Rumänien Waffen-SS : Rekrutierungswbplus.bsz-bw.de/bsz25903505xrez.pdf · Rumänien 1918 - 1945 Waffen-SS : Rekrutierung 07-2-620 Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu : Rumäniendeutsche

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  • Rumnien 1918 - 1945 Waffen-SS : Rekrutierung 07-2-620 Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu : Rumniendeutsche

    in der Waffen-SS / von Paul Milata. - Kln [u.a.] : Bhlau, 2007. - XI, 349 S. : Ill. ; 24 cm. - (Studia transylvanica ; 34). - S. 331 - 344 Kurzbiographien. - Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2006. - ISBN 978-3-412-13806-6 : EUR 37.90 [9204]

    Der Autor dieser Studie, der zunchst an der McGill University in Montreal osteuropische Zeitgeschichte studiert und dann mit der vorliegenden Ar-beit, betreut von Gnter Schdl, an der Berliner Humboldt-Universitt pro-moviert hat, fllt mit seiner Arbeit eine Lcke, denn bisher ist das von ihm behandelte Thema noch nie wissenschaftlich untersucht worden. Dabei ist die SS-Aktion aus dem Jahr 1943, als sich etwa 63.000 Rumniendeutsche freiwillig zur Waffen-SS meldeten, die grte Hypothek, die die Nazis bei dieser Volksgruppe hinterlassen haben. Wer sich freiwillig gemeldet hatte, konnte nach Kriegsende nicht mehr in Rumnien bleiben. Die Waffen-SS-Rekrutierung bildete den Auftakt zu einer Katastrophe, die letztlich das En-de der 850jhrigen Geschichte der Deutschen in Rumnien einleitete. Die berlebenden SS-Mnner angeblich betrug die Gefallenenrate etwa 15 % gingen nach Kriegsende meist in die Bundesrepublik Deutschland und bildeten dort sozusagen die Vorhut des rumniendeutschen Zuzugs. Milata, selber rumniendeutscher Herkunft und sprachkundig, hat in deut-schen (Bundesarchiv Berlin, Deutsche Dienststelle / Wehrmacht-Auskunfts-stelle Berlin, Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg), amerikanischen (National Archives and Records Administration, College Park), rumniendeutschen (Archiv des Siebenbrgen-Instituts, Gundels-heim/Neckar), rumnischen (Arhivele Na ionale Istorice Centrale; Arhivele Militare ale Romniei) und tschechischen Archiven (Voyensky Ustredni Ar-chiv) geforscht und seine Arbeit damit auf ein solides Fundament gestellt (vgl. den Abschnitt Quellenlage und -verzeichnis, S. 307 - 311). Die Untersuchung ist klar aufgebaut, informativ und vorzglich dokumen-tiert. Sie gliedert sich in neun Kapitel, die das ,Drama der Rekrutierungen in einen greren historischen Kontext stellen (Kap. 1. Rumnien und seine Deutschen, 1918 - 1939), die Vorgeschichte berichten (Kap. 2. 1000-Mann-Aktion : die erste SS-Rekrutierung auerhalb des Deutschen Reiches, Ok-tober 1939 - Juni 1940; Kap. 3. Verbotene Freiwilligkeit, September 1940 - Mrz 1943; Kap. 4. SS-Rekrutierungen auerhalb Rumniens, 1940 - 1944; Kap. 5. Die Verhandlungen zur SS-Massenrekrutierung, 1943), um sich dann der Sache selber zuzuwenden (Kap. 6. Die Durchfhrung der SS-

  • Massenrekrutierung, 1943; Kap. 7. Der Abtransport; Kap. 8. Die Ausbildung; Kap. 9. Der Einsatz). Wie Milata in seiner Einleitung sagt, versteht er seine Arbeit methodisch als komplexes Gefge aus Militr-, osteuropischer und deutscher Geschichte mit Bezgen zur Tter- und Motivationsforschung. Insbesondere mchte er zeigen, welche Eintrittsmotivation die Rumniendeutschen hatten. Wie der Titel seiner Studie nahelegt, hatte diese keineswegs einheitliche Volksgrup-pe die Wahl zwischen Hitler (Nationalsozialismus), Stalin (Bolschewismus) und Antonescu (Grorumnentum). Wenn sich die Rumniendeutschen mit dem freiwilligen Eintritt in die Waffen-SS fr den Nationalsozialismus ent-schieden, so hofften sie, auf diese Weise am ehesten ihre ethnische Unab-hngigkeit zu bewahren. Heute wrde man sagen, da ihnen der rumni-sche Staat langfristig die Mglichkeit zur Integration bestritt und ihnen eine Assimilation aufzwingen oder eine Rckwanderung nahelegen wollte. Das galt fr alle deutschstmmigen Gruppen (Banater Schwaben, Siebenbrger Sachsen, Sathmarer Schwaben, Bukowina-, Bessarabien-, Dobrudscha-, Bukarester Altreichdeutsche), deren Zahl nach den Gebietsabtretungen Rumniens (Zweiter Wiener Schiedsspruch, 1940) und der Besetzung der Bukowina und Bessarabiens durch die Sowjetunion 1940 etwa 550.000 be-trug. Infolge der restriktiven rumnischen Wirtschaftspolitik sank der ur-sprngliche Wohlstand breiter Schichten; die Benachteiligung der deutsch-stmmigen Rumnen zugunsten echter Rumnen weckte Heim-ins-Reich-Gefhle. Sie verbinden sich mit dem Namen von Fritz Fabritius, der nach einer Deutschlandreise 1922, whrend der er Hitler kennenlernte, die erste rumniendeutsche NS-Organisation grndete. Schon bald ging ein Ri durch die rumniendeutsche Volksgruppe, die in konkurrierende Gruppen zerfiel, die sich Volksgemeinschaft bzw. Volkspartei (DVR) nannten und de-nen ein konservativer Volksrat gegenberstand, der Rckhalt in den beiden Kirchen hatte. Die nazifreundlichen Gruppen verstanden es, das Zgern der Traditionalisten fr ihre Gleichschaltungszwecke zu nutzen, die 1939 mit der Schaffung einer Deutschen Volksgruppe in Rumnien (DViR) erreicht wa-ren. Waren Fabritius und Gust nur Erfllungsgehilfen der Nazis gewesen, deren man sich entledigte, als sie nicht mehr ntzlich waren, vollendete An-dreas Schmidt, seit September 1940 mit nur 28 Jahren Volksgruppenfhrer, die Gleichschaltung. Als zeitweiliger Schwiegersohn von SS-Gruppenfhrer Gottlob Berger, dem Leiter des SS-Hauptamtes, wirkte er ohne tatschli-chen Einflu am deutsch-rumnischen Waffen-SS-Abkommen vom 12. Mai 1943 als Alibideutschrumne mit, das in Wirklichkeit zwischen reichsdeut-schen und rumnischen Stellen ausgehandelt und beschlossen worden war. Nach dem Debakel von Stalingrad hatte Himmler eine gro angelegte Er-satzbeschaffungskampagne ins Leben gerufen, um die personellen Lcken zu fllen. Wenn die Rumniendeutschen zu einem so spten Zeitpunkt noch in die SS eintraten, dann war dies ein Akt der Verzweiflung, denn sie mu-ten frchten, im Falle einer Sowjetisierung Rumniens erst recht unterzuge-hen. Milata beschreibt die Rekrutierung akribisch in allen Einzelheiten. Die SS-Mitgliedschaft erfllte die Erwartungen der Deutschrumnen nicht, die als

  • Volksdeutsche nicht wirklich fr voll genommen wurden. Dabei ging es ih-nen nicht besser als den meisten Verbnden auslndischer SS-Freiwilliger.1 Nicht wenige wurden zu Polizeieinheiten, KZ-Wachmannschaften und SD-Einsatzgruppen eingezogen, was lange einen dunklen Schatten auf ihr En-gagement warf.2 Man htte sich zur Aufarbeitung dieser Mitgliedschaften vielleicht weitere Hinweise gewnscht. Auch wre ein Exkurs zur Volk-stumspolitik der Nazis ntzlich gewesen.3 Das Buch ist sorgfltig lektoriert, enthlt ein Abkrzungsverzeichnis (S. X - XI), eine Ortsnamenkonkordanz (S. 306), ein annotiertes Quellenverzeichnis (S. 307 - 312), ein Literaturverzeichnis (S. 312 - 330), eine Zusammenstel-lung von Kurzbiographien (S. 331 - 344)4 sowie ein Personen- und Ortsregi-ster (S. 345 - 349). Insgesamt betrachtet handelt es sich um eine sehr ber-legt gemachte Arbeit, die die Nostalgie der Rckwanderer wie auch die all-zustarke Polemik, wie sie sich z.B. in den Arbeiten von Johann Bhm gele-gentlich findet,5 vermeidet. Bedenkenswert ist auch der Schlusatz, der als einzig positive Folge des untersuchten Eintritts der Rumniendeutschen in die Waffen-SS die langsame Verabschiedung von der Deutschland-Utopie wie folgt kommentiert: Das letzte Wort in der Geschichte der deutschen Waffen-SS-Mnner aus Rumnien ist noch nicht gesprochen. Es bleibt ab-zuwarten, ob der SS-Eintritt den endgltigen Ausklang der rumniendeut-schen Geschichte einlutete oder ob gerade dieses Ereignis den Grund-stein einer vollkommen neuen Periode der deutschen Kultur in Rumnien gelegt hat (S. 299).

    Frank-Rutger Hausmann QUELLE

    1 Der Verfasser nennt nicht die immer noch informative Arbeit: An deutscher Sei-te : internationale Freiwillige von Wehrmacht und Waffen-SS / Hans Werner Neu-len. - Mnchen : Universitas, 1985. - 518 S. : Ill., Kt. ; 23 cm. - ISBN 3-8004-1069-9. 2 Der bekannteste Rumniendeutsche, der im Auschwitz-Proze vor Gericht stand, war Victor Capesius, der 1965 wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 800 Fllen fr schuldig befunden und zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 3 Vgl. z.B. Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 - 1938 : die Ausland-deutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten / Tammo Luther. - Stuttgart : Steiner, 2004. - 217 S. : Ill. ; 24 cm. - (Historische Mit-teilungen : Beiheft ; 55). - Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 2002. - ISBN 3-515-08535-1 kart. : EUR 42.00. 4 Hier wren noch Przisierungen mglich: Die Lebensdaten des kroatischen Volksgruppenfhrers Branimir Altgayer sind 1897 - 1950; die Lebensdaten des im Auschwitz-Proze verurteilten SS-Mannes Stefan Baretzki sind 1919 - 1988; Wil-helm Fabricius, 1936 bis 1941 Gesandter in Bukarest, verstarb 1964, nicht 1963; Grigore Filipescu verstarb am 25.8.1938, Gheorghe N. Leon 1949, Wilhelm Rodde am 6.4.1949 im Lefortovo-Untersuchungsgefngnis des MGB in Moskau. 5 Hitlers Vasallen der deutschen Volksgruppe in Rumnien vor und nach 1945 / Johann Bhm. - Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 2006. - 278 S. : Ill. - ISBN 3-631-55767-1 : EUR 39.80 [9101]. - Rez.: IFB 06-2-373.

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