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und die YOGA 78 Yoga Aktuell Februar | März 2018

RZ YA108 Si Ni gesamt FINI - yoga-pranayama.de · sich das in der Tradition des Tantra, wo die Vereinigung der Pole Shiva und Shakti am deutlichsten dargestellt und praktiziert wird

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und die YOGA

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Teil 7, Sahasrara-Chakra: Am Ende der Chakra-Reise erreichen wir den Ort, an dem wir die zutiefst ersehnte Verbindung mit dem Göttlichen, die zu jeder Zeit existiert, deutlich spüren und erfahren können

TEXT n RICHARD HACKENBERG FOTOS n CHRISTIAN KRINNINGER MODEL n FRANZISKA AGRAWAL

ir sind am Ende der Reise durch die Chakras angelangt, sind von der soliden und festen Erde alle Stufen der Leiter hinauf bis in den Himmel geklettert. Wir haben Wasser, Feuer, Luft und Klang hinter uns gelassen und stehen am Ende unseres Weges.

Das siebte Chakra, Sahasrara, erhebt sich über das ganze System der Cha-kras, und wir betreten eine neue Dimension. Sahasrara ist ein Paradox,

gehört es doch zum Chakra-Modell, transzendiert dieses aber gleichzeitig, löst sich davon und macht dadurch die Dualität klar, die unser ganzes Leben betrifft.

Oben und unten, Mutter Erde und Vater im Himmel, Mensch und Gott, Materie und Geist, Alltag und Spiritualität – all das sind Begriffe für die in unserem

Leben immer wieder vorherrschende Dualität. In vielen Religionen, so scheint es mir, wird diese Dualität sogar noch verstärkt. Wir sind weit von Gott entfernt, sagen uns die Hüter des Glaubens, wir sind Sünder und haben Schuld, ja wir sind sogar mit einer Grundschuld geboren. Yoga und andere spirituelle Schulen – zum Beispiel Tantra – möchten diese Dualität auflösen; wir werden aufgerufen, alles, was uns begegnet, und alles, was wir tun oder sagen, ins Bewusstsein zu holen. Wir können alle Aspekte unseres Lebens, die durch die Chakras exem-plarisch aufgezeigt werden, in eine Balance bringen, anstatt die Dualität noch zu verstärken. Wir müssen allerdings sehen, dass es auch im Yoga die Tendenz gibt, die oberen Chakras als die „besseren“ oder höheren und wichtigeren anzusehen. Der Weg nach oben ist der Weg der Entwicklung, oft Erleuchtung genannt, aber wer dabei seine Basis verliert, ist zwar vielleicht spirituell, aber zugleich heimatlos. Wir können nicht permanent in einem spirituellen Zustand verweilen, auch wenn das unsere tiefe Sehnsucht sein mag. Doch natürlich Ill

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können wir Sahasrara entwickeln und genießen. Es steht für die Begriffe „Transzendenz“ und „Spiritualität“. Vielleicht wäre es angebracht, sie ein-mal ganz neutral und grundlegend zu definieren. Im Prinzip geht es darum, etwas anzuerkennen, das größer ist als wir selbst – etwas, das über das bloße Leben hinausgeht, und das in der deutschen Sprache sehr treffend als „Jenseits“ bezeichnet wird.

In unserer mehrheitlich christlich geprägten Kultur ist der Himmel je-doch weit entfernt. In den östlichen spirituellen Schulen gibt es hingegen die Idee, dass wir einen Teil dieses Himmels in uns tragen und dass der Weg gar nicht so weit ist, wie oft an-genommen. Am konsequentesten zeigt sich das in der Tradition des Tantra, wo die Vereinigung der Pole Shiva und Shakti am deutlichsten dargestellt und praktiziert wird. Aber auch in je-dem Yoga-Asana, in jedem Pranayama und in jeder Meditation können wir diese Pole unserer Existenz erfahren und sie in Verbindung bringen – das ist ja die klassische Wortbedeutung von Yoga! Doch ist es ja der grund-legendste menschliche Irrtum, dass wir von unserer spirituellen Essenz getrennt sind, und gerade aus die-sem Irrtum entstehen alle folgenden Irrtümer oder falschen Vorstellungen (Avidya).

Sahasrara ist innere Heimat und Transzendenz

Sahasrara ist die Manifestation des Wunsches, uns dauerhaft mit dem

göttlichen Prinzip zu verbinden (wie auch immer wir es nennen). Wer diese Verbindung einmal erfahren hat, der weiß, dass wir immer verbunden sind und nur viel zu beschäftigt sind mit den Erfordernissen des Alltags, um es dauerhaft zu genießen. Alle wichtigen philosophischen Schulen des Osten erklären es uns wieder und wieder: Die Trennung ist nur eine Illusion unseres Geistes, unseres Egos.

Diese Dualität aufzulösen, ist viel-leicht die wichtigste Aufgabe in un-serem Leben, und es ist eine unan-genehme Wahrheit, dass wir diese trennende Dualität in uns selbst tra-gen. Nur wer sich an diese Baustelle

heranwagt, wird seine Illusion der Getrenntheit erkennen und sie im besten Falle langsam auflösen können. Das ist nicht einfach, und es bietet sich an, diesen inneren Konflikt nach außen zu projizieren und die anderen für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen.

Gerade Menschen mit großer Ver-antwortung – dazu gehören Politiker und religiöse Führer – tun leider häu-fig genau das. Vom Standpunkt des Yoga aus betrachtet, kann man nur annehmen, dass diese Menschen sich ihre innere Polarität und Abtrennung nie bewusst gemacht haben und sie dann nach außen tragen, als Abbild ihrer eigenen inneren Heimatlosigkeit.

Sahasrara als Ausdruck unserer Spi-ritualität kann uns eine innere Hei-

mat geben. Es ist sozusagen der Funke Gottes in uns, und wir können uns entspannen, so die Botschaft aus der Götterwelt, denn Götter sind beileibe nicht perfekt, sie haben ja bekannt-lich auch ihre Fehler und Schwie-rigkeiten – man betrachte nur ihre Biographien. Deshalb werden wir, wenn wir die Chakras allgemein und Sahasrara im Speziellen entwickeln, mit Sicherheit mehr Gleichmut und Gelassenheit in uns entwickeln, wir werden milder mit unseren Fehlern und Irrtümern umgehen und auch dem unausweichlichen Tod gelassener gegenüberstehen.

Yoga ist einer der besten Wege, sich ganzheitlich zu entwickeln,

und in meinen verschiedenen Aus-bildungen erlaube ich mir auch im-mer wieder nachzufragen, was sich durch eine regelmäßige und länger anhaltende Yogapraxis denn wirklich verändert. Das Ergebnis ist sehr häufig eben diese höhere Selbstakzeptanz, die größere Gelassenheit und das bes-sere Verhältnis zu „sich selbst“. Das sind weit wichtigere Erfahrungen als gedehnte Oberschenkelmuskeln oder der freie Handstand.

Insofern gibt es für Sahasrara keine Asanas, es gibt kein Tiersymbol,

kein Sinnes- oder Handlungsorgan und keine Körpersubstanz. Sahasrara ist

Transzendenz – jenseits von gut und böse, könnte man sagen.

Wir können Sahasrara aber gut mit unserem Atem (durch Pranayama) oder mit unserem Geist (durch Medi-tation) aktivieren, und der Abschluss unserer Chakra-Reihe ist ein guter Anlass, alle Chakras noch einmal zu erleben und zu verbinden. Das sollte mit diesen beiden Übungen gut ge-lingen.

Beide Übungen können gerne auf einem Stuhl ausgeführt werden.

Der Lotussitz ist insofern keine Voraus-setzung für eine gelungene Meditation, sondern kann diese bei vielen sogar deutlich erschweren und eventuell sogar Knieprobleme verursachen. Eine gute Alternative ist der Fersensitz, aber auch er ist für manche schwie-rig. Bitte nimm also eine Sitzposition deiner Wahl ein uns betrachte unsere Bilder nur als Vorschlag. n

Richard Hackenberg be-gann 1979 aus gesundheit-lichen Gründen mit Hatha-Yoga-Pranayama, Meditation und Asanas. Er studierte Na-turwissenschaften, war Musi-

ker, Moderator, Kulturredakteur und Reisender zwischen Ost und West. Zur Jahrtausendwende machte er seine Passion für Yoga zum Beruf. Richards großes Spektrum von Anatomie über Pranayama bis hin zu Psychologie und Philoso-phie sowie seine Stärke, dieses Wissen prak-tisch umzusetzen, machen ihn zu einem der profiliertesten Yogalehrer und Yoga-Ausbilder Deutschlands. Zusammen mit seiner Frau Me-ret gründete er 2015 das Mahaprana Institut, eine Plattform für hochwertige Yoga-Aus- und Fortbildungen.

www.yoga-pranayama.dewww.trance-yoga.com

Fotos: www.crikri.de

Kleidung und Yoga-Equipment: www.yogistar.com

BuchtippRichard Hackenberg, Ralph Skuban: Das Chakra-Yoga-Praxisbuch, Aquamarin Verlag, EUR 24,95, ISBN: 9783 894 276 997

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Chakra-Pranayama Du sitzt in einer aufrechten Sitzposition deiner Wahl und schließt die Augen. Mach dich nun mit deiner natürlichen Atmung vertraut und entspanne Schultern, Nacken, Zunge, Kehle und Stirn. Lass jeden Ehrgeiz los und werde innerlich weich; die Sitzposition sollte aber stabil bleiben. Lass deine Atmung während dieser Übung einfach ruhig fließen.

Dies ist eine ganz einfache und sehr alte Atemtechnik, die auch Spinalatmung genannt wird. Wir stellen uns vor, durch die Wirbel-säule zu atmen. In Wirklichkeit atmen wir natürlich weiter in unsere Lunge, aber unser Atem dient als Fokus der Aufmerksamkeit und bewegt sich entlang der Wirbelsäule auf und ab.

Spür eine Weile in die Wirbelsäule hinein, nimm ihre ganze Länge wahr und beginn dann langsam, deine Atmung entlang deiner Wirbelsäule zu lenken.

Atme von der untersten Spitze der Wirbelsäule (dem Steißbein) die ganze Wirbelsäule entlang bis zum Hinterkopf und weiter bis in die Krone des Kopfes.

Atme von unten nach oben ein und von oben nach unten aus.

Lass deine Atmung frei und gleichmäßig fließen, bleib dabei weiterhin bei der beschriebenen Vorstellung und lass deine Aufmerksamkeit mit der Atmung entlang der Wirbelsäule gehen.

Diese Atmung kannst du gerne ca. 3 bis 5 Minuten so fließen lassen, dann spür der Wirkung nach.

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2Chakra-Meditation Sitz in einer stabilen Sitzposition deiner Wahl und mach dich mit deiner Atmung vertraut. Atme während der gesamten Meditation normal und ruhig durch die Nase.

Diese Meditation führt dich durch die Sinnesorgane der Chakras 1 bis 6, um schließlich in Chakra 7 zu ruhen.

Du startest mit dem Sinnesorgan von Muladhara: der Nase. Spür in sie hinein und spür deine Fähigkeit zu riechen. Kannst du in diesem Moment irgendeinen Geruch wahrnehmen? Tauch tief in deine Fähigkeit zu riechen ein.

Das Sinnesorgan von Svadhishthana ist die Zunge. Spür sie und tauch in die Fähigkeit zu schmecken ein. Gibt es in diesem Moment etwas, was du schme-cken kannst?

Das Sinnesorgan Manipuras sind die Augen. Schau von innen auf die geschlos-senen Augenlider: Was genau siehst du?

Das Sinnesorgan Anahatas ist die Haut. Spür möglichst die gesamte Hautober-fläche und das, was du auf der Ebene dieses großen Sinnesorgans wahrnimmst, wie etwa die Berührung deiner Kleidung ...

Vishuddhas Sinnesorgan sind die Ohren. Hör in den Raum um dich herum hinein: Was kannst du hören?

Ajnas Sinnesorgan ist der Mind, unsere Gedanken. Beobachte einfach deine Gedanken eine Weile: Was denkst du gerade?

Schließlich lös dich von allen Sinnesorganen, auch von den Sinneseindrücken und von den Gedanken, und werde zum reinen Beobachter. Kommentiere nicht, denke nicht – beobachte nur, werde ganz ruhig und lass einfach deinen Körper still sitzen.

Du bist am Ende deiner Chakra-Reise angekommen.

WORK- SHOP

Asana a Sahasrara-Chakra

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