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RÜCKSICHT EINE VERLAGSBEILAGE DER BERLINER ZEITUNG •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• IM BERLINER STRASSENVERKEHR Eine Kampagne für ein besseres Miteinander. Ein Plan für mehr Radverkehr in der Stadt. Eine Erklärung für aggressives Verhalten.

Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

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Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

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Page 1: Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

RÜCKSICHTE I N E V E R L A G S B E I L A G E D E R B E R L I N E R Z E I T U N G

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IM BERLINER STRASSENVERKEHR

Eine Kampagne für einbesseres Miteinander.

Ein Plan für mehrRadverkehr in der Stadt.

Eine Erklärung füraggressives Verhalten.

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2 I R Ü C K S I C H T FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE

S eit Mai 2012 läuft die Kam-pagne „Rücksicht im Stra-ßenverkehr“ in Freiburg und

Berlin im Testbetrieb. Sie wird vomBundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung, demDeutschen Verkehrssicherheits-rat, der Unfallforschung der Versi-cherer sowie mit Sponsorengel-dern finanziert. Ihre Botschaft istein Plädoyer für mehr Aufmerksam-keit im Straßenverkehr. Etwas, daswir alle gern beanspruchen, imZweifelsfall aber von den anderenerwarten. Der Kampagnenschwer-punkt ist der Sicherheit der Radlergewidmet. Die Macher reagierenauf die dynamischste Verkehrsteil-nehmergruppe. Mehr als zehn Pro-zent der Wege in Deutschland wer-den von Pedalrittern gespurt. InBerlin sind es etwa 15 Prozent, undder Radverkehr ist seit 2000 ummehr als 40 Prozent gewachsen.Der Senat will die Zahl der mit demRad zurückgelegten Wege bis2025 auf 18 bis 20 Prozent erhö-hen. Heute steigen Berliner täglichfür 1,5 Millionen Wege aufs Rad.

Wissenschaftler erkennen,dass beim Radfahren fünf Zu-kunftstrends zusammenkommen:Kostenbewusstsein, Klimaschutz,gesunde Lebensführung, Zeiter-sparnis und ethisches Handeln.

Zunehmende Aggressivität

Der Trend hat aber auch seineSchattenseiten. Radfahrer bewe-gen sich in einem Spannungsfeld.Sie operieren in den engen Gren-zen zwischen Fahrbahn und Bürger-steig. Und sie leben ihr Freiheitsge-fühl gelegentlich wider diegeltenden Regeln aus. Die wie-derum stammen – inklusive desdarauf gegründeten Sicherheits-verständnisses – meist aus einerZeit, als das Auto noch das Mono-pol mobiler Freiheit verkörperteund dieses im Straßenraum poli-tisch gehätschelt wurde. Dochdiese Zeiten sind langsam vorbei.Das Zusammenspiel von Fußgän-gern, Radlern und Autofahrernmuss koordiniert werden. Das weitverbreitete und zugleich schwer be-legbare Gefühl zunehmender Ag-gressivität auf der Straße ist ein In-dikator, dass dies nicht so leichtist. Wie reagieren? Neue, bessereRegeln? Eine modernere Infra-struktur? Gewiss, aber das dauert,und dies ist leider auch kein Wan-del zum Nulltarif. Da liegt es nahe,sich einer Ressource zu besinnen,ohne die es kaum gute Nachbarngäbe, ohne die kein Konzertbesuchfunktionierte und ohne die dieFahrt in der S-Bahn dem Vorhof zurHölle gliche: Rücksicht!

Eine Dose RücksichtMit einer modernen Werbe-Kampagne soll das gegenseitige Aufeinander-Achten im Straßenverkehr wieder ein geschätzter Wert werden

Immer da, wo sich eine Gruppeauf ein gemeinsames Interesseverständigen kann, ist Rücksichtmöglich. Aber auf und entlang derStraße ist die Gruppe sehr großund heterogen. Das gemeinsameZiel, gut und sicher ankommen,wird vielfach von anderen Interes-sen oder Gefühlen überlagert.

Verkehrskampagnen der Ver-gangenheit kamen oft belehrend,manchmal drohend daher. Dieneue Kampagne, die auf „Rück-sicht“ setzt, will ihre Botschaft mitden Mitteln der Werbung untersVolk bringen. „Rücksicht im Stra-ßenverkehr“ präsentiert sich nichtals Imperativ. Sie tritt uns als Pro-duktpräsentation gegenüber. Esgeht um eine Dose, eine sinnbildli-che Dose – Rücksicht als Marken-produkt. „Wirkt sofort! Kostet kei-nen Cent!“ Der Verkäufer derRücksicht-Dose, Christophorus,Schutzheiliger der Reisenden, trittnicht als Engel oder Polizist auf. Erist ein Schlipsträger – ein moder-ner Werbebotschafter eben.

Sympathische Geschichte

Je unsympathischer der Typ, destosympathischer seine Geschichte.Die Macher der Kampagne zeigenim Internet, wie Christophoruseinst war. Ein Bettelmönch mitPappschild („Nehmt mehr Rück-sicht“), den jeder verhöhnt und mitFüßen getreten hatte. Seine be-scheiden daher gebrachte Bitte istin der Kampagne nun zur moder-nen Marke mutiert (die Dose!), ummit ihrem schicken Image erfolg-reich Wirkung zu entfalten.

Dieser moderne Christophorusverdient eine Chance. Seit Mai2012 – und nun auch wieder in die-sem Jahr – verkündet er seine Bot-schaften auf Plakaten, im Radio,bei Facebook und Youtube.

Der stylische DosenverkäuferChristophoprus widmet sich typi-schen Konfliktfeldern zwischenRadlern, Fußgängern und Autofah-rern (siehe Seite 6/7). Man wirdseine aalglatte Erscheinungschwerlich ins Herz schließen,aber man wird sich an ihn erinnern.Und sein Anliegen nicht vergessen.Im Grunde wissen wir ja alle Be-scheid. Rücksicht ist wichtig. Wirbrauchen diese uns eigentlichnicht aufschwatzen zu lassen. Wirkönnen sie leben. Jeden Tag – zumNutzen aller. (mwo.)

Weitere Infos unter:www.rücksicht-im-strassenverkehr.dewww.berlin-nimmt-rücksicht.dewww.freiburg-nimmt-rücksicht.de

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FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE R Ü C K S I C H T I 3

S ie werden immer mehr. Rad-fahrer gehören wie früherwieder zum Berliner Stra-

ßenbild. Das geht allerdings nichtimmer ohne Konflikte ab. Fahrrad-fahrer kritisieren, dass der Senatnicht genug Geld für neue Wegeund Fahrspuren ausgibt. MichaelMüller (SPD), Berlins Senator fürStadtentwicklung und Umwelt, willzwischen den Verkehrsteilneh-mern vermitteln. Doch an seinemZiel hält er fest: Er will, dass in Ber-lin noch mehr Rad gefahren wird.

Herr Müller, wann waren sie zuletztmit dem Fahrrad unterwegs?

Wegen des Winterwetters istdas schon etwas länger her. Ich binab und zu mit meiner Familie aufdem Tempelhofer Feld unterwegs.Im November sind wir mit dem Radam Südkreuz, dem neuen Grünzugzwischen Schöneberg und Neu-kölln, über die Bahngleise hinwegauf einer neuen Brücke zur Schöne-berger Insel gefahren. Ich hatteden Weg kurz zuvor mit Vertreterndes Bezirkes eröffnet und war aufdiese neue Verbindung neugierig.

Und? Empfehlenswert?Ja, auf jeden Fall. Eine schnelle

Verbindung, und man ist nicht imAutoverkehr. Der Weg führt durchViertel, die man als Autofahrer nor-malerweise nicht so wahrnimmt.

Würden Sie anderen empfehlen, inBerlin Fahrrad zu fahren?

Ja klar! Gerade für die vielenkurzen Wege, die man am Tag sozurücklegt, bietet sich das an. Mankann in Berlin gut und sicher Radfahren.

„Wir haben uns viel vorgenommen“Stadtentwicklungssenator Michael Müller plant höhere Ausgaben für den Radverkehr. Er ärgert sich über Gehwegradler und Bierbikes

Viele Radfahrer sagen allerdings,dass Berlin vom Prädikat „Fahrrad-stadt“ noch weit entfernt sei.

Wir sind in den letzten Jahrenvorangekommen, aber es ist auchnoch einiges zu tun. Wir haben unsviel vorgenommen. Weitere Fahr-radstreifen werden auf den Fahr-bahnen markiert, um Radfahrer zugleichberechtigten Verkehrsteil-nehmern zu machen. Die Parksitu-ation muss verbessert werden, vorallem an Bahnhöfen. Und wir be-mühen uns darum, dass in Berlinein Fahrradparkhaus gebaut wird.

Für neue Wege und Radverkehrsan-lagen stehen in Berlin in diesem Jahr3,5 Millionen Euro zurVerfügung, fürdie Sanierung bestehender Rad-wege sind zwei Millionen Euro einge-plant. Reicht das aus für eine dergrößten Städte Europas?

Wir streben an, den Betrag, denwir pro Jahr und Einwohner für Rad-verkehrsanlagen ausgeben, vonderzeit rund zwei Euro in dennächsten Jahren schrittweise auffünf Euro zu erhöhen. So, wie esauf nationaler Ebene vorgesehenist. Aber das ist ein harter Vertei-lungskampf.

Werden Sie bei den in diesem Jahranstehenden Haushaltsberatungendes Senats mehr Geld für den Fahr-radverkehr beantragen?

Ja. Für 2013 stehen uns für denBau neuer Radverkehrsanlagen,für die Sanierung bestehenderRadwege und für das Leihfahrrad-system StadtRad 6,5 MillionenEuro zur Verfügung. Für2014/2015 wollen wir 7,5 Millio-nen Euro pro Jahr beantragen – je-

weils 0,5 Millionen mehr für Neu-bau und Sanierung.

Bis wann wollen Sie die Ausgabenpro Jahr und Berliner Einwohner auffünf Euro erhöht haben?

Schrittweise in den nächstenzwei bis drei Haushaltsberatun-gen. Wichtig ist aber auch, dassdas Geld, das zur Verfügung steht,auch verbaut wird.

Das hieße:Wenn Sie tatsächlich fünfEuro pro Jahr und Berliner zur Verfü-gung hätten, könnten Sie das Geldnicht ausgeben, weil die Bezirksver-waltungen nicht genug Personalhaben?

Entsprechende Kapazitäten fürdie Umsetzung gehören dazu. Vonheute auf morgen geht das nicht,auch darum sollen die Ausgabenschrittweise erhöht werden.

Radfahrer haben allerdings nichtnur Freunde.

In der Tat. Gerade ältere Men-

schen sehen Radfahrer, die mit ho-her Geschwindigkeit über Gehwegefahren, als Risiko. Manch einerfühlt sich dadurch belästigt und ge-fährdet. Das kann ich verstehenund nachvollziehen. Deshalb gibtes ja unsere Kampagne für mehrRücksicht im Straßenverkehr: Je-der muss auf jeden achten. Jederist auch mal zu Fuß unterwegs,auch Radfahrer laufen gelegent-lich. Wir sind alle Bürger dieserStadt. Wie wir zusammenleben, istunser aller Thema und unsere Auf-gabe.

Sind die Berliner Radfahrer Rüpel-radler?

Nein, das glaube ich nicht, undich teile solche Pauschalurteilenicht. Ich habe mich schon im ver-gangenen Jahr dagegen gewehrt,als Bundesverkehrsminister Ram-sauer diese Begriffe benutzte. Esgibt immer schwarze Schafe, auchbei den Auto- und Motorradfahrern.Aber die meisten Verkehrsteilneh-mer verhalten sich richtig und rück-sichtsvoll. Manchmal wundere ichmich allerdings darüber, dass ei-nige Radfahrer nicht die einfachs-ten Verkehrsregeln zu kennenscheinen – zum Beispiel rechts vorlinks auf gleichrangigen Straßen.

Immer mehr ausländische Touristenbewegen sich in Gruppen auf zweiRädern durch Berlin, meist ziemlichunbeholfen und wackelig. Ist das einProblem?

Nein, so etwas muss der Haupt-stadtverkehr verkraften können,das gehört dazu. Natürlich führtdas auch mal zu Unmut, zum Bei-spiel wenn solche Gruppen auf ei-

ner Busspur unterwegs sind. Aberwir freuen uns über die Menschen,die in unsere Stadt kommen undsich nicht mit dem Auto bewegen,sondern Berlin anders erleben wol-len. Außer, wenn sie auf einemBierbike unterwegs sind und grö-lend unsere Straßen blockieren.Das empfinde nicht nur ich als Be-lästigung, und darum wollen wir re-striktiver als bisher damit umge-hen.

Radfahrer entgegnen, dass sie vonden Autofahrern ignoriert, überse-hen, schlecht behandelt werden.

Das liegt nicht selten an derbaulichen Situation. Darum ist esso wichtig, dass wir weiter daran ar-beiten, mehr Fahrradstreifen aufden Fahrbahnen anzulegen. Damitdie Radfahrer zu gleichberechtig-ten Verkehrsteilnehmern werden,die von den Autofahrern besser ge-sehen werden als auf Radwegen,die auf Gehwegen verlaufen. Aufklassischen Radwegen ist es oft sobeengt, dass Radfahrer keineChance haben auszuweichen,wenn plötzlich eine Autotür auf-geht.

Was meinen Sie, wird Berlin einmaleine Fahrradstadt wie Amsterdamoder Kopenhagen werden?

Die sind deutlich weiter als wir.In Kopenhagen werden jetzt schonrund 30 Prozent aller innerstädti-schen Wege mit dem Fahrrad zu-rückgelegt. In Berlin sind es derzeitknapp 15, wir streben 20, perspek-tivisch 25 Prozent an. Der Radver-kehr wird auch bei uns immer wich-tiger.Interview: Peter Neumann

BERLINER ZEITUNG

Stadtentwicklungs-Senator MichaelMüller (SPD)

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D as Berliner Radwegenetzhat mittlerweile eine Längevon etwas mehr als 1000

Kilometern. Das sind, lässt mandie Stadtautobahn außer Betracht,rund ein Fünftel der Streckenkilo-meter, die die Stadt dem Auto ge-währt. Weitere 400 Kilometer ste-hen, nach Auskunft derSenatsverwaltung für Stadtent-wicklung und Umwelt, den Radfah-rern auf Wegen „außerhalb des öf-fentlichen Straßenlandes“ zurVerfügung.

Auch in diesem Jahr wird dasNetz, vorrangig durch 14 neue Rad-fahrstreifen auf der Fahrbahn, umweitere 16 Kilometer ergänzt. 3,5Millionen Euro werden dafür ausdem Haushalt eingesetzt. Die Er-weiterung erfolgt in sieben Bezir-ken. Für weitere zwei Mil-lionen Euro werden imgesamten Stadtge-biet 15 vorhan-dene Radwegeauf einer Längevon rundsechs Kilome-tern saniert.Die Maßnahmenim einzelnen:Charlottenburg-Wil-mersdorf: Hier werdendie Lise-Meitner-/Sömmer-ingstraße südlich der Max-Dorn-Straße fahrradfreundlich markiert.Von den Sanierungen sind der Sie-mensdamm zwischen Nikolaus-Groß-Weg und Jakob-Kaiser-Platzauf der Südseite betroffen.Friedrichshain-Kreuzberg: Hierstehen Bestandsverbesserungenin der Blücherstraße zwischenBrachvogelstraße und ZossenerStraße auf der Nordseite sowie inder Prinzenstraße südlich der Git-schiner Straße an.Lichtenberg: Hier werden die Fahr-radwege auf der Südseite der Fal-kenberger Chaussee zwischen Pre-rower Platz und der Brücke, amWeißenseer Weg sowie am Paul-und-Paula-Ufer an der Rummels-burger Bucht verbessert.Marzahn-Hellersdorf: Hier wird dieLandsberger Allee zwischen Mar-zahner Brücke und Allee der Kos-monauten auf der Nordseite neumarkiert.Mitte: Neue Fahrbahnstreifen ent-stehen in der ReinickendorferStraße nördlich der Plantagen-straße, in der Brückenstraße süd-lich des Märkischen Ufers, in derKöpenicker Straße westlich derBrückenstraße und in der Annen-

16 weitere Kilometerexklusiv für Radler

In Berlin gibt es mittlerweile mehr als 1000 KilometerRadwege – und das Netz wird 2013 weiter ausgebaut.

Zudem sind zahlreiche Sanierungen geplant

straße östlich der Heinrich-Heine-sowie in der Stülerstraße. Die Sa-nierungen erfolgen in derSeestraße zwischen Amrumer undMüllerstraße auf der Nordseite, inder Lessingstraße zwischen Les-singbrücke und auf der Nordseiteder Flensburger Straße.Neukölln: Neue Streifen tragenkünftig die Karl-Marx-Straße süd-lich der Silbersteinstraße sowiedie Nordseite der Werbellinstraßeöstlich der Morusstraße.Pankow: Der Bezirk bekommt aufder Heinrich-Mann-Straße sowieauf der Dietzgenstraße zwischenSchiller- und Wackenbergstraßeneue Streifen für Radfahrer.Spandau: Fahrradstreifen entste-hen im Klosterbuschweg nördlichdes Torweges. Die Sanierungen be-

treffen die SchönwalderAllee zwischen Ha-

kenfelder Straßeund Buswende-stelle auf derOstseite so-wie die derNordseite derGartenfelder

Straße westlichder Feldzeug-

meisterstraße.Steglitz-Zehlendorf:

Im Bezirk konzentriert sichdie Sanierung auf die Ostseite derAlbrechtstraße zwischen Stinde-straße und der Bismarckstraßeund die Nordseite des KamenzerDamm zwischen Wedellstraße undMalteserstraße.Tempelhof-Schöneberg: NeueKennzeichnungen werden in derRingstraße westlich der Kaiser-straße und in der Kaiserstraße öst-lich der Machonstraße aufge-bracht. Saniert wird auf demFriedrich-Wilhelm-Platz .Reinickendorf: Die Sanierungs-mittel kommen der Südseite derHolzhauser Straße zwischen Sei-delstraße und Wittestraße sowiedem Weg am Rande der KolonieFrühauf zugute.

Sicher werden noch weitereStreckenabschnitte im Laufe desJahres saniert, wo genau, stehtaber noch nicht fest.

Zudem wird die Einbindung derStadt ins Radfernwegenetz fortge-setzt. Zwei weitere Abschnitte desFernwegs Berlin-Leipzig sollen2013 fertig werden. Ein Dritterkönnte nach Bewilligung des Gel-des hinzukommen. Auch derSpreeradweg sowie der Havelrad-weg werden weiter gebaut. (mwo.)

I m Zimmer am Köllnischen Parkin Mitte steht ein Prototyp fürein neues Leihfahrrad-Design,

Pläne und Gutachten stapeln sichauf den Tischen. Burkhard Hornleitet in der Senatsverwaltung fürStadtentwicklung und Umwelt dasReferat „Grundsatzangelegenhei-ten der Verkehrspolitik, Verkehrs-entwicklungsplanung“. Er ist dortfür die Kampagne verantwortlich.

Herr Horn, wie sind Sie heute zur Ar-beit gekommen?

Mit der U-Bahn-Linie 5.

Normalerweise fahren Sie mit demRad, haben Sie mir mal erzählt.

Das stimmt. Radfahren machtmehr Spaß. Ich bewege mich, auchwenn es nur vier Kilometer pro Wegsind. Als Radfahrer erlebe ich dieStadt anders, intensiver. Und ichbin an der frischen Luft.

Es bedeutet aber auch, dass Sie mitanderen Verkehrsteilnehmern aus-kommen müssen, die sich oft rück-sichtslos verhalten. Worüber ärgernSie sich am meisten?

Manche Autofahrer meinen,sie müssten mich in einer Tempo-30-Zone unbedingt überholen, ob-wohl ich selber schon 30 fahre. Ichärgere mich auch darüber, dass un-übersichtliche Ecken zugeparktsind und dass Autos auf Radstrei-fen abgestellt werden, nur weil

„Es ist ein dickes Brett,Senatsplaner Burkhard Horn über Rücksichtslosigkeit im Verkehr, nervige

sich der Fahrer mal eben einen Kaf-fee holen will. Dass ich von abbie-genden Autos geschnitten werde,ist ebenfalls Alltag in Berlin. Ich är-gere mich allerdings auch über an-dere Radfahrer. Zum Beispiel sol-che, die mich links überholen,wenn ich vor einer roten Ampelstehe und dann direkt vor mirrechts abbiegen, wenn es grün wirdund ich geradeaus losfahren will.Und als Fußgänger ärgere ich michüber Radfahrer, die mit unvermin-derter Geschwindigkeit den Geh-weg entlangrasen.

Solche Verhaltensweisen lassen ei-nen nicht kalt. Haben Sie auchschon mal aufgetrumpft?

Berufsbedingt habe ich sichereine bestimmte Brille auf, das liegtin der Sache. Wenn man sich wieich täglich mit Verkehrssicherheitund den Folgen falschen Verhal-tens befasst, hat man manchesverinnerlicht. Aber ich bin kein Hei-liger, natürlich habe ich mich auchschon mal nicht angemessen ver-halten. Zum Beispiel, indem ich ei-nen Gehweg zu schnell gequertoder mein Fahrrad in einem Be-reich abgestellt habe, wo Fußgän-ger behindert werden. Oder dassich beim Einsteigen in die U-Bahnhineindrängele.

Die meisten von uns glauben, dasswir die besten Fahrer sind, es sind

D E R P L A N E R

Burkhard Horn gehört zu denChefplanern in der Verkehrsab-teilung der Senatsverwaltungfür Stadtentwicklung und Um-welt. Der Referatsleiter ist fürdie Masterpläne zuständig –zum Beispiel für den Stadtent-wicklungsplan Verkehr. Der 52-Jährige legt Wert darauf, dassauch Radfahrer und Fußgängerbessere Bedingungen bekom-men. Jüngst hat der Senat dieneue Radverkehrsstrategie be-schlossen, die Fußverkehrs-strategie wird bereits umge-setzt. Nach dem Studium derStadtplanung in Kassel war er inder dortigen StadtverwaltungVerkehrsplaner (1991-95) unddann freiberuflich tätig. 1996bis 2008 leitete er in Göttingendie Abteilung Verkehrsplanung.Dann zog Horn nach Berlin.

BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK

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K eine Verkehrsunfälle mitschweren Personenschä-den im Berliner Stadtge-

biet“, lautet eines der anspruchs-vollen Ziele, dem sich das Forumfür Verkehrssicherheit verpflichtetfühlt. Dabei handelt es sich um einNetzwerk von fast 30 Institutionen,zu dem neben dem Senat und denBezirksämtern alle relevanten Ver-eine und Verbände in der Stadt ge-hören, die bei Verkehrssicherheits-themen zusammenarbeiten. IhreZiele haben sie in einer Charta nie-dergeschrieben, die auch die jewei-ligen Selbstverpflichtungen ent-hält. Seit 2008 informiert einInternetportal über Projekte, Ange-bote und Termine der verschiede-nen Akteure.

Einmal im Jahr treffen sich dieTeilnehmer des Forums, um denneuen Kurs zu bestimmenund den jährlichenVerkehrssicher-heitsbericht zuverabschieden.Er enthält Da-ten und Faktenzur aktuellenSituation unddurchaus auchselbstkritischeEinschätzungenzum Verkehr in Berlin.Denn trotz einer insgesamterfreulichen Entwicklung etwa beiden tödlich Verunglückten ist dieZahl der im Verkehr verletzten Per-sonen mit rund 17000 pro Jahr im-mer noch hoch. Nach zwischenzeit-licher Besserung entspricht sienun wieder dem Stand von 2004,dem Jahr. in dem das Berliner Ver-kehrsforum gegründet wurde. Imjüngsten Sicherheitsbericht 2012heißt es dazu: „Die Unfall- und Ver-unglücktenentwicklung bleibeninsgesamt betrachtet wechselhaftund im Hinblick auf das erklärteZiel unbefriedigend“.

Gegründet wurde das Forummit der Absicht, unter anderem dasVerletzungsrisiko für nicht motori-sierte, „schwache“ Verkehrsteil-nehmer zu senken. Vor fast zehnJahren waren 70 Prozent der Unfall-toten Radfahrer und Fußgänger.Zwar hat sich die Relation nicht ver-ändert, 2012 betrug der Anteil derRadfahrer und Fußgänger sogar 76Prozent. Immerhin aber konnte dieOpferzahl der tödlich Verunglück-ten von damals 77 auf 42 im Jahr2012 Jahr fast halbiert werden.

Was sich im politischen Tages-geschäft mitunter kontrovers aus-

Ein Bündnis für die Sicherheitauf Berlins Straßen

Das Forum für Verkehrssicherheit kümmert sich seit fastzehn Jahren darum, dass die Zahl der Verletzten sinkt.Und es bietet Kurse für Schulkinder und Senioren an

nimmt, geht im Netzwerk durchausauch gemeinsam. So zeigen etwadie Lobbys von Auto und Fahrrad,der ADAC und ADFC, dass man sichzum Thema Verkehrssicherheitüber alle Meinungsverschieden-heiten hinweg verständigen kann.Das Spektrum der Verkehrssicher-heitsarbeit ist so breit, wie sich dieZielgruppen auffächern. So ist derVerkehrsclub Deutschland (VCD)bereits in den Kitas aktiv, um „El-tern davon zu überzeugen, öftermal das Auto stehen zu lassen unddas Kind mit dem Laufrad oder zuFuß zum Kindergarten zu bringen“.Und der ADAC kümmert sich etwain seinem Trainingsprogramm„60plus“ darum, dass die Fahr-künste von Senioren auf der Höheder Zeit bleiben.

Die Präventionsarbeit gilt abervor allem den sogenann-

ten schwachen Ver-kehrsteilnehmern.

2011 nahmen86000 Berlineran den ver-schiedenenProjekten teil.Ein großer Teil

der Arbeit kon-zentrierte sich

auf die Schulen. 58waren in dem Jahr be-

teiligt. Dass das Netzwerkbei aller Gemeinsamkeit keine Har-monieveranstaltung ist, bewies zu-letzt der Bund für Umwelt- und Na-turschutz (BUND). Er kritisierte dieBerliner Verkehrslenkung. Viel zuviele Ampeln wären längst veraltet.„Um die Ampelanlagen in Berlinfußgängerfreundlicher zu machen,braucht die Verkehrslenkung mehrMittel für den Umbau von Kreuzun-gen und die Neuprogrammierungder Ampelschaltungen“, forderteBUND-Verkehrsreferent MartinSchlegel.

Ob der Hinweis auf fruchtbarenBoden fällt, könnte sich in wenigenWochen zeigen. Dann will der Se-nat seine überarbeitete Verkehrs-sicherheitsstrategie bis zum Jahr2020 vorstellen. Darin sollen neueAkzente gesetzt werden, wie eineIntensivierung der Verkehrsüber-wachung und eine verstärkte Mobi-litäts- und Verkehrserziehung. Rad-ler und Fußgänger will man nochstärker in den Mittelpunkt der Maß-nahmen stellen. (mwo.)

Weitere Infos unter:www.berlin-sicher-mobil.de

die anderen, die Probleme verursa-chen. Wie kann die Kampagne fürmehr Rücksicht da ansetzen?

Wir wollen an alle Verkehrsteil-nehmer heran. Auch an diejenigen,die denken, dass sie alles richtigmachen. Wir wollen erreichen,dass solche Einstellungen in Fragegestellt und aufgebrochen werden.Das versuchen wir, indem wir All-tagssituationen aufgreifen, die je-der kennt. Und wir versuchen dieMenschen zu erreichen, über dieunterschiedlichsten Medien undvor Ort im Gespräch.

Das erste Kampagnenjahr ist vorbei.Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Gut. Das Echo bei Sponsorenund Unterstützern war beachtlich.Wir haben offenbar einen Nerv ge-troffen. Schließlich wird das ThemaRücksichtslosigkeit in unserer Ge-sellschaft auch in anderer Hinsichtbreit diskutiert. Wir haben festge-stellt, dass die Kampagne immerbekannter geworden ist. Wir freuenuns über das zunehmende interna-tionale Interesse, über Anfragenaus England, der Schweiz und an-deren Ländern. In Deutschland solldie Kampagne auf weitere Städteausgeweitet werden. Im Mai willder Bund den Staffelstab überge-ben.

Auf die Zahl der Unfälle hat sich dieKampagne nicht ausgewirkt.

Das kann auch nicht das aller-erste Ziel sein. Wir erwarten nicht,dass sich die Kampagne sofortmessbar auf das Unfallgeschehenniederschlägt. Sie ist ein Bausteinder Verkehrssicherheitsarbeit desSenats – neben der Verbesserungder Infrastruktur oder der Überwa-chung des Verkehrs. Bei der Kam-pagne geht es uns darum, die Ein-stellungen der Verkehrsteilnehmerzu ändern. Es ist ein dickes Brett,das wir da bohren. Denn die Ände-rung von eingeübten Verhaltens-routinen ist eine ziemlich schwie-rige Angelegenheit.

Autofahrer sagen, dass die Behör-den dazu beitragen, dass das Ver-kehrsklima schlecht ist – mit zu vie-len schlecht koordiniertenBaustellen oder behindernden Am-pelschaltungen. Haben sie recht?

Die Baustellen bauen wir nichtaus Jux und Tollerei auf, sie sindnotwendig. Wir alle klagen überSchlaglöcher und Frostschäden inden Fahrbahnen, diese Gefahren-stellen müssen beseitigt werden.Ebenso wichtig ist es, unsere Stra-ßen zu sanieren, um sie dauerhaftzu erhalten. Da muss man nun ein-mal akzeptieren, dass es nicht im-mer und überall freie Fahrt gebenkann. Auch eine grüne Ampel-Welleist kein Naturgesetz, sondern hatimmer auch mit physikalischenGrundbedingungen zu tun: Wie weit

sind Knotenpunkte voneinanderentfernt, in welche Richtung fließtwann der Großteil des Verkehrs?

Wie würden Sie dasVerkehrsklima inBerlin beschreiben?Auswärtige mei-nen ja, dass es hier ruppig zugeht.

Das würde ich nicht sagen. Ichselber fühle mich in Berlin nicht un-sicherer als anderswo. Und man-ches funktioniert hier besser. Esgibt weniger Staus. Was die Zahlder Verkehrstoten pro Einwohneranbelangt, rangiert Berlin bei dengroßen Städten weit unten. Berlinist aber auch eine Stadt, deren Ver-kehrsgeschehen sich in den ver-gangenen 20 Jahren stark verän-dert hat. Ein Beispiel: Es sind mehrFahrräder unterwegs als früher.Manch einer braucht da Zeit, umsein Verhalten darauf einzustellen.Und manch einer pocht auf ein-zelne Regeln, um sich durchzuset-zen und vergisst den Paragrafen 1der Straßenverkehrsordnung, dervon uns allen als Verkehrsteilneh-mern Rücksicht verlangt. Das kannim Einzelfall auch mal schiefgehen.In Deutschland kann ich – so zu-mindest oft die Wahrnehmung –kaum damit rechnen, dass die Au-tos schon halten, wenn ich ir-gendwo auf die Fahrbahn trete, umüber die Straße zu kommen. Imscheinbar chaotischen Rom dage-gen schon viel eher.Interview: Peter Neumann.

das wir da bohren“Radfahrer und die Besonderheiten von Berlin im überregionalen Vergleich

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R U N T E R V O M F U S S W E G !

Vorfahrt für Kinder – bis zum achten Lebensjahr müssen sie, bis zum zehn-ten Geburtstag dürfen sie mit dem Rad den Gehweg benutzen. Für alle an-deren Radfahrer ist das Fußgängerterrain allerdings gemäß der geltendenVerkehrsvorschriften tabu. Denn Radler sind, erst recht wenn sie sich Fuß-gängern von hinten annähern, kaum zu hören und schwer wahrzunehmen.Verunsicherung und Erschrecken der Passanten führen zu schwer kalku-lierbaren Reaktionen mit beträchtlichem Unfallpotenzial. RücksichtsvolleRadler steigen deshalb ab oder halten sich von Fußwegen fern.

Für Autos gemachte Ampelphasen sind ein häufiges Ärgernis für Radfah-rer. Doch eine Rechtfertigung für die Missachtung des Rotlichtes sind sienicht. Wo einer „rot“ hat, sieht ein anderer „grün“ und wähnt sich auf si-cherem Kurs. Eine Situation mit erheblichem Unfallpotenzial. Außerdemträgt die Missachtung zum Aufweichen der Regeln bei und sorgt dafür,dass man womöglich selbst zum Opfer des Leichtsinns eines andern wird.Wer rücksichtsvoll handelt, akzeptiert auch unbequeme Stopps und re-spektiert die Interessen anderer.

G E N U G A B S T A N D , B I T T E !

Während der Autofahrer in einem festen Gehäuse aus Plastik und Stahlunterwegs ist, umhüllt den Radfahrer nur seine Kleidung. Ausreichend Ab-stand entspricht dem Sicherheitsbedürfnis des Radfahrers. RasanteFahrmanöver in nächster Nähe provozieren panisches Fehlverhalten. Au-ßerdem: Schreibt kein blau beschilderter Radweg die Benutzung vor, sindFahrräder ganz zu Recht auf der Straße unterwegs. Wer rücksichtsvoll han-delt, hält aufmerksam Abstand und teilt sich gleichberechtigt die gemein-same Verkehrsfläche.

V O R S I C H T I G A U S S T E I G E N !

Wer sein Auto entlang der Fahrbahn abstellt, sollte sich eine Aussteige-Routine antrainieren. Blick in den Rück- und dann in den Seitenspiegel,ehe er die Autotür aufschwingt. Die ist nämlich meist bis zu 1,20 Meterbreit, was im schmalen Verkehrsraum zwischen Bordstein und Fahrbahnfür einen Radfahrer schnell zur Vollsperrung werden kann. Der Radfahrerhält beim Vorbeifahren besser Abstand, reduziert die Geschwindigkeitund schärft die Sinne. Wer rücksichtsvoll einparkt, schaut sich um undrechnet mit Vorbeifahrenden.

K E I N E G E I S T E R F A H R T E N !

Bei keiner anderen Gelegenheit gefährden sich Radfahrer untereinanderso sehr, wie in der Situation, in der sie sich auf Gegenkurs als Geisterfah-rer begegnen. Der Radweg, ist er nicht ausdrücklich für die freie Fahrt inbeide Richtungen freigegeben, verläuft links wie rechts der Straße in glei-cher Richtung wie der Autoverkehr. Manchmal kommt ein Geister-Radlerungeschoren am ordentlich Radelnden vorbei, aber oft begegnen sichauch zwei, die so nicht miteinander gerechnet hatten. Wer rücksichtsvollin die Pedale tritt, kalkuliert auch das Unwahrscheinliche.

I N D I E A U G E N S E H E N !

Sich gegenseitig in die Augen zu sehen, lautet der Vermeidungscode. Umals rechts abbiegender Autofahrer nicht mit einem geradeaus fahrendenRadler auf Kollisionskurs zu geraten, ist Vorsicht angeraten. So wie sichder Autofahrer nicht darauf verlassen kann, dass keiner kommt, kann sichder Radler auch nicht darauf verlassen, dass jeder bremst. Auch wenn derRadler eigentlich freie Fahrt und Vorfahrt hat, ist Vorsicht hier Rücksicht.Denn manchmal sieht der andere nicht, was offensichtlich scheint. Werrücksichtsvoll fährt, rechnet mit den Fehlern der anderen.

In der Dunkelheit ein Buch zu lesen, ist wenig aussichtsreich – kaum aus-sichtsreicher, als nachts mit seinem unbeleuchteten Rad der Verkehrssi-cherheit auf den Zahn fühlen zu wollen. Während ein Radfahrer das Streu-licht eines Autoscheinwerfers recht gut erkennen kann, bleiben demAutofahrer Gegenstände außerhalb seines Lichtkegels verborgen. Ein un-beleuchtetes Rad mit der schmalen Silhouette erkennt der Autofahrerspät – manchmal eben auch zu spät. Wer rücksichtsvoll durch die Dunkel-heit radelt, bleibt besser nicht unsichtbar.

N I C H T B L O C K I E R E N !

Wenn man die Vorherrschaft des Autos beweisen müsste, nirgendwo an-ders ist sie dreister zu beobachten als beim Parken. Nicht nur, dass Autosauf dem Radweg – auch nur kurz – nichts zu suchen haben. Sehr oft stellensie den schmalen Radweg komplett zu. Der Radfahrer wird zum abenteu-erlichen Ausweichmanöver gezwungen. Die Emotionen kochen hoch ange-sichts solch kurzsichtigen Eigennutzes. Der Autofahrer stelle sich vor, einanderer Pkw stünde so unbekümmert in der Einfahrt zu seiner Garage.Wer rücksichtsvoll parkt, vermeidet Zumutungen für andere.

V O R T R I T T L A S S E N !

Der Zebrastreifen ist ein Schutzraum für Fußgänger. Hier soll er im Ver-trauen aufs Anhalten aller anderen Fahrzeuge sicher von einer Straßen-seite auf die andere wechseln können. Auch das Fahrrad gilt als Fahrzeugund muss deshalb dem Fußgänger den Vorrang lassen. Diesen Vertrau-ensschutz würde man als Radfahrer sicher auch gern haben, wenn manmit seinem Drahtesel schiebend den Schutzstreifen überquert. Wer rück-sichtsvoll handelt, macht dem anderen keine Rechte streitig, auf die mansich an seiner Stelle selbst verlassen möchte.

R U N T E R V O M R A D W E G !

Auch Fußgänger und Radfahrer kommen sich mancherorts mitunter näherals ihnen lieb ist. Und dann hat Anstand viel mit respektvollem Abstandzueinander zu tun. So wie der Radweg neben dem Fußgängerweg keinehindernisfreie Hochgeschwindigkeitspiste darstellt, ist die benachbarteFahrradstrecke kein Platz fürs unbekümmerte Flanieren. TagträumendeFußgänger und stur geradeaus blickende Radfahrer sollten einander ach-ten und auf einander achten. Wer rücksichtsvoll handelt, vermeidet ei-gene und fremde Schmerzen.

R O T A C H T E N ! N A C H T S L I C H T A N !Aufgepasst!Zehn brenzlige

Situationensorgen immer wieder

für Unfälle.Mit etwas Rücksicht

lassen sichKonflikte vermeiden.

Page 7: Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

6 I R Ü C K S I C H T FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE R Ü C K S I C H T I 7

R U N T E R V O M F U S S W E G !

Vorfahrt für Kinder – bis zum achten Lebensjahr müssen sie, bis zum zehn-ten Geburtstag dürfen sie mit dem Rad den Gehweg benutzen. Für alle an-deren Radfahrer ist das Fußgängerterrain allerdings gemäß der geltendenVerkehrsvorschriften tabu. Denn Radler sind, erst recht wenn sie sich Fuß-gängern von hinten annähern, kaum zu hören und schwer wahrzunehmen.Verunsicherung und Erschrecken der Passanten führen zu schwer kalku-lierbaren Reaktionen mit beträchtlichem Unfallpotenzial. RücksichtsvolleRadler steigen deshalb ab oder halten sich von Fußwegen fern.

Für Autos gemachte Ampelphasen sind ein häufiges Ärgernis für Radfah-rer. Doch eine Rechtfertigung für die Missachtung des Rotlichtes sind sienicht. Wo einer „rot“ hat, sieht ein anderer „grün“ und wähnt sich auf si-cherem Kurs. Eine Situation mit erheblichem Unfallpotenzial. Außerdemträgt die Missachtung zum Aufweichen der Regeln bei und sorgt dafür,dass man womöglich selbst zum Opfer des Leichtsinns eines andern wird.Wer rücksichtsvoll handelt, akzeptiert auch unbequeme Stopps und re-spektiert die Interessen anderer.

G E N U G A B S T A N D , B I T T E !

Während der Autofahrer in einem festen Gehäuse aus Plastik und Stahlunterwegs ist, umhüllt den Radfahrer nur seine Kleidung. Ausreichend Ab-stand entspricht dem Sicherheitsbedürfnis des Radfahrers. RasanteFahrmanöver in nächster Nähe provozieren panisches Fehlverhalten. Au-ßerdem: Schreibt kein blau beschilderter Radweg die Benutzung vor, sindFahrräder ganz zu Recht auf der Straße unterwegs. Wer rücksichtsvoll han-delt, hält aufmerksam Abstand und teilt sich gleichberechtigt die gemein-same Verkehrsfläche.

V O R S I C H T I G A U S S T E I G E N !

Wer sein Auto entlang der Fahrbahn abstellt, sollte sich eine Aussteige-Routine antrainieren. Blick in den Rück- und dann in den Seitenspiegel,ehe er die Autotür aufschwingt. Die ist nämlich meist bis zu 1,20 Meterbreit, was im schmalen Verkehrsraum zwischen Bordstein und Fahrbahnfür einen Radfahrer schnell zur Vollsperrung werden kann. Der Radfahrerhält beim Vorbeifahren besser Abstand, reduziert die Geschwindigkeitund schärft die Sinne. Wer rücksichtsvoll einparkt, schaut sich um undrechnet mit Vorbeifahrenden.

K E I N E G E I S T E R F A H R T E N !

Bei keiner anderen Gelegenheit gefährden sich Radfahrer untereinanderso sehr, wie in der Situation, in der sie sich auf Gegenkurs als Geisterfah-rer begegnen. Der Radweg, ist er nicht ausdrücklich für die freie Fahrt inbeide Richtungen freigegeben, verläuft links wie rechts der Straße in glei-cher Richtung wie der Autoverkehr. Manchmal kommt ein Geister-Radlerungeschoren am ordentlich Radelnden vorbei, aber oft begegnen sichauch zwei, die so nicht miteinander gerechnet hatten. Wer rücksichtsvollin die Pedale tritt, kalkuliert auch das Unwahrscheinliche.

I N D I E A U G E N S E H E N !

Sich gegenseitig in die Augen zu sehen, lautet der Vermeidungscode. Umals rechts abbiegender Autofahrer nicht mit einem geradeaus fahrendenRadler auf Kollisionskurs zu geraten, ist Vorsicht angeraten. So wie sichder Autofahrer nicht darauf verlassen kann, dass keiner kommt, kann sichder Radler auch nicht darauf verlassen, dass jeder bremst. Auch wenn derRadler eigentlich freie Fahrt und Vorfahrt hat, ist Vorsicht hier Rücksicht.Denn manchmal sieht der andere nicht, was offensichtlich scheint. Werrücksichtsvoll fährt, rechnet mit den Fehlern der anderen.

In der Dunkelheit ein Buch zu lesen, ist wenig aussichtsreich – kaum aus-sichtsreicher, als nachts mit seinem unbeleuchteten Rad der Verkehrssi-cherheit auf den Zahn fühlen zu wollen. Während ein Radfahrer das Streu-licht eines Autoscheinwerfers recht gut erkennen kann, bleiben demAutofahrer Gegenstände außerhalb seines Lichtkegels verborgen. Ein un-beleuchtetes Rad mit der schmalen Silhouette erkennt der Autofahrerspät – manchmal eben auch zu spät. Wer rücksichtsvoll durch die Dunkel-heit radelt, bleibt besser nicht unsichtbar.

N I C H T B L O C K I E R E N !

Wenn man die Vorherrschaft des Autos beweisen müsste, nirgendwo an-ders ist sie dreister zu beobachten als beim Parken. Nicht nur, dass Autosauf dem Radweg – auch nur kurz – nichts zu suchen haben. Sehr oft stellensie den schmalen Radweg komplett zu. Der Radfahrer wird zum abenteu-erlichen Ausweichmanöver gezwungen. Die Emotionen kochen hoch ange-sichts solch kurzsichtigen Eigennutzes. Der Autofahrer stelle sich vor, einanderer Pkw stünde so unbekümmert in der Einfahrt zu seiner Garage.Wer rücksichtsvoll parkt, vermeidet Zumutungen für andere.

V O R T R I T T L A S S E N !

Der Zebrastreifen ist ein Schutzraum für Fußgänger. Hier soll er im Ver-trauen aufs Anhalten aller anderen Fahrzeuge sicher von einer Straßen-seite auf die andere wechseln können. Auch das Fahrrad gilt als Fahrzeugund muss deshalb dem Fußgänger den Vorrang lassen. Diesen Vertrau-ensschutz würde man als Radfahrer sicher auch gern haben, wenn manmit seinem Drahtesel schiebend den Schutzstreifen überquert. Wer rück-sichtsvoll handelt, macht dem anderen keine Rechte streitig, auf die mansich an seiner Stelle selbst verlassen möchte.

R U N T E R V O M R A D W E G !

Auch Fußgänger und Radfahrer kommen sich mancherorts mitunter näherals ihnen lieb ist. Und dann hat Anstand viel mit respektvollem Abstandzueinander zu tun. So wie der Radweg neben dem Fußgängerweg keinehindernisfreie Hochgeschwindigkeitspiste darstellt, ist die benachbarteFahrradstrecke kein Platz fürs unbekümmerte Flanieren. TagträumendeFußgänger und stur geradeaus blickende Radfahrer sollten einander ach-ten und auf einander achten. Wer rücksichtsvoll handelt, vermeidet ei-gene und fremde Schmerzen.

R O T A C H T E N ! N A C H T S L I C H T A N !Aufgepasst!Zehn brenzlige

Situationensorgen immer wieder

für Unfälle.Mit etwas Rücksicht

lassen sichKonflikte vermeiden.

Page 8: Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

8 I R Ü C K S I C H T FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE

B isher nutzt nur ein kleinerTeil der Berliner Radfahrerdas Zweirad, um damit län-

gere Strecken zurückzulegen. 3,7Kilometer sind es im Durchschnitt.Nach den Überlegungen der Ver-kehrsplaner sollen es mehr wer-den, um die Stadt weiter vom Auto-verkehr zu entlasten. Wer größereDistanzen überwinden will, beziehtoft auch öffentliche Verkehrsmittelin seine Reiseplanung mit ein.

Allein die S-Bahn in Berlin trans-portiert bereits etwa 18 MillionenFahrräder im Jahr, an manchen Ta-gen bis zu 60000. An fast drei Vier-teln der S-Bahnhöfe gibt es mehrals 10000 Abstellplätze. Im Tages-geschäft klappt die Mitnahme aller-dings nicht immer reibungslos. WieS-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitzsagt, findet nicht jeder Radfahrer indas zur Mitnahme vorgeseheneMehrzweckabteil und wird dannzum Hindernis oder Sitzplatzblo-ckierer. Jens Wieseke vom BerlinerFahrgastverband wird noch etwasdeutlicher. „Wir sehen an manchenTagen die Mitnahmekapazitätenbereits erreicht.“ Im Gerangel zwi-schen Radfahrern und anderenPassagieren sei es bereits zu Ver-letzungen gekommen. Wiesekewünscht sich eine bessere Kennt-nis der in allen öffentlichen Ver-kehrsmitteln geltenden Beförde-rungsbestimmungen, die einenVorrang der Passagiere ohne Radvorsehen. „Dann kommen die Kin-derwagen und die Rollstuhlfahrer,und wenn dann noch Platz ist, dieBiker“, sagt er.

Für die BVG, die inzwischen mitIsabel Heins auch eine eigeneFahrradbeauftragte hat, drückt derSchuh an einer anderen Stelle.Zwar stiegen auch in U-Bahn undStraßenbahn die Beförderungszah-len, 2012 verkaufte man sechsProzent mehr Fahrradtickets als2011. Engpässe seien bislangaber selten. „Das Thema Rück-sicht würden wir vorrangig bei dergemeinsamen Nutzung der Bus-spur verorten“, sagt Isabel Heins.Dort fühlten sich die Busfahrer mit-unter vom Radverkehr ausge-bremst. Gemeinsam mit dem ADFCsetze man sich deshalb für neueBusspuren mit einer Mindestbreitevon 4,75 Meter ein. (mwo.)

Rücksichtin vollen Zügen

S-Bahn ist bei Radlern beliebt

B is zum Jahr 2025 wird derRadverkehrsanteil in derStadt von gegenwärtig etwa

15 Prozent auf gut ein Fünftel an-wachsen. Von diesen Erwartungengeht die jüngst beschlossene neueRadverkehrsstrategie des BerlinerSenats aus. Sie setzt darauf, dasssich im selben Zeitraum die Zahlder tödlich verunglückten Radfah-rer um 40 Prozent, die der Verletz-ten um 30 Prozent verringern lässt.Dass das sehr wohl eine Heraus-forderung ist, lässt sich erahnen,wenn man sich allein das Unfalljahr2012 anschaut. Etwa alle zweiStunden musste die Polizei wegeneines verunglückten Radfahrersausrücken. An sechs Prozent dermehr als 130000 Verkehrsunfällewaren Radfahrer beteiligt. Wie dieStatistik auch verrät, verletztensich 4533 dabei leicht und 628schwer. Für 15 endete die Radfahrttödlich. An sie erinnern die 15 wei-ßen „Geisterräder“, die der Allge-meine Deutsche Fahrradclub(ADFC) zur Mahnung an den Unfall-stellen installierte.

Diese Mahnung ist berechtigt,denn der Anteil der Radfahrer amUnfallgeschehen ist auffallendhoch. „Obwohl diese Gruppe nurmit 5,6 Prozent am Unfallaufkom-men beteiligt ist, zeigen sich Rad-fahrer in der Verunglücktenbilanzstark überrepräsentiert“, sagte Po-lizeipräsident Klaus Kandt. „Nur indieser Risikogruppe ist ein deutli-cher Anstieg der Verkehrstotenfestzustellen“, so Kandt. Ein Plusvon 36 Prozent. Bei Fußgängernnahm der Anteil ab, bei Autofah-rern blieb er etwa gleich. Insge-samt forderte der Berliner Verkehr2012 42 Todesopfer. Dabei sahendie Zahlen 2010 schon mal sehr

Risiko auf zwei Rädern2012 kamen 15 Radler auf Berlins Straßen ums Leben – das sind vier mehr als im Jahr zuvor

viel besser aus, als die Stadt denTiefststand von sechs getötetenRadfahrern verzeichnete.

Der Trend hat sich umgekehrt,die Ursachen sind geblieben. Amhäufigsten waren es Fehler beimAbbiegen, überwiegend von Lkw-Fahrern begangen, die den Radlernzum Verhängnis wurden. Aber auchuntereinander – meist im Gegen-verkehr – kommen sich Radfahrermitunter gefährlich in die Quere.Fast ein Drittel der 52 tödlichen Un-fälle seit 2008 geschah auf dieseWeise, wie der ADFC bilanziert.

War von den Todesfällen haupt-sächlich die Altersgruppe der über60-Jährigen betroffen, schätzendie Verkehrsexperten das allge-meine Unfallrisiko für Fahrradfah-rer verteilter ein. Der jüngste Be-richt des Berliner Verkehrs-sicherheitsforums erkennt auchHandlungsbedarf für die Alters-gruppen von Kindern zwischen elfund 17 Jahren sowie für die der„Mittelalten“ zwischen 25 und 64Jahren. Während die ganz Jungenund die Senioren über 75 eher alsFußgänger aufpassen müssen. Einerhöhtes Radfahrrisiko listet derBericht für Friedrichshain-Kreuz-berg, Pankow, Mitte und Treptow-Köpenick auf. Für Fußgänger sindNeukölln, Mitte, Charlottenburgund Friedrichshain-Kreuzberg Be-zirke verstärkter Aufmerksamkeit.

Im Städtevergleich gilt die Berli-ner Unfallstatistik nicht als drama-tisch. Anlässe zum Handeln bietetsie dennoch genug. Unter anderemdurch die Ausdehnung des Rad-streifen-Netzes auf Fahrbahnenversucht die Senatsverwaltung fürStadtentwicklung und Umwelt, dieGefahr beim Rechtsabbiegen ein-zudämmen. (mwo.)

B E R L I N E R Z E I T U N G / A N J A K Ü H L ; QU E L L E : U N FA L L B E R I C H T B E R L I N

Hauptunfallursachen von Radfahrern186201

227229

211232

321345343

427662

619966

1 1081 113

falsches Ver-halten gegenüberFußgängern

Alkoholeinfluss

nicht angemesseneGeschwindigkeit

Fehler beim Ein-fahren in denfließenden Verkehr

Benutzung derfalschen Fahrbahn

201020112012

B E R L I N E R Z E I T U N G / A N J A K Ü H L ; QU E L L E : U N FA L L B E R I C H T B E R L I N

Hauptunfallursachen von anderen Verkehrsteilnehmer bei Radunfällen646456

148154156

402475

457519

651608

1 1801 4411 461

Nichtbeachten derVerkehrsregelung

UngenügenderSicherheitsabstand

Fehler beim Ein-fahren in denfließenden Verkehr

Nichtgewährender Vorfahrt

Fehler beimAbbiegen

201020112012

FRIEDRICHSHAIN

KREUZBERG

MITTE

Unter den Linden

Hein

rich-

Hein

e-St

r.

Mühlenstr.

Karl-Marx-AlleeGrun

erst

r.

Oranienstr.Gitschiner Str.

Skalitzer Str.

Wilhelm

str.Friedrichstr.

Otto-Braun-Str./Mollstr.17 beteiligte Radfahrer(10 Leichtverletzte)

Kottbusser Tor17 beteiligte Radfahrer(10 Leichtverletzte)

Frankfurter Tor 13 beteiligteRadfahrer (4 Schwer-/7 Leichtverletzte)

Mühlenstr./Stralauer Allee/Warschauer Str./Am Oberbaum17 beteiligte Radfahrer (10 Leichtverletzte)

Otto-Braun-Str. Alexanderstr./Karl-Marx-Allee16 beteiligte Radfahrer(3 Schwer-/6 Leichtverletzte)

Moritzplatz17 beteiligte Radfahrer(13 Leichtverletzte)

Blücherstr./Zossener Str.13 beteiligte Radfahrer(1 Schwer-/ 11 Leicht-verletzte)

Verkehrsunfallbrennpunktemit Radfahrern

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Page 9: Rücksicht im Berliner Straßenverkehr

FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE R Ü C K S I C H T I 9

M it der wachsenden Zahlvon Radfahrern wächstauch deren Verantwor-

tung gegenüber anderen Verkehrs-teilnehmern, die geltenden Regelnim Straßenverkehr einzuhalten.Das machen auch die neuen, seitdem 1. April leicht angehobenenBußgelder für eine Reihe von Ver-stößen deutlich – so kostet bei-spielsweise künftig das Nichtbe-nutzen eines beschildertenRadwegs 20 bis 35 Euro. Die Buß-gelder basieren auf der Novelle derStraßenverkehrsordnung (StVO),deren Auswirkungen auf den Rad-verkehr der Allgemeine DeutscheFahrrad-Club (ADFC) grundsätzlichbegrüßt. „Wenn Städte und Ge-meinden die neue StVO konse-quent umsetzen, stärken sie denRadverkehr und machen ihn siche-rer“, sagt der ADFC-Bundesvorsit-zende Ulrich Syberg. Zu den we-sentlichsten Änderungen zählt dieGleichstellung der Fahrbahnstrei-fen als Radweg mit den bisherigenFahrradwegen neben dem Gehweg.Unter Verkehrsexperten hat sichim Unterschied zum subjektivenEmpfinden vieler Radler die Mei-nung durchgesetzt, dass die Rad-streifen auf der Fahrbahn sicherersind – weil sich Auto- und Radfahrergegenseitig besser wahrnehmen.

Die aufgewerteten Fahrbahn-streifen haben Folgen: „Zukünftiggelten Ampeln für die Fahrbahnauch für Radfahrer. Nach Fußgän-gerampeln mit ihren kurzen Grün-phasen müssen sie sich nichtmehr richten“, so der ADFC. Woaber noch die Fahrradampeln in Be-trieb sind, müssen diese beachtetwerden. Solange für Radwege ne-ben Gehwegen keine Fahrradsig-nale eingerichtet sind, müssenRadfahrer die Fußgängerampelnbefolgen.

Akzeptanz und Nutzung derFahrbahnstreifen dürften auch da-von abhängen, wie es gelingt,diese von parkenden Autos freizu-halten. So weist der ADFC-Berlindarauf hin, dass hier „grundsätz-lich nicht mehr geparkt“ werdendürfe. Das Befahren durch Kfz seinur bei besonderer Verkehrslage,etwa um Gegenverkehr auszuwei-chen, erlaubt.

Neu regelt die StVO die Benut-zung von Fahrradwegen auf der lin-ken, also der entgegen zur Fahrt-richtung verlaufenden Seite. Sie istdann erlaubt, wenn diese Wegenicht mit einem blauen Fahrrad-wegzeichen markiert sind. Außer-dem müssen diese Wege durchdas allein stehende Zusatzzeichen„Radverkehr frei“ gekennzeichnetsein. (mwo.)

Gleichberechtigtauf der Straße

Neue Regeln im Verkehr

D ie steigende Zahl der Rad-fahrer ist nicht jedem Auto-fahrer geheuer. Mitunter

geraten beide Parteien heftig an-einander. Die Ursachen der Span-nungen untersucht SiegfriedBrockmann, 53, Leiter der Unfall-forschung beim Gesamtverbandder Versicherer (GDV).

Herr Brockmann, sollten nicht dieStraßenverkehrsregeln dafür sor-gen, dass sich der Frust auf derFahrbahn in Grenzen hält?

Nur beobachten wir immer öf-ter, dass diese Regeln nach den ei-genen Bedürfnissen ausgelegtwerden. Sie sehen das an der Zahlder Geschwindigkeitsüberschrei-tungen, an der Missachtung desRotlichts und dergleichen. Bei Rad-fahrern passieren solche egoisti-schen Interpretationen sehr häufigmit dem Argument: Ich schädigedoch niemanden. Aber das kannsich schon im nächsten Momentals verhängnisvoller Irrtum erwei-sen.

Warum haben Auto- und Radfahrerso häufig Stress miteinander?

Das hängt unter anderem mitzwei sehr verschiedenen Wirklich-keitswahrnehmungen zusammen.Für den Radfahrer stellen Masseund Geschwindigkeit eines sichschnell annähernden Autos auchohne unmittelbaren Konflikt be-reits eine Bedrohung dar. Währendder Autofahrer, sobald er eingestie-gen ist, seine Fähigkeit zum Mitge-fühl für andere Verkehrsteilnehmereinzubüßen scheint. Auch eigent-lich aggressivitätsunverdächtigeMütter von Kleinkindern erlebtman in der 30er-Zone vor ihrer Kitasehr häufig mehr als doppelt so

„Verschiedene Wirklichkeitswahrnehmungen“Unfallforscher Siegfried Brockmann untersucht das Verhältnis von Radlern und Autofahrern

schnell. Diese divergierenden Ge-schwindigkeitswahrnehmungenbilden ein Konfliktpotenzial.

Worin besteht denn das Risiko desRadfahrens in einer Stadt?

Gut nachvollziehbar, Fahrräderhaben keinen Airbag, sind ziemlichungeschützte Verkehrsmittel. Daserhöht massiv die Verletzungsge-fahr, vor allem am Kopf, wenn dernicht wenigstens durch einen Helmgeschützt wird. Das wird bei allendenkbaren Verbesserungen auchso bleiben und sollte den Radfah-rer von selbst zu einer voraus-schauenden Fahrweise motivieren.Noch weniger bewusst ist vielen Bi-kern: Sie sind – insbesondere ausdem rechts abbiegenden Auto her-aus – schwer zu erkennen. Jeschneller das Rad unterwegs ist,desto größer das Risiko. Daraufmuss man sich einstellen. Denntrotz Schulterblick verschwindetdie schmale Fahrradsilhouetteganz leicht im toten Winkel des Au-tofahrers zwischen Hindernissenam Straßenrand und immer breiterwerdenden B-Säulen der Autos.Das macht die Abbiegesituationzum Risikoschwerpunkt und spie-gelt sich auch deutlich in den Un-fallzahlen wider.

Welche Möglichkeiten hat der Rad-ler, sein Risiko zu verkleinern?

Gut erkennbar sein, ist daseine. Das andere wäre, abbie-gende Straßen vorsichtig undbremsbereit zu passieren. Denn esist keineswegs so, dass nur die ab-biegenden Autofahrer die Aufmerk-samkeit vermissen lassen. Eskommt vor, dass bei Unfällen mitLkws der Aufprall in der Mitte oderam Heck des Fahrzeuges statt-

fand. Da war das Fahrerhaus längstum die Ecke. Sodass man sich fra-gen musste, wer hat hier eigentlichwen übersehen?

Fahrradstreifen auf der Fahrbahnsollen nun das Risiko solcher un-liebsamen Begegnungen reduzie-ren. Stimmt das mit Ihren Erkennt-nissen überein?

Aus Sicht des Unfallforschersstimme ich dem zu, eben weil manals Fahrradfahrer viel früher undbesser wahrgenommen wird. Aberauf dem Rad beschleicht auchmich ein ungutes Gefühl, so dichtneben vorbeirasenden Autos un-terwegs zu sein oder auf die Fahr-bahn ausweichen zu müssen, umein einparkendes Auto zu umkur-ven. Ich gehe davon aus, dass vieleÄltere das neue Angebot meidenwerden.

Umfragen sagen, dass 80 Prozentder Radfahrer lieber auf separaten

Wegen bleiben. Wie reagiert mandarauf?

Jedenfalls nicht so, dass die al-ten Abschnitte auf dem Gehwegnoch als eine Art undeklariertesAngebot belassen werden. Jetztaber, ohne blaues Schild, nichtmehr gewartet werden müssen.Das sieht man derzeit immer häufi-ger. Aber das schafft neue Verunsi-cherungen. Sie müssen zurückge-baut werden, oder offiziellerFahrradweg bleiben.

Wo sehen Sie darüber hinaus Hand-lungsbedarf?

Die Radinfrastruktur insgesamtmuss von realistischen Planungenausgehend auf die neuen Bedürf-nisse reagieren. Das gilt etwa auchfürs Linksabbiegen. Wenn ich demRadfahrer da nicht auch einen Ab-biegestreifen zubillige, ihm kompli-zierte Manöver über zwei Autofahr-spuren hinweg zumute, wird er sichdoch eigene Wege suchen.

Der Weg ins städtische Fahrradpa-radies ist also lang?

Ja, vor allem in polyzentrischenStädten wie Berlin, weil es hier einegroße Vielfalt möglicher Wegebe-ziehungen gibt. Fortschritte lassensich nur schrittweise erzielen. Umso wichtiger ist mir das Motto deraktuellen Kampagne: Rücksicht!Wir dürfen diesen Handlungs-grundsatz nicht einfach so preisge-ben. Und das tut etwa auch einRadfahrer, der sich auf dem Geh-weg in beliebige Richtung breit-macht. Das führt dann zur Anar-chie, unter der am Endeinsbesondere die schwächerenVerkehrsteilnehmer leiden.

Interview: Martin Woldt

UDV

Unfallforscher Siegfried Brock-mann

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1 0 I R Ü C K S I C H T FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE

F rontspiegel, Rampenspiegel,Weitwinkelspiegel, die rechteSeite eines modernen Lkw

ziert eine ganze Batterie von Sicht-verbesserern. Sie alle sollen dentoten Winkel im Blickfeld des Fah-rers möglichst klein halten, wenner eines seiner sensibelsten Fahr-manöver ausführt: das Rechtsab-biegen an Kreuzungen. In diesemMoment nämlich wird er beson-ders für Radfahrer zum Risikofak-tor. Vor allem in Berlin: Ein Fünftelaller Rechtsabbiegeunfälle zwi-schen Lkw und Radlern ereignetsich in der Hauptstadt, wie eineDekra-Studie ermittelt hat. Im ver-gangenen Jahr gab es fast 1500solcher Kollisionen, mehr als je zuvor. Das ist ein Fünftel aller Unfälle,in die Fahrradfahrer 2012 verwi-ckelt waren.

Unfallursache Nummer 1

Fehler beim Rechtsabbiegen sinddie Unfallursache Nummer 1, wennes um Radunfälle geht. Risikoreichist die Situation vor allem dann,wenn der Radweg unmittelbar ne-ben der Fahrbahn verläuft. Lkw-und Radfahrer haben beide grün,kreuzen nun aber die Fahrtrich-tung. Prinzipiell hat das Rad Vor-fahrt. Und wenn der Lkw-Fahrer denRadler sieht, ist das kein Problem.Aber was, wenn nicht? Denn trotzallerlei Sichtverbesserungen blei-ben einige tote Flecken im Blickfelddes Fahrers.

Längst sind sich die Verkehrs-experten einig, dass man die Si-tuation nicht allein dadurch ver-bessert, indem man die Lkwtechnisch aufrüstet. Denn wieGerd Bretschneider, Geschäfts-führer der Fuhrgewerbe-InnungBerlin-Brandenburg, erläutert, hat

Blickkontakt kann Leben rettenLastwagenfahrer sehen beim Rechtsabbiegen nicht alles in ihren Spiegeln – dieser tote Winkel kann für Radfahrer tödlich sein

ein abbiegender Lkw-Fahrer inklu-sive aller Spiegel inzwischen vierSichtfelder zu berücksichtigen.„Alle gleichzeitig zu überblicken,damit ist jeder Verkehrsteilneh-mer überfordert“, sagt Bretsch-neider. Gleichzeitig muss der Lkw-Fahrer auf der Hut sein, weil nachwie vor 17 Prozent des Sichtfeldesversperrt bleiben. „Fast immer ge-ben die Fahrer bei einem Unfall an,den Radfahrer wegen des totenWinkels nicht gesehen zu haben“,berichtet die Berliner Polizei in ih-ren Unfallanalysen.

Die Fuhrgewerbe-Innung will,neben einer verstärkten Aufklä-rung in den eigenen Reihen, mehrfür die Prävention der Allgemein-heit tun. Die VSBB Verkehrssicher-heit Berlin-Brandenburg GmbH istein Tochterunternehmen der Fuhr-gewerbe-Innung, das sich mit einerKampagne insbesondere an Schü-ler wendet. Der Aha-Effekt vermit-telt sich beim Erleben, wenn dieSchüler selbst auf den Fahrersitzklettern können. Damit will man dieSensibilität bei Radlern für die Ge-fahr schärfen und einen simplenwie wirksamen Rat vermitteln: „Su-chen Sie den Blickkontakt zum Fah-rer eines rechts abbiegenden Lkw.Denn sehen Sie den Fahrer, kannauch er Sie sehen!“

Gegen eingeübte Routine

Aber auch bei den Lkw-Fahrern gibtes noch genug Präventionsarbeitzu leisten. Wie Untersuchungender Dekra zeigen, blicken längstnicht alle Fahrer in alle zur Verfü-gung stehenden Spiegelflächen.Über Jahre eingeübte Routinen fol-gen mitunter noch Gepflogenhei-ten, die in Zeiten entstanden, alslängst noch nicht so viele Spiegel

Vorschrift waren. Und auch nicht je-der Fahrer überprüft regelmäßig,ob seine Spiegel optimal einge-stellt sind.

Gerd Bretschneider ist optimis-tisch, dass die Technik in dennächsten zehn Jahren so großeFortschritte macht, dass etwa Fahr-assistenzsysteme einen neuen,viel detaillierteren Rundumblickgestatten. Entsprechende Senso-ren könnten dann gar verhindern,dass das Fahrzeug überhaupt ab-biegen kann, wenn sich Personenin der Gefahrenzone befinden. Der-zeit aber sei die Aufklärungsarbeitauf allen Seiten noch die wirk-samste Gefahrenabwehr.

Länger Grün für Radler

Bei der Berliner Polizei sieht manaber auch noch weitere Verbesse-rungsmöglichkeiten. In einem ei-gens aufgelegten Programm solldas Konfliktpotenzial zwischenLkw und Rad schrittweise unter an-derem durch einen ausreichenden„Grünvorlauf“, also eine längereAmpelphase für Radfahrer, redu-ziert werden. Auf stark befahrenenLkw-Routen könnte „gelbes Blink-licht“ auf die querenden Radfahreraufmerksam machen.

Des Weiteren zielen die Vor-schläge auf das Anlegen von ge-staffelten Haltlinien, sodass Rad-ler vor dem Lkw stehen, sowie dieEinrichtung von Radfahrerschleu-sen oder größeren Aufstell- und Ab-biegestreifen für Fahrradfahrer. Da-durch können Radler besser insBlickfeld der Lkw-Fahrer rücken.Auch an eine Ausweitung von Halte-verboten an Kreuzungen wird beider Polizei gedacht, um den Last-wagen-Fahrern eine freiere Sicht zuermöglichen. (mwo.)

Zielbremsen und LangsamfahrenEine sinnvolle Verkehrserziehung setzt früh an – deshalb sollen Grundschul- Kinder lernen, rücksichtsvoll auf der Straße miteinander umzugehen

S o wie Lilli stellt man sicheine Berliner Göre vor.Haare und Kleidung ähnlich

wie Pippi Langstrumpf. Nur dieKlappe ist noch ein bisschen grö-ßer. Lilli – „Mobililli“ – ist das Mas-kottchen, eine Puppe, mit der derAutomobilclub Europa (ACE) spie-lerische Verkehrserziehung in derGrundschule betreibt. Janine Ret-tig ist die Projektkoordinatorin undkommt mit ihren drei Kollegen in ei-nem Mercedes Sprinter direkt aufden Schulhof. Im Handumdrehenverwandelt dieser sich in einen Ver-kehrsparcour, auf dem sich nun ein

ganzer Aktionstag für die ersten bisvierten Klassen abspielt. „Wir wol-len praktische Anstöße geben, da-mit sich die Kinder selbstständigund sicher in der Stadt bewegen“,erklärt Janine Rettig. Das Fahrradund seine Handhabung spielen da-bei eine wichtige Rolle.

Und so wundert man sich auchnicht lange über so wenig olympi-sche Disziplinen wie „Zielbrem-sen“ oder „Langsamfahren“. Er-lernt wird gar, was man sonst lieberbleiben lässt: einhändiges Steuernseines Zweirades. Und der tü-ckischste Feind des Radfahrers,

der tote Winkel, der genießt beson-dere Aufmerksamkeit. Was ist dasund wie tot ist er überhaupt; undwarum kann er eine ganze Schul-klasse verschlucken? Das de-monstriert „Mobililli“ mit Hilfe desmitgebrachten Mercedes Sprinter-Lieferwagens. Kinder und Lehrerdürfen sich mal in die Fahrerper-spektive begeben und bekommeneine Ahnung, dass der Mann amSteuer gerade beim Abbiegen eineschwere Verantwortung trägt, mitderen Last man ihn nicht alleinelassen sollte. Aber die Vorstellung,dass ein einzelner Aktionstag in

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Zielbremsen und LangsamfahrenEine sinnvolle Verkehrserziehung setzt früh an – deshalb sollen Grundschul- Kinder lernen, rücksichtsvoll auf der Straße miteinander umzugehen

FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE R Ü C K S I C H T I 1 1

O b bei Autofahrer, Radleroder Fußgänger – das Un-terwegs-Sein in der Stadt

findet im Regelfall nicht zumSelbstzweck statt. Zumeist geht esum die Aktivität am Ende des We-ges. Es liegt also nahe, dass mandem Zweck einer Reise eine grö-ßere Priorität zubilligt als dem Wegzum Ziel. In der Folge kalkuliert derReisende – gerade in Zeiten großerArbeitsverdichtung – die Minutenunterwegs eher knapp. Häufig füh-ren solchermaßen erzeugte Eileund Hetze zu Stress, der wiederumeine Grundlage für Aggressionenbildet.

Allerdings, das Missmanage-ment in Reisezeitfragen scheintdas Phänomen mieser Laune imStraßenverkehr nur bedingt zu er-klären. Wie die Diskussionen aufdem jüngsten Verkehrsgerichtstagin Goslar zeigen, liegen die Dingeoffenbar tiefer. In einer Art Funda-mentalkritik warnte der AutomobilClub Europa (ACE): „Es sollte allenklar sein, je lieber wir uns in einemeinzig auf Tempo, Konkurrenz, Vor-teil und Rendite gedrillten Gesell-schaftssystem bewegen, destomehr ungeliebte Rambos tummelnsich auf unseren Straßen.“

Entgleiten von Kontrolle

Oft hat man es nicht selbst in derHand, entspannt ans Ziel zu kom-men: „Im Straßenverkehr passiertes beinahe jede Sekunde, dass dieeigenen Intentionen von anderenVerkehrsteilnehmern durchkreuztwerden“, sagt Unfallforscher Sieg-fried Brockmann.

Zeitverluste erleben viele Ver-kehrsteilnehmer als ein Entgleitenvon Kontrolle und Selbstbestim-mung. In solchen Situationen erle-

Wenn die Zeit drängt und der Stress zunimmtAggressivität im Straßenverkehr hat viele Ursachen / Psychologen raten zu mehr Gelassenheit

ben sich die meisten als hilflos undohnmächtig, erklären Verkehrspsy-chologen. Darauf wiederum reagie-ren nicht wenige hinterm Steuerund am Lenker mit Wut und Zornals einer Form der Selbstbehaup-tung. Die typische Reaktion, umsich Bewegungsfreiheit vermeint-lich zurückzuerobern. Das könne„in Extremsituationen“ jedem pas-sieren, meint der Verkehrspsycho-loge Karl-Friedrich Voss.

Die Aggressionserklärung giltmehr oder weniger für alle Ver-kehrsteilnehmer. Besonders je-doch verhält es sich mit dem Ver-hältnis Autofahrer-Radler: Dakonkurrieren zwei ähnliche Frei-heitsgedanken um ihren Platz undzunehmend auch ihre Vormacht-stellung auf der Straße. Als Erbeder Kutsche lebt das Automobil ei-nen „Tagtraum vom hochherr-schaftlichen Transport“. Viele Ver-kehrsregeln über Jahrzehntegeformt, gehen stillschweigendvon seiner begründeten Vorherr-schaft aus. Ampelphasen, Abbie-gevorschriften, Vorfahrtsregelun-gen – und sogar der ungleichverteilte Verkehrsraum in der Stadtwerden durch eine stetig wach-sende Radfahrerzahl infrage ge-stellt. Diese Situation hat das um-strittene Phänomen des„Kampfradlers“ hervorgebracht.Das sind jene Zweirad-Despera-dos, die sehr gut zur These desWissenschaftlers Andreas Knievom Berliner Innovationszentrumfür Mobilität und gesellschaftli-chen Wandel passen, der sagt:„Der öffentliche Raum muss völligneu aufgeteilt werden.“ Der Kampfdarum habe gerade begonnen.

Aber so „ungerecht“ die Vertei-lung auch sein mag, im „Freiheits-

kampf“ der Pedal-Anarchos spie-geln sich womöglich nur zubekannte Muster. So wie das Autoist auch das Rad für manchen Fah-rer längst Teil seiner psychischenAusstattung. Eine Art verlängertesEgo, wie der Dresdner Verkehrs-psychologe Bernhard Schlag sagt.Ein Selbst-Objekt, aufgeladen mitden eigenen Wünschen, Fantasienund Vorstellungen, „wie man seinund wie man wahrgenommen wer-den möchte“ im sozialen Raum derStraße. Das Auto, und wohl auchdas Rad, diene der Regulation desSelbstempfindens und des Selbst-wertgefühls. Rücksichtsappellebleiben in diesem Umfeld vermut-lich ähnlich wirkungslos, wie imharten Kern der Autofahrerge-meinde.

Schwache Persönlichkeiten

Aggressivitätstäter hält der Unfall-forscher Siegfried Brockmann für„eher schwache Persönlichkeitenmit geringer Selbstkontrolle, die ihrRevier verteidigen wollen“. Ein Fah-rertyp, dem man nur mit Härte bei-kommen könne. Zwar gebe es fürAggressionen keinen handhabba-ren Gradmesser wie eine Maßzahl.Aber da, wo sie wie häufig von ekla-tanten Gesetzesverstößen beglei-tet werden, ließe sich auch ein ent-sprechendes Strafmaßfestsetzen.

Eine gewisse Hoffnung, dasssich die Aggressivität im Straßen-verkehr von selbst regulierenkönnte, hegt der ACE und setzt da-bei auf den demografischen Wan-del: „Der Verkehr bekommt mehrund mehr Falten, er wird alters-weise und gelassener, und er ent-deckt für sich die Vorteile der Lang-samkeit.“ (mwo.)

der Grundschule eine solide Basisfür eine unfallfreie Radfahrerkarri-ere wäre, hat Janine Rettig nicht.„Dennoch bekommen wir von El-tern und Lehrern häufig bestätigt,wie sinnvoll unser spielerischesLernangebot ist“, sagt sie. Die Vor-bereitung auf die in der BerlinerGrundschulordnung vorgeschrie-bene Fahrradprüfung in der viertenKlasse etwa sei mit „Mobilillis“Hilfe doch ein bisschen wirkungs-voller.

Dass es trotz dieser und ande-rer Initiativen noch immer viel zutun gibt, bestreitet Joachim Krey

von der Senatsverwaltung fürStadtentwicklung um Umwelt, diedie Mobilitäts- und Verkehrserzie-hung koordiniert, erst gar nicht.„Wir haben die Mittel für solche Ak-tivitäten nach und nach aufge-stockt und reichen inzwischen450000 Euro pro Jahr an qualifi-zierte Partner wie den ACE oderden ADFC weiter“, sagt er. Ein gro-ßer Teil der Angebote ist auf Kinderim Grundschulalter ausgerichtet.„Vor allen Dingen“, sagt Krey, „weilsich Haltungen wie Rücksicht imStraßenverkehr sehr früh ausprä-gen.“ Dahinter verberge sich nicht

nur eine Charakter-, sondern letzt-lich auch eine Kostenfrage. „Mit450000 Euro erreichen sie mehrals 50000 Schüler im Jahr, abersie brauchen schon eine ganze Mil-lion, um eine einzige Kreuzung si-cherer zu machen“, so Krey.

Zu den jüngsten Bausteinender Mobilitäts- und Verkehrserzie-hung gehören Kinderstadtpläne,die mit professioneller Unterstüt-zung durch Schüler und Lehrerselbst erarbeitet werden. Bei derenEntstehung lernen Kinder die Per-spektive von Rad- und Autofahrernkennen. (mwo.)

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1 2 I R Ü C K S I C H T FREITAG, 19. APRIL 2013 I VERLAGSBEILAGE

K nautschzonen gibt es fürkein Fahrrad, auch keine Si-cherheitsgurte und keinen

Airbag. Umso wichtiger ist es, dassRadfahrer vorausschauend und de-fensiv fahren – denn selbst wennsie im Recht sind, im Zweifel zie-hen sie bei einem Unfall mit Autooder Lastwagen doch immer denKürzeren.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig,mit einem verkehrssicheren Radunterwegs zu sein – auch das ver-mindert schon mal das Unfallri-siko. Neben zwei unabhängig voneinander arbeitenden Bremsen ge-hört zum Beispiel eine Beleuch-tung dazu (siehe Kasten).

Ein solches verkehrssicheresRad der Marke BBF verlost die Ber-liner Zeitung unter den Lesern die-ser Beilage. BBF ist ein Berliner Tra-ditionsunternehmen, das seitnunmehr mehr als 20 Jahren Fahr-räder namhafter Firmen als Groß-händler führt und auch eigene Mar-kenfahrräder anbietet. Verlost wirdein BBF-Citybike „Venezia“ mit Alu-

Ein Rad für den Gewinner!Bei der Verlosung der Kampagne Rücksicht im Straßenverkehr gibt es unter anderem ein verkehrssicheres Fahrrad für die Leser

A U F N U M M E R S I C H E R

Ein verkehrssicheresRad muss folgendeAusstattungenhaben:

Bremsen: Je eine un-abhängige am Vorder-und Hinterrad.

Licht: Eine fest instal-lierte Beleuchtung,die vorn weißes, hin-ten rotes Licht er-zeugt und vom Dynamo gespeist wird, ist Pflicht.

Reflektoren: Vorn in Weiß und hinten in Rot sind auchvorgeschrieben.

Ausnahme: Für Rennräder bis elf Kilogramm ist an-stelle des Dynamos eine Batterie als Stromquelle er-

laubt. Scheinwerferund Rückleuchtemüssen nicht fest in-stalliert sein.

Pedale: Beide müs-sen rutschfest sein,nach vorn und hintenmüssen sie gelbeRückstrahler aufwei-sen und fest ver-schraubt sein.

Klingel: Auch sie ist vorgeschrieben. Sie soll einenhellen und lauten Klang haben.

Speichenrückstrahler: Zwei sogenannte Katzenau-gen an Vorder- und Hinterrad sind Pflicht – ansonstenmüssen die Reifen weiß reflektierende Streifenhaben.

miniumrahmen, Federgabel undShimano-Schaltung.

Zweiter bis fünfter Preis des Ge-winnspiels ist jeweils eine wasser-

dichte Fahrrad-Aktentasche„Downtown“ des Herstellers Ort-lieb, die auch als Schultertaschegenutzt werden kann.

Sechster bis neunter Preis ist jeein Fahrradhelm „Urban-I Berlin“der Firma Abus. Dieser Helm verfügüber 15 Lufteinlässe und sechs

Luftauslässe und hat sogar einLED-Licht im Verstellrad für zusätz-liche Sicherheit.

Wer Fahrrad, Tasche oder Helmgewinnen will, kann sich an demGewinnspiel beteilgen. Er muss le-diglich folgende Frage beantwor-ten:

Der Senat will die Anzahl der mitdem Fahrrad zurückgelegten Wegebis zum Jahr 2025 auf 18 bis 20Prozent aller Wege erhöhen. Fürwie viele Wege steigen die Berlinerbereits heute täglich aufs Rad?A) für 15000B) für 150000 oderC) für 1,5 Millionen Wege.

Bitte notieren Sie den Buchsta-ben der richtigen Antwort und sen-den Sie diesen versehen mit IhremNamen und Ihrer Adresse an

Berliner ZeitungStichwort Christophorus10171 BerlinOder an:

[email protected] ist der 29. April.