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TREFFPUNKT FORSCHUNG | 374 | © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2008, 42, 374 – 377 NATURSTOFFE | Schlumpfblaues Protein schützt Froschlaich Brücke als kovalente Verbindung zwi- schen den beiden Ketten. Eine solche Bindung war zuvor noch nicht in Pro- teinen beobachtet worden (Formeln). Diese Indophenolgruppe trägt zur Koordination eines Zinkions bei und ist offenbar für die charakteristi- sche blaue Farbe des Proteins verant- wortlich, wie Cooper und Kollegen anhand spektroskopischer Vergleichs- untersuchungen mit Modellsubstan- zen zeigen konnten. Sie kommt auch in synthetischen Farbstoffen vor. Ähnlich wie beim Chromophor des grün fluoreszierenden Proteins GFP handelt es sich hier um eine chemische Veränderung der Protein- struktur, die erst nach Abschluss der Synthese einsetzt und vermutlich von dem Protein selbst katalysiert wird. Solche Phänomene kann man natür- lich nicht aus der Gensequenz ablei- ten – neben den Genen und Geno- men muss sich die Forschung auch weiterhin um Proteine und andere Biomoleküle kümmern. Chemisch ist das Rätsel der schlumpfigen Farbe damit gelöst. Einen biologischen Grund dafür, dass das Protein und damit der Schaum blau wird, konnten die Nachfor- schungen aber bisher nicht dingfest machen. Dass ein Protein stabil bleibt, wenn man es zu einem Schaum schlägt, ist mindestens eben- so ungewöhnlich wie die blaue Far- be. Normale Proteine mögen eine schäumende Umgebung ganz und gar nicht. Es wäre deshalb denkbar, dass die Indophenol-Quervernetzung vor allem eine ungewöhnlich drasti- sche Maßnahme zur Stabilisierung dieses Proteins darstellt, und dass sich die Farbe als zufällige Begleiter- scheinung ergeben hat. Sie könnte allerdings auch der Filtrierung von Sonnenlicht oder der Abschreckung von Fressfeinden dienen.Vermutlich wird kein vernünftiges Tier im tropi- schen Urwald einen schlumpfblauen klebrigen Schaum fressen wollen. Literatur [1] M. Oke et al., Angew. Chem. 2008, 120, 7971; DOI: 10.1002/ange.200802901. Michael Groß Die malaysische Froschart Polypedates leucomystax schützt ihren Laich, indem das Weibchen eine pro- teinreiche Flüssigkeit abscheidet, welche das Männ- chen dann mit schnellen Bewegungen seiner Beine zu einem Schaum schlägt. Dieser Bioschaum ist mehrere Tage lang stabil und nimmt mit der Zeit eine im Tierreich seltene blaue Farbe an. Forscher in Schottland haben herausgefunden, dass diese Fär- bung auf ein ungewöhnliches Protein zurückgeht, welches sie nach den ähnlich gefärbten Schlümpfen und dem lateinischen Wort für Frosch „Ranasmurfin“ genannt haben – übersetzt also „Ranaschlumpfin“. Die Arbeitsgruppen von Alan Cooper in Glasgow und James Naismith in St.Andrews reinigten schaumbildende Proteine (Ranaspumine) aus den natürlichen Schaum- nestern der Frösche (unter Berücksichtigung von Arten- schutzerwägungen). Durch chromatographische Auf- trennungen wiesen sie nach, dass die blaue Farbe des Schaums von Polypedates leucomystax von dem intensiv gefärbten Ranasmurfin ausgeht, und machten sich an die Untersuchung seiner Molekülstruktur. Das Protein erwies sich als der Traum aller Kristallo- graphen. Es bildete mit Leichtigkeit Kristalle von so her- vorragender Qualität, dass die Forscher nicht einmal die Sequenz des Gens oder des Proteins analysieren mussten. Sie konnten die meisten Aminosäuren direkt aus der Kris- tallstruktur identifizieren und einige Zweifelsfälle mit Hil- fe der Massenspektrometrie klären. Sie fanden in der Struktur ein neuartiges Faltungsmus- ter, was heutzutage, trotz der exponentiell wachsenden Zahl neuer Strukturen, nur noch selten vorkommt. Zusätz- lich fanden sie eine neuartige chemische Quervernetzung zwischen den beiden Untereinheiten des Proteins. Inner- halb einer Untereinheit hatten sich zwei Lysinreste mit je einem nicht benachbarten Tyrosinrest unter Ausbildung je eines Orthochinons verknüpft. Je eine Chinongruppe von beiden Untereinheiten bildete dann eine Indophenol- > Abb. 1 und 2 Um ihren Laich zu schützen, sondert das Weibchen der malaysischen Froschart Polypedates leucomys- tax eine proteinreiche Flüssigkeit ab, die vom Männchen durch schnelle Bewegungen der Beine zu einem Schaum ge- schlagen wird. Dieser nimmt eine markante blaue Farbe an. Der Chromophor des Schaumproteins enthält Orthochinon- und Indophenolgruppen als ungewöhnliche Verknüpfungs- motive innerhalb bzw. zwischen den Untereinheiten.

Schlumpfblaues Protein schützt Froschlaich

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

374 | © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2008, 42, 374 – 377

N AT U R S TO F F E|Schlumpfblaues Protein schützt Froschlaich

Brücke als kovalente Verbindung zwi-schen den beiden Ketten. Eine solcheBindung war zuvor noch nicht in Pro-teinen beobachtet worden (Formeln).

Diese Indophenolgruppe trägtzur Koordination eines Zinkions beiund ist offenbar für die charakteristi-sche blaue Farbe des Proteins verant-wortlich, wie Cooper und Kollegenanhand spektroskopischer Vergleichs-untersuchungen mit Modellsubstan-zen zeigen konnten. Sie kommt auchin synthetischen Farbstoffen vor.

Ähnlich wie beim Chromophordes grün fluoreszierenden ProteinsGFP handelt es sich hier um einechemische Veränderung der Protein-struktur, die erst nach Abschluss derSynthese einsetzt und vermutlich vondem Protein selbst katalysiert wird.Solche Phänomene kann man natür-lich nicht aus der Gensequenz ablei-ten – neben den Genen und Geno-men muss sich die Forschung auchweiterhin um Proteine und andereBiomoleküle kümmern.

Chemisch ist das Rätsel derschlumpfigen Farbe damit gelöst.Einen biologischen Grund dafür, dassdas Protein und damit der Schaumblau wird, konnten die Nachfor-schungen aber bisher nicht dingfestmachen. Dass ein Protein stabilbleibt, wenn man es zu einemSchaum schlägt, ist mindestens eben-so ungewöhnlich wie die blaue Far-be. Normale Proteine mögen eineschäumende Umgebung ganz undgar nicht. Es wäre deshalb denkbar,dass die Indophenol-Quervernetzungvor allem eine ungewöhnlich drasti-sche Maßnahme zur Stabilisierungdieses Proteins darstellt, und dasssich die Farbe als zufällige Begleiter-scheinung ergeben hat. Sie könnte allerdings auch der Filtrierung vonSonnenlicht oder der Abschreckungvon Fressfeinden dienen.Vermutlichwird kein vernünftiges Tier im tropi-schen Urwald einen schlumpfblauenklebrigen Schaum fressen wollen.

Literatur[1] M. Oke et al., Angew. Chem. 22000088, 120,

7971; DOI: 10.1002/ange.200802901.

Michael Groß

Die malaysische Froschart Polypedates leucomystaxschützt ihren Laich, indem das Weibchen eine pro-teinreiche Flüssigkeit abscheidet, welche das Männ-chen dann mit schnellen Bewegungen seiner Beinezu einem Schaum schlägt. Dieser Bioschaum ist mehrere Tage lang stabil und nimmt mit der Zeit eine im Tierreich seltene blaue Farbe an. Forscher inSchottland haben herausgefunden, dass diese Fär-bung auf ein ungewöhnliches Protein zurückgeht,welches sie nach den ähnlich gefärbten Schlümpfenund dem lateinischen Wort für Frosch „Ranasmurfin“genannt haben – übersetzt also „Ranaschlumpfin“.

Die Arbeitsgruppen von Alan Cooper in Glasgow und James Naismith in St.Andrews reinigten schaumbildendeProteine (Ranaspumine) aus den natürlichen Schaum-nestern der Frösche (unter Berücksichtigung von Arten-schutzerwägungen). Durch chromatographische Auf-trennungen wiesen sie nach, dass die blaue Farbe desSchaums von Polypedates leucomystax von dem intensivgefärbten Ranasmurfin ausgeht, und machten sich an dieUntersuchung seiner Molekülstruktur.

Das Protein erwies sich als der Traum aller Kristallo-graphen. Es bildete mit Leichtigkeit Kristalle von so her-vorragender Qualität, dass die Forscher nicht einmal dieSequenz des Gens oder des Proteins analysieren mussten.Sie konnten die meisten Aminosäuren direkt aus der Kris-tallstruktur identifizieren und einige Zweifelsfälle mit Hil-fe der Massenspektrometrie klären.

Sie fanden in der Struktur ein neuartiges Faltungsmus-ter, was heutzutage, trotz der exponentiell wachsendenZahl neuer Strukturen, nur noch selten vorkommt. Zusätz-lich fanden sie eine neuartige chemische Quervernetzungzwischen den beiden Untereinheiten des Proteins. Inner-halb einer Untereinheit hatten sich zwei Lysinreste mit jeeinem nicht benachbarten Tyrosinrest unter Ausbildung jeeines Orthochinons verknüpft. Je eine Chinongruppe vonbeiden Untereinheiten bildete dann eine Indophenol-

> Abb. 1 und 2 Um ihren Laich zu schützen, sondert dasWeibchen der malaysischen Froschart Polypedates leucomys-tax eine proteinreiche Flüssigkeit ab, die vom Männchendurch schnelle Bewegungen der Beine zu einem Schaum ge-schlagen wird. Dieser nimmt eine markante blaue Farbe an.Der Chromophor des Schaumproteins enthält Orthochinon-und Indophenolgruppen als ungewöhnliche Verknüpfungs-motive innerhalb bzw. zwischen den Untereinheiten.