerativenEnergieneinenstarkenEinflussaufloka-
lesVerhaltenausübenkönnen,weildieLeutesich
darüberinformieren,wasinanderenLändernpas-
siert und nur widerwillig ihre Einstellung ändern,
wennessonstauchniemandtut.
3.4. Bürgerwind im Ausschreibungssystem–MeinungenundErwartungen
Das folgende Unterkapitel behandelt dieMeinun-
genund Erwartungen vonBürgerwindakteuren zu
dengeplantenAusschreibungsmodellen.VorderIn-
terviewphaseundderOnline-Befragunghatte das
BMWinureineersteVersiondesEckpunktepapiers
überAusschreibungenfürWindenergieanLandver-
öffentlicht.DieseersteVersiondesPapiersbeinhal-
tetenochnichtdenAusschlusseinerde-minimisRe-
gelung, das einstufige Referenzertragsmodell
(beideDezember2016)oderdievereinfachtenTeil-
nahmebedingungen für Bürgerwindprojekte (Feb-
ruar2016),eswurdenlediglichBeratungs-undIn-
formationsleistungen für Bürgerenergieprojekte
angekündigt.
Abbildung15
Die Ergebnisse derOnline-Befragung zeichnen ein
klaresBild(sieheAbbildung15).AlleBefragtenbe-
wertetendiebevorstehendenAusschreibungenals
negativ. 68% der Befragten erwarten sogar "sehr
negative" Auswirkungen auf die Aktivitäten von
Bürgerwindakteuren. Dieser düstere Ausblick
wurdeauchvondenmeistenderbefragtenExper-
ten geteilt. Insbesondere erwartet man einen er-
heblichenRückgangdesAnteilsunabhängigerBür-
gerwindprojekteanderBasisundExpertenbezeug-
ten, dass kleinere Marktteilnehmer sich bereits
schon aus der Projektentwicklung zurückziehen.
15
7
0 0 00
2
4
6
8
10
12
14
16
sehrnegativ negativ keinEinfluss positiv sehrpositiv
WiewirdsichdasgeplanteAusschreibungsmodellIhrerMeinungnachaufdieAktivitätenvon
Bürgerwindakteurenauswirken?
7
7
6
12
11
3
9
12
5
9
9
6
4
5
2
3
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
SteuerungderAusbaumenge
StärkungdesInnovationswettbewerbs
SenkungderGestehungskosten
SteuerungderAusbaustandorte
FairePreisfindungdurchdenMarkt
FürwiewahrscheinlichhaltenSiedieErfüllungderfolgendenZieledurcheineEinführungeinesAusschreibungssystemsfürWindenergie
anLand?
wirdnichterreicht unwahrscheinlich wahrscheinlich sehrwahrscheinlichAbbildung16
24
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Der bei der Energieagentur.NRW arbeitende Ex-
pertewiesdaraufhin,dassvieleBürgerwindakteure
zögern,neueProjekteinAngriffzunehmen.
AlleExperten,dieanderProjektentwicklungarbei-
teten,sprachenmitBezugaufBürgerwindprojekte
voneinem"Endspurt".DiemeistenProjektinitiato-
renzielendaraufab,nochvorEnde2016eineBe-
willigungzubekommenundsichsodiegarantierte
Einspeisevergütungzusichernundnichtindenbe-
vorstehenden Ausschreibungen teilzunehmen. Zu
derZeitExperteninterviewsbestandallerdingsnoch
immer Hoffnung auf eine angemessen gestaltete
EndversiondesAusschreibungsmodells,diesichmit
denBelangenderBürgerwindakteureauseinander-
setzt; gerade auch weil das BMWi verlauten ließ,
denErhaltderderzeithohenAkteursvielfaltalsein
Hauptzielzuverfolgen.
Abbildung16zeigtdieErgebnissederOnline-Befra-
gung für die Frage inwieweit erwartet wird, dass
sichdievorgestelltenpositivenErgebnissederAus-
schreibungen einstellen,welche oft von Ihren Be-
fürworternangeführtwerden.DasBild istausder
SichtderBürgerwindakteureabermalsziemlichdüs-
ter.DaseinzigwahrscheinlicheErgebnisistdieSteu-
erungderAusbaumengemit einer leichtenMehr-
heitvon53%,dieauchdreibefragteExpertenein-
schließt,diedenken,dassdiesesErgebniserreicht
wird. NachMeinung der Experten war die Steue-
rungvonAusbauzielenbereitsmitdemEinspeise-
mechanismus möglich, da mit der Steuerung der
Vergütungssätze indirekt auch die Ausbaumenge
gesteuertwerdenkann.
ImGegensatzzurSteuerungderAusbaumengehal-
ten es nur 22% der Befragten für wahrscheinlich,
dassdieAusschreibungenfüreinenregionalausge-
glichenenAusbauderWindenergiesorgenkönnen.
Einige Experten stellten den regional ausgegliche-
nen Ausbau der Windenergie allerdings als sehr
dringendesProblemdar,daWindstromerzeugerin
einigenwindreichenRegionen inNorddeutschland
teilweiseabgeregeltwerdenmüssen,währendVer-
gütungssätze für mittelstarke Windregionen mit
stabilen Verteilernetzen (wie inNRW) keine reali-
sierbarenProjekteermöglichen.VordiesemHinter-
grundwieseneinigeExpertenaufdieVorteiledes
einstufigen Referenzertragsmodells hin, welches
auch60%Standorteeinschließtsolle.
73%gehendavonaus,dassAusschreibungenkeine
günstigen Rahmenbedingungen für Innovationen
schaffenwerden.Dierestlichen27%haltenInnova-
tiondurchWettbewerbfürwahrscheinlich.EinEx-
pertebetonte,dassdieanstehendenAusschreibun-
genenormenZeitdruckaufWindprojektentwickler
ausübenwerden,dasiemitStrafenrechnenmüs-
sen,wenndasProjektnichtrechtzeitigfertiggestellt
wird. Der bereits bestehende Kostendruck bezüg-
lichdesProjektdesignswirddadurchweitererhöht.
Diese beiden Faktoren wurden von Geschäftsfüh-
rern von Bürgerwindparks oder Projektinitiatoren
als größte Hürden bei der Arbeit mit innovativen
Technologien betrachtet, die noch nicht im Ge-
schäftsalltagetabliertsind,undumProzessinnova-
tionenwiezumBeispielintegrativePlanungauszu-
probieren.DieswirdalsgroßerRückschrittgewer-
tet, da Experten der Ansicht waren, dass Bürger-
windinderVergangenheitdazuinderLagewar,In-
novationenmarktfähigzumachen.
DassAusschreibungenzueinerKostensenkungbei
derStromerzeugungführen,wurdevon82%derBe-
fragtenalsunwahrscheinlicheingestuft,wovonwie-
derum27%denken,dassüberhauptkeineKosten-
senkungerreichtwerdenwird.Gutdazupasst,dass
dieBefragtenderBehauptung,dassAusschreibun-
genzu"fairerPreisfindung"führen,sehrskeptisch
gegenüberstehen.50%derBefragtendenkennicht,
dassAusschreibungen"faire"PreisefürWindkraft-
projekteherbeiführenwerden.40%bewertendie-
sespotenzielleErgebnisalsunwahrscheinlich.Auch
ausSichtderExpertensindPreissenkungenlangfris-
tignichtzuerwarten.EinerderBefragtensagteeine
PreissenkungfürdieersteAusschreibungsrundevo-
raus,abereinendarauffolgendenPreisanstieg, so-
baldstrategischesBietverhaltenpraktiziertundRi-
sikoüberschüsse zu den Angeboten hinzuaddiert
werden;wobeierauchaufinternationaleErfahrun-
genwiez.B.inGroßbritannienhinwies.Einanderer
Experteerwähnte,dasservomGesetzgeberdieEin-
führung eines Höchstpreises erwartete, der nur
Preissenkungen aber keine Preissteigerungen zu-
ließe,wasnachAuffassungdes Expertennicht als
fairePreisfindungdurchdenMarktverkauftwerden
könne.
25
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Abbildung17fasstdienegativenBewertungderbe-
vorstehenden Ausschreibungen aus der Bürger-
windperspektive zusammen. Im Allgemeinenwer-
denalleerwartetenAuswirkungen,dieimFragebo-
genvorkommen,alsnegativbewertet.NureinBe-
fragterbewerteteStrafrisikenalsneutralfürdieAk-
tivitätenvonBürgerwindakteuren.
Die (bürokratische)Komplexitätssteigerung fürdie
Projektentwicklung,diedasAusschreibungsmodell
mit sich bringt, wird als große Hürde für Bürger-
windprojektebetrachtet.52%derBefragtenerwar-
ten sehr negative Wirkungen dieser Komplexität,
undderResterwartetnegativeoderleichtnegative
Effekte.Alle interviewtenExpertenerwarten,dass
GeschäftsführervonBürgerwindparksoderProjek-
tinitiatoren, die zum ersten Mal als unabhängige
Projektentwicklerdabeisind,sehrgroßeSchwierig-
keiten habenwerden, anAusschreibungen erfolg-
reichteilzunehmen.NurBürgerwindprojekteerfah-
renerInitiatorenhabenerwartungsgemäßdieRes-
sourcen und das Know-how, um gegen größere
Marktteilnehmern im Wettbewerb zu bestehen.
Dieswird auch von der Vorhersage gestützt, dass
einzelneBürgerwindprojekteundunerfahreneIniti-
atorennicht zumstrategischenBieten inder Lage
seinwerden,wasfürdieseGruppezueinemWett-
bewerbsnachteilführt.
DieMöglichkeit, keinen Zuschlag für ein durchge-
plantesProjektzuerhalten,wirdalsgroßesRisiko
fürBürgerwindprojektebetrachtet.55%derBefrag-
tendenken, dass diesesRisikomit sehrnegativen
Effektenbehaftetist.DieExpertenerläuterten,dass
BürgerwindprojekteimAllgemeinenkeinehöheren
Kosten als kommerzielle Projekte aufweisen und
alsodazuinderLagesind,mitgrößerenProjektent-
wicklernmitzuhalten.Mansagtaber,dasssichdiese
faire Ausgangslage mit der Einführung von Aus-
schreibungen ändern wird. Durch das Risiko zu
scheitern,könnenBürgerwindinitiatorenSchwierig-
keitenhaben,RisikokapitalfürnotwendigeAktivitä-
teninderAnfangsphasederProjektentwicklungzu
beschaffen,undsichinderFolgeausdemMarktzu-
rückziehen.IndenmeistenFällengehtmandavon
aus,dassBürgerwindinitiatorenmiteinzelnenPro-
jektennichtinderLagesind,finanzielleVerlusteim
Fall einer gescheiterten Ausschreibungsteilnahme
ausreichendzustreuen.
Durch die garantierte Einspeisevergütung können
Bürgerwindinitiatoren problemlos die Renditeer-
träge potenzieller Anteilseigner, Mitglieder oder
Anleger berechnen. Ausschreibungen erschweren
diesenAblauf,dadaserwartetefinanzielleEinkom-
meneinesProjektsnichtmehreinfachvorhergesagt
werdenkann.48%derBefragtenbetrachtendiesals
sehr negativen Effekt für die Bürgerwindentwick-
lung,unddie restlichenBefragtenerwartennega-
tive(42%)oderleichtnegative(10%)Auswirkungen.
Einer der Experten betonte, dass Unsicherheiten
mit Bezug zur Renditeerwartung die Zeit zur Be-
1
1
2
2
5
9
7
9
6
11
11
10
8
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
SteigendeKomplexität
GenerellesZuschlagsrisiko
UnsicherheitenbezüglichRenditeerträgen
Strafrisiken(Pönale,Entzug)
SofernSiedieAusschreibungennegativbewerten,wassindausIhrerSichtdiezentralenHürdenfürBürgerwindprojekteim
geplantenAusschreibungsmodell?
keinEinfluss schwachnegativerEinfluss negativerEinfluss sehrnegativerEinflussAbbildung17
26
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
schaffungvonEigenkapitalverlängert,dieRealisie-
rungeinesProjektsnachhintenverschiebtundda-
her Strafrisiken erhöht (siehe nächsterAbschnitt).
Hinzu kommt, dass die Prospektierungsvorgaben
eineweitereHerausforderungfürBürgerwindinitia-
torendarstellen,diemitgeschlossenenFondsarbei-
ten,daderRenditeertragpraktischnichtimVoraus
berechnetwerdenkann.Außerdemmüssenabge-
wiesene Angebotemöglicherweise neu berechnet
werden,umbeizukünftigenAusschreibungsrunden
teilnehmenzukönnen,waszusätzlicheKostenmit
sichbringt.
40%derBefragtenbetrachtenStrafrisikenalseinen
sehrnegativenEffekt fürdenBürgerwind.Nurein
Befragter glaubt, dass Strafrisiken keinen Einfluss
aufBürgerwindprojektehabenunddieverbleiben-
den 55% verteilen sich auf die Kategorien "nega-
tive" bis "leicht negative" Auswirkungen. Die be-
fragtenExpertenbetrachtetenbidbonds(zuhinter-
legendeSicherheiten)alseinweiteresHindernisfür
kleineProjektentwicklerundstelltenderenSinnin
Frage(30´000€proMW),dadasKapital,dasindie
AnfangsphasederProjektentwicklunggestecktwird
(geschätzte100´000-300´000€proWindrad)be-
reitsalsBeweisfürdenDurchführungswilleneines
Projektentwicklersdienenkann.EineOptionfürdie
UmgehungdiesesnegativenEffektsfürBürgerwind-
projekte,wirdinderMöglichkeitgesehen,eineGa-
rantienurimFalleeinesZuschlagszuverlangen.In
diesemFallglaubtman,dassBankeneherdazube-
reit wären, die benötigteMenge an Fremdkapital
zurVerfügungzustellen.
Ausgehend von den vorhergehenden Ergebnissen
ergibtsichdiefolgendeZusammenstellungderRisi-
kenfürBürgerwindprojekte:
ÜbersichtderRisikenfürBürgerwindprojekte:
• Windgutachten(Ertragsrisiko)
• Umweltverträglichkeitsprüfung(ArtenundLebensräume)
• Politischer Konsens im Bezug auf denFlächennutzungsplan
• GenehmigungdurchdenImmissionschutz
• Beschwerdeverfahren(ex-ante/ex-post)
ZusätzlicheRisikendurchAusschreibungen:
• Zuschlagsrisiko
• Finanzierbarkeit (Eigenkapital,BeschaffungvonFremd-undRisikokapital)
• Strafrisiken
Die in den Richtlinien für staatliche Beihilfen zu
EnergieundUmweltschutzderEuropäischenKom-
mission(sieheKapitel1.3.)eingeschlossenede-mi-
nimisRegelungermöglichtgenerell,kleineProjekte
zu Erneuerbaren Energien von Ausschreibungen
auszunehmen. Zurzeit der Durchführung der On-
line-BefragungundderExperteninterviewswurden
mehrere de-minimis-Gestaltungs- und Berechti-
gungskriteriendiskutiertundindenoffiziellenKon-
sultationsprozess des BMWi eingebracht. Da eine
gutangepasstede-minimis-RegelungausderSicht
2,4
2,3
1,8
0 1 2 3
generelleAusnahmeregelungenfürkleinereProjekte(max.6WEAsmitjeweilsmax.6MW)
generelleAusnahmeregelungfüreinmaligeMarktteilnahme
separateAusschreibungsrunden fürkleinereProjekte
FürwiewichtighaltenSiefolgendeAusnahmeregelungenfürBürgerwindakteureimgeplantenAusschreibungsmodell?0=nichtwichtig1=wichtig2=sehrwichtig3=essenziell
Abbildung18
27
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
von Bürgerwind erwartungsgemäß als positiv be-
trachtet wird, wurden den Umfrageteilnehmern
dreimöglicheVariantenvorgeschlagen.
Abbildung18zeigtdiedurchschnittlicheBewertung
derBefragtenaufeinerSkalavon0(Varianteistfür
Bürgerwindnichtwichtig)bis3(VarianteistfürBür-
gerwind essentiell). Die erste Variante genereller
AusnahmeregelungenfürkleinereProjekte(mitma-
ximal 6 Windrädern mit jeweils maximal 6 MW)
wurde imDurchschnittmit 2,4 bewertet,was an-
zeigt,dassdiesede-minimisRegelungalseinemög-
licheunddenBelangenvonBürgerwindparksdien-
licheVariantebetrachtetwird. Expertenbetonten
allerdings,dassdieAnbringungder6x6Hürdezwei
fragwürdige Wirkungen haben könnte. Einerseits
könntesieBürgerwindakteurennuraufkleinePro-
jektebeschränken.Andererseitskönntensichgrö-
ßere Windenergieakteure dazu verleiten lassen,
kleineProjektezuentwickeln.EingenerellesProb-
lemwurde inderTatsachegesehen,dassderder-
zeitigeMarktanteilvonWindparksmitwenigerals
fünfWindrädernbeimehrals60%liegtundmanda-
her von derMehrheit neuerWindparks erwartet,
dasssieunterdie6x6Hürdefallen.
Auch die zweite Variante, eine generelle Ausnah-
meregelung für einmaligeMarktteilnahme,wurde
als sehrwichtig bewertet (Durchschnittswert 2,3).
DieseVariantewurdevoneinigenExpertenalsvor-
teilhaftgewertet,daunabhängiganderBasisent-
wickelte Bürgerwindparks erwartungsgemäß nur
einProjektdurchführen.Expertenbezweifeltenal-
lerdings, dass eine solche Ausgestaltung leicht in
derPraxisumsetzbaristundwiesenaufdieSchwie-
rigkeitenhin,"einmaligeMarktbeteiligung"zudefi-
nieren.
ZuletztwurdenseparateAusschreibungsrundenfür
kleinereProjektevorgeschlagen.DieseVarianteer-
zielteeinenDurchschnittvon1,8underhieltdamit
wenigerZuspruchalsdieanderenVarianten.Trotz-
demwirdsiealswichtigeOptionfürBürgerwindpro-
jekteangesehen.KeinerderExpertenerwähnteo-
der kommentierte diese Variante direkt bei der
FragenachmöglichenAusgestaltungenderde-mini-
misRegelung.EinExperteschlugeineAusnahmere-
gelungbasierendaufdemKriteriumvor,dassmin-
deste 75%derGesellschafter aus derGegendmit
derselbenPostleitzahlkommen,woauchderWind-
parkangesiedelt ist.DieseRegelungwürdesicher-
stellen,dassderGroßteilderWertschöpfunginder
Einsatzregionverbleibt.
Ein Bürgerwindexperte wiesen auf das generelle
Problem von Ausnahmeregelungen hin. Für den
Fall, dass die ausgenommenen Projekte auf Basis
derderzeitigenEEG-Sätzevergütetwürden,würden
derExpertenacheigenerRechnungEnde2018nur
noch7,68EurocentsprokWh(basierendaufeiner
Degressionsstufevon1,2%proQuartal)vonerhal-
ten.VordiesemHintergrundwurdevorgeschlagen,
BürgerwindprojektevomHauptausschreibungsver-
fahrenauszuschließenundsieautomatischaufBa-
sis des Durchschnittspreises der letzten drei Aus-
schreibungsrundenzuvergüten.WieinKapitel1.3.
erwähnt,hatdasBMWiinderletztgültigenFassung
des Eckpunktepapiers entschieden, keine auf der
de-minimis Regelung basierenden Ausnahmen für
kleineMarktteilnehmermit aufzunehmen und le-
diglichvereinfachteTeilnahmevoraussetzungenfür
Bürgerwindprojektezugewähren.
NebenAusnahmeregelungengibtesanderepoten-
ziellen Ausgestaltungsoptionen im geplanten Aus-
schreibungsmodell,welchedenWettbewerbsnach-
teilvonBürgerwindparksberücksichtigen.Vierpo-
tenzielle Ausgestaltungsoptionen wurden in den
Online-Fragebogenaufgenommen(sieheAbbildung
19). Diemit einemDurchschnittswert von 2,1 am
höchstenbewerteteVariantewardiejenigezuver-
einfachtenQualifikationsanforderungenfürBürger-
windprojekte.DieAntwortvariantenenthieltendrei
Komponenten:niedrigereBietungsgarantien,nied-
rigereStrafsätzeundlängereRealisierungsphasen.
EineandereAusgestaltungsoptionfürBürgerwind-
projekte könnte die Einführung einer Sicherheits-
zahlungsein,welcheerstnachdemGebotszuschlag
fürdasProjektfälligwäre.DieseSicherheitszahlung
würdedenderzeitigvorgesehenenbidbondvon30
€ pro kW ersetzen, welche bereits bei Gebotsab-
gabebezahltwerdenmuss.DieseOptionwurdeins-
besonderealseinepassendeLösungfürdieVermin-
derung von Strafrisiken gesehen und wurde auch
voneinigenExpertenunddenUmfrageteilnehmern
erwähnt,diedieseOptionalssehrwichtigbetrach-
teten(1,9).
FinanzielleUnterstützungsprogrammewährendder
Entwicklungsphase von Bürgerwindprojekten er-
zielteneinenDurchschnittswertvon1,6undfallen
28
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
somitaufeinenBereichzwischenwichtigundsehr
wichtig. Bisher wird von Bürgerwindprojekten ge-
sagt,dass siekeineProblemehaben,wennesum
dieBeschaffungvonEigen-,Fremd-oderRisikokapi-
talgeht.Expertendeutetendaraufhin,dasses im
AllgemeineneinesehrgroßeNachfragepotenzieller
Gesellschaftergibt,um inProjektemiteinstelliger
Rendite zu investieren, und (meist) lokale Banken
bereitsind,FremdkapitalzurVerfügungzustellen.
DasinderAnfangsphasevonWindprojektenbenö-
tigteRisikokapital istüberdieletztenJahregestie-
genundeineNeuausrichtungaufAusschreibungen
wirderwartungsgemäßhoheZuschlagsrisikengene-
rieren.InderFolgewirdfürkleineBürgerwindiniti-
atoren erwartet, dass sie Schwierigkeiten bei der
Beschaffung von Kapital, insbesondere Risikokapi-
tal, für ihreProjektehabenwerden.Bishergibtes
keine auf Bürgerwindprojekte ausgerichtete För-
dermodellefürRisikokapitalinNRW.Dieinterview-
tenExpertendeutetenan,dassdiestaatlicheBank
vonNRW (NRW.Bank)darübernachdenkt,einauf
BürgerwindausgerichtetesRisikokapitalmodellauf-
zulegen,wasvondenExpertenbegrüßtwurde.
Zuletzt erzielte die Option gesetzlich festgelegter
BeteiligungsquotenfürlokaleBewohnerbzw.Anle-
gereinenDurchschnittswertvon1,2,wasdieseOp-
tionzurunbeliebtesten(aber immernoch"wichti-
gen")dervorgeschlagenenAuswahlmacht.Dieses
ErgebnisspiegeltsichauchinderMeinungderEx-
pertenwieder,dieäußerten,dassBeteiligungsquo-
tengesetzlich schwerdurchsetzbar sindundmög-
licherweisemitRegulierungenaufBundes-undeu-
ropäischerEbeneinKonfliktgeraten.Dänemarkhat
bereitsimJahr2009fürWindenergieanLandBetei-
ligungsquoten von 20% für Bewohner eingeführt.
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpom-
mern plant derzeit diesesModell zu übernehmen
und das Landesparlament wird voraussichtlich im
März2016überdeneingebrachtenGesetzentwurf
entscheiden. Die befragten Bürgerwindexperten
betrachten die Initiative der Politik als positiv,
brachten aber auch zum Ausdruck, dass rechtlich
festgelegteBeteiligungsquotennuranderOberflä-
chedesProblemskratztenunddassmannichter-
warten kann, so denWettbewerbsnachteilen von
Bürgerwind in Ausschreibungsmodellen Herr zu
werden.
DieEntscheidungdesBMWi,vereinfachteTeilnah-
mebedingungen(TeilnahmeohneBImSchG-Geneh-
migungundTeilungdesbid-bond)fürBürgerwind-
akteureinderimFebruar2016veröffentlichenVer-
siondesEckpunktepapiers zuverankern,kannvor
demHintergrundderErgebnissederBefragungals
positivundimSinnederBefragten,abergleichzeitig
alsunzureichendbewertetwerden.
2,1
1,9
1,6
1,2
0 1 2 3
vereinfachteQualifikationsanforderungen
SicherheitenerstnachGebotszuschlagabzugeben
finanzielleUnterstützunginderEntwicklungsphase
gesetzlichfestgelegteBeteiligungsquoten
FürwiewichtighaltenSiediefolgendenpotentiellenAusgestaltungsoptionenfürBürgerwindakteureimgeplanten
Ausschreibungsmodell?0=nichtwichtig1=wichtig2=sehrwichtig3=essenziell
Abbildung19
29
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Chancen von Bürgerwindprojekten in Ausschrei-bungen
Die Interviewmethode ermöglichte, die Bürger-
windakteurezufragen,obsieauchpositiveAspek-
tenmitdemkommendenAusschreibungsmodellin
Verbindungbringen.DieMehrheitderExpertener-
wähnte, dass Ausschreibungen langfristig höhere
VergütungssätzefürdieEnergieerzeugungalsinder
derzeitgarantiertenEinspeisevergütungherbeifüh-
ren können. Es wurde allerdings bezweifelt, dass
derGesetzgebereinersolchenEntwicklungtatenlos
zusehenwürde,wasdurchdenimEckpunktepapier
vomDezember2015eingeführtenHöchstpreisbe-
stätigtwerdenkonnte.AußerdemwieseneinigeEx-
perten auf die Möglichkeit hin, dass sehr hohe
Pachtniveaus verschwinden und „Überförderung“
einzelner Projekte möglicherweise reduziert wür-
den,waswiederumdieWettbewerbsfähigkeitdes
Bürgerwindsverbessernkönnte.DiemeistenExper-
tenwarensichdarineinig,dasseingutausgestalte-
tesAusschreibungsmodell,welchesdiebesonderen
Herausforderungen und positiven Wirkungen von
Bürgerwindprojekten berücksichtigt und wert-
schätzt,theoretischmitdemderzeithohenGradan
Akteursvielfalt vereinbar sein könnte. Ein solches
ModellmüssteallerdingseineReihevonkomplexen
Faktorenberücksichtigen.
3.5.DieZukunftdesBürgerwinds
DerletzteTeilderUmfrageundderExperteninter-
views war darauf ausgelegt, potenziell attraktive
Geschäftsmodelle und Wege zur Professionalisie-
rung von Bürgerwindaktivitäten zu identifizieren.
Der Online-Fragebogen schloss drei thematische
Blöcke (Repowering-Aktivitäten, potenziell attrak-
tive Geschäftsmodelle und den Nutzen von Netz-
werken, Informationsplattformen und Verbänden)
mitein,währendderInterviewleitfadenetwasoffe-
ner ausgerichtet war und auch darauf abzielte,
günstigenRahmenbedingungen zukünftigerAktivi-
tätenvonBürgerwindakteurenaufdieSpurzukom-
men.
Neben demAusbau vonWindenergie durch neue
Anlagen ist das Repowering von Windparks ent-
scheidend,umdieambitioniertenWindenergieziele
vonNRWzuerreichen.Abbildung20zeigtwiedie
UmfrageteilnehmerdasPotenzialfürzukünftigeAk-
tivitäten von Bürgerwindakteuren im Bereich des
Repoweringbewerten.Währenddavonausgegan-
genwird,dassdasRepoweringbereitsexistierender
Büergerwindprojekte ein großes Potenzial hat
(71%),maßman der Umwandlung "konventionel-
ler" Windparks in Bürgerwindparks durch
RepoweringwenigerPotenzialzu.19%derBefrag-
tenbehaupteten,dassdieseOptionkeinPotenzial
hatund43%gestandenihrnureingeringesPoten-
zialzu.
NachMeinung der Experten hat Repowering den
Ruf,einensehrhohenRessourcenaufwandzuerfor-
dern, insbesondere wenn die Landpachtvereinba-
rungenneuausgehandeltwerdenmüssen.Norma-
lerweisegehtmandavonaus,dasskleinereBürger-
windformationennichtgenügendKnow-howundfi-
nanzielleRessourcenhaben,umRepowering-Aktivi-
tätenohnedieHilfevonprofessionellenProjektent-
wicklern durchzuführen. Dahingegen praktizieren
erfahrenereGeschäftsführer vonBürgerwindparks
mitgrößerenPortfoliosbereitsRepowering.EinEx-
pertewar an einemRepowering-Prozess beteiligt,
derimAbbauvonsiebzehnWindrädernendete,die
dann durch neun leistungsstärkereWindräder er-
setztwurden.DieVerhandlungundNeuausrichtung
der Landpachtvereinbarung dauerten bei diesem
Projekt ungefähr drei Jahre. Der beim regionalen
Genossenschaftsverband arbeitende Experte er-
klärte, dass, obwohl in NRW bisher keine Bürger-
wind-GenossenschafteinProjektrepowerthat,ein
allgemeinesInteresseanzukünftigenAktivitätenim
1
4
5
9
15
7 1
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
RepoweringfürBürgerwindprojekte
UmwandlungvonkonventionellenWindparksinBürgerwindparksdurchRepowering
WiebewertenSiedasPotenzialfürzukünftigeAktivitätenvonBürgerwindakteurenimBereichdesRepowerings?
keinPotenzial geringesPotenzial großesPotential sehrgroßesPotentialAbbildung20
30
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Bereich Repowering bestehe. Einige Experten er-
achtetendieUmwandlungeines"konventionellen"
Windparks in einen Bürgerwindpark als eine inte-
ressanteOptionfürdieZukunft.DiemeistenExper-
tenbetontenallerdings,dassmannichterwartete,
dass die derzeitigen Rahmenbedingungen und die
bevorstehendenAusschreibungensolcheOptionen
beförderten.
Abbildung21fasstdieErgebnissedesOnline-Frage-
blocks zu potenziell innovativen Geschäftsfeldern
zusammen,dienebenderRealisierungunddemBe-
trieb von Bürgerwindparks erschlossen werden
könnten. Die Befragten konnten angeben, ob sie
bereitsindementsprechendenGeschäftsfeldaktiv
warenoderobsieplanten,dies inZukunftzutun.
ZuletztkonntendieBefragtenauchangeben,obdie
vorgeschlagenen Aktivitäten nicht auf der Tages-
ordnungihrerBürgerwindprojektestehen.
DasAngebotvonStromtarifenspeziellfürlokaleo-
derregionaleKundenstehtanersterStelledervor-
geschlagenenListe.53%derBefragtensindanregi-
onalerVermarktungihrerStromerzeugunginteres-
siert und drei der Befragten haben einen solchen
Tarifbereitseingeführt.Nur32%derBefragtenzie-
henregionaleStromtarifenichtalszukünftigesGe-
schäftsfeldinBetracht.NachMeinungderExperten
stellenlokaleoderregionaleStromtarifeindiesem
Moment die attraktivste Geschäftsgelegenheit für
Bürgerwindprojekte dar. Ein Experte wies darauf
hin,dassfallsgünstigerechtlicheRahmenbedingun-
genfürregionaleStromtarifeexistierenwürden,je-
des Bürgerwindprojekt einen solchen Tarif in sei-
nemPortfoliohätte.Darüberhinausgehtmanda-
vonaus,dasslokaleTarifezumehrAkzeptanzfüh-
ren,dalokaleBewohner,dienichtdirektamProjekt
beteiligtsind,eineGelegenheitbekämen,vonnied-
rigeren Strompreisen zuprofitieren.NachderAb-
schaffung des Grünstromprivilegs und der Einfüh-
rungderPflichtzurDirektvermarktungimJahr2014
sehensichBürgerwindprojekteRegulierungshemm-
nissenfürdieEinrichtungregionalerStromtarifege-
genüber.Daskönnteerklären,weshalb32%derBe-
fragteninZukunftnichtvorhaben,regionaleStrom-
tarifeeinzuführen.
Stromerzeugung durch andere Erneuerbare Ener-
gien steht an zweiter Stelle auf der Liste; vierBe-
fragte (22%)gabenan,dass siebereitsandereEr-
neuerbareEnergienaußerWindinihrPortfolioauf-
genommenhaben.ImGegensatzdazubetontedie
MehrheitderBefragten(56%),dasssiezurzeitkeine
Diversifizierung ihres Portfolios planen. Die restli-
chen22%zeigenimmerhinnochInteresseanande-
renErneuerbaren.DiesereherdüstereAusblickauf
vielseitigerePortfoliosderBürgerwindprojektewird
auchvondenExpertengeteilt,diediesennegativen
Trend auf die Vergütungskürzungen aufgrund der
bereits eingeführten Ausschreibungen für Solar-
energiezurückführten.
6
10
10
10
10
10
4
7
9
8
3
4
1
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
RegionaleStromvermarktung
ErneuerbareaußerWind
Energieeffizienz
Energiespeicherung
Elektromobilität
InwelchenderfolgendeninnovativenGeschäftsfelderundTechnologienplanenSieinZukunftaktivzuseinbzw.sindSiejetzt
schonaktiv?
nichtgeplant von Interesse bereitsaktivAbbildung21
31
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
DieBefragtensindziemlichgenauzweigeteilt zwi-
schendenen,dieEnergiespeicherung (47%), Ener-
gieeffizienz(39%)undElektromobilität(44%)alspo-
tenziellattraktiveGeschäftsfeldererachtenundje-
nen,dienichtplanen,indiesenGeschäftsfeldernak-
tivzusein.NachMeinungderExpertenpassenalle
drei Wirtschaftszweige zum angestrebten, auf Er-
neuerbaren Energien basierenden Energiesystem
und stellen daher attraktive Geschäftsfelder für
Bürgerwindakteuredar.DerhierfürbenötigtePro-
fessionalisierungsgrad sowie das Fehlen günstiger
Rahmenbedingungenoder Fördermodelle für Bür-
gerwindakteure halten diese Gruppe nach Erwar-
tungderExpertendavonab,indieseMärkteeinzu-
steigen.EnergieeffizienzundElektromobilitätwur-
den als Wirtschaftszweige dargestellt, von denen
einegroßeAusstrahlungskraftaufdas"Prosumen-
ten"-Konzeptzuerwartenist,sobaldsieimEnergie-
systemerfolgreichintegriertseinwerden.NachAn-
gabederExperten,wirdEnergiespeicherungimmer
nochalseineTechnologieangesehen,diesehrhohe
Anfangsinvestitionenverlangt,welcheBürgerwindi-
nitiatoren noch nicht vorzuschießen in der Lage
sind.Eswurdeallerdingserwähnt,dassEnergiespei-
cherungHandinHandmitdemAusbauderErneu-
erbarenEnergiengehensollteunddassBürgerwin-
dinitiatoren als Vorreiter für dezentrale Energie-
speicherungdienenkönnten.
EinExperteerwähnte,dassKleinwindanlagen(nicht
in der Online-Befragung enthalten) eine interes-
sante Technologie für kleinere Marktteilnehmer
undBürgerwindprojektedarstelle. Dievergleichs-
weise hohen Stromerzeugungskosten von Klein-
windanlagenwerdenallerdingsalseingroßesHin-
dernis für die Ausbreitung und den Einsatz dieser
Technologie gesehen, sowohl in NRW als auch in
Deutschland.
Mankannvermuten,dassNetzwerke,Informations-
plattformenundVerbändeeinewichtigeFunktion
inBezugaufdieVerbreitungvonInnovationen,die
EtablierungneuerGeschäftsfelderunddieProfessi-
onalisierung haben. Ausgehend von dieser An-
nahmewurdeeineFrageüberdenNutzendieserIn-
stitutionen mit verschiedenen räumlichen Abstu-
fungen in den Online-Fragebogen aufgenommen.
DieErgebnissezeigeneinenklarenTrend(sieheAb-
bildung22);jegrößerderAktionsradiusderInstitu-
tionist, jekleineristderwahrgenommeneNutzen
für die zukünftigenAktivitäten vonBürgerwindak-
teureninNRW.InstitutionenaufBundes-undLan-
desebenewerdenalssehrnützlichfürkünftigeAk-
tivitäten der Befragten erachtet (beide mit 73%),
währendInstitutionen,diesichaufdieeuropäische
(73%)oderdieinternationale(60%)Ebenekonzent-
rieren,nureinenmittlerenNutzenzugemessenbe-
kommen.
DieserTrendkannanhandderfolgendenErgebnisse
ausdenExperteninterviewserklärtwerden.DieAk-
tivitäten und Interessen von Bürgerwindakteuren
werdenalssehrabhängigvonheimischenRahmen-
bedingungenerachtet,unddaherwerdenErfahrun-
3
5
6
6
15
13
16
16
4
4
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Landesebene
Bundesebene
Europaebene
InternationaleEbene
WiebewertenSiedenNutzenvonNetzwerken,InformationsplattformenundVerbändenfürBürgerwindakteurein
BezugaufIhrezukünftigenAktivitäten?
nichtnützlich eingeschränkteNützlichkeit sehrnützlichAbbildung22
32
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
genausanderenLänderninderRegelvonBürger-
windakteuren alsweniger relevant angesehen. In-
stitutionen, die ihre Arbeit auf der Bundes- oder
Landesebene (in diesem FallNRW) konzentrieren,
werdenalssehrwichtigbewertet,dasieGelegen-
heitenzumNetzwerkenundUnterstützungbeiFra-
genzudenrechtlichenRahmenbedingungenbieten
und daher Transaktionskosten für Bürgerwindak-
teure senken. Obwohl die Experten die Meinung
teilten,dasseuropäischeundinternationaleBürger-
windorganisationen alsweniger nützlich als deren
Gegenstückeaufdernationalenodernachgeordne-
tenEbenenerachtetwerden,unterstrichensiede-
renBedeutungfürdieglobaleVerbreitungdesBür-
gerwindkonzepts, bewährterMethoden und inno-
vativerGeschäftsmodelle.
AußerdemwerdenVerbändeaufBundes-oderLan-
desebenealswichtigangesehen,weilsieinderLage
sind,politischeEntscheidungsfindungzubeeinflus-
senunddieBelangederBürgerwind-Akteureaufdie
politischeTagesordnungzusetzen.EinigeExperten
waren allerdings besorgt darüber, dass die den
Windsektor repräsentierenden Organisationen
meistvongroßenMarktteilnehmerndominiertwer-
den,deren Interessennicht immermitdenenvon
Bürgerwindakteuren übereinstimmen. Ein Befrag-
ter erwähnte, dass regionale Landwirtschaftsver-
bändeeinewichtigeRollebeiderVerbesserungdes
Bürgerwindeinsatzes spielen könnten, da sie eine
Multiplikatorenwirkung auf Ihre Mitglieder ausü-
ben,dieeinengroßenAnteilderLandbesitzeraus-
machen.
Geschäftsführer von Bürgerwindparks mit kleinen
Portfoliosbetonten,dassihrErfolgeherauflokalen
personenzentriertenNetzwerkenals auf ihrer Ein-
bindungingrößereInstitutionenbasiert,daletztere
ofthöhereTransaktionskostenmitsichbringen.In
dieserHinsichtwerdenauchBürgerwind-Vorzeige-
modellealswichtigerachtet,umdiewichtigeRolle
der Verbreitung innovativer Geschäftsmodelle zu
übernehmen. Bei Energiegenossenschaften geht
mandavonaus,dasssievorerstdaraninteressiert
sind, das Energiesystemmittels lokaler Initiativen
undeinerstarkenBetonungregionalerIdentitätzu
verändern.InderFolgebegrenzenvieleMitglieder
vonEnergie-GenossenschaftenihrenAktionsradius
aufeinspeziellesgeographischesGebiet.
4.Schlussfolgerung
DieUntersuchunghatgezeigt,dassBürgerwindzu
einemgewissenGradeinschwerfassbaresKonzept
bzw. Geschäftsmodell ist, das in NRW und in
Deutschlandmomentanwederrechtlichnochpoli-
tischdefiniert ist.Bürgerwindwird jedochalseine
FormderWindenergieentwicklunggesehen,welche
vielepositivesozialeundwirtschaftlicheWirkungen
hat,vondenenzweiderwichtigstendieErhöhung
lokalerAkzeptanzundWertschöpfungsind. Inden
meistenFällenstimmtdievondenExpertengege-
beneDarstellungvonBürgerwindmitderDefinition
derWWEAüberein,wasaufdieBrauchbarkeitder
LetzterenalsBasis füreinepotenziell verbindliche
Definition sowie für zukünftige Forschungen hin-
deutet. Bisher war eine rechtliche Definition von
BürgerwindinDeutschlandnichtnotwendig,dadie
garantierte Einspeisevergütung Bürgerwind nicht
benachteiligt. Die bevorstehenden Ausschreibun-
genfürWindenergieanLandwerdenallerdingsdie
derzeit ausgeglichenen Wettbewerbsbedingungen
zwischen kommerziellen Entwicklern und Bürger-
windakteurenabschaffen.
NachMeinung der befragten NRW-Bürgerwindex-
pertenwarundistdiewichtigsteTriebkraftdesBür-
gerwinds die garantierte Einspeisevergütung, die
aufBundesebenedurchdasErneuerbare-Energien-
Gesetz (EEG) im Jahr 2000 eingeführt wurde. An-
dere Triebkräfte sind die windenergie-freundliche
RegierunginNRWseit2010,Klimaschutz-oderEr-
neuerbare–Energien-Initiativen von Kommunen
undRegionen,informelleBürgerwind-Leitlinienso-
wie gesetzliche Richtlinien, die auf die Vereinfa-
chung von Planungs- und Bewilligungsverfahren
ausgerichtetsind,auchwennletzterenichtinerster
Linie an Bürgerwindprojekte gerichtet sind. Ande-
rerseits wird gesagt, dass steigende Komplexität,
dasvonkommerziellenWindkraftentwicklernindie
Höhe getriebene Pachtniveau, dieOpposition von
Natur-undArtenschutzverbänden,undeinewahr-
nehmbareAbnahmedesgesellschaftlichenInteres-
sesanErneuerbarendasErfolgsmodellBürgerwind
derzeitausbremsen.VondenbevorstehendenAus-
schreibungenfürWindenergieanLandwirderwar-
tet,dasssiegroßeHürdenfürdenBürgerwindaus-
bauinNRWundDeutschlandaufstellen.ZudenEck-
punkten des kommenden Ausschreibungsmodells
33
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
wurde deutlich gemacht, dass sie Bürgerwindpro-
jekteneinemgroßenWettbewerbsnachteilausset-
zen und daher unabhängige Bürgerwindentwick-
lunginZukunftnahezuunmöglichmachen.
DieimFebruar2016veröffentlichtenvereinfachten
Teilnahmebedingungen für Bürgerwindprojekte
können als ein erster, wenn auch unzureichender
SchrittindierichtigeRichtunginBezugaufdenEr-
halt der Akteursvielfalt bewertet werden. Da sich
viele Kosten erst im Laufe des Planungsprozesses
ergebenundsomitdaszunächstabgegebeneGebot
oftmalsnichthaltbarseinwird,werdendieverein-
fachten Teilnahmebedingungen jedoch nicht als
ausreichendeLösungzumErhaltderBürgerenergie
betrachtet (LEE NRW 2016). Bürgerwindprojekte
werden weiterhin im Wettbewerb mit Projekten
von kommerziellen Projektentwicklern bestehen
müssen,welcheimAusschreibungsprozessWettbe-
werbsvorteile(Know-How,strategischesBieten,Ri-
sikostreuung) genießen. Dieses strukturelle Un-
gleichgewichtläuftGefahr,dassErfolgs-undAkzep-
tanzmodell des Bürgerwinds zukünftig aus dem
Marktzudrängen.
EinBlick indieZukunftdesBürgerwindmodellsre-
sultierte in einer Zusammenstellung potenziell at-
traktiverGeschäftsmodelleundzusätzlicherMarkt-
initiativen für Bürgerwindprojekte. Vor allem
Repowering-Aktivitäten, regionale Stromtarife,
Energiespeicherung, Elektromobilität und Energie-
effizienzstehenaufderZukunftsagendavielerPro-
jektinitiatoren.MitAusnahmeeinigerWegbereiter-
projekte erfahrener Bürgerwindinitiatoren stehen
jedochderderzeitigeProfessionalisierungsgradund
diesichwandelndenrechtlichenRahmenbedingun-
geneinerflächendeckendenAufnahmedieserAkti-
vitätenimWege.Informationsplattformen,Bürger-
wind-NetzwerkeundWindenergie-Verbändebesit-
zenvordiesemHintergrundeinewichtigeMultipli-
katorenfunktionfürdieAufnahmedesBürgerwind-
konzeptsundderinnovativenGeschäftsmodelle.
Zusammenfassend betrachtet, steht das Bürger-
windmodell inNRWundDeutschlandamScheide-
weg.EinerseitshatBürgerwindeingroßesPotenzial
fürdieUmwandlungdeskohlenstoffbasierten(und
zu einem geringeren Maß nuklearen) Energiesys-
temshinzueinemdemokratischen,dezentralisier-
tenundemissionsfreien, inandernWorten:wahr-
lich nachhaltigen Energiesystem. Darüber hinaus
stellt Bürgerwind dringend benötigte hohe lokale
AkzeptanzherundträgtzurlokalenWertschöpfung
bei. Andererseits wird von den bevorstehenden
Ausschreibungen erwartet, dass sie dem Bürger-
wind einen großen Wettbewerbsnachteil einbrin-
gen. Die Externalisierung der "Akzeptanzkosten"
vonWindkraftkönnte inderFolgeeinedrastische
Wirkung auf die weitere Verbreitung von Bürger-
windprojekten und die Ergebnisse der deutschen
Energiewendehaben.EinerderinterviewtenExper-
tenbringtdiesmitdenfolgendenWortenaufden
Punkt:
"Die Energiewende wird ohne Bürgerwindprojektenicht erfolgreich sein. Windenergie kann nur alsHauptbestandteildeszukünftigenSystemserneuer-barer Energieträger dienen,wenn sein Einsatz ak-zeptiertwird."
MitBlickaufdieinternationaleEbene,istzuerwar-
ten, dass die Entscheidung der EU bzw. Deutsch-
lands, die garantierte Einspeisevergütung abzu-
schaffen und durch Ausschreibungen zu ersetzen,
ein starkes Nachahmungssignal an andere Länder
sendet. Deshalb könnte ein deutsches Ausschrei-
bungsmodell,dassichernsthaftumdieBedürfnisse
des Bürgerwinds kümmert, auch positiveWirkun-
genaufdieVerbreitungvonBürgerwindaufgloba-
lerEbeneentfalten.
DievorliegendeStudie zielteprimärdaraufab,ei-
nenbreitangelegtenÜberblickaufdieVergangen-
heit, Gegenwart und Zukunft des Bürgerwindkon-
zepts inNRWzugeben.Diesereherbreitgefasste
AnsatzhatnichtimmereinedetaillierteKausalana-
lyse einzelner Triebkräfte und Hürden für Bürger-
windzugelassen.DiezentralenErgebnissehabenje-
dochBürgerwindinNRWausderGesamtschauprä-
sentiertundkönnendaherdazudienen,eine fun-
dierteGrundlagefürbevorstehende,tiefergehende
AnalysenimBereichBürgerwindundBürgerenergie
imAllgemeinenzubieten.
WeitereForschungsarbeitenimBereichBürgerwind
undBürgerenergieinNRWundDeutschlandsollten
auchLängsschnittstudienbeinhalten,umexplorativ
zuerforschen,wiesicheinzelneProjekteoderder
Bürgerwind insgesamt über die Zeit entwickeln;
speziell mit Blick auf das kommende Ausschrei-
bungsmodell.Dies sollte auch eine gründlicheBe-
standsaufnahmebereitsexistierenderBürgerwind-
projektebeinhalten,umAussagenüberdenAnteil
34
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
vonBürgerwindprojekteninderAkteursvielfalttref-
fenzukönnen.Darüberhinausisteswichtig,mehr
darüberzuerfahren,wiediepolitischenRahmenbe-
dingungen verändert werden könnten, um mehr
Bürgerbeteiligung inBereichenzuerzielen,die für
die erfolgreiche Transformation des nordrhein-
westfälischen und deutschen Energiesektors von
Bedeutung sind. Schließlich würden Analysen von
Bürgerwind in anderen Ländernweiterhelfen, för-
derliche und hemmende Rahmenbedingungen zu
identifizieren. Diese sollten die Analyse von Ge-
schäftsmodellen in verschiedenen Ländern, For-
schungenzudenWechselwirkungenverschiedener
politischer und institutioneller Rahmenbedingun-
gen,sowieForschungenzurÜbertragbarkeitexistie-
renderGeschäftsmodelleaufLänder,indenensich
Bürgerderzeitnochnicht fürBürgerwindengagie-
ren,abdecken.
DieNRW-StudieschließtmitdemZitateinesBürger-
windexperten,welchesaufdiezentraleBedeutung
der"Prosumenten"fürdieEnergiewendehinweist:
"Nur wenn wir die Energiewende wirklich leben,könnenwirsieverstehen."
35
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
5.EmpfehlungenandiePolitik
5.1EmpfehlungenandiePolitikaufkommunalerEbene
• BürgerwindmusszueinemGrundbausteinlokalerEnergieprogrammewerdenalsTeileinerlokalen
Strategiezu100%ErneuerbarenEnergien.
• FörderungundAnreizprogrammefürfreiwillige,lokaleBürgerwind-Richtlinien.
• StärkungvorhandenerInstanzenfürdieSchlichtungvonWindenergie-KonfliktenvorOrt.
5.2EmpfehlungenandiePolitikaufLandesebene
• EtablierungvonMechanismenzurfinanziellenundkonzeptionellenUnterstützungvon
BürgerwindprojekteninderkritischenPhase.
• AusgearbeiteteVerpflichtunggegenüberdemBürgerwindmodellundderBürgerenergieim
Allgemeinen.
• UnterstützungsprogrammefürKlimaschutzundInitiativenfürErneuerbarenEnergienvonKommunen.
• BereitstellungvonMediationsplattformenfürWindenergieundArtenschutzkonflikte
• WeiterelandespolitischeArbeitmitBezugaufdieGestaltungeinesangemessenenVergütungssystems
5.3EmpfehlungenandiePolitikaufBundesebene
• EinrichtungeinesVergütungssystemsfürWindenergieanLand,welchesBürgerwindprojektenicht
benachteiligt
• BürgerenergieprojekteinHöhevon18MegawattgrundsätzlichvonAusschreibungenbefreienund
diesenProjekteneineauskömmliche,festeVergütunggewähren
• Verankerungeinerklaren,trennscharfenundtreffendenDefinitionvonBürgerwindakteuren
• GestaltungeinesStrommarktdesigns,dassesBürgerenergieprojektenermöglicht,ihrenStromregional
zuvermarkten
• UnterstützungvonMechanismenfüreinenganzheitlichenAnsatzfürdieErneuerbarenEnergien,der
Elektromobilität,EnergieeffizienzundKlimaanpassungmiteinschließt.
5.4EmpfehlungenfürweitereForschungenimBereichderBürgerenergie
• LangzeitstudienzurMarktpositionvonBürgerwindprojekten,vorallemimkommenden
Ausschreibungsmodell
• ForschungzudenfinanziellenundorganisatorischenBelangenwährendderkritischenPlanungs-und
Entwicklungsphase
• ForschungzuLeitlinien,Klimaschutz-oderErneuerbare–Energien-Initiativenvoneinzelnen
Kommunen.
• BestandsaufnahmevonBürgerwindprojekteninDeutschland,umvalideAussagenüberdie
EntwicklungderAkteursvielfalttreffenzukönnen
36
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
TeilB:ZusammenfassungWWEA-Bürgerwind-Symposium2016
Insgesamt110Gästeaus20LändernvonsechsKontinenten folgten
derEinladungvonWWEAundLEENRWundversammelten sicham
26.01.2016imGustav-Stresemann-InstitutBonn,umüberihreErfah-
rungenmitBürgerwindprojekteninihrenHeimatländernzusprechen.
DieGästedesersten,internationalenWWEABürgerwindSymposiums
(„TailwindandHeadwindforCommunityPower–RegionalandGlobal
CommunityWindPerspectives“wurdendurchStefanGsänger(WWEA
Generalsekretär)undPeterRae(PräsidentWWEA)begrüßt.Weitere
Grußworte,welchedieaktuellenEntwicklungenundHerausforderun-
genimBereichderBürgerenergieunddieSignalwirkungdesnochjun-
genPariserAbkommensthematisierten,gabesvonJanDobertin(LEE
NRW),ViktorHaase(StiftungfürUmwelt&EntwicklungNRW)undDr.
HermannFalk(BEE).
VordemHintergrundderAtomkatastrophen inTschernobylvor30 Jahrenund inFukushimavor fünf Jahren
machteDr.TetsunariIida(InstituteforSustainableEnergyPolicies)ausJapaninseinemGrußwortdeutlich,dass
einesozialverträglicheundgesellschaftlichakzeptierteEnergiewendenurvon„unten“,alsovondenBürgern,
kommenkann.Währendsich80%derJapanervonderKernenergieabgewendethaben,verfolgtdieRegierung
immernocheineaktiveundförderlicheAtompolitik.NichtsdestotrotzsindseitderKatastrophein2011bessere
ZeitenfürErneuerbareEnergieninJapanangebrochen.MiteinergarantiertenundauskömmlichenEinspeisever-
gütungkonnteindenletztenJahreneineSteigerungderErneuerbarenEnergienimEnergiemixinJapanerreicht
werden.ErneuerbarewerdennunfürvieleMenschensichtbarund200lebendigeBürgerenergieprojektezeugen
vomgroßenInteresseundderAktivitätderjapani-
schen Bevölkerung im Bereich der „Energiedemo-
kratie“.Das symbolträchtige Fukushimawird2016
zumSchauplatzderjapanischenundinternationalen
Bürgerenergiewerden, denn ImMärz veranstaltet
der Bürgermeister von Fukushima einen Tag der
BürgerenergieundEndedesJahreswirddieWorld
WindEnergyConferenceinTokioundimAnschluss
die WWEA Community Power Conference in
Fukushimastattfinden.
IndenfolgendenKapitelnsinddieeinzelnenProgrammpunktedesSymposiumsbündigzusammengefasst.Die
digitalenFolienallerPräsentationendesSymposiumskönnenonlineunterfolgendemLinkabgerufenwerden:
http://www.wwindea.org/presentations-international-symposium-on-community-power/
WWEAPräsidentPeterRae
TeilnehmerdesBürgerwindSymposiumsinBonn
37
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
1.PodiumsdiskussionderNRW-Bürgerwind-Experten
Moderation:JanDobertin,LEENRW
• GünterPulte,RothaarwindGmbH&Co.KG
• WernerSoika,BürgerEnergieIssum
• HeinzThier,BBWind
• KlausSchulzeLangenhorst,BWENRW
• JakobMüller,GLSBank
• Dr.KatrinGehles,Energieagentur.NRW
Im Anschluss an die Präsentation der NRW-Bürger-
wind-StudiewurdenderenzentraleErgebnisseundta-
gesaktuelleEntwicklungenimBereichdesBürgerwinds
imNRW-Expertenpaneldiskutiert;diezentralenStudienergebnissekonntendurchdieExpertenbestätigtwer-
den. ImweiterenVerlaufderDebattestandvorallemdieFragenachderZukunftderBürgerenergie imAus-
schreibungsmodellimZentrum.ImFolgendensinddiewesentlichenDiskussionsinhaltethematischzusammen-
gefasst:
WermachtdieEnergiewende?
• VonSeitenderPolitikgibtesseitderNuklearkatastropheinFukushimavielZuspruchfürdasModellder
Bürgerenergie.VertreterallergroßenParteiensprechensichderzeitfürdezentraleBürgerenergie-Pro-
jekteaus,häufigbleibtesaberbeiLippenbekenntnissen,diekeinekonkretenErgebnissefürdieBürge-
renergiepraktikermitsichbringen.
• Aktuell gehendieNeueintragungenvonBürgerprojektenstark zurück,was fürdieEnergiewendeals
solcheproblematischist,danurBürgerwindprojektedienotwendigeAkzeptanzfürdenWindkraftaus-
bauaufdemLandmit sichbringen. Stellt sichdieBevölkerunggegenOnshore-Wind, soverliertdie
EnergiewendeihrenwichtigstenAntriebundeswirddannaufdieteurereWindenergieaufSeeausge-
wichen.
• GroßeKonzernehabendieEnergiewendeverschlafen,unddie jetzigeEnergiepolitikversuchtsichan
die„großenVier“anzubiedern,anstattdiejenigenzufördern,deneneinsauberesunddemokratisches
EnergiesystemamHerzenliegt.
DefinitionBürgerwind:
• DieDefinitionvonBürgerwindparksnachderWWEAoderandereDefinitionensolltennacheinerEini-
gungfürSonderregelungenimEEGverankertwerden.EinegenaueDefinitionvonBürgerenergiebzw.
Bürgerwindfestzuschreibengestaltetsichjedochalsschwierig,dadieWeltderBürgerenergiesehrviel-
fältigist.ZentraleBestandteileeinerBürgerwind-Definitionsolltensein:
o Regionalität
o Beteiligungsangebot(organisatorischeBeteiligung,Gesellschaftsanteilebzw.Eigenkapitalund
Stimmrecht)
• AlsFolgederzunehmendenKomplexitätvonPlanungsprozessensolltenauchStadtwerkeundexterne
Bürgerwind-DienstleisterdasklassischeBürgerwindmodellergänzenkönnen.
• ProfessionalisierungundEhrenamtsindwichtigfürBürgerprojekte.DieEntwicklungundRealisierung
einesBürgerwindparksistehrenamtlichjedochkaumnochzustemmen.
Ausschreibungengenerell
DieTeilnehmerderNRW-Podiumsdikussion
38
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
• DerklassischeBürgerwindpark isthäufigeinEinzelprojekt.EinScheiternderPlanungkannnichtmit
anderen,erfolgreichenProjektenkompensiertwerden.NacheinemmehrjährigenPlanungsmarathon
mitenormenKostenfürGutachtenundUmweltprüfungenkommtmitdenAusschreibungennochdas
Risikohinzu,imBietverfahrenzuunterliegenundkeineVergütungzuerhalten.Dasschrecktschonheute
vielepotenzielleBürgerwindrealisiererabbzw.sieversuchen,nochimJahr2016eineGenehmigungzu
bekommenundsomitdasAusschreibungsmodellzuumgehen.AusdiesemGrundkannindennächsten
zweiJahrennocheinBoomdesBürgerwindserwartetwerden,dieweitereZukunftderBürgerenergie
istjedochsehrunsicher.• DaseigentlicheZielderkommendenAusschreibungenstelltdieMengensteuerungundnichtdieKos-
tensenkungdar.DerAusbaukorridorwirddurchdieAusschreibungeneingestaucht,wobeieinhohes
Ausbauvolumen strategischemBieten entgegenwirken könnte. ImAllgemeinenwird dieMengenbe-
schränkungdurchdasderzeitiggeplanteAusschreibungsdesigneineGeschwindigkeitsbegrenzungfür
denAusbauErneuerbarerEnergieneinführen.WürdedieBundesnetzagenturausreichendgroßeWind-
leistungs-MengenzurAusschreibungbringen,hätteninZukunftdurchausauchBürgerprojekteChan-
cen.• DieProspekterstellung fürBürgerwindprojektewarbisher immermitdemSinnderRisikoaufklärung
verbunden.DieseistimModellderAusschreibungkaumnochmöglich,damandieRahmenbedingun-
genunddenletztendlichenZuschlagspreisvorhernichtkennt.BisherrechnetemanbeieinemProjekt
vonderErlös-zurKostenseite,inZukunftwirdmanesandersherumhandhabenmüssen.
• DiefinanziellenPlanungsrisikenstelleneineimmergrößereHürdefürBürgerwindparksdar.Damitden-
nocheinigeProjekteeineChancehätten,versuchenGenossenschaftsbankenbeiderBereitstellungdes
Risiko-Kapitalszuassistieren.DieFremdkapitalfinanzierungwirdauchinZukunftfürgutgeplanteBür-
gerwindprojektemöglichsein,jedochwirddieEigenkapitalfinanzierung(beidembisherigenStanddes
Ausschreibungsmodells)alsschwierigerachtet.
ForderungenAusschreibungsdesignundEEG-Novelle:
• ForderungenvonSeitenderDiskussionsteilnehmer:
o VerankerungeinertrennscharfenundvalidenBürgerwinddefinition,
o BürgschaftenerstnachgewonnenerAusschreibungzuhinterlegen,
o PlanungssicherheitdurcheinstabilesEEG,
o EinführungeineseinstufigenReferenzertragsmodellsumalleStandortezuberücksichtigen,
o einegarantierteundauskömmlicheEinspeisevergütungfürBürgerwindprojekte,
o trotzeventuellerAussichtaufeine18MWde-minimis-RegelsollteBürgerenergie inZukunft
nichtbegrenztwerden.
39
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
2.Präsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“
Referenten:
• SiwardZomer,REScoop:EnergiegenossenschafteninEuropa• Dr.PrebenMaegaard,NordicFolkecenter:StatusQuoeinesBürgerwindVorreiters• KatherinaGrashof,InstitutfürZukunftsEnergieSysteme:DieNutzeneffektederBürgerenergie• Dr.JosepPuig,EurosolarSpanien:BürgerwindinSüdeuropa• Dr.JelteHarnmeijer,JamesHuttonInstitute:Endspurt?BürgerwindimVereinigtenKönigreich• JonathanBonadio,EuropäischeKommission:ErneuerbareEnergienundGenossenschaftenimKontextder
EuropäischenUnion
DievonRolandRoesch(IRENA)moderiertePräsentationsreihe„BürgerenergieundBürgerwindinEuropa“wei-
teteden zuvor aufNRWundDeutschlandbeschränktenDiskussionsrahmenderVeranstaltungaus. Zweider
KurzpräsentationnähertensichdemThemaBürgerwindausdergesamteuropäischenPerspektive,dreiPräsen-
tationenwidmeten sichdenErfolgenundHerausforderungen vonBürgerwindakteuren in einzelnen Ländern
(Dänemark,GroßbritannienundSpanien)undeinePräsentationbehandelteausführlichdieNutzeneffekte,wel-
cheBürgerenergieprojektemitsichbringenkönnen.AuchindieserPräsentationsreihelageinHauptaugenmerk
aufdenallenMitgliedsländernderEuropäischenUnionbevorstehendenundüberwiegendnegativbewerteten
AusschreibungsmodellenunddeninvielenLändernschlechterwerdendenRahmenbedingungenfürdenAusbau
derBürgerenergie.NebendiesendüsterenZukunftsaussichten,machtendiePräsentationenaberauchdeutlich,
dassmitderregionalenWertschöpfungunddenhohenAkzeptanzratenenormesPotenzialinderBürgerenergie
zuverortenist.DieReferentenausderBürgerwindpraxismerktenan,dassdiePolitikdieVerantwortungfürdas
ScheiternderEnergiewendezutragenhat,wennnunRahmenbedingungengeschaffenwerden,welcheeinem
dezentralen,demokratischenundumweltfreundlichenEnergiesystemimWegestehen.
3.Präsentationsreihe„Bürgerwind-Weltreise“
Referenten:
• Kanada:Dr.ChristineKönig,OntarioSustainableEnergyAssociation
• Japan:Dr.TetsunariIida,InstituteforSustainableEnergyPolicies
• Australien:Hon.PeterReaAO,WWEAPräsident
• Mali:Dr.IbrahimTogola,MaliFolkecenter
• Mexiko:SergioOceransky,YansaGroup
• Südafrika:NeilTownsend,justenergy
DiezweitePräsentationsreihedesSymposiumswurdevonDr.MichaelKöberlein(GIZ)moderiertundboteinen
ÜberblickzudenRahmenbedingungen,TriebkräftenundHindernissenfürBürgerenergieprojekteundBürger-
windparksinsechsaußereuropäischenLändern.DieersteHälftederPräsentationsreihedecktemitReferenten
ausKanada,JapanundAustraliendreiIndustrienationenab,derenEnergiesystemestarkauffossilen(vorallem
Australien)bzw.atomaren(vorallemOntario/KanadaundJapan)Energieträgernberuhen,denenErneuerbare
Energienaberkeineswegsfremdsind.Einer flächendeckendenEnergiewendesteht indiesenLändernderzeit
abernocheinestarkeLobbyderkonventionellenEnergiekonzerneundgeringeodernichtvorhandeneFörde-
rungenfürErneuerbareEnergienimWeg.AndererseitstragendiesinkendenKostenfürerneuerbarenStrom,
dasglobaleBekenntniszumKampfgegendenKlimawandelundneueRegierungschefs,welchedenErneuerbaren
freundlichgegenüberstehen (AustralienundKanada)dazubei,dassdieZukunftauchvieleMöglichkeiten für
BürgerwindakteureindiesenLändernbietet.
40
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
ImzweitenTeilderPräsentationsreihewurdendieBarrierenthematisiert,welchederDiffusiondesBürgerwind-
modellsinEntwicklungs-undTransformationsländernmomentanimWegesteht.AllebetrachtetenLänder(Mali,
MexikoundSüdafrika)sindeigentlichreichanErneuerbarenEnergien,dieserReichtumspiegeltsichaberselten
imLebendstandardderBevölkerungwider.AuchwenninMexikoundSüdafrikamomentangroßeSummenin
denAusbauErneuerbarerEnergieninvestiertwerden,soverbleibendieerwirtschaftetenErträgeindenHänden
einigerwenigerinternationalerInvestoren.InMexikogingengroßeWindkraftprojektevoninternationalenIn-
vestoren sogarmit erheblichenMenschenrechtsverletzungen einher, die in gewaltintensiven Konflikten zwi-
schenindigenenBevölkerungsgruppenundWindkraftbetreibernmündeten.NachMeinungundErfahrungder
ReferentenbietenBürgerenergie-undspeziellBürgerwindprojekteeinenholistischenAnsatz,umEnergiearmut
alsauchabsoluteArmutzubekämpfenundgleichzeitignachhaltigewirtschaftlicheEntwicklungloszutreten.Der-
zeit stehendemBürgerwindmodell jedochnocherheblicheBarrieren imWeg.VorallemdieMarktdominanz
großer europäischer Konzerne sowie politische undwirtschaftlicheRahmenbedingungen (wie z.B. Ausschrei-
bungsmodellemithohenTeilnahmehürdeninMexikoundSüdafrika)werdenalsZugangsbarrierefürkleine,un-
abhängige,einheimischeProjektentwicklerundBürgerenergieinteressiertengewertet.
4.Podiumsdiskussion„DieZukunftderBürgerenergie–EineGlobaleDiskussion“
Referenten:
• SiwardZomer,REScoop
• NeilTownsend,justenergy
• Dr.HermannFalk,BEE
• Dr.RolandRoesch,IRENA
• StefanSchurig,WorldFutureCouncil
• GadiHareli,IsraeliWindEnergyAssoci-
ation
• Dr.TetsunariIida,ISEP
DievonDr.HarryLehmann(Umweltbundesamt)moderierteabschließendePodiumsdiskussionsetztezueiner
SynthesederPräsentationenundDiskussionendesBürgerwindsymposiumsanunddrehtesichvorallemumdie
ErfordernisseaufdemWegzueinerglobalerfolgreichenEnergiewende.DiezentralenDiskussionspunktesind
hierkurzzusammengefasst:
• PolitikerundEntscheidungsträgermüssenerkennen,dasssichdieMehrheitderBürgereindezentrales
undklimafreundlichesEnergiesystemwünschenunddieInitiativenundProjekte,dieschonvonBürgern
undGemeinschaftenaufderganzenWeltrealisiertwurdenundwerden,bedürfenderFörderungund
verstärkterAufmerksamkeit.
• Einweiterer,oftvernachlässigterVorteilvonBürgerenergieistdieSozialisationunddassteigendeGe-
sellschaftsgefühl,mitwelchemalleBeteiligtennacheinererfolgreichenRealisationeinesBürgerener-
gieprojektsbelohntwerden.SomitgehtesbeiderEnergiewendenichtnurumInvestitionenundein
nachhaltigesEnergiesystem,sondernauchumdensozialenZusammenhaltderGesellschaft.Sobalddie
BevölkerungeinGefühlfürKleinprojekteundDezentralisierungbekommtunddieRahmenbedingungen
stimmen,kannsichdieEnergiewendezueinemSelbstläuferentwickeln.
DieTeilnehmerderPodiumsdiskussionundWWEAGeneralsekretärStefanGsänger
41
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
• StädteundKommunennehmeneinewichtigeRolle inderglobalenEnergiewendeein.Siesollten im
BereichderErneuerbarenEnergieneineFührungsrolleübernehmen,WegezumZiel(roadmarking)fest-
legen,denpolitischenRahmensetzenundsichfürdieFreiheit,dasStromnetzohneEinschränkungen
nutzenzukönnen,einsetzen.
• Fürdie(Bürger)EnergiewendewirdinZukunftsehrvielKapitalausderPrivatwirtschaftbenötigt,auch
ausdenKommunen.AndieserSchnittstellemussinZukunftdaraufgeachtetwerden,dassBürgernund
individuellenInvestorennichtdieMöglichkeitentzogenwird,amEnergiemarktteilzunehmen.Einde-
zentralesEnergiesystemsollteesmöglichstvielen,wennnichtsogarallenMenschenermöglichen,nach-
haltigeEnergiezuproduzierenundzukonsumieren.
• EineerfolgreicheEnergiewendeistvorallemvonvalidenDatenabhängig.Projektierer,Bürger,Planer
undPolitikerbenötigeneinegefestigteDatengrundlageumzentralepolitische,infrastrukturelleundin-
vestitionsbezogeneEntscheidungen treffenzukönnen. InternationalenOrganisationenkommtdabei
einewichtigeRolleinderKoordinationderSammlungundBereitstellungdieserDatenzu.
• EntscheidungsträgerninEntwicklungs-undTransformationsländersollteaufgezeigtwerden,warumdie
BürgerenergiesowichtigistundwelcheNutzeneffektediesesModellmitsichbringt,wasbishernicht
sonderlichgutgelungenist.SinkendeTransaktionskostenundeinförderlicherpolitischerRahmenkön-
nenalsFundamentfüreineEnergiewendedienen,dieLösungsansätzefürArmutsbekämpfungalsauch
dieBekämpfungdesKlimawandelsbietet.AusschreibungsmodellesolltenvordiesemHintergrundeher
kritischbetrachtetwerden.
• DasPariserAbkommenwareinenormwichtigesSignalfürdieweltweiteEnergiewende,dieserRücken-
winddarfjetztnichtaufhörenwehenbzw.esmüssennundieWeichengelegtwerden,damitesinruhi-
gerenZeitenauchwirklichmitderEnergiewendeweitergeht.DieFrage,diesichvorCOP21gestellthat
war:WerträgtdieLastundweristverantwortlichfürdenKlimawandel?Nun,nachdemPariserAbkom-
men,stelltsichdieFrage:WernutztdieChancen,auchindenEntwicklungsländern?
42
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
TeilC:ZehnElementeeinerGlobalenBürgerenergie-Strategie
1. BürgerenergieisteineTriebfederundwesentlicheVoraussetzungfürdenErfolgderglobalen
Energiewende,wieinParisbeschlossen
2. BürgerenergiebedeutetgleichmäßigeVerteilungvonNutzenundVorteilen,diesichausder
Energieerzeugungergeben,undstärktdielokaleWertschöpfung,insbesondereauchinEntwick-
lungsländern
3. BürgerenergiesichertsozialeAkzeptanzundsozialeUnterstützungfürdieEnergiewende
4. BürgerenergieprojektesollengleicheMarktzugangschancenwiealleanderenInvestorenhaben
undnichtdiskriminiertwerden
5. GarantierteEinspeisetarifehabensichalskosteneffizientesInstrumentbewährt,dasallenfaire
MarktzugangschancengewährtundgleichzeitigeinehoheAusbaudynamikerreichenkann
6. FürdieIntegrationderErneuerbarenEnergienmüssenneueInstrumenteentwickeltwerden,
diediewichtigeRollederBürgerenergienutzenundsicherstellen
7. BürgerenergiekommteinezentraleRolleaufdemWegzueinerVollversorgungausErneuerba-
renEnergienzu,insbesonderebeiderlokalenIntegrationderErneuerbarenEnergien
8. NeueGeschäftsmodellefürBürgerenergieliegeninsbesondereindirektenVersorgungvon100
%StromausErneuerbarenEnergien,sowieinweiterenBereichenwieMobilität,Heizen/Kühlen,
undmehr
9. Bürgerenergieakteuresollensichregional,nationalwieinternationalbesservernetzenundsich
gemeinsamaufallenEbenenfürdiepolitischeAnerkennungderSchlüsselrollederBürgerener-
gieeinsetzen
10. EinführungeinesGlobalFIT-Programms(sieheAbbildung23)etwaimRahmendesGreenCli-
mateFund,umnationaleEinspeisetarifeinEntwicklungsländernabzusichern.
Abbildung23:übernommenausWWEA(2014)
43
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
Anhang
EckpunktederAusschreibungfürWindenergieanLandundErklärungdeseinstufigenRefe-renzertragsmodells
(StandFebruar2016)
• FürWindenergieanlagenanLandwerdenAusschreibungeneingeführt.Hiervonwerdenausgenommen:
o AnlagenmiteinerLeistungbis1MW
o PrototypenineinemUmfangvonhöchstens100MWproJahr.
• TeilnehmenkönnenalleAnlagen,dieübereineGenehmigungnachdemBundes-Immissionsschutzgesetz
verfügen(AusnahmefürBürgerwindprojekte).
• DerersteGebotsterministder1.Mai2017.
• ImJahr2017werdenzweiweitereAusschreibungsrundendurchgeführt,2018sindesinsgesamtvierAus-
schreibungsrunden.DieanfänglichhöhereFrequenzbeidenAusschreibungsrundendientdazu,dasssich
möglichstschnelleinZuschlagsniveauetabliert.Ab2019werdennurnochdreiAusschreibungsrundenpro
Jahrdurchgeführt,umdasWettbewerbsniveauanzuheben.
• Gebotenwirdaufden„anzulegendenWert“aufBasiseineseinstufigenReferenzertragsmodellsamRefe-
renzstandort(100Prozent-Standort).
• DerHöchstwertfürdieGebotewirdmit7,0CentproKilowattstundefürden100Prozent-Referenzstandort
über20Jahrefestgelegt.DerWertwirdautomatischjährlichumeinProzentabgesenkt.JenachWettbe-
werbsbedingungenundKostensituationkanndieBundesnetzagenturdenWertauchumbiszuzehnProzent
höheroderniedrigerfestsetzen.
• DieHöhederzuhinterlegendenSicherheitbeträgt30EuroproKilowatt(AusnahmefürBürgerwindprojekte:
15€prokWbeiGebotsabgabe,15€prokWbeiZuschlag).
• DieAnlagensolleninnerhalbvonzweiJahrennachZuschlagserteilungerrichtetwerden.Nachinsgesamt30
MonatenverfälltderZuschlag;dieseFristkanneinmaligverlängertwerden,wenndasProjektbeklagtwird.
• Gebotenwirdaufden„anzulegendenWert“aufBasiseineseinstufigenReferenzertragsmodellsamRefe-
renzstandort(100Prozent-Standort).
o DerReferenzstandortwirdneudefiniert,umdenBaueffizienterAnlagenstärkeralsbislanganzu-
reizen.BeiderBerechnungdesReferenzertragswertswirdinZukunftauf100mHöheeineWind-
geschwindigkeitvon6,45m/szugrundegelegtunddieZunahmederWindgeschwindigkeitmitzu-
nehmenderAnlagenhöhe istdurchdassog.PotenzgesetzmiteinemHellmannindexvon0,25zu
definieren.
o AufdieserGrundlagegebendieAnlagenbetreiberinderAusschreibungihreGeboteaufBasiseines
100Prozent-Standortsab.HierzuwirddertatsächlicherwarteteReferenzertragderAnlagemithilfe
eines gesetzlichdefiniertenKorrekturfaktors indenReferenzertrageines100Prozent-Standorts
umgerechnet.DadurchistdieVergleichbarkeitderGebotegegeben.
o DieZuschlägewerdenvonderBNetzAaufdieserGrundlageerteilt.DiebezuschlagtenWindener-
gieanlagenwerdenanschließendanhandihrestatsächlichenReferenzertrags(undnichtdesauf100
ProzentumgerechnetenReferenzertrags)gefördert.ZudiesemZweckwirdderindividuelleRefe-
renzertrag vor Inbetriebnahme für den jeweiligen Standort nachGutachten aufBasis der FGW-
Richtlinienfestgelegt.DieserkonkreteVergütungssatzgiltüberdengesamtenVergütungszeitraum
von20Jahren.DerReferenzertragwirdkünftignachfünf,zehnund15Jahrenüberprüft,umdie
FörderungbesserandentatsächlichenErtragderAnlageanzupassen.
o HintergrundzurBerechnungderVergütungshöhe:DerZuschlagswertwird fürden100Prozent-
ReferenzertragswertmiteinemKorrekturfaktormultipliziert.DafürwerdenimEEGStützwertein
Dezimalschritten zwischen 70 und 150 Prozent festgelegt. Zwischen benachbarten Stützwerten
44
BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
wird linear interpoliert. Unterhalb eines Referenzertragswerts von 70 Prozentwird der Korrek-
turfaktornichtweitererhöht.DieKorrekturfaktorenwurdensogewählt,dasseindeutschlandwei-
terAusbauunterstütztundgleichzeitigwindhöffigereStandortestärkerangereiztwerden.Eswer-
denfolgendeStützwertefürdieKorrekturfaktorenvorgeschlagen:
• DerHöchstwertfürdieGebotewirdmit7,0CentproKilowattstundefürden100Prozent-Referenzstandort
über20Jahrefestgelegt.DieserWertentsprichtgrobdembisherigenVergütungssatzindemzweistufigen
Referenzertragsmodell(Mischkalkulation).DerWertwirdautomatischjährlichumeinProzentabgesenkt.Je
nachWettbewerbsbedingungenundKostensituationkanndieBNetzAdenWertauchumbiszuzehnProzent
höheroderniedrigerfestsetzen.
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BÜRGERWIND-PERSPEKTIVENAUSNRWUNDDERWELT
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