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«Wir kopieren nicht» Manche Gäste wünschten sich den Geschmack von Fleisch, wenn sie in ein veganes Seitan- Geschnetzeltes beissen. «Das ist nicht der Sinn unseres Angebot», meint Ronny Schneider. «Wir kopieren keinen Hackbraten, sondern wollen – auch geschmacklich – Alternativen zu Fleisch und zu Speisen mit tierischen Produkten bieten. Beispielsweise setzen wir lieber auf Auberginen-Cannelloni, damit sind wir echt.» Neben dem Seitan-Geschnetzelten zählen ein Linsen-Süsskartoffel-Ragout und die Süsskartoffelgnocchi zu den Gerichte-Hits. Ronny Schneider arbeitet seit fünf Jahren im Gersag-Restaurant, also schon vor der Umstellung auf die vegane Küche. Mit dem Konzeptwechsel wurde er Küchenchef. Die Experimentierfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben. «Vor der Umstellung habe ich Bücher gelesen und im Internet Informationen gesucht. Das liefert einem ein Basiswissen. Aber dann muss man ausprobieren. Welche Alternativen gibt es? Wie kann man sie her- stellen? Wie verändert sich der Geschmack des Gerichts? Es ist unheimlich spannend, Neues zu entdecken.» Der Küchenchef bezeichnet sich als «Flexiganer». Den Fleisch- konsum habe er zwar reduziert, aber er müsse in der Küche ja auch Fleischspeisen abschme- cken. Das könnte er nicht, wenn er Veganer wäre. «Vegan» war der Schlüssel zum lang ersehn- ten Erfolg. Der Geschäftsführer Rolf Kälin, sel- ber Veganer, und der Küchenchef Ronny Schneider verbannten Butter, Eier, Milch und alle anderen tierischen Produkte von der Menükarte. Sie machten aus dem Gersag ein – nahezu rein – veganes Restaurant. Business-Fleisch bleibt «Nahezu rein» bedeutet, dass im Gersag über Mittag immer noch zwei Fleischmenüs erhält- lich sind. «Wir wollen unsere Geschäftskun- den nicht vergraulen», begründet Ronny Schneider. Findet denn in der Küche keine Vermischung von veganen und fleischhaltigen Gerichten statt? «Nein, da sind wir konse- quent. Wir servieren trotz mittäglichem Fleischangebot rein veganes Essen.» Nicht nur die Menü-, sondern auch die Wein- karte erfuhr Veränderungen. Rolf Kälin führt aus: «Traditionell produzierter Wein ist nicht vegan, denn bei der Klärung des Weins wer- den tierische Produkte verwendet. Rund die Hälfte unserer Weine wurden mit Stärke ge- klärt, sie sind also vegan.» 54 Jahre lang war das Restaurant Gersag in Emmenbrücke (LU) ein klassischer Gastronomiebetrieb mit einfachen Fleisch- und wenig vegetarischen Speisen. Im April 2014 wurde alles anders. Von Annika Hug «Wir sind echt» 28 Frisch aus der Pfanne: Im veganen Restaurant Gersag wird Gemüse aus dem eigenen Garten serviert.

Saviva AG, Geschäftsbereich CCA Angehrn, Gossau

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Page 1: Saviva AG, Geschäftsbereich CCA Angehrn, Gossau

«Wir kopieren nicht»Manche Gäste wünschten sich den Geschmack von Fleisch, wenn sie in ein veganes Seitan-Geschnetzeltes beissen. «Das ist nicht der Sinn unseres Angebot», meint Ronny Schneider. «Wir kopieren keinen Hackbraten, sondern wollen – auch geschmacklich – Alternativen zu Fleisch und zu Speisen mit tierischen Produkten bieten. Beispielsweise setzen wir lieber auf Auberginen-Cannelloni, damit sind wir echt.» Neben dem Seitan-Geschnetzelten zählen ein Linsen-Süsskartoffel-Ragout und die Süsskartoffelgnocchi zu den Gerichte-Hits.

Ronny Schneider arbeitet seit fünf Jahren im Gersag-Restaurant, also schon vor der Umstellung auf die vegane Küche. Mit dem Konzeptwechsel wurde er Küchenchef. Die Experimentierfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben. «Vor der Umstellung habe ich Bücher gelesen und im Internet Informationen gesucht. Das liefert einem ein Basiswissen. Aber dann muss man ausprobieren. Welche Alternativen gibt es? Wie kann man sie her-stellen? Wie verändert sich der Geschmack des Gerichts? Es ist unheimlich spannend, Neues zu entdecken.» Der Küchenchef bezeichnet sich als «Flexiganer». Den Fleisch-konsum habe er zwar reduziert, aber er müsse in der Küche ja auch Fleischspeisen abschme-cken. Das könnte er nicht, wenn er Veganer wäre.

«Vegan» war der Schlüssel zum lang ersehn-ten Erfolg. Der Geschäftsführer Rolf Kälin, sel-ber Veganer, und der Küchenchef Ronny Schneider verbannten Butter, Eier, Milch und alle anderen tierischen Produkte von der Menükarte. Sie machten aus dem Gersag ein – nahezu rein – veganes Restaurant.

Business-Fleisch bleibt«Nahezu rein» bedeutet, dass im Gersag über Mittag immer noch zwei Fleischmenüs erhält-lich sind. «Wir wollen unsere Geschäftskun-den nicht vergraulen», begründet Ronny Schneider. Findet denn in der Küche keine Vermischung von veganen und fleischhaltigen Gerichten statt? «Nein, da sind wir konse-quent. Wir servieren trotz mittäglichem Fleischangebot rein veganes Essen.»

Nicht nur die Menü-, sondern auch die Wein-karte erfuhr Veränderungen. Rolf Kälin führt aus: «Traditionell produzierter Wein ist nicht vegan, denn bei der Klärung des Weins wer-den tierische Produkte verwendet. Rund die Hälfte unserer Weine wurden mit Stärke ge-klärt, sie sind also vegan.»

54 Jahre lang war das Restaurant Gersag in Emmenbrücke (LU) ein klassischer Gastronomiebetrieb mit einfachen Fleisch- und wenig vegetarischen Speisen. Im April 2014 wurde alles anders.

Von Annika Hug

«Wir sind echt»

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Frisch aus der Pfanne: Im veganen Restaurant Gersag wird Gemüse aus dem eigenen Garten serviert.

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29Trends

«Vegan» fordert VeränderungAuch bei den zwölf Mitarbeitenden zählt Echt-heit. «Das Team muss dahinterstehen, sonst funktioniert ein Konzept nicht», verdeutlicht Ronny Schneider. Also seien alle Mitarbeiten-den vor der Umstellung erst einmal gemeinsam in ein veganes Restaurant essen gegangen, um zu erfahren, wie «vegan» schmeckt. Das Team zeigte sich überrascht und begeistert. Damit war eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um das Konzept Gästen gegen-über authentisch zu leben.

Auch die Kücheneinrichtung musste dem neuen Konzept angepasst werden. Unter an-derem ersetzte ein Induktionsherd den alten Elektroherd. «Um die frischen Zutaten zu ver-arbeiten, mussten wir schneller kochen kön-nen. Und dank der neuen Kücheneinrichtung ist bei der Zubereitung der Gerichte eine strik-te Trennung zwischen Fleisch- und veganen Speisen gewährleistet», freut sich Ronny Schneider.

Bedarf, Neugier, Freude und auch ein biss-chen Marketing führten dazu, dass man sich bei einem Bauern in der Region über den An-bau von Gemüse informierte. Schliesslich entstand neben der Restaurantterrasse ein Biogarten. Heute fallen Chabis, Tomaten, Gurken und noch viel mehr beim Ernten so-zusagen direkt in die Pfanne. «Die Gäste freuen sich, wenn sie frisches Gemüse aus

unserem Garten serviert bekommen», be-richtet der Küchenchef. «Oft erhalten wir Anregungen, was wir sonst noch anbauen könnten. Setzen wir solche Inputs in die Tat um, freuen sich die Gäste gleich noch mehr – und sie kommen immer wieder.»

Begeisterung für eine Nische und Mut zu Neu-em machten aus dem einfachen Restaurant Gersag ein beliebtes Lokal mit spezialisiertem Angebot, das für die Zentralschweiz einzigar-tig ist. Das schätzen nicht nur regionale Gäste. Die Leute kommen auch von weit her nach Emmenbrücke für ein echtes veganes Ess- erlebnis.

Ein Fleischklassiker in veganer Variante: das Avocado-Tartar.

Mit der Umstellung auf die vegane Küche wurde auch das Innere des Restaurants aufgefrischt.

Das GersagSeit April 2014 setzt das Restaurant Gersag mit Erfolg auf die vegane Küche. Es bietet rund 60 Sitzplätze und ist Teil des gleichnamigen Kongresszentrums in Emmenbrücke (LU), wo bei einem Seminar oder einem Bankett 800 bis 900 Personen verpflegt werden können.

www.gersag.ch