24
1 WAS SAGT UNS ALBERT SCHWEITZER HEUTE? HARTMUT KÖNIG

Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

  • Upload
    others

  • View
    6

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

1

WAS SAGT UNSALBERT SCHWEITZERHEUTE?

HARTMUT KÖNIG

Page 2: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

2

Futterstraße 17-1966111 Saarbrücken

Tel. 0049 (0) 681-5953892www.peter-imandt.de

Email: [email protected]

Layout: Patric BiesFotos: Sammlung Luitwin Bies

Page 3: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

3

Ein Grußwort

Dr. Albert Schweitzer – Arzt, Theologe undFriedensnobelpreisträger, das sind die Fakten, die vielennoch zur Person einfallen. Oft übersehen wir dabeiseinen lebenslangen und unermüdlichen Einsatz und seinBemühen um den Frieden. Damit fordert er vonWissenschaftlern sich aktiv für Friedenspolitikeinzubringen. Das Leben als Grundwert, der jedemMenschen und der ganzen Schöpfung zusteht, gilt eszu bewahren und zu schützen. Dies umfasst auch dieBedingungen unseres Lebens, also die Verantwortungfür andere Menschen ebenso wie für unsere Umwelt.So gesehen bietet sich gerade für uns ein Besuch desGeburtshauses im elsässischen Kaysersberg und demAlbert-Schweitzer-Haus in Günsbach an. Beide Orteladen aus dem Saarland zu einer Erkundungsfahrtgeradezu ein.Die Fahrt zeigt viele Facetten eines großen Mannes auf.Albert Schweitzer ließ sich nie auf einen einzelnenBereich festlegen. Sein Bemühen war immer umfassend,ob in der Musik als Bachliebhaber oder im Dienste derMenschen als Arzt, als Wissenschaftler, als Theologeoder als Friedensaktivist – so würde man ihn wohl heutenennen. Seine „Ehrfurcht vor dem Leben“ gingkonsequent bis zur Schonung der Tiere und damit zurvegetarischen Ernährung.Krieg und Verfolgung kannte Albert Schweitzer auseigener Erfahrung. Sein gelebter Pazifismus wirkt daherauthentisch und glaubwürdig. Die existenzielleBedrohung von Mensch und Tier, ja des gesamtenLebens auf unserem Planeten durch Atomwaffen unddie Nutzung der Kernenergie erhält angesichts derAtomkatastrophe von Fukushima dramatischeAktualität.

So gesehen ist die Botschaft Albert Schweitzers heuteaktueller denn je. Seine Warnungen haben ihreBerechtigung schon mehrfach bewiesen.

Page 4: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

4

Eine weitere wichtige Lehre Schweitzers ist: In Fragenvon Krieg und Frieden denken nicht alle Menschen gleich.Wohl existiert kein Mensch auf dieser Erde, der sichKriege wünscht, doch so lange die Herstellung und derExport von Waffen ein einträgliches Geschäft bleibt,das Denken in wirtschafts- und militärpolitischenKategorien zur „Realpolitik“ gehört, so lange bleibt dieSehnsucht der Völker nach Frieden unerfüllt.Daher bezieht sich Oskar Lafontaine immer wieder aufein Zitat von Willi Brandt, der sagte: „Krieg ist nicht mehrdie ultima ratio, sondern die ultima irratio. Auch wenndas noch nicht allgemeine Einsicht ist: Ich begreife einePolitik für den Frieden als wahre Realpolitik dieserEpoche.“ (Universität Oslo, 11.12.1971)

Frieden lässt sich demnach nur erreichen durch denständigen Einsatz für ein friedliches Miteinander allerfriedliebenden Menschen und Völker. Dieses Werk kannsich daher nicht erschöpfen in der gelegentlichenTeilnahme an Friedensdemonstrationen, sondern bedarfeiner alle Gesellschaftsbereiche umfassendenFriedenserziehung und einer Friedenskultur im Umganguntereinander und mit anderen Menschen, Geschöpfenund unserem Ökosystem. Verantwortung ist somitgefordert. Verantwortliches Handeln und Agieren ingesellschaftlichen Systemen ist Pflicht eines jedendemokratisch handelnden Menschen. FreieSelbstbestimmung bedingt immer auch dieVerantwortung gegenüber anderen.

Daran erinnern uns die mahnenden Worte AlbertSchweitzers, die heute wieder aktuell sind: „Wir lebenin einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrschtdie Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zubeherrschen.“

Ihre Heike KuglerMitglied des Landtags des SaarlandesFraktion DIE LINKE

Page 5: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

5

„Gelten lassen wir nur, was sich mit der Humanität verträgt!“

Dr. Albert Schweitzer .

Page 6: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

6

Albert Schweitzer und seine Weltanschauungund die Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“

Öffentlich warnt Schweitzer im Jahre 1954:„Atomwaffen sind ein tödliches Experiment! Darumkeine Atomwaffen!“

Hier vor der Gedenkstätte in Kaysersberg stellt sich füruns alle die Frage: Wer war dieser Mann? - etwa ein

Visionär? - ein Fantast? - ein Genie? - oderwar er gar ein eifriger Weltverbesserer,dessen Vorstellungen in der Utopieversinken? Nein, er war, was vielen nichtbewusst ist, ein Realist, ein Humanistund ein überzeugter Pazifist, der ausseinem christlichen Glauben heraus sohandeln musste, wie er es tat. Seine ausden Jahren 1919 und später überlieferten

Aufzeichnungen, könnten genau so gut auch heuteniedergeschrieben worden sein. Sie haben in keinerWeise an Bedeutung verloren!

Im Gegenteil! Sie sind – wie das jüngste Beispiel ausJapan zeigt - prägnanter und aktueller denn je.

Es ist äußerst schwer, bei der gebotenen Kürze der Zeitin einem Vortrag die nötige Achtung und den Respektvor dem großen „Oganga“ von Lambarene, demevangelischen Theologen und Pfarrer, demMusikwissenschaftler, dem Kulturphilosophen, demOrgelbauer, dem Pianisten, demFriedensnobelpreisträger und Empfänger desFriedenspreises des Deutschen Buchhandels zumAusdruck zu bringen.Dr. Albert Schweitzer, für mich einer der größten, wennnicht sogar der größte Humanist und Denker des 19.und 20. Jahrhunderts, wurde am 14. Januar 1875 hier inKaysersberg im Elsass geboren und verstarb am

Hartmut König sprichtneben dem GeburtshausAlbert Schweitzers inKaysersberg/Elsass.Links Heike Kugler, MdLDie Linke. März 2011

Page 7: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

7

4. September 1965 in seinem Urwaldspital Lambarene,in Gabun gelegen, einem Land im Westen Afrikas. Einefür ihn typische Aussage lautet: „Das Wissen hatGrenzen, das Denken nicht!“ Für den Anfang meinesVortrages ist kein Zitat besser geeignet als dieses. Sichdarüber klar zu werden, dass sie nicht die Allwissendensind, sich aber mehr aufs Nachdenken zu konzentrieren,täte vielen Politikern gut.

Hans Walter Bähr schreibt in seinerEinleitung des Buches „Albert Schweitzer –Die Ehrfurcht vor dem Leben – Grundtexteaus fünf Jahrzehnten“: „Das GrundprinzipAlbert Schweitzers, seine Forderung„Ehrfurcht vor dem Leben“, gilt allenBereichen, in denen menschliches HandelnLeben begegnet, es fördern oder schädigenkann, vom mitmenschlichen Leben, demVerhalten des einzelnen zur Natur bis zu denzentralen Fragen der Zeit, dem Problem desFriedens, den Entwicklungen derGesellschaft, der Kultur, der Forschung, derUmwelt.“

Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben fußt auf der„unmittelbarsten und umfassendsten Bewusstseins-Tatsache“ die Dr. Albert Schweitzer, wie folgt, in Wortefasst: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Lebendas leben will!“ Diese Aussage - vor 94 Jahren - spiegeltdas gesamte Denken und Handeln dieses großartigenMenschen wider und hat bis in die Gegenwart nichtsvon ihrer Bedeutung und Magie verloren.

Dr. Albert Schweitzer geht in seiner Ethik der Ehrfurchtvor dem Leben davon aus, dass der nachdenklichgewordene Mensch „die Nötigung erleben muss, allenWillen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Lebenentgegenzubringen wie dem eigenen.

Albert Schweitzerauf einem Flugblattder Friedensbewe-gung. Etwa 1956

Page 8: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

8

So erlebt er das andere Leben in dem Seinen.“. Darinnämlich, Leben zu erhalten, Leben zu fördern,entwickelbares Leben auf den höchsten Wert zu bringen,sieht Dr. Albert Schweitzer seine wichtigste Aufgabe,der er sich in seinem eigenen Leben verschrieben hat.Wir haben Dr. Albert Schweitzers Rede „Mein Wort andie Menschheit“ gehört. Seine Mahnung erscheint mirso wichtig, dass sie hier noch einmal wiedergegebenwerden muss: „Ich rufe die Menschheit auf zur Ethikder Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Ethik macht keinenUnterschied zwischen wertvollerem und wenigerwertvollem, höheren und niederen Leben. Sie lehnt einesolche Unterscheidung ab!“

In seinem Buch „Albert Schweitzer - Ethik und Politik“zitiert Ernst Luther diese außergewöhnlichePersönlichkeit des letzten und vorletzten Jahrhunderts:„Nicht aus Gütigkeit gegen andere bin ich sanftmütig,friedfertig, langmütig und freundlich, sondern weil ichin diesem Verhalten die tiefste Selbstbehauptungbewahre. Ehrfurcht vor dem Leben, die ich in meinemDasein entgegenbringe, und Ehrfurcht vor dem Leben,in der ich mich hingebend zu anderm Dasein verhalte,greifen ineinander über.“

Wie kann ein Mensch Dinge voraussagen, die sich erstin kommenden Jahrzehnten ereignen würden? DieWarnungen und Visionen Dr. Albert Schweitzers in seinerschrecklichsten Form konnte man sich zum damaligenZeitpunkt kaum vorstellen. Diesem außergewöhnlichenMenschen ist Naturschutz eine Herzenssache. Schonsehr früh hat er auf drohende Klimaschädenhingewiesen, die auf uns zukommen würden, wenn dertechnische Größenwahn und die krankhafte Sucht nachwissenschaftlicher Übervollkommenheit weiterzunehmen würden. Besorgt wies er auf die Folgen derRaketenabschüsse hin, die - früher oder später - zurVerletzung der Ozonschicht führen würden. Das

Page 9: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

9

Ergebnis haben wir heute. Klimaverschiebungen undErderwärmung sind die Folgen.

Auch zur Ausbeutung der Natur, die sinnlose Abholzungder Regenwälder der finanziellen Vorteile wegen, nahmDr. Albert Schweitzer Stellung. Denn auch diese Themenberührten seine Weltanschauung und Ethik der Ehrfurchtvor dem Leben. Es ist erschreckend, wie seineVoraussagungen uns eingeholt haben!

Schon seit frühester Jugend beschäftigen mich dieBerichte von Dr. Albert Schweitzer, insbesondere seineWarnungen vor Risiken und Gefahren für die Umweltund den Weltfrieden im Allgemeinen, die erausgesprochen und niedergeschrieben hatte. Wie diemeisten Jugendlichen meines Alters hatte ich damalsnoch nicht die notwendige Reife und den Einblick indie Zusammenhänge. Eines aber wurde mir immerstärker klar, nämlich die in mir brennende Frage nachdem „Warum?“.

Mit einem Appell an die verantwortlichenWissenschaftler und Regierungschefs auf vorschnelle,sinnlose Atomversuche zu verzichten, – egal ob zukriegerischer oder zu friedlicher bez. privater Nutzung(z.B. Stromerzeugung) - beginnt Dr. Albert Schweitzeraus Anlass der US-Amerikanischen Wasserstoff-bombentests vom 1. März 1954 auf den Bikini-Inselnsowie die darauf folgenden gleichen Tests derSowjetunion in Sibirien seine ersten öffentlichen Reden.Wörtlich sagt er: „Im Gegensatz zu den bisher üblichenArtilleriegeschossen sei es mit den Atomwaffen‚ einanderes Ding, deren radioaktive Strahlungen wirkennoch lange nach und bedeuten eine nicht zuunterschätzende Gefahr für die Menschheit“. Für Dr.Albert Schweitzer war das Praktizieren derAtomversuche unverantwortlich, und er sah darin einVerbrechen an der Menschheit, der Natur und der

Page 10: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

10

gesamten Umwelt, dass Kräfte erprobt würden, so langederen Folgen nicht absehbar sind. Dass seineVoraussagen einmal Realität werden könnten, erleben

wir heute in erschreckender Weise.Offensichtlich waren die Atombomben-abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki fürdie Menschheit noch nicht Warnunggenug! Noch heute sterben Menschenan den Spätfolgen. Und nur wenigeWochen ist es her, als die größteReaktorkatastrophe seit Menschen-gedenken die ganze Welt erschütterte.Täglich erreichen uns neue Hiobs-botschaften aus Japan. In seinem Wortan die Menschen mahnt Dr. Albert

Schweitzer eindringlich, wie folgt: „Die Not aber, in derwir bis heute leben, ist die Gefährdung des Friedens.Zurzeit haben wir die Wahl zwischen zwei Risiken. Daseine besteht in der Fortsetzung des unsinnigenWettrüstens in Atomwaffen und der damit gegebenenGefahr des Atomkrieges, das andere im Verzicht aufAtomwaffen und in dem Hoffen, dass Amerika, dieSowjetunion und die mit ihnen in Verbindung stehendenVölker es fertigbringen werden, in Verträglichkeit undFrieden nebeneinander zu leben. Das erste Risiko enthältk e i n e Möglichkeit einer gedeihlichen Zukunft. Daszweite tut es. Wir müssen das zweite wagen. DieTheorie, man könnte den Frieden dadurch erhalten, dassman den Gegner durch atomare Aufrüstung abschreckt,kann für die heutige Zeit mit ihrer so gesteigertenKriegsgefahr nicht mehr in Betracht gezogen werden.Das Ziel, auf das von jetzt bis in alle Zukunft der Blickgerichtet bleiben muss, ist, dass Völker entzweiendeFragen nicht mehr durch Kriege entschieden werdenkönnen. Die Entscheidung muss friedlich gefundenwerden“.

Wandparole inSaarbrücken.Etwa 1957

Page 11: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

11

Im Vorwort zur 3. Auflage des Buches von Dr. AlbertSchweitzers: „Friede oder Atomkrieg“ schreibt im Jahre1984 Erhard Eppler, damaliger SPD-Politiker, derzwischen 1968 und 1974 Bundesminister fürwirtschaftliche Zusammenarbeit war: „Was AlbertSchweitzer vor zwei Jahrzehntenzu Atomrüstung, Atomtests undAtomkrieg zu sagen hatte, war ehertrockene Information, nüchterneAufklärung über Sachverhalte,allerdings so präzise, dass demauch heute...“ - also mehr alsfünfzig Jahre später „...wenighinzufügen ist“; Ich füge hinzu:...außer dass Dr. Albert Schweitzermit seiner Vorahnung bezüglich eines drohendenKulturverfalls recht hatte. Der rasante Fortschritt vonWissen und Können, die damit permanent steigendeZunahme der Technisierung, das stets materiellenDenken in den Vordergrund gerückt – (Geldmarkt undKapital) – ist seit dem weiter vorangeschritten als diegeistige Entfaltung des Einzelnen. Bildung wirdzunehmend von Wirtschafts- und Kapitalinteressenbeeinflusst. So wird der moderne Mensch immer mehrzum „Menschending der Kapitallobby“ und der immerhärter werdenden neoliberalen Wirtschaftspolitik.Gelingt es nicht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken,wird es darauf hinauslaufen, dass der Mensch zumreinen Wirtschaftsfaktor degradiert wird. Dieses aberläuft dem ethischen Grundprinzip der Ehrfurcht vor demLeben zuwider.

Eine Kultur, die sich an ihren vier Idealen orientiert, lässtes nicht zu, „entwickelbares Leben“ zu schädigenbeziehungsweise zu behindern, sondern sie ist bestrebt,dieses „auf den höchsten Wert zu bringen“. Insofernmuss sich Bildung heute wieder stärker an denMaßstäben der Ethik orientieren. Die Verschärfung

Ostermarsch in Saarbrücken.Etwa 1963

Page 12: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

12

unserer sozialen und politischen Probleme führe ichdarauf zurück, dass die Haifischmethode „fressen odergefressen werden“ die Schere zwischen arm und reichimmer weiter auseinanderdriften lässt. Die Folge eineseventuellen Kulturniederganges wäre die Aufforderungzum Ausverkauf der Menschenrechte1. Ideal des Menschen2. Ideal der sozialen und politischen Vergesellschaftung3. Ideal der geistig-religiösen Vergesellschaftung4. Ideal der Menschheit.

In der Konsequenz, aus seiner Lebensauffassung undseiner Vorstellung einer Ethik der Ehrfurcht vor demLeben zu handeln und seinen Elendserfahrungenwährend der beiden Weltkriege, nicht zuletzt durch dieVerleihung des Friedensnobelpreises im Jahre 1953,sieht sich Dr. Albert Schweitzer nun auch verpflichtet,sich mit den Fragen zum Thema „Atomkrieg oderWeltfrieden“ zu beschäftigen und Stellung zu nehmen.Eindringlich mahnt er: „Wir haben uns in den beidenletzten Kriegen grausiger Unmenschlichkeit schuldiggemacht und würden es in einem kommenden nochweiter tun. Das darf nicht sein!“

Wir erinnern uns: „Ich bin Leben, das leben will, inmittenvon Leben das leben will!“

Diese Kernaussage, die, wie der allen bekannte roteFaden, seine gesamte Weltanschauung und Ethik derEhrfurcht vor dem Leben durchzieht, erscheint ihm„zwingend nicht nur denk-notwendig, auch lebens-notwendig“. Er, der Pazifist, der sich eigentlich nie zupolitischem Geschehen öffentlich äußern wollte, stelltum das Jahr 1951 die Friedensfrage ins Zentrum seinerGedanken. Sein Kampf für den Weltfrieden wird von nunan auf dem Fundament der absoluten Ethik der Ehrfurchtvor dem Leben stehen.

Page 13: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

13

Heute, am 27. März 2011, also 57 Jahre nach Dr.Schweitzers erstem Appell (1954) an die Regierendenund die Völker der Welt, dem Wahnsinndes Wettrüstens und der atomarenBedrohung allen menschlichen Lebensein Ende zu setzen, stehen wir nach wievor vor der selben Bedrohung. Es sindnicht nur die Atomwaffen, die nocheinsatzbereit sind, sondern dazukommen nun die AKWs zur friedlichenEnergiegewinnung. Würde Dr. AlbertSchweitzer, wenn er noch unter unswäre, die gleiche Warnung wieder aussprechen, oderwürde er sie gar verschärfen? Um meine Frage zukonkretisieren, lese ich einen Brief vor, der am 14. April1954 im Londoner „Daily Harald“ veröffentlicht wurde:

„Die Folgen der Wasserstoffbomben-Explosion bildenein höchst beängstigendes Problem, doch eineWissenschaftlerkonferenz ist meiner Ansicht nach nichtdas geeignete Mittel, mit den Problemen fertig zuwerden. Es gibt heute in der Welt zu viele Konferenzen,und es werden zu viele Beschlüsse gefasst. Erforderlichwäre, dass die Welt auf die Warnrufe der einzelnenWissenschaftler hörte, die dieses furchtbare Problemverstehen. So könnte die Menschheit beeindrucktwerden, Verständnis gewinnen und die Gefahr begreifen,in der sie sich befindet.

Sehen Sie nur, welchen Einfluss Albert Einstein besitzt,weil er seine Befürchtungen offen zum Ausdruck bringt.Die Wissenschaftler, die alle in diesem Zusammenhangstehenden Fragen und Gefahren gründlich kennen,müssen zur Welt sprechen, möglichst viele von ihnen,und sie alle müssen der Menschheit die Wahrheit sagenin Wort und Schrift. Würden sie ihre Stimme erhebenund würde jeder von ihnen den Drang verspüren, diefurchtbare Wahrheit auszusprechen, dann würden sie

Wandparole inSaarbrücken.Etwa 1957

Page 14: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

14

Friedensdemonstrationüber den Völkliger Markt.Etwa 1964

Gehör finden, denn dann würde die Menschheitbegreifen, dass es bitter ernst ist.

Wenn es Ihnen und Alexander Haddow (ein Professor,der eine Wissenschaftlerkonferenz der VereintenNationen über die Wasserstoffbombe gefordert hat)

gelingt, die Wissenschaftler davon zuüberzeugen, dass sie der Menschheitdie sie selbst quälenden Gedankenvortragen müssen, dann bestehtHoffnung, dass diese entsetzlichenExplosionen aufgegeben und dieMachthaber unter Druck gesetztwerden. Aber die Wissenschaftlermüssen das Wort ergreifen. Nur siebesitzen die Autorität zu erklären, dass

wir nicht länger die Verantwortung für diese Experimentetragen können; nur sie können es sagen. Da haben Siemeine Meinung. Ich sage es ihnen mit Besorgnis imHerzen, einer Besorgnis, die mich keinen Tag verlassenwill. In der Hoffnung, dass diejenigen, die uns beratenmüssen, sich Gehör schaffen werden begrüße ich Sie.Albert Schweitzer“.

Für Dr. Albert Schweitzer war seine Weltanschauungund die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben dasGrundprinzip des Sittlichen. Er sagt: „Wo dasBewusstsein schwindet, dass jeder Mensch uns alsMensch etwas angeht, kommen Kultur und Ethik insWanken“. Wer sich ernsthaft mit dem ThemaMenschenrechte beschäftigt, wird schnell bemerken,dass er dabei immer wieder mit der WeltanschauungDr. Albert Schweitzers und seiner Ethik der Ehrfurchtvor dem Leben konfrontiert wird.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ichvermute, dass Dr. Albert Schweitzer seine Aufforderungzum Weltfrieden heute genau so vorbringen würde. Wie

Page 15: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

15

damals, gilt auch heute die von ihm ausgesprocheneTatsache: „In einem Atomkrieg gibt es keine Sieger, nurBesiegte“. „Das Ziel...“, sagt er, „auf das von jetzt bis inalle Zukunft der Blick gerichtet sein muss, ist, dassvölkerentzweiende Fragen nicht mehr durch Kriegeentschieden werden können. Die Entscheidung mussfriedlich gefunden werden!“Mir ist eines sicher: Der Vietnam-Krieg mit seinenunzähligen Napalm-Opfern, der sinnlos unter falschenVoraussetzungen provozierte Krieg gegen den Irak, derKrieg gegen Jugoslawien, der unzählige Todesopferreligiöser Minderheiten forderte, der gegenwärtig inAfghanistan tobende Krieg, in den sogar unsere Soldatenverwickelt sind, hätten auf keinen Fall die ZustimmungDr. Albert Schweitzers gefunden. Die Ethik der Ehrfurchtvor dem Leben, die Tatsache, dass alles Leben‚ Lebenist, das leben will‘, kann gar nicht anders, als jeglicheArt der Kriegsführung auf das Schärfste zu verurteilen.Zahlreiche, über Jahre verfasste Briefe und nochvorhandene Manuskripte zeigen uns in aufrüttelnderWeise, wie gerade die Atomfrage das Denken undFühlen Dr. Albert Schweitzers erfüllte und wie sehr erunter den friedensgefährdenden Entwicklungen litt, dieer in der Mitte der 50er Jahre voraussagte. Deshalbfühlte er sich besonders eng der Ende Februar 1958 insLeben gerufenen „Kampf-dem-Atomtod-Bewegung“ inder Bundesrepublik Deutschland verbunden. DieKernaussage dieser Bewegung heißt: „Wir werden nichtRuhe geben, solange der Atomtod unser Volk bedroht“.Dem Mainzer Atomphysiker Karl Bechert schrieb er nachBekanntwerden der Pariser NATO-Beschlüsse: „SetztEuch mit Geschrei zur Wehr, lasst alle Hunde los! DieSache ist sehr ernst. Also in nichts nachgeben, es istwas, wo das Volk auf die Straßen gerufen werdenmuss.“

Als ich mir diesen Vortrag über Dr. Albert SchweitzersLeben und Wirken zurecht legte, war es mein

Page 16: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

16

Hauptansinnen, Euch sein Handeln, sein Denken und seinWirken aus der Ethik der Ehrfurcht vor dem Lebennahezubringen. Jedoch hat uns am Freitag, dem 11.März eine grausame Katastrophe wachgerüttelt. Japanim Ausnahmezustand! Ein Erdbeben der Stärke 8,9 aufder Richterskala (spätere Nachrichten nennen höhereWerte) löste einen Tsunami aus, der große Teile desLandes überrollte. Die Katastrophe nimmt ihrenentsetzlichen Lauf! Weltweit reagiert man mit Angst undSchrecken. Ein Zurück zur Tagesordnung ist einfachunmöglich! Täglich erreichen uns aus Japan neueInformationen über Explosionen und Menschenopfer,sodass es mir nicht möglich war, an der Vorbereitungdieses Vortrages in der von mir beabsichtigten Weiseweiterzuarbeiten. Die Gestaltung eines evangelischenFernsehgottesdienstes für den darauf folgendenSonntag wurde auf Grund der Ereignisse geändert. DasPresbyterium hielt es für angebracht, auf Grund dieserKatastrophe den Gottesdienstablauf angemessen zuändern. Sehr eindrucksvoll und zutreffend bezeichneteNikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche imRheinland und Ratsvorsitzender der EKD in seinerPredigt dieses Ereignis als „die Realität gewordeneApokalypse“, deren Folgen wir zum gegenwärtigenZeitpunkt noch nicht absehen könnten. Er sollte rechtbehalten, wie es die Nachrichten der kommenden bis inunsere Tage hinein deutlich machen!

Der einstige „Einzelgänger“ und „Einzelkämpfer“ suchteMitstreiter und Gesinnungsgefährten. Er nahmVerbindungen auf zu Persönlichkeiten, wie JawaharlalNehru, John F. Kennedy, Bertrand Russel, DagHamarskjöld, Albert Einstein, Erich Fromm, MartinNiemöller und Martin Buber und rief somit eine Art„Internationale des Geistes und der Moral“ ins Leben.Max Born, Mathematiker und Physiker, schrieb an Dr.Albert Schweitzer: „Sie sind ein Mann, der für dasWeltgewissen spricht“, Winston Churchill bezeichnete

Page 17: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

17

ihn als das „Genie der Menschlichkeit“, Pater O’Briennannte ihn sogar „die bedeutendste Seele derChristenheit“. Ein einfacher, uns unbekannter Menschin Afrika sagte über Dr. Albert Schweitzer folgendes:„Man verehrt ihn so, weil er als einziger so handelt ,wie wir alle handeln sollten“.

Trotz aller Mahnungen gingen die Atomversuche weiter.Dr. Albert Schweitzer ließ sich nicht beirren undresignierte nicht. Um die Einstellung der Atomversuchezu erreichen, unterzeichnete er gemeinsam mit demNobelkomitee und den noch lebenden Trägern desNobelpreises eine Aufforderung an die Großmächte, mitder dringenden Bitte, den Beginn der Abrüstungs-gespräche zu fordern. Im Jahr 1958 begannenVerhandlungen zwischen den drei größtenAtommächten, um einen Teststopp zu erreichen.Während dieser Verhandlungen herrschte in denVersuchsgebieten eine Testpause. Da aber keinebefriedigenden Ergebnisse erzielt werden konnten, hatFrankreich die Versuche am 13. Februar 1960 wiederaufgenommen. Die UdSSR folgte im August 1961 mitihren Versuchen in der Atmosphäre. Ebenso begannendie USA im September 1961 mit unterirdischenVersuchen.

Dr. Albert Schweitzer, von seiner Gesinnung her immerein Mann des Friedens, hatte sich leider erst im hohenAlter öffentlich zum Weltgeschehen geäußert. SeineBewunderung galt Mahatma Gandhi, gewaltloserWiderständler, der 1949 durch ein Attentat ums Lebenkam. Einen großen Mitstreiter fand er in Martin Luther-King (I have a dream – diese Worte höre ich noch heute),so dass man mit Fug und Recht behaupten kann: Diesedrei außergewöhnlichen Persönlichkeiten habenweltweit die Friedensbewegung ins Rollen gebracht.Dr. Albert Schweitzers Ausspruch: „Ich glaube an dieZukunft dieser Zeit, aber wir müssen sie machen!“ sollte

Page 18: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

18

uns Vermächtnis und Ansporn sein, in seinem Sinne einLeben in Frieden für uns und unsere Nachwelt zugestalten. Stattdessen haben Politiker in Berlin nichts

Besseres zu tun, als sich mit gegenseitigenSchuldzuweisungen und Versäumnisvor-würfen öffentlich in Rundfunk und Fernsehenlächerlich zu machen. Ich muss nur an dieÄußerungen des WirtschaftsministersBrüderle vom vergangenen Donnerstagerinnern! Ich habe den Eindruck, dass esvielen Politikern aus den Regierungs-fraktionen zurzeit nur um Stimmenfang für diebevorstehenden Landtagswahlen geht. Meinpersönliches Vertrauen in die Politik derRegierungskoalition ist auf das Tiefsteerschüttert. Was schon immer gefehlt hat, ist

die Ehrlichkeit gegenüber dem Volk. Das Volk wird mitseiner Angst alleine gelassen! Atomstrahlen sind jaschließlich unsichtbar.

Es ist abscheulich und menschenverachtend, dietäglichen Nachrichten von Japan auf der einen Seitehören oder lesen zu müssen, währendKraftwerksbetreiber in Deutschland aus Raffgier - einZeitungsartikel vom Samstag, den 19. März berichtet,dass das AKW Biblis einen täglichen Reingewinn vonEiner Mio Euro erwirtschaftet - wegen geplanterStilllegungen gerichtliche Konsequenzen anzudrohen inAussicht stellen. Hatte Dr. Albert Schweitzer nichtgesagt, dass Ehrfurcht vor dem Leben gerade auch vondenen zu fordern sei, die über die Geschicke ganzerVölker oder sogar des gesamten Lebens unserer Erdezu befinden haben? Deswegen ist es unverständlich,dass einige Nationen behaupten, das Betreiben derAKWs unterliege der Souveränität der jeweiligen Länder.

Und Dr. Albert Schweitzer heute? Wie würde er im Jahr2011 seine Welt betrachten, und was würde er uns heute

Die Forderungen nachÄchtung der Atombombedurch Albert Schweitzerwird von der Friedensbe-wegung aufgegriffen.Ostermarsch durchSulzbach etwa 1962

Page 19: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

19

sagen? Eines erscheint mir sicher: Da ich das unendlicheGlück hatte, ihn persönlich zu kennen und ihn in seinenWirkungsbereichen hautnah zu erleben, kann ich mitSicherheit sagen, dass er in seinen Handlungen undLebenseinstellungen nie seiner Ethik der Ehrfurcht vordem Leben untreu geworden wäre. Das heißt für mich,dass er auch heute noch ein erbitterter Gegner derAtomlobby wäre, die er mit aller Kraft bekämpfen würde.Ebenso würde er seine Stimme erheben gegen denMissbrauch von Natur und Umwelt. So wie ich ihnkennen gelernt habe wäre er heute ein Sympathisantund Förderer der internationalen Aktion Greenpeace.

Liebe Zuhörer, 57 Jahre nach der Veröffentlichung seinesBriefes im Londoner Daily Haraldsage ich Euch im Sinne von Dr.Albert Schweitzer: Ein weltweiterAufschrei ist längst überfällig! Erwürde uns, wäre er heute unter denLebenden, Recht geben und unsdarin ermutigen. Wir müssen Farbebekennen! Alle Parteien sollendringend dafür Sorge tragen, dassnur sach- und fachkundig geschulteLeute an die Spitze eines Umweltministeriums (nationalals auch international) gewählt werden können.

Bei solch lebenswichtigen Fragen muss auch das Volkin die Entscheidung mit einbezogen werden. Jetzt liegtes an uns, zu handeln. Wir können die Welt nichtverändern, aber wir können hier und jetzt, im Sinne derEthik der Ehrfurcht vor dem Leben, agieren undreagieren. Das heißt für uns im DreiländereckSaarLorLux: Wir, das Volk, müssen Flagge zeigen unddürfen die Entscheidung nicht der Politik alleineüberlassen! „Nein“ muss das Gebot der Stunde lauten.

Kurz nach derWiedervereinigung mitWestdeutschlandwollten viele Saarländernicht verstehen, warumRüstung so teuer ist.Demo vor der Hauptpostin Saarbrücken 1959.

Page 20: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

20

„Vier mal Nein“ heißt vor allem das Gebot der Zukunft:

• Nein zum Gebrauch von Atomwaffen!

• Nein zur friedlichen Nutzung der Atomenergie! Die

Erforschung erneuerbarer Energie muss den

absoluten Vorrang bekommen!

• Nein zu Auslandseinsätzen unserer Soldaten und

Soldatinnen! Es ist ein Irrtum zu glauben, Terror könne

mit Krieg bekämpft werden.

• Generelles Nein zum Krieg als politisches Mittel!

Albert Schweitzer sagt auch hierzu: „Alle gewöhnlicheGewalt in dieser Welt schafft sich selber eine Grenze,denn sie erzeugt eine Gegengewalt, die ihr früher oderspäter ebenbürtig oder überlegen sein wird!“

Wir sind aufgefordert, um mit seinen Worten zusprechen, uns ‚mit Geschrei zur Wehr zu setzen‘. Wirdürfen nicht nachgeben. Das Volk muss auf der Straßemit friedlichen Mitteln seinem Willen Nachdruckverleihen. Der uns heute als Utopie erscheinendeWeltfrieden kann bei gutem Willen der MenschheitRealität werden, wenn wir, wie Dr. Albert Schweitzer,dem absoluten Grundprinzip, der Ethik der Ehrfurcht vordem Leben folgen. Lassen wir uns von Dr. AlbertSchweitzer sagen: „Gelten lassen wir nur, was sich mitder Humanität verträgt!“

Im Angesicht der schlimmsten Atomkatastrophen vonHiroshima und Nagasaki (Angriff durch die USA am 16.7. 1945), von Tschernobyl (am 26. 4. 1986) und jüngst(am 11. 3. 2011) – das zum zweiten Mal in Japan – vonFukushima, wird dieses Denkmal für mich zumMahnmal! Auf einer weiteren Tafel könnte als Mahnungstehen: „Habt endlich Ehrfurcht vor dem Leben, dennIhr seid alle, wie ich es einst war ‚ein Leben, das lebenwill, inmitten von Leben, das leben will‘!“

Hartmut König

Page 21: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

21

Page 22: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

22

„Das Wissen hat Grenzen, das Denken nicht“

Dieses Zitat stammt von dem großartigen Philosophen,Theologen, Arzt und Musiker Dr. Albert Schweitzer, der sichals „Oganga von Lambarene“ weltweit einen großen Namengemacht hat. Die jüngste Atomkatastrophe in Fukushima(Japan) im März diesen Jahres wurde Anlass dafür, dassich neben dem Geburtshaus von Dr. Albert Schweitzer inKaysersberg (Elsass) einen Vortrag halten durfte, der unterdem folgenden Thema stand: „Albert Schweitzer, seineWeltanschauung und Ethik der ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘“Im Zentrum des Vor t rages s tand se ine Warnung:„Atomwaffen sind ein tödliches Experiment! Darum keineAtomwaffen!

Von je her faszinierten mich Berichte von und über Dr. AlbertSchweitzer, den „Oganga von Lambarene“. Ein erstes

persönliches Zusammentreffen mit ihm hatte ich im Jahr1953 im Alter von neun Jahren als Schüler in Königsfeldim Schwarzwald. Dort erlebte ich ihn zum ersten Mal,nicht nur an seinem Lieblingsinstrument der Orgel,sondern auch in persönlichen Gesprächen. Späterwaren mir noch viele weitere Zusammenkünfte mit Dr.A lber t Schwei tzer vergönnt . Das Buch A lber tSchweitzers „Aus meinem Leben und Denken“ machtemir vieles deutl ich. Es wurde so zu sagen meinpersönlicher Berufsberater in Papierform und derAuslöser dafür, den väterlicherseits erzwungenen Beruf

des Versicherungskaufmanns aufzugeben, um eineAusbildung zum Diakon zu beginnen. Nach bestandenemExamen folgten Einsätze in verschiedenen Erdteilen, diemich unter anderem nach Lambarene führten, wo ich mitDr. Albert Schweitzer einige Zeit verbringen durfte. Weiterewaren in Tansania, Suriname und den Vereinigten Staaten.Bleibende Erinnerungen habe ich zum Beispiel an dieSterbebeg le i te r in E l i sabeth Küb ler -Ross und denTiefenpsychologen Arthur Janov.

Wieder zurück in Deutschland erwarteten mich neueHerausforderungen. Sie begannen mit der Gründung des„Arbeitskreis Suchtkrankenhilfe“ und der Nachsorge-Einrichtung „Wohngemeinschaft Bergstraße e.V.“ inBensheim (Bergstraße), die heute mehrere Häuser unterhält.

Hartmut König mit seinerFrau Anneliese inKaysersberg, März 2011

Page 23: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

23

Daraus resultierend beschlossen meine Frau in zweiter Eheund ich, eine neue Aufgabe im sozialen Bereich zuübernehmen, in dem wir den vorhandenen Gartenbaubetriebals Ausbildungsstätte für Lernbehinderte und schwervermittelbare Jugendliche in Zusammenarbeit mit einerTrägerschaft zur Verfügung stellten. Dafür, dass unsereArbeit nicht erfolglos war, spricht die Tatsache, dass wirheute noch Kontakt zu ehemaligen Auszubildenden haben,die uns regelmäßig besuchen.

Mehrere Erkrankungen meinerseits zwangen uns leiderdazu, d iese aus unserer S icht so wicht ige Arbei taufzugeben. Um neue Kräfte zu sammeln, fuhr ich zuFreunden nach Rumänien. Dort konnte ich zunächst etwasRuhe finden und habe die Gelegenheit genutzt, die Sprachezu erlernen. Nach dem sich mein Gesundheitszustandstabilisierte, habe ich mit Hilfe des Deutschen Forums imKreis Temeswar eine Sozialstation gegründet, die nochheute aktiv ist.

Derzeit blieb meine Frau nicht untätig und verlegte unserenWohnsitz für uns beide nach Saarbrücken, wo wir heutenoch wohnen und uns wohlfühlen. Für mich bedeutetWohlfühlen aber auch Aktivität sowohl auf praktischer alsauch auf geistiger Ebene. Auf dem Wege des Fernstudiumshabe ich im Alter von 60 Jahren eine zweijährige Ausbildungzum Sozialtherapeuten begonnen und diese mit demExamen im Jahr 2006 in Weil am Rhein beendet.

Albert Schweitzers Aussage: „Das Wissen hat Grenzen,das Denken nicht“ hat mich während meines letztenFernstudiums noch intensiver beschäftigt. Das an sichschon begrenzte Wissen droht dann zu verkümmern, wennes nicht durch ständiges Nachdenken erhalten und weiterentwickel t wird. In se iner Phi losophie und se inerWeltanschauung von der Ehrfurcht vor dem Lebenbeschreibt Albert Schweitzer das Denken als „eineelementare Funktion unseres lebendigen Seins. [...] Inunserem Willen zum Leben sind die Elemente einerLebensanschauung (gemeint s ind Wel t - undLebensbejahung bez. Welt- und Lebensverneinung)enthalten“.

Hartmut König

Page 24: Schrift Albert Schweitzer - rosalux.de

24

Albert Schweitzer, 1875 im elsässischen Kaysersberg geboren, wuchs Schweitzerim etwa 20 Kilometer entfernten Günsbach auf, wo sein Vater als Pfarrer wirkte.Nach der Schule studierte er Theologie und Philosophie an der Universität Straßburg.Er forschte zu Leben und Lehre von Jesus und Paulus und wurde Universitätsprofessorfür Theologie. Intensiv widmete er sich der Orgelmusik, vor allem dem Werk JohannSebastian Bachs, ebenso dem Orgelbau. Das Orgelspiel hatte er bereits als Kinderlernt und gab neben seinem Studium viele Konzerte. Auch schrieb er nebenbeiBücher über die Musik Bachs.Trotz seiner Erfolge gab er seine Universitätslaufbahn auf und studierte Medizin,um als Missionsarzt nach Afrika gehen zu können. 1913 siedelte er mit seiner FrauHe lene nach Af r i ka über und baute in Lambarene im heut igen Gabun e inUrwaldhospital auf, das bis heute besteht. Neben seiner schweren ärzt l ichenTätigkeit im Urwald war er unermüdlich für den Ausbau des Krankenhauses imEinsatz. Dazu arbeitete er eine „Kulturphilosophie“ aus und begründete die berühmtgewordene „Ethik der Ehrfurcht vor allem Leben“. Durch Konzert- und Vortragsreisensammelte er in vielen Ländern Geld und Medikamente für sein Spital.Außerdem kämpfte er für atomare Abrüstung und Frieden in der Welt. Für seinevielfältige humanitäre Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, so auch 1954den Friedensnobelpreis. Bis in sein 90. Lebensjahr war Schweitzer im helfendenDienst an Mensch und Kreatur aufopferungsvoll tätig. Er starb 1965 in Lambarene,wo er auch beerdigt wurde.