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S E R lE B P E R Band 498 Zu diesem Buch Sch ope nha uer s gro6e Vorlesung von 1820 ist ein her aus ragendes Glanz- stiick seines handschriftlichen Nachla sses. Sie stel lt die didaktische Fas sun gseines Hauptwerks ..Die Wel t alsWille und Vor ste llu ng« (1819) da r un d kann al s Kdnigsweg in das Ze nt rum seiner Phil os ophie ge lten, Mit der durch spat ere Textzusatze er weiterten -Theor ie de s gesammten V or st el le ns , D en ke ns un d E rke nn ens . .. de m e rst en T ei l de r gr oB en Vor les ung, sowie der - Pr ob ev cr le su ng . . ( 18 20 ). der .. Lobrede .. (1820) und der .. Dian oiolog ie- (1821) besc hl ie6t de r Piper Verlag seine vier- bandige, vo ll st lindige Ne ue di tion des seit Jahrzehnten vergriffenen We rks, die von dem Tiibinger Philosophen Volker Sp ie rl in g heraus- gegeben und eingeleitet wi rd. •Der Gang unsr er Be era chrung.., so Schope nhauer , -wird folgender seyn. Nach vorangeschickter Einleitung iiber da s Studium der Philoso- ph ie iiberhaupt, werden wi r ausgehn von der Vorstellung und die Welt blof betrachten sofern sie unsre Vorstellung ist, sofern sie im Kopfe einesJeden vorhanden ist. Wir werden dann zuvordersr zweierl ei Arten von Vorstellungen unterschei de n, Anscha ul iche und Abstrakre, die anschau/iche werden wir zuerst betrachten, di es e Vorstellung analy- siren, [.. . J und werden das Entstehn, das zu Stande kommen der an- schaul ichen Vorstell ung ke nnen lernen: werden sehn, wie der Verstand operirt. Wir werden darauf das abstrakte Vorstell en [... J betrach- ten. das ei ge nt li che Denken: d. h. wir werden sehn wic die Vernunft operirt.« Arthur Schopenhauer, geboren 1788 in Danzig, unternahrn als Jugend- li cher ausgedehnte Reisen durch Europa, scudiert e u. a. beiJ. G. Fi chte, wurde von Goet he in die Probleme der Farbenlehre ei ngefiihrt, habi- litierte sich 1820 unter Mitwir ku ng Hegels in Berlin, le bt e von 1833 bis zu seinem Tod 1860 mei st als unb each tet er Pri vat gel ehr ter in Frankf urt am Main. Schopenhauer , der -Kaspar Hauser der Philosophieprofes- soren«(F. A. Dorguth), begrundete inseinem Ha uptwerk -Die Weltals Wi ll e und Vorstell un(Bd. 1: 1819,Bd. 2: 1844) eine ..Metaphysik aus empir ische n Erken nmisq uelle n e, Seineweite ren Werke dienen nurnoc h der Erganzung und Fundierung: "Ueber di e vi er fache Wurzel des Satzes vo m z ur ei ch en de n G ru nd . . (1 81 3/1 84 7), .. Ueber den Willen in der N at ur « ( 18 36 ), . .D ie be id en G run dp rob le me de r E th ik . . (1841) und -Pa rerg a und Par aliporn ena « (1851) . Art hur Schopenhauer Theorie des gesammten Vorstellens, Denkens und Erkennens Rtl- b.f. X Phi los oph isc he Vorlesungen Teil I Aus dem handschriftlichen Na chlafl Herausgegeben und ei ngel ei tet von Vol ker Spierling Piper Mi inchen Zuri ch

Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen - vol.01

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S E R lE B P E RB a n d 4 9 8

Z u diesem B uch

Schopenhauers gro6e Vorlesung von 1820 ist ein herausragendes Glanz-stiick seines handschriftlichen Nachlasses. Sie stellt die didaktische

Fassungseines Hauptwerks ..DieWelt alsWille und Vorstellung« (1819)

dar und kann als Kdnigsweg in das Zentrum seiner Philosophie gelten,Mit der durch spatere Textzusatze erweiterten -Theorie des gesammten

Vorstellens, Denkens und Erkennens ... dem ersten Teil der groBen

Vorlesung, sowie der -Probevcrlesung .. (1820). der ..Lobrede .. (1820)

und der ..Dianoiologie- (1821) beschlie6t der Piper Verlag seine vier-

bandige, vollstlindige Neuedition des seit Jahrzehnten vergriffenenWerks, die von dem Tiibinger Philosophen Volker Spierling heraus-

gegeben und eingeleitet wird .•Der Gang unsrer Beerachrung.., so Schopenhauer, -wird folgender

seyn. Nach vorangeschickter Einleitung iiber das Studium der Philoso-

phie iiberhaupt, werden wir ausgehn von der Vorstellung und die Welt

blof betrachten sofern sie unsre Vorstellung ist, sofern sie im KopfeeinesJeden vorhanden ist. Wir werden dann zuvordersr zweierlei Artenvon Vorstellungen unterscheiden, Anschauliche und Abstrakre, die

anschau/iche werden wir zuerst betrachten, diese Vorstellung analy-siren, [... J und werden das Entstehn, das zu Stande kommen der an-schaulichen Vorstellung kennen lernen: werden sehn, wie der Verstand

operir t. Wir werden darauf das abstrakte Vorstellen [... J betrach-ten. das eigentliche Denken: d. h. wir werden sehn wic die Vernunft

operirt.«

Ar thu r Schopenhauer, geboren 1788 in Danzig, unternahrn als Jugend-

licher ausgedehnte Reisen durch Europa, scudierte u. a. beiJ. G. Fichte,wurde von Goethe in die Probleme der Farbenlehre eingefiihrt, habi-

litierte sich 1820 unter Mitwirkung Hegels in Berlin, lebte von 1833 bis

zu seinem Tod 1860 meist als unbeachteter Privatgelehrter in Frankfurtam Main. Schopenhauer, der -Kaspar Hauser der Philosophieprofes-

soren«(F. A. Dorguth), begrundete inseinem Hauptwerk -Die Welt alsWille und Vorstellung« (Bd. 1: 1819,Bd. 2: 1844) eine ..Metaphysik aus

empirischen Erkennmisquellen e, Seineweiteren Werke dienen nurnoch

der Erganzung und Fundierung: "Ueber die vierfacheWurzel des Satzes

vom zureichenden Grund .. (1 81 3/1 84 7), ..Ueber den Willen in der

Natur« (1836), ..Die beiden Grundprobleme der Ethik .. (1841) und

-Parerga und Paralipornena« (1851).

Arthur Schopenhauer

Theorie des gesammten Vorstellens,

Denkens und Erkennens

Philosophische Vorlesungen

T eil I

Aus dem handschriftlichen Nachlafl

Herausgegeben und eingeleitet

von Volker Spierling

Piper

Miinchen Zurich

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Textgrundlage: Arthur Schopenhauers handschriftlicher NachlaB:Philosophische Vorlesungen, hrsg. von Franz Mockrauer.In: Arthur Schopenhauers samtliche Werke, hrsg. von

Dr. Paul Deussen, Bd. IX, Munchen: R. Piper & Co. 1913, S. 1-587Die -Lobrede- wurde von Max Friedrich neu iibersetzt nach demlateinischen Text im 32. Schopenhauer-Jahrbuch 1945-1948, S. 3-7

Vorlesung

tiber

Die gesammte Ph ilo soph ieVon Arthur Schopenhauer liegen in der Serie Piper au6erdem

bereits vor:Metaphysik der Natur (SP 362)

Metaphysik der Schonen (SP 415)

Metaphysik der Sitten (SP 463)

d. i.

Die Lehre vom Wesen der Welt undvon dem menschlichen Geiste.

In vier Theilen.

Erster Theil. Theorie des gesammtenVorstellens, Denkens und Erkennens

1820

Zusammen mit:

ISBN 3-492-00798-8

Mai 1986© R. Piper GmbH & Co. KG, Munchen 1986

Umschlag: Federico Luci,unter Verwendung des Gernaldes ..Kreidefelsen auf Rugen..

(nach 1818) von Caspar David Friedrich

(Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur)

Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leek

Printed in Germany

Probevorlesung (1820)

Lobrede (1820)

Dianoiologie (1821)

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~LX V t i A

T

2 2 / 1 3 / 1

Inhalt

Zur Neuausgabe . It

Volker Spierling

Erkenntnis und Erkenntnistheorie 15

Arthur Schopenhauer

Probevorlesung, iiber die vier verschiedcnen Arten der

Ursachen(1820) 37

Fcierliche Lobrede auf die Philosophic (Declamatio in

laudcm philosophiae)( 1820) . . . . . . . . . . . . . .. 54

Vorlcsung iiber die Grundlegung zur Philosophie oderDie Theorie der gesammten Erkcnntnif]. (In denManuskriptcn -Dianoiologie ..genannt) (1821) . 61

Exo rd ium phi /o so ph ia e p rima e 62

Dianoiologiae Exordium ., 64

Exordium zur Dianoiologie . 65

Dianoiologie .... . . . . 67

Cap. t. Von der anschaulichen Vorstellung 71

(Cap. 2. Von Zeit und Raum: oder von der reinen

Sinnlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ., 82

Vorlesung tiber Die gesammre Philosophic d. i. Die Lehrevom Wesen der Welt und von dem menschlichen Geiste.In vier Theilen. Erster Theil. Theorie des gesammten

Vorstellens, Denkens und Erkennens (1820) . . . . . ., R 5

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Exordium tiber meinen Vortrag und dessen Methode

Einleitung, tiber das Studium der Philosophie .

Cap. 1.VomObjekt und Subjekt . . . . .

Cap. 2. Von der anschaulichen VorstellungV on ihre r F orm :d. i. vo n R aum und Ze it ...

V o n d er E rk en nm i ii apri()yi . . . . . . . .

Von ana ly t isch en und synrheri s chen Urtheilen

VomRaum .

VonderZe it .

Vo m prinapio inJit·id"al ionis . . . . . .

-V om G ehah der anschaulichen Vorstellung:

o de r vo n de r M ate rie und z ugle ic h vo n d er driu en

Form. der Kausalil31 oder de m Verstande . . . . . . . . . . . .

Vo n der Kaus al it at i ns Besondre, Oilsder drinen a priori vorhandenen

Fo rm de r a nschaulichen Vorste llung . . . . . . . . . .

Z eirve rha hn if! v on U rsa ch und W irk ung . - G egc nw irk ung , -

W echselw irkung . . . . . . . . . . . . . .

T he or ie d er s in nli ch en e mp iri sc he n A ns ch au un g u ndA pri ori ta t d er E rk en nm if ! d er K au sali ta t

Vom Sche i n und I rrthum . . . . . . . . . . .

Ap ri o ri ta ; d e r E r ke n nr ni li d e s Kaus al ve r hah ni ss e s

Vom Versrande . . . . .

Ursach, Reiz, Moriv .

A il e T h ie re h ab e n Versrand . . . . . . .

, '- Gr un ds at 7. d er B e ha rr li ch ke ir d er S ub st an z:

der ein genaues Verh3hniH zum Gesetz der Kausal itat hat.

_ gleichsam dessen Kehrseire iSI . • • • • • • • . • • •

Vo n der Erschleichung d e s B e gr if fs der immareriellen Subsranz

U eb er de n Unterschied zwischen der Wel t als Vorstellung

d es S ub je kt s u nd d er V o rs te ll un gs sp ha re e in es I nd iv id uum s:oder: zwischen dem Dasein cines Obiekrs in der

G e sammr vo rs re ll un g d er E rf ah ru ng u nd s ei ne r u nr ni tt el ba re n

_. Gegenwart fiir ei n Individuum •

I Phantasmen und T raume . . . . . . . . . .

Cap. 3. Von der abstrakten Vorsrellung,

oder dem Denken: welches Capitel die Logik enthaltVon de r Ve rnunft .

V o n d en B e gr if fe n

VomUnhe il ...

V o n d e n De n k-G es e iz e n

87

95

12 6

1 3 2

1 3 2

13 4

1 3 6

14 1

ISO

1 5 6

16 0

1 6 5

17 0

1 7 5

21 5

22 1

2 2 2

22 5

2 2 9

24 0

24 2

2 4 4

246]

25 1

25 1

2 5 9

27 6

2 7 1 1

r

V on d en m i; gl ic he n V er ha lm is se n z wis ch en B eg ri ff en u nd d en

daraus entspringenden v i e r E i g enschaf ten der Unhei le :

Quantitat. Qualitar, Re la ti o n. u n d Mod al it i: it

V on d er E ntg eg en se tz un g u nd Um ke hr un gd er U nh eil e

Von den Schliissen .

Vo n Schlussen a us d en Verhahnissen der Urtheile:

d. i. vo n hyporhetischen un d disjunktivcn S ch li is ~e n .

Bemerkungen uber d ie l .o g i k i i be rhaup i

Vo n der Ueberredungskunsr . .

R ek ap ir ul ar io n u be r d ie V e rn un f tV omWisse ll ..

Vom Gedachtn if~

Vom W ahnsinn .

Vom Gefiih l . .

U eb er d ie V ort he il e u nd N ac hth ei le d es F .rk en ne ns in abstracto

im G egensatl de s anschaulichen.

O de r: ii be r d as V erh al tn iB d er a bsr ra kre n E rk en nl lli H

zu r anschaulichen . . . . .

Vo m Lachen .

U eb er d ie praktische Vernunfr

U eb er d ie Sroische Ethik . . .

i f l · Cap. 4.] Ueber den Satz vom Grunde und seinevier Gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . .U eb er d ie Geometric .

_ - i ~~e b er d ie E nd li ch .k ei t ~ nd N _~ c~ ti g~ e it d ~ r ~ rs ch ~i nu ng en----r-V)l1eber Norhwendigkeit, Zufalhgke,t. M ogllchkell . . .

I jW as eigentlich Ersche inung heiRe . . . . . . . . . . . .

-+ \iUebe r den transscendenten G eb ra uc h d es Sarzes v om Grun de

-V om V erh alt ni 6 z wi sc he n Subjekr un d Objekt: d emn ac h i ib e r

~ ldealismus, Realismus, Male rialismus .

Cap. 5. Vonder Wissenschaft iiberhaupt . . . . . .

V on d er F orm der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . .V on d er B eg run dun g de s W isse ns und de n Q ue lle n de r E vide nz

Ue b er d ie U r th e il sk ra ft

U eb er d en U rs pru ng d es I rn hu ms

U e be r d en l nh al t d er W i ss en sc ha ft en

Ueber die Philo sophic . . . . .

2 8 6

30 1

31 1

34 9

37 4

38 1

3 8 53 8 6

38 8

39 0

39 7

40 1

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47 4

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48 2

48 9

49 8

5 1 8

51 8

52 7

535 .

56 0

5 6 2

56 8

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3

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Zur Neuausgabe

Die Berliner Vorlesungen Schopenhauers stellen eine didakti-sche Fassung des ersten Bandes seines Hauptwerkes dar. der..Welt als Wille und Vorstellung .. (1819). Unsere mit diesem

Band nunmehr vollstandig vorliegende vierbandige Neuaus-gabe, die der im Piper Verlag 1913 zum ersten und zum letzten

Mal erschienenen Ausgabe folgt, mochte die seit Jahrzehntenvergriffenen Vorlesungen dem interessierten Leser wieder leicht

zuganglich Machen. Oieses bedeutende Werk soli niche Hingerunbekannt und auch in Fachdiskussionen nicht linger unbe-

riicksichtigt bleiben. Die Vorlesungen schlieBendie letzte Luckeder erhaltenen philosophischen Texte und Aufzeichnungen von

Schopenhauers handschriftlichem Nachlafl, der von ArthurHiibscher nur unvollstandig herausgegeben wurde.

Schopenhauers Vorlesungen umfassen in chronologischerReihenfolge insgesamt: 1. die -Probevorlesung iiber die vier

verschiedenen Anen der Ursachen .. (gelesen am 23.3.1820).2. die -Declamatio in laudem philosophiae .. (gelesen im Marz1820). 3. die •Vorlesung iiber Die gesammte Philosophie d. i.

Die Lehre vom Wesen der Welt und von dem menschlichen Gei-

ste. In vier Theilen .. (gelesen im Sommer 1820; angekiindigt imWinter 1820121, Sommer 1821. Sommer 1822),4. die ..Vorle-

sung iiber die Grundlegung zur Philo sophie oder die Theorie dergesammten ErkenntniB .., in den Manuskripten auch ..Dianoio-logie« genannt (niche gelesen; angekiindigt im Winter 1821/22

und aile Semester seit Winter 1826/27 bis einschlieBlichWinter

1831/32).

Oer vorliegende Band umfaBt folgende Vorlesungsteile: die..Probevorlesung .., mit der Schopenhauer die veni a l egend ; er-

hielt; die .Oeclamacio«, eine offentliche, a t M i t 1 altene

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U~JlIt:\\

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Lobrede auf die Philosophie; die ..Dianoiologie«, der Anfang

einer spateren Vorlesung (1821), die jedoch nicht zustande kam

und schlieBlich der erste Teil der groBen ..Vorlesung iiber Die

gesammte Philosophie- mit dem Titel ..Theorie des gesammten

Vorstellens, Denkens und Erkennens«.

Schopenhauers Lobrede wird in einer deutschen Fassung

vorgelegt, die in manchen Einzelheiten der Erstiibersetzung

von Arthur Hiibscher verpflichtet ist, jedoch die zahlreichen,

z~m Teil gravierenden Fehler und Sinnentstellungen dieser

Obertragung eliminiert und im ganzen eine Neuiibersetzung

darstellt,

Die »Dianoiologie« hat Schopenhauer weitgehend in den er-

sten Teil der ..Vorlesung iiber Die gesammte Philosophie- ein-

gearbeitet. Sie laBt sich nicht mehr mit Sicherheir aus der zwei-

ten Fassung herauslosen. Sowe it eine Trennung dennoch mag-

lich war, ist dies im Text durch Hinweise in eckige Klammem

kenndich gemacht. Diese Einverleibung der ..Dianoiologie« in

die alle philosophischen Disziplinen umfassende groBe Vorle-

sung von 1820 ist ein wesentlicher Grund dafiir, daB der ersteVorlesungsteil, der erkenntnistheoretische, so umfangreich aus-

f~illt und etwa die Halfte des Gesamttextes beansprucht. Der se-

parate Anfang der ..Dianoiologie- (1821) ist der groBen Vorle-

sung wegen seines einfuhrenden Charakters vorangestellt wor-

den.

Auch nach dem neuesten Stand der Schopenhauer-Forschung

bleibt giiltig, was Paul Deussen in seiner Vorrede zur Ersrverof-

fentlichung der ..Philosophischen Vorlesungen« iiber Entste-

hung und Einordnung in das Gesamtwerk sagt:

..Nachdem Schopenhauer das Manuskript der .Welt als Willeund Vorstellung- im Friihjahr 1818 in Druck gegeben und auf

einer Reise nach Italien die gesuchte Erholung gefunden hatte,

beschlofl er bei seiner Riickkehr in Mailand imJuni 1819, sich als

Privatdozent zu habilitieren, und entschied sich unter den drei in

Frage kommenden Universitaten, Heidelberg, Gottingen und

Berlin, im Dezember 1819 fur Berlin, wo er am 23. Marz 1820

Probevorlesung und Colloquium vor der philosophischen Fa-

kultat ablegte und im Sornmersernester 1820 eine sechssnindige

Vorlesung iiber -Die gesammte Philosophic- abhielt. Diese Vor-

12

r

lesung hat er in ihren vier Teilen, Erkenntnistheorie, Metaphysik

der Natur, des Schonen und der Sinen, wahrscheinlich noch in

Dresden wihrend des Winters 1819/1820 ausgearbeitet. Ein

zweites, dreistimdiges Kolleg hat er fur das Wintersemester

1821/22 unter dem Titel -Dianoologie und Logik- oder -Theorieder gesammten Erkenntnill- in der Art vorbereitet, daB er den

I.Teil seines fruheren Vorlesungsmanuskripts durch eingescho-

bene Appendices und andre Zusatze erweiterte, die er mit dem

urspriinglichen Texte organisch vereinigte, so daB eine Schei-

dung der beiden Elemente wohl kaum durchfiihrbar ist, daher

unsre Ausgabe, nach Voranschickung der -Probevorlesung- vor

der Fakultat und einiger zu verschiednen Zeiten entstandner Ex-

ordien, den I.Teil in seiner Verschmelzung mit der Dianoiolo-

gie, die drei iibrigen in der urspriinglichen Form zum ersten

Male vollstandig mitteilt, Kann man von diesem fur die Zwecke

seiner Vorlesungen im wesentlichen auf Grund seines Haupt-

werks entworfenen Konzept auch niche die Glatte und Abrun-

dung der von Schopenhauer fur den Druck ausgearbeiteten

Werke erwarten, so gewahrt es doch einen eignen Reiz, zu se-hen, wie der Meister nach Vollendung seines Hauptwerkes die in

diesem enthaltenen, aber nicht unerheblich erweiterten Gedan-

ken in einer mehr popularen, fUr die Fassungskraft der studie-

renden Jugend berechneten Form darzulegen bemiiht ist, Zu-

gleich enthalten diese Vorlesungen vieles von dem, was der Phi-

losoph fUr seine spateren Schriften in freier Weise verwendet hat;

daher sie fiir den Forscher wichtiges historisches Material dar-

bieten.« (VgJ. VN II, S. 12 ff.)Deussen ist nur in folgenden Punkten zu erganzen: Schopen-

hauer muBte seine erkenntnistheorerische Vorlesung gegeniiberdem ersten Band der ,.Welt als Wille und Vorstellung- erheblich

erweitem, da er nicht mehr wie dort seine Dissertation »Ueber

die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde«, das

erste Kapitel seiner Studie »Ueber das Sehn und die Farben« 50-

wie die Hauptschriften Kants als gelesen voraussetzen konnte.

Aus diesem Grund stellt dieser Vorlesungsteil einen partiellen,

integrativen Systementwurf dar, der die Thematiken aller er-

kenntnistheoretischen Schriften umfaBt, die Schopenhauer sonst

nur relativ zusammenhangloser verfaBt und vereinzelt veraffent-

13

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licht hat. AuBerdem verarbeitet er sein fortgesetztes Studium

physiologischer Schriften und beriicksichtigt ausfuhrlich die

fonnale Logik.

Die Editionsprinzipien sind bereits im zweiten Teil der Vorle-

sungen, der IOMetaphysik der Nature, erlautert und begriindet

worden (VN II. S. 11 ff.). Insgesamt gilt: Der Grundtext ist un-

gekiirzt und mit der Ausgabe von 1913 identisch. Der etwas ver-

einfachte Anmerkungsapparat ist in eckigen Klammem in den

Vorlesungstext eingearbeitet worden. urn miihsames Blatternund stdrende Unterbrechungen des Gedankengangs zu vermei-

den. Die originale Orthographie und Interpunktion Schopen-

hauers wurden beibehalten. Die Inhaltsverzeichnisse richten

sich nach den (teilweise unvollstandigen) Uberschriften der Vor-

lesungstexte.

Volker Spierling

Erkenntnis und Erkenntnistheorie

Von irgend etwas muB man ausgehn, an etwas an-kniipfen. sein Gewebe anzene1n: deM au. niehu

wird niehu. WeM ieh einen Kranz flechee, steht ein

Stengel heraus, bis ich herumgekommen bin.

Schopenhauer anJ.A. Becker

1 . E in e in zi ge r Gedanke

In seiner erkenntnistheoretischen Vorlesung ,.Theorie des ge-

sammten Vorstellens, Denkens und Erkennens« schreibt Scho-

penhauer:

Tubingen, im Friihjahr 1986 Volker SpierlingNie scheinen aber die Thiere so sehr ein Analogon von Vernunft zu haben, als

wenn sie Rache und Belohnung ausdben, Es wird von Elephanten besonders

erzahlt. Ein Schneider pflegte einem Elephanten der taglich vorbeigefiihrt wurde[einen] Apfel zu geben: einmal sun dessen stach er ihn mit der Nadel in den

Russel. Tags drauf fulhe der Elephant den Russel mit Wasser und begoB den

Schneider. - Das in ;;btTlegte Raehe und IliBtsich ohne abstraktcs Denken anzu-

nehmen nieht wohl begreifen, denn es ist pramedhirt: darum erstaunen wir so

sehr dariiber. Des letzren Persisehen Gesandten zu Petersburg Geschichte vonder Frau die [einen Elephanten] oft gefii tten. und die er einst . ihr cine Ehrc zu

erzeigen, zu ihrem groBen Schrecken, sich auf den Kopf settte.'

Auch ein Tier hat Vorstellungen von der Welt. in der es lebt. Die

Welt ist im Kopf eines Pflanzenfressers, und der Kopf des Pflan-

zenfressers ist in der Welt, und eine Frau sitzt auf diesem Kopf-das gibt einem Philosoph en zu denken,

Schopenhauer beginnt seine Philosophie - auch seine Vorle-

sungen - mit der Untersuchung des menschlichen Erkenntnis-

vermogens, Diese Untersuchung zerfallt in die Dianoiologieoder Verstandeslehre und in die Logik oder Vernunfdehre. Wer

iiber Gegenstande der Metaphysik philosophiert - tiber das We-

sen der Welt -, der 5011 erst einmal in Erfahrung bringen, was er

iiberhaupt erkennen kann und was niche, Zuallererst gilt es zu

ermitteln, ob und inwieweit das Erkenntnisvermogen - viel-

14 15

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leicht zunachst unbemerkt - seine eigenen Eigenschaften fUrdieEigenschaften der Erkenntnisgegenstande halt, die diesen aberso fremd sind wie den Dingen die Farbe eines Glases, durch

das sie angeschaut werden. Bei Schopenhauer nimmt diese seinereigentlichen Metaphysik vorangestelhe Untersuchung - die..Theorie des gesammten VorsteUens, Denkens und Erkennens-

- den Platz der friiheren Ontologie, der Lehre von den allge-rneinsten und wesentlichsten Eigenschaften der Dinge, ein, Er

nennt seine Erkenntnistheorie daher philosophia prima und siehtin ihr die grundlegende Disziplin fUr jede mogliche, das hei6t

argumentativ begriindete Metaphysik. Mit der philosophia

prima 5011 dem Schein und dem Imum widerstanden werden,

subjektive Bedingungen des Anschauens beziehungsweise des

Denkens bereits fUrdie Erkenntnis des Objekts zu halten.!

Schopenhauer trite mit der Bedachtsarnkeit dieser philo-

sophischen Selbstkritik, in die er an mehreren Stellen seiner Vor-lesung einfiihrt ', als Interpret von Kants ..Kritik der reinen Ver-nunft« auf. Ohne seine eigenwillige Auseinandersetzung mit

Kant wie auch, obgleich versteckter, mit der skeptischen Tradi-tion von Pyrrhon bis zu seinem Gettinger UniversitaeslehrerG. E. Schulze, ware Schopenhauers Philosophie fur die metho-disch anspruchsvollen Fragen unserer Zeit weniger bedeutungs-voll, weniger herausfordernd. Ohne Kant ware Schopenhauerein naiver Dogmatiker. Andererseits ist nicht zu verkennen, daB

Schopenhauer durch seine Anleihen bei Kant, von dem er sich in

ausschlaggebenden Punkten unterscheidet, sich selbst im Wegesteht, zum Beispiel indem er teilweise einer Terminologie ver-haftet bleibt, die in ihrer Enge der Tragweite seines Denkens

letztlich nicht mehr gerecht werden kann. Mit Kant gelangtSchopenhauer zu keinem angemessenen Selbsrverstandnis,"Obwohl Schopenhauer besonnene Selbstbetrachtung fUr sich

in Anspruch nimmt, gilt es gleich zu Beginn seiner Erkenntnis-theorie, ein Mi6verstindnis des Textverstehens zu erkennen, das

sich bei der ersten Leknire nur allzu leicht einsteUen kann. DieHinweise, die Schopenhauer vorsorglich gibt, reichen nicht aus,ja, er selbst hat sie im Laufe seiner Argumentationen wieder

Ubersehen oder keine hinreichenden Konsequenzen aus ihnengezogen.

16

Es geht um folgendes. Schopenhauer begreift seine gesamtePhilo sophie als ein organisches Ganzes, dem ..ein einziger Ge-danke« zugrunde liegt: ..daB diese Welt, in der wir leben und

sind, ihrem ganzen Wesen nach, durch und durch Wille und zu-gleich durch und durch Vorstellung ist«. S Diesen intendienen

unteilbaren Gedankenorganismus rei6t Schopenhauer durcheine ..willkiirliche Abstraktion« 6 entzwei, die sich strenggenom-

men bis in den letzten Satz seiner Philosophie hinein auswirkt.

Schopenhauer mochre mit dieser Operation einerseits die Er-kenntnistheorie mit ihrem Gegenstand der Welt als Vorstellung

und andererseits die Metaphysik mit ihrem Gegenstand der Weltals Wille verstandlicher darstellen - obwohl jede VorsteUung

auchWille ist wie jedeAu6erung des Willens zunachst auch Vor-

stellung. Seine begriffliche Analyse seziert einen lebendigen Zu-sammenhang in isolierte Einzelteile, die nach ihren einseitigen

Einzeluntersuchungen - Erkenntnistheorie, Naturphilosophie,Asthetik, Ethik - wieder zusammengesetzt, ..erganzt«_7werden

sollen. In seiner in diesem Zusammenhang wichtigen Vorrede

zur ersten Auflage der ..Welt als Wille und Vorstellung« schreibtSchopenhauer:

Ei n System von Gtd4nken muB a ll em a l e in en a rc hi te kt cn is cb en Z us amme nh an g

hab en, d. h. e inen so lchen, in we lche m im me r e in T he il de n andem tragt. nicht

a be r die se r au ch [e ne n, de r G ru ndste in e ndlich aile , o hn e vo n ihne n ge tfag en zu

w erd en. de r G ipf el ge tfa ge n w ird, o hne zu trag en. H ing ege n tin tinziger Ge-

d4nke m uB , so u mfa sse nd e r a uc h se yn m ag. die vo llko mm enste E inh eir b ew ah-

re n, L iiJlt e r de nno ch, z um B ehuf se in er M inh eilung . sich in T he ile z erle ge n; so

m uB do ch w ie der de r Z usam me nhang die se r T heile e in organische r, d. h. e in

so lcher se yn, w o jede r T heil e be n so sehr das G anze e rhiilt, als e r vom G anzen

g eh ah en w ird , k ein er d er e rs te u nd k ein er d er [e tz te is t, d er g an ze G ed an ke d urc h

je de n T he il an D eudichke it ge winnt und auc h d er kle inste T he il nicht vo llig ve r-

stande n w erden kann, ohne daB schon das G anze vorhe r verstanden se i. - E in

B uc h m uB inzw ische n e ine e rste un d e ine le tzte Z eile hab en und w ird inso fe rn

e ine m O rg anism us alle ma l se hr una hnJ ich b le ib en, so se hr die se m ah nlich a uch

im mer se in Inhalt se yn m ag: fo lglich w erden Fo rm und Stoff hie r im W ide r-

s pr uch s uh n .'

Schopenhauers archirektonische Zeneilung eines komplexen,

empfindsam reaktiven Zusammenhangs, ist ein didaktischer

Kunstgriff, bei dem es schwer ist zu entscheiden, ob die Vorteile

17

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~~ Nachteile aufw~egen. De?n die versproehene Erleiehterungburdet dem Leser erne erhebliche Ersehwemis auf, die nicht ein-~al Sehopenhauer selbst aufheben konnte oderwollte: 1mjeweilseJgenenTextverstehen gilt es jetzt, den Organismus des Gedan-

kens wieder lebendig werden zu lassen dureh die Wiederherstel-lung des urspriinglieh intendierten, aber von Sehopenhauer be-grifflieh nicht hinreiehend entfalteten Zusammenhangs, der nun-m~hr erst die »willkiirliche Abstraktion« einholt und auflost.

~Ieht passives, glaubiges Lesen ist gefordert, sondem aktivesingenioses, Sehopenhauer stellt sieh der Moglichkeit, bloB nach-

erzahlt u~d arehiviert zu werden, dadureh in den Weg,daBer wie

Plato? keine absehluBhaft fixierte Philosophie hinterlaBt. Provo-katorisch gesagt: Die eigentliehe Philosophie Sehopenhauers ist

ungeschrieben. Der Leser ist herausgefordert - als -Selbstden-ker- 9 -, Sehopenhauers Philosophie weiterzufiihren, das heiBt

den strukturell angelegten Einseitigkeiten mit den gleiehfalls

strukturell angelegren »Erganzungen« komplettierend und inte-

grativ iiberwindend entgegenzudenken. Urn Sehopenhauer zu

verstehen, genugt es nicht, ihn verehrend als -Denker gegen denS~rom. (Arthur Hiibseher) zu sehen, manmuB-in SehopenhauersSinne - aueh gegen den Strom seines eigenen Denkens denken.PFur das Vorverstandnis unserer erkenntnistheoretisehen Vor-

le~un~wie aueh fur die iibrigen Vorlesungen sind diese Aspektewichtig, Sehopenhauer stellt sie an einer Stelle des ersten Bandesder »Welt als Wille und Vorstellung- deutlieh heraus:

D a, w ie g es a~ t, d ie se g an ze S ch ri ft n ur d ie E nt fa ll un g e in es e in zi ge n G ed an ke ns

1 St: so fo lg t ~ Ie raus, d~ aile ihre T he ile d ie inn igste V erb indu ng unte r e ina nde r

h~ be n und nic ht b lo B e m je de r zu m na ch stvo rhe rge he nde n in no thw endige r B e-z ie hu ng s re bt u nd d ah er z un ac hs t n ur ih n a ls d em L e se r e ri nn erl ic h v ora us se tz t

w ie e s d er F all is t b ei a lle n P hi lo so ph ie n, d ie b lo B a us e in er R eih e v on F olg eru n-

~ en b est~ hn; so nde rn da B je de r T he il d es ga nz en W erks je de m a nde rn ve rw andt

1St und ihn vo rausse tzt, w eshalb ve rlangr w ird, daB de m L ese r nicht nur das

z un ac hs t V or he rg eg an ge ne , s on de m a uc h je de s F ri ih ere e ri nn erl ic h s ei s o d aB e r

e s an das je de sm al G egenw artige , so vie l A ndere s auch dazw ische n srehr zu

k ni i~ fe n v e~ ag : ~ in e Z um uth un g, d ie a uc h P la to , d urc h d ie v ie lv ers ch lu ng ~n en

Irrgange seiner D ia lo ge n, w elch e e rst na ch la nge n E piso de n de n H aup rge da n-

ke n, e ~e n d ~du~ ch nu n au fge klarte r, w ie de ra ufne hm en, se in em L ese r ge ma cht

h.at. ~et un s 1st d ie se ~ um ~ th un g n oth we nd ig , d a d ie Z er le gu ng u ns ers e in en u nd

e mz ig en G ed ank en s m v ie le B etrac htung en, z war z ur M inh eilun g d as e in zige

18

r

M inel, dem Gedanken se lb st abe r nicht e ine wesentliche , sondem nur e ine

k iinstlic he F orm ist. - Z ur E rle ic hte run g d er D arste llung u nd ih re r A uffa ssu ng

die nt die So nde rung von vier H auptge sichupunkte n, in vie r B iichem , und die

so rgf altigste V erkn iipfun g de s V erw an dte n un d H om og ene n: de nno ch la Bt de r

S to ff e in e F oru ch re itu ng in g era de r L in ie , d erg le ic he n d ie h is to ris ch e is t, d urc h-

a us nicht z u, so nde m m ac ht e ine m ehr ve rsc hlu nge ne D arste llu ng und e be n d ie se

e in w ie de rho lte s S tu dium d es B uc hs no thw end ig, durch w elc he s a lle in de r Z u-

sam me nha ng je de s T he ils m il je de m an de rn de utlic h w ird und nu n e rst alle z u-

s amm en s ic h w ec hs el se hig b el eu ch te n u nd v ol lk omm en h el l w erd en . II

Aus all dem geht hervor, daB Sehopenhauers Vorlesung iiber die,.Theorie des gesammten Vorstellens, Denkens und Erkennens-nur behelfsmaBig getrennt gelesen werden darf von den ubrigenVorlesungen - Analoges gilt von dem erkenntnistheoretisehen

Teil seines Hauptwerks -, urn sie schlielllich von einem allseiti-

gen Zusammenhang aus, der iiber die Darstellungsweise hinaus-

geht, als bedingt und bedingend zu verstehen. Sehopenhauer

empfiehlt daher, seine Philosophie zweimal durchzulesen, dader Anfang das Ende beinahe so sehr voraussetzt wie das Ende

den Anfang 12. Der anfangliche Abweg des Textverstehens be-

steht darin, die Philosophie Sehopenhauers auf die Unmittelbar-

keit ihrer vorliegenden Form zu reduzieren. Scharfer: Wer dieVorentseheidungen der -willkiirlichen Abstraktion- als Ab-straktion wahrend der Rezeption nicht begleitend mitreflektiert,

wer beispielsweise die Erkenntnistheorie aus ihrem Zusammen-hang herausbrieht und isoliert interpretiert, der sprieht von

einem anderen Philosophen, der verfehlt sein Thema. Die Folge

hiervon sind gedankenlose Verabsolutierungen der einzelnenSystemteile, die zu in sieh widerspruchlichen Gesamtcharakteri-

sierungen fiihren.

Schopenhauer trifft sich an dieser Problemstelle des systemati-

sehen einheitsstiftenden Zusammenhangs mit seinem Antipoden

Hegel, der in seiner» Wissensehaft der Logik- folgende Zeilen

schreibt, die unseren Saehverhalt genau kennzeiehnen:

D ie s V erha ltnis e ntha lt so mit d ie S elb sta ndigk eit de r S eite n und e be nso se hr ihr

A ufge ho be nse in u nd b eide s sc hle chthin in emer B ez ie hu ng. D as G anz e ist da s

S el bs tli nd ig e, d ie T e ile s in d n ur M o me nte d ie se r E in he it; a be r e be ns ose hr s in d s ie

a uc h d as S el bs tl in dig e, u nd ih re re fl ek ti ert e E in he it i st n ur e in M o me nt ; u nd je de s

is t i n s ein er Stlbsrandigkeit s ch le ch th in d as Rtl4t;"t e in es A nde re n. [ ... ) E s ist

19

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. . -

nichts imGanzen, was nicht in den Teilen, und nichts inden Teilen, was nicht imGanzen ist.U

Das Versaumnis ist Schopenhauer vorzuwerfen, daB er bei der

Ausarbeitung seiner Philosophie der erkannten Unzulanglich-keit ihrer Darstellungsweise niche entschieden und ausdriicklichgenug eingedenk bleibt und die organische Relativitar der Aussa-gen durchgangig herausstellt. Der Tendenz nach erliegt Scho-

penhauer dem architektonischen Schein seiner eigenen, dasWerk durchziehenden Abstraktion - was noch einrnal, in oft

vergrdberter Form in der Geschichte seiner Rezeption bis aufden heutigen Tag sichtbar wird. Es ist meines Erachtens an derZeit, Schopenhauers System-Korrektiv ernst zu nehmen und

seine von ihm intendierte methodische Selbstkorrektur im nach-

hinein zur Geltung zu bringen, soweit dies moglich ist. Die Be-riicksichtigung der Darstellungsproblematik, der Differenz von

»Form und Stoff.. macht Schopenhauers Philosophie sicherlich

verwickelter, aber setzt ihre Lebendigkeit frei, die auch von derdes jeweils aktuellen Lesers abhangt, Die Rezeption von Scho-

penhauers »einzigern Gedanken« ist seine Konzeption.

2 .} ed es v or au ss etz un gs lo se V erfa hre n in d er P hilo so ph ie ist

Windbeutelei

1mfolgenden rnochte ich den Zusammenhang andeuten, in demSchopenhauers Vorlesung iiber die •Theorie des gesammten

Vorstellens, Denkens und Erkennens .. steht. Es geht hierbei um

eine erste Vororientierung, die keine liickenlose Argumentation

anstrebt und die von meinen Einleitungen zu den iibrigen Vorle-

sungen weitergefiihrt und vertieft wird. Zunachst soil ein lange-

res Zitat aus Goethes »Die Leiden des jungen Werthers« (1787)stehen, das auch atmospharisch gut in die Philosophie Schopen-hauers einfuhren kann:

Am IS.AugustMuSte denn das 50 sein, daB das, was des Menschen Gliickseligkeit macht,

wieder die Quelle seines Elendes wiirde?

20

Das volle warme Gefiihl meines Herzens an der lebendigen Natur, das mich

mit so vieler Wonne iiberstromte, das ringsumher die Welt mir zu einell}Para-

diese schuf, wird mir jetzt zu einem unertragliehen Peiniger, zu einem qualenden

Geist. der mich auf allen Wegen verfolge, Wenn ich sonst vom Felsen iiber den

FluS his zu [enen HiigeJn das fruchtbare Tal iiberschaute und aIIesum mich her

keimen und quellen sah; wenn ich jene Berge, vom FuSe bis auf zum Gipfel, mit

hohen diehten Baumen bekleidet, jene Taler in ihren mannigfahigen Kriimmun-gen von den lieblichsten Waldem beschattet sah, und der sanfte FluS zwischen

den lispelnden Rohren dahin gleieete und die IiebenWolken abspiegelte, die der

sanEteAbendwind amHimmel heruberwiegte; wenn ichdann dieVogel um mich

den Wald beleben horte und die Millionen Miickenschwarme im letzten rotenStrahle der Sonne mutig tanzten und ihr letzter zuckender Blick den summendenKafer aus seinem Grase befreite und das Schwirren und Weben ummich her michauf den Boden aufmerksam machte und das Moos, das meinem harten Felsen

seine Nahrung abzwingt, und das Genisre, das den diirren Sandhiigel hinunter

wachst. mir das innere, gliihende. heilige Leben der Natur erofnete: wie faBteich

das alles in mein warmes Hen. fiihlte mich in der iiberflieSenden Fiille wie ver-

gotten. und dieherrlichen Gestalten der unendlichen Welt bewegten sich allbele-bend inmeiner Seele.Ungeheure Berge umgaben mieh, Abgriinde lagen vor mir,

und Wetterbache stilrzten herunter, die Fliisse strom ten unter mir,und Waldund

Gebirg erklang; und ich sah sie wirken und schaffen ineinander inden Tiefen der

Erde, ai le die unergri indlichen Krafte; und nun iiber der Erde und unter dem

Himmel wimmeln die Geschlechter der mannigfaltigen Geschopfe. Alles. alles

bevolken mit tausendfachen Gestalten und die Menschen dann sich in Hauslein

zusammen sichern und sich annisten und herrschen in ihrem Sinne iiberdie weite

Welt! Armer Tor! der du alles 50 gering achiest, weil du 50 klein bist. - Vom

unzuganglichen Gebirge tiber die Einode, die kein FuS betrar, bis ans Ende des

unbekannten Ozeans weht der Geist des Ewigschaffenden. und freut sich jedes

Staubes, der ihn vemimmt und lebt , - Ach. damals, wie oft habe ich mich mit

Fittichen eines Kranichs. der tiber mich hinflog, zu dem Ufer des ungemessenen

Meeres gesehnr, aus dem schaumenden Becher des Unendlichen [ene schwel-

lende Lebenswonne zu trinken und nur einen Augenblick. in der eingeschrank-

ten Kraft meines Busens, einen Tropfen der Seligkeit des Wesens zu fiihlen, das

alles in sich und durch sich hervorbringt.

Bruder. nur die Erinnerung jener Stunden machr mir wohl. Selbst diese An-

strengung, jene unsaglichen Gefiihle zuriickzurufen. wieder auszusprechen,hebt meine Seele iiber sich selbst, und laBtmich dann das Bange des Zustandes

doppeh empfinden, der mich [etzt umgibt.

Es hat sichvor meiner Seele wie ein Vorhang weggezogen, und der Schauplatz

des unendlichen Lebens verwandelt sich vor mir inden Abgrund des ewig offnenGrabs. Kannst du sagen: Das ist! da alles voriiber geht? da alles mit der Wetter-

schnelle voruberrolh, so selten die ganze Kraft seines Daseins ausdauert, ach in

den Strom Iortgerissen, untergetauchr und an Felsen zerschmettert wird? Da ist

kein Augenblick. der nicht dich verzehne und die Deinigen um dich her. kein

Augenblick. da du nicht ein Zerstorer bist, sein muSt; der harmloseste Spa-

ziergang kostet tausend armen Wiirmchen das Leben, es zerriittet ein FuStritt

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die miihseligen Gebliude der Ameisen und stampfl eine kleine Welt in ein

schmahliches Grab. Ha! nicht die GroBeseltne Not der Welt, diese Fluten, dieeure Doner wegspiilen, diese Erdbeben, die eure Stlidte verschlingen, riihren

mich; mir untergrabt das Hen die verzehrende Kraft, die in dem All der Natur

verborgen liegt, die nichts gebildet hat, das nicht seinen Nachbar, nicht sich

selbst zerstone. Und so taumle ich belingstigt. Himmel und Erde und ihre we-

benden Krme um mich hcr: ich sehenichu als ein cwig verschlingendes, ewigwiederkliuendes Ungeheuer,"

Die Unterschiede zwischen Goethe und Schopenhauer sollenhier auBer acht bleiben. - Ein »ewig verschlingendes, ewig wie-

derkauendes Ungeheuer- kommt Schopenhauers Wesen derWelt (Ding an sich), das er vorbehaltlich •Wille« nennt, nahe.

Allerdings ist dieser Vergleich hier in einem eher bildlichen, me-

taphorischen Sinne gemeint als Vorstellungshilfe fiir erwas, dasletztlich ganzlich unserer Vorstellung entzogen ist und das unab-

sehbar weit iiber unsere eigenepsychische Willenserfahrung hin-

ausgeht. Wird vor der Welt als Vorstellung, die uns als lebendige

Natur gegeniibersteht, der •Vorhang- weggezogen - bei Scho-

penhauer der Schleier der Maja -, dann deutet sich die Welt alsWille an, die der vordergriindigen Vorstellungswelt als ihr ver-

borgenes Wesen zugrunde liegt. Die Welt als Vorstellung ist zu-

nachst die lebensbejahende optimistische Perspektive des gesun-

den Menschenverstandes, der die alhaglichen Dinge nimmt, wie

sie sich empirisch geben, und so geschickt und vorteilhafr wie

moglich mit ihnen umzugehen sucht. Die Reflexion auf die Welt

als Wille kehrt diese Perspektive um, indem sie im Willen die

Quelle alles Ubels erblickt, und betrachtet dadurch umwertend

das Leben vom Tod, von der Zerstorung, vom Leid aus - von

einem mit erkennrnistheoretischen Vorbehalten gewahlten iiber-individuellen Stand punkt aus. Der Wille als ..Ungeheuer- ist da-

bei niche als erwas auBerweltlich Absolutes zu verstehen, das

kausal auf die Vorstellungswelt einwirken konnte - erwa ein per-

sonaler Schopfergeisr -, sondem ahnlich wie in dem Zitat vonGoethe als erwas, das die Welt wesentlich ..ist- und dem ich wie

die Welt gleichermaBen ausgeliefert bin: ..Mir untergrabr das

Hen die verzehrende Kraft, die im All der Natur verborgen

liegt.« Von der Perspektive des »Ungeheuers« aus gesehen ist das

Gliick des einzelnen illusionar, Der ersehnte Augenblick der

2 2

rVereinigung mit dem -Geise des Ewigschaffenden« kann nur im

naiven, unaufgeklarten Zustand vor Aufzug des Vorhangs ge-wollt werden. Hat sich dieser aber einmal fiir den philo-

sophischen Blick geoffnet, dann tritt das Elend zutage, das der

Blindheit des gegen sich selbst wiitenden, erkenntnislosen -Un-geheuers-, das mit jedem von uns sein Dasein realisieren will,

unvermeidbar folgt, Bei Schopenhauer fiihrt diese Auffassungin letzter Konsequenz iiber seine -Metaphysik des Schonen-

(III. Teil der Vorlesung) und seine -Metaphysik der Sitten«(IV.Teil) zu dem Ausblick einer gelingenden Befreiung vom

Willen zum Leben.Schopenhauer gibt in einem kleinen Dialog, in dem esum die

Erorterung von Widerspriichen geht, dieauftreten konnen, wenn

transzendente Fragen inder fiir immanente Erkenntnis geschaffe-nen Sprache beantwortet werden, folgenden metaphysischen Ab-

riB vom Schein und der Nichtigkeit der Individualitat:

Siehdich doch um! Wasda rufl -Ich, ich, ichwilldaseyn-, Das bisl du nichullein,

sondem Alles. durchaus Alles, was nur eineSpur von BewuBueyn hat. Foiglich iSldieser Wunsch in dir gerade Das, was ,,;cht individuell ist, sondern Allen, ohne

Unterschied, gemein: er enupringt nicht aU5der Individualitlit, sondem aus d~m

Daseyn iiberhaupl. iSlJedem, das daist. wesentlich, ja ist Das fJ)odurch es daJ~t,

und wird demgemliBbefriedigt durch dasDaseyn uberhaupr, alsauf welches allemer sich beziehr; nicht aber aU5schliealichdurch irgend einbestimmtes, individuel-

les Daseyn; da er auf ein solches gar nicht gerichret in; obgleich es jedesmal den

Schein hievon hat. weil er nieht anders, als in einem individuellen Wesen, zum

BewuBueyn gelangen kann und deshalb jedesmal aufdiesesal~einsichzu b~iehn

scheint. Dies ist jedoch ein bloller Schein. an welchem zwar die Befangenhell desIndividuums klebt, den aber dieReflexion zersroren und unsdavon befreien kann.

Was nlimlich so ungesnim das Daseyn verlangt, ist bloB mitte/bar das Indivi-

duum; unmiuelbar und eigentlich iSl es der Wille zurn Leben iiberhaupl. wel-cher in Allen Einer und der selbe ist. Da nun das Daseyn selbst sein freies

Werk. ja. sein bloBer Abglanz isr; 50kann dasselbe ihm nicht entgehn: er aber

wird durch das Daseyn iiberhaupl vorlliufig befriedigt; so weir nlimlich. als er,

der ewig Unzufriedene, befriedigt werden kann. Die Individualitaten sind ihrn

gleich: er redet eigentlich nicht von ihnen; obgleich er dem Individuo, welches

unmittelbar ihn nur in sich vernimmt, davon zu reden scheim, Dadurch wird

herbeigefiihn. daB er dieses sein eigenes Daseyn mil einer Sorgfalr bewachr, wie

es auBerdem niche geschehn wiirde. und eben dadurch die Erhaltung der Gal-tung sichen. Hieraus ergiebt sich, daft die Individualitlil keine Vollkommen-

heir, sondem eine Beschrlinkung isn daher ist, sie 105zu werden, kein Verlust,

vielmehr Gewinn. laB daher eine Sorge Iahren, welche dir wahrlich, wenn du

23

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dan eigenes Wesen ganz und bis auf den Grund erkenmest , namlich als denuniversellen Willen zum Leben, de r du b is t, - kindisch und iiberaus lacherlicherscheinen wiirde.1J

Zur Vertiefung dieses Sachverhalts verweise ich aufmeine Einlei-

tung zum IV.Teilder Vorlesung, der -Metaphysik der Sitten-, in

der ich die Metapher vom »unsichtbaren Unendlichfdfller- ein-

fiihre, urn mit ihrer Hilfe die wechselseitig sich erganzende Per-

spektive zum »Ungeheuer ..hin und die Perspektive vom -Unge-heuer.. aus zuriick diskutieren zu konnen."

Unter unseren Erkenntnisapparat (Intellektl Gehirn) ge-bracht - so stellt sich unser Erkenntnisapparat dies vor -, er-

scheint das iiberempirische -Ungeheuer .. (abgesehen von seinen

unveranderlich schonen Grundgestalten der Platonischen Ideen,die meine Einleitung zum Ill. Teilder Vorlesung, der -Metaphy-sik des Schonen .., thernatisiert 17)als gesetzmaBig determinierte,

empirische Vorstellungswelt, in der es keine Wirkung ohne Ur-

sache, keine Folge ohne Grund, keine Handlung ohne Motiv

gibt. Diese Vorstellungsweh in ihren Gesetzmalligkeiten desSatzesvom zureichenden Grund - sie ist durch die durchgangigepsychologische und metaphysische Interessengebundenheit

aller individuellen Erkenntnis im Kontext der Willenswelt zu er-ganzen - ist das Thema der Erkenntnistheorie. Schopenhauers

anfangliche -willkurliche Abstrakrion- besteht darin, die Welt

als Vorstellung zunachst ausschlieBlich vom Standpunkt der re-

flexivenSelbstbetrachtung des Intellekts aus zu untersuchen. Ergeht dabei der Frage nach, ob und inwieweit unser Erkenntnis-

verrnogen so beschaffen ist, daB etwas iiberhaupt nur unter der

Bedingung erkennbares Objekt fUr uns werden karin, wenn esa priori bestirnmte Formen unserer eigenen Erkenntnisweise an-nirnmt, die a posteriori irrefiihrenderweise als ureigenste For-

men des Objekts, der empirischen Realitat, erscheinen.Schopenhauer stellt seine Erkenntnistheorie durch diese Fra-

geseellung und durch die An ihrer Beantwortung - Zeit. Raumund Kausalitae gelten als apriorische Formen des Intellekts - alsTranszendentalphilosophie im AnschluB an Kant vor. Was sie ineinem gewissen Sinne -auch ..ist, in einem anderen aber entschie-

den nicht. Denn die subjektive, transzendentalidealistische Be-

2 4

trachtungsweise des Intellekrs erweist sich als einseitige, die er-ganzt werden muB durch die objektive, empirisch materialist~-sche- wie durch die schon erwahnte Erganzung des psychologi-sehen und metaphysischen Erkenntnisinteresses. Der »Kritik

der reinen Vernunft« folgt gleichsam programmatisch, vor allem

in seinen spateren Schriften, eine -Krhik der Gehirnfu.nkti~-nen-." Mit dieser ausgleichenden materialistisch physiologi-

schen Betrachtungsweise des Intellekts stellt Schopenhauer die

notwendige Organgebundenheit eines [eden Denkens heraus -wie auch zwangslaufig die Organgebundenheit der apriorischen

Erkenntnisformen durch die -im Gehim praformirten Ge-setze«." Mit dieser problemanzeigenden Denkschleife kritisiert

er die Spielarten des Dogmatismus, das heiBt die AnmaBungenreiner Erkenntnis aus einem vorausgesetzten ersten Verursa-

chenden (prima causa): einerseits den christlichen Spiritualism~s(Geist erschafft ursachlich Materie) sowie andererseits den nai-

yen abbildtheoretischen Materialismus (Materie erschafft ur-

sachlich Geist).

1mSinne seiner Spiritualismus-Kritik schreibt Schopenhauer:-Im metaphysischen Sinn bedeutet Geist ein immaterielles, den-

kendes Wesen. Von so etwas zu reden, den Fortschrinen derheutigen Physiologie gegenuber, die ein denkendes Wesen ohne

Gebim gerade so ansehn muf wie ein.verdauen~es.Wesen o~~eMagen, ist sehr dreist.«20 1mSinne seiner Materialismus-Kritik

schreibt er: -der Materialismus ist die Philosophie des bei seiner

Rechnung sich selbst vergessenden Subjekts.« 21 .Schopenhauers Erkenntnistheorie lauft auf eine b~griffl,ch

unauflosbare, begrifflich nicht restlos zu klarende Koinzidenz

von einseitiger Transzendentalphilosophie und einseitigem Ma-terialismus hinaus: Intendiert ist ein reflektierterer Standpunkt,

der aber kein absoluter sein kann, weil der Mensch aus den Be-

schrankungen seines BewuBtseins nicht heraustreten und gleich-sam einen gotdich-objektiven Blickpunkt einnehmen kann - waszu erweisen ein Hauptziel der Erkenntnistheorie ist. Der beson-

nenere, .hohere« Standpunkt wird durch ein methodis~hespr~-hen und Wenden eines einseitigen Standpunktes um die Einsei-

tigkeit des anderen und zuriick angest~ebt - ~icht abs.chluB~afterreicht, erwa im Sinne einer Dedukuon. Ole ungleichartigen

2 5

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.3~apunKte sma oegnnucn - rmKahmen der Welt als Vorstel-lung - niche zur Deckung zu bringen, weshalb Schopenhauervon einer »Antinomie in unsenn Erkenntnillvermogen« 22

spricht. Schopenhauers Philosophie ist daher im strengen Sinnekein System mehr wie die Philosophie Hegels, aber in einem

ebenso strengen Sinne keineswegs unsystematisch, keineswegs

blof fragmentarisch. Ich habe diese eigentumliche Methode. diein ihrer spekulativ zuriickhaltenden Selbstberichtigung Einheit

desZusammenhangs in den unvollkommenen Betrachtungswei-

sen des Intellekts zu stiften sucht, Schopenhauers -Kopernikani-

sche Drehwende« genannt und sie inder Einleitung zum II. Teilder Vorlesungen, der -Metaphysik der Natur«, naher beschrie-

ben. Die Kopemikanische Drehwende ist ein offenes erkennt-nistheoretisches Modell zur Vermeidung metaphysischer Letzt-

aussagen wie zur Ermoglichung einer Metaphysik aus empiri-

schen Erkenntnisquellen: ,.J edes angeblich voraussetzungsloseVerfahren in der Philosophie ist Windbeutelei: denn immer muB

man irgend erwas als gegeben ansehn, urn davon auszugehn.

[ . . . J Ein solcher Ausgangspunkt des Philosophirens, ein sclcheseinstweilen als gegeben Genommenes, muR aber nachmals wie-

der kompensirt und gerechtfertigt werden. [... J Urn nun also diehierin begangene Willkiirlichkeit wieder auszugleichen und die

Voraussetzung zu rektificiren, muB man nachher den Stand-

punkt wechseln, und auf den entgegengesetzten treten, von wel-chem aus man nun das Anfangs als gegeben Genommene, in

einem erganzenden Philosoph em, wieder ableitet.« 23

Mit der metatheoretischen Reflexion der Kopernikanischen

Drehwende - »Es ist eben so wahr, daB das Erkennende ein

Produkt der Materie sei, als daR die Materie eine blolle Vorstel-

lung des Erkennenden sei: aber es ist auch eben so einseitig«24-

erhalten meines Erachtens die Schopenhauer vorschnell vorge-worfenen Widerspriiche seiner Philosophie einen konstitutiven

systematischen Stellenwert und markieren zugleich die wissen-

schaftstheoretische Aktualitat seines Denkens. DaB Schopen-hauer die Gesetze der Logik niche unbekannt waren, zeigt ge-rade das Logik-Kapitel unserer Vorlesung, das selbst den Scho-penhauer-Kenner wegen seiner Ausfiihrlichkeit iiberraschendurfte,

26

In seinem handschriftlichen Nachla6 stellt Schopenhauer pra-gnant und zusammenfassend den Sachverhalt der Einseitigkeiten

der erganzungsbediirftigen Standpunkte heraus:

Mein Ausgang von der Vornellung isr aber aNch ein subiektiver, Oem Satz -die

Welt ist meine Vorstellung. steht gegenuber dieser -Die Welt ist Malerie. oder:

-Die Materie allein in schlechthin« oder -Alles was ist, ist Materie .• - Dies ist

der Ausgangspunkt des Dernokritos und Epikuros. - Beide Sitze sind gleich

wahr und gleich falsch. Das Ausgehn vom Subiekr hat aber einen wirklichen

Vorzug. weil schlechthin das BewuBtseyn das allein Unmittelbare ist, und wir

dieses iiberspringen. wenn wir die Materie zum Ausgangspunkt maehen, ihr ein

absolutes Daseyn beilegend, wihrend sie doch nur ein durch unser BewuBtseynbedingres hat. Andrerseits muB es moglich seyn die Welt wirklich aus der Mate-

rie und ihren richtig und vollstindig erkannten Eigenschaften (dahin wir noch

lange nicht gekommen sind) zu konstruiren: denn alles Entstandene ist durch

Ursachen entstanden, welche nur verminelst der Eigenschaften der Materie zu-

sammenkamen. und diese Ursachen miissen vollstindig nachzuweisen seyn;

allein dabei wird man sich doch gefallen lassenmussen an dieser Malerie aileihre

urspriinglichen Eigenschsften als schlechehin unerklarliche folglich wunderbareEigenschaften ( 'INA/irare, occu/rat) gehen zu lassen: wie imWerk p 193-20~ge-zeigt: denn die Materie ist ja bloB der Trager der Krafte und das Band ihrer

Erscheinungen unter Leitung der Kausalitat. Foiglich wiirde jene ganze Erkli-

rung der Welt doch nur cine ganz relat ive seyn, das Werk einer Physik die bei

jedem Schrine nach einer Metaphysik hinwiese,Dagegen das Falsche oder Inadaquare des Satzes -Die Welt ist meine Vorsrel-

lung. liegr theils darin, daB es cine einseitige Auffassung ist; da die Welt doeh

auBerdem noc:h vie! rnehr is( (Wille. Ding an sich), ja das Vorstellungseyn ihr

ac:c:identellin; theil. darin, daBwenn hier das Objekt inseiner Bedingtheit durc:h

das Subjekt gezeigr wird; nicht zugleic:h der Gegensatz dasteht, daB das Subjekt

nur minelst des Objekts ein Subjekt in. also auc:hgegenseitig von ihm bedingt

ist. Der Satz. zu welc:hemder rohe Verstand stets seine Zufluc:ht gegen den Idea-

lismus nimmt: -Die Welt. das Objekr, ware doth da, wenn es kein Subjekt

gibe«. - ist eben so falsch wie dieser: -Das Subjckt wire doch ein Erkennendes,

wenn esauch kein Objekr, d. h. gar keine Vorstellung hitte.«u

Die Kopernikanische Drehwende, die zwischen dem -gleichwahr und gleich Ialsch- oder dem -eben so ... wie« zu vermit-

teln sucht - ohne dogmatische Reduktionen -, verandert das

Konzept der empirischen Realitat. Die Natur lliBtsich insgesamtnicht wie ein mechanisches Uhrwerk ursachlich erklaren, Der

Philosoph oder Wissenschaftler. der im Rahmen des kausalenDenkens, des Satzes vorn zureichenden Grund, Schrier fur

Schritt zum -Kern der Welt« zu gelangen hofft, der ..gleicht dem

27

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Eichhornchen im Rade...26Je nachdem von welchem Stand-punkt aus die Natur betrachtet wird, erscheint sie in einem Be-dingungsgeffige, das einmal niche von seiner geistigen, das an-dere Mal nicht von seiner materiellen Voraussetzung loskommt.Der subjektiven, transzendentalidealistischen Betrachtungs-

weise des Intellekts stellt sich dieWelt alsVorstellung durchgan-

gig subjektbedingt dar: Eine subjektunabhangige Materie laSt

sich von diesem Standpunkr logisch nicht einmal denken. Denn

ich kann mir niche vorstellen, etwas zu erkennen, das niche rela-tiv ..ffir rnich..als Vorstellendem stiinde, das also auSerhalb mei-ner Vorstellung ..an sich.. ware. Ich kann aus meinem Bewufh-

sein nicht heraustreten und die Dinge betrachten, wie sie unab-

hangig von meinem BewuStsein waren, Anders verhalt es sichbei der objektiven, materialistischen Betrachtungsweise des In-

tellekts, die die Welt als Vorstellung - einschliefllich dem indivi-

duellen Subjekt der Vorstellung -lediglich objektbedingt auffas-

sen kann: An allen mit naturwissenschaftlich erklarenden Me-thoden untersuchten Gegenstanden last sich niches Geistiges

finden und messen. Nicht einmal die Analyse der anatomisch-funktionellen Organisation des Gehirns wird eines einzigen Ge-dankeninhalts habhaft, schon gar nicht des Subjekts.

Die Kopernikanische Drehwende zeigt, daS das Objekt der

Erkenntnis sich verschieden darstellt, je nach der Art des Stand-

punkts. Die Natur ist - fUruns - nichts Eindeutiges. Wir begeg-nen in ihren kleinsten wie in ihren groSten Dimensionen unserer

Beziehungshaftigkeit zu ihr - insofern die Naturwissenschaft

von der Philo sophie begleitet wird.27Schopenhauer stellt diesenSachverhalt der Beziehungshaftigkeit in unserer Vorlesung

grundsatzlich heraus, wobei nicht nur der Kritizismus Kants,

sondern auch die skeptische Tradition Beriicksichtigung findet:

..Der Verstand macht demzufolge die Natur selbst moglich: wo-

mit nicht gesagt ist, daS er sie aus sich hervorbringt, sondern daS

er ihre Bedingung ist: ohne den Verstand ware keine Natur da,

aber doch vielleicht etwas ganz andres, das jetzt als Naturerscheint. c 28 ,

Die immaterielle Selbstanalyse und die materielle Sachanalysefinden auf zwei disparaten Ebenen statt, die die kompensierende

Kopernikanische Drehwende nicht durch eine geheimnisvolle

28

Zaubermethode vereinigen kann, aber sie macht plausibel, daBihr approximativer Zus amme nh an g - der auch der Zusammen-hang der Einheit des Bewufhseins, der ratselhafte ..Weltkno-ten- 29,ist - weder nach kausalen Gesetzen der materiellen Ding-welt zu denken istlO noch als transzendentale Synthesis im SinneKants, sondern als erwas, das sich der rationalen Analyse letzt-

lich entziehr, Schopenhauer sucht nicht mehr nach einer Welt-

formel, die gleichsam den Gedanken Gottes vor der Schopfung

erfassen konnte. Seine metaphysische, stets an die Empirie zu-riickgebundene Fundierung der Welt als Vorstellung durch die

Welt alsWille stellt gerade das aile Standpunkte umklammerndeNichtrationale, das ungeheuerlich windungsreiche Irrationale

heraus, in dessen Dunkel das Licht des menschlichen Intellekts

sich verliert und dem kein gottlicher Glanz wegweisend entge-

genstrahlt: ..Welche Fackel wir auch anziinden und welchen

Raum sie auch erleuchten mag; stets wird unser Horizont vontiefer Nacht umgranzt bleiben ... )1

Man muS Schopenhauers metaphysische Spekulation sorgfal-

tig nachvollziehen, um die Tragweite seiner Philosophie der Ba-lance zwischen Dogmatismus und Skeptizismus angemessenwiirdigen zu konnen.)2 Der Wille als Ding an sich ist nicht dasAbsolute, von dem her der Zusammenhang der disparaten

Standpunkte mit Notwendigkeit und Allgemeingfiltigkeit fiber-

greifend abgeleitet werden konnte. Sondern die methaphysische

Theorie des Willens zum Leben ist selbst nur ein relatiuer Stand-punkt - ein relativ Letztes -, der durch die anderen Betrachtungs-weisen, namentlich durch die transzendentalidealistische, mate-rialistische und psychologische, erganzt, das heiSt ..gedrehwen-

det ..werden muS. Daher greift die Schopenhauer- Rezeption, die

von einem absoluten Willen ausgeht, ebenso daneben wie die, die

seine Erkenntnistheorie von der Metaphysik abtrennt. Denn jene

Rezeption reduziert Schopenhauers Willensmetaphysik zueinem dogmatischen Standpunkt, der den organischen Zusam-

menhang des einen -letztlich ungeschriebenen -Gedankens auchhier zerreiflt . .. Meine Philosophie .., schreibt Schopenhauer,

..lehrt, was die Erscheinung sei, und was das Ding an sich. Dieses

aber ist Ding an sich bios relatiu, d. h. in seinem VerhaltniB zurErscheinung: - und diese ist Erscheinung bioS in ihrer Relation

29

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zum Ding an sieh. AuBerdem ist sie ein Gehimphanomen. Wasaber das Ding an sieh aufJerhalb jener Relation sei, habe ieh niegesagt, wei! ieh's niche weiB: in derselben aber ist's Wille zumLeben.«ll

Die Voraussetzungen der Metaphysik liegen in der Erkennt-nistheorie wie die Voraussetzungen der Erkenntnistheorie in derMetaphysik. Die einheitsseiftende begriffliehe Vermitdung die-ser Voraussetzungen aber mit ihren jeweiligen Einseitigkeiren

steht noeh aus. Ihr Gelingen, insofem dieses absehluBhaft iiber-haupt moglich ist, ist Aufgabe des einzelnen Lesers, der mitSehopenhauer in einen kritischen Dialog tiber seine eigenen mit-gebraehten Einseitigkeiten im Denken eintreten muB, wenn ernicht dessen lebendiges Selbstdenken wie dieMogliehkeit seines

eigenen verfehlen mochte. Sehopenhauer stellt uns keine Fragen,wenn wir ihm keine Antworten geben.

30

Anmerkungen

Folgende Siglenwerden verwendet:

Anhur Schopenhauerr Simdiche Werke. Hrsg. von Anhur Hubscher, 7Binde.Wiesbaden )1972(=Werke);

Anhur Sc:hopenhauer: 5imtliche Werke. Hrsg. von Wolfgang Frhr. von Lohn-

eysen, 5Bande. Stuttgan/Frankfun amMain 1960t= Werke]

G = Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden

Grunde (Werke Bd.l) (Werke Bd. III]

F Ueber das Sehn und die Farben (Werke Bd.l) [Werke Bd. III]

WI Die Welt als Wille und Vorstellung Bd.I(Werke Bd.lI)

[Werke Bd.l]

W II = Die Welt als Wille und Vorstel lung 8d.1I (Werke Bd.lII)

[Werke Bd. II)N = Ueber den Willen in der Natur (Werke Bd. IV ) [Werke

Bd.lII]

E = Die belden Grundprobleme der Ethik (Werke Bd. IV) [Werke

Bd.III]

PI Parerga und Paralipomena Bd. I (Werke Bd. V) [Werke

Bd.lV]

P II Parerga und Paralipomena Bd. II (Werke Bd. VI) [Werke

Bd.V]

Anhur Schopenhauer: Philosophische Vorlesungen. Aus dem handschrifdichen

Nachlatl. Hrsg. und eingel, von Volker Spierling, 4 Bande, Munchen 1984-1986

VN I = Theone des gesammren Vorstellens, Denkens und Erkennens.Vorlesung uber die gesammte Philosophie, 1.Theil. Zusam-

men mit: Probevorlesung. Lobrede und Dianoiologie (Bd.l)

VN II = Metaphysik der Natur. Vorlesung iiber die gesammte Philo-

sophie. 2.Theil (Bd.lI)

VN III Metaphysik des Schonen. Vorlesung iiber die gesammte Phi-

losophie, 3.Theil (Bd. III)

VN IV Metaphysik der Sinen. Vorlesung iiber die gesamrnte Philo-

sophie. 4.Theil (Bd.IV)

Anhur Schopenhauer: Der handschrifdiche NachlaB. Hrsg. von Anhur Hiib-

scher, 5 Bande in 6Teilbanden. Frankfun am Main 1966-1975. Unveranderter

31

Page 16: Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen - vol.01

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N ac hd ru ck a ls T a sc he nb uc ha us ga be M ii nc he n 1 98 5 [ D ie K en nz eic hn un g d er T a-

s ch en bu ch au sg ab e .A nh ur S ch op en ha ue r/ De r h an ds ch rif di ch e N ac hla B i n f ii nf

B an de n/V oll st an di ge A us ga be in s ec hs T e ilb an de n« is t u nz ut re ff en d. E s f eh le n

d ie . Re is et ag eb ii ch er . d es ju ge nd li ch en S ch op en ha ue r u nd d ie . Ph il os op hi sc he nVo rl e su n ge n • . ] .

HN I

HNII I

HNIV(I )

D ie f ri ih en M an us krip te 1 80 4-1 81 8 ( Bd .l )

B er li ne r M a nu sk ri pt e 1 81 8- 18 30 ( Bd .l II )

D i e Manusk r ip te der J ah re 1 83 0- 18 52 ( Bd .I V, I)

GBr Anhur Schopenhauer: Gesammehe Briefe . Hrsg. v on A nh ur

H iib sc he r. B on n 1 97 8Jb Schopenhauer-Jahrbuch (m it vorangesetzter Z if fe r u nd fol-

gende r Jah re szah l )

Mat Volker Spierling (Hng.): Mate rialien zu Schopenhauers -Die

W elt als W ille und V orste llung •. F ra nkfun am M ain 1 98 4

D ie ~ ita te . a us S c~ ?p en ha ue rs sa md ic he n W e rk en si nd d op pe lt belege, Si c fo lgende r hlsto rlsch kritisch en A usgab e vo n A nhur H iib sc he r und in e ckige n K lam -

m em de r vo n W olfgang F rhr. vo n L ohne yse n.I S. u ., S. 2 32 f.

2 V gl. I. K ant: K ritik der re ine n V em unft, A kad.-A usg., B d.III, B erlin 1 968 ,

B X VI f. - VgI . f em er zur Erlauterung: V . S p ie rl in g: D ie Drehwende der Mo-

derne. S cho pe nhau er zw ische n Ske ptizism us und D ogm atism us. In: ders.,

M at, S . 38 -4 0 und de rs.: E rke nntnis und N atur. In: V N II, S . 2 5-31 .3 S. u ., S. 62-64 und S. 124. - Dem L eser, dem es urn cine Einfiihrung in die

P hil oso ph ie S ch op en ha ue rs g eh t, e rn pf eh le i ch , m it d er -E in le iru ng , ii be r d as

Studium der Philosophic- anzufange n, s. u .• S. 9 5-125, fem er m it de n ver-

s ch ie de ne n -E xo rd ia - in d ie se m B an d.

4 V gl . V . S pi er li ng : S ch op en ha ue rs t ra ns ze nd en ta li de al is ti se he s S el bs tm iB ve r-s ta nd nis , D iss M iin ch en 1 97 7.

5 W I, S. VII [7] und W I, §2 9, S . 1 93 [ 23 7] .

6 WI, § I , S . 5 [32 ]. V gl. W I, §6 , S . 2 2 [5 1].

7 S. u., S . 1 2 9. V gl. W I, § I , S . 5 [32 ] und $ 6, S. 2 2 [51 ].8 W I, S. V II f. [7f.]_

9 P I I, K ap . 2 2: S elb st de nk en .

1 0 U ~se rio s ist es dahe r, w enn die Buchruckseire v on H ii bs ch er s A ut ob io gr a-

phie (e rle bt - ge dac hr - v ollb racht, B onn 1 98 3) ve rkiinde t: -M an e rfa hn, w ie

d~ r A uto r m it de n gro lle n kritische n A usgab en de r W erke S eho pe nhau ers,

seines ha ndschriftliche n N achlasse s, se ine r B rie fe und G esprac he und, am

E nde, de r grundlege nden M onographie -D enker gegen den Strom . die G e-

s ta lt S ch op en ha ue rs in z eit - u nd w el tg ii lt ig e M alle z u ri ic ke n w uB te [ ..• ).

H iib sc he rs N eig un g z u a bs ch lu llh af te n W e nu ng en f iih n b isw eile n in p ein li-

che S ae kg asse n ho hle r V erkla runge n, so z . B . w enn e r schre ib t: - W as se it de n

Z eite n de s A le ertum s, se it de n T age n de s S okra te s, de s Pythago ra s, de r Sto a

nicht m ehr dage we se n ist, w as die P hilo so phie als D ie ne rin de r T he olo gie so

w enig w ie als aka de mische r L ehrge ge nstand sich hane tra um en lasse n ko n-

nen, das ist de m Ve rfasser der .W elt als W ille und V orste llung. gelungen:

32

einen K re is z u bilden, desse n G lie der zum we i taus groBten T eile aus dem

L ai en sta nd e k am en u nd e be n d aru m u rn so e if rig er u nd tie fe r d ie L eh re e rf aB -

ten, die ihne n m it der Ge walt e ine s neuen G laubens aufgegangen w ar. D aB

d ie s e L ehr e auch die gro lhen und gew altigsten G eiste r in ihren Kre is ge -

schlosse n hat, sci endlich als ihr hechsres M erkzeichen genannt, das ihr

g le i ch sam d ie letzte We ih e g ib t . • ( A. H ii bs ch er : S e ho pe nh au er . B ib li og ra ph ie

c in es W e ltb ild es, S tu ng an 1 96 7, S . 1 22 f.)

II W I, § 54 , S . 337 [394 f.). -In S cho pe nha ue rs handschriftliche m N ach laB fin-

de t sich fo lge nde N otiz aus de mJ ab re 1 81 3:

.U nter m eine n H anden und vie lm ehr in m einem G eisre erwachst e in W erk,

e ine Ph i lo soph i e , die Erhik und M etaphysik in Einem seyn so li, da m an sicb ishe r tre nm e so fillschlic h a ls de n M ensche n in Se ele und K orpe r. D as W erk

w ac hs t. c on cr es ci n a ll ma hl ig und la ngsam w ie das K ind im M utte rle ib e: ich

w eill n ie ht w as zu erst und w as zule zt entstanden ist, wie be ym K ind im M ut-

te rle ib e [Fu Bno te : Ic h w erde tin Glied, ein GefaB, einen T heil nach dem

ande m ge wahr d. h. ic h schre ib e auf. unb ek iim me n w ie e s zum G anz en pa sse n

w ird: de nn ie h w eiB es isr alles a us e ine m G rund e ntsp runge n. So entsteht ei n

o rg an is ch es G an ze s u nd n ur ei n s o lc h es k an n leben, D ie d a m ein en m an d ii rf e

nu r irge ndw o e ine n F ade n anz ette ln und d ann w eite r dran knupfe n, e ins n ach

dcm andem , in hiibsch o rde nd iche r R eihe , und a ls hoehne Vo ll en du ng a us

e ine m m age m Faden durch W ind en und W eben e ine n Strum pf w irke n - w ie

F ic hre , (das G le ic hniB g eho rr J ako bi). - die irre n.]: ich de r ich b ie r sitz e und

de n m eine Freunde ke nnen, be gre ife das E ntste hn des W erks nicht, w ie dieM ut te r n ic ht d as d es K in de s i n i hre m Le ib e b e gr e if r, l ch s e h' e s a n u nd sprechewie d ie M u tt er -ich b in m it Fruc ht g e se g ne r . • [F uB no te : m ein G eist nim mt

N abrung aus der W elt durch V erstand und Sinne, diese N ahrung gieb t dern

W erk einen L eib , doth w eiB ich nicht w ie , noch w arum be i m ir und nicht be i

a nd em d ie d ie se lb e N ab ru ng h ab en .] Z uf all, B eh errs ch er d ie se r S in ne nw eh !

la B m ich le be n und R uhe hab en no ch w enige J a bre ! d en n ic h l ie be m ei n W e rk

w ie die M utter ihr K ind: wann es r ei f u nd geboren se yn w ird; da nn iib e de in

Recht an m ir und nim m Zinse des Aufschubs. - Gehe i ch ab er f ri ih e r unter in

d ie se r e is er ne n Z e it , 0so m og en d ie se u nre if en A nf an ge . d ie se m ein e S tu die n,

de r W elt ge ge be n w erde n w ie sie sind und als w as sie sind: de re inst e rsche int

v ie lle ic hr e in v erw an dte r G ei st d er d ie G lie de r z usa mm en zu se tz en v erst eh t

und die A ntike re stau rin .• (H N!, Friihe Manuskripte, N r. 9 2. S . 5 5)

12 VgI. W I, S. V II I [8].

1 3 G . W . F. H ege l: W isse nschaft de r L ogik II, W erke , B d.6. hrsg. v. E . M olde n-

hau er und K . M . M iche l. Frankfun 1 969, S . 1 67ff. V gl. de rs.: E nsyklo padie

d er p hil oso ph is ch en W is se ns ch af te n I , a . a .0..B d. 8 , S . 2 6 7f .14 J. W . G oe the : D ie L eide n de s jun ge n W enhe rs. 2 . F assung, S am die he W erke .

B d." , A ne mis-G ede nk ausgab e. hrsg, v. E . B eu tle r. Z uric h/M unche n 1 977.

S.430-432.

1 5 P II, K ap. 1 0. S. 2 99f. [332 f.].

1 6 V gl. -E rke nntnis und E thik •. In: V N IV . b es. S . 2 8-4 6.

17 Vgl. .E rkenntnis und K unst •. In: V N II I.

t8 W II, K ap.I,S . 1 4 [2 2].-ln P II, $ 27,S . 36 [4 4) sc hre ib tS cho pe nhaue r: -D ie se

33

Page 17: Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen - vol.01

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E rginz ung de r K antise he n P hilo so phie gla ub e ic h, de r H auptsac he na ch, ge -

Iie fe n zu habe n im 22. K apite l de s zw eiten B andes m eine s H auptw erke s

[Will un d im .W il le n i n der Nature unter d e r R u br ik P f la n ze n ph ys io l og ie

[N. S. 59-79 [381-402 ]]. als w O ich, von de r auB em N atur ausge he nd, de n

I nt el le ln a bl ei te • •

t9 W II . Kap. 2 2 . S . 3 2 3 ( 36 9] .2 0 H NIV (I). S picile gia, N r. 71 . S .2 6S .

21 W II. Kap.}, S .I S [ 23 f .J .

22 WI .S7 .S .36[66) .

23 PI I .S27 ,S .3S (43 ].

2 4 W II. Kap.}, S .I S ( 23 ).

2 5 HN II I. A dv ers ari a, N r.S O. S .4 50 f.

26 S. u•• S . 497.

2 7 Wa s S ch op en ha ue r nicht weiter verfolgt. ist, d aB d ie Ko p em i kan is che Dreh-

w ende d en stre ng en K ausa lz usa mm enha ng de r W elt a ls V orste llung w ie de r

auflocken, wieder relativiert,

28 S. u••S. 238.2 9 In G . § 42. S.143 (1 71) schre ibr Schopenhaue r: -D ie Identitat nun abe r de s

S ub ;e kts d es W olle ns m it d em e rke nne nde n S ub je kt, v erm oge w elche r (un d

zw ar no thw endig) das W on -Ich- be ide e inschlieB t und be ze ichner, in der

W eltkno te n und d ahe r u ne rklarlic h, D enn n ur die V erh altn isse d er O bje kre

sind uns b egre iflie h: un te r die se n a be r k onn en z we i nur inso fe m E ins se yn,

aIs sieThei le eines G anz en sind. H ie r hingegen, w o Y om S ub je kt die Rede iSl.g e lt e n d ie Regeln fi ir da s E rk en ne n de r Ob je kt e n ic ht me hr , un d e ine wirkl i -c he Ide ntital de s E rke nne nd en m it de m als w olle nd E rka nnte n, also de s S ub -

je kts m il dem O bjekte , in unmittelbar gegeben. We r a be r d as U n er kl ar li ch e

d ie se r I de nt it at si ch re ch r v erg eg en wa rt ig r, w ird s ie m it m ir d as W u nd er xar'

£mv ( sc h le cht hi n] n e nn e n, «

3 0 A us d ie se m G ru nd ve rtritt a uch die .E vo lutio nare E rke nn misth eo rie - e in en

schiefen, d . h. redukeionisrischen A ns atz . V gl. V . S pie rli ng : E rk en ntn is u nd

Narur, In : VNII. S. 37 -39 .

31 W I I. K ap . 1 7. S . 2 06 [2 40 ].

32 V gl. V . Spierling: D ie D re hw ende der M oderne . Schope nhaue r zw ischen

S ke pt iz ism us u nd Dogmatismus, I n: d ers .• M at. bes, S . 3 7 - 6 2.

33 G Br. N r. 280 . S . 291.

34

Arthur Schopenhauer

PROBEVORLESUNG (1820)

LOBREDE (1820)

DIANOIOLOGIE (1821)

THEORIE DES GESAMMTEN

VORSTELLENS, DENKENSUND ERKENNENS (1820)

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Probevorlesung,

tiber die vier verschiedenen Arten

der U rsachen.

1820

Alles was sich bewegt, mithin alle Erscheinungen in Zeit undRaum, bewegt sich nur in Folge einer vorhergangigen Ursache:das wissen wir apriori, es ist zugestanden und leidet schlechter-

dings keine Ausnahme: es erstreckt sich nicht weniger auf die

Bewegung meines Arms hier, als auf die einer rollenden Kugel.Allein, wie doch immer ein groBer Unterschied ist, zwischen

einern lebenden und einern todten Kerper: soist auch ein eben so

groBer Unterschied zwischen der ganzen Art der Ursacben , aufdie der lebende, und auf die der todte Kerper sich beweget: ja,

wenn wir diesen verschiedenen Arten von Ursachen ferner nach-spiiren und sie genau betrachten; sowerden wir finden, daBsie invier Arten zerfallen, welche zugleich einen in der Natur der Sa-che liegenden Leitfaden abgeben, [Daneben am Rand folgendeoffenbar nicht zu dieser Abhandlung gehorige Notizen: Ich

kann thun was ich will! I ..Und wollenl« I Was ich will! lundwill allemal was ich will.] [Ferner: Bei dem Zustand tiefer Ver-

sunkenheit der Philosophie in Deutschland. oder vielmehr beiihrem ganzlichen Verdrangtsein durch eine Afterart, deren

Handhaber nicht von Einsichten, sondern von Absichten ge-

lenkte, gedungene Kathederphilosophen sind ... J zur Sonde-rung aller in Raum und Zeit erscheinenden Wesen selbst in vierKlassen: wie nun jede von diesen Klassen sich von der andern

dadurch unterscheidet, daB sie durch eine ganz andre Art vonUrsachen in Bewegung gesetzt wird; so hat sie auch imUebrigen

so groBe Verschiedenheiten von den andern Klassen. daB die vierKlassen schon liingst gesondert und durch Namen bezeichnet

sind. ohne daBman bisher darauf geachtet hat, daB die Art derUrsachen nach denen einejede von ihnen sichbewegt, eben das ammeisten karakteristische, tiefeingreifendeste und wesentlichste

37

Page 19: Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen - vol.01

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Merkmal ihrer Sonderung abgiebt und nirgends eine Ausnahme

leidet: die vier Klassen die ich meyne, [sind]: leblose Kbrper;

P fla nz en , T hier e u nd M en sch en . Ich gedenke nun die vier Arten

vo n U rsa ch en durchzugehn welche der Bewegung dieser vier

Klassen von Wesen vorstehn: am langsten werde ich bei den zwei

letzten Anen verweilen, also bei der U nterscheid ung der Beweg-

ursachen der Thiere und der Menschen, weil solche auf dem Un-

terscbiede beruht, der zwischen d em Y ers ta nd e u nd d er Vernunft

ist; dies ist ein in der neuesten Zeit vielbesprochener Gegen-stand; was aber ich dariiber sagen werde, weicht von dem, was

eben in der neuesten Zeit dariiber gesagt ist, so sehr ab, daB es gar

keine Aehnlichkeit damit hat. Urn in so kurzer Zeit dies Thema

abzuhandeln halte ich mich nicht auf bei der metaphysischen

Erorterung des Begriffs Ursacbe. Wir verstehn darunter iiber-

haupt das Vorhergangige, worauf eine Veranderung eines in

Raum und Zeit erscheinenden Wesens nothwendig erfolgt, die

dann in dieser Beziehung Wirkung heiBt.

Ais [Die folgenden Ausfiihrungen werden von spateren Blei-

stiftanstreichungen und -notizen, die kurz den Inhalt angeben,

begleitet. An hier bezeichneter Stelle steht: Ursachen s en s u pro -

p rio .] d ie erste A rt d er U rsa cb en nun sehe ich an die Ur sa ch e im

e ng ste n S in n des Worts. Darunter verstehe ich denjenigen Zu-

stand rnaterieller Objekte, der indem er einen andem mit Noth-

wendigkeit als seine Wirkung herbeifiihrt, stets folgende zwei

Karaktere zeigt: erstl ich daB er selbst dadurch eine eben so groBe

Veranderung erleidet, als die ist welche er verursacht: welches

VerhaItniB man bekanntlich so ausdriickn •W irkung und Ge-

g enwir ku ng s in d sic h g leic h ... Zweitens ist bei dieser An von Ur-

sachen allemal der Grad der Wirkung dem Grade der Ursach

genau angemessen. In eben dem MaaBe, in welchem die Ursacheverstarkt wird, wird auch allemal die Wirkung zunehmen, folg-

lich auch wieder die Gegenwirkung: so daB wenn nur ein Mal die

Wirkungsart bekannr ist, sofon aus dem Grade der Intensitat

der Ursache auch der Grad der Wirkung sich wissen, messen und

berechnen laBt, und so auch umgekehrt. Dieses ist schon meta-

physisch wahr und sonach a pr ior i einzusehen: jedoch wenn man

es physisch nimrnt, muB es cu m g ra no sa lis verstanden werden,

damit man nicht etwa die Wirkung verwechsele mit ihrer augen-

,\

f'

i

38

rf ii ll ig e n E r sc hei nung : z. B. man darf nicht erwarten, daB bei der

Zusammendriickung eines Kdrpers immerfon sein Umfang ab-

nehme, in dem VerhaItniB a1s die Zusammendriickende Kraft

zunimmt. Denn der Raum, in den man den Kerper zwangt,

nimmt immer ab, folglich der Widerstand zu; und wenn nun

gleich auch hier die e ige nt li che W i rk ung welche die Verdichtung

ist, wirklich nach Maasgabe der Ursache wachst, wie das Mariot-

tesche Gesetz besagt, so ist dies doch nicht von jener ihrer au -

ge nf al li ge n E r sc hei nung zu verstehn. - Ferner wird invielen Fal-len, bei gewissen und bestimmten Graden der Einwirkung, mit

einem Male die ganze Wirkungsart sich andern, eigentlich weil

die Art der Gegenwirkung sich andert, indem die bisherige Art

derselben in einem Kerper von endlicher GroBe erschopft war:

so z. B. wird dem Wasser zugeleitete Warme bis zu einem gewis-

sen Grad Erhitzung bewirken, iiber diesen Grad hinaus aber nur

schnelle Verfliichtigung: bei dieser trin aber wieder dasselbe

VerhaltniB ein zwischen dem Grade [der] Ursache und dem der

Wirkung. Und so in vielen Fallen: [Folgende hierher gehorige

Stelle hat Sch. mit Tinte wieder ausgestrichen: Bei noch hoherm

Grad der Ursach, wenn ein einziger Tropfen Wasser auf einer

gliihenden Eisenplatte sich befindet, wird die Wirkung augen-

blicklicher Verfliichtigung garnicht eintreten, sondern der Trop-

fen kreiselnd verharren, weil hier Zersetzung seiner Bestand-

theile Stan hat, also wieder eine ganz andre Wirkungsan einge-

treten ist.] dies aIles hebt jedoch die genaue GleichmaBigkeit

zwischen Ur sach und Wirkung keineswegs auf, welche dieser

An von Einwirkung wesentlich ist. Solche U rsa cb en im e ng ste n

Sinne sind es nun, welche die Veranderungen a1ler le blo sen , d . i.

u n or gan is ch en K ii rp er bewirken: die ErkenntniB und Vorausset-

zung von Ursachen dieser Art leiter die Betrachtung a1ler derVeranderungen, welche der Gegenstand der Mechanik, Physik

und Chemie sind. Das ausschlieflliche Bestimmtwerden durch

Ursachen dieser Art allein, ist daher das eigentliche und wesent-

liche Merkmal cines u no rg an is ch en o de r le blo se n K iir per s. - Ich

sage [Daneben am Rand die Bleistiftnotiz: » le be nd .. und -leb-

lo s e;] »leblosen e; Denn, wenn auch wahrscheinlich die Herren

aile mit mir der Meinung sind, daB in allen Erscheinungen dieser

Welt das i nn er e W e se n, das Erscheinende, das Ansich der Dinge,

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iiberall das selbe ist und der Unterschied der Erscheinungen ei-gendich bloB den Grad der Sichtbarwerdung desselben betrifft;so hebe diese innere Identitat des Wesens der Dinge dennochnicht den Unterschied auf, den von jeher die Wone lebend undleblos bezeichnet haben, welchem gemaBnur das Organische le -bend, das Unorganische leb/os genannt wird. Und wenn manetwa auch von einem Leben der Na tu r in allen ihren Erscheinun-gen, also auch in den unorganischen reden wollte; so ware dieses

doch eigentlich nur eine Metapher, um auszudriicken, daB dasinnere Wesen der in den Unorganischen Korpern sich auBerndenKrafte, an s ic h dasselbe ist mit dem welches in den Organischen,

oder eigenelich Lebenden rege ist.

Die zwei te Art der Ursachen nun [Daneben amRand die Blei-stiftnotiz: Reiz.] ist der Reiz.lch nenne Reiz diejenige Ursache,

welche erstlich selbst keine mit ihrer Einwirkung im VerhaltniB

stehende Gegenwirkung erleidet; und zweitens zwischen deren

Intensitat und der Intensitat der Wirkung durchaus keineGleichmiifligkeit statt findet: folglich kann hier nicht der Grad

der Wirkung gemessen und vorher bestimmt werden, nach demGrade der Ursach: vielmehr kann eine kleine Vermehrung desReizes eine sehr groBe der Wirkung verursachen, oder auch um-gekehn die vorige Wirkung ganz aufheben, ja eine entgegenge-setzte herbeifiihren. Z.B. Pflanzen konnen bekanntlich durchWarme oder der Erde beigemischten Kalk zu einem auBeror-

dentlich schnellen Wachstum getrieben werden, indem jene Ur-sachen als Reize ihrer Lebenskraft wirken: wird iedoch hiebei

der Grad des Reizes um ein weniges iiberschritten, so wird derErfolg statt des erhoheen und beschleunigten Lebens, der Todder Pflanze seyn. Ferner konnen wir durch Wein oder Opium

unsre Geisteskrafte anspannen und betrachtlich erhohen: wird

aberdas Maas des Reizes iiberschritten; so wird der Erfolg grade

der entgegengesetzte seyn. -

Diese Art der Ursachen, also Reize, sind es welche aileVeran-

derungen der Organism en, als solcher, bestimmen. Aile Veran-derungen und Entwickelungen der Pflanzen, und aile bloBorga-

nischen und vegetativen Veranderungen oder Funktionen thieri-

scher Leiber gehn auf Reize vor sich. In dieser An wirkt auf siedie Warme, das Licht, die Luft, die Nahrung, jedes Pharmakon,

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jede Beriihrung, die Befruchtung u. s. f. - Wahrend dabei dasLeben der Thiere noch eine ganz andre Sphare hat, von der ichgleich reden werde; so geht hingegen das ganze Leben derPflanze ausschlieBlich nach Reizen vor sich: aile ihre Assimila-tion, Wachstum, Hinstreben mit der Krone nach dem Licht, mitden Wurzeln nach besserm Boden, ihre Befruchtung, Keimungu. s.f. ist Veranderung auf Reize. Bei einzelnen wenigen Gattun-

gen kommt hiezu noch eine eigenthtimliche, scbnelle Bewegung,

die ebenfalls nur auf Reize erfolgt, wegen welcher sie aber sensi-t ive P fl anzen genannt werden. Bekanntlich sind dies hauptsach-lich die Mimosa pud ic a, h ed y sa rum gyr an s und Dionaea musc i-pula [Riihrmichnichtan, Schildklee, Venusfliegenfalle]. Das

Bestimmtwerden ausschlieBlich und ohne aile Ausnahme durchReize, ist der Karakter der Pflanze. Mithin ist Pflanze jeder Kor-per, dessen eigenthumliche, seiner Natur angemessenen Bewe-

gungen und Veranderungen allemal und ausschlieBlich auf Reizeerfolgen.

Die d ri tte Art [Daneben am Rand mit Bleistift: Motiv.] de r

b ew egenden Ur sa ch en , ist die welche den Karakter der Tbierebezeichnet: es ist die Motivation. d. h. die durch das Erkennenhindurchgehende Kausalitat, Sietritt in der Stufenfolge der Na-

turwesen auf dem Punkt ein, wo das kornplicirtere und dahermannigfaltigere Bedi.irfnisse habende Wesen, diese nicht mehrbloB auf AnlaB des Reizes befriedigen konnte, als welcher abge-wanet werden muB; sondern es im Stand seyn muBte die Mittel

der Befriedigung zu wahlen, zu ergreifen, ;a aufzusuchen. Des-

halb tritt bei Wesen dieser An, an die Stelleder bloBen Empfang-lichkeit fiir Reize und der Bewegung auf solche, die Empfang-

lichkeit fiir Motive d. h. ein Vorstellungsvermogen, Intellekt (in

unzahligen Graden der Vollkommenheit), materiell sich darstel-

lend als Nervensystem und Gehirn; und eben damit das BewuBt-

seyn. DaB dem thierischen Leben ein Pflanzenleben zur Basis

dient, welches eben nur auf Reize vor sich geht, ist bekannt.

Aber aUedie Bewegungen, welche das Thier als Thier vornimmt,und welche eben deshalb von dem abhangen was die Physiologieanimalische Funktionen nennt, geschehn in Folge eines erkann-

ten Objekts, also auf Motive: und [..und ..bis -gerathe ..mit Blei-stift durchgestrichen] daB ein Thier eine Bewegung mache, ohne

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ein Motiv, ist so unrnoglich und undenkbar, als daB irgend einlebloser Kdrper ohne eine Ursache in Bewegung gerathe, DieseArt bewegt zu werden, durch Motive, d. h. in Folge einer Vor-

stellung, ist dem Thiere als solchem eigenthdrnlich, und ist daherder eigentliche Karakter des Tbieres als solchen. Da nun diese

Art des Bewegtwerdens nothwendig das Erkennen, das Vorstel-len iiberhaupt voraussetzt; so ist es besser als karakteristischesMerkmal desThiers gleich die Bedingung alsdasBedingte aufzu-

stellen. Ich sage mithin: [Daneben am Rand wie oben: Vorstel-lung.] Der wahre und wesentliche Karakter der Thierheit ist dasErkennen: nur was erkennt, ist Thier; und aileThiere erkennen.

- Man konnte meynen, das Erkennen diirfte deswegen nicht alskarakterisirendes Merkmal eines Thieres aufgestellt werden,

weil wir, als aufter dem zu beurtheilenden Wesen befindlich,

niche wissen konnen, was in ihm vorgeht, ob es erkenne, oder

nicht, Aber das konnen wir sehr wohl, indem wie beurtheilen,

ob dasjenige, worauf seine Bewegungen erfolgen, auf dasselbe

bloB alsReiz oder alsMotiv gewirkt habe; und dariiber kann in

der That nie ein Zweifel ubrig bleiben, so augenscheinlich ver-sehieden ist die Wirkungsart eines Reizes von der eines Motivs.

Denn der Reiz wirkt stets durch unmittelbare Beriibrung. odergar Intussusception, und wenn auch diese nicht sichtbar ist, wiewo der Reiz die Luft, das Licht, die Warme ist; so verrath sie sich

doch dadurch, daB die Wirkung ein unverkennbares VerhaltniBzur Dauer und Intensitat des Reizes hat, wenn gleieh diesesVer-haltnil! nicht bei allenGraden desReizes dasselbebleibt: wo hin-gegen ein Motiv die Bewegung verursacht, fallen alle solche Un-

terschiede ganz weg: denn hier ist das eigentliche und nachste

Medium der Einwirkung nicht die Atmospbdre, sondem ganz

allein die Erkenntnift: das als Motiv wirkende Objekt brauchtdurchaus nichesweiter als nur wahrgenommen, erkannt zu seyn,

wobei es ganz einerlei ist, von welcher Seite, wie lange, ob nahe

oder ferne, wie deutlich es in die Apperception gekommen: aile

diese Unterschiede verandern hier den Grad der Wirkung ganzund gar nichn sobald es nur wahrgenommen worden, wirkt es

auf ganz gleiche Weise; vorausgesetzt daB es uberhaupt ein Be-

stimmungsgrund des hier zu erregenden Willens sei; gleicher-maaBen wirken aber auch die physikalische oder chemische Ur-

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sache und ebenfalls die Reize nur sofem der zu affizirende Kor-per fur sie empfanglich ist. Ich sage Wille. [Daneben am Randwie oben: Wille, ob Ding an sich?] Wille also nennen wir dasje-nige, uns nur durch die innre Erfahrung Bekannte, was eigent-

lich von dem M otio bewegt wird; dawir hingegen das, was durchReise oder durch eigentliche Ursachen bewegt wird, [das] unsnur aus auBerer Erfahrung Bekannte Naturkraft, oder Qualitatnennen: ob nun niche erwa dieses letztere, an sich genommen

und seinem innem Wesen nach, dasselbe ist mit jenem durchMotive Bewegten, welches wir, nur in derjenigen Erscheinung,die der eigenen unmittelbaren ErkenntniB sich aufschlieBt, Willenennen, ihm hingegen auf den niedrigern Stufen seiner Erschei-nung, wo esdurch Ursachen und Reize hewegt wird, diesen Na-men nicht beilegen: - ob also nicht demzufolge das innere Wesen

aller Dinge, das metaphysische Ding an sich, das ware, was wir

in uns selbst als den Willen erkennen, und dieses allein iibrig

bliebe, wenn man von den Dingen abzieht, was allein der Vor-

stellung d. i. der Erscheinung, angehort? - - Das ist eine Fragederen Beantwortung mieh zu weit von meinern Thema abfiihren

wiirde; obwohl ich sie bejahe,

Ich sagte also vorhin: [Dane ben am Rand wie oben: Anschau-ung; ihr Entstehn.] das Medium der Motive ist die Vorstellung.Was aber ist das Medium der Vorstellung? Die Sinne? Keines-wegs: denn die Einwirkung, welche das Auge, das Ohr, die ta-

stende Hand erhalt, ist noch blofler Reiz und sonst niches;konnte als Reiz den Willen des Individuums unmittelbar affizi-ren, ich meine damit: eine angenehme oder unangenehme Emp-

findung seyn; ist aber an sich und unmittelbar durchaus noch

keine Vorstellung eines Objekts, also auch kein Motiv. Anschau-

ung von Objekten ist eine ganz andre Sache, als bloBe Empfin-dung. DaB aus der Empfindung Anschauung entstehe, ist ganz

allein dadurch moglich, daB ein Uebergang gemacht wird von

der Empfindung als Einwirkung, die die Sinne erleiden, auf die

Ursache dieser Einwirkung. Was aber kann diesen Uebergang

bewerksteUigen, zu welchem die ErkenntniB des Verhaltnisses

zwischen Ursach und Wirkung schon zum voraus daseynmuBte? Das konnte ganz allein ein Vermogen, dem das Kausali-

tatsverhaltniB die Form, nicht die Materie seiner ErkenntniB

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ware: und dieses ist der Vers tand . In der That ist alle Anschau-ung eine intellektuale, keine blofl sensuale. Sie ist nicht in denSinnen [Daneben am Rand wie oben: Verstand.]; da ist bloBeEmpfindung auf Reiz; sondem sie ist im Ve rs ta nd e, durch den

Verstand und aUeinfur den Verstand. DaB dieses so sei, und zu-gleich, was demnach der Vers tand sei, werde ich jetzt darzulegenmich bemiihen. Die ersten Bedingungen der Moglichkeit einerohjektiven Anschauung sind Raum und Zeit, d. h. die Mog-

lichkeiten des Neben- und Nach-einander: sie sind selhst dieFormen des erkennenden BewuBtseyns, d. h. die An und Weisewie es erkennt, und sind daher dernselben apT ian und vor allerErfahrung hewuBt: ich entlehne dieses, ohne weiteres, aus derKantischen Philosophie, da ich zu einem gelehrten Publiko rede.

In diesen unendlichen Formen findet jedes individuelle Bewuilt-seyn einen Mittelpunkt an seinem eigenen Leibe, dessen ihm sichunmittelbar kund gebende Empfindungen der Ausgangspunktwerden zur Anschauung einer objektiven Welt. Diese Anschau-

ung selbst aber ist immer mittelhar: denn sie ist ErkenntniB der

Ursach aus der gegebenen Wirkung: diese ErkenntniBweise istdas Vermittelnde, das Medium der Anschauung und eben diese

urspriingliche ErkenntniB der Kausalitat macht iiherhaupt denVerstand aus, wie ich weiterhin noch zeigen werde. Der Ver-stand also ist das Medium aller Anschauung. Ich werde dies fer-ner erlautern, Die Sinne sind bloB Sitze einer gesteigerten Sensi-bilitat, vermoge welcher auch die leisesten Einwirkungen aufden Leib sofon wahrgenommen werden. Und zwar steht jeder

Sinn einer hesondern An der Einwirkung offen; und hat daher

eine spezifische Empfindung. Diese Sinnesempfindungen aber

sind an sich nie mehr als unmittelbar gefiihlte successive Veran-derungen der Zustande der Sinnen-Organe: keineswegs sind sieschon Anschauung. Sie sind jedoch der robe Stoff , aus dem dieAnschauung wird, wenn der Verstand hinzukommt und von deralso gegebenen Wirkung den Uebergang macht auf die Ursache,die nun eben dadurch als angeschautes O bjekt im Raum er-scheint. Unter allen Sinnen ist das Ges ich t der feinsten und man-nigfaltigsten Eindriicke fihig: dennoch giebt es an sich blopeEmpfindung, aus welcher erst die Anwendung des Verstandes dieAnschauung hervorhringt. Ware es rnoglich zu machen, daBman

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Jemandem der vor einer schonen weiten Aussicht steht, plotz-lich seinen Verstand entzoge: so konnte in ihm von der ganzenAussicht nichts ubrig bleiben, als die Empfindung einer sehrmannigfaltigen Affektion der Netzhaut in seinem Auge, welchegleichsam der rohe S to ff war, aus welchem vorhin sein Verstand

jene Anschauung schuf. Die Empfindung wird also zur An-schauung, zur Wahrnehmung, zur Apprehension von Objekten,

allererst dadurch daBder Verstand dieEmpfindung im Sinnesor-

gane auf ihre Ursache bezieht, diese im Raum, der Grundformdes erkennenden BewuBtseyns, dahin versetzt, von wo die Wir-kung ausgeht, und so die Ursache als ein Wirkendes, ein Wirk-liehes, ein Objekt anschaut. Dieser Uebergang von der Wirkungauf die Ursache ist aber ein ganz unmittelbarer,lebendiger, noth-wendiger: denn er ist eben die ErkenntniB des re inen Verstandes:keineswegs ist er einVernunftschluB, eine Kombination abstrak-ter Begriffe und Urtheile: diese ist Sache der Vernunft , mit derwir es hier noch nicht zu thun haben, und die zur Anschauung

nichts beitragt, da die Anschauung auch allen Thieren gemein

ist. Daher ist man bei der Anschauung sich keines Schlusses be-wuBt, von der Wirkung auf die Ursach: dieser Uebergangkommt selbst niche als solcher ins BewuBtseyn j sondem er zeigt

sich bloB dadurch, daB statt der bloBen Empfin du ng im O rg an ,jetzt ein a ng esc ha utes O bje kt im R aume dasteht. Das Unbe-wuBte dieser Verstandesoperation darf uns nicht wundem; istman sich doch auch keines Schlusses bewuBt bei einer nochminelbarern Erkenntnifl, indem man namlich aus der Schatti-

r ung der K iir pe r die man aUeinsieht ihre Form erkennt, und aus

den perspektivischen Linien die das Auge allein empfangt die

raumlichen Verhaltnisse und Entfemungen sogleich wahr-nimmt: das alles kommt niche ins Bewufkseyn, wei1hier der Ver-s tand unmi tte lbar operirt und die Anschauung schafft, ohne Bei-hUlfeder mittelbaren ErkenntniB der Vernun ft . - Also, bei allen

Sinnen des Leibes, kame es, ohne den Verstand, doch zu keinerAnschauung, sondem bliebe hei der bloflen Empfindung, beieinem dump fen pflanzenanigen BewuBtseyn der successivenAffektionen der Sinne, ohne aile weitere Bedeutsamkeit. Aberdurch den Beitritt des Verstandes und durch die Anwendung sei-ner einzigen einfachen Funktion, Erkenntnip des Kausalverhii lt -

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nisses, geschieht der Uebergang von Wirkung auf Ursache: undnun steht mit einem Schlage die Welt da, als Anschauung im

Raume ausgebreitet, der Gestalt nach wechselnd, der Materie

nach durch aile Zeit beharrend, durch das Verstandesgesetz der

Kausalitat zu einem Ganzen de r Erfahrung verbunden, welches

doch nur wieder fiir den Verstand da ist, wie es allein durch ihn

da ist. - DaB sich dieses alles nun wirklich so verhalt, daB aile

Anschauung intellektual, und nicht bloB sensual ist; das laBt sich

aus einigen Thatsachen und gleichsam Rechnungsproben dazuunwiderleglich beweisen; welche Thatsachen ich aber nur kurz

angeben will, da die Ausfiihrung zu vieIZeit wegnlihme. Das

Kind in den ersten Wochen seines Lebens empfindet mit allen

Sinnen, aber es apprehendirt nicht: es starrt noch dumm in die

Welt hinein. Es muB erst die Apprehension, die Anwendung sei-

nes Verstandes erlernen. Dies geschieht allmalig, indem es die

Eindriicke welche seine Sinne von einem und demselben Gegen-

stande erhalten, mit einander vergleicht: es betastet was es sieht,

besieht was es taster, schmeckt, riecht, geht der Ursache des

Klanges nach, laBt sie wiederholt wirken, um sich zu iiberzeu-gen, und so, durch Anwendung der auch ihm apriori bewuBten

Form der Kausalitat, erkennt es das Objekt als die Ursache aller

jener Wirkungen, und so gelangt es nunmehr zur Anschauung,

zur Apprehension von Objekten: dann blickt es mit klugen, in-

telligenten Augen in die Welt; denn auch ihm ist das Licht des

Verstandes aufgegangen. - Ganz eben so erhalten Blindgeborene

durch die Operation zwar den Sinn des Gesichts, aber nicht so-

fort das VerstandniB dieses Sinnes: sie miissen erst Sehen lernen,

welches geschieht indem sie die Eindriicke des neuen Sinnes mit

den Eindriicken der ihnen schon vertrauten Sinne vergleichen,

sie als Wirkungen derselben Ursachen erkennen, und die neue

Wirkungsan auf sie sich merken: anfangs wissen sie weder Na-hes noch Femes, noch die Gestalten der Dinge zu unterscheiden.

Das dauert mehrere Wochen. Ferner ist das einfache Sehen desmit zwei Augen, also doppelt Empfundenen Sache des Verstan-

des, welcher beim Sehenlernen sich auch dieses merkte, daB bei

der natiirlichen, parallelen Lage der Augapfel, die von einem

Punkte ausgehenden Strahlen auf beiden Netzhauten die einan-

der entsprechenden gleichnamigen Stellen treHen; daher dann

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das auf diesen Stellen doppelt Emp/undene sich in der Apprehen-sion, die im Verstande ist, doch nur Einfach darstellt: grade so

wie die Eindriicke welche die zehn Finger vom selbigen Kerper,jeder Finger seiner Lage und Richtung gemaB, erhalten, doch

nur die Apprehension eines Korpers geben. Aber nun, wenn

man die Augen aus ihrer natiirlichen Lage verschiebt, also

schielt, dann treffen die vom selben Punkt ausgehenden Licht-

strahlen nicht mehr in beiden Augen die einander korrespondi-

renden Stellen: und sogleich sehn wir doppelt: oder wenn mandie Finger iiber einander kreuzt; so wird sogleich auch doppeltgetastet: in beiden Fallen namlich sind dem Verstande die Data

verschoben, auf die er seine Funktion anwendet: er hat seine Ap-

prehension an die gewohnliche regelmaBige Lage der Sinnes-

werkzeuge gekniipft und diese ist seine stehende Voraussetzung:

die Wirkungen, welche bei dieser gewohnlichen Lage nicbt vorn

selben Gegenstande ausgehn konnten, schreibt er zweien Ge-

genstlinden zu: wir tasten und sehen doppelt. Solcher Trug des

Verstandes ist es eigentlich was man den Schein nennt. Der

Schein entsteht auchsonst,

so oft eine ganzgewohnliche

und

tagliche Wirkung einmal durch eine ganz ungewohnliche Ursa-

che hervorgebracht wird, der Verstand aber ihre gewohnliche

Ursache voraussetzt, auf diese sofon seinen unminelbaren

Uebergang macht und sie folglich als Objekt anschaut; so z. B.

wann man eine Mahlerei fiir ein Basrelief ansieht oder wann man

nach dem Phantom der Rose vor dem Hohlspiegel greift. Schein

ist demnach der Trug des unmittelbar erkennenden Verstandes;

und ist der Gegensatz der Realitiit. Hingegen ist der Trug der

Vernunft, d. h. der mittelbaren, abstrakten ErkenntniB, Irr-thum, im Gegensaz der Wahrheit: diese beide beziehen sich

nicht auf die Anschauung, sondern auf das Urtheilen in

abstracto.

Also aile Anschauung ist intellektual, [Daneben am Rand wie

oben: Aprioritat der Kausalitat.] ist im Verstande und allein fiir

den Verstand: und es bestatigt sich der alte griechische Spruch:

vov~ 6(?(l "at vov~ axovei' TO o £ a.Ua xoxpa "at TVrp).a[Nurder Verstand kann sehn und horen: alles sonst ist taub und blind

(Plutarch, De sollert. animo C.J, p.g6I A)]. - Denn sie ist durch-

gangig Beziehung der Wirkung auf ihre Ursache. Aber woher

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kommt dem Verstande das Kausalitiitsgesetz? - Erlernt kann eres nicht haben: denn das konnte nur aus der Erfahrung seyn.Aber die gesammte Erfahrung. die ganze AuBenwelt ist uns ja

nur in der Anschauung gegeben: wenn also diese allererst ent-steht mittelst und in der Anwendung des Gesetzes der Kausali-

tat, so setzt sie die KenntniB desselben als ihre Bedingung vor-

aus; unmoglich kann daher das Kausalverhaltniii selbst erst aus

der Erfahrung entlehnt seyn: eskann also nicht empirischen Ur-

sprungs seyn; sondern muB unserm BewuBtseyn apriori inwoh-nen, als die Form, die Art und Weise,seiner ErkenntniB. DaB die

ErkenntniB des Kausalverhaltnisses aus der Erfahrung entlehntware, war bekanntlich Hume's Skeptizismus: aber die Unab-

hiingigkeit der ErkenntniB des Kausalgesetzes von der Erfah-rung. laBt sich nur darthun aus der Abhangigkeit aller Erfah-

rung, ihrer Moglichkeit nachovon ihr. Und diese liBt sich alleinso nachweisen wie ich sie eben nachgewiesen habe; nicht aberwie Kant es versuchte.

Da [Daneben am Rand wie oben: Aile Thiere verstandig.] ich

als Karakter der nicht auf blofle Ursachen, noch auf Reize, son-dern auf Motive sich bewegenden Wesen, d. i. der Thiere, das

Erkennen nachgewiesen habe; so folge, da alle Anschauung nurim Verstande da ist; daB aile Thiere Verstand haben. Auch dieunvollkommensten sind nicht daron; sonst waren sie niche

Tbiere, sondern Pflanzen. Selbst der noch Pflanzenahnliche

Wasserpolyp.da er sich kiinstlich und absichtlich von Ort zu Ortbewegt, und da er seine Arme ausstreckt nach seinem Raub.dann diesen ergreift und zum Munde fuhrt; hat angeschaut

(wenn gleich noch ohne Augen). hat ein Objekt apprehendirt,

und dies erkannte Objekt istMotiv seiner Bewegung geworden.

Selbst diese Apprehension konnte nimmer ohne Verstand ge-

schehn. Von diesem niedrigsten Grade eines noch dumpfen Er-

kennens erhebt sich nun, in den verschiedenen Thiergattungen,

der Verstand durch unziihlige Abstufungen, bis zur Sagacitat desHundes, des Elephanten, des Affen: an welchen wir recht beob-achten konnen, wieviel der blofle Verstand ohne Vernunft ver-mag, und wohin er nicht reicht; z.B. beim Oran Utang nicht bis

zum Unterhalten des Feuers an dem er sich warmt. So hochstverschieden aber [Daneben am Rand wie oben: Identitat der

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Form des Verstandes.] auch die Grade des Verstandes bei denThieren und auch bei den Menschen sind; so ist doch seine Formuberall dieselbe, und seine Funktion eine einzige, einfache, for-melle: ErkenntnifJ der Kausalitiit. Uebergang von Wirkung zuUrsach und von Ursach zu Wirkung, nichts weiter. Alles was

man Klugheit, Penetration nennt, ist Scharfe, Schnelligkeit,

Feinheit, in der Anwendung jener einen Funktion; Stumpfheit inderselben ist Dummheit. Jene einfache Funktion, die auch im

Thiere die Anschauung hervorbringt, geht imMenschen bis zumVerstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursa-

chen und Wirkungen in der N atur. AUeEntdeckung von N atur-

gesetzen und Naturkriften und der Fille wo sie sich komplicirtauBern, geschieht ganz allein durch den Verstand,mit seiner ein-

fachen Funktion, ist ein unmittelbares Erkennen von Kausalver-halmissen: daher ist jede groBe Entdeckung dieser Art das Werk

eines Augenblicks glucklicher Klarheit: sie ist ein momentanesAuffassen des Kausalverhaltnisses. Man denke nur an NewtonsEntdeckung des Gravitationsgesetzes. Der Vernunft d. h. der

abstrakten ErkenntniBart, bleibt nur das Fixiren des soEntdeck-ten in ihren abstrakten Begriffen, das Verdeutlichen derselben,durch Schliisse, das Mittheilen, durch Worte: aber der Ursprungsolcher ErkenntniB liegt ganz allein im anschauenden und un-mittelbar erkennenden Verstande: Ihm allein und seiner einzigen

Funktion gehort auch urspriinglich alle Erfindung und Kon-

struktion von Maschinen an, wo namlich zu bezweckten Wir-

kungen bekannte Ursachen inThatigkeit zu setzen sind. Er auchist es allein aus dem aile Klugheit im praktischen Leben ent-

springt, indem er auf die Motivation gerichtet, theils fremde

Plane und Intriguen durchschaut; theils selbst durch Motive

Menschen wie Rader und Hebel in Bewegung setzt, daB sie sei-

nem Zwecke gemiB operiren miissen, Sein Mangel, die Dumm-

heir, verhalt sich i iberall entgegengesetzt. Ein Dummer verstehtnicht den Zusammenhang der Naturerscheinungen, weder wosie sich selbst iiberlassen operiren, noch wo sie kiinstlich geleitetwerden: darum glaubt er leicht an Wunder oder Zauberei. 1mLeben versteht er nicht das Handeln Andrer aus ihren Moti-ven: daher ist er leicht zu intriguiren und zu mystifiziren. Was

ihm abgeht ist aber immer nur das Eine: Scharfe, Schnelligkeit,

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Leichtigkeit im Erkennen der Ursachen und Wirkungen: d. h.eben Kraft des Verstandes.Aile diese bisher betrachteten Vorstellungen, welche durch die

Sinne erregt werden und im Verstande entstehn, und welche die

Motive liefem, [Daneben am Rand wie oben: Die Vorstellungendurch den Verstand sind anschaulich.] d.h. die Ursachen jeder

Bewegung die ein Thier alsThier vollzieht; - diese Vorstellungensind sammelich anschaulich, und haben dadurch eine genaue Be-

ziehung zur Gegenwart im Raum und in der Zeit. Weil nun dieThiere keine andre Vorstellungen haben als diese, so steht ihr

Thun stets in direkter Beziehung zur Gegenwart: was siebewegt

ist jedesmal eine a uf d en g eg en wiir tig en A ug en blic k sich bezie-hende Noth oder Wunsch, oder Freude. In der Gegenwart ist

stets die Erklarung ihres ganzen Thuns zu finden: es hat keine

direkte Beziehung auf Zukunft, Vergangenheit, Abwesen-

heit. Abgesehn von Dressur, d. i. zur Gewohnheit gewordener

Furcht, und vom Instinkt, worauf ich mich hier nicht einlassendarf, 50ist esder Eindruck des Augenblicks allein, der das Thier

bestimmt: eslebt allein in der Gegenwart. Hingegen unterschei-dee den Menschen [Daneben am Rand wie oben: Menschliches

Thun.] vom Thiere hauptsachlich dieses, da6 seinThun vielmehrdurch Abwesende als durch gegenwiirtige Dinge bestirnmt wird,mehr sich auf die Zukunft und Vergangenheit als auf die Gegen-

wart bezieht; ja er die Motivation durch den Eindruck der an-

schau lichen gegenwartigen Objekte ganz auszuschlie6en sucht,

indem er sie fur seiner unwiirdig halt, und wenn ja einmal sieallein sein Handeln bestimmt hat, dieses selbst fiir unverniinftig

erklart, - Indem nun also das Abwesende, ja d as b lo fl Ma gl ic he ,

d as Z uk iin ftig e u nd V er ga ng ne , den Menschen mehr bestimmenals das wirklich Vorhandne und Gegenwiirtige; so sehn wir ihn

besonnen und bedachtsam handeln, nach iiberlegten Planen, in

Uebereinstimmung mit Tausenden seines Gleichen, nach Vor-

satzen, nach Maximen, mit Riicksichten auf die fernste Zukunft,

ja auf Zeiten die er niche erleben wird und es wei6, oder nach

Vertragen aus der grauen Vorzeit. Wir sehn ihn ferner, vollig

unabhiingig vom Eindruck der Gegenwart, willig Dinge unter-

gehn gegen die seine ganze thierische Natur sich emporn so geht

er gelassen in die augenscheinlichsten Gefahren, iibernimmt wil-

50

lig die schrecklichsten Schmerzen, ja geht mit festem Schritt inden gewissen Tod. Man denke an Operationen, Zweikampf,Schlachten, Hinrichtung, Selbstmord u. s. f. - Beim Thun des

Thieres liegen die Motive dem Beobachter offen da; denn sie sind

anschaulich. Die Motive welche den Menschen bestirnmen, sindn ich t s ic h tba r und dennoch 50stark daB durch sie die ibn umge-

bende Gegenwart alleGewalt uber ihn verliert: daher auch hat ervollige Unerforschlichkeit in seiner Gewalt, die jede Felter iiber-

winden kann, und sein Geheimni6 folgt ihm ins Grab. MitEinem Wort: das Thier empfindet und schaut an; der Mensch

denkt iiberdies und weifJ. Das Thier lebt allein inder Gegenwart:

der Mensch zugleich in Zukunft und Vergangenheit, iiberblickt

das Ganze seines Lebens und sieht noch dazu in das weite Reich

der Moglichkeir d. h. E r h at v ollk ommn e B es on ne nh eit.

Die geschilderte gr06e Verschiedenheit des menschlichen

Thuns und Treibens vom thierischen, giebt sichere Anzeige,

[Daneben am Rand wie oben: Vemunft; abstrakte Motive.] da6

die Vorstellungen, in denen die Motive des menschlichen Han-

delns liegen, ganz andrer Art seyn miissen, als die welche auchdas Thier hat. Dieses waren allein die anschaulichen Vorstellun-

gen, die eben dadurch in nothwendiger und durchgangiger Be-ziehung zur Gegenwart und Wirklichkeit stehn. Der Mensch

mu6 dagegen Vorstellungen haben, die n ich t anschau lich, und

deshalb unabhangig vom au6em Eindruck, vom Zeitpunkt und

vom Ort sind. Das Vermogen zu diesen Vorstellungen mu6 jene

Vernunft seyn, der man zu allen Zeiten und iiberall die dargeleg-ten den Menschen allein auszeichnenden Aeu6erungen zu-

schrieb, und in Beziehung auf dieselben sein Thun, je nachdem

es ausfiel, verniinftig oder unverniinftig nannte. Ais jene Vor-

stellungen finden wir in uns die Begriffe: sie sind n icht an schau -

licbe, sondem abstrakte, nieht einzelne in Raum und Zeit, son-

dem allgemeine VorsteUungen: genera lia , un iversa lia ; sie sind

bl06e Vors te ll ungen v on Vors te ll ungen ; sind eine hohere Potenz

der anschaulichen Vorstellungen, auf die sie jedoch immer in

nothwendiger Beziehung stehn; sind eineWiederholung der an-

schaulichen Welt in einem ganz heterogenen Stoff, daher sehr

treffend die Reflexion genannt. Das Wort ist ihr sinnliches Zei-

chen, dient sie zu fixiren d. h. das sonst ganz abgesonderte ab-

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strakte BewuBtseyn, das an keine Zeit gebundene Oenken, inVerbindung zu erhalten mit dem sinnlichen, anschauenden, bloB

thierischen BewuBtseyn. Daher ist die Sprache das nothwendigeHtilfsmittel der Vernunft: daher kann kein Thier sie haben ob-

wohl es alle Organe dazu hat: denn ihm fehlen die Vorstellun-gen, welche zu bezeichnen die Worte dasind. Der Mensch aberist stets ihrer f1ihig:selbst wenn er taub und stumm ist, hat er

Zeichen- und Schrifr-Sprache. Wone bezeichnen ganz allein Be-griffe, d. h. gedachte nicht angeschaute Vorstellungen: darumeben haben sie fur das Thier keine Bedeutung. Die Rede ist einsehr vollkommner Telegraph, der willkurliche Zeichen mit Fein-ster Niiancirung und groBter Schnelligkeit mittheilt. Aber was

bedeuten unminelbar diese Zeichen? Nicht das Anschauliche,nicht die Bilder: ware das, so muBten bei einer Rede, oder beim

Lesen eines Buchs in der Phantasie des Horers, oder Lesers, so-gleich Bilder entstehn und nun gemaBden zustrohmenden Wor-ten und deren grammatischen Flexionen blitzschnell sich bewe-gen, verketten, umgestalten, ausmahlen? Welch ein Tumult ware

dann in unserm Kopf beim Horen einer Rede oder beim Lesen

eines Buchs! Auch begriffe am besten, wer am leichtesten phan-tasirte. So ist es aber nicht: sondern bei der Rede ist es die Ver-nunft, die zur Vernunft redet und von dieser unmittelbar ver-

nommen wird, ohne alles Phantasiren. Was sie mittheilt sind

Begriffe, abstrakte, nicht anschauliche, allgemeine, nicht indivi-duelle Vorstellungen, die ein fur allemal gebildet, die ganze

wirkliche Welt befassen, enthalten, vertreten; deren Gegenwartim BewuBtseyn ist das Denken und das Wissen aus welchen ganzallein jene groBe Verschiedenheit entspringt, zwischen dem

menschlichen Thun und dem Thierischen, in Beziehung auf wel-

che man iiberall und von jeher dem Menschen ein ganz eigen-thiimliches Erkenntnillvermogen beilegte, genannt Vemunft ,ratio, T O A O Y L # l 0 v , 6 A o y O ~ . Die AeuBerungen dieses Vermogenssind hauptsachlich drei: Besonnenheit des Wandels; Sprache undWissenschaft. Das Wesen, dessen Handlungen nicht durch an-

schauliche, sondern durch abst rak te Mo t iv e bestimmt werden -ist e in M ens ch . Sind die Motive welche das Handeln einesmenschlichen Individuums leiten, solche Vorstellungen der Ver-nunft, also Begriffe; so fallt sein Handeln besonnen und bedacht

52

aus und bleibt ganz unabhangig vom Eindruck der Gegenwart:ein solches Handeln haben alle Zeiten und alleVolker, auch ailePhilosophen, nur nicht die neuesten, ein vemiinftiges Handeln

genannt, ganz unabhangig von dessen moralischem Werth oder

Unwerth: d a v em iin ftig h an de ln und edel oder gut handeln;eben so unvemiinf ti g hande ln und boshaft handeln stets als zweiganz verschiedene Dinge angesehn wurden. Sind nun aber dieMotive des Handelns nicht die gedachten Vorstellungen, die Be-griffe; sondern die anschaulichen, der Eindruck des Augen-blicks; dann wird der Mensch gleich dem Thiere der Sklave derGegenwart und ein Handeln dieser Art nannte man allezeit un-

vemiinftig, ohne es dadurch im mindesten fur boshaft zu erkla-reno Wie also der Verstand nur eine einzige Funktion hatte:ErkenntniB der Kausalitat; so hat auch die Vemunft nur eineFunktion: Bildung des Begriffs und Verkniipfung von Begriffen,d. h. Denken , Wi ssen. Re fl ex ion : und aus dieser ist alles abzulei-ten, was von jeher als AeuBerung der Vemunft erkannt wurde.

5 3

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F eie rlic he L o bre de au f d ie P hilo so ph ie .

(Declamatio in l audem phi lo sophi ae )

1820

Aus OEM LATEINISCHEN UBERSETZT VON M A X FRIEDRICH

Verehrtester Herr Dekan, meine allseits geschatzten HerrenProfessoren, hochgebildete Kommilitonen, sehr geehrte Horer

aller Fakultatenl

Die Wertschatzung. Kommilitonen, deren sich die Wissenschaft

des Platon und des Aristoteles bei den Menschen erfreute, hat,

wie so manches, im Verlauf der Geschichte eine wechselvolle

Entwicklung durchgemacht; ja, sie scheint sogar gewisserma-

Ben. dem Meere gleich, einem Rhythmus von Ebbe und Flut

unterworfen gewesen zu sein. Tatsachlich wurden Zeiten, wo

die Philosophie in hochstem Ansehen stand, immer wieder von

solchen abgelost, wo sie verachtet und vernachlassigt danieder-lag. Die Ursache Hir diese Wechself1ille ist nun am ehesten, ~o

mochte ich meinen, jeweils in der hervorragenden oder aber mit-

telmaBigen Begabung derer zu suchen, die sich zu der fr~glichen

Zeit mit der Philosophie befaBten. Da nun gerade auch a n ~nse-

ren Tagen das Schicksal, sehr gering geschatzt zu werden, Ja 50-

gar den Diinkel der Zeitgenossen an sich zu erfahren, die Philo-

sophie getroffen hat, sei es mir, ihrem Jiinger, verstattet, einiges

wenige iiber ihre Vorrangstellung und ihre Niitzlichkeit zu sagen

und auBerdem an die Zeiten zu erinnern, da ein giinstigeres Los

als heute ihr zugefallen war. .

Rufen wir uns also ins Gedachtnis zuriick, daB zu der Zeit und

bei dem Yolk, wo das Streben nach menschlicher Vollkommen-

heir auf jenen Hohepunkt gelangt war, den es spater niemals und

nirgends wieder erreichen konnte -, daB bei den .Griechen also,

denn sie meine ich natiirlich. viele Jahrhunderte hindurch gerade

die Weisesten und Scharfsinnigsten sich vor allem der Philo-

sophie gewidmet haben. Unter ihrer, der Philosophie, weitsich-

tigen Anleitung ordnete man ja die Staatsverfass~ngen, von Py-

thagoras belehrt. Sie war es auch, welcher der weiseste der Grie-

5 4

chen sein Leben weihte und das Opfer seines Todes darbrachte,

Sokrates namlich, An sie wandte der gonliche Platen seine stau-

nenswerte Geisteskraft, mit dem, wenn es um die Unsterblich-

keit der Werke geht und darum, wer am meisten von der

Menschheit verehrt wird, in der Tat niemand in Wettstreit treten

kann, es sei denn Vater Homer. Ihr widmete schlieBlich Aristo-

teles seine ganze Arbeitskraft, der, was die Universalirar der Be-

gabung betrifft, aile iiberragt. Endlich entstanden in jenen Zeiten

auch philosophische Schulen, deren Andenken so lebendig ge-blieben ist, daB heute noch selbst das gewohnliche Yolk sich un-

ter stoischer GefaBtheit oder epikureischer Leichtlebigkeit oder

rein platonischer Liebe etwas vorstellen kann. Nachdem aber die

schone Jugend des Menschengeschlechtes verbliiht war, nach-

dem ein wilder Sieger Korinth verwiistet haue und Athen, ver-

mochte es die gonliche Philosophie, SproB der Weisheit und

Liebling der Minerva, diesen wilden Sieger zu bandigen. Zum

aufmerksamen Betrachten der Dinge und zum Nachdenken iiber

sie brachre sie die romischen Fiihrer, die Lenker der Volker. Ais

iedoch die Alleinherrschaft sich durchgesetzr hatte, verschaffteebendiese Philosophie denen Trost, die an der Wiederherstel-

lung der Republik verzweifelt waren, und lehrte sie, in der Un-

abhangigkeir des Denkens Ersatz fur die verlorene Handlungs-

Freiheit zu finden. Damals widmeten sich auch bei den Romern

gerade die kliigsten und edelsten Manner der Philosophie, bei

der sie Zuflucht gesucht hanen, wie man an einen hoher gelege-

nen Ort fltichter, wenn Wasserfluten die Ebene verwiisten.

Endlich folgte die beklagenswerte Barbarei und Unwissenheit

des Mittelalters. Die iibrigen Wissenschaften gingen beinahe aile

zugrunde oder nahmen doch eine so abwegige Entwicklung, daB

unsereiner angesichts ihres Erscheinungsbildes wohl zwischen

Lachen und Weinen geschwankt hatte, Und doch stellen wir

fest, daB auch damals die Philosophie in Bliite stand - in einer

traurigen Bliite freil ich, da sie ja von den anderen Wissenschaften

keinerlei Untersti itzung erhielt und sich selbst demiitigen Sinnes

fur eine Magd der Theologie erklarte, Doch war man um sie

nichtsdestoweniger mit so unglaublichem Eifer bemiiht, daB

Tausende von Horern bei den Philosophen zusammenstrdmten

und sehr viele niche zogerten, die Anreise aus einem weit entfem-

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ten Land auf sich zu nehmen, urn zu einem Lehrer zu gelangen,

und endlich auch, wenn sich erwa der Magister der Philosophie

auf die Wanderschaft begab, der groBte Teil der Schar ihm nach-

zog. Ja , als Peter Abalard Paris verlassen und sich in die Einsam-

keit einer menschenleeren landlichen Gegend zuriickgezogen

hatte, folgte ihm der Haufe der Schuler sogar dahin, errichtete

ringsumher kleine Hiitten und wollte lieber alle Annehmlichkei-

ten des Lebens als den Lehrer der Philosophie entbehren.

Aber wie groB war erst die Bewunderung, die - nach der Wie-dergebun der Wissenschaften - ein Rene Descartes erregte! U nd

jene im selben Jahrhundert wirkenden scharfsinnigen Englan-

der, der uberragende Bacon von Saint Albans, Hobbes mit sei-

nem durchdringenden Verstand und Locke, dieser kluge Kopf -,

fesselten sie nicht in der ganzen gebildeten Welt jedermanns

Geist und Gemiit mit ihren Lehren?

Besonders liege mir daran, in Erinnerung zu rufen, daB in

ebendiesem J ahrhunden der geniale Spinoza sich hervorgetan

und dennoch bei seinen Zeitgenossen nicht den ihm gebuhren-

den Ruhm geemtet hat. Er genof vielmehr, wah rend ihn diedumme und aberglaubische Masse bei Lebzeiten und danach

noch fur ein ganzes Jahrhunden verabscheute, nur bei den Ver-

standigeren, das heiBt bei einigen sehr wenigen, die verdiente

Verehrung. Dies ist aber darauf zuriickzufuhren, daB sein er-

staunliches Genie der Einsichtsfahigkeit und dem Wissen seiner

Mitwelt zu weit vorausgeeilt war, als daB die Menschen jener

Zeit seine Lehre auf irgendeine Weise hatten fassen konnen.

Doch Begriffsstutzigkeit und Bdswilligkeit der Zeitgenossen

wurden durch die Lobeserhebungen der Nachwelt reichlich

wettgemacht, gerade in unseren Tagen. So ist auch durch dasBeispiel Spinozas wieder jene Erkenntnis bestatigr worden, die

Seneca ausspricht, und zwar an der Stelle. wo er daran erinnert,

wie wenig bekannt und wie millachtet der groBe Epikur zu sei-

nen Lebzeiten selbst in Athen gewesen ist. Er sagt don ja, daB

Vortrefflichkeit nie fur immer unbekannt bleibe und daB es nicht

ihr Schade sei, eine Zeidang unbekannt geblieben zu sein. Wenn

sie auch im Verborgenen bltihe, von der MiBgunst des Zeitalters

urn ihre Wirkung gebracht, so werde doch mit Sicherheit der-

einst der Tag kommen, der sie allgemein bekannt mache. Der

56

Ruhm sei namlich der Schatten der Vortrefflichkeit und begleite

sie immer, und sei es auch widerwillig. Aber wie der Schatten uns

einmal vorangeht, ein andermal aber folgt, so sei auch der Ruhm

manchmal vor uns und eile uns voraus, manchmal aber sei er in

unserern Riicken und komme erst nach uns. Fur ihn gelte jedoch,

daB er um so groBer sei, wenn er sich verspatet einstelle, namlich

nachdem die MiBgunst gewichen sei. - Der Ruhm, den Spinoza

fur sich gesat hat, ist also bei den Nachfahren erst erbltihr,

Vor gar nicht langer Zeit nun, gegen Ende des lerzten Jahrhun-dens, trat unser Landsmann Kant auf den Plan. ein Denker, dem

nach meiner festen Oberzeugung der Vorrang vor allen anderen

gebiihrt, die seit der Zeit Platens philosophiert haben. Wir wa-

ren Zeugen, als er das gesamte Gefuge der philosophischen

Theorie von Grund auf veranderte, als eben er, auf sich allein

gestellt, erfaBte. was dem Scharfsinn so vieler und so grofler

Manner entgangen war, und als daraufhin hochverdientes Lob

und wahrlich gerechefertigrer Ruhm ihn in den Himmel erho-

ben. Dieser kraftigen Anregung ist 'es zuzuschreiben, daB die

edlen philosophischen Studien, mochten sie auch im iibrigen Eu-ropa weiterhin in tiefem Schlafe liegen, in unserem Deutschland

zu staunenerregendem neuem Leben erwachten. Schon bald

narnlich harte die Philosophie aile, auch die Halbgebildeten, in

Bann geschlagen, und es war da keiner, der niche die neue, friiher

nirgends vernommene Weisheit im Munde fiihrte. Aber- 0Jam-

mer! - diese so edle Glut verglomm binnen kurzem und erlosch,

wie wenn ein Feuer von der allzu groflen Menge des darauf ge-

worfenen Holzes, das ibm doch als Nahrung harte dienen sollen,

verschiirtet und ersrickt wird.

Nun traten namlich auf einmal 50 viele philosophische Schul-meister und Urheber neuer Systeme hervor, so viele Paradoxe

wurden aufeinander gehauft, so groBe Meinungsverschiedenhei-

ten und so viele Rivalitaten, Fehden und Dispute kamen daher

auf und in einer so unkultivierten und dunklen Sprache wurden

obendrein die Probleme verhandelt, daB die Leute, von diesem

ganzen Larm und dem Schauspiel all dieser Schlachten endlich

ermddet, zugleich aber in ihrer Hoffnung getauscht, allmahlich

die Lust zum Lesen und Zuhcren verloren und daB innerhalb

von zwanzig Jahren die bis dahin in hochstem MaBe geforderte

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rund gefeierte Philosophie aufs neue der Vernachlassigung und

MiBachtung anheimfiel. - Dieser Niedergang ist aber keines-

wegs der Philosophie anzulasten, sondern einzig und allein de-

nen, die sich ihr gegen den Willen Minervas zugewandt hatten

und es falsch mit ihr anfingen. Deshalb haben wir keinen Grund

zu der Befurchtung, daB jene geringschatzige Vernachlassigung,

unter der heute die am hochsten stehende und edelste Form des

geistigen Strebens zu leiden hat, bis in aile Zukunft andauern und

daB der Philosophie niche abermals ein Racher erstehen werde,der ihr, mit starkeren Kraften ausgestattet, wieder zu ihrem frii-

heren Glanz und dem gebuhrenden Zuspruch verhilft.

Niemals namlich und schon gar nicht in diesem unserem

Zeitalter kann es so weir kommen, daB die Philosophie ganz

und gar aufgegeben wird und man iiberhaupt nichts mehr von

ihr wissen will. Denn die Fragen, die sie behandelt, liegen der

Menschheit zu sehr am Herzen, als daB sie der [orrwahrenden

Beschsftigung mit ihnen jemals enthoben sein konnte. Es

wohnt ja dem menschlichen Geist ein bestimmtes Verlangen

inne, das all die anderen Wissenschaften, wie schatzenswert sieauch seien, keineswegs zu befriedigen vermogen, Ich meine

jene uns eingepflanzte Begierde, zu erfahren, was denn, aufs

Ganze gesehen, unser Dasein in, dieses unser Dasein, zu dem

wir gleichsam aus einer Art von Schlaf erwacht sind, urn schon

bald wieder in den namlichen Schlummer zu sinken; - ferner,

was eigendich dieses sich unserem Blick gleichermaBen darbie-

tende und enrziehende Wesen der Dinge ist - auBerdem, wonach

sich jener immanente und verborgene Sinn unserer Handlungen

bestimmt, auf dem der unermeBliche Unterschied zwischen dem

sittlich Guten und dem sittlich Schlechten beruht, - Vor allem

aber beherrscht uns das Verlangen zu wissen, ob uns wirklich

kein anderes Dasein geworden ist als dieses so fliichnge, drang-

volle und hinfallige, das einem Traume gleich voriibergleitet

und auch in seiner Beschaffenheit den Traumgesichten sehr

ahnlich ist - oder vielmehr die Wurzeln unseres Daseins auch in

die Tiefe hinabreichen und wir in gewisser Weise an der Ewig-

keit teilhaben und hiervon auch Kenntnis erhalten, so daB wir,

von diesem Wissen getragen und gleichsam schon der Welt ent-

rilckt, dem unablassigen Dahinschwinden der Dinge und ihren

58

Urnwalzungen mit ungefahrdeter Seelenruhe zuschauen konnen.

Wie schon und ruhmlich es also auch sein mag, dank der Ma-

thematik die Gesetze, denen die raumlichen GraBen und die

Zahlen unterliegen, vollig zu durchschauen - oder unter Anlei-

tung der Astronomie GroSe, Abstlinde und Bahnen der Gestirne

erkundet zu haben - oder miue ls der Methoden, welche die Er-

forscher der unbelebten Materie entwickelt haben, den von Na-

tur den Korpern innewohnenden Kraften und den Gesetzen ih-

rer Wirkung auf die Spur gekommen zu sein - oder aufgrund dersystematischen Beschreibungen, mit denen die Wissenschaft von

den Lebewesen aufwartet, den Bau der verschiedenartigen Or-

ganismen zu kennen und die Weise, wie die Natur in jedem von

ihnen wirkt - oder schlielllich, von der Historie belehrt, zu wis-

sen, welche Schicksale und Taten der Menschen eine so lange

ReihevonJahrhunderten hindurch zu verzeichnen waren: In all

diesen Forschungen, mogen sie auch riihmlich sein, finder ein

Geist, der nach Hoherem strebt, doch keinerlei Erfiillung; und

selbst wenn er diese Stadien aile durchlaufen hat, muS er erken-

nen, daB er in bezug auf das, was er am allermeisten zu wissenbegehrte, keine Fortschritte gemacht hat.

Ja, ich mochee sogar so weit gehen, folgendes zu behaupten:

Wenn sich jemand - wie wir einmal annehmen wollen - aile der-

artigen Lehren und Methoden angeeignet hat, so wird sein Wis-

sen sich von den bloflen Meinungen des ungelehrten Volkes

freilich dadurch unterscheiden, daB es weitaus umfangreicher,

besser geordnet, schliefilich auch prazisiert und vertieft sowie

insbesondere von vielen Irrtiimern gereinigt ist, Und doch -

wenn dieser Mensch sich nicht auch in die Schule der Philo-

sophie begeben hat, wenn er niche ihren Gedankengangen, bis

hin zu den schwierigsten, gefolgt ist und wenn ihm nicht endlich

jene Lichter zu leuchten begonnen haben, die nach und nach im

Lauf der Weltgeschichte von den hervorragendsten Geistern fUr

die Menschheit angeztindet worden sind; wenn also, mit ande-

ren Worten, nicht auch durch philosophische Unterweisung

seine ganze Art, zu denken und die Dinge zu sehen, verwandeh,

berichtige und vervollkommnet worden ist: dann wird er, wie

gelehrt er auch im ubrigen sein mag, in der alles entscheidenden

Hinsicht doch weiterhin dem rohen und elenden Volke zuzu-

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reehnen sein. Oas Wissen, das ihrn eignet, wird zweifellos vondemWissen, das sogar beimVolke zu finden ist, nur der Quanti-tat, nicht der Qualitat naeh versehieden sein. Ebenso wie das

Yolk wird also aueh jener Mensch, da ihm philosophisehe Bil-dung nieht zuteil geworden ist, entweder naeh Art der Tiere inden Tag hinein leben, immer nur um das Allernachste bekiim-mert, oder aber in seiner geistigen Unbedarftheit fiir Hirnge-spinste und finsreren Aberglauben jeder Art empfanglich sein.

Andererseits sage ieh: Wenn ein unerbittliches Gesehiek unsvor die sehmerzliehe Wahl stellte, entweder auf die Philosophiezu verzichten oder auf genauere Kenntnisse in einer von den an-deren fiir die Bildung wichrigen Wissensehaften, so wiirde iehjedenfalls niche im mindesten zogern, mich der Philosophie zu

ergeben, gleichgultig welehe andere Wissensehaft zuriiekstehen

miiBte. Denn wenn man es recht bedenkt, verhalt essieh doeh so

- mag aueh bei allen wissensehaftliehen Studien das Vergniigenwie der Nutzen wie iiberhaupt der Gewinn sehr groB sein, sobestiinde doeh dereinst, wenn das Lebensende naht, kein

Grund, besonders dariiber betriibt zu sein, daB es schon ansSterben geht und man dennoeh niche aile Pflanzengattungen

oder Tierarten kennengelernt beziehungsweise nicht aile Stern-bilder erfaBtoder nichedie Infinitesimalrechnung begriffen odernichealleKriege und Friedenssehliisse, aile unklugen und klugenHandlungen der Kdnige und Volker dem Gedachtnis eingeprsgt

hat. Jedoeh, aus dem Leben zu seheiden und sich nicht redlieh

bemiiht zu haben -, dureh Anspannung aller eigenen Krafte wiedurehs Srudium dessen, was die Weisen gelehrt haben - in bezugauf eben dieses Leben und auf die Wirkliehkeit im ganzen zu

einer vemiinftigeren Ansieht und einer tieferen Einsieht zu ge-langen: das seheint mir zumindest wahrlieh Grund zu groBter

Reue und Betriibnis zu sein - wenn ieh aueh im iibrigen gerneeinraume, daBaussehlaggebend fUrein gutes Leben nieht ist, waseiner erkannt hat, sondern was er gewollt hat. Es war aber biernur davon die Rede, welehe Art von Erkenntnis vorzuziehen ist.So sei Eueh also, Kommilitonen, die gottliehe Philosophie

empfohlen, unsere Fiihrerin im Leben, unser Licht in der Fin-

sternis, unser Trost im Ungliiek, auf daB Ihr nichealsTraumendegleiehsam, sondern als Waehende durehs Leben geht.

6 0

Vorlesung

iiber die Grundlegung zur Philosophie oder

Die Theorie der gesammten

Erkenntnifs.(In den Manuskripten »Dianoiologie« genannt)

1821

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Exordium philosophiae primae.

Alles was im Innem oder irn BewuBtseyn des Menschen vorgehtist Wollen und Vorstellen (Erkennen). - (Gefiihl Digr.) Primatdes Wollens (Digr.). Das Wollen behandelt die Ethik, - Wir ha-

ben es hier mit dem andem Theil allein zu thun: betrachten den

Menschen als rein erkennendes Wesen. - Die Vorstellung hatzwei Theile, Materie und Form. - Die Materie oder Stoff be-

schiiftigt aUeandern Wissenschaften und die tagliche Erfahrung,sie wird Jedem mit jedem Tage vermehrt bis an sein Ende. Sieist

das Was des Erkennens, dessen Inhalt. - Hingegen ist die Formdas Wie, die Art und Weise des Erkennens oder des Vorstellensiiberhaupr, Sie ist eine und dieselbe bei der groBten Verschieden-

heit des Inhales, auch bei allen Menschen dieselbe, bleibt unver-andert und ist ein fUr alle Mal bestimmt. Da der Stoff der

ErkenntniB Sie Ihr ganzes Leben beschaftigen wird, - ist esgera-then dessen Form auch ein Mal und zwar ein fUralleMal kennen

zu lernen. - Theils ist esan und fur sich interessant; - theils kann

es nutzlich seyn um dadurch sich des Stoffs desto besser unddeutlicher zu bemeistern; - theils und hauptsachlich ist esnoth-

wendige Vorschule fur die Philosophie oder Metaphysik - weil

diese esmit dem Stoff des Erkennens iiberhaupt und imGanzend. h. mit der objektiven Welt zu thun hat; und esdaher nothig ist

das MeJium durch welches sie uns gegeben ist griindlich kennenzu lernen, besonders um zu sondern was allein diesem MeJioangehort von dem was das rein Objektive, das Wesen der Welt,das Ding an sich seyn mdchte. Siewerden vom f orma le n Th ei lder Erkenntnij1 sich noch keinen deutlichen Begriff machen kon-

nen: weil Sie immer auf den materialen geachtet haben und derformale sich so von selbst verstand, daB Sie ihn gar nicht inne

wurden. Erst nachdem wir unsre ganze Untersuchung uber je-

nen formalen Theil werden beendigt haben, wird es Ihnen deut-

lich seyn was unter dem Begriff formaler Theil der ErkenntniBzu denken sei, So geht es in den meisten Wissenschaften: dieAufgabe wird erst ganz verstanden nachdem sie gelost ist.

Warum nenne ich die Betrachtung der Form alles Vorstellens

Ph ilo so ph ia p rima? - Der Name philosophia pr ima, in neuererZeit auBer Gebrauch, wurde friiher als Synonym der Ontologie

62

gebraucht, besonders seit Wolf: (denn bei Cartesius ist die Be-deutung von philosophia prima noch unbestimmt: »meditaiiones

de ph ilosoph ia p rima. wo es nur den Anfang der Metaphysikbedeutet), In der Wolfschen Philosophic teilt sich die Metaphy-sik in Ontologie, Kosmologie, Psychologie, und Theologie: -

Erstere ist Philosophia pr ima weil sie von den allgemeinsten Ei-genschaften der Dinge handelt: namlich vom D in g a ls D in g (1'0

ov). Sieenthalt daher die allgemeinsten Wahrheiten, die Elemente

der menschlichen ErkenntniB. - Allein diese Scienz ist so gut wiedie drei andern von Kant zertriimrnert und daher aus der Welt. Ich

vindicire den Narnen philosophia pr ima fur die Theorie des ge-sammten Erkenntniilvermogens. Nicht erwa blof weil diese jetztdie Grundlegung zur Metaphysik ausmacht, wie damals die On-

tologie, sondern weil wirklich die Gegenstande beider, im We-

sentlichen und Hauptsachlichen dieselben sind. Das scheint

kaum glaublich - geht so zu, - Die Basis der ganzlichen Umwal-zung der Philosophie die Kant hervorbrachte ist dies: was wirerkennen sind keine Dinge an sich, sondern bloSe Erscheinun-

gen, die so wie sie sich darsteUen ganz allein in unserm Erkennt-niBvermogen zu finden sind: und diejenigen Eigenschaften wel-

che allen Dingen gemein sind, ja allen Dingen so wesentlich sinddaBwir sie von jedem Dinge schon zum voraus sagen konnen, ehe

wir es gesehn: diese Eigenschaften haben ihre Allgemeinheit undUnausbleiblichkeit daher daBsie blofle Formen unsers Intellekts

selbst sind, durch die wir aile Dinge sehn, in denen daher aile

Dinge sich darstellen miissen. - So hat Kant die Sache gewendet:die anderweitige Wiehtigkeit n on h uju s lo ci [gehort nicht hier-her]: - An die Stelle von objektiven Eigenschaften die allen Din-

gen als solchen zukarnen und deren KenntniB Ontologie, ist ge-

treten die ErkenntniS der Formen unsers Intellekts, deren Ge-

setzmaBigkeit sich auf alles erstreckt was darin vorkommt, und

daher den Anschein giebt als hatten alleDinge 50verschieden sie

auch seyen gewisse Eigenschaften gemein. (Wie durch ein rothesGlas alle Dinge roth). Also die Theorie des Erkennmiilvermo-

gens handelt von der entgegengesetzten Seite das ab was ehemalsdie Ontologie. und ihr gebuhrt daher auch in dieser Hinsicht der

Name philosophia pr ima: daher dieselben Gegenstiinde die ehe-mals in der Ontologie vorkommen jetzt in der Dianoeologie

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ansehn: da ist er ein Gegenstand der Natur, Eigenschaft einesNaturprodukts, des Thieres und vorziiglich des Menschen. Soganz empirisch, ohne vorgefaflte Meinung ihn betrachtend,

miissen wir ihn eine Funktion des mensch lichen Lebens nennen,und zwar wie aile andern Funktionen an einen besondern Theilgebunden: an das Gehirn. Wie der Magen verdant, die Leber

Galle, die Nieren Urin, die Hoden Samen absondern, so stelltdas Gehim vor, sondert Vorstellungen ab: - und zwar ist dieses

(nach Flourens' Entdeckungen 1822, Memoir es d e l'A ca d. d essciences, 1821-22, V.5-7) ausschlieBlich Funktion des groBenGehirns, wahrend das kleine die Bewegungen lenkt. (Erlaure-

rung.) Also der ganze Intellekt, alles Vorstellen, Denken ist einephysiologische Funktion des groBen Gehirns, der vordem He-

mispharen, groBen und kleinen lobi [Lappen (des Gehirns)], descorporis callosi [Balken (der die beiden Hemispharen des Ge-hirns verbindet)], glans pineali s [Zirbeldriise], s ep tum luc idum[(genauer: pellucidum) durchsichtige Scheidewand], thalaminervi [(opt ic i) Sehhiigel (eigentlich: Nervenkammem)] etc. Aber

diese Funktion hat etwas Eigenes, was sie gar hoher stellt als dieGalle welche die Leber und den Speichel welchen die Speichel-drusen absondern, namlich dieses: die ganze Welt beruht auf ihr,liegr in ihr, ist durch sie bedingt. Denn diese existirt nur als unsre

(und aller Thiere) Vorstellung, und ist folglich von dieser abhan-

gig, und ohne sie nicht mehr. - Vielleicht scheint Ihnen das para-'dox und es ist wohl noch Einer und der Andre von Ihnen, der

ganz ehrlich meint: wenn auch der Brei aus allen Hirnkasten ge-schlagen wiirde; so blieben darum Himmel und Erde, Sonne,

Mond und Sterne, Pflanzen und Elemente doch stehn. - Wirk-

lich? - Besehn Sie doch die Sache etwas in der Nahe. Stellen Siesich eine solche Welt obne erkennende Wesen einmal anschaulich

vor: - da steht die Sonne, die Erde rotirt um sieherum, Tag und

Nacht, jahreszeiten wechseln, das Meer schlagt Wellen, die

Pflanzen vegetiren: - aber alles was Sie [etzt sich vorstellen, istblofl ein Auge, das das alles siehr, ein Intellekt der es percipirt:

also eben das ex hypothesi [der Voraussetzung nach] aufgehobne.Siekennen ja keinen Himmel und Erde und Mond und Sonne so

schlechthin, an und fur sich: sondern Sie kennen bloB ein Vor-stellen, in welchem das Alles vorkommt und auftrite, nicht an-

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ders wie Ihre Traurne des Nachts auftreten; welche Traumwelt

das Erwachen Morgens vernichtet: nicht anders ware offenbardiese ganze Welt vernichtet, wenn der Intellekt aufgehoben,

oder, wie oben gesagt, der Brei aus allen Himkasten geschlagenware. Wer also naher auf die Sacheeingeht, wird sich bald iiber-

zeugen, daB es ein reiner Widerspruch, ein Unsinn ist, zugleichden InteUekt aufzuheben und die objektive Welt bestehn zu las-

sen. Ich bitte niche zu meynen, das sei spaS: es ist Ernst. Die

Konsequenzen, welche daraus fur die Metaphysik flieBen,gehnuns hier niches an. Wir berrachten es hier bloB um auf die groBeWichtigkeit, die hohe Dignitat des Intellekts aufmerksam zuwerden, der der Gegenstand unserer fernern Betrachtungen ist:

und zwar jetzt von Innen ausgehend, vom BewuBtseyn dessel-ben: wir stellen Selbstbetrachtungen des Intellekts an.

Dianoiologie .

Sie sind sich unmittelbar bewuBt, daB ich hier auf dem Kathedersitze und nunmehr angefangen habe zu reden, meine Physiono-

mie, meine Stimme und Aussprache hat einen ganz bestimrntenund individuellen Eindruck auf Sie gemacht, der an die Stelle der

bloBallgemeinen Vorstellung getreten ist, welche allein Sie nochvor wenigen Minuten von meiner Gegenwart hatten: auch hat

J eder die Zahl der Anwesenden und seine Bekannten darunter

bemerkt: das alles ist unmittelbar und als e in B ild in Ihrem Be-wuBtseyn gegenwartig. Dies ist die Anschauung, also ein solchesunmittelbares Wahrnehmen, wo niche eine Vorstellung die Stelle

einer andem vertritt, sondern jede sich selbst ausspricht, daherkein Fragen Warum?, kein Forschen und kein Zweifeln nothigist: also das unmittelbare Innewerden des Gegenwartigen. Wie

es damit zugeht, s uo lo co [am gehorigen Ort]. - Sodann weifJJeder von Ihnen, daB wir zu Berlin sind, im Universitats-Oe-baude, daB ich Arthur Schopenhauer bin, und daBes 12Uhr vor-

bei ist: dies wissen Sie,d. h. Sie denken es, als etwas wahres: aberes steht niche unmittelbar im Bilde vor Ihnen. Es ist ein Wissen,ein Denken, kein Anschauen. Auch haben Sie Ursach zu for-schen und zu zweifeln ob eswirklich so ist; esist moglich daBSie

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sich i r ren ( il lus tT . ): es konnte seyn daB alle unsre Uhren falsch

giengen, die Sonne noeh niche den Kulminationspunkt erreicht

harte, und es erst 11 ware; sodann daB ich nicht Anhur Schopen-

hauer ware, sondern ein Andrer der sieh nur einstweilen herge-

setzt hatte und zum SpaB eine Vorlesung hielte bis 12, wo der

rechte kame: - in jenern Erstern aber ist kein Irrthum moglich.

[Urspriinglieh folgten hier die mit Tinte wieder durchgestriche-

nen Wone: sondern hochstens eine Tauschung, eine Illusion,

was man Sinnentrug nennt. ( Il lu s tr . - mein Rock dunkelblau; -Ihr Bekannter ein Fremder.)]

Da haben Sie nun sofon die beiden Probleme, die uns in die-

sem Semester beschsftigen sollen: Ansehauung und Denken:

diese sind es in denen die Welt und all unser Wissen enthalten ist.

(Was konnte wichtiger seyn, als ein AufsehluB iiber das Entstehn

und die nahere Besehaffenheit dieser zwei Grundphanomene

unsers BewuBtseyns?) Dies sind also die zwei Anen in welche,

gemaB der allgemeinsten Eintheilung alles unser Vorstellen zer-

fallt: Anschaung, d. i. unmittelbares, gegenwartiges, bildliches,

sich selbst vertretendes und keiner Zeichen bediirfendes Be-wuBtsein des Objekts: und Wissen , Denken , d. i. nicht bild-

liehes, mittelbares, an Zeiehen gebundenes und dadureh im

BewuBtseyn beliebig fixines Erkennen von Objekten. Wir wer-

den weiterhin jedes fUr sich und ausfuhrlich betrachten.

Beide zusammen befaBt die allgemeinere Benennung Vorstel-

lu ng . -(lch sagte vorhin in der Ansehauung und dem Denken, also

in der Vorstellung [Daneben am Rand die Bleistiftnotiz: fallt

weg [bezieht sich wohl auf den in runden Klammern stehenden

Text]] ware die Welt selbst enthalten. Vielleicht lauft dieses

Ihrer Meinung zuwider. Namlich Sie meinen vielleicht die Welt,

in Zeit und Raum, wie sie vor uns liegt und von uns vorgesteUt

wird, sei zuvorderst da, und dann kame erst unsre Vorstellung

von ihr hinzu: sie ware aber da, wir mochten sie vorstellen oder

nicht. - Hier stehn wir plotzlich an der Grenze der gemeinen

und der philosophisehen Ansieht. Es ware wohl Ihnen und mir

bequemer, wenn ich leise daran vorbeisehleiehen wollte und Sie

nieht behelligen wollte mit der Zumuthung eine Einsicht anzu-

nehmen die bloB fUr die Metaphysik in Betracht kommt; da wir

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ja das Ansehauen und das Denken auf aile Weise erortern konn-

ten, ohne uns einzulassen darauf ob das Vorgestellte dberhaupt

noeh auBerdem da ware als ein solehes, wie es vorgestellt wird,

oder nicht, Das ware gewiB bequemer: aber es wiirde eine ge-

wisse Seichtigkeit in unsre Saehe bringen. lch habe hier nicht

Metaphysik zu lehren: aber ich muS doch das Gebiet der Meta-

physik abstecken, dessen Granzen anerkennen und bezeichnen,

ja sogar zeigen, wo und wo niche vom Gebiet der blollen Vorstel-

lung aus der Wcg offen steht zur Metaphysik d. i. zur Erkennt-niS des innern Wesens an sich des Daseyns und der Dinge. Daher

werde ich unsre Erkenntnillkrahe niche bioS darstellen, sondern

hin und wieder ihren metaphysisehen Gebrauch kritisiren rniis-

sen. Freilich werden Sie dadurch Probleme erblieken die hier

nicht gelost werden konnen. Das geht uns aber immer so, daB die

Losung eines Problems ein neues herbeifuhrt. Sodann ist allen

Wissenschaften eigen, daB sie in benachbarte Gebiete nothwen-

dig hinuberspielen. Das Lexikon spielt in die Grammatik hiniiber

und diese in jenes: Die Dogmatik spielt in die Kirehengesehiehte:

Die Anatomie, spielt in die Physiologie, diese auch in jene undbeide spiel en indie Pathologic und Therapie hiniiber und so iiber-

all: man kann niche grundlich seyn ohne fremdartiges einzumi-

sehen. Also ich sagte: die Welt selbst ware in der Vorstellung

enthalten: d. h. sie ware eben eine Vorstellung. Sie meinten dage-

gen, die Welt ware eben da, sie mochte vorgestellt werden oder

nicht, Nun bitte ich sieh einmal zu besinnen: ob Sic auch wirklieh

bei dem was Sie sagen eine deutliehe Vorstellung haben. Was fur

ein Daseyn ware das, was die Welt harte, ohne unsre Vorstellung

von ihr? wie stellen Sie sich solehes Daseyn vor?) Die Vorstellungiiberhaupt ist also der Gegenstand unsrer Betraehtung: die ist wie

gesagt theils Anschauung, ansehauliehe Vorstellung, solche ha-

ben aueh die Thiere: theils ist sie ein Denken, ein Wissen: das

haben wir vor den Thieren voraus: wie weiterhin. Danaeh wird

unsre Betrachtung zuvordersr in zwei Theile zerfallen:

I} Die Theorie der ansehauliehen Vorstellung: das 1ste Kapitel:

Dianoiologie. Lehre vom Verstand.

2) Die Theorie des Denkens, der nichtansehauliehen, der ab-

strakten, und an Wone gebundenen Vorstellung, Logik, Ver-

nunftlehre: sie wird erst nach jener betrachtet, weil das Gedaehte

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sich irren (illustr.): es konnte seyn daB alle unsre Uhren falschgiengen, die Sonne noch niche den Kulminationspunkt erreicht

hatte, und eserst 11 ware; sodann daB ich nicht Arthur Schopen-

hauer ware, sondem ein Andrer der sich nur einstweilen herge-

setzt hatte und zum SpaB eine Vorlesung hielte bis 12, wo der

rechte kame: - in jenem Erstem aber ist kein Irrthum moglich.[Urspriinglich folgten hier die mit Tinte wieder durchgestriche-nen Worte: sondem hochstens eine Tauschung, eine Illusion,

was man Sinnentrug nennt. { Il lu st r: - mein Rock dunkelblau;-Ihr Bekannter ein Fremder.)]Da haben Sie nun sofort die beiden Probleme, die uns in die-

sem Semester beschaftigen sollen: Anschauung und Denken:

diese sind esin denen die Welt und all unser Wissen enthalten ist.(Was konnte wichtiger seyn, alsein AufschluB tiber das Entstehn

und die nahere Beschaffenheit dieser zwei Grundphanomene

unsers BewuBtseyns?) Dies sind also die zwei Arten in welche,

gema6 der allgemeinsten Eintheilung alles unser Vorstellen zer-fallt: Anschaung, d. i, unminelbares, gegenwartiges, bildliches,

sich selbst vertretendes und keiner Zeichen bedurfendes Be-wuBtsein des Objekts: und Wissen, Denken, d. i. nicht bild-

liches, mittelbares, an Zeichen gebundenes und dadurch im

BewuBtseyn beliebig fixirtes Erkennen von Objekten. Wir wer-

den weiterhin jedes fur sich und ausfuhrlich betrachten.Beide zusammen befaBt die al1gemeinereBenennung Vorstel-

lung.-(Ich sagte vorhin in der Anschauung und dem Denken, also

in der Vorstellung [Daneben am Rand die Bleistiftnotiz: fallt

weg [bezieht sich wohl auf den in runden Klammem stehendenText]] ware die Welt selbst enthalten. Vielleicht lauft dieses

Ihrer Meinung zuwider. Namlich Siemeinen vielleicht die Welt,in Zeit und Raum, wie sie vor uns liegt und von uns vorgestelltwird, sei zuvorderst da, und dann kame erst unsre Vorstellung

von ihr hinzu: sie ware aber da, wir mochten sie vorstellen oder

nicht. - Hier stehn wir plotzlich an der Grenze der gemeinenund der philosophischen Ansicht. Es ware wohl Ihnen und mir

beque mer, wenn ich leise daran vorbeischleichen wollte und Sie

niche behelligen wollte mit der Zumuthung eine Einsicht anzu-

nehmen die bloBfur die Metaphysik in Betracht kommt; da wir

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ja das Anschauen und das Denken auf alleWeise erortern konn-

ten, ohne uns einzulassen darauf ob das Vorgestellte iiberhauptnoch auBerdem da ware als ein solches, wie es vorgestellt wird,

oder nicht. Das ware gewiB bequemer: aber es wiirde eine ge-

wisse Seichtigkeit in unsre Sache bringen. Ich habe hier nichtMetaphysik zu lehren: aber ich muB doch das Gebiet der Meta-physik abstecken, dessen Granzen anerkennen und bezeichnen,

jasogar zeigen, wo und wo nichevomGebiet der bloBenVorstel-

lung aus der Wegoffen steht zur Metaphysik d. i. zur Erkennt-niBdes innern Wesensan sich des Daseyns und der Dinge, Daherwerde ich unsre Erkenntnillkrafre nichebloB darstellen, sondern

bin und wieder ihren metaphysischen Gebrauch kritisiren mils-sen. Freilich werden Sie dadurch Probleme erblicken die hierniche gelosewerden konnen, Das geht uns aber immer so, daBdie

Losung eines Problems ein neues herbeiftihrt. Sodann ist allen

Wissenschaften eigen, daB sie in benachbarte Gebiete nothwen-

dig hinuberspielen. Das Lexikon spielt indie Grammatikhiniiberund diese in jenes: Die Dogmatik spielt indie Kirchengeschichte:

Die Anatomie, spielt in die Physiologie, diese auch in jene undbeide spielen indie Pathologie und Therapie hiniiberund so iiber-

all: man kann niche griindlich seyn ohne fremdartiges einzumi-

schen. Also ich sagte: die Welt selbst ware in der Vorstellungenthalten: d. h. sie ware eben eine Vorstellung. Siemeinten dage-

gen, die Welt ware eben da, sie rnochte vorgestellt werden oder

niche. Nun bitte ich sich einmal zu besinnen: ob Sieauch wirklichbei dem was Sie sagen eine deutliche Vorstellung haben. Was fUr

ein Daseyn ware das, was die Welt hane, ohne unsre Vorstellung

von ihr? wie stellen Siesich solches Daseyn vor?) Die Vorstellung

iiberhaupt ist also der Gegenstand unsrer Betrachtung: die ist wie

gesagt theils Anschauung, anschauliche Vorstellung, solche ha-ben auch die Thiere: theils ist sie ein Denken, ein Wissen: dashaben wir vor den Thieren voraus: wie weiterhin. Danach wird

unsre Betrachtung zuvorderst in zwei Theile zerfallen:

1)Die Theorie der anschaulichen Vorstellung: das p t e : Kapitel:

Dianoiologie. Lehre vom Verstand.2) Die Theorie des Denkens, der nichtanschaulichen, der ab-

strakten, und an Worte gebundenen Vorstellung, Logik, Ver-

nunftlehre: sie wird erst nach jener betrachtet, weil das Gedachte

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insteter Beziehung auf das Angeschaute steht, von diesem seinenGehalt erhalt, an ihm seine Grundlage hat: also das 2te Kapitel.

3) Zu diesem werde ich aber noch zwei Kapitel fUgen.Nam-lich es giebt eine gewisse Grundbeschaffenheit aller unsrer Vor-

stellungen, die durch alle durchgeht, allen gemeinsam ist, deren

ErkenntniB aber schon eine vorlaufige Bekanntschaft mit der an-schaulichen und abstrakten Vorstellung voraussetzt. Diese Be-

schaffenheit ist das was der Satz vom Grund allgemein genom-

men ausdriicktj also das 3te

Kapitel: iiber den Satz vom Grund.Auch werden in diesemKapitel mancherlei Wahrheiten vorkom-men, die unsre ErkenntniB im Ganzen betreffen, besonders in

Hinsicht auf die Frage was wir mit den gesammten Mitteln die

uns zum Erkennen gegeben sind ausrichten konnen in spekulati-

ver Hinsicht, d. h. in wiefem wir damit auch iiber die Erfahrung

hinaus gelangen konnen. Insofem ist dies Kapitel zugleich Pro-

padeutik der Metaphysik.Endlich im4-Kapitel werden wir die Wissenschaft im Allge-

meinen betrachten. Da Sie alle bestimmt sind Gelehne zu wer-

den, so ist es zweckdienlich an die Lehre von der ErkenntniBuberhaupt, die Untersuchung zu knupfen der wissenschaft-

lichen Erkennmif insbesondre: was namlich der Unterschied sei

zwischen dieser und der gemeinen: was der Gegenstand, der

Zweck, die Form und die Begrundung der Wissenschaften iiber-

haupt sei.

70

CAP. I.

Von der anschaulichen Vorstellung.

Haben Sie sich schon je emstlich gefrage,wie Sie dazu kommendas BewuBtsein einer AuBenwelt zu haben? so wie sie daliegt,

ausgebreitet im Raum nach drei Dimensionen? sich fortbewe-

gend in der Zeit, die stets gleichma6ig flieBt? imAusfUllendieserZeit durch Veranderungen geregelt durch ein bestimmtes Ge-

setz, das von Ursach und Wirkung? - Sind Sieje inne geworden,

wie wunderbar das ist, haben Sieje dies Problem inseiner ganzenGroBe wahrgenommen? Wo nicht, so thun Sie es jetzt mit mir.

Bedenken Sie ein wie kleiner Theil der Welt jeder von Ihnen ist

und in seiner Haut eingeschlossen: und Ihr BewuBtseyn ist ganzunmittelbar doch blofl das BewuBtsein Ihres Leibes, Empfin-dung in diesem Leibe: wie kommt das BewuBtsein dazu iiber

diesen Leib hinauszugehn und so sehr weit daB das BewuBtseineiner Welt daraus wird, daB Sie auf eine ganz Ieichte und be-

queme Weise kommuniziren, mit der ganzen Welt, d. h. mit

einer Unendlichkeit von Dingen: zu denen allen Ihnen der Wegoffen steht, zu naherer Bekanntschaft wenn Sie wollen. Und

doch bleibtJeder in seiner Haut eingeschlossen: unminelbar bei-

kommen kann ihm nur, was diese Haut beriihrt. Aber auch da,

was kann an sich und unmittelbar diese Beriihrung seiner Haut

fur ihn seyn? 1stsie unsanft, ein Schmerz, ist sie sanft, eine ange-

nehme Empfindung: ist sie keins von beiden, so wird er gar kei-

nen Antheil an ihr nehmen. Was ist denn eigentlich Schmerz,oder unangenehme Empfindung und was die angenehme? - Of-

fenbar ist die unangenehme eine solche, die er nicht mag, nichewill, also die seinem Willen entgegen ist: die angenehme eine

solche die er wohl mag, die er will, also die seinemWillen gema6

ist. Sie sehn daB die Empfindung des Leibes unmittelbar und an

sich, sich bloB auf den Willen bezieht: auch ist der Wille das

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Urspriingliche, das Radikale unsers Wesens. was aber nicht hie-

her gehore. Genug die Empfindung, die durch Beriihrung des

Leibes entsteht, ist an sich bloB in Hinsicht auf den Willen

bedeutend und ist noch gar keine Vorstellung, keine Anschau-

ung. - Woher kommt denn nun die Anschauung?Hieriiber hat es, so alt die Geschichte der Philosophie ist, bis

auf Kant, doch eigentlich nur zwei Meinungen gegeben: eine bei

den Alten und eine bei den Neuern. Das rnachr man hat sich in

friihern Zeiten wenig dam it beschaftigt: man fragte vielmehrnach sehr fern liegenden Dingen, nach dem Ursprung der Welt,

der Fortdauer nach dem Tode u. dgl.: aber nicht nach dem niich-sten, Und nun trifft es sich, daB, um auf jene Fragen eine Ant-

wort zu finden, ja nur verstehn zu konnen, allererst nothig war,

diese Probleme i.iber den Ursprung unsrer Vorstellungen und

Erkenntnisse gelose zu haben. Aber wie gesagt. - Darum ist die

Vorstellung der Alten iiber das Entstehn der Anschauung, sehr

kindlich ja roh, und doch eine hochst wunderliche Hypothese,

noch unbegreiflicher als was sie erklaren 5011. Namlich der Raum

und die Dinge in ihm, wie sie sind, die waren nun einmal da; aber

von den Oberflachen aller Dinge losten sich immerfort und un-

ablassig, Bilder ab, E L c 5 w A a , species sensibiles, die ihnen in allen

Stiicken ganz gleich und ahnlich waren: unsre Sinnesorgane hat-

ten aber pori [Offnungen] von solcher Beschaffenheit, daB die

Atome aus denen jene Bilder bestanden, hineinpaBten und so in

unveranderter Ordnung durchdringen konnten, auf welchem

Wege sie dann ins Gehim gelangten: und das waren eben die

anschaulichen Vorstellungen.

Es ist wohl iiberfliissig daB ich Ihnen das Kindische und Ab-

surde davon auseinandersetze. 1) Das setzt schon eben die an-

schauliche Welt inRaum und Zeit voraus, die doch erst in unsrer

Vorstellung da sind und wir wollen wissen, wie wir dazu kom-

men. 2) Wie sollen die ungeheuren E L c 5 w A a , die von einer Kir-

che, einem Berge u. dgl. ausflieBen doch durch die pori meinesAuges dringen? oder alle die Tone eines Ungewitters durch die

pori meines Ohrs? 3) Wie sollen nun nach allen Richtungen sich

solche Bilder absondem, die in Bezug auf jeden Standpunkt

andre seyn miissen, und sich doch nicht vermischen und stoBen:

jedes E t c 5 W A O V enthalt ein Stuck des andern, wie kommen sie

72

von einander los und nehmen verschiedne Richtungen? 4) Wie

durchkreuzen sich nicht in der Luft die VOn allen unzahligen

Dingen ringsum bestandig abfliegenden E L c 5 w A a , wie machen sie

es durch einander durchzukommen ohne sich zu stoBen, zu

verdrehen, zu verrenken, zu einem bunten Brei zusamrnenzu-

flieBen u. dgl. m. 5) Wie werden die Korper niche endlich

erschopft, verkleinert, aufgerieben durch dieses bestandige Ab-

sondern solcher Bilder ihrer ganzen Oberflache nach allen Rich-

tungen? Dennoch hat diese kindische Theorie sich eigentlich imganzen Alterthum und auch im Mittelaher behauptet. Der Urhe-

ber derselben scheint Empedocles gewesen zu seyn: dies bezeugt

die Stelle imPlato, M eno p 76 [76 a-e]. - und auch Stobaeus fiihrt

es als Lehre des Empedokles an £ cl og ae p hy s. L ib . I , c ap . 17[derHeerenschen Ausgabe 1801]. Democritos lehrte sie ebenfalls,

mit dessen Atomenlehre sie besonders zusammenhangt, daher

eben auch Epikuros sie lehrte und erlauterte [FuBnote: Epikurs

Darstellung findet sich in seiner Epistel an den Herodot (kann

wohl nicht der Historiker seyn der circa 150Jahre friiher lebte)

welche dem laton Buch des Diogenes Laertius beigefiigt zu wer-

den pflegt: -cap. 11. dieser Epistel: -ebenfalls in den auf Herku-

lanischen Rollen gefundenen Bruchstiicken der Bi.icher Epikurs

1 rE ( l L C P V U EW ~ : - edid. Orel lius L ips . 1818.] und Lucrez sie im 4t<n

Buch ausfiihrlich darstellt, Aber auch Aristoteles lehrte diese

Theorie und von ihm nahmen sie die Scholasriker, bei den en die

species sensibiles noch immer im Ansehn standen. - Es ist auf-

fallend daB die Alten in Hinsicht auf die Anschauliche Vorstel-

lung zu keiner bessern Einsicht gelangt sind, sondern sich daran

geniigen lieGen, wahrend sie die Lehre von der abstrakten Vor-

stellung, dem Denken, so weit brachten daB uns wenig hinzu-

zuthun blieb und die Logik die ich jetzt vortrage, dem Inhalte

nach, im Wesentlichen noch dieselbe die schon Aristoteles auf-

stellee.

Die zweite Theorie der anschaulichen [Daneben am Rand:

(Wer Locke gewesen.)] Vorstellung entstand erst um 1630 durch

Kartesius: sie erreichte ihre Vollstandigkeit etwa 50Jahre sparer

durch Locke: [Daneben am Rand: Destut Tracy.] ward allge-

mein angenommen; in Frankreich bearbeitet durch Condillac,

herrscht noch heut zu Tage in England und Frankreich allge-

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mein. BloB wir Teutschen sind durch Kant so sehr viel weitergebracht, daB das Unzulangliche davon bei uns ganz auBer Frageist, ja die Schriften der Englander und besonders der Franzosen

iiber das Erkennmillvermogen uns sehr seiche, Flachja kindisch

erscheinen. Wir sehn sie an wie Jemand der die ganze Analysisfm ito rum e t in fin ito rum [Analysis endlicher und unendlicher

GroBen] inne hat, einen andem der sich mit den vier SpeciesderArithmetik und Elementargeometrie abmiiht.

(Nur bemerke ich daB auch in England Thomas Reid angefan-gen hat einzusehn daB solche falsch ist: aber nichts besseres andie Stelle zu setzen hat; daher die Anschauung fur ganz unerklar-

lich und unbegreiflich erklart.) (Ignoranz der Englander undFranzosen in Hinsicht auf Kant und Teutsche Philosophie.)Da diese Theorie aber noch auBerTeutschland gilt, auch viel

natiirliches hat, ja eine Stufe ist zu der man gelangen muB, ehe

man zur hohern und richtigem Einsicht sich erhebr; so will ich

sie kurz darstellen, eben nach Locke. Dann werde ich Ihnen dasFalsche und Unzulangliche davon zeigen und grade dadurch

werden Sie vorbereitet zur richtigern und hohern Einsicht undgrade auf diese hingeleitet.

Die Lockische Theorie hat mit der des Aristoteles, die ich

Ihnen im allgemeinen darstellte, den Ausgangspunkt gemein indem Satz Nih il e st in i nte ll ec tu , q uod non p riu s f u er it in s en si bu s[Nichts ist im Intellekt, was niche vorher in der Sinneswahrneh-

mung gewesen ware. - Vgl. Aristoteles, Ober die Seele, III, 8,

432a und Thomas von Aquin, Quaest. de veritate, II, III, 19.]Wir werden nachher in Kants Sinn hinzusetzen praeter intel lec-tum ip sum [mit Ausnahme des Inrellekts selbst], und ich werdeIhnen zeigen, was das heiBt.Dern Locke also, wie dem Aristote-

les ist der Geist eine t abu la rasa [unbeschriebene Tafel] und Alleskommt von AuBen hinein. (Das ist eigentlich das npwrov ljIEV-

<50; [der erste falsche Schritt, der Fehler in einer Pramisse,

wodurch die Konklusion falsch wird].) Er karnpft besrandig leb-haft gegen die Lehre von angebomen Wahrheiten oder Ideen,

und dies eben leiter ihn fehl. (Wenn es auch nicht angebomeIdeen giebt, fertige Vorstellungen die angeboren waren, so giebt

es doch Formen des Intellekts, die da sind ehe die Materie derVorstellungen hineinkommt.) Alles kommt von AuBen und die

74

Sinne sind die Eingange durch die es kommt. [Daneben amRand, mit Tinte durchgestrichen: Was die Sinne beriihrt, stehtals Anschauung da.] Das Sinnesorgan erhalt einen Eindruck,

z, B. den des Weiflen, nun haben wir die I de e d es W e ifle n: dieZunge erhalt den Eindruck des Siiflen, nun haben wir die Ideedes SuBen, und aus beiden zusammen die des Zuckers. Getast

und Gesieht zusammen erhahen die Idee des Kegelformigen,nun haben wir einen Zuckerhut. Das ist die Art wie Locke die

Anschauung erklart, Der Sinneseindruck, d. h. der Ton, Ge-ruch, Geschmack, Farbe, Eindruck aufs Getast, ist die einfacheVorstellung, s imp le I dea [einfache Vorstellung]; wie erwa beimZuckerhut die WeiBe,SuBe. Konische Gestalt, Schwere: aus der

Zusammensetzung solcher s imple Ideas machen wir die complexIdea [zusammengesetzte Vorstellung] den Zuckerhut. Weiterund anders erklart er die Anschauung nieht: damit, meint er, ist

sie erklart, Die Empfindung, der Sinneseindruek sei eben schon

die Anschauung: sie gebe uns ja Ideen: denn seine hierin armeSprache hat kein andres Wort fUr Vorstellung, Bild, Gedanke

u. s.f., alles ist Idea, und eben schon die bloBe Empfindung desSinnes nennt er Idee, Idea; eben so die Franzosen; auch die Teut-schen kurz vor Kant z. B. Sulzer. Daher spricht [Locke] vonI de as o f ta ste , o f sme ll, o f s ig ht, o fs ound , o f t ou ch [Geschmacks-,Geruchs-, Gesichts-, Gehor-, Gefiihlsvorstellungen]. Also ebender Sinneseindruck ist ihm die Vorstellung, und zwischen beidenkein Unterschied. Er sagt was inmir Idea ist, z. B.die der rothenFarbe, ist im Dinge Quality [Eigenschaft]. Dann ist man bald

fertig. Die Eindriicke sind da und sind eben die Anschauung,diese giebt uns Nachricht von einer Korperwelt auBer uns: denn

jede Wirkung muB ihre Ursach haben: nun haben wir die an-

sehauliche Welt der Erfahrung. Verum enimuero [(verstarktes)aber], aus der Erfahrung beweist er aber erst daB jede Wirkung

ihre Ursache haben muB!Denn keine angeborne Ideen. Alles ausErfahrung: also auch dies. - Bemerken Sieden Cirkel! [Danebenam Rand die Bleistiftnotiz: Stelle wo die Kantische Philosophiedie Lockische entert.] - Ich werde hierauf zuriickkommen. Alsodie Einwirkung auf die Sinne is t eben schon die Anschauung:[FuBnote: Zwischen Empfindung der Sinne und Vorstellung,wird gar nicht unterschieden: daBzwischen beiden einmacheiger

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Untersehied sei, das fallt ihm niche ein, eben weil er fest be- fest nennen, das waren so Kombinationen der Figur, Solidieae,

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sehlossen hat, nichts Angebornes imGeiste gelten zu lassen, undda wird seine ErkenntniB von seinem Willen schon von ferneabgezogen von den Wegen, wo ihm etwas Angebornes aufstoBen

konnte.] wir lernen die Dinge dadureh kennen, und jeder Emp-

findung oder Idea in uns entsprieht eineQualitat imDinge auBeruns. Es fragt sich, sehn diese beiden einander ahnlieh? - Ant-

wort: Sehr selten, meistens ganz und gar nicht, Denn wir lernengar nieht die Dinge kennen, sondern bloB ihre Wirkung in uns.

Die Empfindung deutet blof auf eine Ursaehe im Dinge; dieseaber mag meistens mit der Empfindung gar keine Aehnliehkeit

[Dazu am Rand mit Bleistift: Ursaeh und Wirkung haben meistkeine Aehnliehkeit. Beispiele.] haben, ja kann sie niche haben.

Das SuBe des Zuekers ist eine Empfindung der Zunge, aber dieQualitae der SuBeim Zucker hat damit keine Aehnlichkeit, son-

dern ist bloB eine Eigensehaft die als Ursaehe diese Wirkung auf

der Zunge hervorbringt. Eben wie die Sonne Wachs weich

macht, das ist ihre Wirkung; aber in der Sonne ist nichts dieser

Wirkung ahnliehes anzutreffen. Das Feuer brennt meine Hand,

aber es hat keine objektive Qualitat die Aehnliehkeit hatte mit

meiner Empfindung des Sehmerzes. Wenn wir daher das Feuerh e i f J nennen; so meinen wir nicht, daB es eine Besehaffenheit

habe, die unsrer Empfindung des Brennens gleiehe, sondern nurdaBes Ursaehe dieser Empfindung werde. Soist die Farbe bloBinmeinem Auge, Wirkung einer Ursache die selbst gar keine Aehn-

liehe Besehaffenheit haben kann, sondern von dieser ihrer Wir-kung so versehieden ist wie das Messer was mieh schneider vom

Sehmerz dabei. Hieraus folgt daB die Dinge die wir durch die

Empfindung kennen lernen doeh mit dieser gar keine Aehnlich-

keit haben, statt daBnaeh der Aristotelischen Theorie die EL6wAa

[Bildchen] treue Kopien der Dinge sind. Nun fragt Loeke welchesdenn aber die Eigensehaften seien, welehe die Dinge wirklieh und

an sich haben und vermoge deren sie in unsern Sinnen aile jeneWirkungen hervorbrachtenl Antwort: Ausdehnung, Soliditat(Undurehdringliehkeit), Figur, Ruhe oder Bewegung, und Zahl.

- Die versehiednen Modifikationen und Kombinationen dieser

runf waren die alleinige Ursaehe aller jener Wirkungen auf unsreSinne. (Illustr.) Was wir Blau, Wohlrieehend, SuB,Pliissig oder

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Ruhe und Bewegung, und Zahl der kleinsten ansich fur uns nichewahrnehmbaren Theile. Daher nennt er jene urspriingliehe oderprimaTe, diese sekundare. (illustr.) Gabe es keine Augen, sowa-ren Farbe, Licht, Schatten gar nicht vorhanden: gabe es keine

Gaumen; so waren SuB, Bitter, salzig, gar niehts. Gabe es keineempfindende Wesen, sowaren Kalte, Warme, Gluth, Harte, Wei-

che garniehts. Hingegen Ausdehnung, Soliditat, Figur, Ruhe undBewegung, und Zahl, die waren und blieben, es moehre nun

wahrnehmende und empfindende Wesen geben oder nicht. Denndas waren Eigenschafren der Dinge an sieh. Ich werde vielweiter

unten hierauf zuriiekkommen und dann, wann Sie in die tiefereEinsicht eingedrungen seyn werden, Ihnen zeigen wie Locke

grade hiedureh das Flaehe seiner Ansieht und groBenMangel anphilosophiseher Besonnenheit deutlieh an den Tag legt. Was wir

aber erst einsehn konnen, naehdem wir dureh Kant auf einen so

sehr vie! hohern Standpunkt gestellt. -Wenn man nun fragt was denn jene fiinf primaren Eigenschaf-

ten, die wir doeh auch eben wie die andern dureh die Sinne und

die Empfindung kennen lernen, voraus haben, wodureh sie zu

der Ehre kommen wirklieh ursprungliche, primare Eigensehaf-ten zu seyn, wirklieh auBer uns vorhanden zu seyn als Besehaf-fenheiten der Dinge an sieh, wahrend aile andern nur ein relati-

ves Daseyn hatten und bloBe Affektionen unsrer Slone waren,auBer denselben aber nieht vorhanden? - Sohat Locke nur eine

sehr elende Anrwort, die er daher nur im Vorbeigehn giebt undden Punkt niche weiter beriihrt: Er meint namlich diese primarenEigensehaften waren ganz unzeTstorbaT und hiengen daher den

Dingen selbst und an sich an: hingegen die sekundaren waren

zerstorbar: jede Farbe, Gerueh, Gesehmaek, Ton, Warme

Kalte, Harte Weiehe, wiirde zerstdrt und gienge in eine andreiiber. hingegen Gestalt, Soliditat. Ausdehnung, Zahl, Ruhe Be-wegung blieben den Dingen unter allen Umsranden: z, B. man

konne alle Eigensehaften eines Dinges zerstoren, aber seine Soli-ditat niche, und er sagt: wenn aile Korper der Welt auf einen

Wassertropfen von allen Seiten drangten, so konnten sie nichtseine Soliditat aufheben, sondern er bliebe und hinderte sie zu-

sammenzukommen seinen Raum einzunehmen, wenn er ihn

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nicht verlaBt. WeiBder Mann das auch aus Erfahrung?!! - Nunaber ist die Antwon gar nicht wahr, und kann bloB von der Un-durchdringlichkeit gelten: aile Figur ist ja zersrcrbar: geht frei-

lich in andre Figur iiber; aber anders ist Farbe, Geschmack, tast-bare Eigenschaft auch nicht zerstorbar: {lllustr.), Eben so wirdBewegung Ruhe aufgehoben; die Zahl vollends, man macht aus

einem Kerper zehn; schmilzt zehn Kugeln in eine zusammenu. s.f.•also der Unterschied ist gar niche vorhanden. Jene Eigen-schaften miissen also ganz erwas andres Besondres haben, das

ihn darauf leitete, sie fur wesentlicher und urspriinglicher als dieandern zu erklaren, und das auch machte daB alleWelt dies gel-ten lieB.Es sind die Eigenschaften welche die Scholastiker trans-scendentale nann ten : (suoloco) .Wir werden weiterhin sehn, daBes die apriori, vor aller Erfahrung erkennbaren, die metaphysi-

schen sind: denn sie laufen zuriick auf Raum Zeit und Kausalitat

(IIIustY.). -Aber wir wollen fur jetzt uns gar nicht darauf einlassen und

nicht mit Locke dariiber streiten, was den Dingen an sich zu-komme und was bloB unsrer Wahrnehmung. Anschauungs-

weise derselben angehore, was vorhanden sei und bleibe, auch

wenn wir, mit unsern Sinnen und Erkenntniflkrafeen, gar nichtdawaren: das werden wir untersuchen bei der Lehre von derErscheinung im Gegensatz des Dinges an sich und da wird

wohl erwas andres sich ergeben ais diese Lockische Weisheit.Wir fragen fur jetzt blofl wie wir z ur An sc hauung gelangen,gleichviel ob in dieser Anschauung die Dinge erscheinen wie sie

an sich sind. oder anders. Wir fragen bloB nach dem Entstehn,dem Ursprung dieser Anschauung der Welt in uns, und sehn

noch ganz davon abowas das sei, das durch solche Anschauung

sich kund giebt.Locke glaubt nun dieses genug erklart zu haben, wenn er sagt:

wir erhalten Eindriicke von auBen. diese empfinden wir ver-

schiedentlich, und das ist die Anschauung: - er laBtdie Anschau-ung eben inder Empfindung bestehn; sie ist ihm mit der Empfin-dung Eins, ist also durchaus sensual: sobald wir die Empfindunghaben, haben wir auch die Anschauung. Alles dazu Gehorigekommt eben von AuBen in uns hinein, denn es ist eben nichtsweiter als die Empfindung der Sinne, welche durch Eindruck

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von AuBen erregt wird. Ich hoffe Sie sollen allmalig einsehn, wieganz ohne Besonnenheit diese Antwort ist. Zuvorderst, dieDinge stehn doch vor uns im Raum, der drei Dimensionen [hat].

welche durch und durch nach der strengesten GesetzmaBigkeitzusammenhangen. die die Geometrie uns lehrt, und welcher dieDinge im Raum in Absicht auf ihre Lage gegeneinander sichdurchgangig und ganz genau fiigen: - is t d en n d ie se r R a um nunauch e ine Empfi ndung der Sinnesorgane? und kommt er auch so

von AuBen in uns hinein? wird auch der Raum empfunden? Wiekommen wir denn dazu die Dinge als neben, vor, hinter, uber.unter einander, nach sehr genauen Bestimmungen und feinen

Verhaltnissen zu erkennen? liegt das auch in der Empfindung derSinnesorgane? Und iiberhaupt w ie kommen wir dazu die Dingeau ft er unswahrzunehmen, da uns doch nur ihre Wirkung unmit-telbar gegeben ist, die in u ns vorgeht? die Empfindung doch bloBin un s ist?Jeder, wie gesagt, in seiner Haut steckt? - Erwa weilwir von der Wirkung in uns schlieBen auf eine Ursach, und da

diese nicht in uns zu finden, sie auBer uns versetzen? - Dazu

muBten wir aber erst den Raum haben und kennen, in welchem

ein innen und auften sich unterscheidet, und wir wissen nichtwoher er uns gekommen: daBwir ihn nicht empfunden haben,

ist offenbar; und uns selbst versetzen wir ja in diesen Raum: wo-her haben wir den? er kann doch niche als eine Empfindung inuns gekommen seyn, da vielmehr wir in ibm sind: aber sodannzweitens, wie kommen wir doch dazu, eine Empfindung zu be-trachten als eine Wirkung und zu wissen daBeine Wirkung eineUrsache haben rniisse?Wo haben wir gelernt, daB jedeVerande-

rung eine Wirkung sei die eine Ursache haben miissej' Locke

muBte sagen und sagt auch (aber nicht bei dieser Gelegenheit,

denn er laBtsich auf dies alles weislich nicht ein), aus der Erfah-rung Iernen wir daBWirkungen Ursachen haben: aber die Erfah-

rung kann uns doch erst kommen, nachdem wir eine gute Weile

den Lauf der Welt angeschaut und beobachret haben: wir sindaber noch lange nicht so weir, sondern sollen noch erst die blofteAnschauung erhalten durch die nachher uns die Erfahrung gege-ben wird; die Moglichkeit derselben suchen wir: wie kommen

wir dazu, von der Wirkung, die in der Empfindung besteht,

iiberzugehn zur Ursacbe, und dann diese aufter uns zu versetzen

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in den Raurn, und dadurch ein Ding in seinem Raum an-

zuschauen? wie kommen wir dazu, wenn wir, daB Wirkungen

Ursachen haben, allererst nach vieler Erfahrung lemen

konnen, zu welcher wir doch schon die Anschauung der

Dinge auBer uns haben miissen} Hier liegt die Absurditat der

Lockischen Philosophie am Tage: Irren ist sehr verzeihlich,

d. h. auf eigne Hand irren: aber fremde Irrthiimer noch nach-

beten nach Jahrhundenen und keine Notiz nehmen von denen

die vie 1 weiter gekommen, wie Condillac, Destut- Tracy,Dugald Steward, das ist Unwissenheit, Stolz, Dummheit. -

Hier setzt also die Anschauung voraus, daB wir Erfahrung ha-

ben um aus Erfahrung zu wissen daB es Ursache und Wirkung

giebt; aber die Erfahrung setzt voraus daB wir die Anschauung

haben und benutzen: das ist ein arger Cirkel in dem wir uns

drehen. Ich denke, die Ochsen stehn hier ganz und gar am

Berge.

Aber nun will ich es noch arger machen. Denn von diesem

blinden Empirismus muB ich Sie erst radikal kuriren ehe ich Sie

zu tiefrer Einsicht leite und Ihnen begreiflich mache, wie wir

dazu kommen, so eine Welt wie diese ist, im Kopfe herumzutra-

gen. - Nach Locke ist die Empfindung eben schon die Anschau-

ung, wie sie vor uns steht, und die Anschauung ist ein aus lauter

Empfindungen (simple ideas genannt) Zusammengesetztes

(compound Idea). Das ist eine rnonstrose Behauptung, die man

ihm hun den Jahre hat hingehn lassen, und noch gehn laBt: denn

auBer Teutschland weiB man nichts von Kant. Ich sage, aus blo-

Ben Empfindungen und ihren Zusammensetzungen wird nie

eine Anschauung, und die Empfindung ist so wenig schon die

Anschauung einer objektiven Welt, in Zeit und Raum und Ver-

anderung, wie sie vor uns steht, daB vielmehr die Empfindungder Sinne noch gar keine Aehnlichkeit hat mit der Anschauung.

Dies klingt paradox; aber ich will es Ihnen jetzt zeigen: jedoch

muB ich von Ihnen etwas verlangen, das schwer ist, namhch zu

sondem was in Ihrem BewuBtsein sich schon fest verkniipfe hat,

namlich die bloBen Empfindungen Ihrer Sinnesorgane auf au-

Bern Reiz, und die Anschauung der Objekte, welche auf AnlaB

dieser Empfindungen in Ihnen entsteht; wir wissen noch nicht

wie. Ich habe schon friiher bemerkt, daB jede Einwirkung auf

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unsem Leib, die empfunden wird, sich zunachst und unminel-

bar bloB auf unsem Willen bezieht, nichr auf irgend eine Er-

kenntniB; daB sie namlich als angenehm oder unangenehm emp-

funden und wahrgenommen wird. [Daneben am Rand, mit

Tinte wieder durchgestrichen: und wenn das nicht ist, gar nicht

beachtet wird.] Die Empfindungen der meisten Sinne, nament-

lich die des Geruchs, Geschmacks, und Gefuhls werden von uns

hauptsachlich nur in dieser Riicksicht bemerkr: besonders die

des Geschmacks und Geruchs (illustr.), daher Kant sie subjektiveSinne genannt hat. Ihre Empfindungen werden nicht sowohl auf

das Objekt bezogen, um so der ErkenntniB desselben zu dienen,

als aufs Subjekt des Willens.

[S cho penh i" d ar f h in. daB h i•• fii. di •• O iano io lo gi•• mehre r e S c i ,. n d .. I . T .i ll d e •• c ho n£nih...... 8oarbciktm .Vorl . . ung i ib t. d ie 8......... 1. P hi lo lO p hi• • ( -T h o on . d o t 8......... lm Vo.".I·1 m•• Om km. u nd E .k mnm. ) f ol sm s oUte ( s. u .• S . 17 8.b . Un d h im n 6 0S " b is .";'l.ockc _U .... ufS. IU). Dann 1011. . i th i ndo • • O i ano i o log i• • f o IKmde,mil Blois 'i f ,durchge l l richme S, . Il . a ruchl i ri lm:)

Ich habe Ihnen also nun gezeigt, daB die Anschauung keines-

wegs blof sensual ist, keineswegs schon gegeben ist in der blo-

Ben Empfindung der Sinne. Dies war aber die zweite Theorie der

Anschauung, welche die Geschichte der Philosophie darbietet,

die Theorie der neuern Zeit, ausgebildet durch Locke.

Nachdem ich Ihnen also die Abwege gezeigt, leite ich Sie jetzt

auf den rechten Weg.

Zusammenhang mit der Anschauung der vorhandenen Welt

hat die Empfindung gewiB, aber sie an sich ist keineswegs schon

die Anschauung, sondern es rniissen noch ganz andre Dinge hin-

zukommen, oder vielmehr schon fenig vorher da seyn, damit die

Empfindung, wenn sie kommt, solche vorfinde, mit ihnen sich

vereinige und so zur Anschauung werde. Die Empfindung bleibt

dabei, aber siewird Anschauung: sie nimmt also eine andre Forman, die Form der Anschauung an. Was nun diese Form der An-

schauung sei, in welche die Empfindung der Sinnet wenn sie

kornmt, sogleich eingeht, und dann als Anschauung dasteht, das

haben wir zunachst zu betrachten. Nachdem wir diese Formen

als bloBe Formen kennen gelernt haben werden, dann werden

wir betrachten wie die Empfindung bei ihrem Eintritt in sie ein-

geht und nun zum Formalen der Anschauung das Materiale

(Reale) kommt, und so diese Welt fur uns dasteht wie wir sie im

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Kopfe herumtragen. Vorlaufig sage ich Ihnen: dieses Formale

der Anschauung besteht in dreierlei: 1) die Form der Zeit, 2) die

Form des Raums, die zusammen wir nennen wollen reine Sinn-

lichkeit, 3) die Form der Kausalitat, d. i. der Verstand: daB dies

so sei, werde ich Ihnen zeigen. Also:

(CAP.2.

Von Ze it und Raum :oc le r v on c le r re in e n S innli chke it.)

( Sc ho pm la u . .. l iB . h i .. . fiit d i •• D ia no io lo gi • • ti n. S .. I I. a Ul d •• • V or l .. u ng iibtt d it g na mm l< P hi lo -

I Op hi • • l ol gm . D ie S t.l le . a uf d ie e ....... i .. l .u l< l:) A ll . . I nK ha ul ic h. O bj.l " ... h . c ia im R aum und in d ..

Ze i t, S o ,.0 B auch di. V .nchie de nh.i .. n de t O bjo " .... yn m ose n, ... i.. do ch di .... ihnm ail •• ,.m tin.

D ab .r •• nnm w ir Z ei. und b um die F orm .n d.1 O bje k .. als lo ie hm . o d ....... I cb .. tine .le i. die F orm m

unn .. V onuU ung ••• lo lgtich un A nschauung ... tiae , F orm m d ... unl m osliche n E rk • • n m i4 . (5. u .•

s. 131)D ar in s ol i •• ,i eh b u. Hin i J l o lg .n d. Z e tt tl DOU& In se h li tBm ,)

Diese Formen, Raum und Zeit, sind nicht Gegenstand der Er-

fahrung, sondern Bedingung derselben. Sie sind die Art und

Weise wie wir aile Dinge anschaun milssen, d. h. sind die For-

men unsers Bewulltseins, vermoge deren die Anschauung auf

erhaltene Eindriicke allererst moglich wird. Sie liegen daher in

uns, wir sind vor alIer Erfahrung uns ihrer bewu6t und konnen

uns auch von diesem ihrem Daseyn im Bewu6tsein vor aller Er-

fahrung iiberzeugen. Dies ist eine Haupt-Entdeckung Kants, ist

die Basis seiner Philosophie, wodurch er vorzuglich die Philo-

82

sophie so vieles weiter gebracht hat und die Teutschen in dieser

Hinsicht auf einen sehr vie Ihohern Standpunkt gebracht sind als

aile andern Nationen.

Wenn ich das ganze der Philosophie vortrage und auf Meta-

physik hinarbeite, zeige ich aus den Begriffen von Objekt und

Subjekt daB es so seyn miisse und worin es zuletzt liegt. Hier

aber begnuge ich mich, nach Kants Vorgange, die faktische

Nachweisung zu geben, daB es so sei; also daB Zeit und Raum als

Formen unsres anschauenden Bewu6tseins, vor aller Erfahrungin uns liegen, wenn sie gleich nicht der Zeit nach friiher als die

Erfahrung ins Bewulhsein treten; sondern beim Anfang unsers

Daseyns die Erfahrung eben auch schon anfangt und jene For-

men also gleich im Verein mit ihr, auf AnlaB der Empfindung,

aber nicht durch die Empfindung ins Bewu6tsein treten.

(Hitr Khlidt lich bu. Hin •• i, .ieder d .. T en der • Vorl .. "ng iibtt c Ii . , . . a mm • • P hi 1o JO P hi • • I n ab

K ap i. ol . Vo n d . .. E rk mn tn i4 qriorI. ( , . 10 . • S. U4,. O erT enlw isch ... di FO rtle tlung uD d d .. Ste lle .

aul die ... " ,,"or gorzde v""; .. (.AUn anseh.uliche Objok .. b iJ .~b ErmnmiS.) iJ. in dor Hand-s eh ri l. m it l ri ne n B lc in il di ni ft l d ur ch g . . t ri ch m. D in e wit i hn li eh e K o ,. .k tu rm d . . l ol JCD dt n P ar ti &n d Ol

I . T o i l, d . . .. V o rl nu n, iibtt d i. a tl am m •• P hi lo lo ph it ... I di tm l ie h d ar au l. d &8 S ch op mh au tt d ie bett.l-

f on d ... S •• l le n b ci m V on ra , d .r D . ... o io lo g ... d ie ;. n ur .in. Um ar bc i. uf tg d i I.T ti ls i Jl , ..... U I.... D

o d.r l.e ckm lJ pre cho nd ,.indo n lU I .... b e.b ,ichtigt •. 1 m l olgm dm I . T eil d V orlnuns ist iib crall ci a

d ie l ti ih . .. . La...... e d. th .r gn • • II •• "0 .1 . in do ut ig i ll , d aB d i. K o rr rk tu r e n ( mt i. 1 m il B lt il ti ft d ur ch s. -

.. r ic he n. S I'U ,., n ur d .r .D ia no io lo gi •• "'rgc. n an la nd m. D ie K or rtk tu •• n l in d in e ck ig m K la mm e m

.. rm r.kl, so daB lich d ... kU ...... T nt de r -Di.. e io lc gi • •• i n S r ii ck ",.i, .u .a mm ms n .... l ii Bl .j

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Vorlesung

iiber

Die gesammte Philosophie

d.i.

Die Lehre vom Wesen der Welt undvon dem menschlichen Geiste.

In vier Theilen.Erster Theil. Theorie des gesammtenVorstellens, Denkens und Erkennens

1820

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Exordium iiber meinen Vortragund dessen Methode.

Ich habe die Grundziige der gesammten Philosophie angeki.in-digt und habe daher in e in em c ur su s Alles das vorzutragen, wassonst als Erkenntnifllehre i.iberhaupt, als Logik, Metaphysik der .

Natur, Metaphysik der Sinen oder Ethik, Rechtslehre, Meta- ,physik des Schonen, oder Aesthetik in eben so vielen verschiede- .J

nen cursus vorgetragen wird.Der Grund, warum ich in Eines verkniipfe, was man sonst

trennt, und mir dadurch die zu einer Zeit zu leistende Arbeit sehr

haufe, liegt nicht in rneiner Willkiihr, sondern in der Natur der _ Li,\1 I. (

Philosophie. In GemaBheit namlich der Resultate zu denen mich \ ._'mein Studium und meine Forschungen gefuhrt haben, hat die \.?('! lPhilosophiejeine Einheit und innern Zusammenhanp,.,ie durch- ._' 0aus keine andre Wissenschaft., alle ihre Theile gehoren so zu ein-

ander wie IeelOesorga~henLeibe~und sind daher, eben wiediese, nicht von em anzen zu trennen, ohne ihre Bedeutung

und ihre Verstandlichkeit einzubiiilen und als l ac er a m emb ra

[zerstiickelte Glieder], die auBer dem Zusammenhang einen wi-

derwartigen Eindruck machen, dazuliegen. Denken Sie sich ein

erkennendes Wesen, das nie einen menschlichen Leib gesehn

hatte, und dem nun die Glieder eines solchen Leibes einzeln undnach einander vorgelegt werden; konnte ein solches wohl eine

richtige Vorstellung erhalten vom ganzen menschlichen Leibe, ja

nur von irgend einem einzigen Gliede desselben? wie sollte esdie

Bedeutung und den Zweck der Hand verstehn, ohne sie amArm, oder des Armes, ohne ihn an der Schulter gesehn zu ha-ben? u.s.w. - Grade so nun ist es mit der Philosophie. - Sie ist --:

eine ErkenntniB vom ei e tlicM.n_lVl<:~lLdiC:$.eL..elt.in..det.w.jrsind un die in uns ist; eine ErkenntniB davon im Ganzen und

"]Jrgemeinen, aeren LIcht, wenn sie gefaBtist, nachher auch alles

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Einzelne, das J edem im Leben vorkommen mag, beleuchtet und

ihm dessen innere Bedeutung aufschlieBt. Diese ErkenntniB HiBt

sich daher nicht zerstiickeln und theilweise geben und emp-

fangen. Ich kann niche von den Formen des Denkens d. i. des

abstrakten Erkennens, welches der Gegenstand der Logik ist,

reden, ohne vorher vom anschaulichen Erkennen geredet zu ha-

ben, zu welchem das abstrakte stets in genauer Beziehung steht,

kann also die Grundlehren der Logik niche griindlich und er-

schopfend vortragen, ohne das Ganze unsers Erkenntnillvermd-gens zu betrachten und z u z er gl ie d er n, also auch das Anschau-

liche Erkennen und dessen Formen, Raum, Zeit, Kausalitat,

wodurch ich schon auf dem Gebiet bin, welches man Metaphysik

genannt hat. Rede ich nun aber vom anschaulichen Erkennen fiir

sich, so betrachte ich die ganze Welt, bloB sofem sie in unserm

Kopfe vorhanden ist, also sofem sie blofle Vorstellung ist, und

zeige, daB jedes Objekt, jeder Gegenstand, nur als Vorstel lung in

einem Vorstellenden, einem Subjekt existiren kann. Kann und

darf ich Sie nun niche in den Wahn versetzen, daB die Welt eben

we it er n ic ht s als b lo f le Vorst e llung , d. h. blof les Phantom, leerer

Traum sei; so muB ich mich auf die Frage einlassen, was denn

zuletzt aIle diese Vorstellungen bedeuten, was das als Vorstel-

lung uns Gegebene, noch etwa auBerdem, auBer aller Vorstel-

lung, also was es ansich sei, Ich komme also nothwendig auf die

ILehre vom Dinge ans ic h, vom eigentlichen und wahren Wesen

Lder Welt, d. h. ich komme z ur e ig e nt li ch e n Metaphysik, und

muB jene erste Betrachtung der Welt als bloller Vorstellung in

uns, erganzen durch die Betrachtung der zweiten Seiee der Welt,

namlich des if!!lern..We~ens derselben: muB Ihnen also die ganze

Metaphysik ~o~ragen,lwenn ich nicht durch aIle vorhergeg~n-

genen Lehren, Innen ~ehr geschadet als geholfen haben will,niche Ihnen einen ganz falschen Idealismus in den Kopf gesetzt

haben wil l. - Sollte nun aber als das Resultat unsrer Forschungen

nach dem innem Wesen, der als unsee Vorstellungen in Raum

und Zeit erscheinenden Dinge, etwa sich ergeben haben, daB

dieses innere Wesen dee Dinge, eben niches anderes ist, als jenes

uns durch die unmittelbarste Selbsterkenntni6 genau bekannte

und sehr vertraute was wir in uns den Willen nennen; so entsteht

nothwendig die Frage nach der Bedeutung und dem Werthe der

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Aeu6erungen dieses .Willens in uns, also das BediirfniB der

Ethik, oder ~enigSte~ einer Metaphysik der Sitten, als welche

sodann erst auf alles friiher Gelehne das volle Licht wirft und es

seiner eigentlichen Bedeutung nach erkennen laBt: da sie den

Willen an sich betrachtet, als dessen Erscheinung uns das Vor-

hergehende die ganze anschauliche Welt erkennen lieB. Ich muB

also dann zur dargelegten M etaphysik sogleich die Ethik ftigen,

oder vielmehr eigentlich nur jene Metaphysik von der ethischen

Seite betrachten, zur Metaphysik der Natur die der Sitten fu -gen; urn so mehr als sonst zu besorgen ware, daB jene Metaphy-

sik der Natur Sie zu einem trostlosen und unmoralischen Spi-

nozismus verleiten konnte, ja Sie so verwirren konnte, daB Sie

sich der wichrigsten aller Erscheinungen des Lebens, der gro-

Ben Ethischen Bedeutsamkeit al les Handelns verschlossen, und

zur verstockten Ableugnung derselben verfuhrt werden konn-

ten. Daher ist es durchaus nothwenig an die Metaphysik

der Natur sogleich die der Sitten zu knUpfen, urn so mehr, als

der Mensch, seinem ganzen Wesen nach mehr praktisch als

theoretisch, so sehr auf das Thun gerichtet ist, daB bei jeder

Untersuchung, woriiber si e auch sei, die praktische Seite dersel-

ben ihm stets das Interessanteste ist, allemal von ihm als das ei-

gentliche Resultat angesehn wird, dem er seine Aufmerksam-

keit schenkt, sogar wenn er al les Vorhergangige derselben nichegewUrdigt harte, Daher finder das Ethische Resultat jeder Phi-

losophie allemal die meiste Beachtung und wird, mit Recht, als

der Hauptpunkt angesehn. Die Metaphysik der Sitten aber

allein voreragen, konnte ich durchaus nicht, weil die Metaphy-

sik der Natur ganz und gar die Basis und Sriitze derselben ist,

und ich in der Ethik nieht etwa wie Kant, und alle die seit ihm.

philosophitcllabe';:- t6~~~.!~~·-elnem·a~solutenIQ.!.L~nd nicht .wetter~~en kateg?r1s:cn~riI!!l..Eerativ oder]i~i:~nse-

sezeausgelie; so nOern von rem theoretischen Satzen: so daB die

urueugoaii: grofle Ethisehe Bedeutsamkeit des Handelns, wel-

che sich uns in dem ankiindigt, was man das Gewissen nennt,

nicht von mir (wie eben von Kant u.s.w.) ohne weiteres postu-

lirt und fUr sich hingestellt, ja zur Grundlage von Hypothesen

gemacht wird; sondern sie wird von mir vielmehr als ein.p.t:.Q:

blem genommen, welches der Auflosung bedarf undsolche.er-

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h_altaus der vorhergegangenen Metaphysik der Natur oder Er-kl~~S_ThIl~fif.w~~e_Qf4erW'eJ!;: -_ - --- - - - --- -- - _.--

Wenn nun alsodie Metaphysik der Sitten zu den friiher vorzu-nehmenden Betrachtungen nothwendig hinzukommen muB,

urn das Misverstehn derselben zu verhiiten, urn solche ins geho-rige Licht zu stellen, und urn iiberhaupt das Wichtigste und je-

dem am meisten Angelegene niche wegzulassen: so ist hingegenmit der Metaphysik des Schonen dieses nicht in gleichem Grade

der Fall, und sie konnte allenfalls, ohne groBen Nachtheil, ausdem Ganzen unsrer Betrachtungen wegfallen. Jedoch konnte ichsie nicht fiir sich und abgerissen vortragen, weil sie, wenn sie

gleich nicht vom Uebrigen nothwendig vorausgesetzt wird;doch eben selbst dieses Uebrige nothwendig voraussetzt und

ohne dasselbe nicht griindlich verstanden werden kann. Ueber-dies tragt auch sie doch vieles bei zum bessern VerstandniB derMetaphysik der Sitten und ist daher eine sehr taugliche Vorberei-tung zu derselben, hat auch sonst manche Beziehungen zurnGanzen der Philosophie; so daBes zweckmaBig ist sie inVerbin-dung mit diesem vorzutragen. Ich schicke sie daher der Ethik

vorher und nehme diese zuletzt.Sie sehn also die Griinde welche mich bewegen das Ganze der

Philosophie auf einmal und alle verschiedenen Disciplinen dieman sonst trennt zusammen vorzutragen. Da dieses in einem

Semester geschehn soli, so ergiebt sich von selbst, daBwir von

('-allen jenen Discipliner; nur die Grundwahrheiten, das Allgemei-

nere durchgehn werden, nicht aber bis auf das SpecieUeund die

L-Anwendung imEinzelnen kommen werden. Sowerde ich Ihnenzwar die Basis, das Wesen, die Hauptlehren der Logik vortragen,nicht aber aile verschiedenen moglichen Arten von Schliissen

durchgehn. Ebenso in der Etbik zeigen was der Ursprung derEthischen Bedeutsamkeit des Handelns sei, worin das eigent-liche Wesen des Guten und Bosen bestehe, wie weit beides in den

AeuBersten Fallen geht, jedoch nichr von diesem allen die An-wendung machen auf alle moglichen Verhaltnisse des Lebensoder etwas dem Analoges aufstellen was man eine durchge-fiihrte, systematische, komplete Pflichtenlehre nennt. Eben so

in der Rechtslehre werde ich den Ursprung und den eigentlichenSinn der Begriffe Recht und Unrecht darlegen und die Haupt-

I'

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frage losen, auf die alles ankommt, niche aber die Anwendungderselben auf aile menschlichen Verhalmisse durchfiihren. Das

ist auch nicht nothig: denn wer das Allgemeine einer Sache, dieGrundwahrheiten, die obersten Satze wohl gefaBthat, kann sehrleicht bei einigem Nachdenken, die Anwendung davon auf dasEinzelne und die Durchfiihrung bei allem ihm Vorkommendenselbst machen, auch im_NQl fall sich in den fast unzahlbarenLehrbiichern Raths f;..holen in denen das Einzelne meistens

ziemlich richtig aufgeza t und dargestellt ist, wenn gleich dasAllgemeine verfehlt und der Gesichtspunkt des Ganzen falschist.

Der Gang unsrer Betrachtung aber wird folgender seyn. Nachvorangeschickter Einleitung iiber das Studium der Philosophie

iiberhaupt, werden wir ausgehn von der Vorstellung und dieWelt bloB betrachten sofem sie unsre Vorstellung ist, s~fem sieimJ$.opfe eines Jeden vorhanden ist, Wir werden dannzuvor=-derst zweierlei Arten von Vorstellungen unterscheiden, An-schauliche und Abstrakte, die anscbauliche werden wir zuerstberrachten, diese Vorstellung analysiren, ihre wesentlichen For-

men untersuchen, und erkennen was apriori im BewuBtseynliege,und daher eben nur dessen Form ist, und werden das Ent-

stehn, das zu Stande kommen der anschaulichen Vorstellungkennen lernen: werden sehn, wie der Verstand operirt, Wir wer-den darauf das abstrakte Vorstellen, im Gegensaz des anscbau-lichen, betrachten, das eigentliche Denken: d. h. wir werden

sehn wie die Vernunft operirt: zu diesem Ende werden wir die

Formen und Gesetze des Denkens aufsuchen und eben dadurch

die Grundlehren der Logik durchgehn. Diese Betrachtung desVorstellens und Erkennens, wird den tlt•n und freilich auch den

trockensten Theil unsrer Untersuchung ausmachen. Die wichti-gen Wahrheiten, welche zuerst durch Kant ans Licht gebrachtsind, werden, dem Theil derselben nach, der sich bewahrt undbehaupter hat, graBten Theils darin vorgetragen werden. Denn

etw~inweltiungp.n die Kantische Lehre ist unumganglich no-tnig. rst durcndieselbe wird, wenn ich mich etwas seltsam aus-

driicken darf, erst der metaphysische Sinn aufgeschlossen.Nachdem man sie einigermaaBen gefaBt, sieht man mit ganz an-deren Augen in die Welt hinein. Denn man merkt den Unter-

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schied zwischen Erscheinung und Ding an sich. Ich wiinschtefreilich daB Sie durch eigenes Srudium in die Kamischen Schrif-ten eingeweiht waren und ich vor lauter Zuhorern lase, welchedie Kritik der reinen Vemunft inne harten: was ich an der Kanti-

schen Philosophie zu bestreiten und zu berichtigen habe, lieBesich leicht ins Reine bringen.Den 2"" Theil unsrer Betrachtungen wird die Lehre vom

~e an sich ausmachen, d. h. von dem was dieseWelt undalle'Erschelnungen derselben, die wir bis dahin blofl als Vorstellung

betrachtet haben werden, noch auBerdem, also an sich sind. Man

kann dieser Untersuchung den alten Namen de!lf~~aphysik las-sen, bestimmter Metaphysik der Natur. . ~ ... ..

-_.Auf diesewii-d alsOeryrTheudie Metaphysik des Schonen,

oder die Grundlage der Aesthetik folgen: endlich als der 4 1 < die

Metaphysik der Sitten oder die Grundlage der Ethik, welche

auch die philosophische Recbtslebre begreift.Dieselbe Nothwendigkeit, meine Herren, welche mir es auf-

legt aile diese so weitlauftigen Lehren in einen Cursus zu begrei-

fen und sie im Zusammenhang vorzutragen; fordert von Ihnen

daBauch Sie solche im Zusammenhange zu fassen sich bemiihen,U f\ ."j 'P " und nicht etwa blofle Bruchstiicke daraus nehmenundsolche

~;..jedes fur sich zu verstehn und zu benutzen suchen / l ch erinnere: Siean das obige GleichniB vom Leibe und dessen einzelnen Glie-dem. Bei einer so groBe Einheit und so wesentlichen Zusam-

menhang habenden Lehre, als die Philosophie in der Gestalt ist,die ich ihr gegeben habe, setzt nicht bloBdas Foigende das Vor-

hergangige nothwendig voraus, wie dieses bei jeder Wissen-schaft der Fall ist; sondem hier kommt noch dieses hinzu, daB

eben wegen jener organischen Einheit des Ganzen das friiher

Vorzutragende seine nahere und vollige Erlauterung erst durchdas sparer folgende erhalt; das spatere erst die naheren Beziehun-gen und Anwendungen des Vorhergegangenen zeigt, und Sieda-

her nicht nur alles zuerst Vorzutragende wohl zu fassen und sichzu merken haben; sondem sich auch hiiten miissen vor einem

voreiligen Urtheil iiber dasselbe, indem Sie erst durch dasSpatere die gehorige und nothwendige Erlauterung desselben er-

,.halten. Bei jeder Wissenschaft erhalt man den vollstandigen Be-

griff von derselben erst nachdem man den ganzen Cursus durch-

9 2 93

gemacht hat und nun auf den Anfang zurucksieht. (Illustr.) Aberbei dem was ich Ihnen vortragen werde ist dies noch vieImehrder Fall als irgendwo. Glauben Siemir ganz gewiB daB Sie erst

bei dem Schlusse meines gesammten Vortrags den Anfang des-selben vollstandig verstehn konnen: und wenn Sie daher etwahin und wieder Einiges nur mit Widerstreben auffassen sollten;

sodenken Sie,daBerst das ~achfolgende die Erganzung und dieErlauterung dazu liefert,.Denn der Zusammenhang der Philo-sophie in der Gestalt weIChe ich ihr gegeben, ist nicht wie deraller iibrigen Wissenschaften ein Architektonischer, d. h. ein sol-cherwo die Basis bloB tragt ohne getragen zu werden, dann jeder

Stein getragen wird und wieder tragt, bis der Gipfel bloB getra-genwird ohne selbst zu tragen; sondem jener Zusammenhang istein organischer, d. h. ein solcher, wo jeder Theil eben so sehr das

Ganzeerhali, als er vom Ganzen erhalten wird, dem Wesen nachkeiner der Erste und keiner der letzte ist, sondem die Ordnung,

inder die Theile vorgetragen, bloBmit Riicksicht auf die Erleich- I

terung der Mittheilung, also mit einer gewissen Willkur gewahlt j

ist: daher hier eigentlich das Ganze erst dann recht verstanden~1werden kann, nachdem man aileTheile gefaBthat, und sogar dieTheile zu ihrem erschopfenden und vollig geniigenden Verstand-niBauch schon das Ganze voraussetzen.Dies ist eine Schwierig-

keit, die hier imWesen der Sache liegt ur;d I!.uru_b~D.Y~!1.dener-den kannvon Ihrer Seite durc~/Aurme-rksamkeit, Gecllilcruno ..-

-GedachtniB/von meiner Seite durch die Bemiihung alles so fa_6-lich-als-mo-glichzu machen, das welches am meisten das Uebrige

voraussetzt zuletzt zu nehmen, und den Zusammenhang aller

Theile stets nachzuweisen und immer Riickblicke und Seiten-blicke zu erofnen.

Die Ordnung welche ich erwahle, weil sie die Verstandlichkeitam meisten befordert, rnacht es nothwendig von der Untersu-chung des Erkenntnillvermogens und der Theorie des Vorstel- -,

lens und Erkennens auszugehn. Dieses ist aber bei weitem der \'.'("TrOClienste''theiIfiesganzen Cursus: hingegen sind grade Aesthe- (1 J.~

I-ftkurnfE.thik welche ich zu allerletzt nehme das welches ammei- _/

sten Interesse erregt undlUii_iei-haltung_g~~.bd Ware es mirblof darum zu thun durchetwas'Allziehendes'Ihre Aufmerk-

samkeit zu fesseln und vor's Erste zu gewinnen, so muBte ich

einen grade umgekehrten Gang nehmen. Da ich aber mich lieber

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bestrebe griindlich als anziehend zu seyn, so wiinsche ich daBSie

durch den Ernst und das Trockene des ersten Theils unsrer Un-tersuchung niche mogen die Ausdauer verlieren oder sich ab-schrecken lassen auszuharren, bis auch unmittelbar interessan-

tere Dinge kommen. [Am Schlusse dieser Einleitung der wiederausgestrichene Zusatz: Uebrigens rathe ich denen, welche michgratis zu horen wiinschen, sich in diesem Semester daran zu hal-ten, da ich im folgenden wohl nicht anders als privatim lesen

werde.)

»

I

9 4

Einleitung,i ib e r d as S tu di um d er P hilo so ph ie .

Ich glaube nicht voraussetzen zu durfen daB die Meisten vonIhnen sich schon sonderlich mit Philosophie beschaftigt, eineigentlich methodisches philosophisches Studium getrieben ha-ben. Dieser Umstand wiirde mir willkommen seyn, wenn ichdarauf dieVoraussetzung griinden konnte, Sievollig un'befangen

indieser Art der Betrachtung zu finden ohne allevorgefaflte Mei-nung, und daher meinem Vortrage desto empfanglicher offen see-hend. Aber diese Voraussetzung ware ganz falsch. Ein J eder vonIhnen bringt schon eine ganz fertige Philosophie mit. jaerhat sich

sogar,wenigstens halliUiiOliilb~nurin demYeruauen hergeserzt;

eine Bestatigung derselben zu vernehmen. Dies kommtnun-iumTheil daher, daB jeder Mensch ein geborner Metaphysikus ist: er

ist dase~I'!?:~g_e_~_c:t~~r~~~.~5i~~~h?p_!.~'!f~! ~ ~ 4 ¢ . .Daher auchmanche Philosophen (las was imAllgemeinen gilt alsspecieUnah-

men und sich einbildeten, die bestimmten Dogmen ihrer Philo-

sophie waren dem Menschen angeboren; da esdoch nur der Hangzum metaphysischen Dogmatisiren iiberhaupt ist, den man je-

doch leich.t.illderJ ugend zu bestimmten Dogmen abrichten kann.rAMe..!p~iJ~.!~phirYjedeswilde Volk hat Metaphysik in Mythen,~die ihm die Welt/in einem gewissen Zusammenhang zu einem

Ganzen abrunden und so verstandlich machen sollen. DaB beijedem Volke (obwohl bei einem mehr als dem andern) der Kultus

unsichtbarer Wesen einen groBen Theil des offentlichen Lebens

ausmacht; ferner daB dieser Kultus mit einem Ernst getriebenwird, wie gar keine andere Sache; endlich der Fanatismus mit demer vertheidigt wird; - dies beweist wie groBdieMacht ~Yl'~~J.'-sischer Vorstellungen auf den Menschen ist und wie sehrihms"OTclieangeIegeriSlnd.Ueberall philosophiren selbst die Rohe-sten, die Weiber, die Kinder. und nicht etwa bloB bei seltenen

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Anlassen, sondem anhaltend und recht fleiBigund mit sehr gro-Bem Zutrauen zu sich selbst. Dieser Trieb kommt nicht etwadaher, da6 wie manche es auslegen, der Mensch sich so erhaben

iiber die Natur fiihlt, daB sein Geist ihn in Spharen hoherer Art,aus der Endlichkeit in die Unendlichkeir zieht, das Irdische ihmnicht geniigt u. dgl. m. Der Fall ist selten. Sondem eskommt da-

'- her, daB der ~enschl1)ittelst der Besonnenheit die ihm die Ver-

nunft giebt, da~M}~lich~seiner Lageeinsieht und esihm schlecht

gefalle sein Daseyn als-ganz:'pfek~r, und sowohl in Hinsicht aufdessen Anfang alsauf dessenEnd~ ganz dem Zufall unterworfenzu sehn, noch dazu es auf jeden Fall als auBerst kurz zwischenzwei unendlichen Zeiten zu finden, femer seine Person als ver-schwindend klein im unendlichen Raum und~nterzahllosen W ~-sen. Di~;e1i;~Ve~n~~ft <lle'ihil-treilidii'rdie Zukunft i~ seiriem

Leben zu sorgen, treibt ihn auch .tiberdie Zukunft\nach seinemLeben sich Sorgen zu machen. Erwiinscht-d:isAll zu begreifen,

hauptsachlich um seinVerhalmiBzu diesemAll zu erkennen. SeinMotiv ist hier, wie meistens, egoistisch. Gabe man ihm die Ge-

wiBheit daBder Tod ihn ganz zu Nichts macht: so wiirde ermei-

stentheils sich alles Philosophirens entschlagen und sagen n ih il adme [es geht mich nichts an]. Die Philosophie die, wie ich be-

I haupte, J eder von Ihnen mitbringt, ist nun theils aus diesem demI Menschen natiirlichen Hange entsprungen, theils hat sie aberauch von AuGenNahrung erhalten, fremde fertige Lehren sind ihrzugefiihrt und durch die eigene Individualitat modifizirt in diese

j aufgenommen worden. Hieher gehort theils die ~g_ion, deren .j Unterricht mehr und mehr die Form einer Philosophie angenom- '

. men hat und sich mehr auf Ueberzeugung als auf Offenbarung

stiitzen will; theils ist mit allenWissenschaften die Philosophie so

i sehr verwebt, daBEiner mag getrieben oder gelesen haben was er 'will; es sind immer viele Philosopheme mit eingeflossen. "Also darf ich Ihren Geist keineswegs als eine ta bu la ra sa [un-

beschriebene Tafel] in Hinsicht auf das Vorzutragende betrach-ten. Und da dem so ist, ware es mir am liebsten, wenn Sie Aileaile vorhandenen Systeme genau kennten. DaB Sie hingegen nurein einziges der dagewesenen Systeme studirt hatten, und IhreDenkweise ihm angepaBt hatten, ware mir nicht willkommen:

denn bei Einem und dem Andern, der etwa mehr zum Festhalten

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des Erlernten als zum Aufnehmen des zu Erlernenden fahig undgeneigt ware; konnte so ein einmal vertrauensvoll ergriffenesSystem zum Glaubensartikel oder gar zu einer Art von fixirter

Vorstellung geworden seyn, die allem andern und sei esnoch sovorziiglich den Zugang versperrt. Aber wenn Sie die ganze Ge-'schichte der Philosophie schon kennen gelernt hatten, von allenSystemen einen Begriff hanen, dies ware rnir lieb: - denn Siewiirden alsdann am leichtesten dahin kommen einzusehn warum

der Wegwelchen ich mit Ihnen zu gehn gedenke der richtige istoder wenigstens seyn kann, indem Sie bereits aus ErfahrungwiiBten daB aile jene friiher versuchten Wege doch niche zum

Ziel~!!iluen, und iiberhaupt das Schwierige, jaMiGlichedes gan-zen-Bestrebens deutlich eingesehn hanen; start daBSiejetzt man-

chen jener von Philosophen verschiedener Zeiten eingeschlage-

nen Wege wohl von selbst gewahr werden und sich wundern

mdchten, warum man ihn nicht einschlagt. Denn ohne Vor-

kenntniB der friiheren Versuche mochte der Weg, den wir vorha-ben, Manchem befremdend, seh~um-stilndlichundbeschwerlich 'I

L_U~~.ga.nz unnatii.rlichjscheinen: dennfieilichist es rllchtdir auf Iaen die spekulirende Vernunft zu erst gerath, sondern erst nach-dem sie die von selbst sich darbietenden und so leicht zu gehen-den als falsch befunden hat, durch Erfahrung gewitzigt ist undgesehn hat daBman einen weitern Anlauf nehmen muG, als dieweniger steilen Wege erfordern. (GleichniG von der Reitschule.)DaB also die Spekulirende Vernunft erst allmalig und nach vie-

len miGlungenen Versuchen, den rechten Weg einschlagenkonnte, erklart sich aus Folgendem. -

Es ist ein Zusammenhang in der Geschichte der Philosophieund auch ein Fortschrirt, so gut als in der Geschichte andrer Wis-__,

senschaften, obgleich man hieran zweifeln konnre, wenn man .sieht, da6 J eder neu auftretende Philosoph es rnacht wie jeder Dneue Sultan, dessen erste!_Akt die Hinrichtung seiner Briider ist, -L)namlich jeder-neu,uauftretendil5hilosophdarmtanTan-gt,Seine

Vorganger zu widerlegen oder wenigstens abzuleugnen und ihreSatze fiir null und nichtig zu erklaren und ganz von Neuem an-ltebt;-al~ob noch niches geschehn sei; so daB es ist wie in einer

(Auktio~; wo jedes neue Gebot, das friihere annullirt. Die Feinde-aller-Philosophie benutzen dies: sie behaupten, Philo sophie sei

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,I,I

ii

ein vollig vergebliches Streben, nach einem schlechterdings uner-reichbaren Ziel: daher sei einVersuch darin grade sovielwerth alsder andre und nach allen J ahrhunderten noch gar kein Fortschritt

gemacht worden; denn man hobe ja noch immervon vorne an: in

diesem Sinne ruft Voltaire aus: ..QMetaphysik! wir sind grade soweit als zur Zeit der Druidenl« [Melanges philosophiques, Ge-neve 1773, 1,61] - Solche entschiedene Feinde der Philosophie,kann man nicht aus der Philosophic, die sie niche gelten lassen,

widerlegen, sondern nur aus der Geschichte, namlich so: Wenn inder Philosophie noch nie erwas geleistet worden, noch kein Fort-schritt gemacht worden und eine Philosophie grade so vielwerthware als die andere, so waren nicht nur Plato, Aristoteles undKant Narren; sondern diese unniitzen Traumereien hatten auch

nie die iibrigen Wissenschaften weiter fordern konnen: nun aber

sehn wir durchgangig daB zu jeder Zeit der Stand aller iibrigenWissenschaften, ja auch der Geist der Zeit und dadurch die Ge-schichte der Zeit, ein ganz genaues VerhaltniB zur jedesmaligen

Philosophie hat: wie die Philosophie eines Zeitalters beschaffen-

/

' ist; S ? ist auc~.}edes.ma.l.l~esTreib.e.n}~den ~brigen.~iss.ensch~f-_j',_.ten, Inden Kunsten und im Leben. diePhilosophie rsr im Fort-I gang des menschlicheii Wissens, folglich auch in der Geschichte

Ii dieses Fortgangs grade das, was in der Musik der Grundbafl ist:der bestimmt a11emalden Ton und Ka,rakter und den Gang desGanzen: und wie inder Musik jede einzelne musikalische Periodeoder Laue, dern Ton entsprechen und mit ihm harmoniren muB, ,zu welchem der BaB eben fortgeschritten ist: so tragt in jeder i !Zeitperiode das menschliche Wissen jeder Art durchweg das Ge- f!

prage der Philosophie die zu solcher Zeit herrscht, und jeder !Schriftsteller, woriiber er auch schreibe, tragt a11~I!l:l1ieSpur..mJ

_der Philosophie seines Zeitalters, JedegroBe Veranderung in derPhilosophie wirkt auf alleWissenschaften, giebt ihnen einen an-

dern Anstrich. Den Beleg hiezu giebt die Literargeschichtedurchweg. Daher ist jedem Gelehrten das Studium der Philo-

sophie sonothwendig wie dem Musikerdas Studium desGeneral-basses. Denn die Philosophie ist der GrundbaB der Wissenschaf-

ten. Auch nimmt man, wenn man die Geschichte der Philosophieim Ganzen iiberblickt, sehr deutlich einen Zusammenhang und

einen Fortschritt wahr, dem ahnlich, den unser eigener Gedan-

"

9 8

kengang hat, wenn bei einer Untersuchung, wireine Vermuthungnach der andern verwerfen, eben dadurch den Gegenstand mehrund mehr beleuchten, esin uns immer heller wird und wir zuletzt

bestirnmt urtheilen, entweder wie sich die Sache verhalt, oder - \doch wie weit sich erwas davon wissen laBt.Sosehn wir auch in \der Geschichte der Philosophie die Menschheit nach und nach zurBesinnung kommen, sich selbst deutlich werden, durch Abwege \sich belehren lassen, durch vergebliche Anstrengung ihre Krafte Juben und starken. Durch die Vorganger wird jeder, auch wenn ersie verlaBt, belehrt, wenigstens negativ, oft auch positiv indem erdas Gegebene beibehalt und meistens weiter ausbildet, wobei esoft eine ganz andre Gestalt erhalr, So lieBesich also allerdings in

der Geschichte der Philosophie eine gewisse Noehwendigkeic,d. h. eine geseezmaflige, fortschreitende Entwickelung erkennen,wenigstens ebenso gut. j;:gewiIrbe;;e;';isio"der\VeItgesehichte

obgleieh dort wie hier die Individualitat derjenigen die zur Wirk-

samkeit kamen als ein zufalliges Element stark eingreift und denGang der Philosophie wie den der Weltbegebenheiten sehr mo-

difizirt. Stillstande und Ruckschrine sind in der Geschichte der

Philosophie wie in der Weltgeschichte: dort wie hier giebt dasMittelalter einen traurigen Anblick, ist ein Versinken in Barba-

rei. Aber aus dem Riickschrin erhebt sich immer die Kraft wie

neu gestarkt durch die Ruhe.¥a~ hat ein gewisses VerhaltniBwahrgenommen zwischen dem' jedesmaligen Zeitgeist und derPhilosophie und aueh wohl gerneint die Philosophie wiirdedurch den Zeitgeist bestimmt: aber es ist grade umgekehrt: die

Philosoph~~estimmt den Geist der Zeit und dadureh ihre Bege-benheiten.)Yare imMinelalter die Philosophie eine andre gewe-sen. so hane kein Gregor VII. und keine Kreuzziige bestehen

konnen. Aber der Zeitlauf wirkt negativ auf die Philosophie, in-dem er die zu ihr fahigen Geister niche zur Ausbildung und niche

zur Spraehe gelangen laBt. Positiv wirken auf die Philosophie nurdie vorziiglichen Geister welche die Kraft haben die Menschheitweiter zu bringen und die nur als seltene Ausnahmen aus denHanden der Natur hervorgehn: auf diese nun aber wirkenallerdings ihre Vorganger, ammeisten die nachsten, dann aueh dieferneren, von denen diese abhiengen: also wirkt auf den Philo-

sophen eigentlich nur die Geschichte der Philosoph ie, nicht die

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rWeltgeschichte auBer sofem diese auf den Menschen wirkt, es ~o_phi~ Denn das heiGt stan Denken und Forsehen zu

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! ~"

ihm moglich maeht seine Individualitat auszubilden, zu entfal-

ten, zu benutzen, niche nur fur sieh, sondernjauch fur Andre.Nehmen wir nun/dem Gesagten zufolgeleine gewisse noth-

Vi.e~ige Entw_i_eklt.i!l&nd Fortschreitung i~ de!_G.~sehichfe-aerPhilosophie'an, so mUssenwir aueh ihre lirthumer und Fehler

als in gewissem Sinn nothwendig erkennen, miissen sie ansehnwie im Leben des Einzelnen vorziiglichen Mensehen die Verir-

rungen seiner Jugend die nicht verhindert werden durften, son-dern in denen man ihn gewahren lassen muBte, damit er ebenvom Leben selbst dieienige Art der Belehrung und Selbstkennt-

niB erhielt die ihm auf andrem Wege niche beigebracht werdenkonnte, fiir die es kein Surrogat gab. Denn das Bueh wird nie

geschrieben werden, welches die Erfahrung ersetzen konnte:durch Erfahrung aber lernt man niche nur Andre und die Welt,

sondern auch sieh selbst kennen, seine Fehler, seine Irrthiimerals solche, und die r icht igen Ansichten zu denen man, vor An-dern, von Natur bestimmt ist, und von selbst die Richtungnimmt. Oder wirmogen '\lie nothwendig durchzumachenden

~ehler ansehn wie \~tte~ u?d ahnliche K~ankheiten die ma~uberstehen muG, damlcdas Gift aus dem Leibe komme, das SCI·ner Natur anhieng. Demnach konnen wir uns nieht wohl denkendaB die Geschichte so gut mit Kant als mit Thales anfangenkonnte u.s.f. Ist aber eine solche mehr oder rninder genau be·

stimmte Nothwendigkeit in der Geschichte der Philosophie, so

wird man urn den Kant vollstandig zu verstehn auch seine Vor·ganger gekannt haben miissen, zuerst die nachsten, den Chr.

Wolf, den Hume, den Locke, dann aufwarts bis auf den Thales.

Aus dieser Betrachtung ergiebt sich, daB mir nichts will-

kommner seyn konnte als daB Jeder von Ihnen schon cineKenntniB der Geschichte der Philosophie \nitbrachte ~pd daBer

besonders meinen nachsten Vorganger, ih'rnteirTcll als meinenLehrer betrachte, genau kannte, namlich Kant. Denn was seitKant geschehn ist, ist in meinen Augen ganz ohne Gewicht und

ohne Bedeutsamkeit, wenigstens fur mich, also ohne EinfluBaU1~'Imi~h. So ~ehr ieh aber aueh das Studiu~ der Ge~ehichte <!_~rPhilosophic Ihnen empfehle, so wiinsche Icl}_~o!=h!.I_~h.~_.q_~~L'!".~~\ ongescliielli;die GesctllcnteaerFIiilOsophic selbst Ihre Philo-1 ~ --~ ' - - " - - - - . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

100

.

wolfen. nur wissen wollen was andre gedacht haben und diese

todte Notiz neben andern todten Notizen aufspeichern. Werzum Denken von Natur die Richtung hat muB erstaunen und !s

als ein eignes Probl~ betrachten, wann er sieht, wierdieallermeisten Menschen.ihr Studiren und ihre Leknire betreiben. _

Namlich es fallt ihn~n'dabeiR!n~~~t_ein! wi~n zu wollen, w~"""l4-wahr sel; sonoern sie wollen broBwissen, w as g esa gt WOMe n ist. -Sieuberneh~en dieMulie(resi~~~;;~-~-d~rdes Horeris~"oImeim-

Mindesten den Zweck zu haben, wegen dessen ailein solcheMiihe lohnen kann, den Zweek der ErkenntniB, der Einsicht: sic ~suehen nieht die Wahrheit, haben gar kein Interesse an ihr. Siewollen bloBwissen, was Alles in der Welt gesagt ist, eben nur umdavon mitreden zu konnen, um zu bestehn in der Konversation,

oder im Examen, oder sich ein Ansehn geben zu konnen. Furandre Zwecke sind sie nicht empfanglich. Daher ist beim Lesen __oder Horen ihre Urtheilskraft ganz unthatig und bloB das Ge- \

dachtniB thatig. Sic wiegen die Argumente nicht: sie lernen sie JbloB. So sind leider die allermeisten: deshalb hat man immer

mehr Zuhorer fUrdie Geschichte der Philosophic als fUrdie Phi-losophie selbst. Es ist jedoch ein haofiger Fall. Zum Denken sind

wenige Menschen geneigt, obwohl Alle zum Rechthaben. DasRathselhafre des Daseyns ergreift Wenige mit seinem ganzenErnst: hingegen zum bloBen Wissen sind Manche geneigt, zum

Kunde erhEten von dem Ueherlieferten: tP_eilsaus Langerweile,theils aus itelkeitytheils um zu~,Brode~e~da~ Gel~rnte wie-der zu lehre na so das Ueberlieferte-weiter zu uberhefern von

Geschlecht zu Geschlecht, ohne daB die durch deren J.;Iande es

geht selbst Gebrauch davon machten. Sie sind dabei den Post-

Sekre~arenglei~~die den ~rief ~mpfangen ~nd w ~ ~ ~ _ ! " _~efordern

\

ohne ihn zu erofnen. Es sind die bloB Gebildeten una otofrGe·

lehrten, die bei aller ihrer Bildung und Gelehrsamkeit imGrunde

I ihres Herzens oft vom Ganzen und dem Wesen des Lebens die-Iselbe niichterne und einfaltige Ansicht behalten haben die sie in. ihrem 15= Jabr hatten, oder die das Yolk hat, wie man leicht

sehn kann, wenn man sie einmal emstlich ausfragt_~l!...don den

Worten zu den Sachen kommt. Diese ~e~~.ri, Ueber-lieferer des Ueberlieferten haben jcdocn~den Nutzen, daB das

101

Vorhandene durch sie sich erhalt und zu dem Selbst-Denkenden Anlagen, ohne merkliche Verwunderung iiber die Welt. Sie fin-

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r •

Menschen gelangen kann, der immer n~ls eine Ausnahme, ein

Wesen von ungewohnlicher Art\ daste~9 Er wird durch jene

Ueberlieferer mit seines Gleichen InVer6indung gesetzt die ein-

zein und zerstreut in den Jahrhunderten lebten und kann so die

eigene Kraft durch die Bildung starken und wirksamer machen:

wie man durch die Post-Sekretare in Verbindung gesetzt wird

mit seinen entfernten Anverwandten. - Es sollte mir Leid, seyn

wenn unter meinen Zuhorern sich viele befanden deren Taug-

l ichkeit ' sich auf bloBes Empfangen zum Hinlegen oder tum

Weiterbefordern beschrankte. Doch kann ich das nicht andem.

Ich kann keinen umformen, sondern auf Jeden nur nach Maas-

gabe der Fiihigkeiten wirken, die ihm die Natur ein fiir aile Mal

gab. Selbst das Wort Fiihigkeiten paBt nicht recht zur Philo-

sophie. Es deutet auf ein Konnen, ein Leisten: das ist gut wenn

man einen Kiinstler, Handwerker, oder einen Ant oder Advo-

katen zu bilden hat; die sollen Konnen und Leisten lernen. Hier

aber gilt es dem Menschen von seinem Daseyn und dem der ihn

umgebenden Welt eine richtigere und deutlichere Vorstellung zu

geben. Es ist also niche sowohl von Fahigkeit zum Lernen die

Rede als von dem Grade der Klarheit des BewuBtseyns, mit dem

Jeder sein eigenes Daseyn und das der ihn umgebendetrWetnru£-

faBt. Dieser Grad der Klarheit ist die Basis.der Empfanglichkeit

fiir Philosophie. Je klarer und heller in einem Menschendas Be-

wuBtseyn, die Anschauung der Welt ist, desto mehr wird sich

ihm das Rathselhafte des Daseyns aufdringen, desto starker wird

das BediirfniB gefiihlt werden, irgend einen AufschluB, eine Re-

chenschaft vom Leben und Daseyn iiberhaupt zu erhalten; desto

weniger wird man zufrieden seyn eben nur zu leben, und in der

Durftigkeit dieses Lebens die sich taglich meldende Noth immernur abzuwehren, bis unter vielen getauschten Hoffnungen, und

iiberstandenenLe~· den das Leben eben abgelaufen ist, ohne daB

man sich diei"MuB gemacht harte, je ernstlich dariiber nachzu-

sinnen. Dies 'abe ist der Fall derer, deren BewuBtseyn schwa-

cher, dunkler ist und der thierischen Dumpfheit naher steht, Wie --/

das Thier dahin lebt ohne umzuschauen weiter als nach seinen .I

Bediirfnissen und sich daher nicht wundert daB die Welt da ist '

und so ist, wie sie ist; so sind auch die Mcnschen von gcringern

!j, i

,

I j

I~

102

den eben alles ganz natiirlich: allen falls iiberrascht sie irgend eine

ungewohnliche Erscheinung und macht sie auf deren U rsache

begierig: aber das Wunderbare was im Ganzen aller Erscheinun-

gen liegt, das Wunderbare ihres eignen Daseyns, werden sie

nicht inne. Sie sind daher geneigt diejenigen auszulachen, die

sich dariiber wundern, dariiber nachsinnen und mit solchen For-

schungen sich beschaftigen. Sie meinen, daB sie viel ernstere

Dinge vorhaben, das Sorgen fiir sich und die Ihrigen und

allenfalls das nahere Orientiren iiber den Zusammenhang der Er-

scheinungen unter einander, zum niitzlichen Gebrauch dersel-

ben. Aber die~ ihle I.&b_~~weisheit theilen sie mit den Thieren,

die eben auchtdah_i!, lebe~iir sich und die ihrigen sorgen, unbe-

kiimmert was das alles-sel und bedeute. - Die Klarheit des Be-

wuBtseyns auf welcher das BediirfniB und die Anlage zur Philo-

sophie beruht, zeigt sich daher zuerst durch ein Verwundern

iiber die Welt und sein eigenes Daseyn, welches den Geist beun-

ruhigt und es ihm unmoglich macht dahin zu leben ohne eben

iiber das Leben selbst zu denken. Dieses Verwundern gab schon

Platon als die Quelle der Philosophie an, und sagt I-la).a yap

cptAOC1oqmcov t'OVTO ro tra{}o~, ro {}a Vl-la ~E L v. o v yap allll

apXT1 CP t ). oC1ocp ta~ 11 a V TT 1· - a dm ira ri illu d, a dmod um p hilo -s ophica a ff ec tio e st ; n eque u lla a lia r esph ilosophiae p rinc ip ium ac

fo ns e st [Denn gar sehr philosophisch ist dieser Affekt, die Ver-

wunderung; denn es gibt keinen andern Anfang der Philosophie

als diesen]. T he ae tet. p . 76. [155d] - Aristoteles: bu x yap TO

{ }a V l- la ~ E t v O[ av{}pW trO L "at vvv "a t TO noa nov lIP ;avro

cpt ) .0C10CPELVAus Verwunderung narnlich begannen die Men-

schen, jetzt und von jeher, zu philosophieren]. Metaph. L. I, c. 2

[1,2; 982 b 13). Gegensaz scheinbar gegen Horazens niladmirari . i

[Dazu am Rand: N ila dm ira rip ro pe re sest u n a, N um ic i, / S ola qu e ._ t ,: _ _ ' - J _

quae pos si t f ac er e e t s erua re bea tum .J [Nichts in der Welt anstau- k,'l-nen, Numicius, dieses allein wohl, / Dieses nur kann uns verleihn _J" ,Gliickseligkeit und sie erhalten. (Horaz, Epistulae, I, 6, 1»). -Man kann sogar sagen: die philosophische Anlage besteht darin,

daB man sich iiber das Gewohnliche und Alhagliche verwundre

und daher das Allgemeine der Erscheinungen zu seinem Pro-

blem macht: dagegen die Forscher in speciellen Wissenschaften

103

r

verwundem sich nur uber seltne und ausgesuchte Erscheinun- sind doch Menschen und IbedUrfen als solche einer Metaphysik:

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gen, nur diese machen sie zu ihrem Problem, dessen Auflosung

durch eine Kombination dann darin besteht, daB sie solche zu-

riickfuhren auf allgemeinere Erscheinungen oder bekanntere

Thatsachen.

I Um sagen zu konnen, wie viel Anlage Einer zur Philosophief hat, mUBte ich wissen, wie in seinen Augen Vergangenheit, Ge-

I genwart und Zukunft sich darstellen, ob als sehr verschiedne

IDinge oder fast Eins wies Andre, ob sein BewuBtseyn in diesen

II Strom der Zeit so tief eingetaucht ist, daB es selbst sich mit ihm

fortbewegt, oder ob es den Strom der Zeit an sich voriiberflieGen

L sieht und ihn als etwas fremdes mit Verwunderung beobachtet.

Damit einer das Wunderbare und Rathselhafte der Zeit auffasse,

wodurch man besonders zur Philosophie getrieben wird, ist er-

fordert daB er eine lebhafte Phantasie habe: aus einem eigenen

Grunde: namlich nur eine solche vermag die Scene seines Lebens

die vor zehn Jahren da war jetzt so lebendig zu vergegenwarti-

gen, als die wirklich jetzt gegenwartige Scene: wodurch denn die

Verwunderung entsteht tiber die Form unsers Daseyns, die Zeit;

vermoge deren jenes ferne so Reale, so zu gar nichts wird, wie die

Vergangenheit niches ist, und dieses Schicksal auch jeden Mo-

ment treffen muG, in dem wir eben uns befinden.

Wo nun die erwahnte Klarheit des BewuGtseyns und das aus

ihr hervorgehende Verwundem sicp~niclit findet: da ist eben

keine Anlage zur Philosophie; ihr Vortrag ist fUr einen solchen

was dargebotene Speise dem niche hunge;nden Magen. Vor allen

Dingen muG ja das Rathsel haben, der, dem man die Auflosung

desselben geben will; sonst ist ihm diese ein Wort ohne Bedeut-

samkeit, Dieses Rathsel aber wird durch den Eindruck der an-

schaulichen Welt gegeben, durch die Klarheit mit der sie im Be-

wuBtseyn dasteht: Das Abstrakte, durch Worte ausgedriickte,

hat stets seine Bedeutung aile in durch die Beziehung auf das An-

schauliche: wo also jene Klarheit des BewuGtseyns fehls"istal1~

Philosophiren sehr vergeblich und bildet allenfalls ~waze1

nicht Philosophen. - Uebrigens sind auch solche Leute, <liewt"- \

gen der Dumpfheit ihres BewuBtseyns ohne Bediirfnif und ohne \

Anlage zur Philosophie sind, darum doch nicht ohne eine Art \

von Philosophie, von System religioser oder andrer Art: denn sie ~\

104

aber sie h~~ben-elien'~as erste beste festgehalten, und sind mei-

stens sehr~.hartnacl9g in dessen Behauptung, weil wenn sie es

fahren lieGeirdies~ihnen die Nothwendigkeit auflegen wiirde zu

denken, zu forschen, zu Lemen: was sie eben vorziiglichscheuen und daher sehr froh sind so etwas ein fUr alle Mal zu

haben, was sie jeder Arbeit dieser Art iiberhebt.~ - - j e l l sp;;;cllvonden-¥oCtschiltienaer-Pliilosophie~ die~lhre Ge-

schichte uns darlegt. Da Philosophie zwar die Erfahrung im All-

gemeinen, aber doch keine specielle Erfahrung voraussetzt, wie

z. B. Physik und Astronomie thun: so lieGe es sich, ungeachtet

der erwahnten nothwendigen Entwickelung in ihrem Gange,

doch niche leugnen daG vielleicht durch besondre Begi.instigun-

gen des Schicksals, durch die Geburt der ausgezeichnetesten

Geister und ihr Zusammentreffen in derselben Zeit die Fort-

schritte sehr viel schneller hatten seyn konnen, ja vielleicht die

Wahrheit, gesetzt daB sie gefunden werden konne, gleich An-

fangs getroffen ware. Vielleicht ist Letzteres sogar in gewissem

Sinn wirklich der Fall gewesen, jedoch in einem Lande, dessen

Kultur von der Europaischen ganz getrennt gewesen ist, in

Hindostan. Namlich die Resultate dessen, was ich Ihnen vorzu-

tragen gedenke, stimmen i.iberein mit der altesten aller Weltan-

sichten, namlich den Vedas. (Erklarung was sie seien: wenigstens

4000 Jahre alt, nachJones.) Doch ist dies nicht so zu verstehn, als

ob was ich lehre dort schon stehe. Die Veda's, oder vielmehr die

Upanischaden, d. i. der dogmatische Theil im Gegensatz des Li-

turgischen [Neben dieser Zeile ist am Rand der Name des GroB-

moguls notiert: Aureng Zeb.], haben keine wissenschaftliche

Form, keine nur irgend systematische Darstellung, gar keine

Fortschreinmg, keine Entwickelung, keine rechte Einheit; es ist

kein Grundgedanke darin ausgesprochen; sondern sie geben

bloB einzelne sehr dunkle Ausspriiche, allegorische Darstellun-

gen, My then u. dgl.: den Einheitspunkt aus dem dies Alles rueGt

wissen sie gar nicht auszusprechen, noch weniger ihre Aussprii-

che durch Griinde zu belegen, nicht einmal sie in irgend einer

Ordnung zusammenzustellen: sondern sie geben gleichsam nur

Orakelspriiche, voll t iefer Weisheit, aber dunkel, ganz vereinzelt

und bildlich. Hat man jedoch die Lehre, welche ich vorzutragen

10 5

r'

habe, inne; so kann man nachher allejene uralten Indischen Aus- dem was ich vorzutragen habe. Ohne dieselbe wird schon der

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spriiche als Folgesatze daraus ableiten und ihre Wahrheit nunerkennen; so daBman annehmen muB, daBwas ich als Wahrheiterkenne, schon auch von jenen Weisen der Urzeir der Erde er-kannt und nach ihrer Art ausgesprochen, aber doch nicht in sei-ner Einheit ihnen deudich geworden war; so daB sie ihre Er-kenntniB nur in solchen abgerissenen Ausspriichen, welche dasBewuBtseyn ihrer hellsten Augenblicke ihnen eingab, niche aber

im Ganzen und im Zusammenhang an den Tag legen konnten.

Eine ErkenntniB dieser Art war also moglich gleich Anfangsohne daB durch die lange Reihe der Philosophen die Vernunft

Gewandheit, Selbstkenntnif und Witzigung erhalten hatte: aber

eine KenntniB in jener Form hat keine Waffen gegen skeptischeAngriffe jeder Art, oder gegen Nebenbuhler die andre Lehren

vortragen. Es ist hiemit grade wie in der Astronomie: schon in

der ganz alten Zeit lehrten die Pythagoreer daB die Sonne stehe

und die Erde nebst den Planeten um sie laufe (ein gewisser Hike-tas soIlder Erste gewesen seyn): eswar der Ausspruch einer un-

mittelbaren Erkenntnifl, eines ahndungsvollen Treffen des rich-

tigen: aber die Griinde zeigen, das System beweisen, es im Ein-zelnen durchfiihren, anwenden, berechnen, das konnten sienicht, Darum blieben sie auch ohne Anerkennung, ohne Ein-fluB, und konnten ihre Wahrheit nicht gegen den herrschenden

Irrthum geltend machen wie er sich im Ptolemaischen Systemausspricht, welches von jener richtigen Lehre der Pythagoreernicht verhindert wurde aufzukommen und allgemein zu gelren.Erst nach den gesammelten Erfahrungen, und Belehrungenzweier Jahrtausende konnten Kopemikus, Kepler, Galilai, die-

selbe Wahrheit auf einem festen Fundament aufstellen, und sie

gegen aIleAngriffe schiitzen, weil sieauf dem wissenschaftlichenWege dazu gelangt waren und den ganzen Zusammenhang der

Sache einsahen.So also steht, was ich hier vorzutragen habe, obwohl es mit

den uralten Indischen Ausspriichen sehr genau iibereinstimmt,

dennoch im Zusammenhang mit der ganzen Entwicklung derPhilosophie im Occident und reihet sich an die Geschichte der-

selben an, ergiebt sich gewissermaaBen als ein Resultat daraus.Darum ist Gescbicbte der Phi losophie die beste Einleitung zu

106

Anfang unseres Ganges, narnlich das Anheben von der Betrach-tung des Subjekts, unsres Selbst, unsers Erkennmitlvermogens

Manchem befremdend seyn, und seiner Neigung widerstreiten.Denn imGeiste des Einzelnen ist die Anlage und der Hang den-selben Gang zu gehn, den die ErkenntniB des ganzen Menschen-geschlechts gegangen ist. Dieser Gang fangt an mit dem Nach-denken iiber die AuBenwelt; aber er endigt mit dem Nachdenkeniiber sich selbsr, Man fangt damit an iiber das Objekt, iiber die

Dinge der Welt bestimrnte Ausspriiche zu thun, wie sie an sichsind und seyn miissen: dies Verfahren heiBtDogmatismus. Dannerheben sich Zweifler, Leugner daBesso sei wie man sage, Leug-

ner daB man irgend etwas davon wissen konne: d. i. der Skepti-zismus. Spat erschien, narnlich mit Kant, der Kritizismus, der alsRichter beide hort, beide vermittelt, ihre Anspriiche abwagt,

durch eineUntersuchung nicht der Dinge, sondern des Erkennt-niftvermiigens iiberhaupt, und dem gemaBangiebt inwiefem sichvon den Dingen, wie sie an sich sind, erwas wissen lasse, und

welche Schranke hier das Erkennen als solches, seine ihm we-

sentliche Form, setze,In der Occidentalischen Philosophie (welche wir von der

Orientalischen in Hindostan die gleich Anfangs einen viel kuh-nem Flug nahm ganzlich unterscheiden miissen) finden wir nuneben diesen natiirlichen Gang. Der Mensch bernerkte zuerstalles, nur sich selbst niche, sich iibersah er, und seine ganze Auf-merksamkeit haftete auf den Dingen auBer ihm: sich sah er nurals ein kleines Glied in der Kette dieser, niche als eine Hauptbe-

dingung des Daseyns der AuBenwelt, wie er es doch ist. Dern-nach suchten die Philosophen in[onien, mit denen man die Ge-

schichte der Occidentalischen Philosophie anhebt, nicht sowohldie Natur iiberhaupt ihrem Daseyn nach, als die bestirnmte gege-

bene Natur ihrer Beschaffenheit nach zu erklaren: sie suchtendaher einen Grundstoff der vor allen Dingen gewesen und durch

dessen Veranderungen alles geworden ware. Sonach war die er-ste Philosophie eigentlich Naturwissenschaft. Thales, der Ahn-herr aller occidentalischen Philosophen, nimmt das Wasser fiir

jenen Urgrundstoff, aus dem sich alles entwickelt. [Fullnote:

Diese Philosophen fragten also nicht wie iiberhaupt eine Natur

107

moglich sei, diese ihrer Natur nach vorhergehende Frage warf schen Wollen und das Erkennen, welches das Wollen leiter, ganz

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zuerst Kant nach drittehalb Tausend Jahren auf; sondern sie

fragten bloB wie eine so und so beschaffene Natur als diese hiervorhandene ist entstehen konnte: Erst nach 2 Y z Jahrtausend

also, fragte Kant nach einer Erklarung dessen, was die erstenPhilosoph en als gar keiner Erklarung bedurftig, als das was sich

von selbst versteht angenommen hatten.] Von seinem SchulerAnaximander wissen wir noch weniger: er nennt als den Ur-

sprung der Dinge das WrEt(>OV, infinitum, womit er vielleichtnur die Materie aIs solche, ohne irgend eine Form und Qualitatversteht. Anaximenes nimmt die Luft als das erste an, und das ist

vielleicht sehr richtig, da die neuste Astronomie eswahrschein-lich macht, daB jeder Weltkorper in einem dunstformigen Ag-gregatzustande, als ein Nebelstern zuerst existirte, dann in den

fliissigen, zuletzt in den festen Zustand iibergieng. Diese Joni-

schen Philosophen betrachteten jedoch die Materie von der sieausgiengen nicht als ein Todtes (wie spater Demokritos that),

sondern erkannten daBKrafte in ihr wohnen, deren AeuBerun-gen aIlein ihre Wirksamkeit ausmachen: sie erkannten diese

Krafte alsvon der Materie verschieden, als etwas Geistiges, rede-ten daher von einer Seele der Welt. Diese Ansicht trat iiberwie-gend hervor im Anaxagoras, der auf den Anaximenes folgte unddie Jonische Philosophie nach Athen brachte: die inwohnendeSeele der Welt, der Geist der in allem wirkt, (rVOV~ ist ihm der

echte Ursprung der Dinge, das Schaffende Princip, daher auchAnaxagoras als erster Theist angesehn wird. Der Beiname VOV~

mag ein Spottname gewesen seyn, weil er in die Philosophie die

damaIs Physik war ein ganz hyporhetisches, niche nachweisba-res Princip brachte. Mit seinem Schuler Archelaos sehn wir

aber die Philosophie den Weg der Naturbetrachtung plotzlichverlassen, welches aIlein von der Individualitat des Sokrates

herriihrt der eine einseitige Neigung fUr ethische Betrachtungenharte, die freilich an sich ein viel interessanterer und wiirdigerer

Gegenstand der Betrachtung sind als die blindwirkenden Krafteder Natur. Allein die Philosophie ist ein Ganzes, wie das Un i-versum ein Ganzes ist, und sowenig man das Objekt ganz ver-

stehen und ergriinden wird, wenn man das Subjekt iiberspringt

wie die Jonier thaten, sowenig wird man das Subjekt, des Men-

108

und gar verstehn, wenn man das Objekt, das Ganze der Welt undihr inneres Wesen auBerAcht gelassen hat. Wir wissen zwar vomLeben des Sokrates ziemlich viel, von seinen Meinungen und

Lehren aber auBerst wenig. Aus der Vortrefflichkeit seines Le-benslaufes, aus seinem groBen Ansehn bei den Edelsten seinerZeitgenossen, aus den ausgezeichneten Philosophen die aus sei-ner Schule hervorgiengen und so hochst verschieden ihre Lehren

waren, doch alle ihn als ihren Lehrer anerkannten; aus allem die-sen schlieBen wir auf die Vonrefflichkeit seiner Lehren, die wireigentlich nicht kennen. Xenophon schildert ihn so platt wie er

nicht gewesen seyn kann, sonst er auch niche dem AristophanesStoff zu den Wolken gegeben hatte: Platen schildert ihn zu phan-

tastisch und braucht iiberhaupt nur seine Maske, unter welcher

er selbst lehrt. Soviel scheint indessen ganz gewiBdaBdes Sokra-tes Philosophie eine bloBe Ethik gewesen.

Gleichzeitig mit Thales aber lehrte ein hochst wahrscheinlichvielgrOBererMann als dieser: Pythagoras. Man konnte den Ur-

sprung der occidentalischen Philosophie eben sowohl von die-sem als von Thales herleiten: denn, obwohl unsichere Angabenihn auf seinen Reisen auch den Thales besuchen und von ibmlernen lassen, so kann dieser EinfluB des Thales nur einen klei-

nen Theil an seiner Bildung gehabt haben, da er den ganzenOrient durchwanderte, urn iiberall zu lernen, folglich gar vieleLehrer dem Thales diesen Schuler streitig machen wiirden: auch

wiirde was er dern Thales verdankt wohl mehr Astronomie alsPhilosophie seyn. Er selbst steht auf einem vie! hohern Stand-

punkt als ThaIes, ist nicht wie dieser fast nur hypothesi render

Physiker und Astronom, sondern Philosoph imganzen und gro-Ben Sinn dieses Worts, das bekanntlich ihm seinen Ursprung

dankt. Seine Philosophie war eigentlich Metaphysik mit Ethikverbunden und seinWissen umfaBte dabei zugleich eine ziemlich

vollkommne Mathematik und aUeReal-Kennmif die in seinernZeitalter auf der weiten Erde miihsam zusammengesucht werden

konnte. Er scheint die Vielseitigkeir, und den Forschungstriebdes Aristoteles mit der Tiefe des Platen zugleich besessen zu ha-

ben. Wie er, der bekanntlich in GroB-Griechenland seine Schule

109

und gewissermaaBen seinen Staat griindete, durch einen weiten stiicken sind einzelne bis auf uns gekommen, besonders durch

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Raum vom Thales getrennt war; so ise auch seine Lehre im Gan-

zen vollig unabhangig von der des Thales und sogut als diese, die

obendrein die Theogonien philosophischer Dichter vor sich

harte, ein erster Anfang der Philosophie.

Ewig beklagenswerth ist es daB zwei so groBe Manner wie

Pythagoras und Sokrates nie geschrieben haben. Es bleibt sogar

schwer zu begreifen, wie Geister die das gewohnliche Men-

schenmaaB soweit iiberstiegen, entweder zufrieden gewesen

seyn konnten, blof auf ihre Zeitgenossen zu wirken, ohne Ein-

fluB auf die Nachwelt zu suchen; oder daB sie sollten die Fort-

pflanzung ihrer Lehre genug gesichert geglaubt haben, durch

den Weg der [Schule], durch die Schuler die sie durch miind-

lichen Unterricht gebildet, Von Pythagoras ist es nicht nur fast

ganz gewifl, daB er niche geschrieben; sondern auch daB seine

esoterische Lehre wie ein Mysterium verschwiegen gehalten

wurde, mittelsr eines Eides der Geweihten. Oeffentlich hielt er

populare Vortrage ethischen Inhalts an das Volk. Aber die

eigentlichen Schiller rnullten fiinf Jahre hindurch mannigfalt ige

Priifungen durchgehn: nur hochst wenige bestanden diese so,

daB sie zum nackten, unverhullten Unterricht des Pythagoras

gelangten (intra velum) [hinter den Schleier): die andern erhiel-

ten diese Lehren nur in symbolischer Einkleidung. - Pythagoras

harte wohl eingesehn, daB die meisten Menschen unfahig sind

diejenigen Wahrheiten zu fassen, welche den tiefsten Denkern

des menschlichen Geschlechts offenbar geworden: daB sie daher

jene Lehren miflverstehn und verdrehen, oder hassen und verfol-

gen eben weil sie sie nicht verstehn und ihren Aberglauben da-

durch gefahrdet halten, Darum wollte er durch vielfalrige Prii-

fungen, deren erste physiognomisch war, die Fahigsten die inseinen Bereich kamen auslesen und diesen allein das Beste mit-

theilen was er wuBte: diese sollten nach seinem Tode auf gleiche

Weise seine Lehre fortpflanzen an auf gleiche Weise auserwahlte,

und so so l ite sie stets leben im Geiste der Edelsten. Der Erfolg

lehrte daB das niche angieng: die Lehre erlosch mit seinen nach-

sten Schiilern: von denen wenige zuletzt, als die Sekte vollig zer-

streut und verfolgt war, einiges aufgeschrieben haben sollen, um

die Triimmern jener Weisheit zu bewahren. Von solchen Bruch-

11 0

die Neuplatoniker Jamblichos, Porphyries, Plotinos, Proklos,

auch durch Plutarch, Aristoteles, Stobaos: aber alles hochst un-

zusammenhangend und von unverbiirgter Aechtheit. Besser

ware es gewesen wenn Pythagoras es gemacht wie Herakleitos

der sein Buch im Tempel der Diana zu Ephesos niederlegte, daB

es don auf einen wiirdigen es verstehenden Leser im Lauf der

Jahrhundene warten sollte,

Allein wenn ich oben gesagt, daB man den Ursprung der occi-

dentalischen Philosophie eben sowohl vom Pythagoras als vorn

Thales herleiten konnte; so ist hiegegen besonders dies einzu-

wenden, daB es iiberhaupt die Frage ist, ob niche die Lehre des

Pythagoras im Occident eine ganz fremde Pflanze und eigentlich

zur Orientalischen Philosophie gehdrig sei. Denn Pythagoras ist

auf seinen Wanderungen die iiber 30 Jahre gedauert haben sollen

nicht nur nach Aegypten, sondern auch nach Baby Ion und wie es

mir doch wahrscheinlich ist bis nach Hindostan gekommen und

dorther scheint ganz und gar das Fundament seiner Lehre ge-

nommen zu seyn. Aus den Bruchstiicken erhellt soviel fast un-

widersprechlich, daB Pythagoras ' Lehre im Wesentlichen die in

Hindostan entstandene und dort noch vorhandene ist [FuBnote:

Nach den neuern Untersuchungen der Englander in Calcutta

aber ist die alte Aegyptische Religion und die Aegyptische herr-

schende Priesterschaft ganz entschieden in uralter Zeit aus Hin-

dostan gekommen: daher es nicht durchaus nothwendig ist daB

Pythagoras selbst bis Indien gekommen.]: denn wir finden als

Lehre des Pythagoras das in Europa bis dahin ganz fremde

Dogma der Metempsychose, und in Folge desselben das Gebot

der Enthaltung von thierischer Nahrung. Sogar aber 5011 das

Dogma der Metempsychose zu den exoterischen gehort habenund den esoterischen Schiilern allein der wahre darunter verbor-

gene Sinn erofnet worden seyn. Grade so aber ist es in Indien: die

Volksreligion glaubt fest die Metempsychose: die Vedas lehren

start dessen das Tatoumes [Tatoumes ist der im Oupnek'hat ver-

stiimmelt wiedergegebene Sanskritsatz tat twam asi: Das bist du!

(Chandogya-Upanishad 6, 8, 7)], dessen wesentlichen Inhalt Sie

weiterhin in der von mir Ihnen rnitzutheilend 'losophie

wiederfinden werden. I' .::;~~~ 010"

~ . ' / " ' ! , t .

~ /./ .' ~ 111.r> '. c.,

' : ' / , > . / •'! :JAml\

Was Pythagoras symboliseh dureh Zahlen gelehrt, wie er die GrundriB der pyrrhonisehen Skepsis, I, 33], ist ungewiB. Diese

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Musik, die zuerst von ihm eine Arithmetische Grundlage erhielt,

dam it in Verbindung gebracht, - das Alles liegt ganz im Dun-

keln. Ueberhaupt gehort die Betrachtung der iibriggebliebenen

vorgeblichen Lehren des Pythagoras nicht in diese ganz allge-

meine historische Betrachtung. In seinen Ethischen Vorsehriften

erkennen wir eine Anleitung den Geist iiber alles Irdisehe hinaus

zu erheben und das Leben gleichsam zu einem verklarten, be-

trachtenden Wandel umzugestalten: nach Indiseher Weise; doch

nicht ganz so auster und asketisch,

Von seiner Metaphysik scheint soviel gewiB, daB auch seine

Lehre, wie die aller alten Philosophen dem beizuzahlen sei, was

man Pantheismus nennt, d. h. daB er eine Weltseele, ein in allen

Wesen der Welt sieh auBerndes Princip annahm, welches er auch

l1Eo~[Gott] genannt haben soll, jedoch in der Hauptstelle, wel-

ehe im Dorisehen Dialekt uns justinus der Martyrer erhalten

hat, sich ausdriicklich dagegen verwahn, daB dieser fJEO~ etwas

auBerhalb der Welt sei, vielmehr sei das innre Lebensprincip der

Welt damit gemeint.

Aus der Pythagorischen Schule ist sparer in Sicilien Empe-dokles hervorgegangen zu Agrigentum. Der Pythagorische Ur-

sprung seiner Philosophie giebt sich kund an der Seelenwande-

rung und an dem in allen Dingen lebenden namlichen Wesen,

wie auch am Verbot thierischer Nahrung. Auch hat aber Empe-

dokles deutlich ein Emanationssystem gelehrt, einen siindlichen

Abfall aus einem bessern Daseyn ins gegenwartige, aus welchem

nach iiberstandener Strafe und Lauterung die Seele zum bessern

Daseyn zunickkehrt.

Den Empedokles sehn wir schon nieht bloB auf dem objekci-

yen Weg philosophiren, wie die friiheren Philosophen, sondemaueh den subjektiven betreten und Untersuchungen iiber den

Ursprung der Erkenntni6 anstellen, die sinnliehe von der ver-

niinftigen unterseheiden und fragen, welcher zu trauen? Dann

entscheiden: der verniinftigen, nieht den Sinnen. Ob er aber zu-

erst diesen Weg betrat, oder nach Vorgang des Anaxagoras. der

ziemlich gleichzeitig lebte, und TaqJatYOJlEVa [das (der Sinnes-

wahrnehmung) Erscheinende] entgegengesetzte TOt;- YOOVJlE-

Yot~ [dem Gedachten (Intelligiblen) - vgl. Sextus Empirieus,

112

Unterscheidung brachte ihn aber dahin eine sinnliche und eine

verniinftige Seele im Menschen anzunehmen (anima sensitiva et

rationalis), jene als Theil der ewigen Weltseele, diese als Theil der

Materie darzustellen, und dadurch den Dualismus von Geist und

Materie einzufiihren. Jene zwei Seelen und diesen Dualismus

finden wir noch beim Cartesius bei dem die verniinftige Seele die

aus lauter abstrakten Gedanken und iiberlegten Beschliissen be-

steht, Geist und unsterblieh ist; hingegen das Anschauende und

Empfindende Wesen, Materie, Maschine, wozu er auch die

Thiere macht. Es seheint daB diese U nterscheidung zweier See-

len und jener Dualismus seit dem Empedokles bis auf den Cane-

sius nie ganz auBer Kredit gekommen; sondern erst seit Kant. -

Die Natur konstruin Empedokles durch Liebe und HaB, d. i.

Suchen und Fliehen, Anziehn und AbstoBen.

Ebenfalls aus der Pythagorischen Schule entsprossen ist die

Eleatische, von Xenophanes gesrifret; jedoch hat sie schon einen

ganz eigenthiimlichen Charakter, beriicksichtigt sehr das Sub-

jektive, streitet subtil iiber die Vernunft und die Sinne als Quell

wahrer ErkenntniB, ist aber ganz fiir die Vernunft: daher geht sievon Begriffen aus und leiret aus diesen Dinge ab, die der Erfah-

rung gradezu widerstreiten, z, B. die Unmoglichkeit der Bewe-

gung, bleibt dennoch der abstrakten ErkenntniB, dem VOOVJlE-

YOY treu, im Gegensatz der SinnenerkenntniB, qJaLvoJlEVOY.

Man ist in neuern Zeiten wieder sehr aufmerksam auf die Eleaten

geworden, weil sie eine Aehnliehkeit mit dem Spinozismus ha-

ben, der auch erst in unsern Tagen zu Ehren gekommen. Uebri-

gens waren die Eleatischen Philosophen Xenophanes, Parmeni-

des, Zeno Eleates, Melissos, sehr tiefe Denker wie die wenigen

Bruchstiicke bezeugen: Brandis comment. Eleaticae. [Chr. Aug.Brandis, Commentationum Eleaticarum, Pars prima, Altonae

1813]

Ich darf jedoch nicht fonfahren die Meinungen der alten Phi-

losophen vorzutragen, da ich sonst Geschichte der Philosophie

lehren wiirde, start der Philosophie: - Denn ich miiBte nunmehr

ausfiihrlich werden, da Philosophen folgen deren Schriften wir

besitzen. Die Eleaten wirkten wieder auf den Sokrates in wel-

chem sieh also die beiden Zweige der alten Philosophie, der Joni-

113

sche und der Italische vereinigen und beitragen den wunderba- gewesen zu seyn; bei aller Scharfe gieng ihm die Tiefe ab und es

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ren Mann zu bilden von dem nachher die mannigfaltigsten Sek-

ten ausgehn, Platen, mit der ganzen Akademie, mittelbar durch

diesen Aristoteles, unmittelbar aber noch Aristippos der Hedo-

niker, Eukleides der Megariker (der die Eristische streitende

Schule stiftete), Antisthenes der Cyniker, und Zeno der Stoiker.

Moge Ihnen je die MuBe werden sich mit dem was von dies en

Denkern der Vorzeit ubrig ist bekannt zu machen: es ist ein sehr

schones Studiurn, auBerordentlich einfluBreich auf die achte Bil-

dung des Geistes da man in den System en der aleen Philosophie

gewissennaaBen lauter naturliche Entwickelungen des mensch-

lichen Denkens finder, einseitige Richtungen die einmal konse-

quent durchgefiihrt werden muBten, damit man sahe was dabei

herauskame, so die Hedonik, der Stoicism us, der Cynismus,

sparer der Skepticismus: auf dem theoretischen Wege aber treten

zwei gewaltige Geister einander gegeniiber, die man als Repra-

sentanten zweier groBer und durchgreifender entgegengesetzter

Geistesrichtungen im Spekulativen ansehn muf!: Platon und Ari-

stoteles. Erst aus meinem spatern Vortrage kann Ihnen verstand-

lich werden, was den Gegensatz derselben am scharfsten be-

zeichnet, narnlich Aristoteles geht der ErkenntniB einzig am

Leitfaden des Satzes vom Grunde nach: Platon hingegen verlaBt

diese um die ganz entgegengesetzte der Idee zu ergreifen. Ver-

standlicher wird es Ihnen seyn, wenn ich sage! Platon folgte

mehr der ErkenntniBweise aus welcher die Werke der schonen

Kiinste jeder Art hervorgehn; Aristoteles hingegen war der

eigentliche Vater der Wissenschaften, er steilte sie auf, sonderte

ihre Gebiete, und wies jeder ihren Weg. - In den meisten Wis-

senschaften, namentlich in allen die der Erfahrung bediirfen, ist

man seitdem viel weiter gekommen; hingegen die Logik brachte

schon Aristoteles zu solcher Vollendung, daB seitdem im We-

sentlichen derselben keine groBen Verbesserungen zu machen

waren. Aristoteles liebte das Scharfe, Bestimmte, Subtile, und

hielt sich soviel moglich auf dem Felde der Erfahrung. Platon

hingegen, der eigentlich in die Natur der Dinge viel defer ein-

drang, konnte grade in den Hauptsachen keinen scientifischen,

sondern nur einen mythischen Vortrag seiner Gedanken finden.

Grade dieser Vortrag aber scheint dem Aristoteles unzuganglich

114

ist verdrieBlich zu sehn, wie er das Hauptdogma seines groBen

Lehrers, die Ideenlehre mit trivialen Grunden angreift und eben

zeigt daB er den Sinn davon nicht fassen konnte. Grade diese

Ideenlehre des Plaron blieb zu allen Zeiten, bis auf den heutigen

Tag, ein Gegenstand des Nachdenkens, des Forschens, Zwei-

felns, der Verehrung, des Spottes, so vieler und so verschieden

gesinnter Kopfe im Laufe der Jahrhunderte: ein Beweis daB sie

wichtigen Inhalt und zugleich grofle Dunkelheit hatte. Sie isr die

Hauptsache in der ganzen Platonischen Philosophie. Wir wer-

den sie griindlich untersuchen an ihrem Ort, im weitern Fort-

gange unsrer Betrachtungen und da werde ich nachweisen daB

der eigentliche Sinn derselben ganz iibereinkommt mit der

Hauptlehre Kants, der Lehre von der ldealitat des Raums und

der Zeit: allein bei aller Identitat des Inhalts dieser beiden groBen

Hauptlehren der zwei groBten Philosophen die es wahrschein-

lich je gegeben hat, ist der Gedankengang. der Vortrag, die indi-

viduelle Sinnesart beider so grundverschieden, daB vor mir Nie-

mand die Identitat des innern Sinnes beider Lehren eingesehn

hat. Vielmehr suchte man auf ganz andern Wegen Beziehungen.

Einheitspunkte zwischen Platen und Kant, hielt sich aber an die

Worte statt in den Sinn und Geist zu dringen. Die Erkenntnif

dieser Identitat aber ist von der groBten Wichtigkeit, weil eben

weil beide Philosophen auf so ganz verschiedenen Wegen zum

selben Ziel gelangten, auf so grundverschiedene Weise dieselbe

Wahrheit einsehn und rninheilen, die Philosophie des einen der

beste Kommentar zur Philosophie des andern ist. Den Gegen-

satz aber der sich so entschieden und deutlich zwischen Platon

und Aristoteles aussprach sehn wir nachher im diistern Mittelal-

ter wieder auftreten im sonderbaren Streit zwischen Realistenund Nominaliscen.

In den Dialogen des Platon wo er in der Person des Sokrates

spricht, hat er die Methode seines Lehrers darin beibehalten, daB

er zu keinem entschiedenen Resultate gradezu leiten will, son-

dem nachdem er die Probleme lange hin und her gewendet, sie

von allen Seiten betrachter, aile Data zu ihrer moglichen Auflo-

sung vorgefiihrt, nun die Auflosung, die Eritscheidung dem Le-

ser selbst iiberlaBt, seiner eignen Sinnesart gemaB. Yom Platen

115

gilt, was man nach Kants Vorgang falschlich auf aile Philosophen der Wissenschaften eintrat, so waren es ja eben wieder jene Schu-

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ubenragt, daB man von ihm nicht sowohl die Philosophie als das

Philosophiren lernen kann. Er ist die wahre Schule des Philo-

sophen, an ihm enrwickeln sich philosophische Krafte, wo sie

vorhanden sind, am allerbesten: Daher hat jeder gewesene und

wird jeder kiinftige Philosoph dem Platon unendlich viel zu dan-

ken haben: seine Schriften sind die wahre Denkschule: jede phi-

losophische Saite des Gemuths wird angeregt und doch nicht

durch aufgedrungene Dogmen wieder in Ruhestand versetzt,sondern ihr Thatigkeit und Freiheit gegeben und gelassen. Wer

daher von Ihnen philosophische Neigung in sich spun, der lese

anhaltend den Platon: er wird nicht etwa gleich aus ihm ganz

fenige Weisheit zum Aufspeichern nach Hause tragen: aber er

wird Denken lernen und zugle ich disput iren lemen, Dialektik:

er wird die Nachwirkung eines aufmerksamen Studiums des Pla-ton in seinem ganzen Geiste spiiren,

Von den iibrigen Sekten, die aus Sokrates' Schule entsprangen,

Hedonikern, Cynikern, Stoikern, Akademikern, Peripateti-

kern, Megarikern, Skeptikern u.s. w., zu reden, wurde zu weit

fuhren. Die Ethik der Stoiker werden wir im Zusammenhang

unsrer fernern Betrachtung auseinandersetzen. Nach diesen

vom Sokrates ausgegangenen Philosophen finden sich keine ori-

ginelle, urspriingliche Denker mehr: an den von ihm ausgegan-

genen Lehren, Ansichten, Methoden muBte die ganze Nachwelt

fast zwei Jahrtausende hindurch zehren, nach Abirrungen im-

mer wieder auf dieselben Wege zuriickkommen, in der Ramer-

welt das von jenen Griechen gelernte mannigfaltig hin und her

wenden, annehmen und dariiber streiten so daB wir die graB ten

Manner des Romischen Staats sich Peripatetiker, Stoiker, Aka-

demiker, Epikuraer nennen sehn, dann muBte die Lehre Platons

zu Alexandrien als Neuplatonismus ein wunderliches Gemisch

religioser Dogmen und Platonischer Lehren hervorbringen,

dann gab sparer Platen den Kirchenvatern Nahrung; sodann

kam die lange Nacht des Minelalters in der kein andres Licht

leuchtete als ein schwacher Wiederschein von dem des Aristote-

les und von den andern Philosophen der Alten nur die Namenbekannt und wie fabelhafte Heroen der Vorzeit genannt wurden.

Wie endlich im 14. und 15.Jahrhundert die Wiederherstellung

116

ler des Sokrates welche die Menschheit des Occidents aus der

tiefsten Barbarei und der jammerlichsren Befangenheit heraus-

rissen. Nun gab es im 151rn und 161rn Jahrhundert wieder Platoni-

ker, Peripatetiker, Stoiker, Epikuraer, ja Pythagoreer, Eleaten

und Jonische Philosophen! 50 unglaublich groB, so weitrei-

chend, so kraftig ist die Wirkung einzelner Kopfe auf die ganze

Menschheit und so selten sind wirkliche urspriingliche Denker,

so selten auch die Umstande die sie zur Reife, zur Ausbildung,zur Wirksamkeit gelangen lassen!

Mit dem Eintritt des Christenthums muBte wie die Weltge-

schichte, so auch die Philosophie eine ganz andre Gestalt anneh-

men: letztere gewiB eine sehr traurige, da ein festes, vom Staat

sanktionirtes, mit der Regierung jedes Staats ganz eng verkniipf-

tes Dogma eben das Feld einnahm auf welchem die Philosophie

sich allein bewegt. Alles freie Forschen muBte nothwendig ganz

aufhoren. Die Kirchenvater benutzten inzwischen aus der Philo-

sophie der Alten was eben zu ihren Lehren brauchbar war und

paBte: das ubrige verdammten sie, und sahen mit Abscheu aufdas blinde Heidenthum.

1m eigentlichen Mittelalter, wo die Kirche den hochsten Gip-

fel erreichre und die Geisdichkeit die Welt beherrschte, muBte

diesem entsprechend die Philosophie am tiefsten sinken, ja in

gewissem Sinn, namlich als freies Forschen berrachtet untergehn

und Statt ihrer ein Zerrbild ihrer selbst, ein Gespenst das bloB

Form ohne Substanz war, unter ihrem Namen dastehn: die

Scholastik. Diese gab nie vor etwas anderes [sein] zu wollen, als

die Dienerin der Theologie, prof it etur ph;/osophia se tbeologiaeanci/lari [Die Philosophie bekennt, die Magd der Theologie zu

sein. - Vgl. Petrus Damiani, Opera ed. Cajetan., Par. 1743, III,621], namlich ihre Dogmen erklaren, erlautern, beweisen u.s.f.

Der Kirchenglaube herrschte nicht nur in der AuBenwelt und

mit physischer Macht so, daB die leiseste Abweichung von ihm

ein Todeswurdiges Verbrechen war; sondern er hatte sich, da-

durch daB alles Denken und Thun sich nur urn ihn drehte, auch

wirklich der Geister, die schon mit dem allerersten BewuBtseyn

sogleich ihn aufnehmen muflten, dergestalt bemachtigt, daB er

die Fahigkeit des Denkens, nach dieser Seite hin, ganzlich lahmte

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und jeder, selbst der Gelehrte, die hyperphysischen Dinge die heute wir iiber diese wirkliche in der Erfahrung daliegende Welt

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der Glaube lehrte fur wenigstens so real hielt als die AuBenwelt

die er sah, und wirklich nie dahin kam nur zu merken daB die

Welt ein ungelostes Rathsel ist; sondem die friih aufgedrungenenDogmen galten ihm wie faktische Wahrheit, an die zu zweifelnWahnsinn ware. Es konnte vor dem lauten von allen Seiten to-nenden Ruf des Glaubens, gar keiner nur zu so viel Besinnung

kommen, daBer sich einmal ernstlich und ehrlich fragte: wer bin

ich? was ist diese Welt? die auf mich gekommen ist, wie einTraum dessen Anfang ich mir nicht bewuBt bin. - Wie 5011 aberwer noch nicht einmal das Rathsel vernehmen kann, die Losung

finden? An Nachforschung der Natur war auch niche zu denken:dergleichen brachte in den Verdacht der Zauberei. Die Ge-schichte schwieg: die Alten waren meist unzuganglich; ihr Stu-

dium brachte Gefahr. Aristoteles, in ganz schlechten und ver-

drehten Saracenischen Uebersetzungen wurde gelesen und als

ubennenschlich verehrt, eben weil man ihn gar nicht verstand.

Und doch lebten auch damals eben unter den Scholastikern

Leute von Geist und grofler Denkkraft. Ihr Loos ist durch ein

GleichniB versrandlich zu machen: man denke sich einen lebhaf-ten Menschen von Kindheit auf in einem Thunn gefangen, ohneBeschaftigung und Gesellschaft. Er wird aus den wenigen Ge-genstanden die ihn umgeben sich eine Welt konstruiren, und sie

mit seinen Phantasien bevolkern. - So die Scholastiker: in ihren

Klostern eingesperrt, ohne deutliche Kunde von der Welt, vonder Natur, vom Alterthum, von der Geschichte; alleinmit ihrem

Glauben und ihrem Aristoteles, konstruirten [sie] eine christ-lich-aristotelische Metaphysik: ihr einziges Bauzeug waren

hochst abstrakte Begriffe, dieweit von allermoglichen Anschau-

lichkeit lagen: ens, substantia, forma, materia, essentia, existen-tia, forma substantialis und forma accidenta/is, causaforma/is,materialis, efficiens und {inalis, haecceitas, quidditas, qualitas,

quantitas u.s.f. [das Seiende, die Substanz, die Form, die Mate-rie, das Wesen, das Dasein, wesentliche Form, zufallige Fonn,

fonnale, materielle, bewirkende und End-Ursache, die Diesheit,

die Washeit, die Beschaffenheit, die GroBe]. Dagegen an Real-

KenntniB fehlte es ganz: der Kirchenglaube vertrat die Stellederwirklichen Welt, der Erfahrungswelt: und 50 wie die Alten und

118

philosophiren; so philosophirten die Scholastiker nur iiber denKirchenglauben: den erklarten sie; niche die Welt. Wie sehr ih-

nen alle Kunde von dieser abgieng spricht sich hochst naiv darin

aus,daB sie aUeihre Beispiele von hyperphysischen Dingen neh-men: z. B. so: sit aliqua substantia, e.c. Deus, Angelus [ange-nommen irgendeine Substanz, z, B. Gott, Engel]: denn derglei-chen liegt ihnen immer viel naher als die Erfahrungswelt. - AmLeitfaden der unverstandenen und in ihrer ganzlichen Versriim-melung unverstandlichen Aristotelischen Metaphysik, wurde

nun aus solchen abstrakten Begriffen und ihrer Entwickelungeine Philosophie gemacht, die aber in allen Snicken mit dem be-stehenden und wunderlich zusammengekommenen Kirchen-glauben harmoniren muBte. Der rege, thatige Geist. bei unaus-

geftillter MuBe, nahm vor was er allein hatte, jene Abstrakta,

ordnete, spaltete, vereinigte Begriffe, warf sie hin und her und

entfaltete selbst bei diesem unfruchtbaren Geschaft, oft bewun-

derungswiirdige Krafte, Scharfsinn, Kombinationsgabe, Griind-lichkeit, die eines bessern Stoffes wiirdig gewesen waren. Selbst

manche wahre und vortreffliche Gedanken, auch in Hinsicht aufden menschlichen Geist lehrreiche Untersuchungen sind in den

Scholastikern anzutreffen: aber derZeirverlust bei denweitlaufti-gen Schriften jener muBigen Denker ist so groll, daB man sich

hochst selten an siewagt. Ais Probe Suarez disp.met. [Metaphysi-carum disputationum, torni 2, Moguntiae 1605].-

Nachdem nun schon das Licht der wiederauflebenden klassi-

schen Litteratur seine Strahlen in die Nacht der Scholastik warfund ihre Nebel zerstreute, die Geister empfanglich fur das bes-

sere gemachr, und zugleich der Kirche eigentlich den ersten StoB

versetzt harte, auf den bald ein viel ernstlicherer folgte, die Re-fonnation: da traten endlich am Ende des 161tn J ahrhundertsManner auf welche durch Lehre und Beispiel zeigten, daBauf die

Zeit worin die Menschheit so tief gesunken war (im Intellektua-

len)daBsie von ihren eigenen freien Geisteskrafeen etwas zu hof-fen durchaus niche wagte, ja fur vennessen und frevelhaft hielr,

sondern sie alles Heil und Licht einzig und allein theils von der

Offenbarung, theils von den Schriften der Alten, den Denkrna-len eines edlern und starkern Geschlechts, hoffte; daB,sage ich,

119

auf diese Zeiten dennoch wieder andre folgen konnten, in denen den, den Englischen und den Franzosisch-Teutschem obgleich

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die Menschheit aus dem Zustand der Unmundigkeit heraustre-ten und wieder die eigenen Krafte gebrauchen, auf eigenen Bei-

nen stehen konnte, Schon Cardanus gab ein Beispiel des eigenenForschens in die Natur und des eigenen Denkens iiber das Le-ben. Besonders aber trat Bako 'Von Ve ru lam auf und reformineden ganzen Geist der Wissenschaften. Statt des Weges den die

ganze Scholasrik und zum Theil selbst die Alten gegangen wa-ren, vom Allgemeinen zum Besondern, vom Abstrakten zum

Anschaulichen, welches der Weg des Syllogismus ist, stellte erals den allein rechten, den umgekehnen Weg dar, den vom Be-sondern zum Allgemeinen, vom Anschaulichen zum Abstrak-ten, vorn Fall zur Regel, den Weg der Induktion, die allein aus-

gehn kann von Erfahrung. - Er hatte es niche auf spekulativePhilosophie abgesehn, sondern auf empirisches Wissen, beson-

ders auf Naturwissenschaft. Aile die groBen Fortschritte in die-ser in den letzten 200Jahren, vermoge welcher unsre Zeit auf alle

friiheren wie auf Kinder herabsieht, haben ihren Ursprung, ih-

ren Ausgangspunkt in der Reform Bako's; diese freilich aber war

durch den Geist der Zeit herbeigefuhrt, Was Luther in der Kir-che ist Bako in der Naturwissenschaft. In der Philosophie warder, obgleich er selbst nicht spekulirte, noch weniger ein System

schuf, AnlaB und indirekter Urheber des eigentlichen Empiris-mus, der sich schon ganz deutlich aussprach in seinem jiingernZeitgenossen Hobbes, und endlich ganz vollendet sich hervor-

that im Locke, dessen System eine nothwendige Stufe zu seynscheint, auf der der menschliche Geist einmal stehn muBte. In

England herrscht Locke eigentlich noch jetzt. Baco veranlaBteauch die Stifrung der koniglichen Gesellschaft der Wissenschaf-

ten in London: und wie er vom Spekuliren zum Experimentiren

leitete, und mehr die Naturwissenschaft als die Philosophie hob;so ist es noch ganz in Bacos Geist, daB man in England unter

na tu ra l ph ilosophy [Naturphilosophie] Experimental-Physikund unter philosophical transactions [philosophische Abhand-lungen], die unphilosophischeste aller Sammlungen, nirnlichreine Erzahlungen sehr schatzbarer Erfahrungen versteht, -

Ueberhaupt konnen wir seit dem Anfang des 17.Jahrhunderts inEuropa zwei verschiedene philosophische Stamme unterschei-

120

sie auf einander wechselseitig einwirkten, so sind sie eigentlichdoch getrennt und verschieden und gehn jeder fur sich. DenEnglischen bilden Baco, Hobbes, Locke, Hume; deren Lehren

durchaus im Zusammenhang stehn und im selben Geist sind;wiewohl Hume als Skeptiker die Negative halt. Den Franze-sisch-Teutschen Stamm bilden Canesius, Mallebranche, Leib-nitz, Wolf. - Eigentlich ganz unabhangig von beiden Stammen,d em Ge is te n ac h, wiewohl unter dem EinfluB ihrer Form, stehn

zwei Manner am Ende des 16 ttn und Anfang des 17 ttn Jahrhun-dens in denen unstreirig viel groBerer philosophischer Tiefsinn,Ernst und Kraft lebte, als in allen jenen: Jord. Brunus und Be-ned. Spinoza. Sie gehoren nicht ihrem Jahrhunden noch ihremWelttheil an, die dem einen mit dem Tode, dem andern mit Ver-

folgung und Schimpf lohnten und denen sie immer fremd blie-

ben. Ihre Geistesheimath war Hindostan, dort waren und sindahnliche Ansichten zu Hause. Man konnte im Scherz sagen, sie

waren Braminenseelen zur Strafe ihrer Vergehungen in Euro-

paische Leiber inkarnirt gewesen. [Hier folgte urspriinglich, mit

Tinte wieder ausgestrichen: In Europa glich ihr Daseyn dem dertropischen Pflanzen daselbst ... ] Sie haben keine Sekte gestiftet

und eigentlich niche auf den Geist ihrer Zeit noch auf den Gangder Philosophie unmittelbar eingewirkt: die Zeit war nicht reiffur sie: Ihnen sollte erst viel sparer, erst im 19tmJahrhundert, diegeburende Ehre werden. Beide, sowohl Bruno als Spinoza wa-ren erfiillt und durchdrungen von dem Gedanken, daBso man-

nigfaltig auch die Erscheinungen der Welt seien, es doeh ein We-sen sei, welches in Ihnen allen ersehiene, welches durch siehallein da ware, sich ungehinden auBene und auBer welchem esnichts gabe: daher in ihrer Philosophie Gott als Schopfer keinen

Raum finder, sondern die Welt selbst, weil sie durch sieh selbstist, von ihnen Gott genannt wird.

Bruno unterseheidet sehr deutlieh das innre Wesen der Welt(dieWeltseele) von dessen Erscheinung, die er den Schatten unddasAbbiIJ (ambra, simulacra) jenes nennt; [erl sagt daB das wasdie Vielheit in den Dingen macht, nicht jenem innern Wesen der

Welt zukornme, sondern nur dessen Erscheinung; daB jenesinnre Wesen in jedem Dinge der Natur ganz ware; denn es sei

121

untheilbar: endlich daB im Wesen an sich der Welt Moglichkeit 1Da'.'olamd• Toil IOlh. I~h aI. Eruu - nid" aI o Era in . .. nB- lu, die 8nchich~hm AllIfiihnIn ........"..lUl~ .... aI~ m~ .. ! t.h .... 1 S. 107 ununs Bllldn lIIochlirllm. Oi. V"binclllnl "dI .. follmdo

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und Wirklichkeit dassel be seien.

Spinoza lehrt im Ganzen dasselbe: er lebte Gleich nach dem

Bruno; ob er ihn gekannt ist ungewiB, doch hochst wahrschein-

lich. Er harte weniger Gelehrsamkeit, besonders weniger alte Li-

teratur, als Bruno welches sehr zu bedauern in: denn er bleibt was

den Vortrag, die Form der Darstellung betrifft, ganz befangen in

dem was die Zeit bot, in den Begriffen der Scholastik, in der

Demonstrirmethode die er mathematisch nennt, im Gange und

den Beweisen des Cartesius, an dessen Philosophie er die seine

unmittelbar knupft. Er bewegt sich daher mit GroBer Miihe in

diesem Apparat von Begriffen und Worten die gemacht waren

ganz andre Dinge auszudriicken als er zu sagen hatte, und mit

denen er stets kampfen muB. Bruno hatte auch KenntniB der

Natur, die dem Spinoza auch zu fehlen scheint; Bruno stellt alles

mit Italianischer Lebhaftigkeit dar, in Dialogen die groBes drama-

tisches Verdienst haben; Spinoza, der Hollander, bewegt sich

schwer und bedachrig in Propositionen, Demonstrationen, Ko-

rollarien und Scholien. - Indessen lehren beide ganz dasselbe,

sind von derselben Wahrheit, demselben Geist ergriffen, und esist niche zu sagen wer tie f er eingedrungen sei, obwohl Spinoza

gri indlicher, methodischer, ausfuhrl icher zu Werke geht. Er lehrt

besonders daB das Eine bestehende Wesen zwei Formen seiner

Erscheinung habe, Ausdehnung und Denken, worunter er Vor-

stellen versteht; sah aber nicht ein, daB die Ausdehnung selbst zur

Vorstellung gehort, daher nicht der Gegensaz sein kann.

Mit der Ethik steht es bei beiden sehr schlechu Bruno giebt, so

viel ich gefunden, gar keine, Spinoza giebt eine, gut gemeinte,

aber sehr schlechte, da durch die grobsten, plumpsten Sophism en

aus Egoistischen Principien reine Moral abgeleitet wird: wie inder Musik falsche Tone viel mehr beleidigen als eine schlechte

Stimme; so in der Philosophie Inkonsequenzen, falsche Folge-

rungen mehr als falsche Principien: Spinozas Moral, vereinigt

aber beides: seine einzelnen Satze iiber Recht und andre ethische

Gegenstande beleidigen das Gefilhl jedes denkenden Menschen

aufs heftigste. Sonderbar daB er seine Philosophie Ethiea inskri-

birt: man pickirt sich immer dessen am meisten, wozu man am

wenigsten Anlage hat. -

122

R.tndIlOU. '-:J Oint Philoropbm I,""",, a I o o nicht o m i iborha. .pt . i l I . Nanu mi>glich lei. di_ ihrn

Na"" ~ ..o~hmd. F"8c wuf ItJ.nt _h drittchalb Talllmd Jahrm a..l; o ondml lic l rastm

b io S . .. e ..... 10 IllId 10bnchafl eee N , aI. di_ hi. .. . orbandmc i .t mu.chm !tonn. . : Em Dach2 'hJahna~ allO. f rasto Kant nach t il l . . Erklinmg d.. .. ., . was dio O,I1m PhilolOphm ai, gar!trin.. E,kIi-

NDgbtd ..rft,g. aI o du was11th"Onoclblt ytrs.. h. angcnommm halton. (5. 0., S. 107 1. , . . odi ... Randnoti.11Kh aloFuSno.o dim t.)

"

Ich sagte vorhin daB, nachdem in der alten wie in der neuen Zeit

die Philosophie thei ls Dogmatismus, theils Skeptizismus gewe-

sen war, deren Krieg durch aile Jahrhunderte gedauert und in

den mannigfal tigsren Gestalten sich dargestel lt hatte; Kant end-

lich diesen Streit auf immer zu entscheiden unternahm durch

eine Untersuchung des Subjekts, der Erkennmilikrafte, um ein

fur allemal festzusetzen, was sich, auf dem Wege, den man bisher

als den allein moglichen angesehen hane, leisten lassen konne,

dieser Weg bestand aber darin, daB man die AuBenwelt, die Ob-

jekte, als fur sich bestehende schlechthin reale Dinge betrachtere

und dennoeh nach Grundsatzen die vor aller Erfahrung gewiB

waren entscheiden wollte, wie ein fur aile Mal solehe Dinge be-

schaffen seyn muBten: Das nannte man Ontologie. Kant zeigtedaB eben weil man vor aller Erfahrung tiber ihre Beschaffenheit

urtheilen konne, sie keine Dinge an siehwaren; sondern Ersehei-

nungen. Und diese Wahrheit, daB eben weil wir uber die Be-

schaffenheit der die vorhandene Welt ausmachenden Dinge, das

Allgemeinste durehaus vor aller Erfahrung, d. i. apriori wissen,

diese Dinge selbst schlechterdings nur Erseheinungen sind, nicht

Dinge an sieh, nichr so wie sie erscheinen fur sich bestehende

Wesen, und der hieraus entspringende Unterschied zwischen

Erscheinung und Ding an sich: - ist der Kern der ganzen Kanti-

schen Philosophie, die ErkenntniB davon ist der Geist derselben.Er [Kant] fiihrte aber bei dieser Gelegenheit die Philosophie so

sehr von der AuBenwelt in die Innenwelt zuriick, warf ein so

helles Licht in das Subjekt alles Erkennens, zeigte eine so GroBe

Bedeutsamkeit des Subjekts im VerhaltniB zu allem moglichen

Objekt; - daB sich der Philosophie ein ganz neuer Weg, eine

neue Sphare erofnere, die bis dahin unbekannt geblieben, ja die

Kant selbst noch nicht erblickte, weil seine Krafte, so ganz au-

Berordentlich sie auch waren, durch das was er geleistet, ihr

123

Maas erfdlle sahen; so daB er, weil er nicht zum zweiten Mal jung Geists unmittelbar empfangen hat. (Hauptschriften.) - Nun

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werden und einen neuen Anlauf nehmen konnte, zwar die

Menschheit um ein grofles welter brachte, jedoch auf einenPunkt auf welchem sie nicht auch nur einige Jahre hindurch sti lle

stehn konnte, sondern sogleich das BedUrfniB fUhlte weiter zu

gehn, den e rs te n b e ste n die s ic h d ar bo te n sich als ihren Filhrern

anvertraute, sie als g ro l le P ro phe t en ausschrie, aber das Geschrei

auch wieder verhallen lieB und die sonderbare Peri ode zahlloser

Ausgeburten, ephemerischer, zum Theil monstroser Erschei-

nungen erlebte, welche die Geschichte der Philosophie dieserletzten 30 Jahre ausmachen. Dieses Alles beweist, daB Kant

nichts weniger leistete als was er vermeinte, eine endliche Ent-

scheidung aller metaphysischen Strei tigkeicen, und einen endli-

chen Ruhepunkt der Philosophie; sondern ganz im Gegentheil

erofnete er eine neue Bahn, die so einladend war, daB Unziihl ige

sie betraten, ohne daB einer mit dauerndem GlUck und sichtba-

rem Gewinn sie gegangen ware.

Wie wichtig, wie inhaltsreich Kants Schriften seyn rniissen,

konnen Sie schon aus dem Angefiihrten abnehmen: daher ich

Jedem das Studium derselben empfehle. Wer es ernstlich treibtund fahig ist einzudringen wird, wie ich Ihnen schon neulich

sagte, einen ganz andern Blick in die Welt erlangen, die Dinge in

anderm Licht sehn, er wird sich [ seiner] und der Dinge mit mehr

Besonnenheit hewuBt seyn und merken, daB die Erscheinung

niche das Ding an sich ist. - Da ich in dem was ich Ihnen vortrage

von Kant ausgehe; so wird wer dessen Philosophie studirt hat,

mich viel leichter und vollstandiger fassen. Jedoch darf ich bei

meinem Vortrag die Kantische Philosophie nicht voraussetzen,

vielmehr werde ich die Hauptlehren derselben in jenen aufneh-

men und ausfiihrlich darstellen. Viele Lehren Kants habe ic h u n-

richtig befunden und in einer Kririk seiner Philosophie dies dar-

gethan. [FuBnote: ..Kritik der Kantischen Philosophie«, Anhang

zur "Welt a.W. U.V.« [WI]] Die Hauptlehren welche ich bei-

behalten, sind grade die einfachsten, deren Darstellung keine

GroBe Weitlauftigkeit erfordert, daher ich sie desto leichter ein-

weben kann. J edoch wird immer der Vieles voraus haben, der

durch Studium der eigenen Schriften Kants, die ganz eigene, un-

glaubliche wohlthatige Einwirkung seines auBerordentlichen

, ,,, 124

aber wieder urn Kant ganz und gar zu verstehn, ist es von gro-

Bern Nutzen, ja norhwendig, seine Vorganger zu kennen,einersei ts Leibnitz und Wolf; andrerseits Locke und Hume. Erst

naehdem man, dureh Kant auf einen vie Ihohern Standpunkt ge-

stellt, nun mit Superioritat geriistet zu diesen Lehrern des vori-

gen Jahrhunderts zuruckkehrt, sieht man wo sie eigentlich fehl-

ten, erstaunt wie sie so grofle Dinge, so starke Unterschiede

iibersehn konnten, und indern man nun aus ihnen lernt wohin

jenes Uebersehn, jene Fehltritte fiihren, versteht man den Kantselbst sehr viel besser als vorher und ermillt zugleich die ganze

GroBe seines Verdienstes. Einen ganz ahnlichen Nutzen ge-

wahrt nun durchweg das Studium der Geschichte der Philo-

sophie: - Es ist eine Geschichre von Irrthiimern; aber sie sind

iiberall mit Wahrheiten vermischt und diese Wahrheiten lernt

man vollstandiger und griindlicher kennen nachdem man sich

darin geiibt hat, sie von so verschiedenen Irrthiimern, mit denensie, zu verschiednen Zeiten, eng verkniipft auftreten, herauszu-sondern, abzuscheiden.

Leider ist mir nicht vergonnt die Geschichte der Philosophiemit Ihnen zudurchgehn. Ieh muB in den unserm Zusammenseyn

gewidmeten Stunden mich bestreben Ihnen nicht mein Studiurn,sondern die Resultate meines Studiums und meines Denkens

mitzutheilen: das Beste was ic h vermag ist Sie auf den Stand-

punkt zu stellen auf welchem ich selber stehe; ich kann Ihnen

aber nicht zeigen, was Alles vorhergehn muBte, ehe es iiberhaupt

moglich war dahin zu gelangen. -Jedoch werde ich, bei man-

chen Anlassen, die Gelegenheit benutzen einige Philosopheme

aus beriihmten Systemen zu erlautern, da namlich wo wir auf

einem Standpunkt stehn, von dem aus sie besonders deutlich

werden sowohl was das Wahre in ihnen, als was den Ursprung

und die Auflosung des Irrthums in ihnen betrifft. [Darauf die

Notiz: (Von hier zu No. I, wo die Zahl mitten zwischen den

Columnen steht.) [5 . 126ff.]]

125

CAP. 1. jemand sieht, ist ein Theil der gesammten Zeit, nothwendig mit

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Yom Ob je kt u nd S ub je kt.

Die vollkommne Philosophische Besonnenheit ist der Punkt auf

welchem man stehn muB, damit es iiberhaupt maglich sei, daB

man zu einer adaquaten ErkenntniB vom Wesen der Welt gelan-

gen konne, indem man dieses Wesen von seiner Erscheinung rein

sondert, das Wesen selbst und dessen Erscheinung jedes fur sich

erkennt: jene Philosophische Besonnenheit nun, tritt ein mit

dem deutlichen VerstandniB und der ernstlichen Anerkennung

des Satzes: ..D ie We lt is t m e in e Y o rs te llu ng «, Man muB inne wer-

den, daB die Welt nur als eine ErkenntniB da ist und somit abhan-

gig vom Erkennenden welches man selbst ist, Das Seyn der

Dinge ist identisch mit ihrem Erkanntwerden. Sie sind, heiBt: siewerden vorgestellt, - Sie meinen, die Dinge der Welt waren doch

da, auch wenn sie niemand sahe und vorstellte. Aber suchen Sie

nur einmal sich deutlich zu machen was fur ein Dasein der Dinge

dies ware. Sobald Sie das versuchen stellen Sie immer die An-

schauung der Welt in einem Kopfe vor, nie aber eine Welt auBer

der Vorstellung. Sie sehn also daB das Seyn der Dinge in ihrem

Vorgestelltwerden besteht, Sie konnen sagen: ..Der Of en steht

da, auch wenn ich fortgehe und ihn nicht mehr sehe.« Freilich

vom Individuo ist das Objekt nicht abhangig: aber vom Subjekt

des Erkennens iiberhaupn die Art des Daseins eines Objekts ist

durchaus ein Dasein in der Vorstellung; daher ist es immer nur in

Bezug auf ein Vorstellendes, ein Subjekt iiberhaupr, es bedarf

eines Subjekts als eines Tragers seines Daseins. Welches Indivi-

duum dies Subjekt sei, ist gleichviel: das Subjekt ist nicht das

Individuum, sondern stellt sich nur in Individuen dar. Der Of en

ist und bleibt da, auch wenn gar Niemand gegenwartig ist; aber

dieser Raum, den er einnimmt ist ein nothwendiger Theil des

gesammten Raumes; und die Zeit wo er da steht, ohne daB ihn

126

dieser verknupfn nun aber ist die gesammte Zeit und der ge-

sammte Raum nur da in der Vorstellung: also auch was nur in

Raum und Zeit da ist, Man muB sich sagen: »Mein Kopf ist zwar

im Raum; aber der Raum mit allern was er befaBt ist doch nur in

meinem Kopf.« Und dies muB man nicht nur etwa als ein witzi-

ges Paradoxon zugeben, sondern eine lebendige ErkenntniB und

innige Ueberzeugung davon haben: sonst steht man niche auf

dem Punkt der philosophischen Besonnenheit. Sie miissen be-

denken daB alles das, des sen Sie sich unmittelbar und mit einem

Schlage bewuBt sind, so unmittelbar daB Sie Ihr BewuBtseyn gar

nicht daron haben konnen, daB dieses eben auch nur in Ihrem

BewuBtsein existirt d. h. Ihre Vorstellung ist: und dies ist der Fall

mit dem Raum, folglich auch mit den raumlichen Objekten als

solchen. Man muB sich deutlich machen daB die ganze AuBen-

welt ihrem Daseyn nach durchweg und unausweichbar von einer

Bedingung abhangt, welche das Erkennende, das Subjekt ist.

Glauben Sie etwa eine Sonne, eine Erde zu erkennen, wie diese

dasind, an und fur sich? Glauben Sie von einem solchen Daseyn

derselben nur irgend eine Vorstellung zu haben? - Das ware sehrirrig. Sie haben bloB die Vorstellung von einem Auge, das eine

Sonne sieht. Ein solches Auge kennen Sie; eine Sonne nimmer-

mehr. Mit dem Auge verschwindet auch die Sonne, die Erde, die

Welt. Zu sagen, sie waren noch da, auch wenn sie keiner wahr-

nehme, ist eine leere Rede, ohne Sinn und Bedeutung: denn ein

solches Daseyn einer objektiven Welt ohne ein Subjekt in dessen

ErkenntniB sie da ist, ist etwas vollig unvorstellbares, ist ein

Ausdruck, der sich selbst aufhebt. Die Welt ist VorsteUung: und

Vorstellung setzt ein Vorstellendes voraus. Was wir Daseyn nen-

nen, heiBt Vorgestelltwerden: solches Daseyn ist also durchgan-

gig mit einer Bedingung behaftet, dem Subjekt, fur welches es

allein da ist. Unter dieser Bedingung steht nicht nur das Gegen-

wartige, sondern auch alles Vergangene, alles Zukiinftige, das

Ferne wie das Nahe: denn Raum und Zeit selbst, in denen allein

sich dieses alles unterscheidet stehn unter jener Bedingung. Der

philosophische Ausdruck fur diese Wahrheit ist der Satz -kein

Objekt ohne Subjekt«. Er laBt sich auch umkehren: denn da wir

unter Subjekt nur das Erkennende, das Vorstellende als solches

127

.;-

verstehn, so erhellt von selbst, daB es als solches nur denkbar ist,sofem esVorstellungen, d. h. Objekte hat. Diese Wahrheit, kein

trachtung doch nur eine einseitige seyn kann, auf einer willkiirli-chen Abstraktion beruhn muB,daJeder sich sehr fest bewuBt ist,

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Objekt ohne Subjekt, oder die objektive Welt ist Vorstellung,

ist, so einleuchtend sie ist, erst vor etwa 100 Jwen bestimmt unddeutlich und rein ausgesprochen von George Berkeley, einemBischofe in Irrland. Zwar hatte man vorher die Sache selbst wohlbemerkt, und Zweifel iiber die Realitat der AuBenwelt daraufgebaut, aber eben durch absurde Anwendungen und Folgerun-

gen die Sache mehr als einen skeptischen Fechterstreich ange-

sehn, denn als eine objektive Wahrheit: so besonders Kartesius.Berkeley stellte es aber als philosophischen Satz auf; er hat siehdadurch ein unsterbliches Verdienst erworben. Kant ist unge-

recht gegen ihn: und sein erster Fehler war die Vernachlassigung

dieses Satzes, Berkeley's iibrige Philosophie besteht indessen

hauptsachlich darin daB er die Philosophie seiner Zeit mit jenem

Satz in Uebereinstimmung zu bringen suchte, So daB sein Ver-dienst eben auch nicht vielweiter geht, als jener Satz und dessenErlauterung und Vertheidigung. Er hat ihn indessen recht schon,mit eigener Ueberzeugung und daher mit Ueberzeugungskraftausgefuhrt und gegen Einwendungen vertheidigt, besonders imThree Dialogues between Hylas and Philonous. - Works Lond.

1784.2 Vol. 4°. - Teutsch Werke Leipz. 1781. - Da BerkeleysPhilosophie im Ganzen keinen Eingang fand; so haben nach wievor ihm die Philosophen ein Objekt ohne Subjekt angenommen,ein Objekt an sich, eine Korperwele deren Seyn nicht ein Seyn inder Vorstellung ist, wie es doch fur uns allein denkbar, sondemauBer der Vorstellung, ein Unding wovon man reden, was manaber eigentlich nicht denken kann. Selbst Kant schreibt zwarRaum Zeit und die ganze Erscheinungsart des Objekts dem Sub-

jekt zu, laBt aber als Ding an sich ein Objekt iibrig, ohne genu-

gende Rechenschaft dariiber woher er eskennt: welches eben dieschwache Seite seiner Philosophie war auf welche die Skepsis

siegreiche Angriffe machte,Wenn wir nun also, von dem Satz Kein Objekt ohne Subjekt

ausgehend, die Welt ihrem ganzen Inhalt nach fur blofleVorstel-lung des Subjekts, welches wir selbst sind, erklaren und uns die-sem Ausspruche nicht entziehn konnen, so regt sich dabei dochein gewisses Widerstreben, welches ankiindigt, daB diese Be-

IIj

i,i!

128

I I

~aB die Welt noch weit mehr als seine bloBe Vorstellung ist;wenn er gleich niche zu sagen wei« was; hingegen wohl einsieht,daB mit dem Subjekt auch das Objekt aufgehoben ware, alsozugeben muB daB das Vorscel lende die Bedingung einer objekti-venWelt ist und fur aIle Ewigkeit bleibt. - Allerdings stehn wirmit unserm Satz auf einem ganz einseitigen Standpunkt: aberderselbe ist nothig, da wir nicht aIles auf einmal befassen kon-

nen: wir werden diese Betrachtung sparer durch eine ganz andreerganzen und eben dadurch alsdann das wahre Wesen der Welterkennen. Fur jetzt aber ists nothig denselben einseitigen Stand-

punkt beizubehalten, die Welt bloB von der Seite ihrer Erkenn-

barkeit zu betrachten, und sie demnach mit allemwas sie enthalt,

Objekt des Subjekts, bloBe Vorstellung zu nennen. Dasjenige

was Alles erkennt und von keinem erkannt wird, ist das Subjekt.

Es ist das nothwendige Korrelat des Objekts, mit dessen Weg-nahme auch dieses wegfallt, Es ist folglich der Trager der Welt,die durchgangige stets vorausgesetzte Bedingung alles Erschei-nenden, allesObjekts: denn nur fur das Subjekt ist, was nur im-mer da isr,Ais dieses Subjekt nun, finder jeder sich selbst, jedochnur sofem er erkennt, niche sofern er selbst Objekt der Erkennt-niBist. Objekt ist aber schon sein Leib, denn dieser ist nicht dasErkennende, sondern schon ein Theil des Erkannten, ist Objeke,folglichmussen wir, so schwer uns hier auch unsere Einseitigkeit

wird, auch ihn eine blofle Vorstellung nennen. Denn er ist einTheil der objektiven Welt, ist Objekt unter Objekten und denGesetzen der Objekte unterworfen. Er liegt wie aileObjekte derAnschauung in den Formen alles Erkannten, in Zeit und Raumwelchewir nun bald naher betrachten werden. Wasihn jedoch in

Beziehung auf das Subjekt von allen andern Objekten unter-scheidet, namlich daB er unmittelbares Objekt ist, dessen Er-

kenntniB die der andern Objekte erst vermittelt, werden wirebenfalls bald ausfdhrlich in Betrachtung nehmen. - Das Subjekthingegen, das Erkennende, nie Erkannte, liegt auch nicht in je-nen Formen die bloB dem Erkannten, dem Objekt zukommen,namlich Zeit und Raum, denn diese so gut alsdas Objekt, das inihnen erscheint, setzen schon das Subjekt voraus, in dessen Er-

129

kenntniB sie ja bloB dasind. Die Vielheit aber ist nur minelst desNebeneinander und Nacheinander, also nur minelst Zeit und

Wille und Vorstellung« (1819), die er spater im zweiten Bandseines Hauptwerkes (1844) aufgenommen hat. Lediglieh fol-

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Raum: also kommt dem Subjekt der ErkenntniB weder Vielheit

noch deren Gegensatz Einheit zu,Wir erkennen esnimmer; son-dem es eben ist esdas erkennt, wo nur erkannt wird.Wir sehn also daB die Welt als Vorstellung (in welcher Hin-

sicht wir sie hier allein betrachten) zwei wesentliehe, noth-wendige und untrennbare Halften hat. Die eine ist das Objekt,dessen Form ist Raum und Zeit, in und mittelst dieser aber die

Vie/heit. Also das Objekt stellt sich dar als ein Vieles: es giebtviele Objekte. Die andre Halfee aber, das Subjekt, liegt nicht inZeit und Raum: denn diese sind nur Formen darin sich das Vor-

gestellte, das Erkannte darstellt: das Subjekt aber wird gar nichterkannt; sondern es erkennt: daher das Subjekt als solches nieht

Raum und Zeit zur Form hat: und ohne diesekann es kein Naeh-

und Nebeneinander folglieh keine Vielheit geben: es giebt daher

nieht eine Vielheit von Subjekten des Erkennens, obgleieh esviele Individuen giebt: denn die Individuen sind schon das Er-kannte, in Raum und Zeit vorhandne, das Objekt: das Subjekt

selbst ist nur das Erkennende schlechthin: daher ist es ganz undungetheilt in jedem vorstellenden Wesen: jedes derselben istnieht ein Theil, sondern das ganze Subjekt: daher kann ein einzi-ges derselben, ganz allein eben so vollstandig als die vorhande-nen Millionen mit dem Objekt die Welt als Vorstellung ergan-zen. Verschwande aber aueh jenes einzige vorstellende Wesen,so ware mit ihm aueh alles Objekt versehwunden; die Welt als

Vorstellung ware nicht mehr. Sobald wir also die Welt als Vor-srellung stehn lassen, so sind diese beiden Halften derselben zu-

sammen da und sind ganz unzertrennlich selbst fur den Gedan-ken: da das Subjekt weiter nichts ist als das, welches das Objekt

vorstellt, und das Objekt weiter nichts als die Vorstellung jenesSubjekts. Jedes dieser beiden hat also Dasein und Bedeutung nurdureh und fUrdas andere, ist mit ihm da und verschwindet mit

ihm. - Beide Halften begranzen sieh unmittelbar: wo das Objekt

anfangt hort das Subjekt auf. Das Erkannte oder die Erkenntnif

hort auf, wo das Erkennende anfangn und alles was erkannt wirdist nieht mehr das Erkennende, [Sehopenhauer verweist hier auf

Zusatze zu seinem Handexemplar der 1.Auflage der ..Welt als

130

gende Randnotiz ist nicht aufgenommen: Die Materie ist selbst

nur eine Art der ErkenntniB.]

131

CAP. 2. fangt, alles Objekt aber in jenen seinen allgemeinsten Formeneingeschlossen ist; so ist iiberall der erste, der nachste Beruh-

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Von der anschaulichen Vorstellung.

Von ihrer Form: d. i. 'VonRaum und Zeit.

Aile unsre Vorstellungen lassen sich allgemein eintheilen in an-schauliche und in blofle gedachte, oder in intuitive und ab-strakte, in Bilder und in Begriffe. Der Unterschied ist sehr be-

stimmt und sehr groB. Es giebt noch eine andre Eintheilungaller moglichen Vorstellungen, d. i. Objekte des Subjekts, invier Klassen. Davon aber werde ich erst viel sparer reden. Furjetzt aber betrachten wir ausschlieBlich die Anschauliche Vor-

stellung im Gegensatz der abstrakten von welcher wir nach die-

sem handeln werden. Alles anschauliche Objekt steht da im

Raum und in der Zeit. So groB auch die Verschiedenheiten derObjekte seyn mogen, so ist doch dieses ihnen allen gemein. Da-

her nennen wir Zeit und Raum die Formen des Objekts als 501-

chen, oder, welches einerlei, die Formen unsrer Vorstellungen,folglich unsre Anschauungsweise, Formen der uns moglichenErkenntniB. Wir [..Wir« bis ..geben« (Ende des Unterkapitels)ist mit Bleistift fein durchgestrichen, sollte also in der ..Dianoio-logie- ausgelassen werden] haben also gefunden daB die Weltals Vorstellung zur allgemeinsten Form hat Subjekt und Ob-

jekt, das Zerfallen in zwei zwar ganz verschiedene, aber

schlechthin untrennbare Halften, Vorstellung und Vorstellen-des. Da das Subjekt als solches nie erkannt wird, so kann esauch als solches weiter keine Formen haben. Ais Formen des

Objekts aber finden wir Zeit und Raum, welche also jener ganzallgemeinen Form der Welt als Vorstellung, namlich Objektund Subjekt, untergeordnet sind, als Formen des Objekts

allein.Da nun aber das Subjekt erst da aufhore, wo das Objekt an-

132

rungspunkt des Subjekts mit dem Objekt, eben jene Formen,

Raum und Zeit. Es ist einerlei ob wir sagen: das Objekt kann nurin diesen Formen daseyn; oder das Subjekt kann nur rnittelstdieser Formen erkennen. Denn sie liegen, als der untheilbare Be-riihrungspunkt, als die unausgedehnte Granze zwischen Subjektund Objekt.Jenseit dieser Granze liegt das Erkennbare, das Ob-jekt; diesseit das Erkennende, nicht Erkennbare, das Subjekt. 1st

dem aber so, so kann die Beschaffenheit dieser Formen Raumund Zeit, dieser Granze, die nahere Bestimmung ihres Wesens,niche abhangen von der besondern Beschaffenheit dieser oderjener Objekte die sich darsrellen, sondern muB ein fur allemalbestimmt seyn als die Beschaffenheit der Objekte als solcher,

gleichviel welches iibrigens die Objekte sind die in ihnen sichdarstellen werden. Raum und Zeit bleiben die Formen des Ob-jektseyns als solchen, d. h. des fur ein Subjekt daseyns, d. h. desErkanntwerdens. Hieraus aber folgt, daB das Subjekt zur Er-

kenntnifl jener nahern Beschaffenheit besagter Formen, nicht

der speciellern Erkenntnisse der in ihnen erscheinenden Objektebedarf; sondern jene Formen erkennt, nicht erst sofern es dieseoder jene bestimmte Objekte in ihnen erkennt, sondern schon

sofern es ein Objekt uberhaupt hat, d. h. sofern es iiberhaupterkennt, d. h. sofern es Subjekt ist. Also muB das Subjekt die

nahern Bestimmungen, die Gesetzmafligkeit jener Form ganzaus sich selbst vor aller besondern ErkenntniB, also vor aller Er-fahrung, d. h. a pr io ri und nicht erst a posteriori , erkennen. Zeitund Raum und die ganze Gesetzmalligkeit derselben rniissenalso schon in unserm Bewuiltsein als solchen liegen und dem-nach vollig apriori von uns bestimmt werden konnen. Wir haben

hier nun dieses abgeleiret aus dem VerhaltniB welches Subjektund Objekt zu einander haben, aus ihrem nothwendigen Be-

dingtsein durch einander, aus ihrem volligen Erfiillen und gegen-

seitigen sich Erganzen zur Welt als Vorstellung, endlich aus derGemeinschafdichkeit der Granze die sie dem zu folge mit einan-der haben miissen. - Dieses Resultat hat nun aber als Tharsache

zuerst aufgefunden und entdeckt, und demzufolge nachgewie-

sen Kant, von dessen Verdienst ein grofler Theil eben hierin liegt.

133

Wir wollen diese faktische Nachweisung jetzt nach seinem Vor-

gange geben.

ches die Moglichkeit nothwendiger Regeln fur bestimmte Falle

giebt. Besagte Erkenntnisse nun, die Allgemeingultigkeit und

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Von der Erkenntnif apriori.

Erwas a p ri or i erkennen heiflt vo r der Erfahrung, dem Experi-

ment, dem Versuch, wissen, daB es so seyn werde: hingegen es

erst nach der Erfahrung, Versuch, wissen, heiBt es a poster ior i

erkennen. Wenn wir irgend eine Regel als schlechthin nothwen-dig und als durchaus allgemeingiiltig erkennen; so haben wir sie

nicht aus der Erfahrung geschopft. Denn Erfahrung lehrt nie

mehr als daB etwas so sei; sie kann nicht lehren daB es durchaus

so seyn rniisse und nicht auch anders seyn konne: also nicht daB

es nothwendig so sei. Erfahrung namlich kann einen einzelnen

Fall, sie kann sehr viele Falle geben; aber nimmermehr eine Tota-

litat aller Falle: denn das Ende der Erfahrung ist nie da. Foiglich

kann sie lehren daB aIle bisher gesehnen Falle einer Regel gemaB

ausgefallen sind, aber nie daB alle moglichen, irgendwann und

irgendwo sich ereignenden Falle jener Regel gemaB ausfaUen

rniissen, folglich kann sie nie eine durchaus und ohne Mog-

lichkeit einer Ausnahme allgemeingiihige Regel geben. Finden

wir nun aber im Vorrath unsrer Erkenntnisse einige Regeln de-

nen wir strenge Nothwendigkeit und Allgemeingultigkeit ohne

alle Ausnahme zuerkennen; so konnen wir solche nicht aus der

Erfahrung abstrahirt haben, sondern sie miissen unabhangig von

der Erfahrung, also vo r aller Erfahrung d. h. a prior i unserm Be-

wuBtseyn angehort haben; da hingegen alle Erkenntnisse denen

solche strenge Nothwendigkeit und vollige Allgemeingultigkeit

(welches beides immer zugleich vorhanden ist) niche zukommt,

erst durch die Erfahrung also a posteriori in uns gekommen sind.Es giebt zwar eine komparative Apriori tat der Kenntnisse; wenn

Einer stahlerne Dinge Tag und Nacht im Freien liegen laBt und

sie verrosten, so sagen wir, das hatt' er apriori wissen konnen:

d. h. aber nur nach einer aus vielen Erfahrungen abstrahirten Re-

gel, ohne fur diesen FaU auf eine besondre Erfahrung zu warten.

Aber selbst solche komparative Aprioritat ware niche rnoglich

ohne eine absolute, des Gesetzes der Kausalitat iiberhaupt, wel-

\,j

I

Ii

t

13 4

strenge Nothwendigkeit haben, falls es solche giebe, miissen,wie alle Erkenntnisse, sich zwar auf Objekte, also auf Erfahrung

b ez iehn , v e rmoge ihrer Allgemeingiiltigkeit aber von aller mog-lichen Erfahrung gelten, oder die Mog lic hk ei t d er E rf ah rungiiberhaupt ausdriicken. Sie miissen das ausdriicken, was nicht

diesem oder jenem Objekt zukommt und von dessen Beschaf-

fenheit abhangt, sondern was allem Objekt als solchem, d. h.

sofern es Objekt ist zukommt, d. h. sofern es vom Subjekt er-kannt wird. Sie miissen daher die Bedingungen seyn unter denen

das Subjekt allein das Objekt vorstellen kann; d. h. sie miissen

die VorsteUungsweisen, die ErkenntniBformen des Subjekts

seyn. Wir wollen nun sehn, ob es dergleichen Erkenntnisse

giebt .

l) Wurden wir auf irgend eine Weise belehrt, daB die ganze

Wehgeschiehte falsch und erlogen sei, alle jene Begebenheiten

sich nie zugetragen hatten; so konnen wir uns dies als moglich

denken, konnen jene bisher vorgegebene Vergangenheit, ihrer

Beschaffenheit nach, als nie dagewesen denken, sie vollig weg-

denken; niche so aber die Zeit in welcher aile jene Begebenheitensich zugetragen haben sollen: die muft dagewesen seyn, gleich-

viel womit sie erfullt, oder gar vollig leer gewesen: sie laBt sich

nicht wegdenken: ihre ErkenntniB hangt also von keiner Erfah-

rung abo - 2) Wir konnen von einem Kerper den wir sehen aile

seine Eigensehaften wegdenken, seine Farbe, Harte. Weiche.

Schwere, Undurchdringlichkeit, also den ganzen Kerper weg-

denken; - zuletzt aber bleibr uns immer der jetzt leere Raum

desselben und den konnen wir schlechterdings niche wegden-

ken. Die ErkenntniB des Daseyns des Raums hangt also nicht ab

von der der Dinge im Raum, also nicht von der Erfahrung: wohlaber umgekehrt: denn wenn wir keinen Raum vorstellen; so

konnen wir keine ausgedehnten Dinge vorstellen. - 3) Haben

wir eine Veranderung wahrgenommen, ist etwa ein Stein vom

Himmel gefallen: so kann moglicherweise uns gezeigt werden,

daB er nicht vom Mond herabgeschleudert, nicht dureh einen

chemischen Procell in der Luft konkrescirt ist, also daB dieses

oder jenes nicht die Ursache seines Falles gewesen; aber nie wer-

13 5

den wir zugeben, daB sein Herabkommen ohne alle Ursache ge-

schehen: wir werden mit einer volligen und unumstoBlichen Ge-

unsre Aussage iiber das Erkannte, also die Urtheile dariiber zu

Hiilfe nehmen muB: so muB ic h auch insofern anticipiren und

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wiBheit annehmen daB irgendwo eine Veranderung sich zugetra-

gen hat. dur ch we lc he ganz allein jenes Herabkommen des Steins

bewirkt worden. Also dreierlei, das Daseyn des Raums und der

Zeit. das Vorhergehn einer Ursach bei jeder gegebnen Wirkung

erkennen wir mit Nothwendigkeit und als allgemeingiiltig, keineAusnahme zulassend. In der That ist al le unsre KenntniB apriori,sofern sie sich auf anschauliche Objekte , nicht auf bloBe ab -

s trakte Begri ffe bezieht, auszusprechen als Raum Zeit und Kau-sali tat , wir werden sogar finden daB diese sich auf einen gemein-

schaftlichen Ausdruck zuriickfiihren lassen: davon aber ganz

zuletzt. Man kann die ErkenntniB apriori auch beschreiben oder

definiren als diejenige von der das Allgemeine dem besondern

vorhergeht, statt daB es bei der Erkenntnif aposteriori umge-kehrt ist; auch so daB bei der ErkenntniB apriori das Besondreabhangig ise vom Allgemeinen; bei der aposteriori umgekehrt.Zuvorderst habe ich zu zeigen wie weir sich diese unsre Erkennt-

niB a priori erstreckt, namlich nicht nur auf das Daseyn, sondern

auch auf die ganze Beschaffenheit und GesetzmaBigkeit des

Raums und der Zeit, eben so auch wie weit die vom Gesetz der

Ursach und Wirkung sich erstreckt: zugleich habe ich Ihnen die

unbezweifelbare GewiBheit nachzuweisen, daB jene unsre Er-

kenntnisse wirklich apriori in uns liegen und nicht nur der Erfah-rung entlehnt sind; was durch das bisherige nur ganz vorlaufig

geschehn.

Von analytischen und synthetischen Urtheilen.

Obgleich ich die abstrakte ErkenntniBart, d. i. diejenige durchBegriffe, Urtheile und Schliisse erst dann abhandeln werde,

wenn wir mit der anschaulichen die uns jetzt ganz allein beschaf-

tigt, fertig seyn werden; so brauche ich doch nicht vorauszuset-

zen daB Sie nicht sollten eine, wenn auch nur ganz allgemeine

und unvollstandige KenntniB davon haben, was ein Begriff, ein

Urtheil iiberhaupt sei. Da ich nun zu der Untersuchung iiber den

Ursprung unsrer ErkenntniB theils «priori theils a pos te ri or i

,\

iI

I.\I~ 136

jene vorlaufige KenntniB von Begriffen und Urtheilen die ich

sicher bei Ihnen voraussetzen kann in Anspruch nehmen.

Man unterscheider im Urtheil , d. i.in der Aussage. Subjekt undPradikat d. i. dasjenige von dem ausgesagt wird und dasjenige was

yon i.hmausgesagt wird. Beides Begriffe. Sodann die copula. Nun1Stdie Aussage entweder blofle Zergliederung (Analysis) oder

Hinzusetzung (Synthesis); welches davon abhangt ob das Ausge-

sagte (Pradikat) schon im Subjekt der Aussage mit gedacht war,oder erst in Folge der Aussage hinzugedacht werden 5011. 1m

ersten Fall ist das Urtheil analytisch, im zweiren synthetisch, Aile

Definitionen sind analytische Urtheile.

Z.B.

Gold ist gelb }.. .. schwer analytisch.. .. duktil

Gold ist ein chemisch einfacher Stoff: synthetisch[Daneben am Rand:

Gold ist das hdchste Gut der Meisten.. .. das Problem der Alchymie

Wein ist gegorner Traubensaft

.. .. von Kaiser Probus zuerst in Teutschland gepflanzt. ]

Ein gleichseitiger Triangel hat drei gleiche Seiten: analytisch.. .. ........ Winkel: synthetisch

.. " .. kann keinen rechten Winkel haben:

synthetischEin Korperistausgedehnt, undurchdringlich: analytisch

.. .. .. schwer: synthetisch.

Vieles dabei ist offen bar subjektiv-relativ weil es darauf an-

kommt wie viele Pradikate dem Horer vorn Subjektbegriff schon

bekannt sind und was er demgemaf beim Subjekt denkt: daher

dem einen das Urtheil

..Gold ist 19 Mal so schwer als Wasser«

137

- -

synthetisch, dem Chemiker aber analytisch seyn kann, weil dieszu den Merkmalen gehort die er alsdem Golde wesendich denkt,

dem Urtheil nachfolgte und doch ihm gemaB ausfallen muBte?Dann muBte eine andre Anschauung als die empirische dem Ur-

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Inzwischen ist soviel gewiB daB in jedem Urtheil die Kennt-

niB vom Subjektbegriff entweder bloB verdeutlicht wird, durch

Auseinandersetzung explicite des implicite darin gedachren,

oder erweitert: dernnach ist es analytisch oder synthetisch, Er-

fahrungsurtheile sind immer synthetisch: denn es ware unge-

reimt ein analytisches Urtheil auf Erfahrung griinden zu wol-

len; weil man wo im Subjektbegriff das Pradikat schon gedacht

ist, nicht erst das ZeugniB der Erfahrung bedarf um das Urtheilzu begriinden ... Wasser ist fliissig«. -Ein Kerper nimmt einenRaum ein«. Man braucht bei solchem Urtheil nur nach dem

Satz vom Widerspruch das Pradikat aus dem Subjekt zu ent-

wickeln ohne Erfahrung zu Hiilfe zu nehmen. Insofem ist also

jedes analytische Urtheil immer a pr ior i: denn es wartet nichtauf die Erfahrung um dadurch begriindet zu werden, sondem

hat seinen Grund im Subjektbegriff: und aile Objekte der Er-

fahrung die durch diesen Begriff gedacht werden, miissen soseyn wie das Urtheil aussagt; eben weiI die Aussage im Begriff

. liege. -Ein Baum hat Stamm, Wurzel und Krone.« (Denn

sonst ist er kein Baum.) Wollen wir also nicht blofl analytischurtheilen, wodurch allemal unsre Erkenntnif bloB verdeudicht

wird; sondern syntherisch, wo etwas Neues zu unsrer Kennr-

niB hinzukommt, so rniissen wir, urn das Urtheil zu begriln-

den, das Gebiet des bloB en Denkens verlassen und zur An-

schauung zurilckgehn, in der Anschauung dem Urtheil seinenGrund nachweisen: ist nun diese Anschauung Erfahrung, so

geht diese Erfahrung dem Urtheil uorher, nicht umgekehrt,

also urtheilen wir dann nicht a pr ior i sondem a posteriori: also

alle Erfahrungsurtheile sind synthetische und zwar a poste-

non.Wir sahen daB a pr ior i, oder vor aller Erfahrung zu urtheilen

niche schwer ist, wenn das Urtheil analytisch: aber dann ver-

mehrt es nicht die ErkenntniB, sondem entwickelt nur den Be-griff, verdeutlicht hochstens die ErkenntniB. Wie aber wenn esmoglich ware 'lJoraller Erfahrung [Daneben am Rand, mit Blei-

stift durchgestrichen: und doch in Bezug auf Erfahrung ... J,alsoa p ri or i, doch synthetisch zu urtheilen, so daB die Erfahrung

138

theil vorhergehn [Daneben am Rand, mit Tinte durchgestrichen:

denn so wie die empirische Anschauung es ohne Schwierigkeitmoglich macht daB wir einen Begriff den wir aus der Erfahrung

gewonnen haben, durch neue Pradikate erweitern ... J: und von

dieser andern Anschauung muBte die empirische in sofem ab-hangig seyn, daB sie immer jener gemaB ausfiele und das aprioriaus jener gefallte Urtheil ailemal bestatigte, Jenes ist aber

allerdings moglich, Z. B.• Zwei grade Linien schlieflen keinenRaum ein« ist nicht analytisch, denn im Begriff von zwei graden

Linien liegt nimmer u.s.w., [Daneben am Rand, mit Tinte

durchgestrichen: In einem Triangel konnen nicht zwei rechte

Winkel seyn.J ist also synthetisch: a posteriori? durch Erfah-

rung? nimmermehr. Denn erstlich hat es wohl schwerlich je-

mand von Ihnen versucht, und doch weiBesJeder: und ware esversuche, so konnten die Versuche nie zu einer so schlechthin

nothwendigen und ohne Ausnahme geltenden GewiBheit fiih-ren: man konnte nur sagen »bisber«, -mit Linien von dieserLange, diesem VerhaltniB zueinander«, nimmermehr aber noth-

wendig und allgemein.7+ 5 = 12synthetisch. Der Begriff 7+ 5 enthalt bloB die Ver-

einigung beider Zahlen zu einer einzigen, aber wahrlich nicht

welches diese sei, sonst ware die Addition der groBten Summe

sehr leicht, Also muB man aus dem Begriff hinausgehn zu einer

Anschauung: diese aber ist nicht die der Erfahrung: denn jeder

arithmetisehe Satz ist apriori, niche aposteriori, hat nothwendige

und allgemeine Gdltigkeit fur aile Erfahrung, die Gegenstande

von welchen die Zahlen gelten sollen mogen seyn, welche sie

wollen. Das Zahlen ist ein Anschauen in der blollen Zeit, ein

intuitives Wahmehmen der Succession: man erleichtert es sichdurch Unterlegen ernpirischer Anschauungen; die Finger, Kno-ten, Korallen. Also in Geometrie und Arithmetik giebt es syn-

thetische Satze apriori und dieses eben ist es, worauf die ganzli-che Unfehlbarkeit beider Wissenschaften beruht,

Endlich das Urtheil: •Jeder Veranderung ist eine andre als ihre

Ursache vorhergegangen« ist niche analytisch: im Begriff derVeranderung denke ich zwar ein Daseyn dem eine Zeit vorherge-

139

synthetisch, dem Chemiker aber analytisch seyn kann, weil dies

zu den Merkmalen gehort die er als dem Golde wesentlich denkr.dem Urtheil nachfolgte und doch ihm gema« ausfallen muBte?

Dann muBte eine andre Anschauung als die empirische dem Ur-

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Inzwischen ist soviel gewiB daB in jedem Urtheil die Kennt-

niB vorn Subjektbegriff entweder bloB verdeutl ieht wird, durch

Auseinandersetzung exp/icite des imp/icite darin gedachren,

oder erweitert: demnach ist es analytisch oder synthetisch. Er-

fahrungsurtheile sind immer synthetisch: denn es ware unge-

reimt ein analytisches Urtheil auf Erfahrung griinden zu wol-

len; weil man wo im Subjektbegriff das Pradikat schon gedacht

ist, nicht erst das ZeugniB der Erfahrung bedarf urn das U rtheilzu begriinden. »Wasser ist flussig« .• Ein Kerper nimmt einen

Raum ein-. Man braucht bei solchem Urtheil nur nach dem

Satz vom Widerspruch das Pradikat aus dem Subjekt zu ent-

wickeln ohne Erfahrung zu Htilfe zu nehmen. Insofern ist also

jedes analytische Urtheil immer a pr ior i: denn es wartet nicheauf die Erfahrung urn dadurch begriindet zu werden, sondern

hat seinen Grund im Subjektbegriff. und alle Objekte der Er-

fahrung die durch diesen Begriff gedacht werden, miissen so

seyn wie das Urtheil aussagt; eben weil die Aussage im Begriff

liegt. -Ein Baum hat Stamm, Wurzel und Krone.« (Denn

sonst ist er kein Baum.) Wollen wir also nicht bloB analytisch

urtheilen, wodurch allemal unsre ErkenntniB bloB verdeutlicht

wird; sondern synthetisch, wo erwas Neues zu unsrer Kennt-

niB hinzukommt, so miissen wir, urn das Urtheil zu begriin-

den, das Gebiet des blof en Denkens verlassen und zur An-schauung zuruckgehn, in der Anschauung dem Urtheil seinen

Grund nachweisen: ist nun diese Anschauung Erfahrung, so

geht diese Erfahrung dem Urtheil uorher, nicht umgekehrt,

also urtheilen wir dann nicht a pr ior i sondern a posteriori: also

aile Erfahrungsurtheile sind synthetische und zwar a p oste-

non.Wir sahen daB a priori, oder vor aller Erfahrung zu urtheilen

niche schwer ist, wenn das Urtheil analytisch: aber dann ver-

mehrt es niche die ErkenntniB, sondern enrwickelt nur den Be -griff, verdeutlicht hochstens die ErkenntniB. Wie aber wenn es

moglich ware 'lJoraller Erfahrung [Daneben am Rand, mit Blei-

stift durchgestriehen: und doch in Bezug auf Erfahrung ... ], also

a p ri or i, doeh synthetisch zu urtheilen, so daB die Erfahrung

138

theil vorhergehn [Daneben am Rand, mit Tinte durchgestrichen:

denn so wie die empirische Anschauung es ohne Schwierigkeit

moglich macht daB wir einen Begriff den wir aus der Erfahrung

gewonnen haben, durch neue Pradikate erweitern ... ]: und von

dieser and ern Anschauung muBte die empirische in sofem ab-

hangig seyn, daB sie immer jener gema« ausfiele und das aprioriaus jener gefallte Urtheil allemal beseatigte, Jenes ist aber

allerdings moglich, Z. B.• Zwei grade Linien schlieflen keinenRaum ein- ist nicht analytisch, denn im Begriff von zwei grad en

Linien liegt nimmer u.s, w., [Daneben am Rand, mit Tinte

durchgestrichen: In einem Triangel konnen nicht zwei rechte

Winkel seyn.] ist also synthetisch: a posteriori? durch Erfah-

rung? nimmermehr. Denn erstlich hat es wohl schwerlich je-

mand von Ihnen versucht, und doch weiB es Jeder: und ware es

versucht, so konnten die Versuche nie zu einer so schlechthin

nothwendigen und ohne Ausnahme geltenden GewiBheit fuh-

ren: man konnte nur sagen »bisher«, »rnit Linien von dieser

Lange, diesem VerhaltniB zueinander«, nimmermehr aber noth-

wendig und allgemein.

7+ 5 = 12 synthetisch. Der Begriff 7+5 enthalt bloB die Ver-

einigung beider Zahlen zu einer einzigen, aber wahrlich nicht

welches diese sei, sonst ware die Addition der groBten Summe

sehr leicht. Also muB man aus dem Begriff hinausgehn zu einer

Anschauung: diese aber ist nicht die der Erfahrung: denn jeder

arithmetische Satz ist apriori, nicht aposteriori, hat nothwendige

und allgemeine Gultigkeit fur aile Erfahrung, die Gegenstande

von welchen die Zahlen gelten sollen mogen seyn, welche sie

wollen. Das Zahlen ist ein Anschauen in der bloBen Zeit, ein

intuitives Wahmehmen der Succession: man erleichtert es sichdurch Unterlegen empirischer Anschauungen; die Finger, Kno-

ten, Korallen. Also in Geometrie und Arithmetik giebt es syn-

thetische Satze apriori und dieses eben ist es, worauf die ganzli-

che Unfehlbarkeit beider Wissenschaften beruht.

Endlich das Urtheil: .Jeder Veranderung ist eine andre aIs ihre

Ursache vorhergegangen« ist niche analytiseh: im Begriff der

Veranderung denke ich zwar ein Daseyn dem eine Zeit vorherge-

139

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die Vorstellung des Raums haben. Demnach ist die Vorstellung

des Raums nicht erst abgezogen und erlernt von den Vorstellun-

konnren, doch noch, eben weil sie als raumliche Objekte Theile

jenes einen Raumes sind, Unterschiede haben konnen die ihre

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gen der Dinge im Raum, sondern geht diesen Vorstelh!Ogen,v..Qr~ ,

her, als ihre Bedingung, macht sie al!~rerstlll_ogli9J.JDer Raum !~ muB schon in meiner Vorstellungsweise daseyn ehe ich Gege~:J

I stande hineinsetzen kann: Lage- nicht schon-iii~riiir;-ii'nneinem

'--Vorsteflungsvermogendet Raum als dessen Form, so konnte nie

die Empfindung zur Ansehauung von Dingen auBer mir und ne-

beneinander werden: wei! !!uk..cl>loB~~findung des Leibe~

d~chen nicht enthal~I.H~in ~~Q-,- -'- - .... -_.-

2) M3nkannslchwohl die Gegenstande aus dem Raum weg-

denken; nie aber den Raum selbst. Also sind nicht die auBern

Erscheinungen im Raum die Bedingung der Vorstellung des

Raums und er bloB eine Abstraktion aus ihnen; sondem umge-

keh~mnach ist der Raum nicht ein Theil, sondern ~-

\~in~ng der auBern Erfahrung, und daher dem erkennenden

~ a priori bekannt.

'_ 3) Der Raum ist niches weniger als ein abgezogener Begriff,

: e ine diskursive abstrakte ErkenntniB, ein bloB Gedaehtes, ein

\Gedankending, wie erwa »Thier«, -Pflanze« u.s.w. die vieles

\"CC'l J3nter sich enthalten: sondern eine Anschauung und daher ein

,~ . ; ~ ...._[) einzelnes: er enth1ilt zwar vieles in sich; aber er enthalr nicht, wie'.' 'J \. \ \ die Begriffe, vieles unter SlCh:~iich' ein Begriff befaBt viele

_!>.i~g_e_llntersich, aie dadurch gedacht werden; aber der Raum ist

T _n.!1L~i.ne~enn man von mehreren Raumen redet, so meint man

, Theile jenes einen alleinigen unermeBlichen Raumes, zu dem sie

als seine Theile ein durchaus bestimmres VerhaltniB haben. Da-

von daB der Raum ein einzelnes und deshalb anschauliches Ob-

jekt ist und es folglieh nur einen Raum gieb~h1ingt das sonder-

bar~~en ab, daB die Bestimmungen d~r einzelnen Raume

nur{faBlich emacht werden konnen durch ihr VerhaltniB zu ;e-nemernen anzen Raum und eben dadurch nur auf anschauliche

! Weise, durchaus nicht durch abstraktes Denken: so laBt sich

I nicht durch Begriffe mittheilen was rechts, links, oben, unten

list; sondern allein anschaulich: und hochst merkwiirdig ist es,

I daB Dinge die in allen d-l5ch Bagriffe denkbaren Stuck en, narn-

lich in allem was ihre Gro e un Qualit:iibemJTt vdllig identisch

sind und sonach eines an die Stelle des andern gesetzt werden

(

r . . a ~c,t

142

Vertauschung unmoglich machen, und bloB anschaulieh zu fas-

sen sind: z. B. sp_harischeTriangel von beiden Hemispharen, die

den BogendiS A.equators-zur 'gemeinschafdichen Basis haben,

vollig gleich in Hinsicht auf Winkel und Seiten, 50 daB die Be-

schreibung beider ganz dieselbe ist, und dennoch kann nicht der

eine die Stelle des andern auf der entgegengesetzten Hemisphare

einnehmen. - Das Bi!d des Ohrs oder der Hand im Spiegel: der

Handschuh, - daher konneD"WiraenUrltersCliieoannllcller unCi'gleicl ier, abe!--do.c;h~ongruenter Dinge, z. B. rechts und links

gewundner Schnecken.xlurch keine Begriffe, sondern bloB an-

schaulich be"zeichnerf.-(Siehe die erste griindliche Auseinander-

setzung hievon in Kants Aufsatz ,.Yom ersten Grullde,4~~.l.Jn.-

terschiedes der Gegenden im Raums: steht-rn Kants kleinen

Schi-1fien herausgegel:lenvonRink;iSOO.) Weil aber, obwohl er

ein Einzelnes und Ansehauliches ist, dennoch wie wir gesehn,

seine ErkenntniB nieht von der Erfahrung abhangt, sondern von

ihr, als allgemeine Bedingung ihrer Moglichkeir vorausgesetzt

wird, so ist seine Ansehauung der Erfahrung vorhergehend,

d. h. apriori, im Gegensatz der Anschauung alter andern einzel-

nen Objekte, die uns erst durch die Erfahrung mittelst der Sin-

nesempfindung, also a posteriori bekannt werden: die Anschau- /

ung des Raumes heiBt in diesem Gegensatz gegen jene andre /

empirische, eine'ieine;/weil sie mit keiner Sinnesempfindung Jvermischt ist; reine Anschauung und nichts weiter, Daher nun

kommt es, daB wir aile Ausspriiche die den Raum als solchen

betreffen .vor aller Erfahrung daruber thun ko~nfn, und die Er-

fahrung immer solchen Ausspriichen gemaB/.:usfallen muB. IZ. B. Der Raum hat nur drei Dimensionen. ZwischelLz.wei IPunkten ist nur eine g r a d e Linie ,mogl~~_h~ JedearerPunktellegeidmmer'iri- eirierEbiie;- i i i - einem Punkt konnen nur drei

Linien sich rechtwinklig schneiden. - Zwei Linien schlieBen kei-

nen Raum ein. - 1m Triangel sind zwei Linien zusammen immer

groBer als die dri tte. - Dem groBten Winkelliegt die groBte Seite

gegenuber, 1m Triangel kann nur ein rechter Winkel seyn; aueh

nur ein stumpfer, und dann kein rechter, - 1m Viereck konnen

hochstens drei stumpfe Winkel seyn: eben so hochstens drei

{Ai~, J

{ / ( ( j: : :\ '- -

143

spine: aber vier rechte; im Parallelogramm hochstens zweispitze, zwei stumpfe, aber vier rechte. Das sind doch kompli-

/ unter meinen raumlichen Begriff gehort vorfinden miisseru.B. ich fassewillkiirlich den Begriff einesTriangels, alseines von

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cine Wahrheiten: und Siewissen augenblicklich mit der groBtenI Sicherheit, daB es so ist; haben's doch nie versucht. Indem ich'ssage~aie~ Sie es im Geister aber daB,was inIhrem Kopf sichzusammenfiigt oder niche zusammenfugt, eben auch in aller

moglichen Erfahrung sich so fugen und nicht rugen miisse: das

eben beweist die A'£~i~.!!!~~.~i~~~_~!!~I:.b.~MM"g.Nun setzt uns zwar die vollkommne Auffassung jedes richtigen

Begriffs ebenfalls in den Stand uber aile vorkommenden Gegen-stande, die unter ibn gehoren, ohne vorhergegangne Untersu-chung (aprion) zu entscheiden: z, B. habe ich den Begriff eines

Baumes so gefaBt: es sei ein Organischt:~etabilisches Indivi-duum, mit drei Haupttheilen Stamm, roneynd Wurzel; so be-

~~ ich das vorkommende danac, ge etwa ,.dies ist eintStrauch~dies ein Gras und kein Baum- - aber aus meinem BegriffllaunYl(ann ich nie mehr schopfen, als ich selbst, bei Bildungdesselben, mit BewuBtseyn hineingelegt habe: finder sich nach-her, daB dem Begriff in seiner Vollstandigkeit noch andre Eigen-

schaften wesentlich sind; so habe ich ihn nicht vollstandig gefaBt:

z. B. findet sich daB jedem Baum Bliithe und Friichte wesendichsind, so habe ich, da ich dies nichewuBte, nur einen unvollstandi-gen Begriff vom Baumgehabt: oder umgekehn: findet sich, daBes

Baume giebt die einige meiner Merkmale entbehren, so habe ichunwesentliches in meinen Begriff Baum aufgenommen: z. B.habe ich zu obigen Merkmalen noch die Griine Farbe gefugt; so

muBder Anblick einer rothen Ulme meinen Be~ff-b~richtigen:-eben so eine Palme, wenn ich das Merkmal de\_Zweig~hinzuge-rugt habe: Habe ich aber diese Merkmale Griln-und' Gezweigt

niche in meinen Begriff aufgenommen, so ist auch gewiB daB ich

sienicheunversehns darin finden werde. Ganz anders aber verhaltessichmitden sich aufden Raum bezieh~!!Qenlie.grilien.tindiesenftndeiisich;-so15a:laiCli slemaer Anschauung darstelle, Merkmaleund Eigenschaften andieich beider Bildung desBegriffsdurchausnicht gedacht, jadie ich gar nicht gekannt habe und die ihm dochSQ._w..esc:nilich.~nd,ls die von mir wissentlich hineingelegtenMerkmale, von diesen schlechrerdings unzertrennlich sind, unddie sich eben so gut wie diese bei jedem Ding inder Wirklichkeit,

144

drei graden Linien eingeschloBnen Raums; sohabe ichdabei nicht

die Merkmale gedacht, daB zwei seiner Linien zusammen groBerseyn miissen als die dritte; daB seine drei Winkel gleich zwei

rechten; U.S.w.Oder ich fasse den Begriff des Kreises als einer

igur deren Peripherie iiberall gleichweit vom Centro ist; sohabeich dabei nicht mitgedacht, daBvon zwei Linien darin, die sichschneiden, die aus ihren Abschnitten gebildeten Rektangel gleich

seynmussen;- oder daBderWinkel amCentro doppelt sogroBistalsder Winkel an der Peripherie, wenn beide auf demselben Bo-genstehn; u.dgl.m. - AJlediese Eigenschaften sind aber der Figur,deren Begriff ich gefaBt, eben so wesentlich und nothwendig alsdie welche ich hineingelegt, und doch ist es ganz unmoglich sieabzuleiten aus dem bloflen abstrakten Begriff, von dem ich dabei.,

ausgegangen durch Entwickelung desselben: denn wo liegen z.B. 1inobigem Begriffdes Kreises, dieerwahnten zwei Eigenschaften?oder wie folgen sie irgend daraus? - Daher eben ist die G~!>.~~!ie

keinSystem _ V : ~ ~ !.eh~sa~~en..4!~a~~B.~grif£~!!..e.l1fw}ckelterden:sie g e l l t nicht etwa aus von Erklarungen der B·egriffe-(D'efini-

tionen), sondern von Axiomen, welche die einfachsten Eigen-schaften raumlicher Verhalntisse aussprechen; und von Postula-ten, welche Voraussetzungen der Moglichkeit ihrer Darstellun-

gen sind; und nur vermittelst dieser anschaulichen Darstellung

wird esrnoglich die Wahrheit der Lehrsatze iiber die Beschaffen-heit der raumlichen Figuren darzuthun, Darum heiSt der mathe- "'//~matische Bew!i!Pem~!!gw;g!J_. Die rauOillClien'oderieometn- -.;.schen BegnTfehaben also das Unterscheidende, daBsie nicht wiealle andem grade so viel enthalten als man hineingelegt, sondem

vielmehr: dies beweist daBsienicht gleichjenen aus der Erfahrung ~.-(-.

geschopft sind und daher der Erfahrung gemaS ausfallen (d. h.vollsrandig wenn diese vollstandig war und unvollstandig wennsieunvollstandig); sondern daBsie sich aufeinevon der Erfahrungunabhangige Anschauung beziehn, welcher die Erfahrungallemal gemaB ausfallen muS. Denn bei empirischen Begriffengehedie Anschauung vorher, nach ihrWTrdder Begriff geblldet'und ist grade so reich oder so arm, wie siewar.Aber geometrischeBegriffe, werden ohne Erfahrung willkurlich gebildet, dann in

14 5

einer Anschauung (die beliebig durch rnaterielle Mittel fur dieSinne unterstiitzt werden kann oder nicht) vollzogen, welche

dieser also beruht die ganze Geornetrie, welche ist die Wissen-schaftwelche die Eigenschaften desRaumes apriori bestimmt, in

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nun aber viel mehr Eigenschaften liefert als der Begriff enthielt,welche Eigenschaften jedoch eben so gewiB und von der Erfah-

rung unabhangig sind als der beliebig und willkiirhch gefaBteBegriff. - Der geometrische Begriff ist die bloBe Anleitung oderRegel zu einer (in der.Phantasie) zu vollziehenden Anschauung:ist diese~hm gem~/vollzogen; so steht sie da, so objektiv wie

irgend ein in der Erfahrung gegebenes Objekt, mit vielen

wesentlichen Eigenschaften, die er nicht expreB angab und diesich doch nicht mehr vermindem oder vermehren, sondern bloBentdecken und auffinden lassen. Dennoch ist er kein bloBes Ge-dankending: denn allewirklichen Dinge die in raumlicher Bezie-hung ihm entsprechen stellen auch ailemit ihm gesetzten Eigen-schaften dar. - ¥ : : : . . . . . .- -Wir haben oben gesehn, daB aile diese Satze, als synthetisch,

nicht aus Begriffen enrwickelt sind: - daBdaher eineAnschauungsie vermineln muB: - dies ist niche die empirische, welche diesynthetischen Satzeaposteriori vermittelt; denn diese Satae sind javon der Erfahrung unabhangig d. h. apriori [FuBnote: man ist ja

sogleich davon ilberzeugt, sobald man sie versteht, und brauchtnicht auf die Erfahrung zu warren, um GewiBheit dariiber zuhaben. - Indem ich solche Satze sage, schauen Sie den Inhaltderselben an, in der Phantasie und wissen daB solche fur alle

Ewigkeit wahr sind und keine Erfahrung vorkommen kann, diedamit stritte: hingegen wenn ich Ihnen sage, daBaile Saugethiere

grade sieben Halswirbel haben, so schauen Sie es auch in derPhantasie an, aber Siewissen damit nicht obs wahr ist: wenn Siees

nun untersuchen bei ein Paar Hundert ganz verschiednen Sauge-

thieren, von der Maus und dem Maulwurf bis zum Elephanten

und der Giraffe und finden allemal sieben Halswirbel: wiirden Siedann behaupten, wie aileTriangelnureinen rechten Winkel habenkonnen; so konnen aileSaugethiere nur sieben Halswirbel haben?

- das ware sehr voreilig: denn eine Species der Faulthiere Machtallein die Ausnahme: sie haben neun Halswirbel nach Cuvier. -

O~iS~ nterschied zwischen aprior i undaposter ior i. - Das istde Stolzj~r Mathematik]; die sie vermittelnde Anschauung istalso u e n apriori: es ist die reine Anschauung des Raumes. Auf

146

lauter synthetischen Satzen. Weildiese Satze auf einer reinen An-schauung apriori gegriindet sind, welche eben jeder empirischenAnschauung als ihre Grundlage, Grundgeriist vorhergeht, unddeshalb die Bedingung der Moglichkeit aller Erfahrung ist, somuB aile Erfahrung ihnen gemaB ausfallen: daher sind sie aileapodiktisch, d. i.mit dem Bewulltsein ihrer Nothwendigkeit ver-

bunden, und allgemeingultig, d. h. keine Ausnahme von ihrer

Aussage ist moglich. - Hieraus allein ist die Moglichkeitder Geo-metrie (wie sie oben definirt worden) erklarlich, Aus allem bis-herigen und aus der Moglichkeit der Geometrie, als einer Wis-senschaft die Eigenschaften des Raumes und mithin raumlicheBeziehungen aller Dinge im Raum vor aller Erfahrung und dochunfehlbar, zu bestimmen, welches nur in synthetischen Urtheilenapriori geschehn kann, - folgt daBder Raum eine aller Erfahrungoder Wahmehmung vorhergehende und diese erst moglich ma-chende Anschauung ist: da das Subjekt diese Anschauung unab-hangigvon allen Objekten und vor ihnen hat, aileObjekte aber ihrgemaBsich darstellen miissen, also von ihr abhangen in Hinsicht

auf die Art ihres Erscheinens; so konnen wir den Raum, den wirvorhin darstellten als die Form in der aile Objekte erscheinen,nunmehr ansehn als die Anschauungsform des Subjekts, als die

formale Beschaffenheit des auBem Sinnes iiberhaupt, d. h. unsrerFahigkeit Dinge anzuschauen als auBer uns, als die Bedingungunter der allein derselbe Objekte anschauen kann.

Wir [»Wir« bis ..Ganzen gemacht.)« mit Bleistift fein durch-

gestrichen, sollte also in der -Dianoiologie- ausgelassen wer-den.] sahen oben wie Objekt und Subjekt sich erganzen zur Welt

als Vorstellung und wie sie sich unmittelbar begranzen, und

schlossen daB diese Granze, dieser Beriihrungspunkt nicht blofvom Objekt, sondem auch vom Subjekt ausgehend miisse voll-standig erkannt werden konnen, da er beiden gleich sehr ange-hort, namlich die allgemeine Erscheinungsform alles Objektsoder die allgemeine ErkenntniBform des Subjekts: als diese zeigtsich nun der Raum und die vollige Aprioritat seiner ErkenntniBbesratigt als Thatsache jenen SchluB. (jener SchluBist eigentlichaus dem Begriff eines in zwei Theile zerfallten Ganzen gemacht.)

147

Da der Raum seiner ganzen Beschaffenheit und allen seinen

Bestimmungen nach vom Subjekt erkannt wird ohne Hinzu-Raum sind bloBe Erscheinungen. Sie sind als [-als« bis -Subjekt,

und« ist fur die -Dianoiologie« mit Bleistift fein durchgestri-

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kommen und Beihiilfe des empirisch gegebenen Objekts und

demnach eine bloBe Anschauungsform des Subjekts ist, so kann

er nicht unabhangig vom Subjekt oder VOnder Beschaffenheit

des Subjekts vorhanden seyn, folglich auch die Objekte (die

zwar schon als solche ohne das Subjekt unmoglich sind) [Die

eingeklammerten Worte sind fur die »Dianoiologie« mit Bleistift

wieder durchgestrichen] sofern sie im Raum erscheinen, nicheunabhangig vom Subjekt daseyn: also alles was im Raum ist kann

niche absolut existiren, sondern nur relativ, d. h. nur in Bezie-

hung auf eine Anschauung, die den Raum zur Form hat. Daher,

wenn wir annehmen die Objekre, hatten auBer ihrer Existenz im

Subjekt als dessen Vorstellungen, noch irgendwie eine ganz

andre Existenz, seien auBerdem daB sie Vorstellungen des Sub-

jekts sind noch etwas ganz anderes, welches wir (als ein proble-

matisches x) mit dem Namen Ding an sichbezeichnen wollen; so

konnten sie in dieser Eigenschaft nicht im Raum seyn, da der

Raum seiner Moglichkeit nach das Subjekt und dessen Bestim-

mung so (in der Form Raum) anzuschauen voraussetzt, als des-

sen Anschauungsform er ist, AuBerdem [...AuBerdem« bis»durch das Subjekt- ist fur die ..Dianoiologie« mit Bleistift fein

durchgestrichen] konnte jenes Ding an sich iiberhaupt nicht Ob-

jekt seyn, da ein solches immer nur als Vorstellung des Subjekts

da ist. - Wie also das Daseyn des Objekts iiberhaupt bedingt ist

durch das Subjekt; so ist das Daseyn des Objekts als eines riium-

lichen bedingt durch die Anschauungsform des Subjekts welche

der Raum ist. Die Objekre iiberhaupt und [ -Objekte iiberhaupt

und- ist ebenfalls mit Bleistift durchgestrichen] die Objekte im

Raum sind daher nimmermehr Dinge an sich, d. h. unbedingt

existirende Wesen, sondern [ssondern« bis JOsiesind also- ist mitBleistift durchgestrichen] sie sind Wesen die blof in der Vorstel-lung eines Vorstellenden existiren; sie sind also blofle Erscbei-nungen, d. h. Dinge die erstlich [»erst liche bis -zweitens« ist mit

Bleistift eingeklammert] nur fiir ein Subjekt iiberhaupt das sie

vorstellt, und zweitens nur fiir ein Subjekt dessen Anschauungs-

form der Raum ist existiren. - Wir konnen allerdings sagen: aile

Dinge sind im Raum: aber wir miissen hinzutugen: aile Dinge im

!I

II

I,;

148

chen] Objekte iiberhaupt bedingt durch das Subjekt, und als

Objekte im Raum bedingt durch dessen Anschauungsform. Wie

nun dieses vom Daseyn der Dinge im Raum iiberhaupt gilt, so

gilt es auch von allen ihren Bestimmungen die nur mittelst des

Rsumes gedenkbar sind, z. B. GrOBe, Gestalt, Vielheit des Zu-

gleichexistirenden: Dieses alles ist durch den Raum, der Raum

aber ist nur die Anschauungsform des Subjekts: dieses alles folg-

lich gilt nur von der Erscheinung nicht vom Dinge an sich. - Furdie Erfahrung sind aile jene aus dem Raum flieBenden Bestim-

mungen ganz real und objektiv; aber die ganze Erfahrung ist nur

Erscheinung, d. h. bloB fur das Subjekt, und zwar ihrer Beschaf-

fenheit nach bloB fiir ein den Raum zur Anschauungsform ha-

bendes Subjekt da. Der Raum hat also vollkommne empirische

Realitat; jedoch transcendentale Idealieat: d. h. er ist nichts so-

bald man von der Moglichkeit der Erfahrung abstrahirt, deren

Bedingung ein Subjekt mit der besagten Form seines Anschauens

ist. Denn [Dane ben am Rand: Die Scholastiker bezeichneten mit

transcendental die Beschaffenheiten der Dinge, die noch allge-

meiner sind als die zehn Kategorien des Aristoteles [folgt mitBleistift]: diese Kategorien sind: ..... ] transcendental heiBt JOdie

Moglichkeit der Erfahrung sofern sie von apriori erkennbaren

Bedingungen abhangt, betreffend.« -

Aus der ganzen Theorie des Raums folgt: daB alles was uns in

der Erfahrung, d. h. in dieser fur uns realen Welt, vorkommen

kann, nie ein schlechthin, und unabhangig Daseiendes, ein Ding

an sich ist ; sondern bloBe Erscheinung, d. h. Vorstellung [ ..Vor-

seellung- bis -bedingr, sodann« ist fur die -Dianciologie- mit

Bleistift eingeklammert] des Subjekts, und als solche durch ein

Subjekt iiberhaupt bedingt; sodann Vorstellung im Raum, undals solche bedingt durch die im Subjekt gelegene Anschauungs-

form, welche eben der Raum ist. Nimmt man an, der Raum

existirt schlechthin unabhangig vom Subjekt, ist selbst ein Ding

an sich oder eine Beschaffenheit, oder ein VerhaltniB der Dinge

an sich, so konnten unsre Ausspriiche iiber ihn keine apodikri-

sche GewiBheit haben; denn wie sollten wir z. B. vor al ler Erfah-

rung wissen daB im Triangel gleichen Winkeln auch stets gleiche

149

Seiten gegenubersrehn? seine vom Subjekt unabhangige Beschaf-fenheit muBte erst durch Erfahrung ausgemacht werden, wiez. B. die einer physischen Qualitat der Dinge; aber eine solche

spielvon einander darin, daB in ihm alles zugleich ist, kein nach-einander, keine Veranderung, alles in starrender Ruhe: hingegen

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hatte nie Allgemeingiiltigkeit und Nothwendigkeit, Wir konn-ten nie wissen, daB so wie wir den Triangel in Gedanken kon-struiren, mit allen Bestimmungen die aus solcher Konstruktionsich ergeben; derTriangel inder Erfahrung, wann und wo er sichfande; genau entsprechend ausfallen muBte. Dieses, und mithindie ganze Geometrie als apodiktische Wissenschaft ist nur da-

durch moglich, daB der Raum mit allen seinen Bestimmungen,schon in uns als dem erkennenden Subjekt liege, als die subjek-rive Form seines Anschauens von Objekten. (Vergl. Krit. p 65,

66.) [Kritik der reinen Vernunft, A 47-49, B65f.] Von der Geo-metrie und ihrer Begrundung werde ich noch ausfdhrlicher re-

den unten, beim Kapitel vom Satz vom Grund.

Von d er Z e it.

Die zweite Form aller unsrer Vorstellungen, ist die Zeit. An sie

ist niche nur wie an den Raum der auBere, sondern auch der in-nere Sinn gebunden, daher nicht nur was wir auBer uns wahr-

nehmen, sondern auch was wir in uns wahmehmen in der Zeitsich darstellt, also aile unsre Vorstellungen, nicht bloB die an-schaulichen, sondern auch die abstrakten, und die ErkenntniB

des eignen Gemiithszuseandes, d. h. des Wollens, erscheint inder Zeit. Alles vom Raum gesagte laBt sich auch auf die Zeitanwenden, nur daB es hier viel einfacher erscheint, und vielwe-nigere Verhaltnisse begriindet, weil die Zeit nur eine Dimension

hat.-

Wie es nur einen Raum giebt, und diesen unendlich, so auchnur eine Zeit und ebenfalls unendlich: auch beide ins unendliche

theilbar. Daher kann ich fiber jede Zeit jeden Raum hinaus im-

mer noch einen groBem ihn einschlieBenden denken; (illustT.)

jede Linie immer noch verlangern (Epikurs Pfeil [Vgl. Lukrez,Von der Natur der Dinge, I, 968-983]); und jeden Theil desRaums und der Zeit immer noch halbiren. Obwohl hierin ganziibereinstimmend, so sind dennoch Raum und Zeit das Wider-

150

in ihr (allein und fur sich) niches zugleich, alles nacheinander,

alles stets im Entstehn und Vergehn in rastloser Flucht, Wir ha-ben nunmehr nachzuweisen, daB auch diese allgemeine Formdes Objekts (die Zeit) ebenfalls wie die andre auch vom Subjektausgehend, aus ihm selbst ganz allein, d. h. apriori erkennbarund konstruirbar ist, und daher ebensowohl allgemeine An-schauungsform des Subjekts, als allgemeine Erscheinungsform

des Objekts zu nennen.1)Sie ist nichts Objektives an und fur sich Bestehendes, das inbestandigem FluBbegriffen ware, wie Locke annimmt; denn dasware ein FluBohne irgend ein Existirendes das da flosse: welchesabsurd. Sie ist auch nicht wie Leibnitz will ein blofles VerhaltniB,

Relation, der Dinge, und vom Daseyn dieser abhangig: denn

wenn wir die Dinge aufheben, so sind auch alle Relationen, diesie zu einander hatten, aufgehoben und durchaus verschwun-den: sind die relata weg, so sind esauch die Relationen; nun aberkonnen wir alle Objekte die in der Zeit sind aufheben, wegden-

ken: aber damit ist die Zeit nicht aufgehoben, auch ganz leer ist

sie noch da und nie konnen wir sie selbst wegdenken: also ist siekeine blofle Relation der Dinge, folglich nicht erst aus der Erfah-

rung abgezogen. Die Erfahrung des Nacheinanderseyns beruftsichauf die Zeit, niche die Zeit auf die Erfahrung. Es ist falsch zusagen: die Zeit sei das Foigen der Dinge nacheinander: denn wasFoigen und Nacheinander sei, verstehn wir erst dadurch, daBwir schon die Vorstellung der Zeit haben. Unsre Vorstellung desFolgens der Dinge setzt schon die Vorstellung der Zeit voraus,

als das ihm zum Grunde liegende Schema; als eine Vorstellung

spriori, welche zwar erst durch die Erscheinung Gehalt be-

kommt, aber doch als Form des BewuBtseyns auch unabhangigvon diesem Gehalt und vorher da ist.

2) Sie ist kein abstract Erkanntes sondem ein Anschauliches,wir denken alleDinge als in ihr vorhanden, nicht als unter ihr, alseinem gemeinschaftlichen Merkmal begriffen: sie ist daher keinallgemeiner Begriff, sondem ein Einzelnes Anschauliches, wie

der Raum: es giebt folglich auch nur Eine Zeit: VerschiedeneZeiren sind immer nur Theile derselben. Denken wir zwei Jahre,

151

so miissen diese eine bestimmte Stellung zu einander haben, einsdas erste, das andre das zweite: folgen sie niche unmittelbar auf

schauung der Zeit und weiter nichts. Auf diesem Zahlen aberberuht jeder arithmetische Satz und wird zuletzt darauf als auf

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einander; so muB eine bestimmte Zeit dazwischen liegen. WasVorher und Nachher sei laBtsich durch keine Erklarung deudichmachen, sondem muB durch eine eigenthumliche Anschauungs-weise gefaBtwerden. Die Unendlichkeit der Zeit bedeuret bloBdies, daB aile bestimmte GraBe der Zeit nur durch Einschran-kung der einigen zum Grunde liegenden Zeit zu Stande kommt.(Ergo-)

3) Sie ist also eine Anschauung, und weil solche aller beson-dem Erfahrung und aller durch Sinnesempfindung entstehendenAnschauung vorhergeht; so ist sie eine reine Anschauung, d. h.eine von der Empfindung unabhangige Anschauung. Weil sie

nun als reine Anschauung, als reine Form aller unsrer Anschau-

ungen uns apTioTibewuBt ist, so begriindet sie synthetische SatzeapTion: z, B. die Zeit hat nur eine Dimension: ihr Bild ist diegrade Linie ins Unendliche und was (das Zugleichsein ihrer

Theile abgerechnet) von dieser gilt, das gilt auch von der Zeit. -Verschiedene Zeiten sind niche zugleich, sondem nacheinander.

- Aile diese Satze sind apodiktisch und vor aller Erfahrung ge-

wiB, als auf Anschauung apriori, der Form der Moglichkeit allerErfahrung, gegriindet. - Besonders aber beruht auf der reinenAnschauung der Zeit alles Zahlen und in Folge davon aile Arith-mecik 50 wie auf der Anschauung des Raums alle Geometrie. -Namlich das Zahlen ist nur moglich durch successive Wiederho-lung der Einheit, successives Hinzuthun, Anreihen einer Einheitzur andern. Ohne Succession ist kein Zlihlen: wenn wir auch imbloBen Raum erwa funf Punkte zugleich wahmehmen; sobaldwir sie zahlen, betrachten wir sie niche mehr zugleich, sondemsuccessiv: alle Succession ist aber schlechthin allein moglich

durch die Zeit. [Hieran schlieBt sich, nacheraglich mit Tintedurchgestrichen: Es ist zu bemerken daB unsre wirkliche unmit-telbare Anschauung der Zahlen in der Zeit kaum bis 10 reicht:d. h. kaum bis 10 sind wir uns unmittelbar, gleichsam in con-creto, bewuBt wie weit wir schon gezahlt haben: dariiber hinaus

muB schon ein abstrakter Begriff der Zahl, durch ein Won fixirt,die Stelle der Anschauung vertreten, die daher nicht mehr wirk-lich v ... ] - Daher ist alles blofle und reine Zahlen, reine An-

152

seine Probe zUriickgefuhrt. Die ganze Arithmetik und Algebrasind nichts als kdnstliche Methoden zur Abkurzung und Er-leichterung des Zlihlens. Das Zahlen allein aber ist ihr innererGehalt. - Ohne Succession, ohne Zeit, ist kein Zahlen denkbar.Es beruht also U.S.w.(da Capo).Eben aber weiI dem Zahlen die reine Anschauung apTioTieiner

Form der Erkenntni6 zum Grunde liegt; hat jeder durch Zahlen

gewonnene Satz; jedes Rechnungsexempel, apodiktisch GewiB-heir und Allgemeingultigkeit fUr aile Dinge darauf man esanwendet:

9 X 5 - 2 + 7 = 5.10

und bedarf keines Beweises, ist ein synthetischer Satz apriori

durch reine Anschauung begriindet.

Die Zeit laBt sich auch erklaren als dasjenige, vermoge dessendemselben Dinge entgegengesetzre Bestimmungen zukommen

konnen (Seyn und Nichtseyn am selben On): Dergleichen wareschlechthin unbegreiflich fur die blolle abstrakte ErkenntniB

durch Begriffe und ist einzig und allein durch die anschaulicheniche weiser erklarbare ErkenntniB der Zeit zu fassen, eben wieim Raum die auf rechts und Links beruhenden Unterschiedeiibrigens ganz identischer Dinge. Oarum sind Raum und Zeiturspriingliche, nicht weiter abgeleitete Anschauungen. Wie aileVeranderung ist auch aile Bewegung nur .mittelst der Zeit vor-stellbar, doch ist hiezu auch der Raum ein nothwendiges Erfor-demiB: die allgemeine Bewegungslehre (Phoronomie) beruht

also auf der Konstruktion von Raum und Zeit imVerein.

Aus allem bisherigen ist das Resultat, daBwie der Raum dieForm des auBern Sinnes, so die Zeit die des innem Sinnes ist,beide also die Form der anschaulichen Auffassung jeder Ansind, daher alleswas fur das Subiekr da ist, in der Zeit, alles aberwas als durch auBereSinne erkennbar moglich ist, auch imRaumseyn muB: daB die Zeit eben als ErkenntniBform des Subjekts

ihm auch apnori bewufh, a pr ior i konstruirbar ist, woraus syn-ehetischeSatze apriori mit apodiktischer GewiBheit entspringen:

153

daB eben deshalb aber alles was diesen zwei apriori bestimmten

Formen Zeit und Raum unterworfen ist, so wie es in ihnen er-

scheint kein unbedingtes Daseyn hat, nicht schlechthin und un-

Erseheinung d. i. Vorstellung [. VorsteUung .. bis ..Objekt und-

ist fur die -Dianoiologie- mit Bleist ift eingeklammert], namlich

von Subjekt und Objekt und den Formen, in denen das Objekt

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abhangig vom Erkanntwerden da ist , sondem erstlich [serstlich-bis ..sodann- ist fur die »Dianoiologie« mit Bleisti ft eingeklam-

mert] nur fur das Subjekt uberhaupt, und sodann nur fur das

Subjekt sofem die Zeit die Form seines Anschauungsvermogens

ist: d. h. daB alles dieses nicht D in g a n sic h, sondem nur Erschei-nung ist. [Der Satz zuvor von »Resultat, daB« bis -Erscheinung

ist« ist Korrektur; die friihere Lesart lautet: Aus allem bisherigen

ist das Resultat, daB die Zeit grade wie der Raum zur allgemeinen

Form der Vorstellung als solcher gehort, dem Obiekt d. i. der

Vorstellung als solcher zukommt und da das Subjekt die un-

trennbare Bedingung des Objekts ist, es erganzend und daher es

begranzend, die Zeit auch vom Subjekt aus sich vollkommen er-

kennen und konstruiren laBt: daher sie eben sowohl die An-

schauungsform des Subjekts genannt werden mag: - daher alles

was fur das Subjekt da ist in dieser Form erscheinen muB: eben

deshalb aber wei 1es diesen zwei apnori best immten Formen Zeit

und Raum unterworfen ist ... nicht D in g a n sich , sondern nur

Erscheinung ist.] Nehmen wir nun aber an, daB das Objekt, au-Berdem daB es unsre Vorstellung ist, und als solche durch das

Subjekt bedingt ist, noeh ein anderes Daseyn harte, in dem es

dieser Bedingung nicht unterworfen ware, sondem schlechthin

existirend, ein D ing an sich; so [Fur die -Dianoiologie- wird

durch Bleiseiftkorrektur folgende Lesart gefordert: so kann ihm

alsdann die Form des Raums und der Zeit nicht zukommen: in

Riicksicht auf ... ] kann ihm alsdann, sowenig als die Form des

Objekt fur ein Subjekt seyns, und noch weniger, die des Raums

und der Zeit zukommen: in Riicksicht auf dieses Ding an sich

ware also die Zeit wie der Raum schlechthin nichts, da sie bloBdie Form ist in der dem Subjekt, wie wir es kennen, alles Objekt

erscheinen muB: also nur eine Bestimmung der Erscheinung,

nicht des Dinges an sieh.

Die Zeit hat also wie der Raum zwar vollkommne empirische

Realitat, d. h. aile mogliche Erfahrung ist den Bedingungen und

Gesetzen der Zeit unterworfen und in Hinsicht auf diese ist die

Zeit vollkommen real. Hingegen wenn man von den Formen der

15 4

sieh darstellen und das Subjekr nothwendig erkennen muB, ab-

strahirt, und nach dem Ding an sich fragt, so ist keine Zeit mehr:

also hat auch die Zeit transseendentale Idealitat. Da nun nicht

nur die im Raume und dem auBern Sinn erscheinenden Objekre

in der Form der Zeit sich darstellen, sondern auch die dem in-

nern Sinn allein erscheinenden Veranderungen meines Gemlirhs,

welehe aUe blofl Bewegungen meines Willens sind, indem dieKenntniB die ich von mir, abgesehn von der meines Leibes als

Objekts im Raum habe, ganz allein besteht aus meinem Wollen,

d. h. ieh mieh innerlich nur als wollend erkenne (denn sofern ich

erkenne bin ich nicht Objekt der Erkennenifl) und wie gesagt

auch diese innere ErkenntniB stets in der Form der Zeit sreht,

diese Form aber nur der Vorstellung als solcher, d. i. der Erschei-

nung angehorr, nicht dem Ding an sieh; so folgt, daB nicht nur

die auBern Objekre, sondern aueh mein eigenes Wesen als Ding

an sich und auBer der Erseheinung berrachtet, nicht in der Zeit

ist, so daB gesetzt mein inneres Wesen (das jetzt in lauter Wil-

lensakten sieh darstellt) konnte irgendwie ohne jene unsrer Er-kenntniB anhangende Form unsrer Sinnlichkeit angesehaut wer-

den; so wiirden eben die Bestimmungen, die jetzt als Verande-

rungen, als eine Reihe von Willensregungen erscheinen, dann

eine ErkenntniB geben, in welcher die Vorstellung der Zeit, mit-

hin aueh der Veranderung gar nicht vorkame. Gemeinsame Ei-

genschaft des Raums und der Zeit ist ihre Theilbarkeit ins

Unendliche: kein Theil ist der kleinste, dies deutet auf ihre ge-

meinsame Natur, DaB Raum und Zeit reine Anschauungen

«priori sind, daher synthetische Satze spriori begriinden, hie-

durch die ganze reine Mathematik moglich machen j aber ebenweil sie die im Subjekt gelegenen Bedingungen alles Vorstellens,

oder Ansehauungsformen der reinen Sinnliehkeit sind, nicht den

Dingen so wie solche an sieh und unabhangig von unsrer Vor-

stellung derselben seyn rnogen, sondern nur so wie sie von uns

vorgestellt werden d. h. der Erscheinung zukommen, welches

niche nur von den auBem Erseheinungen gilt, sondern aueh von

der KenntniB die wir von unserm eigenen Gemuth haben; daB

15 5

folglieh aIleauf die ErkenntniB von Raum und Zeit gegriindetenSatze zwar fur die Erfahrung unbedingt gultig sind, uber diemogliche Erfahrung hinaus aber nichts bedeuten noeh gelten:

wobei es denn aber unbegreiflieh ist, wie, naeh Aufhebung allerDinge in Raum und Zeit, diese selbst noeh immer dastehn; diebloBen Relationen bleiben naeh Aufhebung aller relata! Diese

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z, B. die Satze vom Anfang und Ende der Welt in der Zeit, undden Granzen der Welt im Raum: - dies ist Kants Lehre, unterdem Namen der transscendentalen Aesthetik. Ich bin ihm in derDarstellung im Ganzen gefolgt, Wir [,.Wire bis -darstellen las-

sen mullte ..ist fur die -Dianoiologie« mit Bleistift fein durchge-striehen] hatten aber was er als Thatsache nachweist, schon vor-

her apriori daraus abgeleitet daBSubjekt und Objekt als untrenn-bare Halften der gesammten Vorstellung, Welt als Vorstellung,eine gemeinschaftliche Grenze haben muliten, welche daher so-wohl vorn Subiekr als vom Objekt ausgehend sieh finden und

iibersehn und darstellen lassen muBte.

Yom pr inc ip ia ind io idua t ion is.

Welche Bestimmungen in unsrer ErkenntniB von jenen beiden

Formen abhangen (z. B. GroBe, Form, Veranderung Bewegung

u. s.w.) ist im Allgemeinen nachgewiesen. Nur noeh eine bleibtuns zu bemerken, eine sehr wiehtige: die Vielheit. Die Vielheitdes Gleiehartigen, die Unterscheidbarkeit des an allen Bestim-

mungen seines Wesens Identischen und durch kein Merkmal un-

tersehiedenen, die diversitas indiscernibil ium [die Verschieden-

heit der ununterseheidbaren Dinge] ist nur dureh Zeit und Raummoglich. - Leibnitz erkannte dies niche und stellte die sonder-

bare Lehre der identitas indiscernibil ium [die Identitat der unun-

terseheidbaren Dinge - vgl. Leibniz, Nouveaux Essais, Kap.27,§1.3]auf: namlich wenn zwei Dinge durehaus in allen Merkma-

len iibereinstirnmten, so solhen sie gar nicht mehr zwei sondemeins seyn: das behauptete er ganz im Ernst und leiretejede Viel-

heir von Dingen aus der Versehiedenheit ihrer Merkmale ab: be-hauptete dem zu Folge, daB nicht zwei Blatter von Baumen,nieht zwei Sandkorner sich voHkommen ahnlich und gleieh wa-

ren; sonst sie nicht gar zwei seyn konnten, sondem nur Eins.

Auch sind ihm, dem gemaB,Zeit und Raum niches, als die Rela-

tionen der schon ohne sie versehiedenen und vielfaehen Dinge:

156

sonderbare Lehre war Folge anderer Irrthiimer, Namlich naehdem Vorgang des Cartes ius, war ihm die einzige deutliche Er-kenntniB die abstrakte, also die durch Begriffe, die sieh in aile

ihreMerkmale zergliedern lassen: hingegen die ansehauliehe Er-kenntniB war nur die noeh verworrene Abstrakte, weil sie die

Merkmale nicht zergliedert, sondern aile zugleich und unge-

trennt auffaBt: dies Ungetrennte der Merkmale, welches ebender Intuitiven, das Ganze im Zusammenhang und unrninelbarauffassenden ErkenntniB eigenthiimlich ist, hielt er fur Verwor-renheit, meinte daB sobald diese deutlieh wiirde, sie als abstrak-ter Begriff, der sich definiren laBt, auftrete, folglich dieser die

eigentliche wahre adaquate ErkenntniB sei und was daher in ihrnicheferner sieh unterscheidet, das sei aueh in der That Eins: dieAnsehauung, die esdennoeh als zwei zeige, beruhe blof auf Ver-worrenheit, oder vielmehr wenn die Ansehauung etwas als zweizeige,obwohl sie keine verschiedenen Merkmale in Beiden sahe,

solage dies im Grunde daran, daB doeh die Merkmale versehie-

den waren, nur die Ansehauung als verworrene Erkennmifwiirde das nicht gewahr: bei der Zergtiederung der Merkmaledureh Begriffe d. i. Verdeutliehung der Erkenntnifl, muBten sieh

immer versehiedene Merkmale finden, sonst waren die Dinge

niche zwei sondern Eins, denn sie waren nicht unterschieden,d.i . die i den ti ta s i nd is ce rn ib il ium. - Er intellektuirte somit dieSinnlichkeit und wollte nicht einsehn, daB zwei vollig identischeDinge doeh dadurch, daB jedes einen andern Ort im Raum ein-

nimmt oder zu einer andern Zeit existirt, ganz und gar zwei sindund nicht Eins. Was aber es moglich macht, daB dasjenige was

dieVernunft in abstracto durehaus durch denselben Begriff den-ken muS, doeh in der Ansehauung als verschieden sich zeigt,zwei Blatter, zwei Frosche, - dies sind eben die der Ansehauunga ls solcher eigenthiimlichen Formen: Raum und Zeit. Sie gebendas Nebeneinander und das Naeheinander und dureh diese dieMoglichkeir einer unzahlbaren Vielheit des vollig Gleiehartigen,

nichedureh innre Merkmale unterscheidbaren, diversi tas e tp lu-ralitasindiscernibilium [die Versehiedenheit und Vielheit der un-

157

unterscheidbaren Dinge]. Schon die Scholastiker hatten denGrund gelegt zum Irrthum des Leibniz durch den Satz e x g en er ee t d iffe re ntia fit e ns u num p er s e, q uo d v oc atu r in div id uum [aus

dividuationis. Ich [-Ich« bis -wichtig- ist fur die -Dianoiolo-gie«mit Bleistift eingeklammert] bitte das zu merken: es wirdweiterhin sehr wichtig.

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Gattung und Artunterschied entsteht das fur sich bestehendeEinzelwesen, welches Individuum heiGt]: demnach meinten sie,das Individuum, das einzelne Ding, sei es immer nur durch Un-terschiede von der Gattung, durch innre Eigenthiimliche Merk-male, die im Begriff der Gattung nicht lagen, daher denn jedes

Individuum vom andern sich durch die Merkmale unterscheiden

muBte: das ist aber falsch: der Ort und die Zeit unterscheiden dieIndividuen, auch wenn sie sonst vollig gleich sind: nur durch dasNebeneinander, also den Raum, und das Nacheinander, die Zeit,

ist die Vielheit als solche moglich, die Vielheit des ganz Gleichar-tigen, das Erscheinen der Ganung in unzahligen Individuen: da-

her nenne ich Raum und Zeit das principium indiv iduat ionis,

welchen Ausdruck ich allerdings aus der Scholastik enrlehnt

habe, Sie suchten unter diesem Namen zweierlei: 1)das welchesMacht daBein aus vielen Theilen bestehendes doch Eins sei, z. B.ein Baum; und 2) das was die einzelnen Dinge vom Begriff ihrer

Gattung unterscheidet, sie zu vie/en macht, wahrend der Begriff

doch nur Eins isr, also das wodurch die Einheit des Begriffs, dasuniuersale, welches den Realisten das einzig Reale war, sich auf-loste fur die Erscheinung in eine Vielheit von Individuen: alsoz. B. der Begriff Mensch, sich darstellte in der Vielheit menschli- ,

cher Individuen: dies principium indiv iduat ionis war ihnen einHauptproblem: sie suchten dasselbe bald in der Form, bald in

der Materie, bald in der Vereinigung bestimmter Form mit be-

stimmter Materie: man finder aile ihre Griibeleien dariiber zu-

sammengestellt in Suar ez D is p. me t. D is p. V , s ec t. J. [Metaphysi-carum disputationum tomi 2, Moguntiae 1605] [Daneben am

Rand die Bleistiftnotiz: Platner Aphorismen. [E. Platner, Phi-los. Aphorismen, Neue Ausarb. Leipzig 1793-1800]]In der That sind es die Formen der anschaulichen ErkenntniB

Raum und Zeit, vermoge welcher das dem innern Wesen nachIdentische, und das durch einen Begriff denkbare, doch als Viel-

heir sich darstellt und in zahllosen Individuen erscheint: und indieser Hinsicht werde ich beide Formen Raum und Zeit durch

jenen alten Ausdruck der Scholastiker bezeichnen pr inc ip ium in-

158

Rufen wir nun abermals uns zuriick daB Raum und Zeit nurdieFormen der Erscheinung, nichedes Dinges an sich, oder imumgekehrten Ausdruck nur die ErkenntniBweise des Subjektsund allein in dieser existirend sind, und daB was von Zeit undRaum gilt auch natiirlich von dem durch diese ErkenntniBfor-men ailein Moglichen gilt, z. B. von Ausdehnung, Form, Be-

wegung, Veranderung, also auch von jener Vielheit des Gleich-artigen, jener Pluralitat der Individuen einer Ganung; nehmenwir ferner nochmals problematisch an, daB die ganze Welt als

Vorstellung, die Erscheinung iiberhaupt, auch noch erwas

auBer aller Vorstellung, ein D ing an sich, sei; so werden wir

einsehn, daB solchem Ding an sich, so [Fur die -Dianoiologie«lautet durch Bleisrifekorrektur der Text: so werden wir einsehn,

daB solchem Ding an sich die ErkenntniBweisen des Subjekts,namlich Raum und Zeit, und was aus diesen folgt, z. B. Bewe-gung, Veranderung, daB sage ich die Vielheit des Gleichartigen

solchem Ding an sich, oder innern Wesen der Welt nicht zu-

kommen kann. . . .] wenig als die allgemeinste Form der Vor-stellung, das Zerfallen in Objekt und Subjekt ihm zukommt,

noch auch die mehr besondern Formen der Vorstellung, oderdie ErkenntniBweisen des Subjekts, namlich Raum und Zeit,und was aus diesen folgt, z, B. Bewegung Veranderung, daBsage ich eben so wenig die Vielheit des Gleichartigen solchem

Ding an sich, oder innern Wesen der Welt zukommen kann, da

auch diese erst durch Raum und Zeit Moglichkeit und Bedeu-tung erhalt. Demnach lage es nur an diesen Formen unsrer Er-

kenntniB, Raum und Zeit, diesem pr inc ip io ind iv iduat ion i s daB

uns die Vielheit der Individuen erscheint, bei der Einheit derGattung, und denken wir uns die ErkenntniB von diesen For-men entledigt, so ware auch jene Vielheit verschwunden und

dasViele erschiene als Eins: wir hatten folglich nur noch Gat-tungen, niche mehr Individuen: man kann sich das durch einBild deutlich machen, indem man jenes pr inc ip ium ind iu idua-tionis vergleicht mit einem geschliffenen Glase, dessen Facet-ten, wenn man durchsieht, denselben Gegenstand, hundertmal

159

zeigen, und es doch an sich nur einer und derselbe ist: wie zwi-

schen das Auge und den Gegenstand solches Glas sich stellt und

jenen dadurch vervielfacht; so stellten sich zwischen das Ding an

chen Vorstellung den Theil derselben der erst durch die Empfin-

dung entsteht, ihren Gehalt nennen.]

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sich und unsre ErkenntniB, jene Formen unsres ErkenntniBver-

mogens, Raum und Zeit. Gelange es uns sparer [sspater« ist fur

die »Dianoiologie« eingeklammert] ein solches Ding an sich

nachzuweisen, das unabhangig von der ErkenntniB und ihren

Formen da ware, so wiirde sich demnach zeigen, daB auch die

Vielheit der Individuen ihm nicht zukame wenn es gleich in ihr

erscheint, - Zeit und Raum sind also das Principium individua-tionis.

_-4\ 1 Yom Gehal t d er an sc haul ic hen Vors te ll ung: oder uon derI M ate rie und zug le ic h 'Vonder d rit te n Fo rm , d er Kausal iti it

o d er d em Ver st ande.

[Fur die -Dianoiologie- ist laut Bleistiftkorrekrur und durch

Hinzufiigung des Textes eines eingelegten Zenels dieser fol-

gende Abschnitt zu lesen: Wir haben bisher die zwei Formen der

anschaulichen Vorstellung betrachtet und an ihnen gefunden,

daB das, was allem Objekt als solchem und iiberall zukommen

muBte, d. h. eben seine wesentliche Form, die Bedingung seiner

Moglichkeir als solchen, auch ohne weitere specielle KenntniB

des Objekts vom Subjekt ganz aile in muBte gefunden und iiber-

sehn werden konnen, Diese allgemeinen Formen des Objekts

fanden sich als Raum und Zeit.

Wir haben also gesehn, ein wie groBer und wichtiger Theil

unsrer anschaulichen ErkenntniB durchaus nicht durch die

Empfindung der Sinne entsteht und nicht von auBen in uns

kommt, sondern schon vorher da ist als Form des anschauendenBewuBtseyns, dem sich nun der Theil der anschaulichen Vorstel-

lung der durch die Empfindung gegeben ist genau anfiigen muB,

wenn die anschauliche Vorstellung, wie wir sie haben, entstehn

soll: welche anschauliche Erkenntni6 immer sich richten muB

nach jenen reinen apriori vorhandnen Formen des BewuBtseins

und ihren Gesetzen gemaB ausfallen und sich darstellen muB.

Wir konnen im Gegensatz dieser reinen Formen der anschauli-

160

Wir haben bisher die zwei Formen der anschaulichen Vorstel-~-

lung betrachtet und an ihnen die Bestatigung dessen gefunden,

was wir a pr ior i schlossen aus dem Begriff der Vorstellung iiber-

haupt als eines Ganzen das aus zwei wesentlichen und sich voll-

kommen erganzenden Half ten bestand (Subjekt und Objekt),

daB namlich diese Halften eine gemeinschaftliche Grenze haben

muBten, zu welcher man, von jeder von beiden ausgehend,

gleich leicht gelangen konnen muflre; daB also das, was allemObjekt als solchem und iiberall zukommen muBte, d. h. eben

seine wesentliche Form, die Bedingung seiner Moglichkeit als

solchen, auch ohne weirere specielle KenntniB des Objekts vom

Subjekt ganz allein, sofern es weiter nichts als das nothwendige

Korrelat des Objekts ist, muBte gefunden und iibersehn werden~

konnen, Diese allgemeinen Formen des Objekts fanden sich als - \cf-Raum und Zeit. ._J-Der Gehalt di~ser Formen ist4~,_~~~er Empfindu~gi!!Ens _',- '"> "

korrespondirt, was eigentlich in Raum und Zeit wahrgenommen ~ \ t \ I)'t- (')

Wird, mittelst_<!~rjiJ,d~iio-Sij1!i~~_9.~~~ateTii:Leere Raum un d

zeitsind zw~r Objekte mathematischc'rl<.onstruktion mittelst

reiner Anschauung apriori, aber nicht eigentliche Wahrneh-

mung: nur als erfullt sind sie wahrnehmb~r. Die Materie ist al~o

die Wahrnehmkarkeltdes Raumes und der Zeit und zwar beider

zugleiCl1:denn sie erfiil lt beide zugleich, giebt beiden zugleich

Gehalt. Nehmen wir einmal an, die Anschauliche Vorstellung

hatte allein die Zeit zur Form, ohne den Raum; so wiirden wir

gar kein Zugleichseyn kennen, sondern ein blofles Nacheinanderund daher wieder wiirden wir keine Vorstellung von einem ! 1 ! : =harrlichen und einer Dauer haben: Denn wahrgenommen wird

dTeZeltbloB sofern sie erjiillt ist und ihr Fortgang nur durch denWechsel des sie Erfiillenden. Das Beharren eines Objekts aber I _wird nur erkannt durch den Gegensatz des Wechs~ls_andr.er_.die. rmit ihm zugleich sind. Dieses Zugleichseyn aber ist in der bloBen .

ZeIt fur slch Dlcht moglich, sondern zur andern Halfte bedingt

durch den Raum; weil in der Zeit bloB alles nacheinander, im

J!~,~~,f!!_aJ1~!.!I.eke~~i~~Et!.erg;~;;rDinge'zugrerCh~~y?:ei~~-

[seyn sollen:~_~~~Je~~~i~ ~i~~~ an~~~".!-a~~.~~~~ ..)Man karin

161

jedoch niche eigentl ich sagen im bloBen Raum allein und fur sich,

sei alles zugleich, weil dies schon ein Zeitbegriff ist. BloB in einer

Vereinigung von Raum und Zeit ist ein Zugleichsein und durch

elches Zeit und Raum zugleich fullt, sie wahrnehmbar macht ~

und die Eigenschaften beider an sich tragt. Daher konnen wir 1 --

auch die Mate~ie als die ~reinigung des R~umes mit der Ze~t

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( dieses Dauer und Beharren vorsteUbar. - Andrerseits, nehmen

wir an, die anschauliche Vorstellung hane bloB d en Raum ohne

die Zeit zur Form; so gabe es keinen Wechsel, keine Verande-

rung, denn diese sind Succession der Zustande, aber Succession

ist bloB durch die Zeit. Also muB, wenn in unsren Vorstel lungen

eine Dauer und ein Wechsel, ein Beharren und ein Verandern-,

vc;>rkommen soli, sowohl Zeit als Raum, und zwar beide nicht );t31eich,~ondern im Ve!_!W)ihre Form. seyn. D\~ Ver~ini~/( gung d eser Formen kann nur dadurch erscheinen daB eUl.!20ttes

'sie-b de zugleich fullt, eben dadurch daB es in einer ist, auch in

der andern ist, und wesentl ieh und untrennbar die Eigenschaften

1 \ beider an sieh trage, beharrl ieh und ~~nl! Y~~!~4~OlDg .sei, wie

i der blofle Raum, fluclitlg, veranae-rIlch und bestandlos wie die

t bloBe Zeit. DiesesDjitte istnun-aleMatene: sieiiigijene-Elgen-

sCllafiei1vollkommen an sieh. Denn obgleich die Zeit so fluchtig

ist, daB ihr Daseyn ein stetes Vergehn ist, ein lOst~J~n er

Zukunft in die Vergangenheit, durchgehend durc1leine aus eh-

nungslose Gegenwart, die eine blofle Grenze ohne Breite ist; so

\ ist do~h bei dieser Fliichtigkeit ?er ~eit .~i_e~ i_hre!~cheinende

I Materie, ~J!ndlur_alle.Ewlgkelt&le a~]{auml Und ob-

o wohl im Raum allein, ohne die Zeit gedacht, gar keine Verande-

rung oder Bewegung moglich ist, sondernalles in starrer Ruhe

bleibt, so ist doch die Materie die eben diesen Raum fiillt und

wahrnehmbar macht, in steter Veranderu'%_.~~~I!1_W~f_~~~l be-

. ~ffen wie die Zeit: denn (wie ich gleicll erlautern werde) ihr

I Igariz-es Seyn besteht im Wirken, und Wirken schliell t Verande-

_ • ~ ~ -~~ • • _ ~ _ • L _ • _ - . ._ _ _ _

rung, ~so. Zeit, wese~~lic~~s~d~:_ ~i~ sehn ~so die ~aterie die

Eigensdlaften desRaums und ClerZeit zugleich an sich tragen,namlich die Unveranderlichkeie und starre Ruhe des Raumes,

die, als das Beharren der Materie, in dieser Hinsicht Substanzgenannt.. erscheint, und die Fluchtlgkeit der Zeit, die als der

Wechsel der Formen und Qual i taren eben jener Materie, Acci-

Idenzien genannt, erscheint, Von beiden aber hat sie die unen~li-C1ieT1;eilbarkeit: wie die Zeit, wie der Raum ins unerurIiche

tlieilbarT~t:~~- ist es die Materie. Also ist die Materie jenes Dritte,

162

lbetrachten~lelchsam alSl(as Produkt der mit de~ ~,!m ~~J~I~_plizi~en Zeit. eil aber die F'aktoren im Produkt enthalten sind,

nlent aber as Produkt in den Faktoren; so sind zwar Zeit und

Raum jedes fur sich und folglich dann leer vorstellbar, welches

eben ~ reme A;!!schau~E.&!derselben ist; nicht aber ist die Mate-

rie anschaulich vorsteIlbar ohne jene ihre beiden Faktoren, writ

--sie eben solche in sieh schliefit; darum ist sie nicht ohne (kstalt

I .vorstellbar, welche eine Bestimmung des Raums ist, und aiich ./ Jnie ohne alle Qualitiit, welche allemal eine bestimmte \firkungs- 'tJ:-ar t ist: Wirkena6eriSt Hervorbringen einer Veriinderu~ese-

!-~eine Bestimmung der Zei t. - Weil aber jeder Raum und Zeit

bestimmte individuelle Theile des ganzen Raumes und der gan-

zen Zeit sind, so ist hieraus die Nothwendigkeit vorherzusehn,

daB es ein Gesetz, eine Regel geben miisse, welcher gemaB, gradedieser Theil des ganzen Raumes mit grade diesem Theil der gan-

zen Zeit sich in einer bestimrnten, individuellen Materie verei-

nigt, die eben in dieser Vereinigung ihr Wesen hat. Namlich set-

zen wir nochmals, die anschauliche Vorstellung, aus der die Welt

besteht, ware bloB im Raum allein, ohne die Zeit; so konnten aile

Erscheinungen und Zustande, soviel ihrer auch waren, im

unendlichen Raum, ohne sich zu beengen, neben einander lie-

gen; eben so konnten sie, wenn die Zeit ihre alleinige Form ware,

in der unendlichen Zeit auf einander, in einer endlosen Reihe,

folgen, ohne sich zu storen; folglich ware dann zu einer noth-

wendigen Beziehung aller Zustande und Erscheinungen auf ein-

ander und zu einer Regel, welche sie jener gemaB bestimmte,

durchaus kein AniaB und solche ware auch gar nicht anwendbar;

folglich gabe es alsdann, bei allem Nebeneinander im Raum undI bei allem Wechsel in der Zeit , so lange jede dieser beiden Formen IIfur sich und ohne Zusammenhang mit der andern ihren Bestand -

und Lauf harte, noch gar keine Kaus.M_i_W_;_ber auch ~ei~~~~te~-

!rie, da die Materie eben 1mveiein von Raum und Zeit zu emern

lJriiten besteht. Ist nun aber, im Gehalt der anschaulichen Vor-

steIlung, Raum und Zeit zu einem Dritten vereinigt; so wird eine

Regel nothwendig, welcher gemaB ein bestimmter Theil des

t - - - \ ~ £.\.:,--0 - (_(_\Ls.-~' ~Li.t:-· 163

einen ganzen Raumes mit einem bestimmten Theil der ganzen

Zeit vereinigt seyn muB.l:Th:se, Regel ist das Gese tz d er Kausal i-tat, welches wir gleich ausfUhrlicli l)itrachfenweraen;-eserliilt

nur zu denken maglic~Darum ist im Teutschen hachst treffend

der Inbegriff a1les Matenellen die Wirklich~eji genannt,welches.Won viel bezeichnender ist als Realitat. f>as, worauf die Materie 1 \

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S e l n e Bedeutung und Nothwendigkeit allein dadurch, daB das

Wesen des Wirkens und der Veranderung niche im blollen Wech-

sel der Zustande in der Zeit, sondem vielmehr darin besteht, daBJn demselben Ort im Raum jetzt ein Zustand ist und darauf ein

andrer und zu einer und derselben bestimmten Zeit bier dieser

Zustand und dort jener seyn muB: immer bestimmt das Gesetzde r

Kausalitatwelcher Zustand

zudieser

Zeithiereintreten muB

und welcher an j enem Ort jetzt: seine Bestimmung geht immerauf einen bestimmten On im Raum zu einer bestimmten Zeit;

und gar niche weiter: nicht etwa was zu aller Zeit an einem be-

stimmten On, oder was uberall zu einer Zeit sein 5011: also nur

diese gegenseitige Beschrankung des Raumes und der Zeit durch

einander wechselseitig, giebt einer Regel, nach der die Verande-

rung vorgehn,~~B, Bedeutung und zugleich Nothwendigkeit. )~ as -durdi -(las Geseiz"aei-Kausaliiarbestiiiiiiii'wir<i;'is'i 'also"

nicht die Succession der Zustande in der bloBen Zeit , sondem die.

Succession in Hinsicht auf einen bestimmten Raum; und nicht

f

1~asein der Z~stande ~n e.in.em be~timmten ~,_~~_~err;!~p._

L91esem On ~!1_emer bestimmten ZenroteVeranoerung, d. h .

. der nach dem K~usalgesetzelniretena~ Wechsel, betrifft also je-

desmal einen bestirnmten Theil des Raumes und einen bestimrn-

ten Theil der Zeit zugleich und im Verein, eben weil er eine be- _,_

_st i~te ~ater~~ betryf[t( Hlera~s ii ,iiiDestat~f ·si.chnich~-~ j"- 1 - d a R ale Matene "daSlst, was Zeit und Raum in sich vereuugt: !sondem es zeigt sich auch, daB das Gese tz der Kausal itat mit

, dem Wesen der Materie genau verknupfr ist: es tritt mit der M~g-.c

:Jichk~it"d~r..~~lb_en ein, undware ohne sie njch~:'}veiirtwlr uns

._i-nun-uber das W e s e n der Materie, wiesie uns in der Erfahrunggegeben ist, besinnen iso werden wir finden, daB, unsrer Ablei-

tung entsprechend, ihr ganzes Wesen und Daseyn im Wirk.m_

"~;~~~h_t~nur ~irkend fullt sie den Raum, fUllt sie die Z~it: daB

\

- GIese durch sie wahrnehmbar w.erden, besteht eben darin, daB

sie auf uns wirkt, auf unsgnl.eib, der selbst Materie ist 0 und

WieWir-ufis'-Materi;-;;;;'stellen, stellenwli-ilir Wirk-; vor: ihr

S ey n ist ih r W irk en : es ist gar kein andres Seyn derselben auch______ .'"."~L__._ Lp_, __. '~ _r~ __ ~""__~ "---"" •••• , , . •• ,

164

wirkt, ist allemal wieder Materie: ihr ganzes Seyn und Wesen

besteht also nur in der gesetzmaBigen Veranderung die ein Theil

derselben im andem hervorbringt: die Folge der Einwirkung

eines materiellen Objekts auf ein andres wird nur erkannt da-

durch, daB dies letztere welches dadurch verandert wordennun-mehr anders als zuvoraufiins;aiif unsreLea;-ere"D~ir~~ Ursach

Uiia-wirWllgtSf also das ganze Wesen der Materie. Immer ist esMaterie die auf Materie wlrkt, solche einer Regel gemaB veran-

den: folglich ist auch ihr ganzes Seyn relativ, besteht in der Rela-

tion ihrer Theile zu einander, SchlieBlich uber die Materie: wir _ '

haben an ihr drei Grundei enscha efunden: 1) Das Behar-IIren durch alle Zeit: es . eurkundet hren Ursprung aus dem

Raum, der ewig unverande"ilich un starr ist: daher ist aus der

Anschauung des Raumes die Beharrliehkeir der Substanz abzu-

leiten, nicht aus der Zeit wie Kant falschlich that. 2) Das WirkeT!.,d.i. dasVeTii;iderngema6'er~~;R~gel:-~lles;i;man Quiiliifitan

der Materie nennt, das Veranderliche an ihr, was sie wechseln

kann, wahrend sie nie selbst vergeht, also was man Accidenziengenannt hat, im Gegensaz der S ub sta nz ; - dies ist stets und

allezeit durchaus ein Wirken (Erlauterung): es beurkundet ihren

Ursprung aus der Zeit, welche die Form der Moglichkeit aller

Veranderung ist, alles Wirken aber ist Verandern. 3) Y..!l~nQ_~_c!t~_,

Theilbarkeit: die Materie hat sie von der Zeit sowohl als vom

Raum. - THier folgt, nachtraglich mit Bleistift ausgestrichen:

(Beweis der Theilbarkeit.)]

Von der Kausalitat ins Besondre, als der <!tit~~n!pri9,rivorhandenen Form der anschaulichen Vorstellung.-------- ..-~--'-...-.. -~.. •~~-... ,- ... - - - . . . . . . ,'..-.~- ~- ~ ,.~-

Der Gang unsrer Betrachtung hat es nothwendig gemacht den

Begriff des Wirkens, der Kausalitat hineinzuziehn und ohne

weiter i zufiihren, also ihn zu postuliren. Dabei

kann e sem Bewen e nicht haben. Es entsteht vielmehr die

wichtige Frage: aben wir diesen Begriff der Kausalitat:

165

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schauenden BewuBtseins ausmacht. Wir machen aber hier vor-

erst Halt!, stehn still, um uns zuvor genau dariiber zu verstandi-

gen, was Kausalitlit sei. Nachdem dies geschehn seyn wird,

der Warme ist wieder bedingt gewesen durch einen vorherge-

henden, es sei z. B. wir denken uns die Warme komme von

einem Brennspiegel: dann ist diese bedingt durch das Auffallen

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I .

kniipft sich jene angekiindigte Darlegung der dritten Form hier

wieder an.

Die Erscheinung jener anschaulichen Vorstellungen, welche

man reale Objekte nennt, steht unter einem Gesetze, welches

aile jene realen Objekte mit einander verkniipft, und der dadurch

entseehende Zusammenhang macht eben das aus was man die

Erfah~~g i iberhaupt nennt, eine Gesammtvorstellung, von derj'ede einzelne Erfahrung, jedes einze!~iQQj~T«~em ~.9tJ!w~.odi:-

~ < ! ! amit V~!§~£[~.rl~~lllslrEnde und Anfang dieser Verket~

tung wird jedoch nie gefund'en. Das Gesetz aber welches auf 501-

che Weise alle realen Objekre in Verbindung setzt ist dieses:

wenn eine Veranderung vorgeht, d. h. wenn ein neuer Zustand

eines oder mehrerer realer Objekte entsteht; so muB ihm ein

andrer 'Vorhergegangen seyn, auf welch en der neue nach einer

Regel, d. h. allemal so oft der erstere da ist, folgt. Ein solches

Folgen heiBt ein Eifolgen, und der erstere Zustand die Ursachder zweite die Wirkung. Da nun, wenn der erstere Zustand, die

Ursach, immer gewesen ware, alsdann auch der zweite, die Wir-

kung, hatte immer gewesen seyn miissen, da er durch den ersten

erfolgt; so muB auch jener erste entstanden seyn, setzt also einenandem als seine Ursach voraus, ferner auch dessen Eintrin, da

auch dieser niche immer gewesen, und so immer fort. Wir wollen

an einem Beispiel die Sache anschaulich machen. Es entziindet

sich ein Kerper: so muB diesern Zustand des Brennens vorherge-

gangen seyn ein Zustand dessen Bestimmungen folgende sind:

1) Verwandtschaft zum Sauerstoff; 2) Beriihrung mit dem Sauer-

stoff; 3) ein bestimrnter Grad der Temperatur. - Dieser Zustand

heiBt in Beziehung auf den daraus folgenden, das Brennen, dieUrsach. - Da, sobald dieser Zustand vorhanden war, die Ent-

ziindung unmittelbar erfolgen muBte, diese aber allererst in

einem bestimmten Zeitmoment erfolgt ist; so kann auch jener

erste Zustand nicht immer gewesen seyn, sondern muB eingetre-

ten seyn, als Folge aus einem vorhergehenden, z. B. aus dem

Hinzutreten freier Warme an den Kdrper, woraus die Tempera-

turerhohung erfolgen muBte: dieser Zustand des Hinzutretens

168

der Sonnenstrahlen auf einen Brennspiegel , dieses wieder etwa

durch das Wegziehn einer Wolke von der Richtung der Sonne,

dieses durch Wind, dieser durch ungleiche Dichtigkeit der Luft,diese durch andre Zustande, und so in infinitum. DaB wenn ein

Zustand, um Bedingung zum Eintritt eines neuen zu seyn, aile

Bestimmungen bis auf eine enthalt, man diese eine, wenn sie jetzt

noch, also zuletzt, hinzutrit t, die Ursache xat' E ; O X ' 1 V nennenwill, mag im gemeinen Leben zulassig seyn, ist aber eine nicht

genaue An sich auszudriicken: denn dadurch, daB eine Bestim-

mung des Zustandes die letzte ist, die hinzutritt, hat sie vor den

iibrigen nichts voraus. So ist, im angefi ihrten Beispiel, keine Be-

rechtigung da, das Wegziehn der Wolke deshalb die Ursach der i

Entziindung zu nennen, wei I es sparer eintritt als das Richten des \

Brennspiegels aufs Objekt: dieses hatte spater geschehn konnen

als das Wegziehn der Wolke, und das Zulassen des Sauerstoffs

sparer als dieses, und solche zufallige Zeitbestirnmungen hatten,

nach jenem Sprachgebrauch, entscheiden mussen welches die

Ursach sei. Bei richtiger und besonnener Betrachtung finden wir

vielmehr, daB der ganze Zustand Bedingung des folgenden ist,

wobei es einerlei ist, in welcher Zeitfolge seine Bestimmungen

zusammengekommen sind. Auch zieht jene Sprachgewohnheit

eine andre nach sich die zu einern groBen lrrthum wird, namlich

daB man nicht die ZustiinJe, sondem die Objekte Ursach und

Wirkung nennt: z. B. in unserm Fall wiirden Einige den Brenn-

spiegel die Ursach der Entziindung nennen; Andre die Wolke,

Andre den Sauerstoff und so regellos, nach Belieben. Es hat aber

gar keinen Sinn zu sagen: ein Objekt ist Ursach eines andern:

sondem Kausalitat ist ein VerhaltniB zweier ZustiinJe, in Bezie-hung auf welches der eine Ursach, der andre Wirkung heiBt und

ihr nothwendiges Nacheinanderseyn, gemaB einer Regel, das

Eifolgen. Wollen Sie auf anschauliche Weise recht lebhaft erken-

nen, was Kausalitli t sei, so betrachren Sie einen Kerper im Son-

nenschein und seinen Schatten. DaB der Schatten eine negative

Wirkung sei, thut nichts zur Sache, er ist die Einwirkung des

Korpers der die positive Wirkung des Sonnenlichts fur diesen

169

Fleck aufhebt. Der Schatten ist nicht der Kerper, ist ein von ihmvcllig Verschiedenes, dennoch sehn Sie wie genau er mit ihm

zusammenhangt, wie unausbleiblich und nothwendig er da ist,

stiinde bedeuten, nicht Dinge, oder wenn man eine Reihe stetswiederkehrender Ursachen und Wirkungen ansieht fiir eine stetsbleibende Ursach und bleibende Wirkung: dann kann man zwei-

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wenn der Korper da ist. Sie haben an dem Schatten das einfach-

ste, anschaulichste, faBlichste Beispiel der Kausalitat: und den-noch, jemehr Siedariiber nachdenken und ihn betrachten, destounbegreiflicher wird Ihnen sein Zusammenhang mit dem Kor-

per: d. h. eswird Ihnen eben klar, daBdas Kausalverhaltnif nichtzuriickgefiihrt werden kann auf etwas anderes und dadurch er-

klart werden kann, und Sie erhalten die unmittelbare Ueberzeu-gung wie dieses VerhaltniB ein ganz urspriingliches ist, da es

eben die Form des Verstandes selbst ist, wie wir sogleich sehn

werden. [Fufinote: Ursach und Wirkung ist nicht etwa Eins:Sonnenschein und fliissig [werdendes] Wachs, sind zwei sehrVerschiedne. ]

Zeirverhaltnif von Ursach und Wirkung.-Gegenwirkung. - Wechselwirkung.

Zu den wesentlichen Bestimmungen der Ursach gehort aller-dings auch diese, daB sie, der Zeit nach, der Wirkung vorher-

gehe: es liegt im Begriff der Ursach. - Das Gesetz der Kausalitathat eine genaue und wesentliche Beziehung auf die Zeit, wieschon gezeigt, es bestimmt eben die Succession der Zustande,den Eintrittspunkt eines jeden und dies kann es nur sofern demVerhaltniB von Ursach und Wirkung ein ZeitverhaltniB wesent-lich und unmittelbar anhangt, namlich die Ursach als solche das

Vorhergehende ist und die Wirkung das in der Zeit spatere. Wir

denken in der Ursache nicht allein das die Wirkung hervorbrin-

gende, sondern eben damit auch das ihr vorhergehende, das frii-her Daseiende als die Wirkung. Es ist ein Widerspruch zu sagenA habe B hervorgebracht, sei aber nicht friiher dagewesen als B:

das ist als wenn man sagte, der Sohn sei alter als der Vater.U rsachund Wirkung konnen also als solche, nie zugleich seyn; als solcheheiBtwahrend das Kausalverhaltnif wirklich zwischen ihnen be-steht. Aber wenn man von Ursach und Wirkung undeutlicheBegriffe hat. niche weiB daB diese Ausdriicke wesentlich Zu -

170

felnob zum Wesen der Ursach auch gehort daBsieder Zeit nach

vorhergehe: was noch heut zu Tage bestritten wird. Selbst Kantfiihrt Beispiele an wo die Ursach nicht der Wirkung vorhergehe,sondern mit ihr zugleich sei: welches aber dem Begriff der Ur-

sachwiderspricht. Someint er die Ursach der Stubenwarme, derOfen, sei mit dieser, seiner Wirkung zugleich. Aber hier ist eine

Kette stets wiederholter Ursach und Wirkung: der Ofen ist war-mer als die ihn umgebende Luft: Ursach: - er theilt diese hohereTemperatur der ihn zunachst umgebenden Luftschicht mit: Wir-

kung: eine andre Schicht tritt hinzu; dasselbe geschieht: und so

wiederholt sich Ursach und Wirkung immerfort, bis der Ofen

abgekiihlt ist. - Sein andres Beispiel: auf einem Kissen liegt eine

bleierne Kugel: die ware Ursach: - das Griibchen im KissenWir-

kung: - beide zugleich: -!Es ist eben so: die Kugel durch ihreSchwere driickt das Kissen nieder: ihr Druck geht dem Nachge-ben des Kissens vorher [Fiir das Folgende lautet die mit Timekorrigierte friihere Leseart: aber dieser Druck und dies Nachge-

ben wiederholt sich immerfort mit unendlicher Schnelligkeit,solange die Kugelliegt: obgleich diese stete Wirkung nicht sicht-bar ist; das Kissen vermoge seiner Elasticitat widerstrebt bestan-dig und wird bestandig uberwaltigt: bloBwenn die Kugel wegge-nommen wird, zeigt sich daB sie fortwahrend wirkte; indem nun

das Kissen sich wieder an der Stelle hebt.] [Daneben am Rand,ebenfalls durchgestrichen: Oder wenn man will sehe man dasGriibchen mit der Kugel als einen ruhenden Zustand an, wo we-

der Wirken noch Leiden mehr isn dann war bloBim Augenblick

als die Kugel darauf gelegt wurde, Wirkung und Ursach da: of-

fenbar gieng aber in diesem Augenblick der Druck der Kugeldem Einbiegen des Kissens uorher, obgleich dieses unmittelbardarauf folgte.]: sobaid aber die Kugel eingesunken ist, hat sie

ihre Wirkung gethan und das KausalitatsverhaltniB selbst hort

auf: denn estritt Ruhe ein: aber die Spur der Ursache ist mit der

Wirkung bleibend. Dies gilt auch wenn das Kissen durch Elasti-citat bestandig strebt das Griibchen wieder auszufiillen: dieSchwere ist starker, und das Griibchen ist ein ruhender bleiben-

171

der Zustand, dessen Eintrin Wirkung des anfangenden Drucks

der Kugel war. Wenn also auch U r sache und Wirkung sich hier

zugleich darsteIlen; so [Daneben am Rand, mit Tinte wieder aus-

Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung allein

gilt von der Ursach im engsten Sinn, nicht vom Reiz und Motiv,

werden wir bald sehn.

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gestrichen, die urspriinglich bier einzufiigenden Wone: man

mag es nehmen wie man will, ... ] sieht doch jeder apriori ein,daB die Ursach vorhergeht auch in der Zeit: denn es liegt imBegriff der Kausalitat,

Eine andre Bestimmung der Kausalitat ist: daB Wirk un g u ndGegenwir kung s ich g le ich sind: d. h. der Zustand, welcher Ur-

sach ist, indem er die Wirkung herbeifuhrt, erleidet eine eben sogroBe Veranderung als die ist, die er herbei fuhn: z. B. setzt eine

rollende Kugel eine andre in Bewegung; so verliert sie eben 50-

viel von ihrer Geschwindigkeit als sie der andern mittheilt, ver-

steht sich im umgekehnen VerhaltniB der Massen beider: der

Hammer erhatt einen eben so starken Schlag als der AmboS,

wird aber, im VerhaItniS seiner geringem Masse, mehr dadurch

erschii ttert, welche Erschii tterung die ihn fuhrende Hand fublt:

die Sonne zieht nicht nur die Erde an, sondem wird auch von ihr

angezogen, aber im umgekehnen VerhaItniB der Massen beider,

daher die Bewegung der Erde dabei merklich ist, die der Sonne

nicht; eigentl ich dreht sich die Erde nicht urn die Sonne, sondem

beide urn ein gemeinschaftliches Centrum, das aber tief im Kor-

per der Sonne liegt: die Erde ziehr den Mond, wird aber auch von

ihm gezogen imVerhaItniB seiner geringem Masse; wie die Ebbe

und Fluth zeigt,

Newton griindete dies Gesetz bloB auf Erfahrung: doch sind

wir uns desselben apriori bewull t, wie der Kausalita t selbst : von

der Aprioritat dieser sogleich. Jenes Gesetz aber folgt aus dem

deutl ichen Begriff der Ursach, namlich: das Wirken setzt immer

mehrere, wenigstens zwei Korper voraus, die durch ihre Quali-

tat oder durch ihre Ruhe und Bewegung verschieden sind: Ur-

sach ist nicht ein Ding, sondern ein Zustand, Wirkung ebenfalls

ein Zustand, herbeigefuhrt durch jenen erstern: in beiden Zu-

standen, dem der Ursach und dem der Wirkung, sind nun beide

Korper auf gleiche Weise implicin, daher also auch die Wirkung,

d. i. der neue Zustand, sich auf beide Kerper in gleichem MaaBe

erstreckt; und zwar im umgekehnen VerhaltniB ihrer Masse: der

neu eintretende Zustand muB daher beide verandern, - DaB dies

172

Man gebraucht heut zu Tage haufig den Ausdruck Wechsel-wirkung: das bedeutet ein VerhaltniB wo die Ursach zugleich

wieder die Wirkung ihrer Wirkung ware und die Wirkung zu-

gleich die Ursach ihrer Ursach: - er ist beliebt, eben weil man

keinen deutlichen Begriff damit verbindet, daher er, wie viele

Ausdrucke, dienen muG, auszuhelfen, wo die Begriffe mangeln.

1m gemeinen Leben mag man immerhin gewisse Wirkungen da-mit bezeichnen, Aber streng und philosophisch genommen hat

dieser Begriff keine Bedeutung noch Gultigkeit. Kant stellt eine

besondre Kategorie der Wechselwirkung auf, als eine von der der

Kausalitat ganz verschiedne: das ist ganz falsch. Ich sage: es giebt

kein Kausalitatsverhaltnil], das wir durch den Ausdruck Wech-selwirkung als eine besondre Art von allen iibrigen zu unter-

scheid en harten, Wir wissen 1) daB Ursach und Wirkung Bestim-

mungen sind nicht eigentlich der Materie sondem ihrer

Zustiinde: 2) daB die Kausalitar es nicht zu thun hat mit dem

ruhenden und Beharrenden; sondern mit der Yeranderung und

Bewegung. Die herbeigefiihrte Wirkung ist ein Zustand, der ent-

weder bleibt und nun ruht, oder aber sogleich selbst wieder Ur-

sach eines neuen Zustandes, einer zweiten Wirkung wird: aber

immer steht das Ursach und Wirkung seyn in genauer Beziehung

zur ZeitJolge. Der Zustand A ist Ursach des Zustandes B nur

insofem als er ihn herbeifiihrt und folglich in der Zeit eine frii-here Stelle einnimmt, so nahe sie auch an den Zustand B, granzen

mag. Der Begriff Wechselwirkung enthalt aber dieses, daB A Ur-

sach von B ist, aber auch B Ur sach von A: offenbar heiSt dies daB

A der friihere und B der spatere ist; aber auch wieder B der frii-

here und A der spatere. Der offenbarste Widerspruch! Zugleichkannen die Zustande A und B niche seyn: wei! sie als Ursach und

Wirkung nothwendige Verbindung haben miissen: sind sie nun

aber zugleich, so machen sie nur einen Zustand aus welcher eben

da ist und beharrt: denn wo keine Succession ist, da ist auch gar

keine Veriinderung mehr, folglich keine Wirkung. Ein bleiben-

der Zustand laBt sich denken, zu dessen Beharren die bleibende

Anwesenheit aller seiner Bestimmungen die wir ABC nennen

173

mogen, erforderlich ist: aber dann ist kein Wirken, keine Veran-derung; sondern bloB Dauer und Ruhe: z, B. mehrere Kerperdie sich gegenseitig imGleichgewicht erhalten: von so einem Zu-

nicht individuell dieselben: das Brennen A, bewirkt freie WarmeB,diese ein neues, Brennen C, d. h. eine neue Wirkung, die mitder Ursache A gleichnamig ist, aber nicht individuell dieselbe:

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stand HiBtsich wohl sagen, daBwenn wir eine seiner Bestirnmun-gen andern, dann dieses die U rsache der Aenderung aller iibrigen

Bestimmungen seyn wiirde; aber dies geschahe eben nur nachdem gewohnlichen Gesetz der Kausalitst, es trate eine Ursache

ein und ihr folgte die Wirkung: vor der Hand aber ist alles in

Ruhe, weder Ursach noch Wirkung vorhanden.

Auch ist der beliebte Ausdruck Wechselwirkung, sobald manstreng und philosophisch verfahren will, durch kein einzigesBeispiel zu belegen. Alles was man dafiir ausgeben mochtekommt unter zwei Rubriken: 1) enrweder es ist ein ruhenderZustand: auf einen solchen finden die Begriffe Ursach und Wir-kung gar keine Anwendung, denn die setzen immer Veriinde-

rung voraus. Dieser Art ist eine Wagschaale mit zwei gleichenGewichten: sie ruht: hier ist keine Veranderung; also auch keine

Ursach noch Wirkung: sie ist in demselben Fall, wie jeder Kor-

per der in seinem Schwerpunkt unterstiirzt ist: die Schwere

strebt gleichmaflig in der ganzen Masse vertheilt, kann aber

durch keine Wirkung ihre Kraft auBem. Nimmt man das eineGewicht weg, so ist dieseWegnahme eine neue eintretende Ursa-che: - ihre Wirkung ist nun das gestorte Gleichgewicht: aus die-

sem folgt sogleich eine zweite Wirkung, das Sinken der andemSchaale, bis sie eine Stiitze findet: dieser Vorgang geschiehr aberganz nach dem einzigen und a1leinigenGesetz von Ursach und

Wirkung, und esist da kein neues besondres VerhaltniB, das man

durch den Namen Wechselwirkung zu unterscheiden harte, [2)]

Die andre Rubrik unter welche aile angeblichen Beispiele von

Wechselwirkung zu bringen, ist eine abwechselnde Succession

gleichnamiger Zustande die Ursach und Wirkung von einandersind. Dieser Art ist das Fortbrennen eines Feuers: die Verbin-

dung des Oxygens mit dem Brennbaren Korper, ist Ursach der

frei werdenden Warme: diese wieder ist Ursach eines abermali-gen Eintritts jener Verbindung andern Oxygen's mit einem an-dern Theil des brennbaren Korpers: diese wieder Ursach neuer

Warme. Hier ist nichts andres a1seine Kette von Ursachen undWirkungen, deren Glieder abwechselnd gleichnamig sind, aber

174

diesesBrennen C, bewirkt neue Warme D: aber diese ist mit der

Wirkung B nicht real identisch, sondern bloBgleichnamig, es ist

wieder Warme, u. s. f. Ein ganz ahnliches Beispiel ist das

Schwingen des Pendels. Auch gehort hieher die Selbsterhaltungorganischer Kerper: auch hier fiihrt jeder Zustand einen neuen

herbei, der mit dem von welchem er selbst bewirkt wurde der

Art nach identisch, aber individuell ein andrer ist: nur ist hier dieSache viel komplicirter: denn die Kette besteht nicht aus Glie-dem von zwei Arten, sondern von vielen; so daBein gleichnami-ges Glied erst wiederkehrt, nachdem mehrere andre dazwischengetreten. Es geschieht aber alles nur nach dem gewohnlichen Ge-

setz von Ursach und Wirkung.Am Ende konnte man wohl gar sagen: die Wechselwirkung

besteht eben darin, daB bei allem Wirken, Wirkung und Gegen-

wirkung sich gleich sind: ich habe eben gezeigt, wie dieses im

Wesen und im Begriff der Kausalitat liegt: beliebt es aber dieses

Wechselwirkung zu nennen; so ist eben durchaus jede Wirkung

Wechselwirkung und wir hahen nichts weiter als ein iiherfliissi-ges Synonym der Kausalitat,

Theorie der sinnlichen empirischen Anschauung undApriotitat der ErkenntniB der Kausalitat.

DaBwir nun dieses eben erorterten Gesetzes der Kausalitat uns a

prio ri d . i. 'V or a1ler Erfahrung bewuBt sind, daB dadurch allein

die Erfahrung und iiherhaupt die empirisch-sinnliche Anschau-

ung moglich wird, und daBjenes BewuBtsein und seine Anwen-dung ganz allein dasjenige ist was man Verstand nennt und

allezeit unter diesem Worte gedacht hat, liegt mir nunmehr ob

nachzuweisen. Die Nachweisung hievon wird nun zugleich dieT h eo ri e d er emp ir is ch -s in nli ch en An sc hauung seyn: so daB wir

zwei Zwecke zugleich erreichen. -

In dieser Absicht also wollen wir die Frage aufwerfen, wie

denn eigentlich die Anschauung der realen Objekte in uns ent-

175

stehe? auf welche Art diese Vorstellungen in uns kommen? In

der ganzen Geschichre der Philosophie finden wir hieriiber ei-

gentlich nur zwei Meinungen, die nachher einige Modifikatio-

bar. genothigt von ihm auszugehn, die VorsteUung seiner Affek-

tionen ist das Erste im Vorstellen, ich nenne daher in dieser Hin-

sicht den Leib das unmittelbare Objekt, ihn sonach bloB als Ob-

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nen erhalten: 1) Die des Demokritos, Epikur und Aristoteles, daB

von der Oberflache der Kerper besrandig Bilder ausgehn, wel-

che durch die pori [Offn ungen] der Sinnesorgane ins Gehirn ge-

langen. Das hatte vor dem Aristoteles schon Democrit (Diog.

Lsert. 9,44 [gemeint ist IX, 7,12]) gelehrt : auch Epikur lehrte e s,

Diese Bilder waren vollkommne Abdriicke der realen Objekte

und diesen ganz iihniich. - 2) Die zweite Meinung geht von Car-tesius aus und wurde besonders von Locke ausgefiihrt. Diese las-

sen die Anschauung aus der Empfindung entstehn, welche die

auBern Objekte in den Sinnesorganen hervorbringen, geben aber

zu daB (wenigstens in den meisten Fallen) diese Empfindung gar

keine Aehnlichkeit habe, mit den Eigenschaften der Objekte

welche sie veranlassen und die wir dadurch kennen lernen. Hie-

bei Macht nun aber besonders Locke den Unterschied zwischen

primaren und sekundaren Qualitaten den Demokrit und Epikur

aber auch schon gemacht; (illustr.).- Bei dem allen, ist bei ihnen

die Anschauung durchaus sensual, d. h. sie ist die Empfindung in

den Sinnesorganen selbst und mit dieser Eins. Auf einen Antheil

den der Verstand dabei haben mochte lassen sie sich nicht ein.

Wir werden bald einsehn wie falsch dies ist, und wie die An-

schauung durchaus intellektual. - Kant hat sich auf die Anschau-

ung niche eingelassen, iiberspringt sie mit »sie ist gegeben«, - Seit

Kant iiberhaupt nichts Gescheutes.

Raum und Zeit sind gleichsam der Einschlag, die Grundfaden,

auf welche die Bilder eingewirkt werden sollen: das Bewufltsein

derselben, als nothwendiger Bedingungen aller Erfahrung, d. i.

aller Erscheinungen, haben wir «priori, mit aIlem was davon ab-

hange. Wie kommt nun aber in dieses blof formale, in dieses einfur aIle Mal gesetzmaBig bestimmte, das Materiale, der Stoff, die

Erfahrung. in ihrer best immten Einzelheit und Besonderheit? In

den apriori angeschauten Raum und Zeit ohne Anfang und Ende

finder jedes individuelle BewuBtsein einen Mittelpunkt dieser

unendlichen Sphare in einer ihm mehr als alles andre nahe gelege-

nen Vorstellung, welche der eigene Leib eines jeden ist: das Be-

wuBtsein ist an diesen unmittelbar geknupft, von ihm untrenn-

~:1

'I'I:,

176

jekt d. i. als Vorstellung betrachtend und ganz davon absehend,

Dbe r sich etwa noch in einer ganz andern Eigenschaft dem Be-

wuBtsein kundgiebt, noch auf eine nahere Weise mit ihm ver-

kniipft ist. Uns ist er hier die erste Vorstellung, und zwar nicht

einmal er selbst als Objekt, sondern nur seine Affektionen. Da-

von nachher. Die Veranderungen, welche der belebte Leib er-

fabrt, werden un mittel bar erkannt, sind der Ausgangspunkt derempirischen Anschauung. Diese ErkenntniB seiner Veranderun-

gen ist aber keineswegs schon Anschauung, was eben Locke

meynte, sondern bloBe Empfindung; bliebe es bei ihr und kame

niches weiter hinzu, so kame das BewuBtseyn dadurch nicht

iiber den eignen Leib hinaus, es ware ein blolles Fiihlen successi-

ver verschiedner Zustande des Leibs: Farben im Auge, Geriiche

in der Nase, Druck auf der Hand. SoU die Empfindung An-

schauung werden; so muB von ihr iibergegangen werden auf ihre

Urseche auflerhalb dem empfindenden Organismus: soll aber

dies geschehn, 50 muB schon die Anschauung des Raumes, als

Bedingung des AuBereinander daseyn. Doch davon weiterhin:

jetzt bloB von der Empfindung. Sie ist etwas, das, eben weil es

das erste und unmittelbare ist, sich weiter nicht beschreiben laBt.

von dem sich jedoch sagen laBt, daB es eine sehr nahe Beziehung

zum Willen hat; sofern namlich als es bei irgend zunehmenden

Graden in Schmerz oder Wollust iibergeht, die nichts weiter als

das dem Willen unmittelbar Widerstrebende oder Zusagende

sind: doch darf ich mich hierauf hier nicht naher einlassen, urn

niche der Betrachtung vorzugreifen, die wir weiterhin anstellen

werden iiber die Beziehung des Leibes zum Willen. In den gerin-

gern Graden der Empfindung ist noch keine merkliche Anre-gung des Willens, d. i. Schmerz oder Wollust, mit ihnen ver-

kniipft, sie werden bloB wahrgenommen, ganz unmittelbar. So

wenn wir eine Farbe sehn, einen maBigen Ton horen u. s. f. - Die

[.Die« bis »Empfanglichkeit haben- mit rotem und schwarzem

Stift durchgestrichen, was auf spatere Verwendung deuret] Sinne

aber sind Sitze einer gesteigerten Sensibili tat, vermoge welcher

auch die leisesten Einwirkungen auf den Leib sofort wahrge-

177

nommen werden: und zwar steht jeder Sinn einer besondern An

von Einwirkung offen, fur welche die iibrigen entweder wenig

oder gar keine Empfangl ichkeie haben; (illustr.).Totale Verschie-

wart schon anderweitig bekannter Objekte; theils geben sie Zei-

chen die die Vernunft auslegt: Sprache; theils die Musik, die eig-

ner Art ist, eigentlich anschauliche ErkenntniB komplicirter

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denheit der Empfindungen der funf Sinne: wie man auch auf das

Ohr wirken und dessen Nerven reizen moge, nie erhalt es eine

Empfindung dem Eindruck des Lichees iihnlich: eben so nie das

Auge eine dem Schall 1lhnliche, oder dem Geruch, oder dem Ge-

schmack. Dies kommt aber nicht von Verschiedenheit der Ner-

ven, sondern bloB der 1luBern Sinnenapparate, nach Cabanis. So

hat jeder Sinn seine specifische Empfindung. lmmer aber sinddiese Modifikationen des unmittelbaren Objekts in der Zeit

bloBe Empfindung, unmittelbar wahrgenommene successive

Veriinderungen der Zustande der Sinnesorgane, keineswegs

schon Anschauung. Und hierin liegt das Falsche ja Seichte der

Lockischen Theorie. Diese hat gar nicht den groBen Unterschied

zwischen Empfindung und Anschauung bemerkt: sie liiBt die

Anschauung in der bloB en Empfindung der Sinnesorgane be-

stehn: die Empfindung des Eindrucks auf die Sinnesorgane ist

ihr schon Anschauung: deshalb nennt Locke durchweg aile Ein-

driicke auf die Sinnesorgane Ideen, ideas, spricht daher von ideas

of sound, of touch, of sight, of smell. In der That aber enrhalt dieEmpfindung keineswegs die Anschauung des Objekts, ja hat

noch gar keine Aehnlichkeit dam it. - Wir wollen dies naher be-

trachten, urn einzusehn daB die Anschauung nicht in der Emp-

findung besteht, niche sensual ist, damit wir nachher desto besser

verstehn, was es heiBt, sie sei intellektual. [Erstlich] Geruch und

Geschmack sind ganz subjektive Sinne, d. h. ihre Empfindung

bezieht sich hauptsachlich auf den Willen (illustr.), sie deutet

zwar auf eine Ursach iiberhaupt, aber giebt nicht deren Beschaf-

fenheit, sie giebt also der Anschauung eigentlich keine Data: wir

lernen durch sie kein Objekt kennen: blof wenn wir schon an-derweitig eine anschauliche KenntniB des Objekts haben, kiindi-

gen sie dessen Gegenwart an (il/ustr.).Mit dem Gehor ist es inso-

fern anders, als die Tone an sich nur geringe Beziehung zum

Willen haben: (illustr.) sie sind mehr ftir die reine ErkenntniB da:

aber sie vermitteln nicht eigentlich die anschauliche ErkenntniB:

(illustr.) wir lernen durch sie keine Objekte kennen, Objekte in

Raum und Zeit: sondern auch sie verkiindigen theils die Gegen-

178

Zahlenverhaltnisse (suoloco).Wir gehn aber niche vom vernom-

menen Ton iiber zu dessen Ursache, so daB sie sich anschaulich

darstellte, sondern bleiben stehn beim Ton selbst: er giebt uns

die Beschaffenheit der Ursache niche an, d. h. zeigt nicht ihreriiumlichen Verhiiltnisse (illustr.); inzwischen giebt uns die Mu-

sik ein Beispiel wie ein rein Quantitatives (die Schwingungen)

sich als ein qualitatives darstellt: nach diesem Typus sind Lockesprimary and secondary qualities.Wegen der Subjektivitat dieser Sinne giebt der Geruch [Dane-

ben am Rand, mit Tinte wieder ausgestrichen: Dieser Geruch

kiindigt uns aber die Rose an, dem Blinden giebt er die ganze

Vorstellung die er von der Rose hat.] einer Rose uns keine Vor-

stel lung, weder von der Rose, noch von dem Wasserstoffgas wel-

ches ihr atherisches Oel aufgelost in die Hohe treibt, die das Ob-

jektive, Reale dabei sind: - eben so giebt der Geschmack einer

Kirsche uns keine Vorstel lung von ihr, noch von der chemischen

Zusammensetzung des Kohlen-, Wasser- und Sauerstoffs in ihr;

, - eben so giebt der Ton einer Violine keine Vorstellung von den

Vibrationen der Saite, noch die Hohe oder Tiefe des Tons von

der Zahl der Vibrationen in bestimmter Zeit, die allein das Ob-

jektive dieser Empfindung sind. Und doch ist es bloB die ver-

schiedene Schnelligkeit dieser Vibrationen, die sich dem Trom-

melfell mittheilt wodurch wir die Tonleiter in der Musik empfin-

den: und nach den feinen Modifikationen, die diese Vibrationen

erhalten durch das Instrument welches sie hervorbringt, unter-

scheiden wir ob es eine Kehle, Geige, Fldte sei. Wir bleiben aber

bei der Wirkung, dem Ton stehn: also vermitteln Geschmack,

Geruch, Gehcr, eigentlich keine Anschauung; sondern kiindi-gen bloB das schon anderweitig anschaulich Bekannte an; denn

die Empfindungen dieser drei Sinne deuten zwar auf eine Ursa-

che iiberhaupt: aber der Eindruck enthalt keine data zur Bestim-mung der riiumlichen Verhiiltnisse dieser Ursache: der Raum ist

aber die Form der Anschauung, ist das worin Objekte sich dar-

stellen: also wenn die Wirkung gar keine data zur Bestimmung

der riiumlichen Verhiiltnisse der Ursache enthalt, so vermit tel t

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fiihrt woraus dennoch diese die wundervolle Anschauung derAuBenwelt hervorbringen.Jetzt flom Sinn des Gesichts. Die Anschauung welche ausgebt

dung im Auge noch keine Aehnlichkeit hat mit der Anschauungder objektiven Welt die uns dadurch wird, mit der blollen Er-scheinung, gleichviel was die Dinge auRer uns an sich seien: da-

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von der Empfindung im Auge und an diese sich knupfe, ist beiweitem die reichste, weil die Vermittelung des Lichts uns in Be-

riihrung setzt mit nahen und fernen Gegenstanden; weil femerdas Licht in graden Linien wirkt, auch in den Feuchtigkeiten desAuges selbst in graden Linien gebrochen wird, und daher (wennwir den Verstand und die Anschauung des Raums auf diese Emp-

findung anwenden) wir zugleich auch die Richtung und Lagedeseinwirkenden Objekts aus der Empfindung erhalten; was beiGeruch und Gehor, die auch aus der Entfemung wirken, nichtder Fall ist (iJlustr.) [FuBnote: Beim Gehor ist es nur sehr imallgemeinen der Fall. 50 im Groben, namlich ob das rechte oderdas linke Ohr starker getroffen wird; was von vome kommt hortman starker. als was von hinten. Das Bauchreden isr in jedem

Fall ein Schall der articulirt wird ehe er den Leib verlaBt unddaher aile Indicia der Richtung ganz ausschlieBt: nun wird durchmimische Kiinste die Einbildungskraft verleitet die Richtung zusuppliren.]; weil endlich die verschiednen Grade der Beleuch-

tung und die Empfindung der Farbe uns data geben zur Er-kenntniB mannigfaltiger raurnlicher Beziehungen der Objekte.Bei weitem unsre meisten Wahmehmungen sind durch das

Auge: daher ist von dieser species das genus benannt, namlich

Anschauung. Intuitio. - Aber sondem wir von dieser ganzenWahrnehmung das aus, was allein der Empfindung angehort,dann finden wir, daBauch die Empfindung welche das Auge vonbeleuchteten Gegenstanden erhalt, keineswegs schon die An-schauung dieser Gegenstande ist, sondem himmelweit von ihrverschieden, jaauch von dieser Empfindung auf der Netzhaut des

Auges behaupte ich, daB sie eigentlich noch keine Aehnlich-keit hat mit der Anschauung die uns durch ihre Vermittelung, auf

ihre Veranlassung wird. Verstehn Sie mich recht: ich sage nichterwa blofl, daBdie Empfindung imAuge. etwa die der Farbe oderdes Lichts selbst keine Aehnlichkeit hat mit den realen Dingen inder AuBenwelt die alsU rsache solche Empfindung von Farbe undLicht hervorbringen; das sagte Locke auch, ist schon tau-

send Mal gesagt und bekannt. (Illustr.) Ich sage. daBdie Empfin-

182

von rede ich noch nicht. Bei keinem andern Sinn aber kommt diebloBe Empfindung der Anschauung sosehr entgegen. als beimSehn, giebt ihr so reiche data. data die unmittelbar auf raumliche

Bestimmungen der auRem Ursache leiten, wiewohl sie diesenicht schon enthalten. Bekanndich hat das Auge groRe Aehn-lichkeit mit der Camera obscura:welches zuerst Kepler bemerkt

und dargestellt hat: (siehe Kepleri paralipomena in VitellionemFrancof. 1614 [1604. V.Kap.,J p 170 seq.). Namlich wie die ca-mera obscura ein finstrer Raum ist, in welchen die von den au-BernGegenstanden zuriickgeworfenen Lichtstralen, durch eineenge Oeffnung dringen und an der dieser entgegengesetzren

Wand ihr Bild enrwerfen, welches durch ein in die Oeffnunggebrachtes Convex-Glas, Linse. Sammelglas verdeutlicht wird,welches die von den Objekten aus divergirenden Linien brichtund sie dann konvergirend, aber umgekehrt auf die Wand wirft;(die Umkehrung [,.die Umkehrung« bis ,,.bloBunterstutzt« ist

durchgestrichen] geschieht hier zwar durch die Convexlinse;

doch geschieht sie auch ohne diese, durch das bloBe Kreuzen derStralen in der Oeffnung: siehe Fischers Naturlehre [Lehrbuchder mechanischen Naturlehre, 1805] cap. 39, §13: sie wird hier

alsodurch die Linse bloB unterstiitzt) so ist im Auge die Pupille

die Oeffnung, die Netzhaut die Wand. lens [Linse], humoraqueus et flitreus [Glaskorper] das durch Brechung das Bild zu-sammenziehende und so verdeutlichende Convexglas. (Beilaufig[.Beilaufig« bis .Licht von ihr- ist durchgestrichen] das Bildwas

Jeder im Auge des andem von sich selbst sieht; ist nichedas biergemeinte; sondern eine blofle Spiegelung auf der glatten Cornea

[Hornhaut], ein bloB reflektirtes Licht von ihr.) Nach Keplerund allen spatern rein empirischen Kopfen ist damit das Sehnerklart: die Seele namlich nimmt jenes Bild wahr und bezieht esauf auBre Obiekte, In der That aber ist das Wesentliche diesesVorgangs weiter niches[..weiter nichts- bis .affizirt« ist durchge-strichen], als daB der Eindruck des Lichts, welches die Objektereflektiren, zusammengedrangt wird ohne vermischt zu werden,

wodurch er im kleinen Raum der Netzhaut Platz findet: dadurch

183

wird die Netzhaut von den verschiedenen Lichtstrahlen in der-

selben Ordnung (wiewohl umgekehn), wie sie vom Objekt aus-

gehn, affizin: weiter geht die optische Erklarung nicht: wie aber

ung der Welt ; davon ausfiihrlich, wenn ich das Positive der Sache

vonrage. Fur jetzt sind wir bioS beim Negativen.

Aus allem diesen geht hervor, daB die Anschauung niche sen-

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aus einer solchen Affektion der Netzhaut, eine Anschauung von

Objekten auSerhalb, im Raum mit drei Dimensionen entsteht,

ist dadurch im rnindesten niche erklart. Vielmehr entstand das

neue vielfach bestrittene Problem, warum wir, da dies Bild um-

gekehrt steht, die Objekte doch niche verkehrt sehn: welches

Problem bei unsrer fernern Betrachtung seine Auflosung von

selbst finden wird.Das Auge empfindet bioS HeU, Dunkel, Farbe: die Netzhaut

ist der Sitz dieser Empfindung, und ist eine Fliiche, Hillt folglichein Nebeneinander des Eindrucks zu; sodann wirkt das Licht

stets in graden Linien, wird auch im Auge noch [in] grad en Li-

nien gebrochen, daher der bloSe Eindruck schon hinweist auf

die Richtung seiner Ursache und die Lage derselben im Raum:

aber um dies zu erkennen miissen wir schon den Raum haben

und seine Verhalmisse kennen: das gehort schon zu dem was wir

zur Empfindung selbst hinzubringen, in der Empfindung liegt es

nicht: sowohl Raum als Ursach gehoren schon zum Intellektuel-

len der Anschauung: im Sensuellen liegen sie noch nicht. Nunferner sind die Empfindungen des Hellen, Dunkeln, wie der

Farbe ganz specifische Affektionen des Auges. Aber ohne den

Verstand und ohne die Anschauung des Raumes, wiirden wir

uns ihrer auch nur bewuSt werden als besondrer und mannigfal-

t iger Modifikat ionen im Organ, die gar noch keine Aehnlichkeit

haben mit Figur, Lage, Nahe, Ferne, Ruhe und Bewegung von

Objekten. Was beim Sehn die blofle Empfindung giebt ist nichts

mehr als das Bewufltsein einer mannigfaltigen Affektion der re -tina [Netzhaut], ahnlich einer Pallette mit vielen bunten Farben-

k1exen neben einander: oder wie wenn ein Kupferstich bunt illu-minirt ware und man nahme durch ein aufgelegtes Loschpapier

einen Abdruck der Farben ohne die Linien. Denn alles was in

unserm Gesichtsfelde linear ist, raumlich, perspekrivisch, das ist

nicht Sache der Empfindung, sondern muS wo anders herkom-

men. Wie wir nun an die Empfindung die Anschauung knupfen,

was wir hinzuthun um diese von der Anschauung noch ganz ver-

schiedne Empfindung umzugestalten zu der reichen Anschau-

184

sual ist; d. h. sie ist niche durch die bloSe Sinnesempfindung

gegeben; sondern zu dieser muS noch etwas sehr Bedeutendes

hinzukommen, dam it aus ihr Anschauung werde: namlich der

Verstand, der die Wirkung auf eine Ursache bezieht, und die

reine Anschauung des Raums, vermoge deren diese Ursache

auSerhalb des empfindenden Organismus versetzt wird; auch

die Anschauung der Zeit, weil nur in der Zeit ein Wirken undVerandern moglich ist. Diese Formen nun, namlich der Verstand

d. h. das Kausalverhaltnill, und die Anschauungen von Raum

und Zeit miissen schon vorher daseyn, rniissen unabhangig von

der Empfindung da seyn, da sie in dieser nicht enthalten sind,

muss en als Formen des erkennenden BewuStseyns daseyn damit

die Anschauung entstehe. Also die Anschauung ist intellektual.Sie ist ein geistiges Wahrnehmen, kein blof sinnliches Empfin-

den, wie Locke wollre. - Aile Empfindungen welche die Sinne

durch auSere Eindriicke erhalten, sind bloB der rohe Stoff aus

dem die Anschauung wird, wenn der Verstand hinzukommt,

und von der also gegebenen Wirkung den Uebergang macht aufdie Ursacbe, die nun eben dadurch als angeschautes Objekt im

Raum sich darstellt, [Daneben mit Bleistift: S. F . [VgI. F, §1]]

Unter allen Sinnen [ ..Unter al len Sinnen- bis -jene Anschauung

schuf- ist mit Bleisti ft durchgestrichen] ist wie gesagt das Gesichtder feinsten und mannigfaltigsten und determinirtesten Ein-

dri.icke von AuSen fahig, Eindri.icke, welche sogleich data derraumlichen Verhaltnisse ihrer Ursache geben: aber dennoch

giebt auch das Gesicht an sich blolle Empfindung, aus welcher

erst die Anwendung des Verstandes die Anschauung hervor-

bringt. Kcnnte daher Jemand, der vor einer schonen weitenAussicht steht , auf einen Augenblick alles Verstandes beraubtwerden; so wiirde ihm von der ganzen Aussicht niches iibrig

~ bleiben, als die Empfindung einer sehr mannigfaltigen Affektion

der Netzhaut in seinem Auge ahnlich einer Pallette mit vie len

Farbenklexen, welche gleichsam der rohe Stoff ist , aus welchem

vorhin sein Verstand jene Anschauung schuf.

Zur bloflen Emp[mdung des Leibes muS, wenn aus seinen un-

185

mittel bar wahrgenommenen successiven Affektionen, Verande-rungen, die davon ganz verschiedene Anschauung von Objektenwerden soU, hinzukommen, d ie B ez ieh un g d er W irku ng en a uf

sie dahin versetzt, von wo die Wirkung ausgeht und so die Ur-sach als ein Objekt , ein Wirkendes. Wirk liches erkennt. DieserUebergang von der Wirkung auf die Ursache ist aber ein unmit-

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die Ursachen, der Uebergang der Erkenntnif von der gegebenenWirkung auf ihre nothwendige Ursach, zugleich aber auch Zeitund Raum als Formen der Moglichkeie eines Seyns auBer uns,

Nach- und Neben- und Auseinander, als Bedingungen aller em-pirischen Anschauung: diese Forrnen miissen schon vor allerEmpfindung im BewuBtseyn liegen, selbst eben die Form des

BewuBtseyns ausmachend: sie miissen mit ihrer ganzen Gesetz-maBigkeit schon daseyn, damit der Verstand Objekte hineinset-zen kann, wenn die Empfindung ihn anregt seine Funktion zu

vollziehn. Die reine Anschauung muBdie Grundlage der ernpiri-

schen seyn. Sie ist deren erste Bedingung. Dann muB als AnlaB.die Anregung der Sinnesorgane, d. i. die Empfindung hinzu-

kommen. Diese giebt die Materie der Anschauung. den be-stimmten individuellen empirischen Stoff: aber zur Anschauungwird dieser erst durch die Form, die er erhalt, indem der Ver-

stand die Empfindung auf ihre Ursach beziehn erst dadurch er-haIt die Empfindung die von ihr ganz verschiedene Form derAnschauung. Also erst indem die Empfindung der Organe voneinem Verstande wahrgenommen und sofort als eine WirkungaufgefaBtwird, die nothwendig eine Ursach haben muB, zu wel-cher Ursach nun sofon der Uebergang geschiehr, entsteht dieAnschauung. Der Raum muB aber schon daseyn: um die Ursachals aufler dem Organismus anzuschauen. Dies ist es was denRaum und die Zeit. welche, als Formen der Moglichkeit einer

objektiven Anschauung, dem Subjekt, dem Erkennenden als

solchen anhangen, ausfiil/en kann mit einer wirklichen Anschau-ung von Objekten: sonst kame diese nimmermehr zu Stande.

Die Empfindung [»Die Empfindung« bis -der Vernunft mog-lich« ist mit Bleistift durchgestr ichen, Dazu am Rand die Blei-

stiftnotiz: S.F. 12 [Vgl. F, Anfang von §1]] wird also zur An-schauung, zur Wahrnehmung, zur Apprehension eines Objekts,allererst dadurch, daB der Verstand jeden Eindruck den die Sin-nesorgane erhalten, auf dessen Ursach bezieht, diese in der ihmapriori bewuBten Form aUer moglichen Anschauung, also im

Raum, als aufler dem Organismus vorhanden hinstellt und zwar

186

telbarer, lebendiger, nothwendiger: denn er isr (wie ich weiter-hin naher nachweisen werde) eine ErkenntniB des r ein en Ver -standes: keineswegs iseer ein VernunftschluB, eine Kombinationabstrakter Begriffe und Urtheile: diese ist nur der Vernunft mog-lich, von der hier noch nicht die Rede ist, und die zur Anschau-ung nichts beitragt, da die Anschauung auch allen Thieren ge-

mein ist. Also die Sache geht nicht in abs tracto vor, auf dem Ge-bier der Vernunft; sondern in concreto, d. h. auf dem Gebiet desunmittelbar erkennenden Verstandes. Daher ist man beim An-

schauen sich niche eines Schlusses von der gegebenen Wirkung

auf ihre nach dem Gesetz der Kausalitat nothwendige Ursach

bewuBt; sondern jener Uebergang der ErkenntniB von der Wir-

kung auf die Ursach kommt selbst nicht als solcher ins BewuBt-

seyn; vielmehr zeigt er sich bloB dadurch, daB statt des bloBenEmpfindens einer Affektion im Organ, jetzt ein angeschautesObjekt im Raum dasteht. Das UnbewuBte dieser Verstandes-operation konnte Sie befremden, und an deren Realitat zweifelnlassen. Allein ein sichrer Weg uns von derselben zu uberzeugenisr, daB wir sie genauer kennen lernen und betrachten wie sehrthatig bei der Anschauung bestandig der Verstand ist, ohne daBvon dieser Thatigkeit etwas anderes ins BewuBtseyn kommt, alsihr Resultat, ihr Produkt, die Anschauung.Es giebt [Die nachsten drei Absatze von ..Es giebr- bis ,.Mog-

lichkeie bloBen Scheines- sind mit Bleistift durchgestrichen und

mit Rotstift angeserichen] eigentlich nur zwei objektive Sinne:

das Getast und das Gesicht: d. h. nur mittelst der Data die diesebeiden dem Verstande geben konstruin er Objekte in die uns

beigegebene Anschauungsform Raum hinein, und lliStsiedort inder Zeit sich bewegen und verandern. Die andern drei Sinne wir-

ken objective nur auf die Erinnerung indem sie uns anderweitigschon bekannte Objekte anzeigen. (IlJustr.)- Sie konnen einan-der ersetzen: aber ein Blinder ohne Hande und FuBe wiirde eine

sehr mangelhafte objektive Welt vor sich haben. Geschmack undGeruch sind zudem dem Willen so genau verbunden daBsie [gar]niche thatig seyn konnen ohne ihn mehr oder weniger anzure-

187

gen. (ILJustr.) Das Ohr ist hievon frei, auch hat es eine eigne ob-

jektive Welt fur sich, die bloB in der Zeit nicht im Raum ist: die

Tone: daher die Moglichkeit der Musik.

Nerven affizin das Objekt und giebt dadurch alle oben aufge-

zlihlten data; sondem durch Heben oder StoBen. Biegen, Bre-

chen. des Gegenstandes erhalten wir data zur Erkenntniil seiner

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Getast und Gesicht haben jedes ihre eignen Vonheile: daher

sie sich wechselseitig unterstiitzen: der Hauptvonheil des Ge-

sichts ist daB es keiner Beriihrung bedarf, ja keiner Nahe, son-

dem die Einwirkung sehr femer Objekte empfangt, - sodann

daB eine UnermeBlichkeit von Objekten zugleich auf es ein-

wirkt, ein ganzer irdischer und himmlischer Horizont voll Welt-

korpem; - sodann daB es sehr feine N i iancen des Lichts undSchattens, der Farbe, der Durchsichtigkeie des umgebenden

Mittels empfindet, und so dem Verstande eine grofle Menge fein

bestimmter data liefert, auf welche angewandt er die meisten Be-

stimmungen der Gestalt. GroBe. Ferne und physischen Beschaf-

fenheit der Korper sogleich anschaulich erkennt: wie weiter un-

ten naher zergliedert.

Dagegen hat das Getast welches darin eine grofle Beschran-

kung hat daB es des unmitrelbaren Kontakts bedarf, diese Vor-

theile: es ist der grundlichsee, untriiglichste und vielseitigste

Sinn. Aile Wahrnehmung des Gesichts bezieht sich eigentlich auf

das Getast: das Sehn ist ein unvollkommnes Tasten in die Ferne

mittelst langer Taststangen, welches die Lichtstrahlen sind: es ist

daher vielen Tauschungen ausgesetzt; das Getast fast gar keinen

[Daneben die mit Rotstift durchgestrichene Bleistiftnotiz: hacte

nus?]: es ist also der griindlichste und untriiglichste Sinn: - es ist

auch der vielseitigste: denn das Gesicht empfindet doch einzig

und allein Eindriicke des Lichts, giebt also bloB Farbe und Schar-

tirung der Gegenstande dem Verstande als data. wie das Gehor

blolle Tone giebt: hingegen das Getast giebt ganz unmittelbare

Data zur ErkenntniB der GroBe. Gestalt. Harte. Weiche. Trok-

kenheit, oder Nasse, Glatte, Temperatur u. s. f. - Zwei Vonheileunterstiitzen es: 1) die Gestalt der Hand und Finger, die durch

ihre Bewegung und Veranderung, mehrere Seiten des Objekts

beliebig zugleich beriihren konnen, wo der Verstand aus der

Form die die Hand angenommen hatte wahrend mehrere Stellen

derselben vom Objekt beriihrt wurden auf die Form dieses

schlie6t: ( I1 lu str .) - Kugel u. s. w.; 2) die Anwendung der Mus-

kelkraft gesellt sich hier zu der der Nervenkraft: nicht bl06 die

188

Schwere, Festigkeit, Zahigkeit, oder Sprode u.s. w. und dies

alles mit geringer Moglichkeit blollen Scheines.

Um ein wenig die data des Getasts fur sich zu betrachten, den-

ken wir uns einen Blindgebomen: er la6t seine Hand nach allen

drei Dimensionen iiber einen kubischen Korper gleiten: seine

Empfindung dabei in der Hand ist eine ganz einformige, und

kann ihm wahrlich nicht das Bild eines Kubus geben: dies ent-steht allein durch Anwendung des Verstandes und der apriori

ibm bewuSten Anschauung des Raumes: zuerst, er fuhlt Wider-

stand: der muS, sagt er a priori, eine U rsache haben: a priori sagt

er es: denn durch keine Erfahrung kann es ihm bekannt seyn.

Die neuern [ ..Die neuern- bis .Kinde mit Bleistift durchgestri-

chen und mit Rotstift angestrichen] Franzosischen Philosophen,

namentlich Destut Tracy bemiihn sich diese Erkenntni6 als em-

pirisch darzustellen: sie sagen: der Begriff der Ursach entspringt

aus dem korperlichen Gefuhl des Widerstandes: wenn das neu-

gebome Kind oder sogar [ssogar« bis ..wie soll- mit Bleistift

durchgestrichen] der Forus im Leibe eine Bewegung machen will

und nicht kann, so entsteht ihm die Vorstellung von einem Aeu-

Bern, von ihm Verschiednen, das es hindert: so entspringt die

KenntniS der Kausalitat auf empirischem Wege. - Hcchst falsch!

[.Hochst falsch« bis »(Illustr.)« mit Rotstift angestrichen] 1)

Denn wie soil aus einern korperlichen Gefuhl eine VorsteLJung

werden? - 2) Aus der Hemmung gewollter Bewegungen kann

nie mehr entstehn, als das Unbehagen des gehinderten Willens,

also eine An Schmerz; aber nie die Vorstellung eines Raumes

und eines Korpers in dem Raum der auf meinen einwirkt. Die

Vorstellung iiberhaupt ist vollig andrer Natur als die Anregungdes Willens durch Hemmung oder Beforderung eines Akts: 3) Es

giebt mancherlei Bewegungen die wir zu machen vergeblich ver-

suchen, ohne daS uns daraus die Vorstellung von einem einwir-

kenden au6ern Korper entsteht: (1IIustr.).

Also [Die nachsten drei Absatze von ..Also« bis ..Uebung ver-

vollkommnete mit Bleistift durchgestrichen und mit Rotstift an-

gestrichen] unser Blindgeborner {uhlt bioS einen Widerstand:

189

daB nun aber, auf diesen AnlaB, in ihm die Vorstellung entstehtvon einem Raum und einem Korper in solchem der auf seineneinwirkt, geschieht a1leinvermoge der urspriinglichen Anlagen

diesfertige Daseyn ist eben der Intellekt selbst, ist (mich empi-risch auszudriicken) die physiologische Funktion des Gehirns,die es so wenig lernt a1sder Magen das Verdauen, oder die Leber

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die wir Verstand und reine Sinnlichkeit nennen: diese projiciren

den Raum und setzen einen Karper hinein. Er betastet ihn nachallen drei Dimensionen: die Empfindung der Hand bleibt dabeidieselbe: aber aus der Bewegung die sein Arm macht, wahrend

die Empfindung der Hand bleibt, rnacht sein Verstand denSchluBauf die kubische Form.

Giebt man ihm eine Kugel indie eine Hand: und legt die andreauf eine Elache: so werden beide Hande an allen Punkten be-riihrt: also ist die Empfindung beider Hande dieselbe: aber ausder Lage jeder Hand wabrend sie diese Empfindung erhalr,schlieBtsein Verstand, dort auf eine Ebene, hier auf eine Kugel.-Rollt ein Strick durch seine Hand; so schlieBt er aus der Zeit

die die Reibung dauert und aus der Lage der Hand auf einenlangen cylinderformigen Kerper, Aber aus der bloBen Empfin-dung hiebei konnte nimmermehr in ihm die Vorstellung der Be-wegung, d. i. der Veranderung im Raum mittelst der Zeit er-

wachsen; die Empfindung ist unHihig dergleichen zu erzeugen,

wenn er nicht vor aller Erfahrung schon die Anschauungen vonRaum und Zeit besaBe,wenn sie nicht praformirt in seinem In-tellekr lagen: denn welcher Abstand isr niche zwischen der blo-BenSensation der Reibung in der Hand und der Vorstellung derBewegung eines Korpers im Raum rnittelst der Zeit: -

U.S.w.

Alles dies wird durch Uebung vervollkommnet.Die Empfindung [-Die Empfindung- bis -dadurch moglich«

mit Rotstift angestrichen] der Hand bei verschiedener Berdh-rung und Lage ist aber etwas so einformiges, ist so armlich an

Datis, daB es unmoglich ware daraus die Vorstellung des Raumsund seiner drei Dimensionen und der Einwirkung von Kdrpernauf einander, kurz der objektiven Welt, zu konstruiren: sonderndies ist nur dadurch moglich, daB im [,.daBim« bis »intellektuel-

len- mit Blei- und Rotstift angestrichen] Intellekt selbst, derRaum a1sForm der Anschauung, die Zeit als Form der Verande-rung und die Kausalitat als die Norm und Gesetz der Ordnungund des Eintritts der Veranderungen schon fertig dasind, und

190

die Gallenabsonderung, sondern die ihm urspriinglich ein-wohnt. BloBhieraus ist eszu erklaren daBmanche Blindgeborneeine so vollstandige Kenntni6 von raumlichen Verhaltnissen er-halten haben, daB sie den Mangel des Gesichts wenig spiirten,Dies beweist uns eben daBdie Vorstellung von Raum, Zeit undVeranderung so wenig durch das Gesicht als durch das Getast in

uns kommen, und uberhaupt nicht empirischen Ursprung ha-ben, sondern intellektuellen. So sehn wir Blinde in der Zeuni-schen Anstalt spinnen, nahen, stricken, weben u. s.w.- MancheBlinde sind frei herumgegangen auf bekannten und unbekanntenWegen, und haben eine richtige KenntniB der durchwandertenRaume zuriickgebracht. Wa it z d e s en su um a ct io ne v ic ar ia 1821,

erzablt von Einem Blinden, der a1leswas er betastet hatte, inWachs nachbildere, sogar Portratts von Menschen in der Artmachte, Saunderson [,.Saunderson« bis ,.Mathematik. mitBlei- und Rotstift angestrichen], von Kindheit auf blind ([S.G.]

Vogel Anthropologisch. medicin. Erfahrungen [Stendal] 1805),

lehrte auf der Universitat Cambridge Mathematik, Optik undAstronomie. Er konnte selbst ohne zu tasten, durch die Empfin-dung des Drucks der Luft auf sein Gesicht iiber die GraBe undEntfernung von Objekten urtheilen und wenn er in ein fremdesZimmer trat seine GroBe und Gestalt und sogar einzelne Her-vorragungen angeben. Eine seltsame Bestatigung dieser Wahr-heir giebt Tour tu al [ •Tourtual« bis -nicht eingefallen- mit Blei-stift durchgestrichen], d e ment is c ir ca v is um e ff ic ac ia 1823: die-ser namlich, in volliger Unwissenheit der groBen Fortschrittewelche die Philosophie durch Kant gemacht, und dadurch sich

um 50 Jahre zuriickstellend, nimmt den Condillac zum Fuhrerund untersucht ob die Vorstellung des Raumes und seiner Ver-haltnisse durch Getast und Gesicht, oder in Ermangelung desletztern aus ersterem allein entspringt, in seiner eigentlich schim-pflichen Unkunde der Entdeckungen des graBten Mannes denDeutschland gehabt, tappt er erbarmlich herum, indem er unter-sucht, ob der Raum urspriinglich ein Gesehenes oder ein Geta-stetes sei. (Der Raum wird weder gesehn noch getastet, sondern

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Richtung, niche den Ort selbst. Die Entfemung wird nicht un-mittelbar wahrgenommen. Namlich der Raum und die Objektein ihm haben doch drei Dimensionen: aber nur mit zwei dersel-

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auch ibn als etwas im Innern des Auges befindliches wahmeh-men, indem wir eben stehn blieben bei der Empfindung im

Auge. Sobald wir nun aber wirklich anschauen und apprehendi-

ren, d.h. eben von der Empfindung im Auge iibergehn zu deren

Ursach auBerhalb, die Empfindung des Lichteindrucks aber zu-

gleich die Richtung angiebt wohin wir die Ursache zu versetzenhaben, so geschieht dieser Uebergang auf den selben Linien wie

die Einwirkung, aber in umgekehrter Richtung, also in der Rich-tung L K und BA: waswir inB empfinden wird als Ursache nachA versetzt, und was wir in L empfinden nach K, wodurch denn

aus dem umgekehrten Bild im Auge BL der aufrecht stehende

Gegenstand KA auBerhalb des Auges wird. (Die Richtung im

Raum bestimmt der Eindruck ebenfalls,] wie gesagt; aber nur die

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ben konnen sie auf das Auge wirken, namlich mit Hohe undBreite, nicht mit der Tiefe. Das Sehn ist urspriinglich, d. h. soweit die Empfindung es begleirer, bloB planimetrisch, niche ste-

reometrisch, giebt bloBe Flache, keinen Korperr alles Stereome-trische wird erst vom Verstande hinzugethan. Die Farbe und

Richtung allein sind dabei seine data, diedas Auge giebt; zur

Farbe rechne ich hier die Schattirung, das Helle und Dunkle,mit: aber aus der Modifikation der Farbe durch die Beleuchtung,alsodie Grade des Lichts und Schattens, in Kombination gesetztmit der Richrung, schliefh der Verstand auf die Ausdehnung desObjekts in der drinen Dimension, und sieht daher nicht Flachen

sondern Korper, Seine Operation hiebei geschiehr mit solcherFertigkeit, daB sie gar niche ins BewuBtseyn kommt und er bloB

das Resultat auffaBt un~esthalt, die Data aber fahren laBtsobalder sie benutzt hat. Daher diese Data gar niche im GedachtniBaufbewahrt werden, und Keiner die bloBSichtbare Figur kennt,sondern blof die Reale Gestalt im Raum auf die jene ihn leitete,Es ist damit eben so, wie wir beim Sprechen blof auf den Sinnder Rede achten, nicht auf die Worte, den vemommenen Schall,als blolle Zeichen, die doch allein unmittelbar gegeben werden.Jemand der etwa Teutsch und Franzdsisch gleich Fertig spricht,kann etwas heute gelesen und behalten haben, weiBaber nicht ober esTeutsch oder Franzosisch gelesen, so sehr vergiBt man dasZeichen iiber dem Bezeichneten. So ist auch das Sehn gleichsam

eineZeichensprache die der Verstand auslegt, indem er bestandig

von der Wirkung zur Ursach geht: aber das Zeichen bloB be-

nutzt urn das Bezeichnete daraus zu erkennen, welter aber auf

das Zeichen durchaus keine Aufmerksamkeit verwendet und esnach gemachtem Gebrauch sogleich vergifk Z. B. Ein Buch[..Z. B. Ein Buch.. bis ..und 1dick..mit Bleistift durchgestrichen]das Sie sehn, zeigt Ihnen in jeder Lage eine ganz verschiedneFigur: und doch apprehendiren Sie,es mag sich darstellen wie eswill, immer sogleich dieselbe Gestalt. Nachdem Sie esmit einem

Blick gesehn, wissen Sie dessen wahre Gestalt anzugeben; abernicht die Figur, die es zeigte, und die Sie doch eigendich allein

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sahen, niche die An der Beleuchtung, welche das Datum war,daraus Ihr Verstand die Gestalt konstruirte, - 1. Es zeigt Ihnen

durchaus nur zwei D imensi onen: Sie apprehendiren drei. 2. Ich

und Scharten nach dem Gesetze der Kausalitat beurtheilt. Auf[..Auf.. bis ..Besonnenheit festzuhalten .. mit Bleistift durchge-strichen und mit Rotstift angestrichen] dem besagten Unrer-

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mag esdicht vor Sielegen oder esIhnen von hier zeigen; Siefassenesauf als etwa 7Zolliang, 5 breit, und 1dick. Dennoch ist gewilldaBdies Buch wenn es 1FuBvon Ihnen liege,eine 10Mal sogro}leFigur in Ihrem Gesichtsfelde macht, alswenn es 10FuBvon Ihnenliege, 3. Endlich konnen Sie sogleich ziemlich genau angeben wieweit [..wie weit« bis ..davon nachher« mit Rotstift angestrichen]

das Buch von Ihnen ist: aberdie Entfemung wirkt garnicht auf dieEmpfindung, wird gar niche unmittelbar gesehn; denn sie ist diedrine Dimension, Tiefe: Siesehn immer bloBFliiche.Die Entfer-nung wird durch fiinf mittelbare Wege erkannt, davon nachher.

Wie viele verschiedne Figuren zeigt niche ein Sruhl, in verschied-nen Lagen: aus jeder derselben weiBder Verstand die wahre Ge-

stalt des Stuhls sogleich abzunehmen: und die Figuren die dazu

gedient beachtet er weiter nicht, sie lassen keine Spur im Ge-dachtnis zuriick: und wer sich nicht darauf besonders geiibt,

weiS niche eine dieser Figuren die er taglich hundert Mal wie auf

[..wie auf.. bis ..Elle weit.. mit Rotstift angestrichen] einer Fliichesieht, frei zu wiederholen, d. h. einen Stuhl zu zeichnen, auf eineFlache zu projiciren. - Ein Mensch erscheint, 100 Ellen weir, 10

Mal kleiner als 10Ellen weir, 100Mal kleiner als eine Elle weit:doch apprehendiren wir sogleich seine wahre GroSe und [Sie]glauben nicht wenn Sie unter den Linden gehn am Ende dieser

Allee Pygmaen zu erblicken. Sie sehn [..Sie sehn.. bis ..Centrumdas Auge ..mit Rotstift angestrichen] also wie vielesder Verstandund die apriorische Konstruktion des Raumes zur Empfindung

hinzuthun muS, um sie inAnschauung zu verwandeln, ohne daB

davon das rnindeste ins BewuBtseyn kommt: und dennoch ist

diese Thangkeit des Verstandes auSer Zweifel. Wir sehn eigent-

lich Alles wie auf der innem Seite einer Halb-Kugel deren Cen-trum das Auge; aber die Tiefe [..aber die Tiefe.. bis ..Kausalitat

beurtheilt .. mit Bleistift durchgestrichen und mit Rotstift ange-strichen] und ungleiche Entfemung ist nicht mitgegeben. Der

Verstand konstruirt die Kerper, nach den Gesetzen der An-schauung des Raums, indem er die dritte Dimension als Voraus-setzung zu Hulfe nimmt und indem er die Wirkung von Licht

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schied zwischen dem unmittelbar Gesehenen und dem Appre-hendirten beruht ja die ganze Mahlerei: sie giebt bloB die datawieder, nicht das Resultae. Das Bild besteht aus Linien, die per-spektivisch gezogen sind, d. h. der Wirkung gleichkommen,welche Objekte in ungleichen Entfernungen hervorbringen; 50-

dann aus hellen und dunklen Stellen, mit unmerklichen Ueber-

gangen, welche der Wirkung von Licht und Schanen gleichkommen: wir aber sehn die gemahlten Gegenstiinde gleich wirk-lichen vor uns stehn, weil wir von diesen Linien und Farben die-

selbe Wirkung empfangen, als von jenen, und daher nun ohnedaBdie Wirkung als solche ins BewuBtsein kornmt, sogleich dieUrsache anschauen, gleichsaip vom Zeichen auf das Bezeichnete

iibergehn. Die Kunst des M'alers besteht darin, das, was beim

Sehn bloB Empfindung ist, das unmittelbar Gegebene, gleich-sam das bloSe Zeichen, festzuhalten, es abzusondern und so treu

zu wiederholen auf der Flache, Also eigenrlich den bloflen Ein-

druck auf das Auge, dasjenige, wobei wir, indem wir Objektesehn, nicht verweilen, sondem gleich zur Ursach iibergehn, mitBesonnenheit festzuhalten. Auf [..Auf .. bis ..Empfindungen desLeibes.. mit Bleistift durchgestrichen] eben diese unmittelbare

Weise nun, geht bei jeder Anschauung, der Verstand von derallein unmittelbar gegebenen Wirkung auf die Ursach iiber, dieeben dadurch als O bjekt im R aum erscheint, ohne daBdabei ein

SchluB in abs tracto gernacht wiirde, welches die Thatigkeit derVernunft erfordem wiirde. Auf die angegebene Weise also,

durch unmittelbare Anwendung des Verstandes oder welcheseinerlei ist, des Gesetzes der Kausal it ii t, auf das VerhaltniB des

unmittelbaren Objekts zu den andem vermittelten, die auf jenes

einwirken, werden [..werden« bis ..esmuS also apriori« mit Blei-stift durchgestrichen und mit Rotstift angestrichen] die Empfin-dungen des Leibes der Ausgangspunkt zur Anschauung einer ob-jektiven Welt, aber keineswegs sind sie schon diese Anschauung.Das Gesetz der Kausalitiit selbst, durch dessen Anwendung diesalJes geschieht, kann aus keiner Erfahrung geschopft seyn, daerst durch dessen Anwendung die Anschauung moglich wird

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