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Ruediger Dahlke · Krankheit als Symbol 1

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Ruediger Dahlke · Krankheit als Symbol

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RUEDIGER DAHLKE

Krankheit als Symbol

Handbuch der Psychosomatik

Symptome,Be-Deutung, Bearbeitung,

Einlösung

*Unter Mitarbeit von Margit Dahlke,

Christine Stecher und Prof. Dr. med. Volker Zahn

C. Bertelsmann

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Für Korrekturen, Ergänzungen und Anregungen danke ich den Mitarbeitern des Heil-Kunde-Zentrums Johanniskirchen

Freda Jeske, Christa Maleri und Josef Hien sowie Elisabeth Mitteregger und Sybille Schlüpen.

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das für dieses Buch verwendete FSC -zertifizierte Papier EOS

liefert Salzer, St. Pölten.

19. Auflage© 2007 by C. Bertelsmann Verlag, München,

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: R·M·E Roland Eschlbeck/Rosemarie Kreuzer

Satz: Filmsatz Schröter GmbH, MünchenDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN 978-3-570-12265-5

www.cbertelsmann.de

Dahlke Titelei001-005 05.10.2009 17:58 Uhr Seite 4

®

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Inhalt

EinführungSeite 6

T E I L 1

Register der Körperregionenund Organe

Seite 43

T E I L 2

Register der SymptomeSeite 133

LiteraturSeite 669

AbkürzungenSeiten 44 und 134

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Einführung

»Die beste Arznei für den Menschen ist der Mensch.Der höchste Grad von Arznei ist die Liebe.«

Paracelsus

Die Idee, Krankheitsbilder als Wachstumschancen auf demEntwicklungsweg zu nutzen, ist uralt und ihrem Wesen nach

schon in den heiligen Schriften der Völker zu finden. In unsererZeit durch den Niedergang der Religion und den Siegeszug dernaturwissenschaftlichen Medizin in den Hintergrund gedrängt undweitgehend vergessen, hat sie seit der Erstveröffentlichung vonKrankheit als Weg im Jahr 1983 einen neuen Aufschwung erlebt.Inzwischen ist dieser Ansatz – weiter geworden und breiter ausge-arbeitet – sogar dabei, Einzug in die Praxen von Schulmedizinernzu halten, und seit 2005 veranstalte ich Fortbildungen für eine deut-sche Ärztekammer. Im Kreis naturheilkundlich und psychologischorientierter Therapeuten hatte er sich schon früher seinen Platz ge-sichert. Diese alte, neu entdeckte Kunst der Deutung von Krank-heitsbildern hat sich allerdings nicht über professionelle Thera-peuten durchgesetzt, wie ursprünglich erhofft, sondern über dieBetroffenen. Patienten haben die Methode zu ihren Therapeutengebracht, die ursprünglich in ihrer Mehrzahl einem so einfachenund plausiblen Weg nicht folgen mochten. Dabei gab es längstHinweise auf die Wichtigkeit der Be-Deutung von Krankheit, etwawenn Viktor Frankl betonte: »Der ›Wille zum Sinn‹ liegt im Leben.Wenn die Sinndeutung gelingt, wird die Krankheit besser bewäl-tigt.«

Auf der körperlichen Ebene kann jeder deuten, zumindest mitdem Finger auf die Stelle, wo das Problem sitzt, wo ihn der Schuhdrückt oder der Schmerz quält. Auf der übertragenen Ebene geht esebenfalls nur darum, den Finger in die (immaterielle) Wunde zulegen und die richtige Frage zu stellen, die schon den GralskönigAmfortas von seinem Leid hätte erlösen können. Es ist die Frage

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nach dem Schatten, der sich in jeder Wunde und jedem Krank-heitsbild verkörpert, dieses »Was fehlt dir, Oheim?«. Der Körperist die Bühne für unbewusstes seelisches Geschehen oder negativausgedrückt von dem Schriftsteller Peter Altenberg: »Krankheit istder Aufschrei einer beleidigten Seele.« Es gilt demnach heraus-zufinden, was die Seele beleidigt hat, und dazu gibt der Körperdie notwendigen Hinweise. Er kann zur Bühne werden, auf derwir unsere Wachstums- und Lernaufgaben dargestellt finden. DieAusdrucksweise des Körpers ist die Symbolsprache, wie sie uns inallen religiösen Traditionen und Mythen, aber auch in den Bildernder Märchen und Legenden und natürlich auch in der einfachenund oft so direkten Ausdrucksweise der Umgangssprache begeg-net. Von diesem Schattenausdruck des Krankheitsbildes lässt sichder Sinn des Geschehens ablesen, um dann über eine sinnvollereBearbeitung des Themas den Schritt zu seiner Lösung zu finden.

Die Körpersprache, von der die Symptomsprache nur eine,wenn auch besonders wichtige Unterform darstellt, ist die meist-gesprochene Sprache auf dieser Erde. Alle Menschen sprechen sie,auch wenn ihnen diese Tatsache nicht immer bewusst ist und vieleihre eigene Körpersprache gar nicht mehr verstehen. Wobei diemeisten und selbst moderne Menschen das Wissen um die Körper-sprache noch latent in sich tragen und es daher verblüffend schnellwiederbeleben können. Es scheint zu jenem großen, unüberschau-baren Wissensschatz zu gehören, der seit uralten Zeiten in unsschlummert und nur auf seine Wiedererweckung wartet.

Über das Verständnis der Körpersprache bekommen wir wie-der Zugang zu unseren Wurzeln, sowohl in der Kultur als auchin der Familie der Menschheit. Wir erleben, wie mustergültig dieAusdrucksweise des Körpers ist, und kehren gleichsam zurück injenen ursprünglichen Zustand vor der babylonischen Sprachver-wirrung, als alle Menschen noch mit ein und derselben Spracheauskamen. Wenn Tränen rollen, deuten wir sie aus dem Zusam-menhang spontan richtig als Tränen der Freude, der Trauer oder desSchmerzes. Je archaischer der Mensch, desto ursprünglicher seineAusdrucksweise, und so können wir von alten Zeiten lernen und da-bei bemerken, dass wir die Erfahrungen dieser Zeiten noch immer

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in uns tragen. In diese Erweiterung zur 15. Auflage sind auf viel-fachen Wunsch deshalb auch ganz normale und nicht krankhafteAspekte der Körpersprache in das Register der Körperregionenund Organe aufgenommen worden, wie etwa die Form der Augen-brauen oder des Kinns. Damit liefert Teil 1 eine noch verlässlichereAnalyse der Ausgangssituation. Wir erkennen, dass der Zustandunseres Körpers immer Aufschluss sowohl über die in dieses Lebenmitgebrachten als auch über die darin erst später auftauchendenLebensaufgaben gibt. Grundsätzlich können sie gleichermaßengedeutet werden – der Erkenntnis folgend, dass alles, was Formhat, auch Sinn und Bedeutung haben muss. Damit bringt die Kör-persprache alle Menschen auf ein und dieselbe Stufe der Ehrlich-keit bezüglich ihrer selbst.

Aufbauend auf den Krankheitsbilderdeutungen aus Krankheitals Weg, Krankheit als Sprache der Seele, Frauen-Heil-Kunde,Der Weg ins Leben und Lebenskrisen als Entwicklungschancensowie den Büchern zu Spezialthemen wie Herz(ens)-Probleme,Verdauungsprobleme, Gewichtsprobleme und Die Psychologie desblauen Dunstes, geht es im vorliegenden Nachschlagewerk darum,die Gesamtheit der Krankheitsbilder mit einem Anspruch auf Voll-ständigkeit zu bearbeiten. Nach dreißig Jahren Arbeit auf der Basisvon Deutungen schien die Zeit reif, auch noch die letzten Lückenzu schließen. Zu diesem Zweck wurden die Deutungsergebnissemeiner neueren Bücher Aggression als Chance, Schlaf – die bes-sere Hälfte des Lebens und Depression – Wege aus der dunklenNacht der Seele mit aufgenommen sowie diejenigen des zur Zeitder Drucklegung noch nicht erschienenen Buches Der Körper alsSpiegel der Seele. Wichtige Anregungen erhielt ich im Laufe derJahre auch von zahlreichen Brief- und Mailschreibern, denen andieser Stelle gedankt sei.

In der Neuauflage kommen auf diese Weise nun viele HundertKrankheitsbilder mit Tausenden von Einzelsymptomen zur Deu-tung und ermöglichen den Benutzern einen leichten und raschenZugang zur jeweiligen Symbolik des Krankheitsbildes.

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Nachdem wir in Krankheit als Weg noch die schulmedizinischeVorgehensweise der Einteilung nach Organen gewählt hatten undzum Beispiel alle Leber- und Nierenkrankheiten zusammenfass-ten, habe ich zehn Jahre später in der Fortführung Krankheit alsSprache der Seele das Kopf-Fuß-Schema gewählt, um einen besse-ren Bezug zum jeweiligen Umfeld des Krankheitsbildes zu ermög-lichen. Im vorliegenden Nachschlagewerk kam wegen der schnel-leren und sicheren Orientierung nur die alphabetische Reihung inFrage. Alle Einteilungssysteme haben ihre Vor- und Nachteile, undder beste Schutz im Umgang mit ihnen ist die gute Kenntnis vorallem ihrer Nachteile. Die Einteilung nach Organen verführt zumBeispiel zu sehr beschränkten, den ganzheitlichen Gesichtspunktverletzenden Sichtweisen wie der aus der Schulmedizin hinlänglichbekannten »Niere von Zimmer 12«. Das Kopf-Fuß-Schema ver-meidet dieses Problem zwar, es ist aber für die Orientierung nichtübersichtlich genug, da viele Krankheitsbilder, wie etwa Blut- undNervenerkrankungen, nicht sicher einzuordnen sind. Die alphabeti-sche Reihenfolge bietet dagegen die schnellste Übersicht und – überzahlreiche Querverweise – die sicherste Orientierung bei allerdingsvölligem Ignorieren der Sinn- und Funktionszusammenhänge.

In Anbetracht dieses Nachteils ist der beste Weg im Hinblick aufKrankheitsbilderdeutungen die Verbindung verschiedener Ebenennach folgendem Schema: Zuerst sucht man die Be-Deutung derbetroffenen Region im ersten Teil des Handbuches – bei einer Man-delentzündung etwa die des Halses – und informiert sich dort überdie symbolische Bedeutung des Problemumfeldes. Der nächsteSchritt führt – wiederum im ersten Buchteil – zum betroffenenOrgan, seiner Symbolik und Funktion, in unserem Beispiel also zuden Mandeln und damit zur übergeordneten Ebene, auf der sich dasProblem abspielt: zum Abwehrsystem. Der nächste Schritt führt inden zweiten und Hauptteil des Buches: zum Grundproblem und sei-ner Deutung, in unserem Beispiel also zur Entzündung und ihrerSymbolik. Dann erst empfiehlt sich als letzter Schritt das Nach-schlagen unter »Mandelentzündung«.

Im zweiten Buchteil, dem Register der Krankheitssymptome,gibt es zu jedem Grund- und Spezialproblem auch Hinweise auf

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Bearbeitungs- und Einlösungsmöglichkeiten des Themas. In unse-rem Beispiel werden Ideen angeboten zum Umgang mit der Ent-zündungsproblematik im Allgemeinen und wie man ihrem tieferenSinn gerecht werden könnte. Erst danach macht der Schritt zumspeziellen Problem (der Mandelentzündung) Sinn. So verlockendes erscheinen mag, sogleich auf das Ziel loszustürzen, so wenig istes zu empfehlen. Erst der Unterbau durch die vorangegangenenSchritte ermöglicht es, dem Thema in seiner Tiefe gerecht zu wer-den, wozu ein intensives Auseinandersetzen mit dem ThemaAggression etwa im Buch Aggression als Chance einen wesent-lichen Beitrag leisten kann. Außerdem entspricht der Weg vom All-gemeinen zum Speziellen einem bewährten archetypischen Muster.

Darüber hinaus wird es oft hilfreich sein, entsprechenden Quer-verweisen auf verwandte oder in inhaltlichem Zusammenhang ste-hende Krankheitsbilder (zum Beispiel auch solche, die das genaueGegenteil des eigenen ausdrücken) zu folgen, so dass sich gegenEnde der Deutung ein umfassendes Bild der entsprechenden Sym-ptomatik ergibt. Dieses Vorgehen ist in Krankheit als Sprache derSeele beispielhaft ausgeführt. Sofern ausführliche Deutungen zumbesprochenen Krankheitsbild in einem der oben erwähnten Bücherexistieren, ist über die Literaturangabe (Lit.) darauf verwiesen, umso weitere Vertiefung zu ermöglichen. Es empfiehlt sich aber trotz-dem, auch selbst mit Hilfe des Handbuches auf die Suche zu gehen,bevor man auf bereits vorhandene Deutungen zurückgreift, da dieeigene individuelle Einschätzung von erheblicher Be-Deutung ist.Ähnliches gilt für die Hinweise auf geführte Meditationen undSelbsthilfeprogramme (CD) und Vorträge (VCD). Das Auswen-diglernen fremder Deutungen bringt natürlich wenig im Vergleichzu eigenen Deutungsversuchen. Eigene Anstrengungen und selbst-gefundene Lösungen sind – selbst wenn sie noch nicht ganz stim-men sollten – oft besser als fremde Meinungen. Im Übrigen lassensich die eigenen Gedanken in einem nächsten Schritt wunderbardurch bereits vorhandene Deutungen ergänzen.

Zu wichtigen Hilfestellungen, vor allem im Hinblick auf Bear-beitung und Einlösung, können auch die Hinweise auf die Ur-prinzipien werden. Sowohl bei den Körperregionen und Organen in

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Teil 1 als auch bei den Krankheitsbildern und Symptomen in Teil 2sind diese jeweils mit angegeben, so dass das archetypische Um-feld neben der speziellen Aufgabe »muster-gültig« deutlich wird.Selbst bei geringen Kenntnissen dieses Archetypensystems kannsich durch die Arbeit mit dem Nachschlagewerk diesbezüglich eintieferes Verständnis entwickeln. Bei unklaren Zuordnungen sind abund zu erklärende Stichwörter in Klammern hinter den Urprinzi-pien angeführt. Zuerst wird jeweils das Urprinzip der betroffenenRegion angegeben, der Ebene also, auf der sich das Geschehen ab-spielt, dann folgt verbunden mit Bindestrich das Urprinzip derSymptomatik. Häufig handelt es sich auch um Mischungen derjeweiligen Urprinzipien, was durch eine Schrägstrichverbindungausgedrückt wird. Eine Einführung in den Umgang mit Urprin-zipien im Zusammenhang mit Krankheitsbildern findet sich imentsprechenden Kapitel von Krankheit als Sprache der Seele(S. 54–59), eine allgemeine Bearbeitung der Urprinzipien in demBuch Das senkrechte Weltbild.

Das System der Einbeziehung verschiedener Ebenen und derUrprinzipien kann die Gefahren, die eine rezeptmäßige Übersetzungvon Symptomen in Deutungen ansonsten beinhaltet (Kurzschlüsse,die am Wesentlichen vorbeiführen, und zu simple Gleichsetzun-gen), in überschaubaren Grenzen halten. Mittels Hierarchisierungder verschiedenen Ebenen lässt sich auch der Zusammenhang mitdem Gesamtorganismus, in den jedes Krankheitsbild eingebundenist, besser durchschauen. In jedem Fall ist der ganze Mensch krankund muss auch als solcher behandelt werden; die Alternative wäreeine unangemessene Symptomdeuterei beziehungsweise -kuriere-rei. Über die Hierarchisierung lässt sich der Kern- und Angelpunktdes Problems finden, ohne den Gesamtzusammenhang zu vernach-lässigen. Auch wenn das Wort »Hierarchie« heute kaum noch posi-tive Wertschätzung genießt – wörtlich übersetzt heißt es »Herr-schaft des Heiligen« oder »Herrschaft des Einen« –, kann es unsweiterhelfen, denn es muss uns genau darum gehen, den einen ent-scheidenden Punkt herauszufinden, an dem der jeweilige Patienthängengeblieben ist.

Wer vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, wird dem

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Thema Krankheit niemals gerecht. Letztlich gehören auch Um-weltbezug und sogar die gesellschaftliche Ebene, wie sie sich inFamilien- und Gemeinschaftsthemen und im sozialen Bereich desWohn- und Arbeitsumfeldes zeigt, dazu – auch wenn sie hier nuram Rand gestreift werden konnten. Ausführlich kommen solcheBezüge in dem Buch Woran krankt die Welt? zur Darstellung. Jeweiter und bunter das Musterbild wird, desto besser und ziel-führender für die daraus erwachsenden Hinweise in RichtungGesundung. Paracelsus ging davon aus, dass ein Arzt bereits ausdem Umfeld erkennen sollte, an welcher Krankheit der Patientleidet, wie er auch umgekehrt fähig sein sollte, aus dem Krank-heitsbild auf das Umfeld zu schließen. Einem Behandler, der nichtsvon Urprinzipien (Paracelsus benutzte das Wort »Astrologie«, dassich in seiner Zeit eindeutig auf die Urprinzipien bezog) verstand,sprach er sogar rundheraus die Befähigung zum Arzt ab. Nun lebenwir in einer Zeit, in der Archetypen- beziehungsweise Urprinzi-pienverständnis unter Ärzten die Ausnahme darstellt, wobei sicherfreulicherweise in unseren Ausbildungsseminaren auch hier wie-der eine spürbare Zunahme des Interesses zeigt.

In vielen Fällen konnte ich feststellen, dass sich mit dem En-gagement der Patienten für ihre Krankheitsbilder und die darin ver-borgenen Lernaufgaben auch Ärzte dieser Sichtweise anschlossen,zumal dadurch ihre anderen Therapieansätze in keiner Weise be-hindert, sondern im Gegenteil gefördert werden. Grundsätzlich willdie Krankheitsbilderdeutung die Zusammenarbeit von Arzt undPatient nicht schwächen, sondern im Gegenteil stärken. Eigenver-antwortliche Patienten erleichtern Ärzten die Arbeit. Je mehr diePatienten mitdenken, -fühlen und -arbeiten, desto effektiver wirddie Therapie. Insofern ist dieses Nachschlagewerk eher ein Anreiz,die Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten zu vertiefen,allerdings mit dem Ziel, die Behandelten langfristig ihren eigeneninneren Arzt entdecken zu lassen. Dessen Entwicklung zu fördernist die vornehmste Aufgabe jedes Arztes und dieses Buches. In-sofern wird er auch die Chancen der Krankheitsbilderdeutung nut-zen bis hin zu den großen Möglichkeiten, die sie im Bereich derVorbeugung bietet.

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Vorbeugung ist in einer Zeit, die sich ihre Hightech-Medizineigentlich schon gar nicht mehr leisten kann, zum Zauberwort ge-worden. Umso erschreckender, dass von den Beamten im Gesund-heitsministerium bis zu den verantwortlichen Ärzten kaum jemandweiß, was es damit auf sich hat. In diesem Dilemma greifen Schul-mediziner zu einem inzwischen gesellschaftlich fast akzeptiertenEtikettenschwindel und nennen ihre Früherkennungsmaßnahmenziemlich frech Vorbeugung. Nun ist Früherkennung unvergleich-lich besser als Späterkennung, mit Vorbeugung hat sie jedochnichts zu tun. Vorbeugung würde erfordern, sich so vorzeitig undfreiwillig zu beugen, dass einen das Schicksal nicht mehr zu beu-gen braucht. Dazu aber müsste man wissen, wovor es sich zu beu-gen gilt, das heißt, man müsste das Wesen von Krankheit bezie-hungsweise des in Frage kommenden Krankheitsbildes kennen.Durch ihren Kampf gegen die Krankheit, der sich in einer Flut vonAntimitteln (Antibiotika, Antihypertonika, Antihistaminika usw.),Hemmern (Säure-, ACE-Hemmern usw.) und (Beta-)Blockern aus-drückt, lernt die Schulmedizin aber kaum das Wesen der bekämpf-ten Krankheitsbilder kennen und ist folglich auch außerstandevorzubeugen. In zum Teil schrecklichen Aktionen versuchen ihreVertreter, über dieses eklatante Versagen hinwegzutäuschen. Selbstdie – für die gesamte Ärzteschaft – peinlichen Vernichtungsfeld-züge gegen Gebärmütter der letzten Jahrzehnte wurden schon alsVorbeugungsmaßnahmen gegen Krebs verkauft. Auf dieser Ebenekönnten sich so kläglich »argumentierende« Gynäkologen auch dieOhrmuscheln amputieren lassen – im Rahmen einer ebenso irrsin-nigen Hautkrebsprophylaxe. Tatsächlich sind wir heute schon wie-der am Anfang einer ähnlichen medizinischen Groteske angekom-men. Nachdem der Zusammenhang zwischen Brustkrebs und einerbestimmten Genkombination aufgedeckt wurde, ist die Angst vorvererbbarem Krebs enorm gewachsen. Nicht nur in den USA lassensich bereits Frauen, die Trägerinnen dieser Gene sind, aus Angstgesunde Brüste amputieren. Bei allem Entsetzen sollten wir dochdie darin zum Ausdruck kommende Hilflosigkeit beider Seitennicht übersehen. Frauen, deren Mutter und Großmutter an Brust-krebs erkrankt sind, haben natürlich mit Recht Angst, selbst zu er-

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kranken. Sie nutzen intensiv die Möglichkeiten unserer sogenann-ten Krebsprophylaxe und fordern manchmal mehrere Mammo-graphien pro Jahr. Da das alles im Rahmen sogenannter Prophylaxeabläuft, fühlen sie sich dabei medizinisch sicher. Nach zehn Jahrenhätte eine solche Frau Dutzende Mammographien hinter sich unddamit ihr Brustkrebsrisiko deutlich erhöht. Von Vorbeugung kannhier keine Rede sein, es handelt sich um falsch verstandene Früh-erkennung. An diesem Beispiel aber mag deutlich werden, wie ge-fährlich Etikettenschwindel in diesem Bereich werden kann.

Die Vorstellung, durch rechtzeitige Amputation Risiken herab-zusetzen, ist an sich ein kläglicher Gedanke der Medizin, der davonlebt, dass Vorbeugung nicht funktioniert. Denkt man diesen Gedan-ken, wie er sich aus den USA kommend immer mehr durchzuset-zen droht, konsequent weiter, endet alles mit einem Gehirn in einerNährlösung. Dieses Gehirn aber wird panische Angst haben, einenGehirntumor zu entwickeln. In dieser makabren Perspektive kannoffensichtlich nicht die Zukunft der Medizin liegen.

Auf dem Boden der Krankheitsbilderdeutung im Zusammenhangmit Urprinzipienverständnis lässt sich durchaus in sinnvoller Weisevorbeugen. Sobald das Wesen oder Muster des Brustkrebses ver-standen ist, können sich Betroffene freiwillig vor den anstehendenAufgaben beugen, die Herausforderung annehmen und aus demgefährlichen Familienmuster aussteigen; wobei hier nicht der Ein-druck erweckt werden soll, als ginge das leicht – aber es ist immer-hin möglich. Vorausgesetzt, die Deutung gelingt, lässt sich der Vor-beugungsgedanke auf jede Krankheitssituation übertragen, und dieMedizin könnte endlich einer ihrer vornehmsten Aufgaben gerechtwerden.

Vorbeugung ist ein Gedanke, der sich durch meine Arbeit unddamit auch durch dieses Buch zieht. So finden sich darin auch ein-zelne Deutungen, die in der akuten Situation sinnlos sind, etwaweil der Patient gar nicht bei Bewusstsein ist. Sie zielen dann je-weils auf den vorbeugenden Aspekt, der wichtig wird, sobald sichder Patient von der augenblicklichen Bedrohung erholt hat. Nach-dem eine akute Erkrankung – gleichgültig, mit welchen Mitteln auchimmer – überstanden ist, sollte sich eigentlich wie von selbst die

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Frage aufdrängen: »Was lerne ich daraus, und wie kann ich in Zu-kunft andere, geschicktere Ebenen für mein Lernen finden?« Auchrückblickend sind die Standardfragen der Krankheitsbilderdeutungnoch sinnvoll: »Warum gerade mir, gerade das, gerade so, geradein dieser Zeit meines Lebens? Wozu zwingt und woran hindert michdas Krankheitsbild?«

Aus dem Beispiel der durch genetische Entdeckungen noch ge-förderten Brustkrebsangst lässt sich eine weitere Lehre ziehen. Esist eine Eigenart der Schulmedizin, einem Krankheitsbild, sobaldeine körperliche Ursachenkomponente gefunden wurde, sogleichwieder alle seelischen Anteile abzusprechen. Das mag daran liegen,dass Schulmediziner nur sehr ungern etwas an die »Konkurrenzvon der Psychosomatik« abgeben und heilfroh sind, wenn es sichzurück in ihren Einflussbereich holen lässt. Dieses Ressortdenkenin engen Grenzen ist in der gesamten Medizin sehr hinderlich. Wirwerden in Zukunft immer mehr genetische Anteile an Krankheits-bildern finden, einfach weil die Genetik solche Fortschritte machtund inzwischen das menschliche Erbgut so gut wie entschlüsseltist. Ähnlich wird es in der Immunologie vorwärtsgehen. Das darfaber nicht zum Grund werden, neuerlich in die Einseitigkeit zu ver-fallen, wie es etwa auch schon beim Magengeschwür geschehenist, das seit Neuestem zu hundert Prozent dem Bakterium Helico-bacter in die Schuhe geschoben wird. Allein die Tatsache, dass dieHälfte der Bevölkerung Helicobacter in ihrem Magen beherbergt,ohne an Magengeschwüren zu erkranken, und zum Glück ebennicht alle Patientinnen mit dem entsprechenden Gen auch Brust-krebs bekommen, sollte uns hier den Weg weisen, bevor das Kindneuerlich mit dem Bade ausgeschüttet wird. Die Entdeckung desBrustkrebsgens ist ein wissenschaftlicher Fortschritt, der als sol-cher zu begrüßen ist; wenn er allerdings als Argument gegendie Psychoonkologie (Lehre von den seelischen Anteilen an derEntstehung von Krebs) verstanden wird, ist er über- und vor allemfehlinterpretiert. Vor einiger Zeit haben amerikanische Forscherzudem jene Stoffe isoliert, die im Stadium der Verliebtheit in un-serem Blut kreisen. Nun würden wir ja auch nicht behaupten,jahrhundertelang die Liebe fälschlich für einen geistig-seelischen

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Zustand gehalten zu haben, bis wir ihn nun endlich als rein kör-perlich durchschauen. Verliebtheit bleibt trotz dieser interessantenEntdeckung ein seelisches Phänomen, das gleichzeitig im Körperseine Entsprechung findet. Genau das meint ja Psychosomatik:Synchronizität zwischen Seele und Körper.

Ebenso wie es sinnvoll ist, sich schon zu Beginn mit den Beschrän-kungen der gewählten Methode vertraut zu machen, erscheint esangemessen, die zugrundeliegende Weltanschauung zu kennen, umihren Chancen und Gefahren offen begegnen zu können. In unseremFall bildet das Weltbild der Archetypischen Medizin auf demBoden der spirituellen Philosophie die Grundlage, ohne dass diesehier aber vermittelt werden könnte. Dazu sei – was die Krankheits-bilderdeutung angeht – die Lektüre des allgemeinen Teiles vonKrankheit als Sprache der Seele empfohlen. Ein selbstverständ-licher Bestandteil des spirituellen Weltbildes ist die Lehre der Re-inkarnation, die zwar zum Deuten von Krankheitsbildern nicht not-wendig ist und an sich auch keinen inneren Zusammenhang zurKrankheitssymbolik hat, die aber bei harten Deutungen, die denSinnrahmen eines Lebens sprengen, doch eine wesentliche Erleich-terung und Hilfe darstellt. Insofern seien hier in diesem Zusam-menhang einige Anmerkungen erlaubt. Angeborene Missbildungenzum Beispiel, die hier ebenso konsequent gedeutet werden wie imspäteren Leben auftretende Symptome, werden als mitgebrachteLebensaufgaben gesehen, was im Rahmen der Reinkarnationslehreviel leichter zu akzeptieren und anzunehmen ist. Aus diesem Welt-verständnis folgt auch die Sicherheit bezüglich Deutungen bei Kin-dern oder gar Neugeborenen, die sich im Prinzip nicht von denenErwachsener unterscheiden. Menschen haben Aufgaben und brin-gen ein Gutteil davon bereits mit. Das lässt sich heute durch diedifferenzierten Aussagen der Genetik auch ohne Reinkarnations-beziehungsweise Karmalehre verstehen; anhand dieser Lehrenkann aber vieles wesentlich besser und tiefer begriffen werden.Deutungen von Krankheitsbildern, die auf den Tod zielen, verlierenviel von ihrer Härte und scheinbaren Sinnlosigkeit, wenn man dieKette der Leben im Auge hat. Tatsächlich wissen wir heute – ohne

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den Reinkarnationsgedanken zu strapazieren – aus der Sterbefor-schung, dass Menschen sterbend noch vieles lernen, etwa wenn derLebensfilm vor ihrem inneren Auge abläuft. Aus der Reinkarna-tionstherapie, die auf dem spirituellen Weltbild gründet, ergebensich auch viele der Deutungen und Erkenntnisse, die dem natur-wissenschaftlich orientierten Benutzer schwerer eingehen mögen,wie etwa die Sicherheit, dass Selbstmord nicht weiterhilft, weil erdas Leben nicht beendet, sondern nur zur Wiederholung der ver-weigerten Klasse in der Lebensschule führt, und das oft auch nochunter erschwerten Bedingungen.

Die Deutungen dieses Buches stammen aus direkter Übersetzungder Körper- und Symptomsprache in die Symbolsprachebene unse-rer seelischen Wirklichkeit. In den bisherigen Büchern wurden be-vorzugt große und häufige Krankheitsbilder abgehandelt, zu denennaturgemäß auch am meisten Erfahrungen mit Patienten vorliegen.In diesem Lexikon ging es nun der Vollständigkeit halber auch da-rum, viele sogenannte kleine oder seltenere Krankheitsbilder auf-zunehmen, selbst wenn zu ihnen weniger therapeutische Erfahrun-gen vorhanden waren.

Für Betroffene ist naturgemäß ihr Krankheitsbild immer daswichtigste, und die Unterscheidung zwischen großen, kleinen, häu-figen und seltenen und damit vermeintlich unwichtigeren bekommteinen medizynischen Beigeschmack. Im Rahmen dieses Bucheswurde auf solche Unterscheidungen verzichtet; es muss aber er-wähnt werden, dass dadurch einige der selteneren Krankheitsbildernach den bewährten Regeln gedeutet wurden, ohne dass psycho-therapeutische Erfahrungen dahinterstehen oder teilweise nur ge-ringe. Da jedoch nach dreißigjähriger Arbeit mit diesem Ansatzgroße Sicherheit und ebensolches Vertrauen in die Stimmigkeitder körperlichen Ausdrucksweise gewachsen sind, schien diesesVorgehen vertretbar. Auf jeden Fall ist es Aufgabe des Benutzers,wachsam zu bleiben und sich generell klarzumachen, dass es keinezwei gleichen Magengeschwüre geben kann, sondern immer nurindividuelle Patienten, die sich mit ähnlichen Krankheitsmusternauseinandersetzen. Diese individuelle Komponente im Auge zu be-

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halten ist entscheidend, um eben nicht alle Patienten mit derselbenDiagnose über denselben Kamm zu scheren. Andererseits habenKrankheitsbilder etwas sehr Mustergültiges. Darauf zielt naturge-mäß dieses Nachschlagewerk, das in mancher Hinsicht mit einemRepertorium in der Homöopathie zu vergleichen ist. Im Zweifels-fall empfiehlt es sich, einen Arzt oder Therapeuten zu Rate zuziehen, der mit diesem Ansatz vertraut ist, und gemeinsam die in-dividuelle Komponente im allgemeinverbindlichen Muster auszu-machen.

Die unterschiedliche Erfahrungsbreite mit den Krankheitsbil-dern führte zu unterschiedlicher Ausführlichkeit der Bearbeitung.Die Länge der Abhandlung eines Symptoms im Buch hat alsoweniger mit Wertungen bezüglich dessen Wichtigkeit zu tun als mitvorliegenden Erfahrungen, wobei natürlich die Verbreitung einesKrankheitsbildes einerseits seine Wichtigkeit für die betroffeneGesellschaft verrät und andererseits auf therapeutischer Seite zureicherer Erfahrung führt. Insofern ist die Malaria, die insgesamtmit Abstand die meisten Menschenleben fordert, zu kurz gekom-men etwa im Vergleich zur Pubertätsmagersucht, die bei uns vielverbreiteter und folglich auch reichlich mit therapeutischen Erfah-rungen untermauert ist. Seuchen und weit verbreitete Krankheits-bilder sind Spiegel der Verhältnisse in ihrem Ausbreitungsgebiet.So können wir zum Beispiel für unsere Situation Krankheiten wieHerzinfarkt, Krebs und Depression, aber auch Karies und Erkäl-tung als typische Erscheinungsbilder dieser Zeit und Gesellschaftdeuten. Dieses Lexikon ist aus unserer heutigen Situation einerhochindustrialisierten Leistungsgesellschaft in Mitteleuropa desdritten Jahrtausends zu verstehen und erhebt keinen Anspruch, mitder Länge der Darstellung ein objektives Maß für die Wichtigkeiteines Symptoms zu liefern, ganz abgesehen davon, dass jedesSymptom für seinen Träger (subjektiv) sowieso das wichtigste ist.So wie jetzt mit dieser neuen, stark erweiterten Neuauflage ist auchin Zukunft geplant, das Handbuch in größeren Abständen zu über-arbeiten, um weitere Erkenntnisse etwa zu seltenen Krankheitsbil-dern oder zu neuen Entwicklungen wie Depression oder Hyper-aktivität stärker zu berücksichtigen.

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Bei der Deutungsarbeit ist ferner zu bedenken, dass es im Be-reich des Lebendigen grundsätzlich keine hundertprozentig richti-gen Aussagen geben kann und somit auch keine Deutungen, die fürjeden in jedem Fall stimmen. Generell können Deutungen natürlichnur zutreffen, wenn auch die entsprechenden Symptome vorhandensind. Die Diagnose allein sagt oft recht wenig aus und kann völligohne Krankheits- und damit auch Deutungswert sein. Ein niedrigerBlutdruck etwa, der keine Symptome macht, muss nicht gedeutetwerden.

Da jedes Individuum Anteil an der kollektiven Bilderwelt hatund zugleich eine ganz eigene innere Bilderwelt besitzt, ist erst diewirklich individuelle Deutung stimmig, und vorgegebene Deutun-gen können nur Wegweiser sein, allerdings wertvolle, die den Rah-men liefern und oft auch die Farben sowie wesentliche Strukturendes Bildes. Stimmung und Atmosphäre – entscheidend für die Wir-kung des Bildes – sind und bleiben etwas höchst Eigenes, das nurim persönlichen Bemühen um das individuelle Krankheitsmusterzu entdecken ist.

Solche Einschränkungen mögen dazu führen, gerade die unan-genehmen Wahrheiten in den Deutungen nicht als solche anzuneh-men, was schade wäre. Ausgerechnet die härtesten Deutungen sindhäufig die wichtigsten, denn es ist immer Schatten, der sich imKrankheitsgeschehen verbirgt. Oft ist die Ausdrucksweise der Um-gangssprache bezüglich Krankheitsbildern sehr ungeschminkt undehrlich. Auch das Schicksal wählt bei seinen Eingriffen und sprich-wörtlichen Schlägen nicht selten harte Wege. Nach fast dreißig Jah-ren Reinkarnationstherapie weiß ich aus Erfahrung, dass Schicksalnicht böse, sondern lediglich mit allen Mitteln unserer Entwicklungverpflichtet ist. So bitte ich die Benutzer, mir zu glauben, dass dieangeführten Deutungen, wo sie verletzend empfunden werden mö-gen, doch einzig im Sinn der Förderung von Bewusstwerdung undEigenentwicklung gemeint sind.

Generell sind Deutungen immer insofern wertfrei, als man niewissen kann, auf welcher Ebene jemand etwas lebt. Wo der Um-gangssprache zum buckligen Menschen der Ausdruck »krummerHund« einfällt, ist dieser zweifelsfrei (ab)wertend. In diesem Buch

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wird er erwähnt, weil er das Thema hart, aber deutlich aufzeigt:(Un)aufrichtigkeit und darüber hinaus Demütigung, aber auch (imerlösten Sinne) Demut. Der Buckel verkörpert diese Themen, unddie Umgangssprache spricht sie respektlos aus. Aus dem rein kör-perlichen Geschehen geht jedoch nie hervor, auf welchem Pol derPatient das Thema (er)lebt. Ein buckliger Mensch wird nicht seltenvon seiner Umwelt gedemütigt, und er mag sich vom Schicksalgedemütigt fühlen. Es ist aber natürlich möglich, dass die darinliegende Aufgabe, nämlich herunterzukommen (vom hohen Ross)und sich demütig nach unten (zu Mutter Erde) zu wenden, bereitsbewältigt und die Demütigung in echte Demut gewandelt ist. DemKörper können wir es von außen nicht ansehen, dem Menschenkönnen wir es wohl anmerken, aber dafür müssen wir ihn gut ken-nenlernen.

Aus all dem sollte klar werden, dass es immer unsinnig ist,Krankheitsbilderdeutungen zu Wertungszwecken zu missbrauchen.Sie zu deuten bringt weiter in der Entwicklung zu mehr Bewusstheit,sie zu werten – sowohl bei anderen als auch bei sich selbst – wirdimmer nur schaden. Deutungen zum Urteilen oder gar Verurteilenzu missbrauchen sagt hauptsächlich etwas über den Charakter desUrteilenden aus, und es zeigt, dass er den hier vertretenen Ansatzin seinem Wesen (noch) nicht begriffen hat. Krankheit enthülltSchatten, und Schatten wird abgelehnt, kaum jemand steht dazu.Wer nun anderen unaufgefordert Deutungen um die Ohren schlägt,will nicht helfen, sondern heruntermachen, und er erntet im Allge-meinen zu Recht heftige Abwehr. Die Deutung von Krankheitsbil-dern ist ein wundervolles Hilfsmittel, Menschen auf ihrem Wegweiterzubringen – aber nur wenn sie darum bitten und auch nur mitdem notwendigen Respekt und in Anerkennung der Tatsache, dassman von außen deutend nie ganz sicher sein darf.

Die große Lust, Schuld zu verteilen, ist so eng mit der Ge-schichte der christlichen Kultur verbunden, dass man nicht genugdavor warnen kann. Schuld ist Thema der Religion, und die christ-lichen Kirchen mühen sich so ungeschickt damit, dass man dieseThematik nicht auch noch in die Medizin hineintragen sollte. Dabeiliegt das Problem nicht in der Bibel selbst, sondern in der Politik,

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die das »Bodenpersonal« daraus entwickelte. Christus selbst neigtnicht zu jener Sündenkrämerei, die seine professionellen Vertreterauf Erden zur höchsten Perfektion gebracht haben. Es ist ihmdurchaus nicht zuzutrauen, dass er das Vaterunser, das einzigeGebet, das er uns hinterlassen hat, als Strafe anlässlich der Beichteverstanden haben wollte. Fünf Vaterunser für zehnmal onanierenist ein gängiges christliches Missverständnis, mit Christus hat esnichts zu tun. Die Evangelien stehen eher für das Gegenteil, warChristus doch vor allem mit Zöllnern und Prostituierten beschäf-tigt, dem Abschaum der damaligen jüdischen Gesellschaft, dafüraber äußerst kritisch im Umgang mit den Schriftgelehrten. ImGleichnis von der Ehebrecherin verhindert er deren Steinigung,indem er den Juden klarmacht, dass sie alle des Ehebruchs schul-dig sind; er verhindert gleichsam die Projektion dieser »Schuld«auf die Ehebrecherin. Ähnlich verhält es sich mit seiner Auslegungder Gebote in der Bergpredigt. Wenn schon ein Neidgedanke ge-nügt, um das siebte Gebot zu brechen, sind auch hier schnell alleschuldig. Nach seiner Auslegung der mosaischen Gesetze sind wiralle an allen schuldig, und diese »Kollektivschuld« ist wohl auchmit dem Begriff der Erbsünde gemeint. Aus der Einheit des Para-dieses vertrieben, sind wir alle als Nachfahren der ersten Menschensündig, was in seiner Urbedeutung soviel meint wie »abgesondert«.Von der Einheit abgesondert zu sein fordert nun aber nicht Strafe,sondern Hingabe an die lebenslange Aufgabe, die Einheit zurück-zugewinnen. Darin sind sich die verschiedenen Traditionen an ihrenQuellen noch einig. All die Schuldprojektionen kommen später,wenn sich Religionen im Laufe ihrer »Ent-« oder besser »Verwick-lung« politisieren und weltliche Macht erwerben. Falls der Schuld-begriff in dieser sündenkrämerischen Form denn überhaupt in dieReligion gehört, sollten wir die Medizin tunlichst davon frei halten,sonst entstehen scheußliche Stigmatisierungen.

Die Kirchen hatten mit ihrer aus den Evangelien nicht abzulei-tenden Schuldverteilung ein Mittel gefunden, die Menschen unterihre Macht zu bringen und durch damit verbundene Maßnahmen– vom Ablasshandel bis zur Vermittlung von sexuellen Schuld-gefühlen – gefügig zu machen. Über die Jahrhunderte ist daraus ein

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wahres Bewusstseinsfeld der Schuld geworden, dem sich heuteoffenbar auch Menschen, die sich von den Kirchen gelöst haben,kaum entziehen können. Die Lust, Schuld zu verteilen, ist inzwi-schen geradezu ein Markenzeichen westlicher Menschen gewor-den und wirkt sich in therapeutischen Bereichen besonders störendaus. Schuldgefühle machen nachweisbar krank, und ihre Vermitt-lung ärztlicherseits ist ein gefährlicher Kunstfehler, sie bewusstzu-machen und Wege zu ihrer Bearbeitung zu weisen aber eine vor-rangige therapeutische Aufgabe.

In Bezug auf die Krankheitsbilderdeutung sind wir hier beimschwerwiegendsten Missverständnis angelangt. Wenn ein Mensch,der in Gestalt seines Krankheitsbildes bereits eine schwere Auf-gabe hat, daraus auch noch Schuld für sich ableitet, wird seineLage naturgemäß noch schwieriger. Die amerikanische AutorinJoan Borysenko spricht hier treffend von New-Age-Schuld, diesich ähnlich entwicklungs- und lebensfeindlich auswirkt wie jeneOld-Age-Schuld, mit der die Religionen ihre Gläubigen belegten,um sie gefügiger zu machen.

Dieses tief in uns wurzelnde Bedürfnis nach Schuld betrifftweite Teile unseres gesellschaftlichen und zwischenmenschlichenLebens. Was die Medizin angeht, verkehrt es die potenziellenChancen der Krankheitsbilderdeutung in ihr Gegenteil. Das Ganzegeht so weit, dass sich hierzulande kaum noch jemand ent-schuldi-gen will, denn damit würde er die Schuld ja los. Stattdessen ver-sucht man allenthalben, anderen Schuld zu geben, was deren Lebenschwermacht und einem selbst noch mehr »Schuld« einträgt. Solcheinträgliche Schuldgeschäfte blühen von der Politik bis in die Part-nerschaft. Auf dem Entwicklungsweg müssen wir uns davon lösenund könnten gleich beim Krankheitsbilderdeuten beginnen.

Wenn wir der Bibel glauben, haben wir eine grundsätzlicheSchuld, belegt durch die Verfehlung der Einheit des Paradiesesund durch die Tatsache unseres Menschseins hier auf Erden; wirschulden sozusagen die Verwirklichung der Einheit auf einem be-wussteren Niveau. Darüber hinaus haben wir keine Schuld, son-dern »nur« die Verantwortung, uns zur Einheit zu entwickeln. Dawir dort herkommen, liegt unsere Aufgabe in der Rückkehr, was

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uns am leichtesten im Mandala als universellem Lebensmus-ter deutlich wird (siehe Lebenskrisen als Entwicklungschancen,S. 23–30). Der Arzt, Psychotherapeut und Philosoph Georg Grod-deck drückt diesen Zusammenhang nur anders aus, wenn er inKrankheit immer die Sehnsucht nach der Mutter und die versuchteRückkehr in die Kindheit sieht. Der Kranke bekommt wie damalsLiebe und Fürsorge ohne Gegenleistung. Selbst die moderne Kran-kenversorgung schließt daran an. Lohnfortzahlung im Krankheits-fall ist ein Versuch, das anfängliche Schlaraffenland, wo es allesnoch ohne Gegenleistung gab, wiederzubeleben. Hier liegen auchgewisse Gefahren, nämlich Krankheit als Versuch zu missbrau-chen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Flucht in die Krank-heit als unbewusster gescheiterter Versuch, die Einheit zu errei-chen, ist bei uns eines der wirksamsten Mittel der Verdrängung undeines der letzten gesellschaftlich akzeptierten Alibis. Es verlangtMut, darauf zu verzichten.

Zum Mandala zurückkehrend, finden wir in ihm einen wunder-vollen Fahrplan für unser Leben mit allen archetypischen Über-gängen und dem Anfangs- und Schlusspunkt in der Mitte. Aus demMittelpunkt kommend, erreichen wir den äußeren Kreisrand in derUmkehrzeit der Lebensmitte, wechseln hier die Richtung und keh-ren heim zur (Er-)Lösung in der Einheit der Mitte. Grundbedin-gung für Heil beziehungsweise Heilung, die sich nur in der Mittedes Mandalas findet, ist das Verständnis, dass wir auf dem Wegdurch die polare Welt niemals sicher sind oder sein können. Es istnicht möglich, sich alle Übel vom Leib zu halten. Trotz gesundemEssen, genug Bewegung und entwicklungsfördernden Gedankenkönnen wir das Schicksal dennoch nicht zwingen, wenn auch alledrei zu unserem Wohlbefinden entscheidend beitragen. Schicksalist größer, weiter und erstreckt sich vor allem über größere Zeit-räume als unsere noch so raffinierten Versuche, es zu umgehen odergar zu betrügen. Eine kosmische Lebensversicherung ist nicht mög-lich – auch nicht durch Wohlverhalten.

Die Aussöhnung mit dem Tod als (Er-)Lösung unseres Lebensist deshalb die beste Basis für Heilung. Immerhin sind sämtlicheHeilige und Weise gestorben, zum Teil jung. Wir müssten lernen,

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Ruediger Dahlke

Krankheit als SymbolEin Handbuch der Psychosomatik. Symptome, Be-Deutung,Einlösung

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 672 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-570-12265-5

C. Bertelsmann

Erscheinungstermin: Oktober 1996

»In Hunderten von Krankheitsbildern und Tausenden von Symptomen wird die alte Idee desParacelsus von der Einheit von Körper und Seele und ihrem engen Zusammenspiel anschaulichdeutlich.« Ruediger Dahlke Krankheitssymptome zu verstehen heißt die Bedeutung einer Krankheit entschlüsseln. RuedigerDahlke hilft uns, mit dem Standartwerk "Krankheit als Symbol" die Botschaft einer Krankheit zudeuten. In seinem umfassenden Nachschlagewerk "Krankheit als Symbol" verwirklicht RuedigerDahlke ein zentrales Anliegen seiner medizinisch - therapeutischen Arbeit. Dieses Symbol- Lexikon der Krankheitsbilder kann denjenigen, die bereit sind, von ihren Krankheitsbildernzu lernen, zum idealen Nachschlagewerk werden. Die Geheimnisse hinter kleinen, schwerenbis hin zu bedrohlichen Krankheiten werden systematisch von A bis Z aufgedeckt und ihreKernaussagen, Botschaften und Lernaufgaben in Stichworten vor dem Benutzer entfaltet. Sokann "Krankheit als Symbol" zur Chance werden, an deren Bewältigung sich wachsen läßt.Auch wenn es kurzfristig unangenehm sein mag und fast immer Überwindung kostet, sich vonSymptomen über die eigenen Lernaufgaben aufklären zu lassen, ist es langfristig doch über dieMaßen lohnend und befreiend. Insgesamt haben über 400 Krankheitsbilder mit weit über 1000Symptomen Eingang in das Buch gefunden. Es bietet Hilfe zur Selbsthilfe und ermöglicht es,sich in eigener Verantwortung den anstehenden Lernaufgaben zu stellen. Der Longseller (über 110.000 Ex.) in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung.