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18 FORSCHUNG 19/2006/1 Sabine Feierabend Der kleine Unterschied Ein quantitativer berblick über Medienausstattung und Fernsehnutzung bei Mdchen und Jungen Kinder und Pre-Teens besitzen eine Vielzahl von Medien und nutzen sie selbstbestimmt. Fernsehen rangiert dabei an erster Stelle. Auf der Ba- sis der Ergebnisse der KIM-Studie werden Unterschiede im Medien- besitz, in den Mediennutzungszei- ten und in der Auswahl des Pro- grammangebots bei 6- bis 13-jh- rigen Kinder und Pre-Teens vorge- stellt. Bei der Programmauswahl zeigen sich die grten Unterschie- de zwischen Jungen und Mdchen. D ass Kinderwelten zunehmend auch Medienwelten sind, ist weithin bekannt. Trotz allem erstaunt die Breite des Medienreper- toires, das 6- bis 13-Jhrigen heute zum mehr oder weniger selbstbe- stimmten Umgang zur Verfügung steht bzw. sich in deren Besitz befin- det. Etwa die Hlfte der Kinder haben ei- nen Kassettenrekorder oder CD- Player (Besitzrate jeweils 56 %), ei- nen Walkman (51 %) oder ein Radio (50 %). 44 Prozent knnen mit ihrem eigenen Gameboy spielen und 42 Pro- zent haben ein eigenes Fernsehgert zur Verfügung. Handy (36 %) und Spielkonsole (35 %) finden eine stei- gende Verbreitung, aber auch MP3- Player (17 %), Videorekorder (15 %) oder Computer bzw. Kindercomputer (jeweils 12 %) setzen sich ebenso wie DVD-Player (10 %) oder gar Internet- zugang (7 %) zunehmend auch im Kinderzimmer durch. 1 Unterschiede in der Medienausstattung von Mdchen und Jungen Betrachtet man Medienausstattung und Medienbindung der Kinder hin- sichtlich des Geschlechts, so zeigen sich neben vielen Gemeinsamkeiten doch einige deutliche Unterschiede. Insgesamt haben 6- bis 13-jhrige Jun- gen in Deutschland ein greres Me- dienrepertoire zur eigenen Verfügung als Mdchen. Dies betrifft vor allem Spielkonsolen (Jungen 44 %, Md- chen 26 %) und Gameboys (Jungen 52 %, Mdchen 35 %), aber auch Computer 2 (Jungen 16 %, Mdchen 8 %), Handys (Jungen 38 %, Md- chen 33 %) oder Fernsehgerte (Jun- gen 45 %, Mdchen 39 %). Entspre- chend auch die Ergebnisse zur Unent- behrlichkeit verschiedener Medien. Vor die Wahl gestellt, auf welches Medium am wenigsten verzichtet werden kann hier waren Fernseher, Computer, Internet, Bücher, Zeit- schriften/Heftchen und das Radio vor- gegeben entscheiden sich 74 % der Kinder für den Fernseher, 12 % für den Computer, 6 % für Bücher und jeweils 4 % für Zeitschriften/Heftchen und das Radio. Das Internet spielt in diesem Zusammenhang für Kinder (noch) keine Rolle (1 %). Whrend der Fernseher für Jungen und Md- chen gleichermaen wichtig ist, ent- scheiden sich fast dreimal so viele Jungen (17 %) wie Mdchen für den Computer (6 %). Umgekehrt haben Mdchen an Bücher eine dreimal so starke Bindung wie Jungen (3 %). Der Stellenwert, den die einzelnen Medien für die Kinder einnehmen, lsst sich dann natürlich vor allem an der konkreten Nutzung ablesen. Die Liste der am hufigsten ausgeübten Medienaktivitten (mindestens ein- mal pro Woche) wird vom Fernsehen (97 %) angeführt, es folgt die Nut- zung von Musikkassetten oder CDs (79 %), Computer (63 %), Radio (60 %), DVD (60 %) und das Lesen von Büchern (ohne Schulbuch) oder Zeitschriften (55 %). Hrspielkasset- ten (49 %) und Comics (47 %) wer- den von knapp der Hlfte der Kinder zumindest einmal die Woche genutzt. Weniger als die Hlfte der Kinder spielen mindestens einmal pro Wo- che Gameboy (42 %) oder Videospie- le (44 %). 33 Prozent blttern regel- mig in einer Zeitung, 31 % surfen mindestens einmal pro Woche im In- ternet. ber ein Viertel der Kinder (26 %) nutzen zumindest einmal die Woche digitale Audiodateien bzw. MP3-Files. Dabei werden viele T- tigkeiten von Jungen und Mdchen in vergleichbarer Hufigkeit ausge- übt. Beim Lesen (64 % zu 52 %), Mu- sikhren (83 % zu 75 %) und bei Hr- spielkassetten (53 % zu 45 %) sind Mdchen aktiver als Jungen. Letztere spielen mehr mit dem Gameboy (51 % zu 33 %) und nutzen Video- spiele oder Spielkonsolen hufiger (54 % zu 33 %). Auch der Computer wird von Jungen derzeit noch hufi- ger genutzt (67 % zu 58 %) als von Mdchen. Keine Unterschiede gibt es beim Surfen im Internet oder bei der Fernsehnutzung. Trotz zunehmender Ausstattung mit

Sabine Feierabend Der kleine Unterschied · hören täglich oder fast täglich Radio, die Nutzung von Tonträgern, sei es in Form von Hörspielen oder Musik, erfolgt bei 16 bzw. 15

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18FORSCHUNG

19/2006/1

Sabine Feierabend

Der kleine UnterschiedEin quantitativer Überblick über Medienausstattung und Fernsehnutzung

bei Mädchen und Jungen

Kinder und Pre-Teens besitzen eineVielzahl von Medien und nutzen sieselbstbestimmt. Fernsehen rangiertdabei an erster Stelle. Auf der Ba-sis der Ergebnisse der KIM-Studiewerden Unterschiede im Medien-besitz, in den Mediennutzungszei-ten und in der Auswahl des Pro-grammangebots bei 6- bis 13-jäh-rigen Kinder und Pre-Teens vorge-stellt. Bei der Programmauswahlzeigen sich die größten Unterschie-de zwischen Jungen und Mädchen.

Dass Kinderwelten zunehmendauch Medienwelten sind, istweithin bekannt. Trotz allem

erstaunt die Breite des Medienreper-toires, das 6- bis 13-Jährigen heutezum mehr oder weniger selbstbe-stimmten Umgang zur Verfügungsteht bzw. sich in deren Besitz befin-det.Etwa die Hälfte der Kinder haben ei-nen Kassettenrekorder oder CD-Player (Besitzrate jeweils 56 %), ei-nen Walkman (51 %) oder ein Radio(50 %). 44 Prozent können mit ihremeigenen Gameboy spielen und 42 Pro-zent haben ein eigenes Fernsehgerätzur Verfügung. Handy (36 %) undSpielkonsole (35 %) finden eine stei-gende Verbreitung, aber auch MP3-Player (17 %), Videorekorder (15 %)oder Computer bzw. Kindercomputer(jeweils 12 %) setzen sich ebenso wieDVD-Player (10 %) oder gar Internet-zugang (7 %) zunehmend auch imKinderzimmer durch.1

Unterschiede in derMedienausstattung vonMädchen und Jungen

Betrachtet man Medienausstattungund Medienbindung der Kinder hin-sichtlich des Geschlechts, so zeigensich neben vielen Gemeinsamkeitendoch einige deutliche Unterschiede.Insgesamt haben 6- bis 13-jährige Jun-gen in Deutschland ein größeres Me-dienrepertoire zur eigenen Verfügungals Mädchen. Dies betrifft vor allemSpielkonsolen (Jungen 44 %, Mäd-chen 26 %) und Gameboys (Jungen52 %, Mädchen 35 %), aber auchComputer2 (Jungen 16 %, Mädchen8 %), Handys (Jungen 38 %, Mäd-chen 33 %) oder Fernsehgeräte (Jun-gen 45 %, Mädchen 39 %). Entspre-chend auch die Ergebnisse zur Unent-behrlichkeit verschiedener Medien.Vor die Wahl gestellt, auf welchesMedium am wenigsten verzichtetwerden kann � hier waren Fernseher,Computer, Internet, Bücher, Zeit-schriften/Heftchen und das Radio vor-gegeben � entscheiden sich 74 % derKinder für den Fernseher, 12 % fürden Computer, 6 % für Bücher undjeweils 4 % für Zeitschriften/Heftchenund das Radio. Das Internet spielt indiesem Zusammenhang für Kinder(noch) keine Rolle (1 %). Währendder Fernseher für Jungen und Mäd-chen gleichermaßen wichtig ist, ent-scheiden sich fast dreimal so vieleJungen (17 %) wie Mädchen für denComputer (6 %). Umgekehrt habenMädchen an Bücher eine dreimal sostarke Bindung wie Jungen (3 %).

Der Stellenwert, den die einzelnenMedien für die Kinder einnehmen,lässt sich dann natürlich vor allem ander konkreten Nutzung ablesen. DieListe der am häufigsten ausgeübtenMedienaktivitäten (mindestens ein-mal pro Woche) wird vom Fernsehen(97 %) angeführt, es folgt die Nut-zung von Musikkassetten oder CDs(79 %), Computer (63 %), Radio(60 %), DVD (60 %) und das Lesenvon Büchern (ohne Schulbuch) oderZeitschriften (55 %). Hörspielkasset-ten (49 %) und Comics (47 %) wer-den von knapp der Hälfte der Kinderzumindest einmal die Woche genutzt.Weniger als die Hälfte der Kinderspielen mindestens einmal pro Wo-che Gameboy (42 %) oder Videospie-le (44 %). 33 Prozent blättern regel-mäßig in einer Zeitung, 31 % surfenmindestens einmal pro Woche im In-ternet. Über ein Viertel der Kinder(26 %) nutzen zumindest einmal dieWoche digitale Audiodateien bzw.MP3-Files. Dabei werden viele Tä-tigkeiten von Jungen und Mädchenin vergleichbarer Häufigkeit ausge-übt. Beim Lesen (64 % zu 52 %), Mu-sikhören (83 % zu 75 %) und bei Hör-spielkassetten (53 % zu 45 %) sindMädchen aktiver als Jungen. Letzterespielen mehr mit dem Gameboy(51 % zu 33 %) und nutzen Video-spiele oder Spielkonsolen häufiger(54 % zu 33 %). Auch der Computerwird von Jungen derzeit noch häufi-ger genutzt (67 % zu 58 %) als vonMädchen. Keine Unterschiede gibt esbeim Surfen im Internet oder bei derFernsehnutzung.Trotz zunehmender Ausstattung mit

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Computer und Internet, trotz Handy,Spielkonsole und MP3-Player ist(und bleibt) das Fernsehen also daswichtigste Medium im Alltag vonKindern. Dies gilt für Vorschulkindernoch viel mehr, für die das Fernse-hen aufgrund ihrer physiologischenund psychologischen Entwicklungden zentralen Stellenwert unter denMedien einnimmt. Bei den regelmä-ßig ausgeübten Medienaktivitätenvon Vorschulkindern (jeden/fast je-den Tag) rangiert das Fernsehen mit64 % an erster Stelle.3 Mit weitemAbstand folgt das (eigenständige)Anschauen von Büchern, wobei diesnur bei einem Drittel der 2- bis 5-Jäh-rigen Teil des Alltags ist. 30 Prozenthören täglich oder fast täglich Radio,die Nutzung von Tonträgern, sei esin Form von Hörspielen oder Musik,erfolgt bei 16 bzw. 15 % regelmäßig.

Alters- und Geschlechts-unterschiede in der

Fernsehnutzungszeit

Vor diesem Hintergrund soll im Wei-teren die Fernsehnutzung von Kin-dern hinsichtlich ihrer Gemeinsam-keiten und Unterschiede näher unter-sucht werden. Grundlage bilden dieDaten der GfK-Fernsehforschung fürdas Jahr 2005.4 Die untere Altersgren-ze bilden hier Kinder im Alter von 3Jahren als die jüngste von der GfK-Fernsehforschung kontinuierlich er-fasste Altersgruppe, die obere Gren-ze � und damit gängigen Untersu-chungen folgend � die 13-Jährigen.5

Neben dem Ersten Programm derARD und dem ZDF, die ihre Pro-grammfläche für Kinder an den Vor-mittagen des Wochenendes senden,haben sich in den vergangenen Jah-ren zahlreiche neue Anbieter vonKinderprogramm im Fernsehen eta-bliert: Auf öffentlich-rechtlicher Sei-te sendet der KI.KA (Sendestart1997) täglich von 6.00 bis 21.00 Uhrein speziell auf Kinder zugeschnitte-nes Programm, auf privatrechtlicherSeite haben sich Super RTL (Sende-

start 1995) und auch RTL2 (Sende-start 1993) etabliert. Seit September2005 ist mit NICK als Neuauflage des1998 eingestellten Anbieters »Nickel-odeon« ein weiterer werbefinanzier-ter Kindersender am Start. SpezielleSendestrecken für Kinder bieten un-ter der Woche auch die Dritten Pro-gramme der ARD, je nach Rundfunk-anstalt am frühen Morgen oder amNachmittag, und auch privatrechtli-che Sender bieten � ebenfalls meistan den Wochenenden � zu bestimm-ten Zeitfenstern ein mehr oder weni-ger umfangreiches Angebot für Kin-der. Noch vergleichsweise wenig weitverbreitet sind darüber hinaus dieKinderangebote aus der Premiere-Familie � JETIX (früher Fox Kids),JETIX Europe, Disney Channel (seit1999) und Junior (seit 1996).Wie der Langzeitvergleich zeigt, hatsich dieses zunehmende Programm-angebot kaum auf die Fernsehnut-zung der Kinder niedergeschlagen.1992 haben an einem durchschnittli-chen Tag genau zwei Drittel der da-mals 3- bis 13-Jährigen das Fernse-hen genutzt, 13 Jahre später sind esmit 59 % erkennbar weniger. Vondeutlicher Stabilität gekennzeichnetist auch die Sehdauer, die 1992 bei93 Minuten lag � 2 Minuten mehr alsim Jahr 2005. Der Blick auf die Ver-weildauer schließlich � hier gehennur diejenigen in die Berechnung mitein, die auch tatsächlich ferngesehenhaben � zeigt 2005 (147 Minuten) imVergleich zu 1992 einen Rückgangum 9 Minuten.Aktuell nutzen Jungen das Fernseheninsgesamt nur noch etwas intensiverals Mädchen (plus 3 Minuten), wasaber nicht für das ganze Bundesge-biet gleichermaßen gilt. Im Westenliegen Mädchen (86 Minuten) undJungen (87 Minuten) nahezu gleich-auf. Im Osten sehen Jungen 17 Mi-nuten länger fern als Mädchen (106Minuten). Im Vergleich mit dem Vor-jahr zeigen sich ganz unterschiedli-che Entwicklungen. Insgesamt hatsich die Tagesreichweite von 2004auf 2005 um zwei Prozentpunkte ver-

ringert und auch die Sehdauer fälltmit 91 Minuten geringer aus als 2004(93 Min.). Dies gilt aber nicht fürKinder aus den neuen Bundeslän-dern. Zwar werden auch hier an ei-nem Durchschnittstag weniger Kin-der vom Fernsehen erreicht als imVorjahr, die Sehdauer hat sich aberum 6 Minuten erhöht. Dieser Anstiegist ausschließlich auf die Jungen zu-rückzuführen, die im Vergleich zu2004 pro Tag 10 Minuten länger fern-sehen. Bei Kindern aus den altenBundesländern hat sich die Sehdau-er dagegen um 3 Minuten verringert.Betrachtet man die unterschiedlichenAltersgruppen, so zeigt sich mit zu-nehmendem Alter der Kinder aucheine Zunahme der Fernsehnutzungs-zeit. Im Jahr 2005 sehen 3- bis 5-Jäh-rige an einem durchschnittlichen Tag71 Minuten lang fern, die 6- bis 9-Jährigen kommen auf 86 Minutenund die 10- bis 13-Jährigen legennoch einmal 22 Minuten oben drauf.

reuadheS reheS 1

.niMni oiMni %ni

.J31-3redniK 19 37,4 95

nehcdäM 98 82,2 95

negnuJ 29 54,2 95

J5-3redniK . 17 90,1 45

nehcdäM 17 65,0 65

negnuJ 17 45,0 25

.J9-6redniK 68 47,1 95

nehcdäM 48 28,0 85

negnuJ 88 29,0 06

.J31-01redniK 801 09,1 26

nehcdäM 601 09,0 16

negnuJ 011 99,0 36

1 medrovdnefualtrofetuniMeniesnetsedniM.thcarbrevrehesnreF

Tab. 1: Fernsehnutzung von Kindern nachAlter und Geschlecht 2005Mo bis So, 3.00 bis 3.00 Uhr

Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TVAktuell, Fernsehpanel (D+EU).

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Je nach Altersgruppe fallen die Un-terschiede zwischen Jungen undMädchen dabei unterschiedlich starkaus. Bei den 3- bis 5-Jährigen sehenan einem durchschnittlichen Tag mit56 % zwar etwas mehr Jungen alsMädchen (52 %), die Sehdauer ist mit71 Minuten bei beiden Gruppengleich. Erst bei den ab 6-Jährigenliegt die Sehdauer der Jungen umetwa 4 Minuten über der von Mäd-chen (s. Tab. 1).Einfluss auf den Umfang der Fern-sehnutzung hat auch der Umstand, obKindern ein eigenes Fernsehgerät imZimmer zur Verfügung steht odernicht. So liegt die Tagesreichweitedes Fernsehens bei Kindern mit ei-genem Fernsehgerät um 4 % höherals bei Kindern ohne eigenes Gerät.Dies wirkt sich dann auch auf dieSehdauer aus. Mit 83 Minuten sehen3- bis 13-Jährige ohne Fernseher imZimmer deutlich weniger fern alsKinder mit eigenem Fernseher, dieauf 119 Minuten durchschnittlicheSehdauer am Tag kommen. Die Dif-ferenzierung nach Mädchen und Jun-gen zeigt beim Besitz eines eigenenGeräts einen umgekehrten Trend �unter den Fernsehbesitzern sehendann nämlich die Mädchen (120 Mi-nuten) etwas länger fern als die Jun-gen (118 Minuten) (s. Tab. 2).Die Frage, ob sich die Fernsehnut-zung von Jungen und Mädchen imTagesverlauf unterscheidet, beant-

wortet der Blick auf die Tagesver-laufskurven. Generell weisen Kinderund Personen ab 14 Jahren ein sehrähnliches Nutzungsmuster auf. Ins-gesamt baut sich die Zuschauerschaftüber den Tag hinweg auf, wobei sichdrei »Ausschläge« bzw. »Spitzen«ausmachen lassen. Die intensivsteNutzungszeit der 3- bis 13-Jährigenliegt am Abend in der Zeit zwischen18.00 und 20.00 Uhr. Aber bereits amMorgen, etwa von 8.00 bis 10.30 Uhr,lässt sich ein erster (kleiner) Schwer-punkt ausmachen. Nach einem leich-ten Rückgang steigt die Nutzung bis14.00 Uhr, also nach dem Mittag-essen bzw. bei der Rückkehr aus Kin-dergarten oder Schule, auf etwa 9 %an. Hier liegt der zweite Nutzungs-höhepunkt. Nach dieser Zeit fällt dieKurve wieder ab, um in der Zeit von

18.00 bis 20.00 Uhr von 12 % auf20 % � den Tageshöchstwert � anzu-steigen. In den nächsten beiden Stun-den halbiert sich die Fernsehnutzungder Kinder auf etwa 9 % und fällt imweiteren Zeitverlauf weiter ab. Mitzunehmendem Alter der Kinder wirdder Nutzungsgipfel am Abend sowohlhöher (der Anteil fernsehender Kin-der wird größer) und breiter (die Kin-der sehen länger fern), gleichzeitigverlagert sich die Nutzung auf derZeitachse später in den Abend hin-ein.Unter der Woche verlaufen die Nut-zungskurven von Jungen und Mäd-chen nahezu identisch. Betrachtetman aber das Wochenende, so zeigensich leichte Unterschiede. So wird amMorgen bereits deutlich mehr fern-gesehen als unter der Woche, der»Morgen-Gipfel« liegt deutlich überdem am Mittag. Am frühen Morgenbis 9.00 Uhr nutzen dann auch mehrJungen als Mädchen das Fernsehenund auch am Abend ab 19.00 Uhrliegt der Anteil bei Jungen über demder Mädchen, in der Zeit dazwischensind die Kurven identisch. Die Ver-laufskurve vom Sonntag steigt beiMädchen und Jungen im Vergleichzum Samstag viel stärker an, denAusschlag um 11.30 Uhr markiertdeutlich Die Sendung mit der Maus.Jungen sehen am Sonntag um 20.00Uhr herum zu einem größeren Anteilfern als Mädchen (s. Abb. 1 und 2).

.niMnireuadheS reheS 1 %ni .niMnireuadliewreV

täreG-VTmenegietimredniK 911 26 581

täreG-VTsenegieenhoredniK 38 85 631

täreG-VTmenegietimnehcdäM 021 16 881

täreG-VTsenegieenhonehcdäM 18 85 431

täreG-VTmenegietimnegnuJ 811 26 281

täreG-VTsenegieenhonegnuJ 48 85 831

1 .thcarbrevrehesnreFmedrovdnefualtrofetuniMeniesnetsedniM

Tab. 2: Fernsehnutzung von Kindern 2005 � mit und ohne eigenes FernsehgerätMo bis So, 3.00 bis 3.00 Uhr, 3 bis 13 Jahre, BRD gesamt

Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV Aktuell, Fernsehpanel (D+EU).

Abb. 1: Fernsehnutzung der Kinder an Samstagen 2005 im Tagesverlauf nach GeschlechtMo bis So, 3.00 bis 3.00 Uhr, in %

Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV Aktuell, Fernsehpanel (D+EU).

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Alters- und Geschlechts-unterschiede bei der

Programmwahl

Jungen und Mädchen unterscheidensich also in ihrem »formalen« Fern-sehverhalten nur punktuell. Erst beiBetrachtung der inhaltlichen Ebenewerden die Unterschiede deutlich.Der bei Kindern erfolgreichste Pro-grammanbieter war im Jahr 2005Super RTL (Mo�So, 3.00 bis 3.00Uhr). Mit einem Marktanteil von25,6 % kommt der Kölner Senderdeutlich vor dem zweitplatzierten öf-fentlich-rechtlichen KI.KA (12,2 %),der dritte Platz geht an RTL (8,6 %),gefolgt von SAT.1 (8,0 %), RTL II(7,1 %) und ProSieben (7,4 %). Kin-der verbringen 41,4 % ihrer Fernseh-zeit mit einem der drei RTL-Program-me, auf die öffentlich-rechtlichenAngebote (KI.KA, Erstes und DritteProgramme der ARD, ZDF) entfal-len 25,4 % der Fernsehnutzung. Da-bei variieren die Präferenzen der Kin-der je nach Alter und Geschlecht. Ein-schränkend wird im Folgenden dieZeitschiene 6.00 bis 21.00 Uhr be-trachtet, die Sendezeit des KI.KA.Für die jüngsten Fernsehzuschauer,die 3- bis 5-Jährigen, sind vor allemzwei Fernsehangebote relevant � Su-per RTL mit einem Marktanteil von39,2 % auf dem ersten Rang, derKI.KA folgt mit 30,3 % auf demzweiten Platz. Bereits in dieser Al-

tersgruppe unterscheiden sich Jungenund Mädchen aber schon deutlich. Soerreicht Super RTL (43,2 %) bei denJungen mit 43,2 % einen fast doppeltso großen Marktanteil wie der zweit-plazierte KI.KA (21,7 %). Bei denMädchen liegt zwar ebenfalls SuperRTL (35,1 %) auf dem ersten Platz,der Abstand zum KI.KA (30,3 %) istaber vergleichsweise gering. Auf dieöffentlich-rechtlichen Angebote ent-fallen im Übrigen 40,6 % der Fern-sehnutzung der Vorschul-Mädchen,bei den Jungen dieser Altersgruppensind es nur 29,9 %. Betrachtet mandie TOP 100 der Vorschulkinder (hierexemplarisch für November 2005),also die Sendungen mit den meistenZuschauerInnen, so finden wir beiJungen und Mädchen neben UnserSandmännchen (KI.KA) vor allemZeichentrickangebote unter denmeist gesehenen Sendungen. Diebeliebtesten Sendungen der Jungensind dann Formate wie SpongeBobSchwammkopf, Disneys Lilo &Stitch, Ducktales, Der rosarote Pan-ther (alle Super RTL) oder Benjamin:bärenstark und Der kleine Eisbär(KI.KA). Bei den Mädchen liest sichdie Liste der TOP 100 mit Schwer-punkt auf den KI.KA-Formaten zwarrecht ähnlich, mit Mona der Vampir(KI.KA) ist hier aber zusätzlich eineZeichentrickserie mit einer starkenMädchenrolle erfolgreich.Auch bei den 6- bis 9-Jährigen liegtSuper RTL auf dem ersten Platz

(36,5 %), mit größerem Abstand folgtder KI.KA (17,4 %) auf dem zweitenRang. Für die Vorschulkinder nochvergleichsweise unbedeutend, gewin-nen bei den Grundschulkindern lang-sam weitere Programmangebote anBedeutung. Dies gilt sowohl für ARDund ZDF, vor allem aber die privatenSender � RTL2, RTL, SAT.1 oder Pro-Sieben � erreichen nun schon höhereQuoten als bei den Grundschulkin-dern. Super RTL bleibt sowohl fürJungen (40,2 %) als auch Mädchen(32,4 %) die Nummer 1, der KI.KAbleibt für Vorschul-Mädchen (21,1 %)deutlich attraktiver als für Jungen(14,2 %). Weitere geschlechtsspezifi-sche Vorlieben zeichnen sich auch beiRTL (erfolgreicher bei Mädchen) undRTL2 (erfolgreicher bei Jungen) ab.Der Blick auf die TOP 100 zeigt auchhier unterschiedliche Vorlieben, dieinsgesamt aber noch immer von Zei-chentrickangeboten dominiert wer-den. Bei den Mädchen tauchen nebenDisneys Lilo & Stitch (20-mal), Un-ser Sandmännchen (15-mal), Sponge-Bob (16-mal) und Benjamin: bären-stark (14-mal) unter den TOP 100dann auch Lernformate (Wissenmacht Ah! im KI.KA, 4-mal) oder er-wachsene Serienformate wie die Dai-ly Soap Verliebt in Berlin (SAT.1, 4-mal) auf. Auch bei den 6- bis 9-jähri-gen Jungen bleiben unter den TOP100 des November 2005 die Zeichen-trickformate vor allem bei Super RTLdominierend (SpongeBob 27-mal,Disneys Lilo & Stitch 24-mal, Duck-tales 14-mal, Der rosarote Panther13-mal). Gerade mal drei Sendungengehören nicht zur Rubrik Zeichen-trick: je eine Folge von Wetten,dass�?, Upps! Die Pannenshow undArt Attack.Bei den ältesten hier betrachteten Kin-dern, den 10- bis 13-Jährigen, hat sichdas Senderspektrum dann deutlicherweitert: Die Fernsehnutzung verteiltsich auf mehrere Sender mit gleichemGewicht � ein Indiz für die sich im-mer stärker ausdifferenzierenden In-teressen der Kinder. Zwar hält SuperRTL auch hier den ersten Platz im

Abb. 2: Fernsehnutzung der Kinder an Sonntagen 2005 im Tagesverlauf nach GeschlechtMo bis So, 3.00 bis 3.00 Uhr, in %

Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV Aktuell, Fernsehpanel (D+EU).

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Senderranking (16,8 %), es folgenaber fast gleichauf vier »Konkurrenz-sender«: RTL (10,9 %), SAT.1(10,8 %), ProSieben (10,6 %) undRTL2 (10,2 %). Und auch der KI.KAerreicht in dieser Altersgruppe nocheinen Marktanteil von 6,4 %. Bei denJungen entfällt noch fast ein Fünftelihrer Fernsehnutzung auf Super RTL(19,6 %, Mädchen 13,6 %) und auchRTL2 (11,7 %) ist erfolgreicher alsbei den Mädchen (8,7 %) und erhältals einziger Sender einen zweistelli-gen Marktanteil. Bei den Mädchen istdas wichtige Senderrepertoire breiterund neben Super RTL sind vor allemSAT.1 (13,1 %), RTL (12,7 %) undProSieben (11,4 %) beliebt. Unterden TOP 100 des November 2005sind bei den Mädchen dann auch kei-ne Zeichentrickangebote mehr vorzu-finden, Daily Soaps sind hier die be-deutsamsten Formate. Verliebt in Ber-lin nimmt 22 Plätze, Gute Zeiten,schlechte Zeiten 21 Plätze ein. Inter-essanterweise sind daneben aber auchdie so genannten Doku-Soaps ausdem Bereich Kriminalität von großerBedeutung für die Mädchen, sei esK 11 � Kommissare im Einsatz (20-mal) oder Lenßen und Partner (9-mal). Die 100 beliebtesten Sendun-gen der Jungen sind hingegen nochimmer deutlich von Zeichentrickan-geboten geprägt (47 Sendungen), seies durch Disneys Lilo & Stitch (15-mal), SpongeBob (10-mal), Der ro-sarote Panther (4-mal) oder Duck-tales (3-mal). Auch den Jungen ge-fallen die Ermittlungen von K 11 �Kommissare im Einsatz (12-mal) oderdie Action-Serie Alarm für Cobra 11(3-mal). Beliebt sind daneben auchSendungen, in denen naturwissen-schaftliche Phänomene oder Alltags-wissen dargestellt werden wie beiGalileo (6-mal) oder der Sat.1-Showclever! � Die Show, die Wissen schafft(3-mal). Vereinzelt finden sich dannnoch Fußballsendungen, Folgen vonVerliebt in Berlin oder Upps! DiePannenshow unter den beliebtestenSendungen.

Fazit

Das Fernsehen ist das bedeutsamsteMedium im Alltag von Kindern. Diesbetrifft sowohl seine Nutzung alsauch die subjektiv empfundene Wich-tigkeit � den Verzicht auf das Fern-sehgerät können sich Kinder am we-nigsten vorstellen. Trotz eines sich inden letzten Jahren kontinuierlich er-weiterten Programmangebots hat sichdie Zuwendungszeit der Kinder zumFernsehen so gut wie nicht verändert,ganz im Gegensatz zu den Personenab 14 Jahren.

Zeichentrickangebotebleiben für Jungen daswichtigste Programm-angebot, bei Mädchen

differenziert sich frühereine breitere Format-

palette heraus

Jungen und Mädchen unterscheidensich beim Fernsehen weniger hin-sichtlich formaler Nutzungskriterien,die Unterschiede liegen auf der Sen-dungsebene und zeigen sehr deutlichdie unterschiedlichen Interessen undEntwicklungsgeschwindigkeit vonJungen und Mädchen auf. Zeichen-trickangebote bleiben für Jungen von3 bis 13 Jahren mit das wichtigsteProgrammangebot, bei Mädchen dif-ferenziert sich bereits früher eine brei-tere Formatpalette heraus, in der Dai-ly Soaps eine bedeutsame Rolle ein-nehmen.

1 Vgl. KIM-Studie 2005 (Kinder und Medien).2 Hierunter sind Personal Computer zu verstehen,

wie sie von Erwachsenen genutzt werden. ReineKindercomputer (mit eingeschränkten Funk-tionalitäten) haben darüber hinaus 12 % der 6-bis 13-Jährigen im Kinderzimmer zur Verfügung(Jungen: 14 %, Mädchen: 11 %).

3 Vgl. Feierabend (2006).4 Die hier vorgestellten Daten werden von der GfK-

Fernsehforschung mehrfach auf ihre Plausibili-tät hin überprüft und insgesamt gilt die GfK-Fern-

sehforschung als eines der genauesten und zu-verlässigsten Verfahren weltweit. Für die Un-tersuchungsgruppe der Kinder gelten dabei ge-wisse Einschränkungen, auf die auch die GfKselbst hinweist. So ist das Drücken des entspre-chenden Personenknopfes auf der Fernbedienungnach wie vor die Voraussetzung, um als Zuschauerregistriert zu werden. So ist es beispielsweisedenkbar, dass sich kleine Kinder nicht so striktan das Verfahren halten wie Erwachsene, zumalauch die verbalen Erinnerungen, die auf den GfK-Meter-Displays ablesbar sind, von jüngeren Kin-dern nicht unbedingt wahrgenommen werden.

5 Für das Jahr 2005 basieren die Daten der GfK-Fernsehforschung auf kontinuierlichen Angabenvon 1.620 3- bis 13-Jährigen in bundesdeutschenFernsehhaushalten, die 8,04 Mio. Kinder dieserAltersgruppe repräsentieren.

Feierabend, Sabine: Lebenswelt und Medien-nutzung von Vorschulkindern und deren Eltern. In:Frey-Vor, Gerlinde; Schumacher, Gerlinde (Hrsg.):Kinder und Medien 2003/2004. Eine Studie derARD/ZDF-Medienkommission. Baden-Baden:Nomos 2006, S. 204-234.KIM-Studie 2005. Kinder und Medien, Computerund Internet. Basisuntersuchung zum Medienum-gang 6- bis 13-Jähriger. MedienpädagogischerForschungsverbund Südwest (Hrsg.). mpfs For-schungsberichte. Stuttgart: mpfs 2006 (www.mpfs.de).

LITERATUR

ANMERKUNGEN

DIE AUTORIN

Sabine Feierabend, Dipl.-Medien-wissenschaftlerin, ist als Referen-tin in der Abteilung Medien-forschung im Südwestrundfunk(Stuttgart) in der Programmbe-ratung tätig. Einen Arbeits-schwerpunkt bildet das Medien-verhalten von Kindern und Jugend-lichen.