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In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, weshalb wir Menschen ein solch zwiespältiges Verhältnis zu Tieren haben und ob eine zeitaktuelle Sicht auf die Liebe zu einem respektvolleren Umgang mit unseren Mitwesen führen kann. Dazu möchte ich im ersten Schritt die Liebe mit Hilfe von Barbara L. Fredricksons Erläuterungen definieren und bereits einen flüchtigen Blick auf die Tiere werfen. Im zweiten Teil werde ich erläutern, warum wir uns von den Tieren in einem solchen Maße distanzieren, dass Gewalt an ihnen völlig legitim erscheint. Zuletzt hebe ich einige Ansätze hervor, die unser Zusammenleben mit den Tieren verbessern könnten.
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Felix Beirau / WISE 15-16
Zen und die Liebe – Philosophie D
Dr. Frank Berzbach / ecosign 2016
Saumäßige Liebe. Über Gewalt an Tieren und die Liebe des Körpers.
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Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort — 02
2. Schau mir in die Augen — 03
3. Die große Sauerei — 06
4. Durch die rosarote Brille — 09
5. Fazit — 11
6. Literaturverzeichnis — 12
1. Vorwort
In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, weshalb wir Menschen ein
solch zwiespältiges Verhältnis zu Tieren haben und ob eine zeitaktuelle Sicht
auf die Liebe zu einem respektvolleren Umgang mit unseren Mitwesen führen
kann. Dazu möchte ich im ersten Schritt die Liebe mit Hilfe von Barbara L.
Fredricksons Erläuterungen definieren und bereits einen flüchtigen Blick auf
die Tiere werfen. Im zweiten Teil werde ich erläutern, warum wir uns von den
Tieren in einem solchen Maße distanzieren, dass Gewalt an ihnen völlig legitim
erscheint. Zuletzt hebe ich einige Ansätze hervor, die unser Zusammenleben
mit den Tieren verbessern könnten.
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2. Schau mir in die Augen
Barbara Fredrickson fordert eine neue Sicht auf die Liebe. Weg von der
romantischen Verklärung aus Film und Familienhaus, hin zur Sichtweise
unseres Körpers. Die heutige Vorstellung von Liebe bezeichnet eher das Produkt
der Liebe, nämlich ein Band der Verbundenheit das durch zahlreiche
Mikromomente gefestigt wird. Für den Körper ist die Liebe mit dem Partner
oder dem Postboten ein und das selbe: ein Moment der Verbundenheit. Und je
häufiger solche Mikromomente gemeinsam erlebt werden, desto größer wird
das entgegengebrachte Vertrauen. Fredrickson beschreibt ihren Liebesbegriff
mit drei Ereignissen. Erstens: eine oder mehrere positive Emotionen werden
geteilt, zweitens: zwischen Beiden besteht eine Synchronie auf biologischer und
Verhaltensebene und drittens: beide motiviert ein Gefühl gegenseitiger Fürsorge
(vgl. Fredrickson 2013, S.29–30). Voraussetzungen für die Liebe ist außerdem
das Gefühl der Sicherheit (Vertrauen) und »wirkliche sinnliche und diesseitige
Verbundenheit mit einem anderen Lebewesen«. Dieser sinnliche Kontakt kann
über Berührungen, die Stimme, gespiegelten Gesten und in größtem Ausmaß
durch Augenkontakt hergestellt werden (vgl. Fredrickson 2013, S.34).
Auch bei Tieren ist eine Grundform der Liebe zu erkennen, zum Beispiel
während der gegenseitigen Fellpflege (Fürsorge) oder dem gemeinsamen,
aneinandergeschmiegten Schlaf (Berührung).
In der Interaktion zwischen Mensch und Tier herrscht häufig die Debatte über
den Anthropomorphismus, der Übertragung menschlicher Eigenschaften auf
nicht menschliche Lebewesen. In der Hundezucht setzt man beispielsweise
bewusst auf das Kindchenschema. So gibt es mittlerweile Hunderassen, die ihr
ganzes Leben lang wie Welpen aussehen. Es besteht dadurch die Gefahr, dass
eigene Neurosen von den Hunden übernommen werden (vgl. Herzog 2012, S.
49).
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Nach Herzog ist der Anthropomorphismus die »Quelle eines Großteils der
Schuldgefühle, die wir wegen des Umgangs mit Tieren empfinden« (Herzog
2012, S.72). In Bezug auf die neue Definition der Liebe verläuft die Debatte
jedoch ins Leere, denn das Bedürfnis nach und die (körperliche) Vermittlung
von ihr ist bei Mensch und Tier gleich (vgl. Fredrickson 2013, S.45–46): »Der
körperliche Ausdruck von Gefühlen [hat] bei Menschen und anderen sozialen
Tieren letztlich denselben Ursprung« (Sezgin 2014, S.29). Trotz dieser
Gemeinsamkeit wird viel zur Abgrenzung vom Tier getan, damit beispielsweise
Schuldgefühle nicht auftreten: »In [der] afrikanischen Sprache Suaheli gibt es
das Sprichwort: ›Schau nie einem Pavian in die Augen.‹ Es ist dann zu schwer,
ihn zu töten« (Herzog 2012, S.72).
In einer Studie aus dem Jahre 2010 in Taipei, Taiwan, wurden die im Hirn
messbaren Überschneidungen zwischen dem Ich und dem Anderen erfasst.
Dabei zeigten die Ergebnisse deutlich unterschiedliche Hirnaktivitäten, wenn
sich die Teilnehmer Schmerz in Verbindung mit einem nahestehenden bzw. mit
einem fremden Menschen vorstellen sollten (mit Hilfe von Bildern der
schmerzhaften Szenen). »Im Hinblick auf die Gehirnaktivität bei gedachtem
Schmerz sind Sie und der Mensch, den Sie lieben, kaum zu unterscheiden«.
Wurde sich hingegen vorgestellt, dass ein Fremder den Schmerz erlebt, so ist
jene Hirnregion aktiv geworden, die für die Unterdrückung von Gefühlen und
die Abgrenzung zuständig ist (vgl. Fredrickson 2013, S.67). Diese
Abwehrreaktion schützt natürlich vor Überwältigung und Schmerz, kann jedoch
auch zur Gewohnheit werden die sowohl das Denken als auch die
Wahrnehmung nur sehr beschränkt zulässt (vgl. Fredrickson 2013, S.88). In
einer anderen Studie wurde nachgewiesen, dass Positivität hingegen die
Wahrnehmung weitet. Beobachtet wurden hierbei die Hirnareale für
Gesichtserkennung und für Ortserkennung. Die Teilnehmer bekamen
verschiedene Dias mit Gesichtern vorgesetzt, die auf einem Bild von Orten
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eingebettet waren. Die Anweisung besagte, dass die Umgebung ausgeblendet
und eine Geschlechter-Zuordnung der Gesichter mitgeteilt werden sollte. Bei
den Bildern im Hintergrund wurden jedoch willkürlich positiv und negativ
besetzte Bildelemente eingefügt. Bei neutralen oder negativen Bildelementen
konnten die Teilnehmer der Aufgabenstellung folgen und nahmen nur die
Gesichter wahr. Bei positiven Bildkombinationen (z.B. Welpen) sprangen
hingegen beide Hirnareale an und die Teilnehmer konnten sowohl die Gesichter
zuordnen, als auch die Umgebung wahrnehmen (vgl. Fredrickson 2013, S.89–
90).
Neben einer möglichen neuralen Synchronisation, kennt unser Körper aber
auch noch andere Wege um die Wahrnehmung zu erweitern und positive
Verbindungen zu schaffen. Das, was in den meisten Situationen unbewusst zum
Augenkontakt beisteuert ist der sogenannte Vagusnerv. Er verbindet das Gehirn
mit dem Herzen, reguliert den Vagotonus, die Herz-Atem-Frequenz und
stimuliert sogar winzige Muskeln im Mittelohr, damit die Stimme eines
Gegenübers neben anderen Geräuschen besser wahrgenommen werden kann
(vgl. Fredrickson 2013, S.76). Für die Wahrnehmung der Augen und des
Lächelns eines Gegenübers ist auch das Hormon Oxytocin verantwortlich. Es
wirkt nicht nur im Körper, sondern auch im Gehirn und wird verstärkt beim
Geschlechtsverkehr, während der Geburt und beim Stillen ausgeschüttet.
Oxytocin zielt auf die Bildung eines sozialen Bandes ab und erhöht nach einer
Studie aus der Schweiz sogar Vertrauen und Kooperationsbereitschaft (vgl.
Fredrickson 2013, S.68–70). Durch die Positivitätsresonanz »betrachten Sie
sich gegenseitig […] als ein einziges ›Wir‹ und […] im Vergleich zu anderen
positiven Emotionen erweitert die Liebe Ihr Interesse an anderen« (Fredrickson
2013, S.92).
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3. Die große Sauerei
Trotz unseres Potentials zur Liebe, spielt sich – neben der Jagd, Tierversuchen,
Zoos und Zirkussen – besonders durch die Massentierhaltung Tag für Tag ein
enormes Maß an Gewalt bis hin zum Tod ab, welches unserem Willen zugrunde
liegt. Allein in Deutschland wurden 2011 laut dem Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft 800 Millionen Tiere für den Verzehr
geschlachtet, Fische und andere Meerestiere nicht mit einbezogen (vgl. Joy
2015, S.39). Warum trennen wir bei Begriffen der Liebe und Gewalt so stark
zwischen »uns« Menschen und den Tieren, den »anderen«?
Die Aufzeichnungen über das Mensch-Tier-Verhältnis begannen vor 2.400
Jahren. Der griechische Philosoph Aristoteles teilte alle Lebewesen nach dem
Grad ihrer Rationalität ein. Je rationaler, desto höherwertiger. »Die ›Logik‹ der
Hierarchie dient immer […] der Bestätigung der eigenen Höherwertigkeit«
(Balluch 2014, S.117). So sind die untergeordneten Lebewesen zum Vorteil der
höheren Gruppen da. Die große Kluft zwischen Menschen und Tieren brachte
jedoch die Aufklärung mit sich. Die Französische Revolution setzte die
Menschenrechte auf der Basis des Körper-Seele-Dualismus durch. Dem Körper
wurden messbare Eigenschaften wie warm-kalt, groß-klein oder leicht-schwer
zugesprochen, während die Seele immaterielle und unsterbliche Eigenschaften
wie die Liebe einschloss. Der Begriff der Vernunft wurde zum Maß der
(menschlichen) Seele, welche die Tiere somit gänzlich ans untere Ende der
Hierarchie stellte. Immanuel Kant beschrieb den Menschen als rationales
Wesen, welcher sich selbst einen Zweck geben kann und zum »Zweck an sich«
wird. Tiere hingegen verfügen über kein rationales Denken und sind somit nur
»Mittel zum Zweck« (vgl. Balluch 2014, S.119 ff.). Die große Errungenschaft
der Aufklärung ist, dass alle Menschen zu einem großen »wir« wurden, und
Tiere zu »den anderen«, was sich auch im deutschen Rechtssystem äußert,
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denn hier gehören Tiere nicht zur Kategorie der Personen, sondern werden als
Sache behandelt (vgl. Joy 2015, S.117). Dadurch – und noch deutlicher durch die
Sprache – findet eine Verdinglichung statt. So zählt das US-
Landwirtschaftsministerium zum Beispiel Kühe als Euter und Tiere als Stück
(vgl. Joy 2015, S.133). Bereits 1922 erkannte der texanische Schaf- und
Ziegenzüchterverband die Macht der Worte: »Die Leute essen nicht gehackte
Kuh, Schweinestücke oder Schafbein. […] Steak, Kotelett und Hammelkeule
klingen viel appetitlicher«. Auch die Empfehlung anstelle von Schlachtung von
Verarbeitung zu sprechen hat sich mittlerweile durchgesetzt. Die britische
Verbandszeitschrift British Meat sprach außerdem von einem Umdenken in der
Verkaufsphilosophie: »Wir müssen unsere Kunden dazu bringen, dass sie an
das denken, was sie essen werden, nicht an das Tier auf der Weide« (vgl. Joy
2015, S.53–54). Nach Hal Herzog ist die Sprache an der Schaffung der Realität
beteiligt. Das Denken über Tiere wird durch die Worte bestimmt, mit welchen
wir sie beschreiben. Daraus ergibt sich nach Joan Dunayer eine niedrigere
Hemmschwelle, durch Bezeichnungen andere Gattungen auszubeuten (vgl.
Herzog 2012, S.53–54). Menschen essen, Tiere fressen, die Leiche wird zum
Kadaver und nachdem die Tiere trächtig waren, werfen diese ihre »Jungtiere«.
Extremer wird die angestrebte Distanzierung noch im Schimpfwort-Repertoire
der Alltagssprache deutlich. Das Animalische wird zur Metapher für
Kontrollmangel und Brutalität und dient rhetorisch zugleich als Abschreckung,
wenn die Rede von »abstechen wie ein Schwein«, »mausetot« oder
»behandeln wie Vieh« ist.
Durch die Distanzierung wird die einleitend erwähnte Gewalt gegenüber Tieren
somit zur Normalität. »Die meisten Menschen ertragen Gewalt nur bis zu
einem bestimmten Punkt, ohne davon traumatisiert zu werden« beschreibt
Melanie Joy die wachsende psychische Belastung von Arbeitern in
Schlachthöfen. In einem Interview formulierte es einer von ihnen: »Sie müssen
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trinken, anders können sie nicht damit umgehen, dass sie den ganzen Tag
lebende, zappelnde Tiere töten. […] Viele dort […] spülen ihre Probleme
einfach runter, mit der Flasche oder mit Pillen. Manche misshandeln dann
irgendwann ihre Frauen, weil sie diese Gefühle nicht loswerden können« (Joy
2015, S.95). Anfang der 60er-Jahre bewies Stanley Milgram in einer Studie über
Autoritätsgehorsam, wie sehr wir uns von Autoritätspersonen beeinflussen
lassen. Die Teilnehmer fungierten als Lehrer und mussten einem Schüler – der
durch Milgram eingeweiht wurde – Wortpaare nennen und im Anschluss
erfragen. Wurde ein falsches Wortpaar genannt, so musste der Lehrer dem
Schüler über ein Schaltbrett einen Stromschlag durch die (nicht
angeschlossenen) Elektroden verpassen. Mit jeder falschen Antwort erhöhte
sich die Stärke der Elektroschocks. Milgram stand währenddessen die ganze
Zeit über in der Nähe des Lehrers und wies diesen auf die Fortsetzung an. »Bei
den ersten Elektroschocks stöhnte der Schüler auf […]. Ab 150 Volt beschwerte
sich der Schüler über starke Schmerzen und verlangte das Experiment
abzubrechen. Bei 285 Volt schrie der Schüler in höchster Qual«. Trotz
sichtlicher Belastung durch Beschwerden und gesteigerter Transpiration
machten die Lehrer weiter. Milgram schlussfolgert, dass wir gegen unser
Gewissen handeln, weil die Verantwortung für das eigene Handeln auf die
nächst höhere Instanz, die Autoritätsperson verschoben wird. (vgl. Joy 2015,
S.114 ff.). Als Konsument stellen wir gerne die Politik oder die Industrie als
diese höhere Instanz dar. Harald Welzer beschreibt dies gekonnt damit, dass
durch lange Handlungsketten kaum ein Gefühl der persönlichen Verantwortung
entstehen kann: »die meisten Handlungszusammenhänge in modernen
Gesellschaften [sind] von systematischer Verantwortungslosigkeit beherrscht
[…]« (Welzer 2014, S.206–207).
Geschichte und Philosophie leisteten gute Vorarbeit für eine Legitimation der
Andersbehandlung der Tiere. Wir fühlen uns durch Sprache und Gesetzgebung
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in dieser Distanzierung bestärkt und schieben die Thematik der Gewalt an
Tieren – bedingt durch unser Essverhalten – ebenfalls möglichst weit weg.
Nicht ohne Grund erfolgt der Transport der Tiere in unbeschrifteten und
versiegelten LKWs hin zu Schlachthäusern weit entfernt von dicht besiedelten
Gebieten. Selbst die Identifizierung dieser würde aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu
riesigen Lagerhallen ohne bzw. nur mit hoch eingelassenen Fenstern
schwerfallen. »Die meisten Menschen ertragen Gewalt nur bis zu einem
gewissen Punkt«. Willkommen in der Normalität. Distanzierung bis hin zur
psychischen Betäubung sind jedoch zweifelsfrei eine sehr wichtige Methode zur
Bewältigung von Gewalt und ihren Folgen. Wenn diese jedoch dazu dient,
Gewalt zu ermöglichen, wird diese sehr schädlich (vgl. Joy 2015, S.20).
Wenn Fürsorge ein Zeichen der Liebe ist, dann können wir uns mit ihrer Hilfe
der Verantwortung gegenüber unseren Mitwesen stellen. Auch wenn die
Philosophie das Prinzip der Liebe zu allen Kreaturen vehement ablehnt, da die
Ethik dadurch grenzenlose Verantwortung und Pflichten erfahren und uns
direkt vor Augen halten würde, wie oft wir nicht nach ihr handeln, so
beschreibt es Albert Schweitzer doch sehr treffend: »Die Ethik der Liebe zu
allen Geschöpfen im Einzelnen auszudenken: dies ist die schwere Aufgabe, die
unserer Zeit gestellt ist« (Schweitzer 2008, S.98).
4. Durch die rosarote Brille
Albert Schweitzers Forderung ist aktueller und akuter denn je. Er definiert den
Menschen nicht wie die Aufklärung durch die Abgrenzung zum Tier, sondern in
der Eigenschaft der Sittlichkeit, durch welche wir »aus unserm Eigensinn
heraustreten, die Fremdheit den anderen Wesen gegenüber ablegen und alles,
was sich von ihrem Erleben um uns abspielt, mit[zu]erleben und
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mit[zu]erleiden«. Das Miterleben des anderen Lebens wird so zum großes
Ereignis für die Welt (vgl. Schweitzer 2008, S.32). Auch in der Biologie gibt es
Stimmen: E. O. Wilson von der Harvard University prägte den Begriff der
Biophilie, nach welchem der Mensch eine instinktive Zuneigung zur Natur
besitzt. Beobachtungen von Kleinkindern unterstützen diese These. Diese haben
eine viel höhere Aufmerksamkeit gegenüber Filmen mit echten Tieren, als zu
Filmen mit unbelebten Objekten. Außerdem wurde nachgewiesen, dass das
menschliche Auge die Bewegungen eines Elefanten schneller wahrnimmt als die
eines LKW (vgl. Herzog 2012, S.47). »Die meisten Menschen wollen [..] mit
anderen Tieren zusammenleben. […] Wenn ihre Umgebung an Tieren verarmt
ist, suchen sie Orte auf oder schaffen welche, wo sie Tieren begegnen können«
(Sezgin 2014, S.215). Hilal Sezgin fordert ebenfalls ein friedfertigeres
Zusammenleben zwischen Mensch und Tier, beginnend bei der Überwindung
der Kategorien Nutz- oder Kuscheltier, hin zu Nachbarn. Durch städtebauliche
Maßnahmen zugunsten der freiwillig zu uns kommenden Tiere wären Zoos
überflüssig und auf ein nistendes Vogelpaar in der Garage wären wir auch
besser vorbereitet. Die Verwirklichung dessen beschreibt sie mit dem Gedanken,
dass wir eine Spezies von vielen sind. Durch Rücknahme von Ansprüchen und
Anmaßungen, würden die Tiere uns gegenüber Vertrauen aufbauen und unser
Bedürfnis nach Nähe zu Tieren wäre erfüllt (vgl. Sezgin 2014, S.237). Dies wäre
auch im Sinne Schweitzers.
Im Rahmen einer Studie zum Zusammenhang von Ausgrenzungsmechanismen
von Menschengruppen und dem Abwerten von Tieren ergab sich, dass die
Ausgrenzung und Entmenschlichung der sogenannten »outgroups«
maßgeblich vom Gefühl der Überlegenheit und Wertigkeit gegenüber Tieren
hervorgerufen wird. Im Gegensatz dazu trägt das Gleichstellen von Tieren zum
Abbau von Vorurteilen und der Entmenschlichung bei und erhöht das
moralische Raster (vgl. Balluch 2014, S.125–126). Die abschließende
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Beisteuerung zu unserem Umgang mit Tieren kommt von der Moralphilosophin
Rosalind Hursthouse. Sie erweitert Kants Ansatz des Umgangs mit anderen
autonomen Akteuren durch »respektvolle Liebe«. Diese beachtet das Recht der
anderen auf selbstständige Entscheidungen und der Art des eigenen Lebens und
Sterbens (vgl. Schmitz 2014, S.343), und greift damit in jedem anfangs
erwähnten Bereich der Gewaltanwendung gegenüber Tieren: Jagd, Tierversuche,
Zoos, Zirkusse und Landwirtschaft. Autonomie ist wichtiger als
Leidvermeidung: »Artgerecht ist nur die Freiheit. Es steht [Tieren] zu, ein
autonomes Leben zu führen, auch wenn das unter Umständen mehr Leid mit
sich bringen kann« (Balluch 2014, S.179).
5. Fazit
Nach Fredricksons Liebesbegriff verbindet uns mehr mit den Tieren als es den
Anschein hat. Indem wir ein neues Verständnis von unseren besten
Eigenschaften erlangen, wird es uns auch leichter fallen die weniger guten
Eigenschaften zu erkennen und mit ihnen, anstatt gegen ihre auf Tiere
projizierten Versionen, zu leben. Distanzierung legitimiert Gewalt, Gewalt
schürt Distanzierung. Unsere Aufgabe sollte es sein, uns gegen die Abspaltung
eigener Eigenschaften und uns auf die Verbindung durch respektvolle Liebe zu
uns selbst und den Tieren neu zu besinnen.
»Mit der Abstumpfung gegen das Mitleiden verlierst du zugleich das
Miterleben des Glücks der anderen. Und so wenig das Glück ist, das wir in der
Welt erschauen, so ist doch das Miterleben des Glückes um uns herum mit dem
Guten, das wir selbst schaffen können, das einzige Glück, welches uns das
Leben erträglich macht. […] Laßt euch nicht abstumpfen, bleibt wach!«
(Schweitzer 2008, S.36–37).
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6. Literaturverzeichnis
Balluch, Martin: Der Hund und sein Philosoph. Plädoyer für Autonomie und
Tierrechte. Wien: Promedia Verlag 2014.
Fredrickson, Barbara L.: Die Macht der Liebe. Ein neuer Blick auf das größte
Gefühl. Frankfurt am Main: Campus Verlag 2013.
Herzog, Hal: Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu
Tieren. München: Carl Hanser Verlag 2012.
Joy, Melanie: Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen.
Karnismus – Eine Einführung. Münster: compassion media 2015.
Schmitz, Friederike: Tierethik. Berlin: Suhrkamp Verlag 2014.
Schweitzer, Albert: Die Ehrfurcht vor dem Leben. C.H.Beck 2008.
Sezgin, Hilal: Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum
wir umdenken müssen. München: C.H.Beck 2014.
Welzer, Harald: Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt: S.
Fischer Verlag 2014.