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LOKALES Samstag, 20. September 2014 9 „weiß, wer sich wo aufhält“ – zum Bei- spiel, wenn es um eine Abschiebung geht. Dietterle: „Besuche müsste die Frau dort beantragen, wo sie unterge- bracht ist, also im Bodenseekreis. Nach unseren Informationen hat sie das nicht getan.“ Und zwar schon öfters. Dietterle: „Die Dame ist aufgeklärt, aber sie hält sich nicht an die Regeln.“ So sei schließ- lich das Hausverbot in der Ulmer Straße entstanden, das die Frau schriftlich hat. Wie geht es nun weiter? Die Ausländer- behörde des Ostalbkreises will laut Su- sanne Dietterle keinen erneuten Polizei- einsatz provozieren. Der Leiter des Ge- schäftsbereichs Integration und Versor- gung im Landratsamt, Hans-Michael Betz, hat am Freitag Kontakt aufgenom- men mit seinem Kollegen in Überlin- gen/Bodenseekreis. Sie wollen ausloten, ob und wohin die Frau eventuell verlegt werden kann. Erst einmal darf die Frau in Aalen bleiben – „vorläufig“, wie Susanne Dietterle betont. Man wolle schließlich keinen Präzedenzfall schaffen. Stunde mit dem Fall beschäftigt. In den vergangenen Wochen war die Polizei schon einige Male bei den Asyl- bewerbern in Schwäbisch Gmünd und in Abtsgmünd im Einsatz. In Gmünd ging es um eine Überwachungskamera im Eingangsbereich und um ruhestören- den Lärm, in Abtsgmünd um einen Ein- dringling. Polizeisprecher Hinderer be- wertet diesen Fall aber anders: als „Ein- zelereignis“, ausgelöst durch persönli- che Betroffenheiten. Das sieht man auch im Landratsamt so. Landesweit werden Flüchtlinge von der Zentralen Aufnahmestelle in Karls- ruhe verteilt. Bei Ehepaaren oder Verlob- ten werde ein Wohnplatz am selben Ort angestrebt, erläutert die Pressespreche- rin des Ostalbkreises, Susanne Dietterle. Hier aber handele es sich nicht um ein Ehepaar. So ist die Frau von Amts wegen am Bodensee, der Mann in Ulm. Gegen- seitige Besuche, so Dietterle, seien mög- lich. Diese müssten aber angemeldet werden, damit man behördlicherseits lautstark. Es ging hin und her, schließlich durfte die Frau nach Rücksprache mit der Ausländerbehörde der Stadt Aalen vorläufig bleiben. Trotzdem kehrte keine Ruhe ein: Der Freund der Frau beleidigte die Beamten, musste wegen einer Anzeige mit aufs Re- vier. Dort tauchte wenig später ein Dut- zend aufgebrachter Schwarzafrikaner aus dem Asylbewerberheim auf und ver- suchte, von mehreren Seiten ins Gebäu- de zu kommen. Die Polizeibeamten hätten versucht, einer Konfrontation entgegen und „de- eskalierend zu wirken“, schildert Polizei- sprecher Klaus Hinderer auf Anfrage die- ser Zeitung. Unter anderem habe man deshalb darauf verzichtet, die Persona- lien aufzunehmen. Die Kommunikation sei schwierig gewesen, keiner der Schwarzafrikaner konnte Deutsch, seine Kollegen hätten alles versucht, mit Bro- cken von Englisch und Französisch. Ins- gesamt waren vier Streifenwagenbesat- zungen – also acht Beamte – rund eine Der Aufruhr in der Asylbewerbun- terkunft Ulmer Straße vom Mitt- woch hat auch am Freitag noch die Behörden beschäftigt. Im Fall der am Bodensee untergebrachten Frau aus Nigeria prüfen die Behör- den nun, ob sie von dort verlegt werden kann. BEA WIESE Aalen. Eine Mitarbeiterin der Gemein- schaftsunterkunft Ulmer Straße hatte am Mittwoch gegen 14.30 Uhr die Polizei gerufen: Eine aus Nigeria stammende, knapp 30-jährige Asylbwerberin, die offi- ziell in einer Unterkunft im Bodensee- kreis untergebracht ist und hier Haus- verbot hat, weigere sich strikt, das Ge- bäude zu verlassen. Die Polizei rückte an, mehrere Asylbewerber – darunter auch der nigerianische Freund der Frau – solidarisierten sich, bauten sich vor den Büroräumen auf und protestierten Asylbewerberin bleibt vorerst in Aalen Die Ausländerbehörde prüft eine Verlegung und will keinen neuen Polizeieinsatz provozieren schlimm – dass die Franzosen Ende 1700 in Neresheim eingefallen sind“. Kopf- schütteln. Eine Frau ruft lachend: „Da werden wir ja noch gescheiter hier als vorher.“ Eine andere zeigt mit dem Fin- ger auf ihren Kopf und antwortet: „Ja, wir müssen ja auch was tun für den da oben.“ Die Runde kichert. Kurz vor Schluss geht es in die Stadtkir- che. Diebold erklärt, dass diese evangeli- sche Kirche als Besonderheit ein De- ckenfresko aufweise. Er erzählt vom Kreuz, der Taufe, der Predigt. „Ist das jetzt eine evangelische Kirche“, fragt die Frau in der gestreiften Bluse. Und als Diebold dann die architektonischen Auffälligkeiten der Quersaalkirche be- schreibt, fällt die Frage dann doch. Eine Frau schaut ihre Begleiterin zögerlich an. „Wer ist dieser Mann da vorne?“ Milde und gelassen sagt die Sitznachbarin: „Der Stadtführer.“ „Ach, weißt du noch, wie es früher war?“ Der Stadtführer hat den ro- ten Mantel angelegt, als Spion ver- kleidet steht er vor den 28 Teilneh- mern am Marktbrunnen. Demenz- kranke und ihre Betreuer sind ge- kommen und der Stadtführer sagt gleich zu Beginn einen Satz, der tief fällt, wie in einen Brunnen: „Falls Sie es vergessen sollten: Mein Name ist Heinz Diebold.“ JESSICA SCHOBER Aalen. Nicht nur das Vergessen spa- ziert mit durch die Gassen. Auch die Er- innerung hakt sich rechts und links bei den Senioren ein, die in beigefarbene Westen gekleidet sind, mit Stoffschuhen und Halstüchern zurechtgemacht, zu zweit oder in Rollstühlen durch die Gas- sen schieben. Eine 93-Jährige in der Gruppe ist noch gut zu Fuß, sie braucht bloß einen Rollator als Stütze. „Ich ken- ne den Ort hier gut, ich habe 20 Jahre lang in der Wäscherei bei Lindenfarb ge- schafft“, erzählt die Dame. Ihr weißes Haar ist glatt geföhnt, ihre Wolljacke riecht nach Feinwaschmittel. Lachfält- chen ziehen wie ein Flussdelta von ihren Augenwinkeln zur Schläfe hin. „Früher war die Firma ja noch eine Wäscherei, heute hat sich so Vieles geändert. “ Sie seufzt: „Man ist ja froh, wenn man sich noch ein bisschen orientieren kann.“ Beginnend am Marktbrunnen führt die Tour durch die Rathauspassage, dann zum ehemaligen Gmünder Tor, in die Stadtkirche und schließlich zum Spion- rathaus. Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchgang. Eine kleine Runde muss reichen. „Die Aufmerksamkeit der Leute ist begrenzt und sie können nicht mehr so weit gehen“, sagt Betreuerin Stefanie Raible. In den Vorjahren hätte die Gruppe aus Bewohnern des Altenhil- fezentrums am Wiesengrund, Besu- chern der Tagespflege und des Café Lichtblicks auch Exkursionen in andere Städte unternommen. Für manche sei das schon zu anstrengend gewesen. Au- ßerdem sei ein Rundgang durch die eige- ne Stadt ja auch schon ein Abenteuer, meint Raible. „Da oben, bei den drei Häuserblöcken, da lebe ich“, erzählt eine 67-Jährige in gestreifter Bluse. Wo genau? Sie ver- stummt. Für den, der sich nicht mehr er- innert, wo er wohnt, für den ist auch ein Gang durch die Gmünder Straße ein Ausflug in eine fremde Welt. Stadtführer Diebold sagt: „Stellen Sie sich vor, wie wir hier mit zwei Gäulen vor dem Wagen wie im Mittelalter in die Stadt einzie- hen“. Eine Frau im Rollstuhl schaut ins Leere. Die Dame in der gestreiften Bluse sagt: „Da oben hat mein Schwiegersohn ein Zahnlabor“. Sie wird diesen Satz noch vier Mal sagen. Doch es darf auch gelacht werden bei diesem Rundgang, der schließlich bei Sahnetorte und Kaffee im Café Schieber enden soll. Vorher erklärt Stadtführer Diebold noch, warum das Gmünder Tor einst zugemauert wurde – nämlich weil der Kocher so oft die Stadt über- schwemmte. Historische Fakten, vielen Zahlen. „Sie erinnern sich vielleicht noch – und wenn nicht, ist es auch nicht Die Heimat bleibt im Gedächtnis Zur Aktionswoche Demenz führt ein Rundgang 28 Alzheimerkranke und ihre Betreuer durch Aalen Zur Aktionswoche Demenz bietet das DRK einen Stadtrundgang durch Aalen, das Motto „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“. Für manche ist schon ein Besuch der Innenstadt ein Ausflug in ferne Welten. Foto: Schober Zweiter Teil war die Füh- rung mit Heinz Diebold. Ein weite- rer Höhe- punkt“ der Akti- onswo- che wird Petra Afonin mit Ihrem Ein-Frau-Theaterstück zu Gast in Aalen sein. In den Räumen der Freien Wal- dorfschule Aalen wird sie das Stück „Ich bin das noch“ – ein Theater und Chanson-Programm rund Bereits zum fünften Mal in Folge hat die Demenz- beratungsstelle des DRK- Kreisverbands Aalen e.V. , ein buntes und vielfälti- ges Programm rund um das Thema „Demenz“ zu- sammengestellt. Anlass ist der jährlich stattfin- dende Welt-Alzheimer- tag am 21. September. Das Programm richtet sich in erster Linie an Menschen mit Demenz, deren Angehörige und Interessierte. Auftakt war ein Vortrag von Iris He- ßelbach zum Thema. um das Thema Demenz – aufführen. Das Theater- projekt „Ich bin das noch“ beschäftigt sich da- mit, was von einem Men- schen übrig bleibt, wenn Sprache reduzierter zur Verfügung steht und an- deres zum Ausdrucksmit- tel wird. Das Projekt the- matisiert auch, dass pfle- gende Angehörige nach wie vor eine gesellschaft- liche Lobby zum Thema vermissen. Termin: Frei- tag 26. September, um 19 Uhr, Freie Waldorf- schule Aalen Petra Afonin Ein Tag, der an das Vergessen erinnert SCHNELLER DRAHT ZUR SCHWÄPO Chef vom Dienst: Tobias Dambacher Telefon (0 73 61) 5 94-166 [email protected] Aboservice (07361) 594-250 [email protected] Anzeigen (07361) 594-200 [email protected] www.schwaebische-post.de GUTEN MORGEN S o manche Schotten starten ganz und gar unglücklich ins Wochenen- de. Aus mit der Vorfreude aufs Ei- genleben. Um sie weiter genießen zu können, wäre vielleicht ein Um- zug nach Bayern hilfreich. Der Traum vom königlichen Bayern wurde dort nie ganz begraben - und wird nun wieder ausgegraben. Unmittelbar nach dem Referen- dum in Schottland fordert CSU-Poli- tiker Wilfried Scharnagel mehr Ge- wicht, Mitsprache und Eigenstän- digkeit für den Südstaat. Und an so manchem königlich bayerischen Stammtisch scheint schon Ludwig II. aus dem Bierschaum der siebten Maß’ zu steigen. Fundamental wichtig für die Frage eines Regie- rungssitzes im selbstständigen Bay- ern. Vielleicht Neuschwanstein? Oder doch lieber volksnah auf der Wiesn. Dort lässt sich demnächst zwölf Tage lang so schön träumen. Und danach erinnert sich keiner mehr an Schottland, Königreich und Neuschwanstein. Selbst in Bay- ern gibt es Wichtigeres. Die Maut für Ausländer. Noch sind Baden- Württemberger damit nicht ge- meint. Kuno Staudenmaier Schmeck’ die Heimat, iss lokal Aalen. Die SchwäPo sucht Teilnehmer für einen im Selbstversucher: Wie sich der Genuss von regionalen Erzeugnissen am Gaumen anfühlt, können drei Fami- lien oder Einzelpersonen ab 4. Oktober neun Wochen lang testen. Die Teilneh- mer werden durch Los ermittelt und beim Tag der Regionen am Freitag, 3. Oktober, im Hof der Aalener Löwen- brauerei vorgestellt. Ausgestattet werden sie jeweils mit einem Starterkorb voller regionaler Erzeugnisse, samt Essensgut- scheinen und Infomaterial darüber, wo regionale Lebensmittel erworben wer- den können. Und es gibt auch Tipps, welche Gasthäuser Gerichte mit regio- nalen Produkten auf der Speisekarte ha- ben. Die wichtigste Frage aber lautet: Funktioniert das überhaupt alles aus- schließlich mit regionalen Erzeugnissen? Müsste man etwa auf Salz und Zucker verzichten, weil sie nicht in der Region erzeugt werden? Und was ist mit Oliven- öl? Auf all diese und weitere Fragen wer- den die Teilnehmer im Laufe der neun Wochen eine Antwort finden und auf schwaepo.de darüber berichten. Bewerben können sich alle Familien und Singles aus der Region Ostwürttem- berg und darüber hinaus. Wer an diesem Selbstversuch teilneh- men möchte, bewirbt sich bis ein- schließlich 30. September mit Name, Adresse, Wohnort, Telefonnummer und E-Mail-Adresse unter schmeck- [email protected].

Samstag, 20. September 2014 Die Heimat bleibt im Ged chtniswortwalz.de/wp-content/uploads/2014/09/SP-20.9.14-Aktion-Demenz.pdf · ein Vortrag von Iris He-§elbach zum Thema. um das

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Page 1: Samstag, 20. September 2014 Die Heimat bleibt im Ged chtniswortwalz.de/wp-content/uploads/2014/09/SP-20.9.14-Aktion-Demenz.pdf · ein Vortrag von Iris He-§elbach zum Thema. um das

LOKALES Samstag, 20. September 2014 9

„weiß, wer sich wo aufhält“ – zum Bei-spiel, wenn es um eine Abschiebunggeht. Dietterle: „Besuche müsste dieFrau dort beantragen, wo sie unterge-bracht ist, also im Bodenseekreis. Nachunseren Informationen hat sie das nichtgetan.“ Und zwar schon öfters. Dietterle:„Die Dame ist aufgeklärt, aber sie hältsich nicht an die Regeln.“ So sei schließ-lich das Hausverbot in der Ulmer Straßeentstanden, das die Frau schriftlich hat.

Wie geht es nun weiter? Die Ausländer-behörde des Ostalbkreises will laut Su-sanne Dietterle keinen erneuten Polizei-einsatz provozieren. Der Leiter des Ge-schäftsbereichs Integration und Versor-gung im Landratsamt, Hans-MichaelBetz, hat am Freitag Kontakt aufgenom-men mit seinem Kollegen in Überlin-gen/Bodenseekreis. Sie wollen ausloten,ob und wohin die Frau eventuell verlegtwerden kann. Erst einmal darf die Frau inAalen bleiben – „vorläufig“, wie SusanneDietterle betont. Man wolle schließlichkeinen Präzedenzfall schaffen.

Stunde mit dem Fall beschäftigt.In den vergangenen Wochen war die

Polizei schon einige Male bei den Asyl-bewerbern in Schwäbisch Gmünd undin Abtsgmünd im Einsatz. In Gmündging es um eine Überwachungskameraim Eingangsbereich und um ruhestören-den Lärm, in Abtsgmünd um einen Ein-dringling. Polizeisprecher Hinderer be-wertet diesen Fall aber anders: als „Ein-zelereignis“, ausgelöst durch persönli-che Betroffenheiten.

Das sieht man auch im Landratsamtso. Landesweit werden Flüchtlinge vonder Zentralen Aufnahmestelle in Karls-ruhe verteilt. Bei Ehepaaren oder Verlob-ten werde ein Wohnplatz am selben Ortangestrebt, erläutert die Pressespreche-rin des Ostalbkreises, Susanne Dietterle.Hier aber handele es sich nicht um einEhepaar. So ist die Frau von Amts wegenam Bodensee, der Mann in Ulm. Gegen-seitige Besuche, so Dietterle, seien mög-lich. Diese müssten aber angemeldetwerden, damit man behördlicherseits

lautstark. Es ging hin und her, schließlichdurfte die Frau nach Rücksprache mitder Ausländerbehörde der Stadt Aalenvorläufig bleiben.

Trotzdem kehrte keine Ruhe ein: DerFreund der Frau beleidigte die Beamten,musste wegen einer Anzeige mit aufs Re-vier. Dort tauchte wenig später ein Dut-zend aufgebrachter Schwarzafrikaneraus dem Asylbewerberheim auf und ver-suchte, von mehreren Seiten ins Gebäu-de zu kommen.

Die Polizeibeamten hätten versucht,einer Konfrontation entgegen und „de-eskalierend zu wirken“, schildert Polizei-sprecher Klaus Hinderer auf Anfrage die-ser Zeitung. Unter anderem habe mandeshalb darauf verzichtet, die Persona-lien aufzunehmen. Die Kommunikationsei schwierig gewesen, keiner derSchwarzafrikaner konnte Deutsch, seineKollegen hätten alles versucht, mit Bro-cken von Englisch und Französisch. Ins-gesamt waren vier Streifenwagenbesat-zungen – also acht Beamte – rund eine

Der Aufruhr in der Asylbewerbun-terkunft Ulmer Straße vom Mitt-woch hat auch am Freitag noch dieBehörden beschäftigt. Im Fall deram Bodensee untergebrachtenFrau aus Nigeria prüfen die Behör-den nun, ob sie von dort verlegtwerden kann.

BEA WIESE

Aalen. Eine Mitarbeiterin der Gemein-schaftsunterkunft Ulmer Straße hatteam Mittwoch gegen 14.30 Uhr die Polizeigerufen: Eine aus Nigeria stammende,knapp 30-jährige Asylbwerberin, die offi-ziell in einer Unterkunft im Bodensee-kreis untergebracht ist und hier Haus-verbot hat, weigere sich strikt, das Ge-bäude zu verlassen. Die Polizei rücktean, mehrere Asylbewerber – darunterauch der nigerianische Freund der Frau– solidarisierten sich, bauten sich vorden Büroräumen auf und protestierten

Asylbewerberin bleibt vorerst in AalenDie Ausländerbehörde prüft eine Verlegung und will keinen neuen Polizeieinsatz provozieren

schlimm – dass die Franzosen Ende 1700in Neresheim eingefallen sind“. Kopf-schütteln. Eine Frau ruft lachend: „Dawerden wir ja noch gescheiter hier alsvorher.“ Eine andere zeigt mit dem Fin-ger auf ihren Kopf und antwortet: „Ja, wirmüssen ja auch was tun für den daoben.“ Die Runde kichert.

Kurz vor Schluss geht es in die Stadtkir-che. Diebold erklärt, dass diese evangeli-sche Kirche als Besonderheit ein De-ckenfresko aufweise. Er erzählt vomKreuz, der Taufe, der Predigt. „Ist dasjetzt eine evangelische Kirche“, fragt dieFrau in der gestreiften Bluse. Und alsDiebold dann die architektonischenAuffälligkeiten der Quersaalkirche be-schreibt, fällt die Frage dann doch. EineFrau schaut ihre Begleiterin zögerlich an.„Wer ist dieser Mann da vorne?“ Mildeund gelassen sagt die Sitznachbarin:„Der Stadtführer.“

„Ach, weißt du noch, wie es früherwar?“ Der Stadtführer hat den ro-ten Mantel angelegt, als Spion ver-kleidet steht er vor den 28 Teilneh-mern am Marktbrunnen. Demenz-kranke und ihre Betreuer sind ge-kommen und der Stadtführer sagtgleich zu Beginn einen Satz, dertief fällt, wie in einen Brunnen:„Falls Sie es vergessen sollten:Mein Name ist Heinz Diebold.“

JESSICA SCHOBER

Aalen. Nicht nur das Vergessen spa-ziert mit durch die Gassen. Auch die Er-innerung hakt sich rechts und links beiden Senioren ein, die in beigefarbeneWesten gekleidet sind, mit Stoffschuhenund Halstüchern zurechtgemacht, zuzweit oder in Rollstühlen durch die Gas-sen schieben. Eine 93-Jährige in derGruppe ist noch gut zu Fuß, sie brauchtbloß einen Rollator als Stütze. „Ich ken-ne den Ort hier gut, ich habe 20 Jahrelang in der Wäscherei bei Lindenfarb ge-schafft“, erzählt die Dame. Ihr weißesHaar ist glatt geföhnt, ihre Wolljackeriecht nach Feinwaschmittel. Lachfält-chen ziehen wie ein Flussdelta von ihrenAugenwinkeln zur Schläfe hin. „Früherwar die Firma ja noch eine Wäscherei,heute hat sich so Vieles geändert. “ Sieseufzt: „Man ist ja froh, wenn man sichnoch ein bisschen orientieren kann.“

Beginnend am Marktbrunnen führt dieTour durch die Rathauspassage, dannzum ehemaligen Gmünder Tor, in dieStadtkirche und schließlich zum Spion-rathaus. Sehenswürdigkeiten imSchnelldurchgang. Eine kleine Rundemuss reichen. „Die Aufmerksamkeit derLeute ist begrenzt und sie können nichtmehr so weit gehen“, sagt BetreuerinStefanie Raible. In den Vorjahren hättedie Gruppe aus Bewohnern des Altenhil-fezentrums am Wiesengrund, Besu-chern der Tagespflege und des CaféLichtblicks auch Exkursionen in andereStädte unternommen. Für manche seidas schon zu anstrengend gewesen. Au-ßerdem sei ein Rundgang durch die eige-ne Stadt ja auch schon ein Abenteuer,meint Raible.

„Da oben, bei den drei Häuserblöcken,da lebe ich“, erzählt eine 67-Jährige ingestreifter Bluse. Wo genau? Sie ver-stummt. Für den, der sich nicht mehr er-innert, wo er wohnt, für den ist auch einGang durch die Gmünder Straße einAusflug in eine fremde Welt. StadtführerDiebold sagt: „Stellen Sie sich vor, wiewir hier mit zwei Gäulen vor dem Wagenwie im Mittelalter in die Stadt einzie-hen“. Eine Frau im Rollstuhl schaut insLeere. Die Dame in der gestreiften Blusesagt: „Da oben hat mein Schwiegersohnein Zahnlabor“. Sie wird diesen Satznoch vier Mal sagen.

Doch es darf auch gelacht werden beidiesem Rundgang, der schließlich beiSahnetorte und Kaffee im Café Schieberenden soll. Vorher erklärt StadtführerDiebold noch, warum das Gmünder Toreinst zugemauert wurde – nämlich weilder Kocher so oft die Stadt über-schwemmte. Historische Fakten, vielenZahlen. „Sie erinnern sich vielleicht noch– und wenn nicht, ist es auch nicht

Die Heimat bleibt im GedächtnisZur Aktionswoche Demenz führt ein Rundgang 28 Alzheimerkranke und ihre Betreuer durch Aalen

Zur Aktionswoche Demenz bietet das DRK einen Stadtrundgang durch Aalen, das Motto „Warum in die Ferne schweifen,wenn das Gute liegt so nah“. Für manche ist schon ein Besuch der Innenstadt ein Ausflug in ferne Welten. Foto: Schober

Zweiter Teil war die Füh-rung mit Heinz Diebold.Ein weite-rer Höhe-punkt“der Akti-onswo-che wirdPetraAfoninmit IhremEin-Frau-Theaterstück zuGast in Aalen sein. In denRäumen der Freien Wal-dorfschule Aalen wird siedas Stück „Ich bin dasnoch“ – ein Theater undChanson-Programm rund

Bereits zum fünften Malin Folge hat die Demenz-beratungsstelle des DRK-Kreisverbands Aalen e.V. ,ein buntes und vielfälti-ges Programm rund umdas Thema „Demenz“ zu-sammengestellt. Anlassist der jährlich stattfin-dende Welt-Alzheimer-tag am 21. September.Das Programm richtetsich in erster Linie anMenschen mit Demenz,deren Angehörige undInteressierte. Auftakt warein Vortrag von Iris He-ßelbach zum Thema.

um das Thema Demenz –aufführen. Das Theater-projekt „Ich bin dasnoch“ beschäftigt sich da-mit, was von einem Men-schen übrig bleibt, wennSprache reduzierter zurVerfügung steht und an-deres zum Ausdrucksmit-tel wird. Das Projekt the-matisiert auch, dass pfle-gende Angehörige nachwie vor eine gesellschaft-liche Lobby zum Themavermissen. Termin: Frei-tag 26. September, um19 Uhr, Freie Waldorf-schule Aalen

Petra Afonin

Ein Tag, der an das Vergessen erinnert

SCHNELLER DRAHT ZUR SCHWÄPOChef vom Dienst: Tobias DambacherTelefon (0 73 61) 5 [email protected]

Aboservice (07361) [email protected]

Anzeigen (07361) [email protected]

www.schwaebische-post.de

GUTENMORGEN

So manche Schotten starten ganzund gar unglücklich ins Wochenen-de. Aus mit der Vorfreude aufs Ei-genleben. Um sie weiter genießenzu können, wäre vielleicht ein Um-zug nach Bayern hilfreich. DerTraum vom königlichen Bayernwurde dort nie ganz begraben -und wird nun wieder ausgegraben.Unmittelbar nach dem Referen-dum in Schottland fordert CSU-Poli-tiker Wilfried Scharnagel mehr Ge-wicht, Mitsprache und Eigenstän-digkeit für den Südstaat. Und an somanchem königlich bayerischenStammtisch scheint schon Ludwig II.aus dem Bierschaum der siebtenMaß’ zu steigen. Fundamentalwichtig für die Frage eines Regie-rungssitzes im selbstständigen Bay-ern. Vielleicht Neuschwanstein?Oder doch lieber volksnah auf derWiesn. Dort lässt sich demnächstzwölf Tage lang so schön träumen.Und danach erinnert sich keinermehr an Schottland, Königreichund Neuschwanstein. Selbst in Bay-ern gibt es Wichtigeres. Die Mautfür Ausländer. Noch sind Baden-Württemberger damit nicht ge-meint. Kuno Staudenmaier

Schmeck’ dieHeimat, iss lokal

Aalen. Die SchwäPo sucht Teilnehmerfür einen im Selbstversucher: Wie sichder Genuss von regionalen Erzeugnissenam Gaumen anfühlt, können drei Fami-lien oder Einzelpersonen ab 4. Oktoberneun Wochen lang testen. Die Teilneh-mer werden durch Los ermittelt undbeim Tag der Regionen am Freitag, 3.Oktober, im Hof der Aalener Löwen-brauerei vorgestellt. Ausgestattet werdensie jeweils mit einem Starterkorb vollerregionaler Erzeugnisse, samt Essensgut-scheinen und Infomaterial darüber, woregionale Lebensmittel erworben wer-den können. Und es gibt auch Tipps,welche Gasthäuser Gerichte mit regio-nalen Produkten auf der Speisekarte ha-ben. Die wichtigste Frage aber lautet:Funktioniert das überhaupt alles aus-schließlich mit regionalen Erzeugnissen?Müsste man etwa auf Salz und Zuckerverzichten, weil sie nicht in der Regionerzeugt werden? Und was ist mit Oliven-öl? Auf all diese und weitere Fragen wer-den die Teilnehmer im Laufe der neunWochen eine Antwort finden und aufschwaepo.de darüber berichten.

Bewerben können sich alle Familienund Singles aus der Region Ostwürttem-berg und darüber hinaus.

Wer an diesem Selbstversuch teilneh-men möchte, bewirbt sich bis ein-schließlich 30. September mit Name,Adresse, Wohnort, Telefonnummerund E-Mail-Adresse unter [email protected].