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Zentralbl. Mikrobiol. 144 (1989),59-63 VEB Gustav Fischer Verlag lena
[Forschungszentrum fUr Bodenfruchtbarkeit Miincheberg der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR]
Saatgutpillierung mit organischen Substanzen zur Beeinflussung der Mikroorganismenbesiedlung und Jugendentwicklung von Weizen
Seed Pelleting with Organic Substances to Influence the Occupation of Microorganisms and the Juvenile Development of Wheat
GISELA HOFLICH
Mit 3 Abbildungen
Summary
By pelleting of wheat seeds with microbial decomposable organic matter it was possible the settle habitat-specific phytoeffective bacteria on the seed surface in the soil shortly. The juvenile development of the wheat plants was stimulated.
The Pseudomonas spp. are called of special importance. By addition of Carbendazin the growth-stimulating effect of pelleting is obtained. The pelleting substrates stimulated the release of ethylen and the nitrogenase activity.
Zusammenfassung
Durch die Umhiillung von Weizensaatgut mit mikrobiell umsetzbaren organischen Substanzen (Pillierung) ist es miiglich, am Samen im Boden kurzfristig standortspezifische phytoeffektive Bakterien anzureichern und die Jugendentwicklung des Weizens zu stimulieren.
Eine besondere Bedeutung wird Pseudomonas-Arten zugesprochen. Der Zusatz von Carbendazin erhiiht den wachstumsstimulierenden Effekt der Pillierung. Die Pillierungssubstanzen stimulieren die Ethylenfreisetzung und Nitrogenaseaktivitiit.
Mit dem Ziel einer ressourcensparenden Ertragssteigerung und -sicherung wird in vielen Uindem an Losungen zur Nutzung von Mikroorganismen flir eine verstiirkte Nz-Fixierung, PMobilisierung und zum Schutz vor bodenbiirtigen Schaderregem durch Selektion und Inokulation gearbeitet.
Oft ist die Reproduzierbarkeit positiver Inokulationsergebnisse nicht abgesichert, da sich die Mikroorganismen, bedingt durch geringe Pflanzenaffinitat und ungeniigende Anpassung an differenzierte Bodenbedingungen, nur eine begrenzte Zeit in der Rhizospiire etablieren konnen.
Friihere Untersuchungen zeigten, daB in der Rhizosphare von Weizen und,Roggen ahnliche morphologisch und physiologisch differenzierbare Bakterientypen, insbesondere Pseudomonas sp, stimuliert werden, wie nach Einmischung organischer Substanzen in den Boden (HOFLICH und STEINBRENNER 1988).
1m Rahmen der weiteren Forschung wurde deshalb untersucht, ob es durch Anlagerung mikrobiell umsetzbarer organischer Substanzen an das Saatgut (Saatgutpillierung) moglich ist, friihzeitig standortspezifische, stoffwechselaktive und wachstumsfordemde Bakterien am Samen und in der Rhizosphiire aus dem Boden anzusiedeln und die Pflanzenentwicklung zu stimulieren.
60 GISELA HOFLICH
Material nnd Methoden
Zur Pillierung des W.-Weizensaatgutes (Sorte ,Arkos') wurden mikrobiell umsetzbare organische Substanzen (Luzernemehl, Strohmehl, Stallmist - einzeln und kombiniert), Futterhefe und Kaolin bzw. Bentonit mit Hilfe von Bindemitteln (Carboxymethylzellulose bzw. Polyvinylalkohol) an das Saatgut angelagert (WP AO lC/3030601).
Die PfIanzenanzuchterfolgte in GefaBen mitje 1 bzw. 2kg Boden im Phytotron bzw. Gewachshaus bei 15 ± 2°C am Tage und 12 ± 2°C in der Nacht (Temperaturschwankungen im Gewachshaus graBer) und einer Beleutungsdauer im Phytotron von 16h mit 35000 Lux. Gediingt wurde mit Wobil entsprechend 2mg N je lOOg Boden zum Versuchsansatz und in 8tagigen Abstand.
Angaben zu den Versuchsbaden (mg·lOOg Boden-I):
Nt Ct P K pH
D3 (Bandersand-Braunerde) 55 615 8,2 9,9 6,0 D4 (Salmtieflehm-Fahlerde) 96 745 9,1 11,5 6,4 Lal (LaB-Schwarzerde) 194 1928 13,0 26,7 6,8
Die Bakterienzahlen wurden auf Glyzerin-Pepton-Argar (HIRTE 1961) und die Pilzzahlen auf Biomalzagar bestimmt.
Zur Untersuchung der Mikroorganismen am Samen wurden die Samen nach unterschiedlicher Lagerzeit aus dem Boden entnommen und Wurzeln bzw. SproBteile entfernt. Fiir die Analyse der Rhizospharenmikroflora wurden Wurzelproben nach Abschiitteln des anhaftenden Bodens verwendet. Die Bakterien wurden in Anlehnung an HIRTE (1969 a) zunachst in Typen an der Gesamtzahl ermittelt. Eine systematische Eingruppierung erfolgt in Anlehnung an HIRTE (l969b).
Die Nitrogenaseaktivitat wurde in Blutkonservenflaschen durch Anwendung der Azetylenreduktionsmethode (WOLF und HOFLICH 1986) nach unterschiedlicher Inkubationszeit des Bodens mit Zusatz von 2 % organischer Substanz (Luzerne- und Strohmehl) bei einer MWK von 55 ± 5 % mit Hilfe des Gaschromatographen bestimmt. Zur Ermittlung der Ethylenbildung wurden Gasproben vor der Azetylenbegasung aus luftdicht verschlossenen InkubationsgefaBen nach 17stiindiger Inkubationszeit bei 20°C entnommen und gaschromatographisch untersucht.
Ergebnisse nnd Disknssion
Durch die Pillierung des Weizensaatgutes mit Stroh- und Luzememehl, einzeln und kombiniert, wurde die Bakterienflora am Samen bereits 3d nach der Aussaat in den Boden, im Vergleich zu unpilliert, stimuliert. Eindeutige Unterschiede zwischen den Pillierungssubstraten zeichneten sich nicht abo Dieser Stimulierungseffekt hielt in 6 Versuchen zumindest bis zu 3 Wochen an (Abb. 1).
Angereichert wurden besonders Pseudomonas spp. Schwach stimuliert waren Agrobacterium spp., Streptomyces spp., sonstige Bakterien und Pilze. Ein relativer Riickgang erfolgte bei den Bacillus spp. und coryneformen Bakterien. Die Pseudomonas spp. waren nicht nur relativ stimuliert, sondem auch in der Gesamtzahl iiberlegen (ca. 15 Mill. je Samen, darunter ca. 9 Mill. fluoreszierende Pseudomonas-Arten). Ihnen folgten Agrobacterium (ca. 13 Mill. je Samen), Bacillus und Coryneforme (ca. 8 Mill. je Samen). ZahlenmaBig unterlegen waren Streptomyces spp. (ca. 0,2Mill. je Samen) und Sonstige (ca. 1 Mill. je Samen).
Auf die Bakterienzahlen in der Rhizosphare wirkte sich die Saatgutpillierung insgesamt nicht stimulierend aus. Relativ gefordert wurden bei geringer Anzahl (ca. 0,5 Mill. je 0,5g Wurzeln) lediglich Streptomyces spp. Die Bacillus spp. und Coryneforme wurden, ahnlich wie am Samen, reduziert.
Bemerkenswert ist eine reduzierte Pilzbesiedlung in der Rhizosphare. In friiheren Untersuchungen wurde nach Saatgutpillierung auch ein geringerer Befall der Gedreidewurzeln mit dem pilzlichen Erreger der Schwarzbeinigkeit des Getreides (Gaeumannomyces graminis) und eine Stimulierung antagonistischer Mikroorganismen nachgewiesen (HOFLICH 1980).
Positive Beziehungen zeichnen sich zwischen stimulierter Bakterienflora am Samen, insbeson-
Saatgutpillierung mit organischen Substanzen 61
250
+
0 Bakterien gesamt
0 -Pilze gesamt S2 0 Pseudomonas " spp. ~
~ Agrobacterium a spp. L.
C E2l Streptomyces spp. 0 ~ 50 fQ9 Bacillus spp. c
!Ql Coryneforme Bakt. Q) N e Q sonstige Bakterien CL
Abb. 1. EinfluB von Saatgutpillierung mit Luzerne- und Strohmehl auf die Mikroflora am Samen und in der Rhizosphare von Weizen (unpilliert = 100; it von 6 Versuchen mitje 4 Terminen) (3, 7,14,21 Tage) n = 432. + signifikant nach Konfidenzintervall bei (X = 5 % .
dere den Pseudomonas spp., und reduzierler Pilzbesiedlung an den Wurzeln ab (Abb. 1). Die phytosanitare Funktion flureszierender Pseudomonas-Arlen beim Schutz vor bodenbiirligen pilzlichen Wurzelparasiten, bedingt durch hohe Pflanzenaffinitat, Antibiotikaproduktion, BereitsteHung von Phytohormonen und Bildung von Siderophoren wurde wiederholt nachgewiesen (WELLER u. a. 1985; WONG und BAKER 1984; PRIKRYL und VANCURA 1983; KLOEPPER u. a. 1980; ZASPEL 1988).
Tabelle 1. EinfluB der Saatgutpillierung auf die Trockenmasseproduktion und Bestockung von W.-Weizen (Sorte 'Arkos') in GefaBversuchen (unbehandelte Kontrolle = 100)
Boden
Bandersand-Braunerde (D3)
Tieflehm-Fahlerde (D4) Li:iB-Schwarzerde (Uil 1)
Wirkstoff
Thicoper
1) Signifikanz nach Konfidenzintervall bei (X = 5 %
Anzahl Versuch
8 8
Trockenmasse
SproG
106') 1151
)
108 105
Wurzel
107 103 100 109
Bestockung
113 110 114 105
Ob auch den relativ stimulierlen Streptomyces spp. als Antibiotikaproduzenten eine Bedeutung fUr die reduzierle Pilzbesiedlung zukommt ist fraglich. Unbeantworlet bleibt auch, inwieweit andere, mit diesen Niihrmedien nicht erfaBte Bakterien, durch die Saatgutpillierung beeinfluBt werden und von Bedeutung sind.
Die Jugendentwicklung des W.-Weizens wurde in GefaBversuchen durch die Pillierung stimulierl. Zu ZADOKS 23 war der SproBtrockenmasseerirag im Durchschnitt von 8 Versuchen auf Boden von D3-Standorlen urn 6% im Vergleich zur unbehandelten KontroHe erhoht (Tab. 1). Die
62 GISELA HOFLlCH
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0,1
0,01
" 0.001 c::: ~ QI ~
~~0,0001 UN
o " I , , , ,
ohne Substrot
Stroh + Luzerne
Stroh
"-' .... 'L _____ 9_
----b --cp--_ a ----
--- -p
~ , ___ £-~====:;c========~b===:====:b========:===========~====~~ :J.0,0000 t c 20 30 40 b 45 Bebrutungszeit in Togen
Abb. 2. EinfluB organischer Substrate (2 %) auf die Ethylenbildung im Boden.
10,0
1,0
0,1 ..c .... N
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r.~ 0.001 N
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a
ohne
Stroh ,.b Luzerne + Stroh ... , ,
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a
~-----. b~~
Bebrutungszeit in Togen
Abb. 3. EinfluB organischer Substanzen (2 %) ± auf die Nitrogenaseaktivitat (Azetylenreduktion) im Boden.
Wurzelmassentwicklung und Bestockung waren nicht signifikant stimuliert. Ein positiver Pillierungseffekt zeichnete sich auch auf Boden von D4- und Lo I-Standorten abo
Von den Pillierungssubstraten erwies sich eine Kombination von Luzerne- und Strohmehl als giinstig. Hefeextrakt als Lysinqm;lle hatte keinen eindeutigen EinfluB.
Durch Zusatz von Carbendazin (2 g Thicoper je kg Saatgut) zum Pillierungssubstrat wurde eine weitere Erhohung des Trockenmasseertrages ( 15 %) erzielt (Tab. 1). Das ist moglicherweise auf die cytokininiihnlichen Wirkungen der Benzimidazol-Derivate zuriickzufiihren (SPENCER 1972; DELP 1987).
Zur Untersuchung des Einflusses der organischen Pillierungssubstanzen auf die Nitrogenaseak-
Saatgutpillierung mit organischen Substanzen 63
tivitat und Enthylenbildung wurden, da exakte Messungen in der Rhizospare schwer durchzufiihren sind, dem Boden die Substanzen in Konzentrationen von insgesamt 2 % zugesetzt und nach unterschiedlichen Inkubastionszeiten die Ethylenfreisetzung und Nitrogenaseaktivitat analysiert. Die Ergebnisse zeigen, daB die Ethylenfreisetzung in einem Luzeme-Stroh-Gemisch h6her als bei Stroh allein ist (Abb. 2). Sie laBt aber nach 30d wieder nacho Die Nitrogenaseaktivitat wird durch Stohzusatz starker stimuliert als duch Luzeme-Stroh-Gemisch (Abb. 3).
Zusammenfassend wird eingeschatzt, daB fUr die wachstumsstimulierenden Effekte der Saatgutpillierung wahrscheinlich unterschiedliche Wirkungen verantwortlich sind. Dazu geh6ren u. a.:
die kurzfristige Anreicherung standortspezifischer stoffwechselaktiver Mikroorganismen am Samen, die zur Phytohormonbildung, NrFixierung, dem Schutz vor Pathogenen und zum AufschluB von Pflanzennahrstoffen befiihigt sind und die Bereitstellung von Nahsubstrat fUr die mikrobielle Produktion phytoeffektiver Substanzen in unmittelbarer Nahe der Pflanze.
Aus dem wachstumsstimulierenden Effekt von Thicoper liiBt sich die Hypothese ableiten, daB cytokininbildenden Mikroorganismen eine besondere Bedeutung bei der Stimulierung der Jungpflanzenentwicklung zukommt.
Literaturverzeichnis
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Anschrift des Autors: Prof. Dr. sc. GISELA HOFLICH, Forschungszentrum fiir Bodenfruchtbarkeit Miincheberg, W.-Pieck-Str. 72, Miincheberg, 1278.