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3 Einleitung Über 97 % unserer Nahrungsmittel stammen von terrestrischen Pflanzen. Seien es Pflanzen, die direkt der menschlichen Ernäh- rung dienen, oder solche, die den Umweg über die Tierernährung nehmen. Hinzu kommen Pflanzen, die uns Fasern, Arznei- oder Genussmittel bzw. Farbstoffe liefern. An deren Ausgangspunkt steht fast immer der Same einer Pflanze. Im Samen ist die genetische Information im relativ kleinen Em- bryo festgelegt, der meist von einem Nährgewebe umgeben ist. Dabei kann es sich vorwiegend um Stärke, wie bei Getreide, oder um Eiweiß wie etwa bei Bohnen, oder um Fett, wie bei Raps handeln. Manche Samen werden von Wind und Wasser vertragen, kön- nen damit fliegen oder schwimmen, andere sich an vorbeizie- hende Tiere heften, den Magen-Darmtrakt von Tier und Mensch passieren, Hitze, Feuer, Kälte überleben und doch danach wieder keimen und zu vollständigen Pflanzen heranwachsen. Samen können: • Temperaturen messen • Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht festhalten • die Intensität des Sonnenlichts und die Tageslänge messen • feststellen ob es Hindernisse gibt, die Schatten werfen • die Bodenfeuchte messen • die Abfolge der Jahreszeiten registrieren • die Sauerstoffspannung im umliegenden Boden und • die Konzentration von CO 2 und Ethylen registrieren. Die Lebensdauer bzw. Keimfähigkeit hängt von der Art ab. Sie kann sich auf nur frisch geerntetes Saatgut beschränken oder sich über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte erstrecken. Samen der Lo- tuspflanze sollen sogar noch nach 1000 Jahren zum Keimen ge- bracht worden sein.

Samenkunde Inhalt v3 - DLG-Verlag GmbH Tausendkorngewicht: ca. 23 g Größe: Scheinfrucht 5–8 mm lang, 3–4 mm breit und dick, Nüss-chen bis 3 mm lang und 2 mm breit und dick Farbe:

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Einleitung

Über 97 % unserer Nahrungsmittel stammen von terrestrischen P�anzen. Seien es P�anzen, die direkt der menschlichen Ernäh-rung dienen, oder solche, die den Umweg über die Tierernährung nehmen. Hinzu kommen P�anzen, die uns Fasern, Arznei- oder Genussmittel bzw. Farbstoffe liefern. An deren Ausgangspunkt steht fast immer der Same einer P�anze.

Im Samen ist die genetische Information im relativ kleinen Em-bryo festgelegt, der meist von einem Nährgewebe umgeben ist. Dabei kann es sich vorwiegend um Stärke, wie bei Getreide, oder um Eiweiß wie etwa bei Bohnen, oder um Fett, wie bei Raps handeln.

Manche Samen werden von Wind und Wasser vertragen, kön-nen damit �iegen oder schwimmen, andere sich an vorbeizie-hende Tiere heften, den Magen-Darmtrakt von Tier und Mensch passieren, Hitze, Feuer, Kälte überleben und doch danach wieder keimen und zu vollständigen P�anzen heranwachsen.

Samen können:• Temperaturen messen• Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht festhalten• die Intensität des Sonnenlichts und die Tageslänge messen• feststellen ob es Hindernisse gibt, die Schatten werfen• die Bodenfeuchte messen• die Abfolge der Jahreszeiten registrieren• die Sauerstoffspannung im umliegenden Boden und• die Konzentration von CO2 und Ethylen registrieren.

Die Lebensdauer bzw. Keimfähigkeit hängt von der Art ab. Sie kann sich auf nur frisch geerntetes Saatgut beschränken oder sich über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte erstrecken. Samen der Lo-tusp�anze sollen sogar noch nach 1000 Jahren zum Keimen ge-bracht worden sein.

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Die Größe der Samen variiert sehr stark. Die größten Samen stammen von der Seychellen-Palmnuss (Lodoicea maldivica) die ein Fruchtgewicht von bis zu 40 kg und ein Samengewicht bis 18 kg erreichen kann. Die kleinsten Samen bilden bestimmte Or-chideenarten, da sie kein Nährgewebe aufweisen. Ihr Tausend-korngewicht liegt bei 0,001 g, das der Seychellen-Palmnuss bei rund 18 Tonnen. Von den hier vorgestellten P�anzen wird wohl Kamille mit einem Tausendkorngewicht von 0,02–0,06 g den leichtesten Samen und bestimmte Bohnenarten mit einem von bis zu 3 400 g den schwersten haben.

Samen können die unterschiedlichsten Farben annehmen, häu-�g vertreten sind Erdfarben, wie braun oder grau aber durchaus auch gelb, grün, rot, violett. Unter den Nutzp�anzen kaum zu �nden sind blaue Samen. Auch können Samen ein und derselben Art in unterschiedlichen Farben in Erscheinung treten.

Oft �nden sich runde, ovale, ei- oder nierenförmige Formen, vereinzelt auch stäbchenförmige. Manche sind mit einem Flü-gelrand versehen, manche mit Härchen oder Häkchen, wieder andere mit einer äußeren Schleimschicht bedeckt sein. Die Rin-gelblume bildet gleich drei verschiedene Formen an Samen aus.

Zu beachten ist, dass Farbe, Form, Größe und Gewicht auch in-nerhalb einer Art in Abhängigkeit von Herkunft und Wachstums-bedingungen gewissen Modi�kationen unterworfen sein können. Selbst wenn bei den Beschreibungen Spannen angegeben sind, so können diese immer noch vereinzelt über- oder unterschritten werden.

Für das Keimen der Samen ist Wasser, Wärme, Sauerstoff und je nach P�anzenart entweder Licht oder Dunkelheit notwendig. Die meisten Samen sind wasserarm und müssen eine Menge Wasser aufnehmen um zu quellen und zu keimen. Manche Arten sind

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von einer quellfähigen Schleimschicht bedeckt, was die Keimung begünstigt (z.B. Lein, Flohsame).

Die Mindesttemperatur um die Keimruhe (Dormanz) zu durch-brechen, schwankt in einem verhältnismäßig weiten Bereich. Sie beträgt beispielsweise nur 2 °C für Winterportulak und Winter-kresse aber 18 °C für Aubergine und Melone. Sogenannte Kalt-keimer benötigen eine Kälteperiode um zu keimen (Strati�ka-tion). Dazu zählen Winterweizen, Hanf, Winterroggen u.a. Für die Induktion des Blühvorganges müssen bestimmte Arten auch eine Kälteperiode durchlaufen, die sogenannte Vernalisation (v.a. Wintergetreide).

Lichtkeimer haben meist kleine Samen und damit nicht genug Energie um die Bodenschicht zu durchdringen. Sie müssen ober-�ächlich oder seicht angebaut werden. Dazu zählen z.B. Basili-kum, Kopfsalat, Kamille, Tabak, Thymian etc.

Hingegen benötigen Dunkelkeimer völlige Dunkelheit. Ihre Saattiefe beträgt mindestens 2 cm. (Mais, Lupine usw.).

Sauerstoff wird während der Keimung für den Abbau der Reser-vestoffe benötigt. Es handelt sich dabei um einen dissimilativen Prozess. Ist die Sauerstoffversorgung ungenügend, so wird die Keimung verzögert oder sogar verhindert.

Im vorliegenden Buch wurden Samenfotos von Nutzp�anzen aufgenommen, die vor allem für das gemäßigte Klimagebiet ty-pisch sind und auf Acker- und Gemüsebau�ächen bzw. Grünland angebaut werden. Aber auch die wichtigsten Weltwirtschafts-p�anzen sind angeführt.

Es sind das die Samen bzw. Früchte von:• Getreide (Weizen, Mais, Reis etc.)• Pseudocerealien (Amarant, Buchweizen, Quinoa)

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• Gemüse (Blatt-, Frucht- und Wurzelgemüse)• Öl- und Eiweißp�anzen (Raps, Sojabohne, Erbsen etc.)• Grünlandp�anzen (Gräser und kleinsamige Leguminosen) • Faserp�anzen (Baumwolle, Flachs, Kenaf etc.)• Farbstoffp�anzen (Färberwau, Färberdistel etc.)• Arzneip�anzen. Fast ausschließlich nur solche, die im Euro-

päischen Arzneibuch angeführt sind. Im Text durch „Ph. Eur. 8“ (für Pharmacopöa Europea 8. Ausgabe) gekennzeichnet.

• Gewürzp�anzen (Anis, Fenchel etc.)

Nicht dargestellt bzw. beschrieben sind Samen von Obst-, Forst- oder Zierp�anzen.

Es wurden auch Fotos von Samen aufgenommen, die sich op-tisch nicht oder kaum voneinander unterscheiden, was vor allem auf die Kohlgewächse, Beta-Rüben und einige Alliumarten zu-trifft.

Bei den Angaben zur Aussaat sollte man berücksichtigen, dass diese Werte in Abhängigkeit von Standort, Sorte, Bodengegeben-heiten etc. variieren können. Insbesondere die Werte für seltene Arten sind eher grobe Schätzungen, als auf Versuchen basierende Angaben.

Mein Dank geht an alle Kollegen und Freunde, die zum Gelin-gen des Buches beigetragen haben.

Wien, im Frühjahr 2017

Michael Dachler

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Abelmoschus esculentus (L.) Moench; Malvaceae

D: Okra, Essbarer Bisameibisch

E: okra

F: gombo, okra

Sp: gombo, quingombó

Verwendung: Frucht (Perikarp) als Gemüse

Chromosomenzahl: 2n=120

Tausendkorngewicht: 47–72 g

Größe: 3,8–6 mm im Durchmesser

Farbe: bläulich-grünlich

Form: unregelmäßig kugelig bis eiförmig mit winzigen weißlichen Warzen in konzentrischen Ringen angeordnet. Nabel bis 2,5 mm groß und weißlich.

Saatmenge: 7–13 kg/ha

Saattiefe: 2,5–4 cm

Standweite: 60–100 x 30–60 cm

Standort: alle Bodentypen geeignet, vorzugsweise auf gut drainier-ten, leicht erwärmbaren, sandigen Lehmböden; frostempfindlich und sehr wärmebedürftig

Fruchtfolge: Anbaupause 4–5 Jahre

Saattermin: vorkultivierte Jungpflanzen nach Mitte Mai

Keimtemperatur: > 21 °C

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Achillea millefolium L.; Asteraceae (Compositae)

D: Schafgarbe, Wiesen-

E: yarrow, milfoil

F: millefeuille

Sp: milenrama

Verwendung: blühende Triebspitzen und Kraut als pflanzliches Arzneimittel (Ph.Eur. 8)

Chromosomenzahl: Basiszahl 2n=18, 36, 54

Tausendkorngewicht: 0,08–0,2 g

Größe: 1,5–2 mm lang, 0,8 mm breit, 0,3 mm dick

Farbe: weißlich-gelb, silbergrau, Mitte bräunlich, Rand heller

Form: Achäne flach und dünn, länglich keilförmig, schwach ge-krümmt. Nabel am spitzen Ende. Oberfläche fein gestrichelt. Rand schmal geflügelt (0,1 mm).

Saatmenge: 2–3 kg/ha oder Jungpflanzenvorkultur

Saattiefe: oberflächlich (Lichtkeimer)

Reihenweite: 30–50 cm

Standort: weites Verbreitungsgebiet, dementsprechend geringe Ansprüche, keine zu nassen oder zu trockenen Standorte, nähr-stoffreichere Böden, sonnige Lagen

Fruchtfolge: nach Hackfrüchten

Saattermin: Mitte April bis Mitte Mai oder Mitte August bis Mitte September

Keimtemperatur: 18 °C

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Agrimonia eupatoria L.; Rosaceae

D: Odermennig, Gemeiner-, Kleiner-

E: churchsteeples, agrimony

F: aigremoine eupatoire

Sp: hierba de San Guillermo

Verwendung: Kraut als pflanzliches Arzneimittel (Ph.Eur. 8); färbt als Färbemittel braun

Chromosomenzahl: 2n=28

Tausendkorngewicht: ca. 23 g

Größe: Scheinfrucht 5–8 mm lang, 3–4 mm breit und dick, Nüss-chen bis 3 mm lang und 2 mm breit und dick

Farbe: Scheinfrucht hellgrün bis hellbraun, Nüsschen gelblich-braun bis braun

Form: Klettenartige Scheinfrucht mit an der Spitze hakenförmigen 1–2 mm langen Stacheln.

Im Inneren häutige Nüsschen. Diese sind kurzzylindrisch, unten abgeflacht, oben mit einer Spitze und häufig mit einem sehr leicht abbrechenden Griffelrest versehen. Oberfläche glatt bis leicht runzelig.

Saatmenge: Jungpflanzenvorkultur 7,5 g für 100 Pflanzen

Saattiefe: 1 cm

Standweite: 30 x 30 cm

Standort: trockene, mäßig nährstoffreiche, kalkhaltige, lockere Standorte

Fruchtfolge: in einer Fruchtfolge unproblematisch

Saattermin: März ins Freiland

Keimtemperatur: -

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Agrostis capillaris L. Syn. Agrostis tenuis Sibth.; Poaceae (Gramineae)

D: Rotes Straußgras

E: highland bentgrass, brown top, colonial bentgrass

F: agrostide ténue, -vulgaire, -fine

Sp: agrostide común, hierba fina

Verwendung: Futtergras (kurze Ausläufer bildendes Untergras)

Chromosomenzahl: 2n=28

Tausendkorngewicht: 0,05–0,1 g

Größe: Spelzfrucht 1,5–1,8 mm lang, 0,3–0,4 mm breit

Farbe: graubraun bis rötlich-grau

Form: Deckspelze beidseits spitzig, Basis fein behaart, keine Gran-ne, kein Stielchen, Spelzen zarthäutig, weiß bis silbrig glänzend. Die braune Frucht oft durchscheinend. Im Saatgut ist oft ein Anteil nackter Körner enthalten.

Saatmenge: 2,0–2,6 kg/ha

Saattiefe: 0,5–1,5 cm

Reihenweite: 10–20 cm

Standort: auch auf mageren, sandigen Böden, rauen Standorten (Gebirgslagen), sehr resistent gegenüber Sommerhitze und Winter-kälte, toleriert Schatten

Nutzung: verträgt Beweidung

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Allium cepa L. Cepa Grp.; Alliaceae (Amaryllidaceae, Liliaceae)

D: (Speise-, Küchen-) Zwiebel

E: onion

F: oignon

Sp: cebolla

Verwendung: Zwiebel als Gemüse

Chromosomenzahl: 2n=16

Tausendkorngewicht: 1,5–4 g

Größe: 2,0–3,2 mm lang, 1,5–2,5 mm breit, 1–1,3 mm dick

Farbe: schwarz

Form: unregelmäßiges Kugelsegment, dreiseitig, scharfkantig, die Flächen unregelmäßig gewellt. Oberfläche fein punktiert.

Saatmenge: 2,8–6 kg/ha

Saattiefe: 1–2 cm

Reihenweite: 25–40 cm

Standort: keine leichten, sandigen Böden und keine schweren Tonböden; bevorzugt Schwarzerdeböden oder humose Lößlehm-Standorte

Fruchtfolge: 5 Jahre Anbaupause zwischen sich selbst und anderen Allium-Arten, Vorfrüchte Weizen, Gerste , Raps, Klee, Erbsen

Saattermin: Sommerzwiebel so früh als möglich, Winterzwiebel Mitte August

Keimtemperatur: mind. 3 °C, opt. 18–25 °C

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