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Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Schuldistanz Eine Handreichung für Schule und Jugendhilfe Bildung und Jugend in Kooperation mit der Landeskommission Berlin gegen Gewalt

Schuldistanz - bildungsserver.berlin-brandenburg.de · Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Hinweise zur Handreichung 5 Begriffsbestimmung 7 Erscheinungsformen von Schuldistanz 7 Die Berliner

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Senatsverwaltung fürBildung, Jugend und Sport

Schuldistanz

Eine Handreichung fürSchule und Jugendhilfe

Bildung und Jugend

in Kooperation mit der

LandeskommissionBerlin gegen Gewalt

Impressum

HerausgeberVorsitzender der Landeskommission Berlin gegen Gewalt,Staatssekretär Thomas HärtelBeuthstr. 6 - 8, 10117 Berlin

www.senbjs.berlin.dewww.berlin-gegen-gewalt.de

Die Handreichung wurde von der durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt eingesetzten Arbeitsgruppe„Schuldistanz“ erarbeitet. Mitglieder der Arbeitsgruppe waren:

Sabine Geschwandtner, Heike Kaack, Monika Wessel, Dr. Peter Hübner, Horst Seidel,Klaus-Dieter Stephan(Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Sport - Bereich Schule)

Sigrid Karrasch, Ute Schönherr, Petra Vogelgesang, Günter Lütke(Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Sport - Bereich Jugend)

Elfriede Blenk(Schulpsychologischer Dienst)

Siegfried Arnz, Guido Landreh(Schulleiter)

Simone Kleeberg(Senatsverwaltung für Inneres)

Christine Burck(Berliner Polizei)

Günter Lewanzik(Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration)

Isa Trippner(Jugendamt Friedrichshain - Kreuzberg)

Margot WichniarzStephan Voß(Geschäftsstelle der Landeskommission Berlin gegen Gewalt)

Redaktion und BearbeitungMargot Wichniarz, Stephan Voß

Die Redaktion behält sich vor, Beiträge von Fremdautor/innen zu kürzen und redaktionell zu überarbeiten.Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder der Herausgeberwieder. Nachdrucke sind nur mit Quellenangabe gestattet und bedürfen der Zustimmung der Herausgeber undder Autor/innen.

GestaltungITpro

1. Auflage, 5.300August 2003

V. i. S. d. P.Stephan Voß

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 3

Hinweise zur Handreichung 5

Begriffsbestimmung 7

Erscheinungsformen von Schuldistanz 7

Die Berliner Datenerfassung zur Schuldistanz - Ergebnisse 8

Ursachen von Schuldistanz 13

Prävention 15

Die Bedingungen für das Leben und Lernen in der Schule verändern 16

Inhaltliche und organisatorische Gestaltung des Unterrichts 16Besondere Förderung leistungsschwacher Schüler/innen 17Partizipation an der Gestaltung des Schullebens 17Verbesserung des Miteinanders durch mehr soziales Lernen 18

Mögliches Vorgehen im individuellen Fall 21

Zusammenarbeit mit den Eltern 22Die schulpsychologischen Beratungszentren als Partner bei der Prävention 23Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe 23

Intervention 25

Mögliches Vorgehen im individuellen Fall 25

Zusammenarbeit mit den Eltern 26Die schulpsychologischen Beratungszentren als Partner bei der Intervention 27Kooperation mit der Jugendhilfe 27

Anhang 30

Schulen stellen sich vor 30

Vorbemerkung 30

Grundschulen 30Werbellinsee-Grundschule, Schönberg 30Grundschule am Blumenviertel, Pankow 32Franz-Schubert-Grundschule, Neukölln 34

Gesamtschulen 36Erasmus-von-Rotterdam-Oberschule, Hellersdorf 36Carl-von-Ossietzky-Oberschule, Kreuzberg 38

Hauptschulen 40Werner-Stephan-Oberschule, Tempelhof 40Heinz-Brandt-Oberschule, Pankow 42Stadt-als-Schule, Kreuzberg 44Jean-Piaget-Oberschule, Hellersdorf 45Johannes-Lindhorst-Oberschule, Reinickendorf 47

Sonderschulpädagogisches Förderzentrum - Förderschwerpunkte Lernen und Autismus 48Schule am Friedrichshain, Friedrichshain 48

Beispiele für gelungene Kooperation zwischenSchule und Jugendhilfe 50Das Projekt „Übergang“ 50Der „Arbeitskreis Schule - Jugendhilfe“ in Friedrichshain-Kreuzbergund die Clearing- und Beratungsstelle: Schuldistanz 51Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe in Hellersdorf 54

Kooperation zwischen Schule und Polizei 56

Durchsetzung der Schulpflicht - §§ 16 f. desBerliner Schulgesetzes 58

Wichtige Paragraphen aus dem Kinder- undJugendhilfegesetz 60

Leistungsbeschreibungen der BerlinerKostensatzrahmenvereinbarung für denJugendhilfebereich (Auszüge) 66

Musterkooperationsvereinbarung für Projektemit schuldistanzierten jungen Menschen 68

Angebote für schuldistanzierte junge Menschen 72Einrichtungen der Jugendhilfe für schuldistanzierte junge Menschen 72Schulen mit Projekten für schuldistanzierte junge Menschen 73Weitere nützliche Adressen 74

Literaturliste (Auswahl) 74

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Vorwort

Vor dem Hintergrund einer bundesweit geführ-ten Diskussion zum Thema „Schulschwänzen“ hatsich die Landeskommission Berlin gegen Gewaltim Herbst 2001 intensiv mit dem Problem vonSchulversäumnissen auseinandergesetzt. Wir wol-len verhindern, dass junge Menschen auf Grundvon Schulversäumnissen keinen Schulabschlusserreichen und ihre Zukunftschancen gefährden.Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe hat des-halb Ursachen des unentschuldigten Fernbleibensvon der Schule analysiert und Maßnahmen zumUmgang mit Schuldistanz entwickelt.

Berlin hat als erstes Bundesland eine umfassendeErhebung über das tatsächliche Ausmaß von Schul-versäumnissen durchgeführt. Im 2. Schulhalb-jahr 2001/2002 versäumten ca. 4000 Schüler/in-nen (1,3 %) in Berlin über 40 % des Unterrichts.Darüber hinaus fehlten 10.751 Schüler/innenzwischen 21 und 40 Tagen.

Sie werden - dies lässt sich zumindest vermuten -mehr oder weniger große Schwierigkeiten ha-ben, die vorgegebenen Bildungsziele zu erreichen.Hauptsächlich betroffen sind die Haupt- und Son-derschulen. Hier finden wir mit 11 % bzw. 9,5 %die meisten Jugendlichen, die mehr als 21 bisund bis zu 40 Tage fehlten und mit 7,5 % bzw.4,6 % die meisten, die mehr als 40 von 100 Ta-gen nicht in der Schule erschienen. Die Tatsache,dass ca. 30 % aller Hauptschüler/innen die Schu-le ohne Abschluss verlassen, ist mit hoher Wahr-scheinlichkeit auf das festgestellte Ausmaß vonSchuldistanz zurückzuführen.

Die Ursachen dafür, dass sich so viele Kinder undJugendliche von der Schule distanzieren, sind viel-fältig.Hierzu gehören das Elternhaus, das soziale Um-feld, die Clique, personenbezogene Faktoren undgesellschaftliche Entwicklungen. Auch die Gestal-tung und Organisation des Schullebens spielt dabeieine Rolle.

Gemeinsam müssen alle Beteiligten daran arbei-ten, die Zahl der Schulverweigerer zu verringern.Zuerst stehen die Eltern in der Pflicht. Sie müssendie notwendigen Voraussetzungen für den regel-mäßigen Schulbesuch ihrer Kinder schaffen undsie bei Schulproblemen nach besten Kräften zuunterstützen. Wo dies nicht gelingt, müssen Ju-gendhilfe und die Schule weiterhelfen. Das betrifftdie Wiedereingliederung schuldistanzierter Kinderund Jugendlicher ebenso wie das Bemühen, Schul-distanz schon im Ansatz zu verhindern.

Ich wende mich mit dieser Handreichung an Sie,an die Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnenund Sozialpädagogen, Sozialarbeiterinnen undSozialarbeiter, Erzieherinnen und Erzieher. Sie wis-sen aufgrund Ihrer täglichen Arbeit besondersgut, wie geeignete Lernbedingungen und Lern-voraussetzungen für junge Menschen geschaffenwerden können. Wir möchten Sie darin unter-stützen, schuldistanzierten Kindern und Jugend-lichen neue Freude am Schulbesuch zu vermit-teln und den Eltern deutlich zu machen, dass esum nicht weniger als die Zukunftschancen ihrerKinder geht. Wichtig ist es, genau hinzusehenund rechtzeitig zu handeln. Führt dies nicht zumgewünschten Erfolg, muss Eltern und Schülerndie Konsequenzen ihres Verhaltens deutlich vorAugen geführt werden.Grenzen zu setzen, bietet in solchen Fällen Orien-tierung, schafft Klarheit für alle Beteiligten undgehört - auch zur Durchsetzung der Schulpflicht -zum richtigen Umgang mit Schuldistanz.

Ich weiß um die vielen täglichen Belastungen,die der pädagogische Beruf gerade auch im Um-gang mit schwierigen Jugendlichen mit sich bringt.Gemeinsam sollten wir die Schule so gestalten,dass sie zu einem Lern- und Lebensort wird, denjunge Menschen für sich gewinnen. Dies erfor-dert ein hohes Engagement aller Beteiligten so-wie unterstützende administrative und bildungs-politische Rahmenbedingungen.

4

Dazu gehört, dass an Hauptschulen curricular undorganisatorisch vorrangig praxisbezogene undberufsorientierte Maßnahmen für Schüler/innenentwickelt werden, wie dies im Entwurf für einneues Schulgesetz vorgesehen ist. Sie alle möch-te ich ermutigen, die Kooperation von Schuleund Jugendhilfe weiter zu verbessern. WirksameStrategien zur Verringerung von Schuldistanz kön-nen nur gemeinsam entwickelt und umgesetztwerden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich wei-terhin so viele junge Menschen von der Schuleabwenden.

Wenn es gelingt, Schuldistanz im Rahmen geeig-neter Präventions- und Interventionsstrategien aufein Minimum zu reduzieren, profitieren davon alleBeteiligten. Dies wäre ein wesentlicher Beitrag zurQualitätsentwicklung von Schule und Jugendhilfe.

Klaus BögerSenator für Bildung, Jugend und Sport

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Hinweise zur Handreichung

Eine Handreichung zum Thema Schuldistanz vonmehr als 70 Seiten liegt vor Ihnen und Sie wer-den sich vielleicht fragen, ob wir uns nicht auchhätten kürzer fassen können. Wir sind jedoch zuder Überzeugung gelangt, dass wir diesem kom-plexen Thema nur gerecht werden, wenn wireinerseits dessen unterschiedliche und vielschich-tige Aspekte darstellen und andererseits praxis-relevante Hinweise geben, die Ihnen bei der Ent-wicklung von Präventions- und Interventions-strategien im Zusammenhang mit Schuldistanzhelfen können.Damit Sie dennoch die Möglichkeit haben, sich,wenn nötig, schnell zu informieren, möchten wirIhnen an dieser Stelle einen kurzen Überblick überden Inhalt der Handreichung geben:

Im ersten Teil beschreiben wir zunächst einmaldas Phänomen. Wir erläutern, warum wir uns fürdie Bezeichnung „Schuldistanz“ entschiedenhaben (vgl. Seite 7), in welchen Formen Schul-distanz erscheint (vgl. Seite 7) und auf welcheUrsachen sie möglicherweise zurückzuführen ist(vgl. Seite 13). Außerdem informieren wir Sie überdie Ergebnisse der Datenerhebung zur Schuldistanz(vgl. Seite 8). Dieser Teil der Handreichung bie-tet damit allen Beteiligten die Möglichkeit, eingemeinsames Problemverständnis als Voraus-setzung wirksamen Handelns zu entwickeln. Dieshalten wir insbesondere deshalb für dringendnotwendig, weil die Entwicklung geeigneter Prä-ventions- und Interventionsstrategien nicht indi-viduell, sondern nur in einem gemeinsamen Pro-zess innerhalb der Schule und zum Teil in Koope-ration mit anderen Verantwortungsträgern mög-lich ist.

Der Hauptteil der Broschüre umfasst zwei Berei-che, nämlich den der Prävention (vgl. Seite 15 ff.)von Schuldistanz und den der Intervention beiSchuldistanz (vgl. Seite 25 ff.).

Im Zusammenhang mit der Prävention geht esum die Frage: Was können wir tun, damit Schul-distanz erst gar nicht entsteht? Im Hinblick aufdie Entwicklung von Präventionskonzepten zumUmgang mit Schuldistanz geben wir Hinweise,wie das Thema Prävention von Schuldistanz vonSchulen aufgegriffen werden kann. Wir beschrei-ben Möglichkeiten der Veränderung der Lern-bedingungen an Schulen (vgl. Seite 16), gebenHinweise für das Vorgehen im Einzelfall (vgl.

Seite 21), für Elterngespräche (vgl. Seite 22) undfür die Kooperation mit den schulpsychologischenBeratungszentren (vgl. Seite 27) und der Jugend-hilfe (vgl. Seite 27).

Im Zusammenhang mit der Intervention geht esum die Frage: Was können wir tun, wenn Schü-ler/innen gelegentlich, häufiger, oder aber regel-mäßig vom Unterricht fernbleiben? Die in derHandreichung gegebenen Hinweise zur Entwick-lung eines Interventionskonzeptes, welches aufeiner Bestandsaufnahme von Schuldistanz in derSchule fußen sollte, umfassen allgemeine Grund-sätze bei der Intervention (vgl. Seite 25) ebensowie mögliche Interventionsschritte im Einzelfall(vgl. Seite 25).Besondere Berücksichtigung findet in diesem Zu-sammenhang wiederum die Zusammenarbeit mitden Eltern (vgl. Seite 26), die als Erziehungsbe-rechtigte eine besondere Verantwortung tragen,sowie mit den schulpsychologischen Beratungs-zentren und der Jugendhilfe (vgl. Seite 27 ff.).

Im Anhang (vgl. Seite 30 ff.) der Handreichunghaben wir für Sie eine Reihe von Informationenzusammengestellt, die aus unserer Sicht bei derEntwicklung von Präventions- und Interventions-konzepten im Zusammenhang mit Schuldistanznützlich sind:Wir stellen Ihnen exemplarisch einige Schulen vor,die mittlerweile zu einem positiv besetzten Lern-und Lebensort geworden sind und deren Praxisauch im Hinblick auf die Reduzierung von Schul-distanz beispielgebend sein kann (vgl. S. 30 ff.).Wir haben bei der Auswahl der Schulen daraufgeachtet, verschiedene Schulformen zu berück-sichtigen und weitgehend darauf verzichtet, Schu-len vorzustellen, denen es möglich war oder ist,im Rahmen von Modellversuchen mit besonde-ren Formen der Organisation und Gestaltung desUnterrichtes zu experimentieren. Denn die Praxisdieser Schulen ist nicht ohne Weiteres auf dieRegelschule zu übertragen.

Auf Grund der besonderen Bedeutung der Koope-ration von Schule und Jugendhilfe im Fall vonSchuldistanz haben wir die wichtigsten Vorschrif-ten des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz- KJHG) (vgl. Seite 60 ff.) und bzgl. der Schul-pflicht des Berliner Schulgesetzes (vgl. Seite 58 f.)in die Handreichung aufgenommen. RelevanteAuszüge aus den Leistungsbeschreibungen derBerliner Kostensatzrahmenvereinbarung für denJugendhilfebereich informieren Sie noch detail-lierter über mögliche Leistungen der Jugendhilfe

6

(vgl. Seite 66 ff.). Um die Kooperation von Schu-le und Jugendhilfe im Bereich von Projekten fürschuldistanzierte Kinder und Jugendliche verbind-lich zu regeln, ist eine Musterkooperationsverein-barung entwickelt und in die Handreichung auf-genommen worden (vgl. Seite 68 ff.). Eine Listesolcher Projekte haben wir ebenfalls für Sie zusam-mengestellt (vgl. Seite 72 f.). Einige weiterfüh-rende Überlegungen zum Thema Kooperation vonSchule und Jugendhilfe im Fall von Schuldistanzkönnen Sie dem Konzept für eine geplante„Multiprofessionelle Clearing- und Beratungs-stelle Schuldistanz“ entnehmen (vgl. Seite 51 ff.).

Da inzwischen auch die Kooperation von Schuleund Polizei zunehmend an Bedeutung gewinnt- auch wenn diese sich nicht explizit auf dasThema Schuldistanz bezieht -, haben wir uns ent-schlossen, exemplarisch und im Sinne von best-practice die Kooperationsvereinbarung zwischender Heinrich-von-Stephan-Oberschule und derPolizeidirektion 3 abzudrucken (vgl. Seite 56 ff.).

Auf Grund offenbar bestehender Unsicherhei-ten bei der Durchsetzung der Schulpflicht (vgl.Seite 58 f.) greifen wir auch dieses Thema auf.Zur weiteren und vertiefenden Information überdas Thema Schuldistanz haben wir eine Literatur-liste erstellt (vgl. Seite 74 f.).

Zur besseren Übersicht und weil Präventionsmaß-nahmen einen ganz besonderen Stellenwert imZusammenhang mit der Reduzierung von Schul-distanz haben, wird in dieser Handreichung - so-weit dies möglich ist - die Darstellung präventi-ver und interventiver Maßnahmen deutlich von-einander getrennt. In der Praxis wird eine solcheTrennung jedoch kaum durchzuhalten sein. Siewird sich eher an einem Prävention und Interven-tion integrierenden Gesamtkonzept orientieren.

Die Redaktion

Begriffsbestimmung

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Im Hinblick auf die begriffliche Bestimmung desin dieser Handreichung beschriebenen Phänomensist es von großer Bedeutung, das „Geschehen“so neutral wie möglich zu benennen, um einerseitsStigmatisierungen zu vermeiden und andererseitsden vielfältigen Faktoren gerecht zu werden, diedazu beitragen, dass sich Schüler/innen von derSchule entfernen - Faktoren, die zum Teil nichtin der subjektiven Verantwortlichkeit der Betrof-fenen liegen.

Auf der beschreibenden Ebene kann von einer„Nicht-Passung zwischen Schule und Individuum“1

gesprochen werden. Diese Formulierung entsprichtzwar den oben formulierten Anforderungen underfasst auch Formen der Entfernung von der Schule,die sich bereits innerhalb von Schule entwickelnund bemerkbar machen. Für den allgemeinenSprachgebrauch ist der Begriff „Nicht-Passungzwischen Schule und Individuum“ jedoch zu um-ständlich. Der Begriff „Schuldistanz“ dagegen istneutral und nicht stigmatisierend. Außerdem ister geeignet, die Formen schuldistanzierten Ver-haltens sowohl innerhalb als auch außerhalb von

Schule zu erfassen und somit die gesamte Spann-breite des Phänomens, soweit es die Schule be-trifft, sichtbar werden zu lassen.

Erscheinungsformen vonSchuldistanz

Schuldistanz erscheint in mehreren Stufen (s.Abb. 1). Sie beginnt bereits in der Schule. Zurleichteren Handhabbarkeit erhält jede Stufe eineeigene Bezeichnung. Beim Fernbleiben von derSchule ohne triftigen Grund kann es sich umunentschuldigtes und entschuldigtes Fehlen han-deln. Entschuldigtes Fehlen von der Schule ohnetriftigen Grund kann vorliegen, wenn berechtigteZweifel an der Begründung für das Fehlen vorlie-gen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Stu-fen sind fließend.

Schuldistanz - Stufe 1Entfernung (von der Schule) innerhalb von Schule

Kennzeichen dafür können sein:sich unauffällig vom Unterricht abwenden (s. dazu S. 21)sich auffällig vom Unterricht abwenden (s. dazu S. 21)

Schuldistanz - Stufe 2Gelegentliches Fernbleiben ohne triftigen Grund2 3

Kennzeichen dafür können sein:zu spät kommen,den Klassenraum während des Unterrichts verlassen,Ausschluss vom Unterricht provozieren,Stunden versäumen,Stunden abhängen,gelegentlich einen Tag nicht zur Schule kommen, jedoch nicht mehr als 10 Tage pro Halbjahr.

Schuldistanz - Stufe 3Regelmäßiges Fernbleiben ohne triftigen Grund

1 Die Bezeichnung ist auf einen Vortrag von Herrn Dr. Thimm, Leiter der Landeskooperationsstelle Schule - Jugend-hilfe in Brandenburg, zurückzuführen - gehalten am 1. März 2002 in der Senatsverwaltung für Bildung,Jugend und Sport

2 Die Bezeichnung „ohne triftigen Grund“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Im individuellen Fall ist zu ent-scheiden, ob die Gründe, die für das Fernbleiben von der Schule angegeben werden, nachvollziehbar akzep-tiert werden können.

3 Die Bezeichnungen der Stufen 2 - 4 orientieren sich am Rundschreiben Nr. 31/01 „Grundsätze zur Vermei-dung, Feststellung und Behandlung von Schulverweigerung“ vom 2. November 2001, Gz.: 41.2/32.1, desMinisteriums für Bildung, Jugend und Sport, Potsdam.

Abbildung 1

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Kennzeichen dafür können sein:11 bis 20 Tage pro Halbjahr nicht zur Schule kommen.

Schuldistanz - Stufe 4Intensives regelmäßiges Fernbleiben ohne triftigen Grund

Kennzeichen dafür können sein:21 bis 40 Tage pro Halbjahr nicht zur Schule kommen, aber noch erscheinen.

Schuldistanz - Stufe 5Vollständiges Fernbleiben von der Schule

Kennzeichen dafür können sein:Mehr als 40 Tage pro Halbjahr nicht mehr zur Schule kommen,Totalausstieg, (Schulausschluss)

Die Berliner Datenerfassung zur Schuldistanz - Ergebnisse

Wo wurde die Erhebung durchgeführt?

In allen allgemeinbildenden Schulen Berlins vonder 1. bis zur 10. Klasse (926 Schulen, ca. 14.000Klassen und rd. 306.000 Schüler/innen)

Wann wurde die Erhebung durchgeführt?

Vom 19. Juni 2002 bis zum 3. Juli 2002 (Ab-gabetermin), Rücklaufquote 94,6 %

Für welchen Zeitraum wurde die Erhebungdurchgeführt?

Zweites Schulhalbjahr 2001/2002 (ein Zeitraumvon ca. 100 Unterrichtstagen)

Welche Fehlzeiten wurden erfasst?

Alle Schulversäumnisse in TagenDabei wurde nicht nach unentschuldigten undentschuldigten Fehltagen unterschieden. Vordem Hintergrund, dass verschiedene Expertenim Hinblick auf das Phänomen Schuldistanzvon einer durchschnittlich normalen Fehlquote(z. B. durch Krankheit) von bis zu 10 % aus-

gehen, wurde auf eine solche Unterscheidung(aus arbeitstechnischen Gründen) verzichtet.

Angaben zu den Fehltagen nach verschiede-nen Zeiträumen:

1 bis 10 Fehltage11 bis 20 Fehltage beobachtungswürdige

Fälle von Schuldistanzdurch die Schule

21 bis 40 Fehltage Schüler/innen mit hohemGefährdungspotential imHinblick auf Schuldistanz

über 40 Fehltage gravierende Form vonSchuldistanz

Welche Merkmale wurden ausgewertet?

Jungen und MädchenSchüler/innen nichtdeutscher Herkunftsspracheund Schüler/innen insgesamtSchulartenBezirke

Die wesentlichen Ergebnisse im Über-blick:

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Insgesamt 10.751 Schüler/innen (3,5 %)fehlen 21 bis 40 Tage und versäumen 20 %bis 40 % des Unterrichts.

Insgesamt 4079 Schüler/innen (1,3 %aller Schüler/innen) fehlen mehr als 40 Tageund versäumen über 40 % des Unterrichts.

In der Grundschule fehlen 3,2 %, in derRealschule 4,4 % und im Gymnasium1,5 % der Schüler/innen mehr als 20 Tage undversäumen ca. 20 % und mehr des Unter-richts. Auch wenn diese prozentualen Zahlenweniger dramatisch sind als die für die ande-ren Schulformen verbirgt sich hinterihnen eine Gesamtheit von 6.760 Schüler/in-nen.

In der Hauptschule fehlen 18,5 % der Schü-ler/innen (2.712 Schüler/innen) mehr als20 Tage und versäumen ca. 20 % und mehrdes Unterrichts.

In den Sonderschulen fehlen 14,1 % derSchüler/innen (2.007 Schüler/innen) mehrals 20 Tage und versäumen ca. 20 % und mehrdes Unterrichts.

In der Gesamtschule fehlen 6,8 % der Schü-ler/innen (3.351 Schüler/innen) mehr als20 Tage des Unterrichts und versäumen ca.20 % und mehr des Unterrichts.

4,2 % der Schüler/innen nichtdeutscher Her-kunftssprache versäumen 21 bis 40 Schul-tage, 1,7 % versäumen mehr als 40 Schultage.

Für Schüler deutscher Herkunftssprachebetragen diese Zahlen 3,3 % (21 bis 40 Fehl-tage) bzw. 1,2 % (über 40 Fehltage).

Jungen und Mädchen insgesamt weisenbei der Betrachtung aller Schularten und allerKlassenstufen bei Fehlzeiten von mehr als40 Tagen und bei 21 bis 40 Fehltagen keinesignifikanten Unterschiede auf.

Im Hinblick auf die Fehlzeiten in verschie-denen Klassenstufen (alle Schüler/innen inallen Schularten) liegen die höchsten Wertebei den Fehlzeiten über 40 Tage in den Klassen-stufen 7, 8 und 9, der höchste Wert liegt inder Klassenstufe 8.

Die Auswertung der Fehltage nach Bezirkenzeigt bei der Kategorie über 40 Fehltage, dassder Bezirk Neukölln den höchsten Wert mit2,1 % aufweist. Das heißt, 2,1 % der Schü-ler/innen an Neuköllner Schulen fehlen über40 Tage (597 Schüler/innen), den niedrigstenWert weist der Bezirk Tempelhof-Schönebergmit 0,8 % auf (233 Schüler/innen). In derKategorie 21 bis 40 Fehltage weist der BezirkMitte mit 4,6 % (1.217 Schüler/innen) denhöchsten Wert auf, dicht gefolgt von den Be-zirken Friedrichshain-Kreuzberg (4,3 %), Neukölln(4,1 %) und Lichtenberg (4,0 %). Den niedrigs-ten Wert in diesem Bereich weist der BezirkSteglitz-Zehlendorf mit 2,5 % auf (665 Schü-ler/innen).

Schulversäumnisse nach Schularten4:Abbildung 1

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Schulversäumnisse im 2. Schulhalbjahr 2001/02Schülerbestand zu Beginn des Schuljahres und Schüler nach Fehltagen sowie nach Trägern

a) Schüler deutscher Herkunftssprache

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %öffentlich 239.682 226.843 94,6 42.363 18,7 147.491 65,0 26.507 11,7 7.662 3,4 2.820 1,2privat 12.545 10.977 87,5 2.190 20,0 7.294 66,4 1.182 10,8 234 2,1 77 0,7

zusam m en 252.227 237.820 94,3 44.553 18,7 154.785 65,1 27.689 11,6 7.896 3,3 2.897 1,2

b) Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %öffentlich 69.341 66.434 95,8 12.979 19,5 41.170 62,0 8.311 12,5 2.801 4,2 1.173 1,8privat 1.968 1.882 95,6 418 22,2 1.207 64,1 194 10,3 54 2,9 9 0,5

zusam m en 71.309 68.316 95,8 13.397 19,6 42.377 62,0 8.505 12,4 2.855 4,2 1.182 1,7

c) Schüler insgesamt

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %öffentlich 309.023 293.277 94,9 55.342 18,9 188.661 64,3 34.818 11,9 10.463 3,6 3.993 1,4privat 14.513 12.859 88,6 2.608 20,3 8.501 66,1 1.376 10,7 288 2,2 86 0,7

zusam m en 323.536 306.136 94,6 57.950 18,9 197.162 64,4 36.194 11,8 10.751 3,5 4.079 1,3

11-20 Fehltage 21-40 Fehltage

über 40 Fehltage

TrägerBes tand lt.

IST-Statis tik

Schüler insgesam tlt. Erhebung Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolutin % vom Bes tand

über 40 Fehltagekeine Fehltage 1-10 Fehltage

TrägerBes tand lt.

IST-Statis tik

Schüler insgesam tlt. Erhebung Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolutin % vom Bes tand

keine Fehltage 1-10 Fehltage 11-20 Fehltage 21-40 Fehltage

TrägerBes tand lt.

IST-Statis tik

Schüler insgesam tlt. Erhebung

absolutin % vom Bes tand

über 40 Fehltagekeine Fehltage 1-10 Fehltage 11-20 Fehltage 21-40 Fehltage

Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

Schülerbestand zu Beginn des Schuljahres und Schüler nach Fehltagen sowie nach Schularten

a) Schüler insgesamt

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %Grundschule 159.467 152.242 95,5 29.571 19,4 101.329 66,6 16.494 10,8 3.969 2,6 879 0,6Hauptschule 15.128 14.601 96,5 1.750 12,0 7.417 50,8 2.722 18,6 1.613 11,0 1.099 7,5Realschule 29.666 28.086 94,7 5.051 18,0 18.266 65,0 3.559 12,7 941 3,4 269 1,0Gymnasium 53.538 48.146 89,9 11.319 23,5 32.496 67,5 3.629 7,5 608 1,3 94 0,2Gesamtschule1) 50.571 48.799 96,5 7.924 16,2 30.416 62,3 7.108 14,6 2.265 4,6 1.086 2,2Sonderschulen 15.166 14.262 94,0 2.335 16,4 7.238 50,8 2.682 18,8 1.355 9,5 652 4,6

Insgesamt 323.536 306.136 94,6 57.950 18,9 197.162 64,4 36.194 11,8 10.751 3,5 4.079 1,3

b) Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %Grundschule 43.845 42.242 96,3 8.830 20,9 27.123 64,2 4.686 11,1 1.283 3,0 320 0,8Hauptschule 4.816 4.791 99,5 549 11,5 2.403 50,2 910 19,0 553 11,5 376 7,8Realschule 5.021 4.864 96,9 960 19,7 3.054 62,8 639 13,1 172 3,5 39 0,8Gymnasium 5.931 5.257 88,6 1.364 25,9 3.382 64,3 412 7,8 86 1,6 13 0,2Gesamtschule1) 9.000 8.583 95,4 1.342 15,6 5.201 60,6 1.324 15,4 476 5,5 240 2,8Sonderschulen 2.696 2.579 95,7 352 13,6 1.214 47,1 534 20,7 285 11,1 194 7,5Gesamtergebnis 71.309 68.316 95,8 13.397 19,6 42.377 62,0 8.505 12,4 2.855 4,2 1.182 1,7

1) Gesamtschule einschließlich Freie Waldorfschule und kombinierte allgemeinbildende Schulen

Schulart

21-40 Fehltage über 40 Fehltage

Bestandlt.

IST-Statistik

Schüler insgesamtlt. Erhebung

Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolutin % vom Bestand

keine Fehltage 1-10 Fehltage 11-20 Fehltage 21-40 Fehltage über 40 Fehltage

SchulartBestand

lt.IST-Statistik

Schüler insgesamtlt. Erhebung

Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolutin % vom Bestand

keine Fehltage 1-10 Fehltage 11-20 Fehltage

11

Schülerbestand zu Beginn des Schuljahres und Schüler nach Fehltagen sowie nach Bezirken

a) Schüler insgesamt

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %Mitte 28.632 26.555 92,7 4.212 15,9 17.079 64,3 3.589 13,5 1.217 4,6 458 1,7Friedrichshain-Kreuzberg 22.261 20.776 93,3 3.214 15,5 13.448 64,7 2.866 13,8 884 4,3 364 1,8Pankow 28.883 27.387 94,8 5.533 20,2 17.201 62,8 3.405 12,4 950 3,5 298 1,1Charlottenburg-Wilmersdorf 25.169 22.847 90,8 3.581 15,7 15.504 67,9 2.702 11,8 779 3,4 281 1,2Spandau 21.556 21.264 98,6 4.003 18,8 14.146 66,5 2.271 10,7 617 2,9 227 1,1Steglitz-Zehlendorf 28.713 26.110 90,9 5.511 21,1 17.124 65,6 2.555 9,8 665 2,5 255 1,0Tempelhof-Schöneberg 29.001 28.498 98,3 4.953 17,4 19.598 68,8 2.873 10,1 841 3,0 233 0,8Neukölln 29.869 28.732 96,2 4.436 15,4 18.917 65,8 3.611 12,6 1.171 4,1 597 2,1Treptow-Köpenick 21.562 21.268 98,6 5.053 23,8 13.163 61,9 2.225 10,5 619 2,9 208 1,0Marzahn-Hellersdorf 33.935 32.781 96,6 7.394 22,6 19.730 60,2 3.962 12,1 1.247 3,8 448 1,4Lichtenberg 27.354 26.808 98,0 5.754 21,5 16.099 60,1 3.491 13,0 1.059 4,0 405 1,5Reinickendorf 26.601 23.110 86,9 4.306 18,6 15.153 65,6 2.644 11,4 702 3,0 305 1,3

Berlin insgesamt 323.536 306.136 94,6 57.950 18,9 197.162 64,4 36.194 11,8 10.751 3,5 4.079 1,3

b) Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache

absolut % absolut % absolut % absolut % absolut %Mitte 14.145 13.782 97,4 2.519 18,3 8.657 62,8 1.778 12,9 604 4,4 224 1,6Friedrichshain-Kreuzberg 10.044 9.311 92,7 1.499 16,1 5.985 64,3 1.261 13,5 390 4,2 176 1,9Pankow 1.406 1.405 99,9 372 26,5 730 52,0 192 13,7 77 5,5 34 2,4Charlottenburg-Wilmersdorf 6.482 6.122 94,4 1.085 17,7 3.849 62,9 798 13,0 276 4,5 114 1,9Spandau 4.880 4.746 97,3 1.067 22,5 2.968 62,5 509 10,7 150 3,2 52 1,1Steglitz-Zehlendorf 3.818 3.562 93,3 810 22,7 2.212 62,1 402 11,3 103 2,9 35 1,0Tempelhof-Schöneberg 8.402 8.347 99,3 1.759 21,1 5.307 63,6 886 10,6 301 3,6 94 1,1Neukölln 12.198 11.949 98,0 2.008 16,8 7.625 63,8 1.511 12,6 543 4,5 262 2,2Treptow-Köpenick 807 801 99,3 271 33,8 376 46,9 106 13,2 33 4,1 15 1,9Marzahn-Hellersdorf 1.841 1.778 96,6 485 27,3 965 54,3 213 12,0 86 4,8 29 1,6Lichtenberg 2.870 2.826 98,5 711 25,2 1.479 52,3 393 13,9 162 5,7 81 2,9Reinickendorf 4.416 3.687 83,5 811 22,0 2.224 60,3 456 12,4 130 3,5 66 1,8

Berlin insgesamt 71.309 68.316 95,8 13.397 19,6 42.377 62,0 8.505 12,4 2.855 4,2 1.182 1,7

11-20 Fehltage 21-40 Fehltage über 40 Fehltage

über 40 Fehltage

BezirkBestand

lt.IST-Statistik

Schüler insgesamtlt. Erhebung

Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolut in % vom Bestand

keine Fehltage 1-10 Fehltage

BezirkBestand

lt.IST-Statistik

Schüler insgesamtlt. Erhebung

Aufgliederung der Schüler nach den Fehltagen

absolutin % vom Bestand

keine Fehltage 1-10 Fehltage 11-20 Fehltage 21-40 Fehltage

12

Schulversäumnisse nach Schularten (Schü-ler/innen insgesamt und Schüler/innennichtdeutscher Herkunftssprache NdH):

Grundschule

Hauptschule

Realschule

Gymnasium

Gesamtschule

Sonderschule

% der Schüler nach Fehltagen

20181614121086420

über 40 Fehltage

21-40 Fehltage

4 Die senkrechte Linie in der Grafik gibt die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler in % an, die mehr als20 Tage des Unterrichtes in einem Halbjahr versäumt haben - 4,8 %. Dies gilt auch für beiden anderenGrafiken auf den Seiten 12 und 13.

Abbildung 2Schulversäumnisse nach Bezirken:

Abbildung 3

Grundschule

Hauptschule

Realschule

Gymnasium

Gesamtschule

Sonderschule

% der Schüler nach Fehltagen

20181614121086420

Insgesamt

NdH

13

Ursachen von Schuldistanz

Die Ursachen für Schuldistanz sind sehr unter-schiedlich und in verschiedenen Bereichen zu su-chen, die miteinander in mehr oder weniger en-ger Verbindung stehen. So unterscheiden sichdie Motive und Gründe von Schüler/innen, sichvon der Schule entfernen, beträchtlich. Es ist des-halb davon auszugehen, dass ein ganzes Ursachen-bündel zur Erklärung der Entwicklung von Schul-

Mitte

Friedrichshain-Kreuz

Pankow

Charlottenburg-Wilme

Spandau

Steglitz-Zehlendorf

Tempelhof-Schöneberg

Neukölln

Treptow-Köpenick

Marzahn-Hellersdorf

Lichtenberg

Reinickendorf

% der Schüler nach Fehltagen

76543210

über 40 Fehltage

21-40 Fehltage

distanz betrachtet werden muss und eine Viel-zahl von Faktoren zusammenwirken (vgl. Abbil-dung 4), bis aus gelegentlichem Fehlen regel-mäßiges wird oder die Schülerin/der Schüler sichsogar ganz von der Schule abwendet.Abbildung 4

Risikofaktoren im sozialen Umfeld und inder Familie5:

Familie und sozia-les Umfeld

Schuldistanz

Clique Gesellschaft

Schule

personennaheFaktoren

14

Eltern sind bei der Erziehung ihrer Kinder ausunterschiedlichen Gründen (berufliche Über-lastung, große finanzielle Schwierigkeiten,Arbeitslosigkeit, persönliche Schwierigkeiten,mangelnde Erziehungskompetenz) überfordert,sie können den Bildungsprozess ihres Kindesnicht den Erfordernissen entsprechend unter-stützen,Eltern haben eine zwiespältige bzw. negativeEinstellung zur Schule,sie dulden das Fernbleiben ihres Kindes,in der Familie liegen gravierende Beziehungs-probleme vor (z. B. Trennung, Inhaftierung,Tod etc.),Kinder übernehmen in der Familie die Aufga-ben von Erwachsenen (Hausarbeiten, Sorge fürGeschwister oder die eigenen Eltern),es liegen Missbrauch und/oder häusliche Ge-walt vor,Eltern halten ihre Kinder fest, wollen sie nichtloslassen, sehen in der notwendigen Ablösungihres Kindes vom Elternhaus eine Bedrohung.

Personennahe Risikofaktoren

Es liegen Behinderungen, Teilleistungsstörungenetc. vor,Schüler/innen- haben ein stark ausgeprägtes Misserfolgs-

Selbstkonzept,- sind leicht kränk- und verletzbar, haben

wenig Frustrationstoleranz,- haben Probleme bei der Bearbeitung von

Konflikten (mangelnde Konfliktfähigkeit),- haben Schwierigkeiten mit der Selbstorgani-

sation (z. B. im Hinblick auf Arbeitsabläu-fe, Kontinuität, Pflichten, Konzentration),

- gebrauchen Drogen,- wollen durch das Fehlen auf ein anderes

Problem aufmerksam machen,- haben Angst vor Leistungsversagen, vor

anderen Schüler/innen, vor Lehrkräften etc.,- können keinen Sinn bzw. persönlichen Ge-

winn in schulischem Lernen erkennen.

Risikofaktoren in der Jugendkultur/Clique

Gemeinsames Fehlen stärkt den Zusammen-halt in der Clique,Fehlen kann einen Mutbeweis bedeuten unddadurch einen Statusgewinn bewirken,die Grenzüberschreitung wird als Abenteuererlebt,die Entfernung von Schule wird als Abgren-zung/Loslösung vom Elternhaus bzw. den Er-wachsenen betrachtet,es herrscht eine „Null-Bock“-Stimmung, diedadurch noch erhöht wird, dass die Zukunfts-aussichten für junge Menschen heute schwie-riger denn je sind,schulferne Tätigkeitsmöglichkeiten werden alsattraktiver/lustbringender erlebt.

Risikofaktoren in der Gesellschaft

Orientierungsverlust und -losigkeit durch dasFehlen allgemeinverbindlicher Werte,geringe Aussichten auf einen (attraktiven)Arbeitsplatz, u. a. durch niedrige Schulab-schlüsse,zunehmende Individualisierung, die abseits dermit ihr verbundenen Chancen jungen Men-schen auch Probleme bereitet,die Attraktivität einer Fun-Gesellschaft, einerKultur des sich Gehen-Lassens verbunden mitmangelnder Anstrengungsbereitschaft,der Stellenwert und die Bedeutung schulischerBildung werden nicht ausreichend sichtbargemacht und ernst genommen,durch die Medien wird die Entwicklung irrea-ler Lebensvorstellungen begünstigt.

Risikofaktoren in der Institution Schule

Die Problemfelder innerhalb von Schule beziehensich im Wesentlichen auf drei Aspekte, die inenger Verbindung miteinander stehen, und zwarauf

die Struktur schulischen Lernens,die Partizipationsmöglichkeiten innerhalb vonSchule unddie Beziehungsebene.

Probleme in der Struktur schulischenLernens6

5 Zusammenstellung orientiert an Dr. Thimm, in: Schulverdrossenheit und Schulverweigerung. Seite 70 ff.

15

Leistungsdruck, Versagensängste, erfolglo-ses Lernen, schlechte Zensuren, Klassenwied-erholungen, Herunterstufung in eine gerin-gerwertige Schulform, falsche Schulform,nicht bewältigte Übergänge,keine Aussicht auf guten Schulabschluss,Anpassungsforderungen,Unterricht ist aufgrund sich wiederholenderAbläufe langweilig,schulische Bildungsinhalte werden als be-deutungslos bzw. sinnlos empfunden,schulisches und außerschulisches Leben undLernen sind getrennt,Lernen hat zu wenig mit den Interessenund den Lebenslagen der Schüler/innen zutun,schulisches Lernen hat zu wenig gegenwär-tigen Gebrauchswert.

Probleme auf der Beziehungsebene7

Probleme zwischen Schüler/innen und Schü-ler/innen- Schüler/innen sind nicht in die Klassen-

gemeinschaft eingebunden,- Schüler/innen haben Probleme mit ein-

zelnen anderen Schüler/innen bzw. Grup-pen, sie werden gehänselt, geschlagen,gemobbt, ausgegrenzt

Probleme zwischen Schüler/innen und Lehr-kräftenProbleme zwischen LehrkräftenProbleme zwischen Lehrkräften und Eltern

Probleme auf der Ebene der Partizipation

Schüler/innen haben zu wenig Möglichkei-ten bzw. Rechte, an der Gestaltung ihrerSchule mitzuwirken.

Prävention

Vor dem Hintergrund der dargestellten, die Ent-wicklung von Schuldistanz verursachenden bzw.begünstigenden Faktoren (vgl. Ursachen von Schul-distanz, Seite 13) geht es unter dem Aspekt derPrävention von Schuldistanz - soweit Schule selbstEinfluss nehmen kann - ganz allgemein darum,Schule so zu gestalten, dass Schuldistanz möglichstgar nicht entsteht. Es gilt, Anzeichen für eineeventuelle Entfernung von der Schule innerhalbvon Schule (vgl. Erscheinungsformen von Schul-distanz, Stufe 1, Seite 7) frühzeitig wahrzunehmenund mit sinnvollen pädagogischen Maßnahmendarauf zu reagieren. Prävention in diesem Sinnezu gestalten, setzt zunächst die Bereitschaft vor-aus, sich mit dem Thema Schuldistanz auseinanderzu setzen und im Rahmen der schulischen Gre-mien (u. a. Gesamtkonferenz, Schulkonferenz,Gesamtelternvertretung) einen längerfristig ange-legten Diskussionsprozess mit dem Ziel zu orga-nisieren, bei Bedarf ein Präventionskonzept zuentwickeln. Dabei sind u. a. folgende Fragestel-lungen von Bedeutung:

Sind Veränderungen des Unterrichts notwen-dig und wie sind sie zu realisieren?Sollte das soziale Miteinander in der Schuleverbessert werden?Sollten mehr Partizipationsmöglichkeiten fürSchüler/innen, Lehrer/innen und Eltern geschaf-fen werden?Sollte die Zusammenarbeit mit Eltern verbes-sert werden?Sollte die Kooperation mit außerschulischenEinrichtungen, wie z. B. dem Jugendamt, ent-wickelt bzw. weiter entwickelt werden?Werden Informationen zum Thema Schuldistanzbenötigt?Besteht Fortbildungsbedarf zum Thema Schul-distanz?Wie können im Hinblick auf Schuldistanz zuergreifende Präventionsmaßnahmen evaluiertwerden?

Die Bedingungen für das Leben undLernen in der Schule verändern

6 Vollständigkeit ist nicht beabsichtigt.7 Vollständigkeit ist nicht beabsichtigt.

16

Die im Folgenden dargestellten Vorschläge zurPrävention von Schuldistanz lassen sich von demGedanken leiten, dass es Aufgabe der Schule ist,Kinder und Jugendliche anregend dabei zu un-terstützen, ihre wertvollen Anlagen zur vollenEntfaltung zu bringen, ein Höchstmaß an Urteils-kraft und Können zu entwickeln und gründlichesWissen zu erwerben. Das Bildungsangebot ist dabeiso zu gestalten, dass die vielfältigen individuellenLerninteressen von Kindern und Jugendlichenberücksichtigt werden und sie sich darüber hin-aus angesprochen fühlen, es wahrzunehmen undmit zu gestalten.

Präventionsmaßnahmen sollten sich vor diesemHintergrund auf

die inhaltliche und organisatorische Gestaltungdes Unterrichts,die besondere Förderung von leistungsschwa-chen Schüler/innen,die Möglichkeiten der Partizipation an der Ge-staltung des Schullebens sowie aufdie Verbesserung des Miteinanders durch mehrsoziales Lernen

beziehen.

Etliche Schulen durchlaufen - teilweise seit län-gerem - einen Entwicklungsprozess, in dem diein dieser Handreichung vorgeschlagenen Präven-tionsmaßnahmen bereits in unterschiedlichemMaße Berücksichtigung gefunden haben (vgl.hierzu die entsprechenden Beispiele im Anhang,Seite 30 ff.). Dabei geht es diesen Schulen u. a.darum,

ihre Schulkultur so zu gestalten, dass sie sichdurch die Bereitschaft zum Dialog innerhalbdes Kollegiums mit denSchüler/innen, den Eltern und mit außerschu-lischen Einrichtungen auszeichnet,Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowieEltern zur aktiven Beteiligung am Schullebenzu ermutigen,ein möglichst angstfreies Schulklima zu schaf-fen, in dem Kinder gern lernen,den Unterricht so zu gestalten, dass alle Kin-der die Lern- und Leistungsanforderungenmöglichst erfolgreich bewältigen,eine Lernkultur zu etablieren, die die Entwick-lung von Ich-, Sozial, Methoden- und Sach-kompetenz unterstützt und in der Schüler/innenmehr Verantwortung für ihren Lernprozessübernehmen können,

den Problemen und Konflikten ihrer Schü-ler/innen in ihrer pädagogischen Arbeit be-sondere Aufmerksamkeit zu widmen,Maßnahmen mit dem Ziel zu etablieren, dasssich alle Kinder integriert fühlen,die Weiterentwicklung der pädagogischenQualifikationen des Kollegiums zu ermöglichen.

Wenn es gelingt, diese eher programmatischenÜberlegungen zu konkretisieren und in die schu-lische Praxis umzusetzen, wird dies dazu beitra-gen, dass Kinder und Jugendliche gern in dieSchule gehen. In einem gegebenenfalls zu entwi-ckelnden Präventionskonzept Schuldistanz solltensie deshalb eine zentrale Rolle spielen.

Inhaltliche und organisatorischeGestaltung des Unterrichts

Um der Entstehung von Schuldistanz vorzubeu-gen, sollte Schule durch die inhaltliche und orga-nisatorische Gestaltung des Unterrichtes erfolg-reiches und persönlich bedeutsames Lernen er-möglichen und die individuelle Förderung we-sentlich stärker als bisher in den Vordergrundpädagogischen Handelns stellen.

Ziele und Inhalte von Unterricht:Lernziele und -inhalte- orientieren sich an den individuell unter-

schiedlichen Lernvoraussetzungen der ein-zelnen Schülerin, des einzelnen Schülers,d. h., die Anforderungen werden diffe-renziert, so dass persönlich erfolgreichesLernen ermöglicht wird,

Inhalte- berücksichtigen die Interessen/Bedürfnis-

se der Schüler/innen,- haben Gegenwartsbezug,- tragen zur gegenwärtigen Lebensbewäl-

tigung bei,- werden als persönlich sinnvoll/bedeu-

tungsvoll empfunden,Ernstfallpädagogik, z. B. durch SchülerfirmenErnstsituationen für persönlich bedeutsamesLernen schaffenSchüler/innen- lernen das „Selbstregulierte Lernen“

(s. PISA),- übernehmen Verantwortung für ihren

Lernprozess,- teilen ihre Lernzeit ihren individuellen Be-

dürfnissen entsprechend selbst ein,

17

- kontrollieren ihre Arbeitsergebnisse selbst,- lernen das Lernen und erwerben so

Methodenkompetenz.

Organisation von Unterricht:

Veränderte Lernformen z. B.- Tages- und Wochenplanarbeit,- handlungsorientierter Unterricht,- Projektunterricht und- Experimentierräumeermöglichen es ebenfalls, das Lernen zulernen.

Besondere Förderung leistungsschwacherSchüler/innen

Dauerhafte Misserfolge, die sich u. a. in schlech-ten Zensuren oder auch im mehrmaligen Wieder-holen einzelner Klassenstufen niederschlagen,können gerade auch bei älteren Schüler/innen inVerbindung mit als mangelhaft eingeschätztenberuflichen Perspektiven zu nachhaltiger Demoti-vation und dazu führen, dass sich Schüler/innenzunächst innerlich von der Schule abwenden. Ei-ner solchen „inneren Emigration“ folgt dann nichtselten gelegentliches unerlaubtes Fernbleiben undam Ende der Spirale das vollständige Fernbleibenvon der Schule.Solche Prozesse können auf der individuellen Ebeneder Schüler/innen zu einem Mangel an Selbst-wertgefühl und zu einem negativen Selbstbildmit der Folge beitragen, dass Schüler/innen sichinnerlich immer weiter zurückziehen, sich nichtsmehr zutrauen und schließlich aufgeben. Sie arbei-ten am Unterricht nicht mehr mit und versuchen,diese Situation auf die unterschiedlichste Art undWeise zu kompensieren. Gelingt dies nicht bzw.führt dies zu weiteren Problemen und zu Konflik-ten, wird der Prozess der „inneren Emigration“weiter verstärkt. Es entwickeln sich Verhaltens-auffälligkeiten, mitunter auch aggressive Ver-haltensweisen, die aus einem/einer leistungs-schwachen Schüler/in zusätzlich eine/n verhaltens-auffällige/n Schüler/in machen. Solche Schü-ler/innen verweigern sich oftmals gut gemeintenAngeboten der Schule und erwecken auch dadurchden Eindruck, sich der Schule zu verweigern mitder Folge, dass auch die Kommunikation zwi-schen Lehrkräften und Schüler/innen besonderenBelastungen ausgesetzt ist.Solche Schüler/innen, die nicht selten aus bildungs-fernen Elternhäusern kommen, die nicht in der

Lage oder willens sind, ihre Kinder in ausreichen-dem Maße zu fördern, brauchen besondere Un-terstützung und Förderung und es ist eine zen-trale Aufgabe von Schule, die unterschiedlichenLernvoraussetzungen auszugleichen sowie Prozesseder „inneren Emigration“ frühzeitig zu erkennenund angemessen darauf zu reagieren. In diesemZusammenhang kommt es einerseits darauf an,Schüler/innen Wege aufzuzeigen, die aus demTeufelskreis von Selbststigmatisierung und Stig-matisierung herausführen und ihre Potentiale undRessourcen verstärkt zur Geltung kommen las-sen. Andererseits können die oben dargestelltenVeränderungen der inhaltlichen Gestaltung desUnterrichtes über notwendige Gespräche undAbsprachen mit den Schüler/innen und den El-tern (vgl. Seiten 22 und 26) und z. B. die Orga-nisation von Nachhilfe hinaus einen wichtigenBeitrag zur Förderung und Unterstützung derSchülerinnen leisten.

Partizipation an der Gestaltung des Schul-lebens

Eine positive Identifikation von Schülerinnen undSchülern mit der Schule als Lern- und Lebensortsetzt voraus, dass sie sich in einem möglichsthohem Maße an der Gestaltung des Schullebensbeteiligen können.

Partizipation könnte im Schulalltag bedeuten,

alle am Schulleben Beteiligten an Informa-tions- und Entscheidungsprozessen mitwir-ken zu lassen,Schüler/innenparlamente zum Einüben vondemokratischen Handlungsmöglichkeiten ein-zurichten, in denen Kinder und Jugendlichelernen- sich einzumischen und ihre Rechte wahr-

zunehmen,- Eingaben zu machen, Interessen zu ver-

treten und- gemeinsam mit den Erwachsenen The-

men und Konflikte zu bearbeiten,mit allen am Schulleben Beteiligten gemein-sam Schulregeln zu entwickeln, die sowohlfür die Kinder/Jugendlichen als auch für dieErwachsenen gelten,Schulregeln kontinuierlich auf ihre Sinn-haftigkeit hin zu überprüfen und ggf. zuändern,

18

viele Informationen über andere Menschenzu erhalten/viele Erfahrungen mit anderenMenschen zu teilen:- weltliche und religiöse Feste zu feiern,- regelmäßige Begegnungen mit Kindern

und Jugendlichen aus anderen Schulenund anderen Lebenszusammenhängen zuorganisieren,

- Veranstaltungen durchzuführen, bei de-nen die Kinder/Jugendlichen ihre Fähig-keiten vielen anderen zeigen können (z. B.Theateraufführungen, Präsentationen vonArbeitsergebnissen etc.),

- mit außerschulischen Personen zu koo-perieren (z. B. mit Eltern, Jugend- undKultureinrichtungen, mit Menschen un-terschiedlicher Berufsgruppen etc.),

mit Kindern und Jugendlichen Möglichkei-ten zur Eigeninitiative und zur Übernahmevon Verantwortung zu schaffen,entwicklungsgerechte Mitwirkungs- undEntscheidungsmöglichkeiten für Kinder undJugendliche zu schaffen (z. B. Konfliktlotsen),Schülerfirmen einzurichten.8

Verbesserung des Miteinanders durchmehr soziales Lernen

Gelungene soziale Beziehungen zwischen Schü-ler/innen und Lehrkräften sowie Schüler/innen undSchüler/innen sind eng mit schulischem Erfolgverbunden. Auf Lernmotivation und Schulleistungwirkt sich positiv aus, wenn Schüler/innen in eineKlassengemeinschaft eingebunden sind und sichin der Schule wohl und sicher fühlen. Dies bele-gen diverse Untersuchungen.9 Schüler/innen sindnicht nur Englisch-Lerner, sie sind Menschen mitunterschiedlichen Gefühlen, Bedürfnissen, Wün-schen, Interessen, Erfahrungen, Problemen, die

8 Derzeit gibt es an 65 Schulen in Verbindung mit dem Fach „Arbeitslehre“ Schülerfirmen. Schlüsselqualifikationenwerden erworben, Verantwortungsbewusstsein entwickelt sich, ein erhöhtes Identifikationspotential mit derSchule entsteht. Das „Netzwerk Berliner Schülerfirmen“ bietet dazu ein ganzheitliches Lernarrangement fürSchüler/innen der Sonderschulen für Lernbehinderte.

9 Siehe Marianne Horstkemper: Soziales Leben und Lernen - Platz dafür in der Leistungsschule, in: SozialesLernen - Stiefkind in der Leistungsschule, Hg.: Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe, Brandenburg.

10 Siehe Äußere Differenzierung 5/6 - Impulse zur Förderung der individuellen Leistungsfähigkeit, Seite 11 ff.,Hg.: Berliner Landesinstitut für Schule und Medien. 2001.

11 ebenda, Seite 14

sie nicht einfach vor der Klassenzimmertür abge-ben können. Die gesamte Persönlichkeit einesMenschen, und nicht nur ein Teil von ihr, hatBedeutung für erfolgreiches Lernen. Deswegenmuss die Schule dem sozialen Leben und Lernenin der Schule einen wesentlich größeren Stellen-wert einräumen als dies bisher der Fall ist.Sie muss den sozialen Lernprozess gezielt undkontinuierlich unterstützen und zwar

sowohl in Verbindung mit dem Fachunterrichtals auchin eigens dafür vorgesehenen (Unterrichts-)zei-ten.

Möglichkeiten für das soziale Lernen in Verbin-dung mit dem Fachunterricht

Die Grundlage für mehr soziales Lernen in Ver-bindung mit dem Fachunterricht beruht auf ei-nem erweiterten Lernbegriff. Das bedeutet, dassdas fachliche Lernen um die methodische, sozia-le und persönliche Dimension erweitert wird. Zielist die Entwicklung von Lern- und Lebenskom-petenz, die durch die Entwicklung von Sach-Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz entsteht.Diese vier Teilkompetenzen stützen sich gegen-seitig10 und sind untrennbar miteinander verbun-den. Der Unterricht muss entsprechend vorberei-tet, durchgeführt und nachbereitet werden.

Abbildung 511

19

Auf einer noch sehr allgemeinen Stufe könntedies Folgendes bedeuten:12

Sachkompetenz kann sich entwickeln,wenn Schüler/innen lernen,

Fakten, Daten, Begriffe, Definitionen zukennen,Erklärungen, Argumente zu verstehen,Thesen, Maßnahmen zu beurteilen,Einzelwissen in Zusammenhänge zu brin-gen,Zusammenhänge zu erkennen.

12 ebenda, Seite 1313 In Anlehnung an Dr. Thimm, in: Schulverdrossenheit und Schulverweigerung, Seite 8

Methodenkompetenz kann sich entwi-ckeln, wenn Schüler/innen

lernen, Arbeitstechniken zu beherrschen(Texte markieren, nachschlagen, Heftführung,Stichwortzettel anlegen, systematisch aus-wendig lernen, visualisieren ...),Lernstrategien kennen lernen (Hypothesenüberprüfen, Fragen stellen, gliedern, ord-nen ...),lernen, ihre Arbeit zu planen und zu organi-sieren (den Arbeitsplatz einrichten, Klassen-arbeit vorbereiten, Lerntagebuch führen ...).

Sozialkompetenz kann sich entwickeln,wenn Schüler/innen lernen,

arbeitsteilig und kooperativ zu arbeiten (inPartner- und Gruppenarbeit, im Tandem,durch Tutoring ...),in Gruppen zu moderieren (Spielregeln ver-einbaren, Rollen klären, Ziele setzen ...),erfolgreich zu kommunizieren (Gespräche er-öffnen, zuhören, Kommunikationsschwierig-keiten verstehen, Konflikte bearbeiten ...),zu präsentieren (Arbeitsergebnisse ziel- undadressatengerecht vermitteln).

Selbstkompetenz kann sich entwickeln,wenn Schüler/innen lernen,

sich selbst realistisch einzuschätzen,Selbstwertgefühl zu entwickeln,den eigenen Lernprozess zu organisieren(geeignete Lernstrategien einsetzen, Priori-täten setzen, mit Zeit umgehen ...),die persönlichen Lernressourcen zu kennenund zu nutzen,den eigenen Lernprozess zu reflektieren,zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmungzu unterscheiden.

Möglichkeiten für das soziale Lernen in eigensdafür vorgesehenen (Unterrichts-)Zeiten

Auf Grund des enormen gesellschaftlichen Wan-dels in den zurückliegenden Jahrzehnten ist davonauszugehen, dass die Zeiten ‚familialer Gratis-produktionen’ schulischer Voraussetzungen weit-gehender denn je der Vergangenheit angehören.13

Kinder und Jugendliche benötigen in der Schuleprofessionelle Begleitung und Unterstützung auchbei der Entwick lung ihrer persön-lichen und sozialen Kompetenzen und bei derGestaltung ihrer Beziehungen und ihres Umgangsmiteinander.

Die oben angesprochene Verbindung der Entwick-lung von Selbst- und Sozialkompetenz mit demFachunterricht allein reicht nicht aus, um diesemErfordernis Rechung zu tragen. Die Bearbeitungder täglich anfallenden Probleme und Konfliktemuss direkt - ohne den Umweg über ein fachli-ches Thema - erfolgen. Die Schule muss Raumund professionelle Unterstützung für die Bearbei-tung aktueller Probleme - insbesondere von sol-chen, die unmittelbar mit dem Schulalltag zusam-menhängen - bieten. Denn diese wirken in denUnterricht hinein und müssen notgedrungen zumehr oder weniger gravierenden „Störungen“führen, wenn sich die Schule ihnen gegenübernicht mehr als bisher öffnet.

20

Außerdem werden Kinder und Jugendliche ihreLern- und Leistungsfähigkeit besser oder überhaupterst entfalten können, wenn sich ihre Beziehun-gen untereinander befriedigend gestalten und sichjede/jeder am Ort Schule wohl und sicher fühlt.Dies gilt u. a. gerade auch für Schuldistanzierte.Sie haben häufig in der Klasse keine Freunde/Freundinnen, sind ausgeschlossen, werden gehän-selt und gemobbt.

Mehr soziales Lernen - sowohl in Verbindung mitdem Fachunterricht als auch in eigens dafür vorge-sehenen (Unterrichts-)Zeiten - kann ganz wesent-lich zur Integration aller Schüler/innen in die Klas-sen- und Schulgemeinschaft sowie zu einemgewaltfreien, demokratischen Umgang in unse-ren Schulen beitragen (vgl. Anhang, Seite 30- Schulen stellen sich vor). Soziale und persön-liche Kompetenzen bilden darüber hinaus imSinne von Schlüsselqualifikationen eine wesentli-che Grundlage für das berufliche Fortkommenunserer Schülerinnen und Schüler.

Einigen Schulen ist es bereits gelungen, kontinuier-lich eigens für das soziale Lernen vorgesehene Unter-richtszeiten zu organisieren. An den Gesamtschu-len können die Kerngruppenstunden und dieaußerunterrichtlichen Zeiten dafür genutzt wer-den. Schulen, die nach dem 40-Minuten-Modell14

arbeiten, können die Zeit, die sie dadurch gewin-nen, für soziales Lernen einsetzen. Manche Schu-len verwenden dafür AG-Stunden. Den VHG-Schu-len15 stehen zusätzliche Stunden zur Verfügung,in denen kontinuierlich soziales Lernen stattfindenkann. Andere Schulen beziehen sich auch auf dasRundschreiben Nr. 9, 1998 zur „Förderung derChancengleichheit von Mädchen und Jungen“, indem es heißt: „Durch Konferenzbeschlüsse zurUnterrichtsorganisation können (daher) unterBerücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten dereinzelnen Schule Zeiten (z. B. eine Wochenstunde)für eine kontinuierliche und systematische Mäd-chen- und Jungenarbeit unter Bildung geschlechts-spezifischer Gruppen festgelegt werden.“

In den eigens für das soziale Lernen vorgesehe-nen (Unterrichts-)Zeiten sollten die aktuellen Be-lange von Schülerinnen und Schülern im Vorder-grund stehen. Anregungen für die Gestaltungsozialer Lernprozesse finden sich u. a. in demCurriculum, das im Zusammenhang mit dem BLK16-Modellversuch „Konfliktbewältigung für Mädchenund Jungen - Ein Beitrag zur Förderung sozialerKompetenzen in der Grundschule“ im Auftrageder damaligen Senatsverwaltung für Schule ent-wickelt wurde17 18.

Soziales Lernen geht nicht nur Kinder und Ju-gendliche an, sondern alle, die an der Soziali-sation junger Menschen beteiligt sind. WennEltern, Lehrkräfte und Sozialpädagogen/Sozial-pädagoginnen einen kontinuierlichen Dialogdarüber führen, wie die Entwicklung von Selbst-und Sozialkompetenz in und außerhalb von Schulezu gestalten ist, und in diesem ZusammenhangVerantwortung übernehmen, Vereinbarungen tref-fen und entsprechend handeln, sind wesentlicheVoraussetzungen für die Weiterentwicklung dessozialen Lernens erfüllt.

Was gelungene Kooperation von allen am Schul-leben Beteiligten im Zusammenhang mit demsozialen Lernen bewirken kann und welche Be-deutung vor allem die enge Verzahnung von Schul-und Sozialpädagogik hat, zeigen einige derin dieser Handreichung aufgeführten Schulbei-spiele19.

Im Rahmen solcher Kooperationsprozesse könntees u. a. darum gehen,

mehr sozialpädagogische Arbeitsweisen undAngebote in die Lebenswelt der Schule zu in-tegrieren,Hilfe zur Bewältigung des Stresses, der durchAnpassungs- und Leistungsanforderungen bzw.-beurteilungen erzeugt wird, zur Verfügungzu stellen,

14 Zur Erläuterung des 40 - Minuten - Modells (vgl. Anhang, Seite 40).15 VHG steht für Verlässliche Halbtagsgrundschulen.16 BLK steht für Bundländerkommission.17 Band 2 der Veröffentlichung der Ergebnisse des Modellversuchs enthält eine ausführliche Spiele- und Übungs-

sammlung für die Grundschule. Er ist über den Buchhandel zu beziehen.18 Wenden Sie sich bitte auch an das Berliner Landesinstitut für Schule und Medien, wenn Sie sich im Bereich

des sozialen Lernens fortbilden wollen.19 Vor allem die VHGs und die (geplanten) Ganztagsschulen könnten auf der Grundlage einer verbindlichen

- möglicherweise im Rahmen einer Vereinbarung geregelten - Kooperation von Lehrkräften und Sozialpäda-gogen/Sozialpädagoginnen (weiter)entwickelt werden.

21

Orte, Zeit und professionelle Begleitung zurBearbeitung von Konflikten zu schaffen,im Zusammenhang mit sozialem Lernen dievielfältigen Beziehungswünsche und Bezie-hungsprobleme, die am Lebensort Schule ent-stehen, zu thematisieren,die Fähigkeit zu sozialem Handeln entwickelnzu helfen und dabei geschlechtsspezifischeUnterschiede zu berücksichtigen,schulische Freizeiten, Gemeinschaftsveranstal-tungen, Klassenfahrten etc. durchzuführen,gemeinsam mit Schüler/innen Schule zu ge-stalten,für vielfältige Kontakte zwischen Eltern undSchule zu sorgen und diese evtl. zu institutio-nalisieren,bestehende Schulstationen und/oder Schüler-clubs in die Arbeit mit einzubeziehen oderggf. neue einzurichten,mit Jugendfreizeiteinrichtungen zusammen-zuarbeiten,mit anderen außerschulisch tätigen Personenzusammenzuarbeiten, z. B. mit den Jugend-beauftragten der Polizei, mit Künstler/innen,Handwerker/innen, Menschen aus anderenLändern undinsgesamt zur Öffnung der Schule beizutra-gen.

Mögliches Vorgehen im individuellen Fall

Rechtzeitiges angemessenes Handeln kann derEntstehung von Schuldistanz zuvorkommen.

Gravierende Formen von Schuldistanz entstehennicht von heute auf Morgen, sondern entwickelnsich in den meisten Fällen im Rahmen eines län-geren Prozesses. Erste Anzeichen von Schuldistanzsind bereits zu erkennen, lange bevor Schüler/in-nen beginnen, nicht mehr regelmäßig zur Schulezu kommen. Diese Form von Schuldistanz inner-halb von Schule wurde deshalb bei der Darstel-lung der Erscheinungsformen von Schuldistanzmit Stufe 1 bezeichnet (vgl. Seite 7) und es istim Rahmen der Prävention von entscheidenderBedeutung, Merkmalen von Schuldistanz inner-halb von Schule besondere Aufmerksamkeit zuwidmen.

Folgende Verhaltensweisen bzw. Merkmale kön-nen auf potentiell gefährdete Schüler/innen hin-weisen:

Sich unauffällig vom Unterricht abwenden:

träumen,abschalten,sich ablenken lassen,sich nicht mehr beteiligen,sich mit anderen Dingen beschäftigen,Zeit absitzen,häufiger Toilettenbesuch während der Unter-richtszeit.

Sich auffällig vom Unterricht abwenden:

„Quatsch“ machen,dazwischen rufen,stören,Normen verletzen,zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen wer-den.

zu spät kommen,gelegentliches Versäumen von einzelnen Un-terrichtsstunden,häufiger Arztbesuch während der Unterrichts-zeit,häufiges, längeres entschuldigtes Fehlen beileichteren Erkrankungen,

Außenseiterrolle in der Klasse,gemobbt werden,Mitgliedschaft in einer Clique Schuldistanzierter.

Nicht alle der hier aufgeführten Verhaltenswei-sen und Merkmale sind in jedem Fall Hinweiseauf Schuldistanz. Die genannten Verhaltenswei-sen können auch ein Hinweis auf andere Proble-me von Schüler/innen sein. Vor diesem Hinter-grund bedarf es ihrer sorgfältigen Interpretation,um wirksame Präventionsmaßnahmen zu ent-wickeln. Dabei wird es vor allem darauf ankom-men,

Gespräche mit der Schülerin/dem Schüler zuführen,rechtzeitig mit den Eltern Kontakt aufzuneh-men und mit ihnen ins Gespräch zu kommen(siehe hierzu: Gespräche mit den Eltern, Sei-ten 22 und 26),

22

Schüler/innen und Eltern bei den Gesprächenmitzuteilen, welche Beobachtungen bzgl. desVerhaltens der Schülerin/des Schülers gemachtwurden und welche Sorgen seitens der Lehr-kräfte damit verknüpft werden,mögliche Ursachen für das beobachtete Ver-halten im gemeinsamen Gespräch zu ergrün-den,ggf. Schülerpatenschaften einzurichten, diegewährleisten, dass bei Krankheit Kontakt zumkranken Kind gehalten wird, ihm Hausaufga-ben gebracht werden und es beim Nachholendes versäumten Stoffes unterstützt wird,Veränderungen innerhalb der Schule (vgl. dazuSeite 16 ff. - Die Bedingungen für das Lernenin der Schule verändern) zu realisieren, soferndie Ursachen im weitesten Sinne in der Schulezu finden sind,mit den Betroffenen zu besprechen, wie ge-holfen werden kann, sofern die Ursachen imweitesten Sinne außerhalb von Schule zu fin-den sind,ggf. mit dem zuständigen SchulpsychologischenBeratungszentrum Kontakt aufzunehmen,ggf. mit dem zuständigen Jugendamt Kontaktaufzunehmen,ggf. mit sonstigen Diensten, evtl. mit demGesundheitsamt, Kontakt aufzunehmen,Vereinbarungen mit allen Betroffenen zu tref-fen und deren Einhaltung in kurzen Abstän-den, regelmäßig zu überprüfen und zwar so-wohl bei den Schüler/innen und den Lehrkräf-ten (ggf. den Sozialpädagogen/Sozialpädago-ginnen) als auch bei den Eltern.

Zusammenarbeit mit den Eltern

Das Gespräch mit den Eltern potentiell schul-distanzierter Kinder und Jugendlicher zu suchen,ist ein zentraler Aspekt im Zusammenhang mitder Prävention von Schuldistanz. Unter anderemwird es ganz wesentlich von solchen Gesprächenabhängen, inwieweit es gelingt, die oben ge-nannten Verhaltensweisen von Schüler/innen rich-tig zu deuten und die notwendigen Informatio-nen dafür zu erhalten20. Die im Folgenden darge-stellten Grundsätze für Elterngespräche berück-sichtigen sowohl den Beziehungsaspekt als auchden inhaltlichen Aspekt der Kommunikation mitEltern.

Grundsätze für Elterngespräche im Rah-men der Prävention von Schuldistanz

Von zentraler Bedeutung ist es,

eine ruhige, räumlich ansprechende und vonWertschätzung getragene Gesprächsatmo-sphäre zu schaffen,in geeigneter Weise deutlich zu machen,dass das Gespräch grundsätzlich von derSorge um die Schülerin/den Schüler getra-gen ist,zu beachten, dass Kritik nur angenommenwird, wenn sich Eltern trotz aller Schwierig-keiten akzeptiert und anerkannt fühlen,die Erkenntnis zu berücksichtigen, dass Schul-distanz auch ein Ergebnis der Kommunika-tion zwischen Schüler/innen und Lehrkräf-ten sowie der inhaltlichen und organisatori-schen Gestaltung des Unterrichtes sein kann,deutlich zu machen, dass Lehrkräften ge-genüber geäußerte Kritik ernst genommenwird,klar zu stellen, dass es im Rahmen des Ge-sprächs um die gemeinsame Suche nachLösungen geht,eine Balance zwischen anerkennenden Äu-ßerungen über das Kind einerseits sowieklar und deutlich formulierten Informatio-nen über bestehende Probleme andererseitszu schaffen,zu signalisieren, dass Sie das Verhalten desKindes/der Eltern verstehen, dennoch aberdamit nicht einverstanden sind,Kritisches nicht als Vorwurf, jedoch unmiss-verständlich zu formulieren,sich über das Wissen der Eltern in Bezugauf die von Ihnen beobachteten Verhaltens-weisen des Kindes zu erkundigen,sich nach den Interpretationen der Elternhinsichtlich dieses Verhaltens zu erkundigen,sich darüber informieren zu lassen, ob undggf. mit welchen Maßnahmen die Elternauf das Verhalten ihres Kindes reagiert ha-ben, bzw. ob bereits Hilfestellung von außengeleistet wird und welchen Erfolg diese Maß-nahmen bislang hatten,mit den Eltern über deren Pflichten und diedamit verbundenen Anforderungen an dieErziehung ihres Kindes zu sprechen.

20 Fortbildungen im Bereich von Kommunikationstrainings können das Führen von Elterngesprächen wesentlichunterstützen.

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Die schulpsychologischen Beratungszen-tren als Partner bei der Prävention

Das für Ihre Schule zuständige SchulpsychologischeBeratungszentrum kann Ihre Arbeit unterstützendurch

Beratungs- und Begleitungsangebote zur Ge-staltung eines guten Schulklimas, das geprägtist durch aktive Teilhabe aller am SchullebenBeteiligten und einer Haltung der gegenseiti-gen Wertschätzung,die Sensibilisierung des Kollegiums zur Erken-nung früher Anzeichen von Entwicklungen zurSchuldistanz und des Spektrums der Verur-sachungsbedingungen (als Beitrag in pädago-gischen Diskussionen in Gesamtkonferenzen,Klassen- oder Jahrgangskonferenzen u. a.)Beratung bei der Erarbeitung und Etablierunginstitutioneller Umgangs- und Verfahrensrege-lungen im Sinne eines raschen und konse-quenten Handelns bei ersten Anzeichen vonSchuldistanz undberatende Begleitung von schulinternen Teamsspeziell vorbereiteter Kollegen/Kolleginnen(Schulleitung, Lehrer/innen, Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen und Erzieher/innen) an denSchulen (Training in Gesprächsführung, Media-tionsangebote, Unterrichtsgestaltung/Förderungu. a.).

Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe

Grundlage der Handelns der Jugendhilfe ist dasSGB VIII, das Achte Buch des Sozialgesetzbuches(häufig auch als Kinder- und Jugendhilfegesetz- KJHG - bezeichnet). Die wesentlichen Aufgabensind in § 1 „Recht auf Erziehung, Elternverant-wortung, Jugendhilfe“ formuliert:

(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förde-rung seiner Entwicklung und auf Erziehung zueiner eigenverantwortlichen und gemeinschafts-fähigen Persönlichkeit.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind dasnatürliche Recht der Eltern und die zuvörderstihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigungwacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechtsnach Absatz 1 insbesondere1. junge Menschen in ihrer individuellen und

sozialen Entwicklung fördern und dazu beitra-

gen, Benachteiligungen zu vermeiden oder ab-zubauen,

2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte beider Erziehung beraten und unterstützen,

3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihrWohl schützen,

4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungenfür junge Menschen und ihre Familien sowieeine kinder- und familienfreundliche Umweltzu erhalten oder zu schaffen.

Die Jugendhilfe hat demnach keinen eigenständi-gen Erziehungsauftrag. Sie soll die Eltern oderErziehungsberechtigten bei der Erziehung und beider Realisierung förderlicher Entwicklungsbedin-gungen sowie die Kinder und Jugendlichen selbstbei der Lebensbewältigung unterstützen. Für dieUnterstützung der Eltern ist ein freiwilliges Ver-hältnis zwischen Familie und Jugendhilfe die Vo-raussetzung.

Das heißt, Jugendhilfe erreicht in der Regel nurdie Eltern und Kinder, die diese Hilfe annehmenwollen. Fachliche Einschätzungen über die Hilfe-bedürftigkeit haben für die Betroffenen in der Regelnur Hinweischarakter und können nicht an dieStelle des elterlichen Willens gesetzt werden. ImFeld der Jugendhilfe soll zur Verwirklichung derLeistungsansprüche von Eltern nach dem SGB VIIIfür die Kinder ein qualifiziertes professionellesAngebot bereitgehalten werden. Es obliegt derEntscheidung der Eltern, Angebote des Jugend-amtes zur partnerschaftlichen Begleitung anzuneh-men und in diesem Rahmen professionelle Erzie-hungs- und Entwicklungshinweise zu akzeptieren,sich an der Entwicklung und Ausgestaltung derHilfe zu beteiligen und den Zeitpunkt der Beendi-gung der Unterstützung festzulegen.

Nach § 81 SGB VIII sind die Träger der öffentli-chen Jugendhilfe zur Zusammenarbeit mit ande-ren Stellen und öffentlichen Einrichtungen imRahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse verpflich-tet. Hierzu gehört auch die Schule.

In Verbindung mit der Schule hat die Jugendhilfedie Sozialisierungs- und Betreuungsbereiche Kin-dertagesstätte, Vorschule und Hort, die Angebots-formen der offenen Jugendarbeit, der Jugend-sozialarbeit und der Hilfen zur Erziehung einzu-beziehen. Dabei gewährt die Jugendhilfe u. a.folgende Leistungen:

Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozial-arbeit und des erzieherischen Kinder- und Ju-gendschutzes (§§ 11 bis 14 SGB VIII),

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Angebote zur Förderung der Erziehung in derFamilie (§§ 16 bis 21 SGB VIII),Hilfen zur Erziehung und ergänzende Leistun-gen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 38, 39, 40 SGB VIII),Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Ju-gendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35 abis 37, 39, 40, vgl. § 2 (2) SGB VIII).21

Schulbezogene Sozialarbeit (§ 13,1 SGB VIII- Jugendsozialarbeit - in Verbindung mit § 14,2AG22 KJHG) ist ein Handlungsfeld der Jugendhilfeund hat ihre Verortung primär in der Schule. Sieumfasst eine eigene spezifische sozialpädagogi-sche Handlungskompetenz. Der Jugendhilfeträgerist gleichberechtigter Partner der Schule.Schulbezogene Jugendsozialarbeit bietet Schüler-innen und Schülern, die zum Ausgleich sozialerBenachteiligung oder zur Überwindung individu-eller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße aufUnterstützung angewiesenen sind, sozialpädago-gische Hilfe an, die ihre schulische Ausbildungund ihre soziale Integration fördern.

Die Hilfe soll dazu beitragen, Lern- und Verhaltens-schwierigkeiten einzelner Schüler und Schülerinnen,die sich im Verlauf des Unterrichts oder des ge-samten Schulalltages zeigen, zu überwinden.Darüber hinaus ist sie ein Lernfeld für alle Berei-che der Persönlichkeitsentwicklung junger Men-schen. Die Angebote sind sowohl gruppen- alsauch einzelfallbezogen.

Ziele sind:

Schulbezogene Jugendsozialarbeit soll Schü-lern Hilfestellung für die Alltagsbewältigungermöglichen sowie die Eigeninitiative der Schü-ler/innen fördern.Schüler/innen mit individuellen sozialen Pro-blemlagen sollen in der Schule durch sozial-pädagogische Hilfestellung, inkl. Lehrer- undElternberatung integriert werden.Schulbezogene Jugendsozialarbeit soll zur Öff-nung und Kooperation von Schulen mit ihremgesellschaftlichen Umfeld beitragen.

Die Arbeitsfelder der schulbezogene Jugend-sozialarbeit sind jeweils unter den spezifischenörtlichen Bedingungen zu bestimmen und zugestalten. Im Sinne ganzheitlicher Unterstützungund Förderung junger Menschen konzentrieren

sich die Angebote vor allem auf den außer-unterrichtlichen und den außerschulischen Bereich.Im Einzelnen können das sein:

Kooperation von Sozialpädagogen/Sozial-pädagoginnen und Lehrern und Lehrerinnenbei Unterrichtsprojekten, sozialpädagogischeBeratung von Lehrkräften,Mediation und Konfliktmanagement,sozialpädagogische Beratung von Schülern undSchülerinnen bei Lern- und Verhaltenspro-blemen; vertiefte Formen von Elternarbeit undVernetzung mit anderen Förderangeboten derJugendhilfe,gemeinsame Projekte im Sinne übergreifendenLernens, z. B. bei sozialstrukturellen Fragen wieWohnen und Arbeitslosigkeit,Unterstützung in Fragen des Übergangs vonder Schule in den Beruf - Berufsfindung und -orientierung, Kontakt zur Berufsberatung, be-sondere Förderung etc.,Mithilfe bei der Förderung einzelner Schüler/innen bei Lern- und Leistungsproblemen so-wie bei Verhaltensauffälligkeiten,Drogenprävention,Sexualerziehung,Interkulturelles Lernen,Schülerinnenberatung,Schulstationen/Schülerclubs,Beratung bei gravierenden Ereignissen, wie z. B.Trennung der Eltern, Sorgerechtsproblemen, etc.,Hilfe und Beratung für Schüler/innen, die Op-fer von Gewaltdelikten wurden und sozial-pädagogische Angebote für straffällig gewor-dene junge Menschen,Angebote der Sprachförderung,Freizeitpädagogik.

Zur Ergänzung des Handlungsspektrums schuli-scher Maßnahmen bei Auffälligkeiten von Schüler-innen und Schülern ist der frühzeitige Kontaktzum Jugendamt sinnvoll. Dabei geht es sowohlum fachliche Beratung als auch um Konsultatio-nen der Beteiligten. Die präventiven Möglichkei-ten sozialpädagogischen Handelns können sogenutzt werden, um auf Probleme einzugehenund die schulische Ausbildung zu sichern.Verschiedene, untereinander zu vernetzende Hilfe-formen sollen junge Menschen in ihrer individu-ellen und sozialen Entwicklung fördern, Benach-teiligungen vermeiden oder abbauen.

21 Wenn Sie sich für den genauen Wortlaut der einzelnen Paragraphen interessieren, dann lesen Sie bitte imAnhang nach. Dort sind auch die einzelnen Leistungen der Jugendhilfe genauer beschrieben.

22 Berliner Ausführungsgesetz zum KJHG.

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Intervention

Die Entwicklung eines Interventionskonzeptes imZusammenhang mit Schuldistanz sollte als Er-gänzung zu dem und in Verbindung mit demPräventionskonzept gestaltet werden. Dabei gehtes um den möglichen Umgang mit den Stufen 2bis 4 von Schuldistanz (vgl. Erscheinungsformenvon Schuldistanz, Seite 7). Zunächst gilt es, eineBestandsaufnahme der Fehlzeiten durch das Auf-listen aller Fehltage auf den Halbjahreszeugnissenvorzunehmen. Zusätzlich könnte auch das Zu-spätkommen und Versäumen einzelner Unterrichts-stunden festgehalten werden. Diese Bestands-aufnahme kann dann als Grundlage für die Be-sprechung des Themas auf einer Gesamtkonferenzherangezogen werden.

Allgemeine Grundsätze eines auf der Grundlageder Bestandsaufnahme zu entwickelnden Interven-tionskonzeptes, das ggf. in enger Verbindung mitdem (noch zu entwickelnden) Schulprogrammstehen sollte, könnten die folgenden sein:

Die Bestandsaufnahme der Fehlzeiten vonSchülerinnen und Schülern wird fortlaufenddurchgeführt, ausgewertet und besprochen.Schülerinnen und Schülern, die sich von derSchule entfernen, wird in der pädagogischenArbeit besondere Aufmerksamkeit zuteil.Die Kooperation mit Eltern und bei Bedarf mitdem Schulpsychologischen Beratungszentrum,dem Jugendamt und anderen Einrichtungenwird fortentwickelt und bei Bedarf intensiviert.Schülerinnen, Schüler und Eltern werden inregelmäßigen Abständen über die Bedeutungund die rechtlichen Grundlagen der Schulpflicht(§ 16 SchulG, s. Anhang, Seite 58 f.) informiert.Vor allem werden Eltern nichtdeutscher Her-kunftssprache in für sie verständlicher Weiseüber die Bildungschancen ihrer Kinder, dieRahmenbedingungen des Schullebens und dieSchulpflicht informiert.Die Risikofaktoren, die das Fernbleiben von derSchule ohne triftigen Grund begünstigen (vorallem die innerhalb von Schule), werden analy-siert und geeignete Gegenstrategien entwickelt.Es werden Vertrauenslehrer/innen benannt, andie sich Schüler/innen, Lehrkräfte und Elternals Ansprechpartner/innen im Falle von Schul-distanz wenden können.Das Interventionskonzept zum Umgang mitSchuldistanz wird Schüler/innen und Eltern vor-gestellt und in regelmäßigen Abständen über-prüft.

Mögliches Vorgehen im individuellenFall

Wegschauen verstärkt Schuldistanz - Angemes-sene Reaktionen auf Schuldistanz mindernSchuldistanz

Grundsätzlich gilt auch bei der Intervention alldas, was bereits im Kapitel „Prävention“ (vgl.Seite 15 ff.) dargestellt worden ist. Im Einzelfallkönnen die folgenden Interventionsschritte hilf-reich sein und ggf. in ein schulisches Interventions-programm zum Umgang mit Schuldistanz aufge-nommen werden:

Schüler/innen, die häufig zu spät kommen,stundenweise fehlen, häufig fehlen (entschul-digt oder unentschuldigt), Aufmerksamkeitwidmen und ggf. Überblick über deren Fehl-zeiten erstellen,bei erfolglosen telefonischen Kontaktversuchendie Schülerin/den Schüler zuhause aufsuchen,die Erziehungsberechtigten bereits am 1. Fehl-tag anrufen, falls keine Entschuldigung vor-liegt,notfalls Eltern schriftlich informieren und dar-um bitten, die Gründe für das Fehlen ihresKindes zu erläutern,Führen eines kooperativen Gesprächs mit demSchüler/der Schülerin (durch eine Lehrkraft odereinen Schulsozialarbeiter - je nachdem, werden besten „Draht“ zu ihm/ihr hat) und ohneVorwürfe und Schuldzuweisungen an den Ju-gendlichen/das Kind mögliche Ursachen für dasschuldistanzierte Verhalten ergründen,ggf. mit den Eltern über mögliche Ursachender Schuldistanz sprechen,Bewusstsein dafür entwickeln, dass die be-troffene Schülerin/der betroffene Schüler sichin einer Notsituation befindet, auch wenn sie/er - in einer teilweise nur schwer nachvollzieh-baren Form - jegliches Hilfeangebot ablehnt,die Bedingungen schulischen Lernens verän-dern, wenn die Ursachen des schuldistanziertenVerhaltens im weitesten Sinne in der Schulezu finden sind (vgl. Seite 13 ff.),mit den Betroffenen besprechen, welche Ein-richtungen eventuell zur Hilfe herangezogenwerden können (z. B. das Jugendamt), wenndie Ursachen schuldistanzierten Verhaltens imweitesten Sinne außerhalb von Schule zu fin-den (z. B. im Elternhaus) sind,ggf. mit Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnenund dem Schulpsychologischen Beratungs-zentrum Kontakt aufnehmen,

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mit allen Beteiligten gemeinsam eine Strate-gie zur Unterstützung des Kindes bzw. Ju-gendlichen entwickeln,Vereinbarungen mit der Schülerin/dem Schü-ler, mit Lehrkräften und Eltern mit dem Zieltreffen, dass der Schüler/die Schülerin wiederregelmäßig zum Unterricht kommt,die Einhaltung dieser Vereinbarungen sowohlbei den Schüler/innen, den Lehrkräften als auchbei den Eltern überprüfen (je nach Art derVereinbarung täglich, wöchentlich etc.),die Kommunikation zwischen allen Beteiligtenintensivieren, flexible Gestaltung des Wieder-einstiegs ermöglichen (z. B. Kombination mitPraxisplatz und langsamem Aufbau von struk-turiertem Tagesablauf), dabei Eltern und an-dere Bezugspersonen einbeziehen,sollte sich herausstellen, dass eine weitereRegelbeschulung vorläufig nicht möglich ist,sollten folgende weitere Institutionen einbe-zogen werden:- Verhaltensambulanz zur Beratung der Leh-

rer/innen

- Schulpsychologisches Beratungszentrum (Be-ratung, Diagnostik, Schullaufbahnberatung,Begutachtung zu therapeutischen Hilfen)

- Allgemeine Sozialpädagogische Dienste(ASpD) der Jugendämter,

Schüler/innen und Schüler willkommen heißen,wenn sie nach einer Weile wiederkommen.

Zusammenarbeit mit den Eltern

Das Gespräch mit den Eltern schuldistanzierterKinder und Jugendlicher ist auch im Zusammen-hang mit der Intervention ein zentraler Bestand-teil pädagogischen Handelns. Die im Teil Präven-tion dieser Handreichung dargestellten Grundsätzefür Elterngespräche (vgl. Seite 22) gelten imWesentlichen auch auf für den Bereich der Inter-vention bei Schuldistanz. Im Rahmen von Eltern-gesprächen, die anlässlich einer Interven-tion beiSchuldistanz geführt werden, sol l tenjedoch einige weitere Grundsätze Berücksichti-gung finden.

Grundsätze für Elterngespräche im Bereich der Intervention

Formulieren Sie als Ziel der Gespräche, die Eltern für eine enge und kontinuierliche Zusammen-arbeit zur Lösung der anstehenden Probleme zu gewinnen.Klären Sie,- was die Eltern bisher über das Fehlen ihres Kindes in der Schule wissen,- was sie bisher unternommen haben, damit das Kind wieder regelmäßig am Unterricht

teilnimmt und- welche Form der Unterstützung gewünscht wird und von den Eltern mitgetragen werden

kann.Weisen Sie darauf hin, dass die Erziehungs- und Familienberatungsstellen- Unterstützung und Hilfe durch individuelle Beratung geben, damit Eltern, z. B. bei „puber-

tierenden“ Schuldistanzierten Kraft schöpfen und „durchhalten“,- dabei helfen, die sozialen, familiären und individuellen Hintergründe des/der Schuldistan-

zierten zu ergründen,- Eltern beim Suchen und Entdecken eigener Ressourcen und bei deren kreativer Umsetzung

(Erarbeitung von Bewältigungsstrategien bei zu großen psychosozialen Belastungen) unter-stützen und

- Eltern dabei helfen, die Beziehungen zu ihrem Kind möglichst wieder in einen als positiverlebten Kontext zu bringen (kleine, gemeinsame erlebte Erfolge, den Stolz der Eltern auf ihrKind wecken).

Weisen Sie diejenigen Eltern, die trotz intensiver Bemühungen nicht in der Lage oder willenssind, eine eindeutige Haltung im Konflikt mit ihrem schuldistanzierten Kind einzunehmen undihre elterliche Verantwortung entweder nicht wahrnehmen können oder den Schulbesuch ihresKindes (bewusst oder unbewusst) verhindern, auf die gesetzlichen Möglichkeiten zur Durchsetzungder Schulpflicht hin.Machen Sie deutlich, dass in diesen Fällen mit einer Schulversäumnisanzeige zu rechnen ist unddass ggf. das Jugendamt eingeschaltet wird.Die Botschaft an Eltern und Schüler/innen muss in diesen Fällen lauten:

Unentschuldigtes Fehlen führt zu Konsequenzen

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Die schulpsychologischen Beratungszen-tren als Partner bei der Intervention

Auch im Zusammenhang mit der Intervention beiSchuldistanz können die SchulpsychologischenBeratungszentren wertvolle Hilfestellung leisten.Sie sind zuständig für die

Vermittlung von und die Moderation bei Ge-sprächen zwischen betroffenen Schüler/innenund Schule/Eltern/Jugendhilfe sowie begleitendeBeratung der Beteiligten,diagnostische Abklärung und die daraus fol-gende fachdiagnostische Empfehlung von mög-lichen Perspektiveninnerhalb des Regelschulsystems

(z. B. individuelle „Verträge“ zur Entwicklungverbindlicher Arbeits- und Lernbedingungen,Herausfinden der adäquaten Beschulungs-form, zeitweises „Lernen am anderen Ort“in Form von Praktika, Aufbau von Schul-projekten in der Schule)

und außerhalb des Regelschulsystems(Jugendhilfe und andere Institutionen, Mit-arbeit an der Erstellung eines individuellenFörderplanes als möglichem Lösungsansatz,Empfehlung eines Hilfeangebotes, Abgren-zung zu psychiatrisch zu behandelnden Kin-dern, z. B. zu Kindern mit Schulphobie undkinderpsychiatrischen Erkrankungen).

Mitarbeit in schulübergreifenden Beratungs-teams zur Schuldistanz auf regionaler Ebenemit dem Ziel, mit allen beteiligten Institutio-nen die Grundlage für eine abgestimmte, ef-fektive Handlungsweise zu schaffen.

Kooperation mit der Jugendhilfe

Schulische und außerschulische Lebenswelt über-schneiden sich, beeinflussen einander und sindnicht klar voneinander zu trennen. Schulproblemeweisen nicht nur auf Leistungsprobleme hin, son-dern können immer auch Ausdruck von Lebens-,Entwicklungs- und sozialen Problemen sein.Andererseits erzeugt Schule selbst Belastungen.Schulprobleme können bei den Betroffenen zumwesentlichen Maßstab ihres Selbstwertes werden,denn die Außenwelt teilt Anerkennung auch nachschulischem Erfolg zu (vgl. hierzu Seite 17). Durchschulische Misserfolge können sich familiäre undsoziale Probleme entwickeln.

Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schuleist um so mehr notwendig, als aus der pädagogi-schen Praxis über eine Zunahme der Schwierigkei-ten mit Schülern und Schülerinnen berichtet wird.Dabei werden Störungsfelder sichtbar, die im Rah-men der Regelschule immer häufiger zur Desinte-gration der betroffenen Kinder und Jugendlichenführen. Innerhalb des Systems Schule sind nichtimmer ausreichende Möglichkeiten vorhanden, dieIntegration oder Anpassung schwierigster Kinderan die gesetzten schulischen Anforderungen ineigener Regie erfolgreich zu bewältigen.

Jugendhilfe ist in der Lage, qualifizierte Hilfenbei schulischen Überlastungs- und Desintegrations-problemen zu geben. Sie kann sich des Einzelfal-les pädagogisch/therapeutisch annehmen oderinnerhalb von Einrichtungen andere konzeptio-nelle Wege für schulbezogene individuelle Hilfenentwickeln (vgl. Seite 60 ff. und 66 ff.).

Allerdings setzen Hilfen häufig zu spät ein. Län-gere Desintegrationsphasen führen dazu, dass einebedenkliche Zahl von Kindern und Jugendlichendie Schule nicht mehr als einen verpflichtendenTeil ihrer Lebensorganisation wahrnimmt und sichauch wegen subjektiver Überlastungsempfindun-gen der Schule entzieht. Diese Problemlage weistauch auf Eltern und Erziehungsberechtigte alsZielgruppe hin. Die verstärkte Delegation von Er-ziehungs- und Betreuungsaufgaben auf Schuleund Jugendhilfe ist Folge und Ausdruck dessen,dass die primäre Entwicklungsverantwortung vonden Eltern nicht immer im nötigen Maße wahr-genommen wird. Hierzu können in der Familiedie Voraussetzungen fehlen.Daraus folgt, dass der Entwicklung von Erziehungs-kompetenz, aber auch der Schaffung kindgerechterund familienfreundlicher Rahmenbedingungen weitmehr Aufmerksamkeit zukommen muss: BeiLeistungsfehlentwicklung und Desintegrations-erscheinungen ist es Ziel, die Wiederannäherungder Kinder an das System Schule zu ermöglichen.Diese Entwicklung kann ggf. durch schulischeFördermöglichkeiten unterstützt werden. Sie kannebenso durch Angebote der Jugendsozialarbeit,deren Ziel das frühzeitige Erkennen von Gefähr-dungsmomenten bereits im Vorfeld von Desinte-grationsprozessen ist, gefördert werden. Therapeu-tische Hilfen können im Bedarfsfall die Konflikt-bewältigung zusätzlich unterstützen und diePersönlichkeitsentwicklung stärken.

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Individuelle Probleme von Kindern oder Jugendli-chen werden von Fachleuten bewertet, wenn diesebei den Kindern oder Jugendlichen nach Beob-achtungen im sozialen Feld der Schule erkanntworden und auch dann, wenn Schüler/innen län-gere Zeit nicht mehr in der Schule erschienensind. Auffälligkeiten sollen so früh wie möglichzu der fachlichen Abwägung führen, ob eine Hil-fe bereits bei Ansätzen ernsterer Störungen dieDesintegrationsentwicklung aufhalten kann.

Die schulische Förderplanung und die jugendhilfe-rechtliche Hilfeplanung setzen in abgestimmterForm (Idealfall) Rahmen und Ziele für die not-wendige individuelle Entwicklungsförderung undbestimmen verantwortlich für die jeweiligen Be-reiche entsprechende Hilfen. Die Beteiligung derEltern ist Voraussetzung und zentraler Bestand-teil dieser Förder- und Hilfeplanung. Ebenso sinddie Kinder bzw. Jugendlichen einzubeziehen undangemessen zu beteiligen, damit nicht nur übersie, sondern mit ihnen beraten wird.

Die von allen Seiten immer wieder betonte Not-wendigkeit der Kooperation von Schule und Ju-gendhilfe sollte, wenn sie dauerhaft erfolgreichsein soll, nicht erst bei sogenannten Kooperations-projekten für hartnäckig Schule verweigernde Kin-der und Jugendliche einsetzen. Sie kann gelin-gen, wenn sie gewollt ist, wenn sie außerhalbvon Krisenintervention beginnt und wenn sie aufder Grundlage abgeklärter Positionen stattfindet.Praktisch empfiehlt es sich, dass Schulen mit demörtlich zuständigen Jugendamt Kontakt aufneh-men und z. B. einmal im Jahr eine(n) Mitarbei-ter(in) zu einer Gesamtkonferenz einladen, in derdie Zusammenarbeit Thema ist.Auch Mitarbeiter/innen des Jugendamtes solltenaktiv den Kontakt zu Schulen suchen, um überAngebote der Jugendhilfe und deren Vermittlungs-wege zu informieren. Regelmäßige Kommunika-tion hilft, um bei schwierigen Einzelfällen rascherin Kontakt zu kommen und die jeweils andereProfession zu respektieren. Darüber hinaus be-nötigt Kooperation eine strukturelle Sicherung.System- und zuständigkeitsübergreifende Bedarfs-aussagen von Jugendhilfeplanung, Schulent-wicklungsplanung und ggf. Gesundheitsplanungmüssen die Basis aller Initiativen und eventuellerKooperationsprojekte sein. Über vernetzte undabgestimmte Planungsprozesse sind die Rahmen-bedingungen der Hilfestruktur kooperativ zu si-chern.

Jugendhilfe kann also nicht aufgerufen sein, ei-genständige Programme zur Beschulung jungerMenschen und damit eine Parallelstruktur zurSchule zu entwickeln. Sie muss kooperativ undabgestimmt mit Schule zusammenwirken. DiesesZusammenwirken kann auch in Form von gemein-samen Projekten für schuldistanzierte Kinder undJugendliche erfolgen, besonders dann, wenn essich um Schülerinnen und Schüler handelt, diesich bereits dauerhaft von Schule entfernt ha-ben. Sie profitieren zunächst nicht mehr von vor-rangig präventiven Maßnahmen (z. B. von Schul-stationen oder schulbezogener Jugendsozialarbeit),sondern benötigen Hilfe, um sich der Schuleüberhaupt wieder nähern zu können.

Bei Fällen anhaltender Schuldistanz kann sich,wenn andere Hilfemaßnahmen entweder nichterfolgreich waren oder von vornherein nicht sinn-voll erscheinen, ein Kooperationsprojekt Schule/Jugendhilfe mit der Zielstellung der Reintegrati-on in eine Regelschule als angezeigt erweisen.Dazu gibt es die im Folgenden angeführten Min-destanforderungen an Verfahren und Qualität.

Verfahrens- und Qualitätsanforderungen fürKooperationsprojekte:

1. Konzepte zur Integrationssicherung und Reinte-grationsförderung sind von Schule und Jugend-hilfe gemeinsam zu erarbeiten.

2. Standortplanungen sind so zu treffen, dasskooperierende Schule/n und Leistungsangebotder Jugendhilfe regional verbunden sind undeine organische, sozialräumliche und aufwands-mindernde Verbindung für den Schüler oderdie Schülerin gegeben ist.

3. In der Planungsphase ist festzulegen, welcheBeiträge Schule und Jugendhilfe zur Realisie-rung des Projektes leisten, wie sozialpädago-gische, schulische und gegebenenfalls berufs-vorbereitende Angebote miteinander verknüpftsind und wie die Eltern eingebunden werden.

4. Die Zusammenarbeit von Schule und Jugend-hilfe im Kooperationsprojekt ist vertraglich zuvereinbaren (vgl. dazu Musterkooperations-vereinbarung im Anhang, Seite 68 ff.). Ver-einbarungspartner sind das örtlich zuständigeSchulamt und das örtlich zuständige Jugend-amt sowie die verantwortliche Schule und der

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verantwortliche Maßnahmeträger. In der Ver-einbarung ist - neben den unter Nr. 3 aufge-führten Regelungen - auch der Umgang mitStörungsmeldungen festzulegen.

5. Schule und Jugendhilfe führen die Maßnahmein gemeinsamer Verantwortung durch.

6. Es erfolgt eine gemeinsame Evaluation.

Bei Unklarheiten im konkreten Einzelfall hilft daszuständige Jugendamt. Sollten in der Schule keineTelefonnummern von Mitarbeiter/innen des Allge-meinen Sozialpädagogischen Dienstes des zustän-digen Jugendamtes bekannt sein, erreicht mandiese über die zentralen Einwahlnummern desBezirksamtes und dort über den Tagesdienst desJugendamtes. Hier kann der/die zuständige Mitar-beiter/in ermittelt werden. Es ist hilfreich, wenn inden Schulen Listen vorliegen, die sowohl die Strukturdes betreffenden Jugendamtes aufzeigen(Organigramm) als auch Namen und Telefonnum-mern von Mitarbeiter/innen des Allgemeinen sozi-alpädagogischen Dienstes angeben und die regel-mäßig aktualisiert werden. Auch für die Jugend-ämter ist die Liste aller örtlichen Schulen mit Tele-fonnummern und Ansprechpartner/innen eineOrientierungshilfe.

Die Hilfeanfrage an das Jugendamt setzt einenergebnisoffenen Such- und Zuordnungsprozess inGang. Dieser sollte nicht vorweg eingeengt wer-den durch Präferenzen für bestimmte Angebote,die Lehrer/innen im Gespräch mit Eltern oder Schü-ler/innen zeigen.

Das Jugendamt berät mit den Eltern und demKind bzw. dem/der Jugendlichen darüber, obJugendhilfemaßnahmen von diesen gewollt sindund welche Hilfeangebote im jeweilig konkretenFall als notwendig erscheinen. Dabei soll einevorschnelle Fokussierung auf die sog. Hilfen zurErziehung vermieden werden. Geprüft wird des-halb in einem ersten Schritt, was es im sozialenUmfeld an Ressourcen gibt und ob und wie diesezu einer Problembewältigung genutzt werdenkönnen. Geht es im Weiteren um Hilfen zu Erzie-hung, ist immer abzuklären, ob in der Hilfe-perspektive angestrebt wird, die Erziehungs-bedingungen in der Herkunftsfamilie zu verbes-sern, um bessere Entwicklungsbedingungen zuschaffen und das weitere Zusammenleben derFamilie zu ermöglichen oder (vorübergehend) ei-nen neuen Lebensort außerhalb der Familie zu

schaffen. Münden diese Beratungen in ein Hilfe-planverfahren, ist spätestens dann ein Vertreterder Schule daran zu beteiligen. Sinnvoll erscheintes, die Klassenlehrerin/den Klassenlehrer in diesesHilfeplanverfahren einzubeziehen, ihn kontinuier-lich zu informieren und bei Absprachen zu betei-ligen. Die gegenseitige und zeitnahe Informationüber eingeleitete Schritte über das eigentlicheHilfeplanverfahren hinaus sollte möglichst mitZustimmung der Betroffenen erfolgen, ansonstenunter Berücksichtigung des Datenschutzes.

Das KJHG ist als Leistungsgesetz definiert (einge-fügt als VIII. Buch in das Sozialgesetzbuch). Aufdie Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. in ambu-lanter, teilstationärer und stationärer Form be-steht ein individueller Rechtsanspruch, wenn einedem Wohle des Kindes oder des/der Jugendli-chen entsprechende Erziehung nicht gewährleis-tet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeig-net und notwendig ist. Dabei hat das Jugendamtseine Leistungen so zu erbringen, dass Eingriffein die elterliche Sorge vermieden werden, Elternalso motiviert werden, Hilfen anzunehmen. Erstwenn Eltern nicht bereit und in der Lage sind,entsprechende Hilfen anzunehmen, um damit ihrerErziehungsverantwortung gerecht zu werden, unddadurch das Kindeswohl gefährdet wird, sind Ein-griffe in das elterliche Sorgerecht durch dasFamiliengericht möglich (in der Praxis aber schwie-rig).

Wenn Eltern andererseits eine Hilfe wünschen,die nach fachlicher Einschätzung nicht geeignetist, darf diese nicht bewilligt werden. Hilfe zurErziehung wird ebenfalls nicht gewährt, wennnach fachlicher Beurteilung keine Notwendigkeitbesteht, weil Angebote außerhalb der Jugendhil-fe oder Möglichkeiten der Unterstützung undEntlastung außerhalb der Hilfen zur Erziehungzur Überwindung der Problemlage ausreichen(s. o.).

Die Zielgruppe der schuldistanzierten Kinder undJugendlichen ist keine homogene Gruppe, Schul-distanz häufig nur ein, wenn auch gravierendesProblem. Unter dem individuellen Aspekt des Hilfe-plans können sich verschiedene Möglichkeiten vonHilfebedarf und entsprechend daraus resultieren-den Maßnahmen ergeben. Dabei kann es sich imkonkreten Einzelfall auch um ein Kooperations-projekt für schuldistanzierte Kinder bzw. Jugend-liche handeln (vgl. dazu Musterkooperationsver-einbarung, Seite 68 ff.).

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Anhang

Schulen stellen sich vor

Vorbemerkung

Das Thema Schuldistanz hat in der öffentlichenund in der fachpolitischen Debatte bislang keinengroßen Stellenwert gehabt. Erst in den letztenJahren wurde ihm vermehrt Aufmerksamkeit ge-schenkt, was unter anderem dazu führte, dasserste umfassende Untersuchungen sowohl zumAusmaß von Schuldistanz durchgeführt wurden(vgl. Seite 8 ff.) als auch solche, die sich mit denReaktionen der Kultusbehörden auf Schuldistanzauseinandersetzen (z. B. Ehmann/Rademaker). Esist deshalb nicht erstaunlich, dass im Hinblick aufStrategien zur Reduzierung von Schuldistanz bislangkaum evaluierte Konzepte vorliegen und in derPraxis zur Anwendung kommen.Vor diesem Hintergrund bestand bei der Aus-wahl von best-practise Beispielen hinsichtlich desUmgangs mit dem Problem Schuldistanz nichtdie Möglichkeit, Konzepte und einzelne Maßnah-men von Schulen darzustellen, deren Erfolg hin-sichtlich der Reduzierung von Schuldistanz alswissenschaftlich abgesichert gelten kann.Da jedoch umfangreiche und plausible Erklärungs-ansätze für die Entwicklung von Schuldistanzvorliegen (vgl. z. B. Thimm), in denen ein ganzesUrsachenbündel für die Entstehung von Schul-distanz verantwortlich gemacht wird (vgl. hierzuSeite 13 ff.), konnte bei der Auswahl von beispiel-haft darzustellenden Schulen und Kooperations-projekten von Schule und Jugendhilfe als Krite-rium zu Grunde gelegt werden, inwieweit sichdiese mit ihren jeweiligen Konzepten und Maß-nahmen auf die in der fachpolitischen Debattegenannten Ursachen der Entstehung von Schul-distanz beziehen. Auch wenn diese Konzepte undMaßnahmen, soweit sie nicht explizit die Arbeitmit schuldistanzierten jungen Menschen zumGegenstand haben, nicht mit der Absicht entwi-ckelt wurden, auf das Problem von Schuldistanzzu reagieren, liefern sie wertvolle und vielfältigeAnregungen zum Umgang mit Schuldistanz inGrund-, Haupt-, Gesamt- und Sonderschulen.Wird das Ausmaß von Schuldistanz künftig zueinem Qualitätsmerkmal von Schulen (vgl. Vor-

wort, Seite 4), wird eine wie immer gestalteteEvaluation von Präventions- und Interventions-strategien im Zusammenhang mit Schuldistanzzu einer unabdingbaren Voraussetzung pädago-gischen Handelns in diesem Bereich und einerweiteren Handreichung wird es vorbehalten sein,best-practise Beispiele auf der Grundlage evalu-ierter Konzepte und Maßnahmen zur Minderungvon Schuldistanz vorzustellen.

Grundschulen

Werbellinsee-Grundschule, Schönberg23

Die Werbellinsee-Grundschule24 ist eine partielleGanztagsschule, an der 500 Schüler/innen lernenund leben. Das Kollegium versteht die Schule alsLern-, Lebens- und Erfahrungsraum für alle Kin-der, in dem Inhalte vermittelt, Lehr- und Lern-prozesse mit den Kindern gestaltet, soziale Begeg-nungen geplant und in diesem Sinne Schul-entwicklung betrieben wird.

Das Schulleben

In einem rhythmisierten und verlässlichen Jahres-kreis sind viele Ziele der Grundschulpädagogikverankert worden. Dieser Rahmen bildet den Aus-gangspunkt für alle Klassenstufen zur Einbettungdes Unterrichts und der Weiterentwicklung metho-disch, didaktischer Methoden hin zu mehr Offen-heit, Differenzierung, Projektorientierung mitAltersmischung. Eine kontinuierliche Verzahnungin Form und Inhalten mit dem Freizeitbereich hatsich entwickelt. Elternmitarbeit und -mithilfe sindein unverzichtbarer Bestandteil des Schullebensgeworden.

Unterrichtliche Konzeption

Ausgehend von vielen unterschiedlichen Ansät-zen zur Öffnung von Unterricht im vorfachlichenBereich bis zur Klasse 4, wobei die Eingangsstufeeine besonders kindorientierte Form des Anfangs-unterrichts darstellt, gibt es drei Merkmale einerKonzeption an der Schule für die Klassen 0 bis 3:Alle Klassen arbeiten im Lese-Schreiblehrgang ohneFibel, um dem unterschiedlichen Entwicklungs-stand, den individuellen Zugangsmöglichkeiten unddem selbstbestimmten, interessengeleiteten Ler-nen aller Kinder Rechnung zu tragen.

23 Geschrieben von Kolleg/innen und der Schulleitung.24 Hier konnten leider nur einige Aspekte aus dem „Schulwegweiser“ zur Darstellung kommen.

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In allen Klassen werden Elemente offener Lern-formen (Arbeit nach Tagesplänen oder Wochen-plänen, in Projekten, in Stationen oder Werkstät-ten, Freiarbeitsphasen oder Expertenvorträgen)praktiziert und diese orientieren sich in ihrerpädagogischen Vielfalt an Montessori, Freinet,Waldorf, Petersen, Reichen usw.Unverzichtbarer Bestandteil der prozesshaften,individualisierten und differenzierten Unterrichts-formen ist die Beurteilung im Rahmen von Lern-entwicklungsberichten (verbale Beurteilung).In den letzten drei Jahren wurde an einer Kon-zeption für die Klassen 4 bis 6 gearbeitet, in derbesonderer Wert auf gemeinsames, selbst-verantwortliches Lernen und Handeln gelegt so-wie die Pädagogik aus den Klassen 0 bis 3 fort-gesetzt und durch alterspezifische Elemente er-gänzt wird:Um der sich immer mehr ausweitenden Hetero-genität der Kinder gerecht werden zu können,müssen ihre unterschiedlichen Lernwege nochbesser erkannt, die Methodenkompetenz erwei-tert und im gesamten Unterricht berücksichtigtwerden. Das führte zu einer Arbeitsweise in Lehr-gängen, teils fachorientiert, teils fächerübergrei-fend. Diese werden durch die Arbeit mit Wochen-plänen im Pflicht-, Wahlpflicht- und Individual-bereich vertieft und verstärkt. Die Projektarbeit(WUV25 ist hier integriert) als drittes Element er-möglicht es, die unterschiedlichen Interessen undBedarfslagen besser aufzugreifen. Durch die syste-matische Verzahnung der drei Unterrichtsformenund durch gezielte Differenzierung können dieleistungsstarken wie die leistungsschwachen Schü-ler/innen angemessen gefördert und gefordertwerden. Das geschieht im Moment in alters-homogenen Klassen und klassenübergreifendenProjekten.

20 Integrationskinder werden gezielt in Sonder-stunden einzeln, in Kleingruppen oder einer „Über-gangsklasse“26 gefördert. Deutsch als Zweitsprachewird für Kinder nichtdeutscher Herkunftsspracheadditiv und integrativ angeboten. Türkischenmuttersprachlichen Unterricht erteilen türkischeLehrer mit den Inhalten Kultur, Geschichte undFolklore.

Teamarbeit

Die Qualifizierung zur Teamarbeit, die für dieunterrichtliche Konzeption der jeweiligen Klassen-stufe und der Freizeitbereiches notwendig ist, istein Schwerpunkt schulinterner und externer Fort-bildung.

Demokratisches Handeln

Kinder benötigen zum demokratischen Handelneine stabile Ich- und Sozialkompetenz. Zur Entwick-lung von Selbstvertrauen, Selbstverantwortung,Toleranz und Kritikfähigkeit wird den Kindernregelmäßig Unterrichtszeit für den Klassenrat zurVerfügung gestellt, in der sie selbstgesteuert The-men und Probleme ihrer Wahl diskutieren undLösungen suchen. Die Schülermitverwaltung greiftim festen Rhythmus Wünsche und Missständeauf, die sie in handlungsorientierten Aktionenumsetzt und aktiv in das Schulleben einbringt.

Der Freizeitbereich

Die 250 Kinder des Freizeitbereiches werden biszur 3. Klasse gruppenbezogen organisiert, wäh-rend für die Klassenstufen 4 bis 6 ein offenesSystem der Betreuung praktiziert wird.Ziel der pädagogischen Arbeit des Freizeitbereichsist es, den Kindern soziale Verhaltensweisen zuvermitteln und ihnen eine sinnvolle Gestaltungder Freizeit zu ermöglichen. Der tägliche Um-gang mit gleichaltrigen, jüngeren und älterenKindern sowie Erwachsenen bietet ein vielfältigesExperimentier- und Übungsfeld, um wichtige Dingewie Selbstbewusstsein, Toleranz, Übernahme vonVerantwortung und die Fähigkeit zur Konflikt-bewältigung zu entwickeln.Abwechslungsreiche Freizeitangebote wie z. B.Werken, Kochen, Sport, Inlineskating, Tanz,Gitarrenspiel, Theater, Basteln, Gesellschaftsspieleermöglichen den Kindern, neue Fähigkeiten ansich zu entdecken und diese zu entwickeln. Sieerleben Freude am aktiven Tun und erfahren aufdiese Weise die Freizeit als Ausgleich und Entlas-tung von Stress und Problemen. In Mädchen-und Jungengruppen setzen sie sich mit ihrer spe-zifischen Rolle in der Vorpubertät auseinander.

25 Wahlpflichtunterricht verbindlich26 Genauere Informationen zur Übergangsklasse finden Sie im Anhang, Seite 50.

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Während der Schulferien gibt es eine Ferien-betreuung, in der Ausflüge gemacht werden undauch einmal verreist wird. Eine Hausaufgaben-betreuung ist während der Schulzeit organisiert.

Kontakt:Telefon 030 75607153eMail [email protected]

Grundschule am Blumenviertel, Pankow27

Die Säulen unseres Schulprogramms

Vor acht Jahren machten wir uns auf, die re-formpädagogischen Ideen und Prinzipien derMontessori-Pädagogik in den Unterricht und dasgesamte Schulleben einfließen zu lassen. Seitdemarbeiten wir an der Weiterentwicklung der reform-pädagogischen Prinzipien „Freiarbeit“, „Binnen-differenzierung“, „Gestaltung der vorbereitetenLernumgebung“, „Jahrgangsübergreifende Lern-gruppen“ und an der Veränderung der „Rolledes/der Lehrer/in“. Seit jeher bemühen wir unsum die Integration von Schülerinnen und Schü-lern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dergemeinsame Unterricht ist zu einem wichtigen,klassenübergreifenden Schulentwicklungsprojektgeworden.

Unsere Räume und Außenanlagen

Die Klassenräume und der Schulhof sind liebevollund kindgerecht gestaltet. Auf dem Schulhof gibtes viel „Grün“. Außerdem bietet die entsiegelte,in großen Teilen naturbelassene Fläche viele Mög-lichkeiten bewegungsintensiven Spiels. Spielgeräteladen zum Klettern und Balancieren ein. In einerEcke des Hofes haben wir einen kleinen Schul-garten angelegt. Bei der Einrichtung der Räumehaben wird darauf geachtet, den Lern- aber auchden Bewegungsbedürfnissen der Kinder Rechnungzu tragen. Die Klassenräume sind nach unseremVerständnis nicht nur Aufenthaltsräume für dasLernen im Unterricht, sondern von Lehrer/innenund Kindern gestaltete Lernumgebungen. Die funk-tionale Einteilung der Räume in Lernbereicheermöglicht den Schüler/innen eine Orientierungnach Inhalten und Sozialformen, so dass einzelne

Kinder oder auch Lerngruppen zu gleicher Zeit anunterschiedlichen Lerngegenständen arbeiten kön-nen. Die Schüler/innen fühlen sich, so sagen sieund so spüren wir es auch, in den Klassenräumenwohl. Sie empfinden ihre Lernumgebungen als eingeordnetes Ganzes, das ihnen Sicherheit, Orientie-rung und Geborgenheit vermittelt.

Zur Montessori-Pädagogik

Das Unterrichtskonzept der 18. Grundschule ba-siert auf der Umsetzung des reform-pädagogi-schen Ansatzes von Maria Montessori im Rah-men einer staatlichen Grundschule. „Montessori-Pädagogik ist ein reformpädagogisches Bildungs-angebot, das sich unmittelbar am Kind orientiertund konsequent die Bedürfnisse des Kindes berück-sichtigt (...).“28

Die Prinzipien der Montessoripädagogik lauten:

„das Kind in seiner Persönlichkeit achten, esals ganzen, vollwertigen Menschen sehen,seinen Willen entwickeln helfen, indem manihm Raum für freie Entscheidungen gibt; ihmhelfen, selbstständig zu denken und zu han-deln,dem Kind Gelegenheit bieten, dem eigenenLernbedürfnis zu folgen, denn Kinder wollennicht nur irgendetwas lernen, sondern zu ei-ner bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes,ihm helfen, Schwierigkeiten zu überwinden stattihnen auszuweichen (...).“

Die herausragende Unterrichtsmethode derMontessori-Pädagogik ist die Freiarbeit.

Sie „ist das Kernstück der reformpädagogischenBildung Montessoris. Die Kinder wählen nach ei-gener Entscheidung, womit sie sich beschäftigen.Das Montessori-Material, die kindgerechte Dar-stellung der Angebote und die gute Beobach-tungsgabe des Erziehers helfen dem Kind dabei,sich für ein Angebot zu entscheiden. Dann be-stimmt das Kind weitgehend selbst den Arbeits-rhythmus und die Beschäftigungsdauer und auch,ob es allein oder mit einem Partner arbeiten,spielen oder lernen möchte. Diese freie Entschei-dung führt zu einer Disziplin, die von innen kommtund nicht vom Erzieher gemacht wird ... Dabei

27 Geschrieben von Frau König und Frau Helbig.28 Dieses und die folgenden Zitate sind der Website: www.montessori.de/montpaed.htm entnommen. Verglei-

che auch: Maria Montessori, Die Entdeckung des Kindes, Freiburg i. Br., 1989.

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verstehen sich die Lehrer/innen nicht nur als un-terrichtende Instrukteure, sondern eher als Helferzur Entwicklung selbständiger Persönlichkeiten. ...“Sie beobachten die Kinder in der Lernsituationund passen die Unterrichtsmaterialien ihrem Leis-tungsniveau an.Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf,langsamer und schneller lernende Kinder könnendaher stets selbstständig und aktiv auf Aufgaben-stellungen zugreifen, die ihrem individuellen

Leistungsvermögen und ihrer Könnensstufe ent-sprechen.Unser Unterrichtskonzept soll den Kindern dieGelegenheit zu selbstständiger, eigenverantwort-licher und selbstbestimmter Arbeit in selbst ge-wählten sozialen Zusammensetzungen (Gruppen,Partner-, Einzelarbeit) ohne zeitliche Begrenzungwährend einer 70-minütigen täglichen Freiarbeits-zeit ermöglichen. Dies geschieht in allen Klassen-stufen.

Wir wissen, dass Schüler/innen nur schwer lernenkönnen, wenn sie durch persönliche Probleme,z. B. Krisensituationen in der Familie, belastet sind.Dies berücksichtigen wir bei unserer pädagogi-schen Arbeit. Schüler/innen werden nur dann Lern-fortschritte erzielen, wenn sie motiviert bei derSache sind. Manchmal kommen Pädagogen/Päda-goginnen dabei an ihre eigenen Grenzen undfühlen sich von außen stehenden Institutionen(Schulamt, Jugendamt, Psychologische Beratungs-stelle) nicht genug unterstützt.

Gäste unserer Schule äußern stets, dass sie zu-allererst ein harmonisches Schulklima und freund-liche, ausgeglichene Schüler/innen bei uns wahr-

nehmen. Wir jedenfalls stellen fest, dass Wohl-fühlen und gerne zur Schule gehen, sich von denLehrer/innen verstanden fühlen und in ihnen Part-ner/innen sehen, nicht im Gegensatz zu „Leis-tung fordern“ stehen, sondern dass dies im Ge-genteil die Grundlage zur optimalen Leistungs-entwicklung aller Schüler/innen darstellt.

Kontakt:Frau Helbig, Frau KönigTelefon 030 42850870Fax 030 42850872eMail grundschule im [email protected]

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Franz-Schubert-Grundschule, Neukölln29

Soziales Lernen im sozialen Brennpunkt - EinKooperationsprojekt von Schule und Schülerclub

Seit September 1994 arbeiten die Franz-Schubert-Grundschule und der Schülerclub ARCHE in Nord-Neukölln gemeinsam an einem Programm zumsozialen Lernen in einem sozialen Brennpunkt.Der Einzugsbereich der Schule in Nord-Neuköllnist gekennzeichnet durch einen hohen Auslän-deranteil, eine hohe Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe-dichte sowie durch eine starke Bevölkerungs-fluktuation, die oft einhergehen mit psychosozia-len Verelendungstendenzen.

Die Kinder kommen mit teilweise erheblichen Ent-wicklungsverzögerungen, Konzentrationsschwä-chen, Sprachschwierigkeiten in die Schule. Es fehltoft eine auf Kompromiss und Verständigung an-gelegte Streitkultur. Infolgedessen drohen Span-nungen und Aggressionen zwischen den Kindernden Unterricht und das gesamte Schulleben zubelasten. Das Bemühen, diesen Tendenzen ent-gegenzuwirken, das Schulklima zu verbessernsowie gewaltpräventives Handeln und sozialesLernen in der Schule zu verankern, bestimmt dieSchulentwicklungsprozesse der letzten Jahre.

Im Rahmen zahlreicher Diskussionen des Kolle-giums, der ARCHE-Mitarbeiter und der Elternsowie durch unterschiedliche schulinterne undexterne Fortbildungen haben sich die folgendenZiele pädagogischen Handelns als besonders wich-tig herauskristallisiert:

Emotionale Stabilisierung der KinderFörderung der sinnlichen WahrnehmungEntwicklung bzw. Förderung von Selbst-wertgefühlEntwicklung bzw. Förderung spezifischer sozi-aler KompetenzenEntwicklung bzw. Förderung gewaltfreier Kon-fliktbewältigungsstrategienAuseinandersetzung mit „fremden“ Werten undNormen, interkulturelle ErziehungEntwicklung bzw. Förderung von Demokra-tieverständnis und Gestaltungswillen

Die Stärkung emotionaler und sozialer Kompe-tenzen lenkt die Aufmerksamkeit der Kinder aufdie eigenen Fähigkeiten und Potentiale. Inzwischen

wurde eine Reihe von Bausteinen entwickelt, umdie Selbstwirksamkeitsüberzeugung bei den Kin-dern zu erhöhen.

Das Curriculum „Soziales Lernen“

Beim sozialen Lernen handelt es sich um einäußerst komplexes Lerngebiet, das in der Schulein den vielfältigsten Bereichen stattfindet. Bei dergeschilderten Ausgangslage schien es aber zu-nehmend unausweichlich, feste Zeiten für dieVermittlung entsprechender Basiskompetenzenbereitzustellen. Als Ergebnis einer Zukunftswerk-statt mit der Gesamtelternvertretung („Schule ohneGewalt“) und auf der Grundlage eines Beschlus-ses der Gesamtkonferenz findet deshalb in Zu-sammenarbeit mit den Mitarbeitern des Schüler-clubs Arche seit 1998 in allen Klassen eineWochenstunde „Soziales Lernen“ statt. Im Laufeder Zeit stellte sich dabei immer stärker die Fragenach einem einheitlichen pädagogischen Handelnund einer spezifischen inhaltlichen Grundlage fürdie Durchführung dieser Stunden. Hier sollenkonzentriert und ohne Blick auf andere LernzieleSpiele und Übungen zur grundlegenden Ver-besserung sozialer Fähigkeiten durchgeführt wer-den.

In Zusammenarbeit zwischen Schule und Schüler-club wurde ein internes Curriculum entwickelt,das Spiele und Übungen zu den ThemenbereichenSelbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung/Kom-munikation, Kooperation/Helfen, Konflikte lösensowie Werte/Normen für die unterschiedlichenKlassenstufen bereitstellt. Darüber hinaus werdenAspekte geschlechtsspezifischen Arbeitens undBezüge zum Unterricht thematisiert.

Workshop „Wie gehe ich um mit meiner Wut“

Auf der Grundlage eines Gesamtkonferenz-beschlusses bietet der Schülerclub Arche für alleKlassenstufen Workshops zum Thema „Wie geheich um mit meiner Wut“ an. Die Dauer einessolchen Workshops beträgt zwei mal drei Schul-stunden und wird für Teilungsgruppen (meistgeschlechtsspezifisch getrennt) angeboten. Für jedeKlasse stehen also 12 Schulstunden zur Verfü-gung. Themen sind das Erkennen von Gefühlen,die Kontrolle des eigenen Verhaltens und derUmgang mit Ärger und Wut sowie die Erpro-bung neuer Verhaltensweisen.

29 Geschrieben von Wolfgang Höfert/Margrit Maurer

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Mediation und Täter-Opfer-Ausgleich

Die Schulordnung der Franz-Schubert-Grundschulelegt fest, dass die Schule sich bei Konflikten undgewalttätigen Übergriffen nicht auf den Einsatzvon Ordnungsmaßnahmen beschränken kann,sondern schon im Vorfeld präventiv tätig werdenmuss. Deshalb sollen vorrangig Methoden kon-struktiver Konfliktbewältigung bei Konflikten ein-gesetzt werden, d. h. insinsbesondere die Medi-ation und der Täter-Opfer-Ausgleich.

Gewaltanwendungen, die besonders schwere Fol-gen seelischer, körperlicher oder materieller Arthinterlassen, müssen in einem Täter-Opfer-Aus-gleich geklärt, aufgearbeitet und ausgeglichenwerden. Die Täter sind zunächst mit ihren Hand-lungen zu konfrontieren, sie müssen Verantwor-tung für ihre Tat und das Opfer übernehmen.Stimmen sowohl Täter als auch Opfer einemAusgleichsversuch zu, kann der Konflikt unmit-telbar mit den Beteiligten bearbeitet werden.

Bei Vorfällen, die möglicherweise schulische Ord-nungsmaßnahmen nach sich ziehen, ist daraufzu achten, den Täter-Opfer-Ausgleich und denEinsatz dieser Maßnahmen in einen geregeltenAblauf zu bringen, um auch hier ein einheitlichespädagogisches Handeln zu ermöglichen. DieGesamtkonferenz hat deshalb einstimmig einenBeschluss zur „Verzahnung von Methoden kon-struktiver Konfliktbewältigung und Erziehungs- undOrdnungsmaßnahmen an der Franz-Schubert-Grundschule“ gefasst. Danach sind Ergebnis undVerlauf des Täter-Opfer-Ausgleichs bei der Ver-hängung möglicher Ordnungsmaßnahmen unbe-dingt zu berücksichtigen.

Mit Hilfe dieser Bausteine lassen sich entspre-chend den eingangs benannten Zielen pädago-gischen Handelns die folgenden Arbeitsschwer-punkte benennen:

Vermittlung grundlegender Regeln des Zusam-menlebens (Arbeit mit der Schulordnung)Entwicklung grundlegender sozialer Kompe-tenzen (Curriculum „Soziales Lernen“)Vermittlung des Umgangs mit eigenen Gefüh-len (Curriculum „Soziales Lernen“ und Work-shop „Wie gehe ich um mit meiner Wut“)Entwicklung konstruktiver Konfliktbewälti-gungsstrategien (Curriculum „Soziales Lernen“,Mediation, Krisenintervention bei Einzel- oderGruppenkonflikten, Arbeit mit den Klassen-sprecherinnen und -sprechern)Klare Grenzsetzung bei Gewaltanwendun-gen seelischer, körperlicher oder materiellerArt (Täter-Opfer-Ausgleich und ggf. Einsatzschulischer Erziehungs- und Ordnungsmaß-nahmen)Förderung des kindlichen Gestaltungswillensim gesamten Schulleben (z. B. Arbeit mit denKlassensprecherinnen und -sprechern, Pau-senverkauf im Schülercafé, Spielzeugverwal-tung)

Die inhaltliche Koordinierung und Entwicklungder Arbeit hat eine Demokratisierung des Schul-lebens zur Voraussetzung und erfolgt in den Schul-entwicklungsgruppen „Soziales Lernen“ und „Kon-struktive Konfliktbewältigung“. Die praktischeUmsetzung im Schulleben und in der Schüler-clubarbeit wird vorbereitet in der Planungsgruppe(erweiterte Schulleitung) und im Projektrat desSchülerclubs ARCHE und basiert auf den Beschlüs-sen von Gesamt- und Schulkonferenz.

Kontakt:Wolfgang HöfertSchülerclub ARCHE in der Franz-Schubert-Grund-schule, Weserstr. 12, 12047 Berlin,Telefon 030 6273 2070, Fax 030 6130 9889eMail [email protected]

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Gesamtschulen

Erasmus-von-Rotterdam-Oberschule,Hellersdorf30

Die Erasmus-von-Rotterdam-Oberschule liegtim östlichsten und jüngsten Stadtbezirk vonBerlin - Marzahn-Hellersdorf - und ist eine Ge-samtschule ohne Sekundarstufe II. Seit dem Schul-jahr 1991/92 arbeiten wir in der Regel 4-zügig,d. h. mit 16 Klassen und ca. 450 Schülern, diemomentan von 33 Lehrkräften unterrichtet wer-den. Die Ausgangsvoraussetzungen für den Auf-bau unserer Schule waren nicht besonders gut.Anfang der 90er Jahre herrschte eine generelleUnsicherheit, das Kollegium war völlig neu zu-sammengesetzt worden und auch die Schüler/in-nen mussten sich erst finden.

Von Anfang an war es unser Bestreben, einenpädagogischen Grundkonsens zum Umgangmiteinander und vor allem mit den Schüler/innenzu finden. Wir wollten eine Schule schaffen, inder sich jeder wohlfühlt, Forderung und Förde-rung erfährt und sich selbst aktiv einbringen kann.Unter anderem wollten wir dadurch auch prä-ventiv auf die Entstehung von Gewalt und Schul-distanz einwirken. Dieser Prozess lief und läuftnicht immer problemlos ab. Dennoch sind wirder Meinung, auf dem richtigen Weg zu sein.Denn der Krankenstand in unserem Kollegium istgering und 85 % der heute bei uns tätigen Lehr-kräfte sind von Beginn an an dieser Schule. EinGroßteil unserer Schüler/innen kommt gern zurSchule und bringt sich aktiv in das vielfältigeAngebot ein, das wir entwickelt haben. Viele El-tern nennen als Grund für die Anmeldung ihresKindes an unserer Schule das positive Schulklimaund die interessanten Angebote.Bei vielen der im Folgenden beschriebenen Akti-vitäten werden wir durch Sponsoren und denSchulförderverein unterstützt. So sind diversekünstlerische Projekte durchgeführt worden, indenen die Schüler/innen im Unterricht und z. T.auch in ihrer Freizeit Ideen entwickelt und umge-setzt haben, um sich ihr Schulumfeld angenehmerzu gestalten. Dazu gehören

die Umgestaltung des Schulhofes mit Baueiner kleinen Freilichtbühne,die Umgestaltung der Cafeteria nach Motivenvon Friedensreich Hundertwasser,

zurzeit die Gestaltung von Tischen und Stüh-len für die Cafeteria ebenfalls nach Hundert-wasser,die Gestaltung einer mittelalterlichen Burg auseinem großen Kalksandstein im Wohngebiet,die Schulhausgestaltung mit Arbeiten aus demKunstunterricht unddie Gestaltung eines „Geometrischen Gartens“auf dem Schulvorplatz.

Mit großer Begeisterung sind die Schüler/innendabei. Stolz präsentieren sie ihre Ergebnisse Mit-schülern, Eltern und Freund/innen. Vandalismusoder blinde Zerstörungswut sind verbannt, dennalle sehen, wie die „Künstler/innen“ bei der Her-stellung ihrer Werke schwitzen.

Seit vier Jahren existiert bei uns die Schülerfirma„Rotterdams Botaniker“. Die Schüler/innen ent-scheiden sich im Rahmen des Wahlpflichtunter-richts dafür und arbeiten wie in einem richtigenUnternehmen. Sie wählen ihren Vorstand, küm-mern sich um Aufträge, müssen die Kosten kal-kulieren usw. Wie der Name schon vermuten lässt,handelt es sich um angehende Gärtner/innen,Floristen/Floristinnen u. ä. Die Gestaltung undPflege des „grünen Schulhauses“ obliegt aus-schließlich ihnen.

Ausgebildete Mediator/innen - unsere Peace-maker - helfen in Konfliktsituationen zu schlich-ten, so dass es sehr selten zu Eskalationen kommt.

Seit acht Jahren arbeitet der Schulclub - betreutvon unserer Sozialpädagogin und unserem Erzie-her. Auch hier wird Eigenverantwortung und-initiative groß geschrieben. Einmal wöchentlichtrifft sich das Clubteam (bestehend aus Schü-ler/innen verschiedener Jahrgänge), um über an-stehende Probleme oder Aktivitäten zu beraten.

Das ganz Besondere an unserer Schule ist unser„Zirkusprojekt“, das wir gemeinsam mit einerSolinger Hauptschule seit sechs Jahren durchfüh-ren und das schon zweimal vom Bundespräsi-denten ausgezeichnet worden ist. Auch hier kön-nen Schülerinnen und Schüler aller Jahrgängeteilnehmen und gemeinsam mit den Solingernzweimal jährlich (einmal in Solingen - einmal inBerlin) ein Zirkusprogramm einstudieren, um esdann vor stets begeisterten Grundschüler/innenvorzuführen. Während ihres Aufenthaltes in Berlin

30 Geschrieben von Gabriele Müller.

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werden alle Teilnehmer/innen des Projektes kulina-risch in unserer Lehrküche von Mitschüler/innenversorgt. Besonders anzumerken ist, dass - ob-wohl keine Honorarmittel zur Verfügung stehen -ein ehemaliger Schüler unserer Schule und heuti-ger Berufsartist die Schüler/innen fachlich betreut.Aus diesem Projekt heraus hat sich die Einrich-tung des Wahlpflichtfaches „Zirkus“ - übrigenseinmalig in Berlin - entwickelt. Die Zirkusbe-geisterung hat auch schon die benachbarte Grund-schule erfasst. Gemeinsam mit unseren Schü-ler/innen lernen sie im Rahmen einer AG Jonglie-ren, akrobatische Meisterstücke u. v. m.Zu einem Höhepunkt in unserem schulischenLeben haben sich die seit vier Jahren stattfinden-den Variete-Vorstellungen am Ende des Schuljah-res entwickelt. Diverse Unterrichtsfächer undWahlpflichtkurse arbeiten im Laufe des Schuljah-res hart an der Vorbereitung. Texte müssen ge-schrieben werden, Kostüme genäht, Kulissen ge-baut, Eintrittskarten fertiggestellt, die Technik darfnicht versagen und nicht zuletzt müssen die Dar-bietungen einstudiert werden. Ergebnis ist jeweilsein ca. 1,5-stündiges buntes Programm mit Rah-menhandlung und verschiedenen Vorführungen,das seine Zuschauer/innen Jahr für Jahr aufs Neuebegeistert.Gerade das Zirkusprojekt ist für Schüler/innen,die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehrgern am „üblichen“ Unterricht teilnehmen, ein

ausgesprochener Anreiz, zur Schule zu kommenund viele Mühen und Anstrengungen auf sich zunehmen, um bei einer Zirkus- oder Variete-vorführung mitwirken zu können.

Sicher gibt es auch weiterhin viel zu tun! PISA istauch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Durchdas Erlernen und Anwenden der Unterrichtsmetho-den nach Klippert, die ebenfalls das eigenverant-wortliche Arbeiten der Schüler/innen in den Mit-telpunkt stellen, vermitteln wir unseren Schülerndas nötige Know-how für den Start ins Berufs-leben.

Unsere langjährigen Erfahrungen haben gezeigt:Die Einbeziehung von Schüler/innen und natür-lich auch von Eltern (die hier ein bisschen zukurz gekommen sind) und die Wahrnehmung vonVerantwortung für jeden Einzelnen aber auch fürdas Ganze sind Grundvoraussetzungen, um demo. g. Anspruch nach einer Schule, in der sich allewohlfühlen, entsprechen zu können.

Kontakt:Schulleiterin: Frau MüllerErasmus-von-Rotterdam-Oberschule,Alte Hellersdorfer Straße 7, 12629 BerlinTelefon/Fax 030 5615126eMail [email protected]

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Carl-von-Ossietzky-Oberschule, Kreuzberg31

Die Carl-von-Ossietzky-Oberschule (C. v. O.) ist eineGesamtschule mit gymnasialer Oberstufe und ei-nem Ausländeranteil von 45 %. Seit 20 Jahrenbetreuen Lehrer/innen und Sozialpädagogen/So-zialpädagoginnen gemeinsam die Klassen derMittelstufe. Die Zusammenarbeit findet kontinu-ierlich von der 7. bis zur 10. Klasse statt. Es istdabei von großem Vorteil, dass Klassenlehrer/innen,Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen und Schü-ler/innen über vier Jahre einen gemeinsamen Pro-zess durchlaufen.Die gemeinsame (sozial-)pädagogische Arbeitbeginnt mit dem Übergang von der Grundschulezur Oberschule. In der an unserer Schule übli-chen Einführungsphase machen sich die Schü-ler/innen mit den Pädagogen/Pädagoginnen undMitschüler/innen vertraut und lernen die neueSchule mit ihren unterschiedlichen Bereichen ken-nen. In den 7. Klassen stehen den Kollegen/Kol-leginnen zwei Kerngruppenstunden32 und zweiaußerunterrichtliche Zeiten33 pro Gruppe zur Ver-fügung, zusätzlich laufen AG´s während der Es-senszeiten oder an unterrichtsfreien Nachmitta-gen, im allgemeinen an einem Nachmittag proKlasse.Die Tutorstunden gestalten Sozialpädagogen/So-zialpädagoginnen und Lehrer/innen gemeinsam,in der Regel findet wöchentlich eine Koop-Stun-de34 statt. Diese Stunde nehmen die Lehrer/innenaus ihrem Springstunden-Kontingent (Vorberei-tungszeiten). Sie können diese Stunden im Plankenntlich machen, so dass sie während dieserZeiten nicht zum Vertretungsunterricht eingesetztwerden. Die Koop-Stunde ist eine freiwillige undzusätzliche Stunde seitens der Lehrer/innen, dieSozialpädagogen/Sozialpädagoginnen integrierendiese in ihre Vorbereitungszeiten.

Die Tutorstunden im 7. Jahrgang unterscheidensich inhaltlich folgendermaßen: Eine Wochenstun-de dient dazu, die allgemeinen und aktuellenFragen der Klasse zu behandeln sowie alle weite-ren Klassengeschäfte zu erledigen. Die zweiteStunde wird ausschließlich auf das soziale Lernenverwandt. Um sich darauf vorzubereiten, habenfast alle Klassenlehrer/innen der C. v. O an einerFortbildung im Bereich des sozialen Lernens aufder Grundlage des Programms von Lions-Quest„Erwachsen werden”35 teilgenommen.In der Eingangsphase erleben wir, dass die Schü-ler den Angeboten der Schule mit viel Neugierund Offenheit begegnen. Die Beziehungen inner-halb der Gruppen sind noch relativ unbelastetund offen für neue Verbindungen. Die von unsin diesem Stadium angebotenen Übungen zurKommunikation und Interaktion im Bereich dessozialen Lernens werden von den Jugendlichenin der Regel mit Interesse und Engagement an-genommen. Die Schüler/innen erleben es als äu-ßerst positiv, dass ihnen kontinuierlich ein Zeit-raum zur Verfügung gestellt wird, in dem sieihre Erwartungen und Vorstellungen äußern unddie der anderen Mitschüler/innen kennen lernenund diskutieren können. Der Gruppenzusammen-hang wird gefestigt und das Zusammengehörig-keitsgefühl gefördert. Die Klasse thematisiert Ver-antwortung und Verpflichtungen und nimmt siegemeinsam wahr. Die Jugendlichen lernen ohneLeistungsdruck vor der Klasse zu sprechen, ihresozialen Hintergründe darzustellen sowie konstruk-tive Feedbacks zu geben bzw. anzunehmen. Andieser Stelle sind die Lehrer/innen und Sozialpäd-agogen/Sozialpädagoginnen sehr gefordert, dennsie müssen die Informationen in ihr weiteresHandeln einbeziehen, da sonst die Gefahr be-steht, dass sich die Schüler/innen ausgehorchtfühlen.

31 Geschrieben von Gudrun Böttger.32 An den Gesamtschulen gibt es in den 7. Klassen zwei und in den Klassen 8 - 10 jeweils eine Kerngruppen-

stunde/n. Sie stehen der Klasse für organisatorische und soziale Aufgaben zur Verfügung und werden vonden Klassenleiter/innen (auch als Tutor/innen bezeichnet) durchgeführt. Laut Gesamtkonferenzbeschluss derC. v. O. findet in diesen Stunden die im Artikel beschriebene Kooperation zwischen Lehrkräften und Sozialpäda-gogen/Sozialpädagoginnen ihre konkrete Umsetzung.

33 Den 7. und 8. Klassen stehen hier zwei Stunden zur Verfügung, die von Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnenund Erzieher/innen durchgeführt werden.

34 Zwei Lehrkräfte unterrichten gleichzeitig in einer Klasse.35 Lions-Quest: Erwachsen werden (Das Handbuch ist nur in Verbindung mit der entsprechenden Fortbildung

erhältlich, bei Interesse bitte melden unter Telefon 41924740)

39

Gemeinsam mit meiner Lehrerkollegin Barbara Hecke habe ich folgenden Leitfaden für das sozi-ale Lernen an unserer Schule entwickelt:

Unser Leitfaden36

Die Bausteine 1 und 2 bieten die Grundlage fürdie Arbeit in den Kassenstufen 7 und 8. Im 9. und10. Schuljahr wenden wir uns verstärkt den The-men aus den Bausteinen 3 bis 5 zu.

Baustein 1: Einstieg in eine Klassengemein-schaft

Kommunikationstraining - EinstiegKennen lernen und BeobachtenRegeln-Aufstellung und ÜberprüfungKlassensprecher/innen-Wahl”Benimm-Kurs”- Interaktionsübungen- Rollenspiele

Baustein 2: Stärkung des Selbstvertrauens

Kommunikationstraining - FortführungSelbst-und FremdwahrnehmungFeedbackMit Gefühlen umgehen- Interaktionsübungen- Rollenspiele

Baustein 3: Soziales Lernen im Klassen-verband

Rollen erfahren, erforschen, trainierenSuchtpräventionUmgang mit Gefühlen - Fortführung aus Bau-stein 2

GewaltpräventionKonfliktlotsenausbildung, Anti-Gewalt-Trainingbei der Berliner Polizei u. a.- Interaktionsübungen- Rollenspiele- Planspiele- Projektarbeit

Baustein 4: Liebe, Freundschaft, Sexualität

Kommunikationstraining - FortführungGeschlechtspezifische ArbeitsgruppenMädchenproblematikJungenproblematikZusammenführung der o. g. Arbeitsschwer-punkte im KlassenverbandThemenbezogene Gespräche/Übungen- Diskussionen- Interaktionsübungen- Rollenspiele- Planspiele- Projektarbeit

Baustein 5: Werte, Normen, Lebensplanung

Reflexion und PerspektivenFreundschaften/BeziehungenSchulzeitElternhausZukunftsperspektiven- Interaktionsübungen- Rollenspiele

KontakteMail [email protected]

36 Die Übungen werden genauer erläutert in:Gudrun Böttger, Angelika Reich: Kreativität und soziale Kompetenz fördernGudrun Böttger, Angelika Reich u. a.: Konflikte lösen mit JugendlichenHeinz Klippert: Methoden- und Kommunikationstraining

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Hauptschulen

Werner-Stephan-Oberschule, Tempelhof37

Einleitung

An der Werner-Stephan-Oberschule, Hauptschuleim Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit gemeinsa-mem Unterricht in allen Klassen von Schüler/innenmit und ohne Behinderung, einem Förderkonzeptfür ausländische Seiteneinsteiger aus zurzeit 35verschiedenen Nationen, sowie einem umfassen-des Betreuungskonzept gilt der Leitgedanke:

eigenverantwortliches Lernen und Selbstwirk-samkeit zu fördern,gegen Schulfrust neues Selbstbewusstsein undLernerfolg zu ermöglichen,Konflikte ernst nehmenein von Schüler/innen und Lehrer/innen ge-meinsam verantwortetes gutes Schulklima dergegenseitigen Wertschätzung und Akzeptanzzu schaffen.

Die vielfältigen Projekte der Schule, die gemein-sam dem Ziel dienen, die Schüler/innen zu ge-winnen und nicht abzuschrecken, umfassen dasgesamte Schulleben. Das Ergebnis dieser Arbeitist: „Schüler/innen kommen in der Regel gern zurSchule“.

Das 40-Minutenmodell bringt je Lehrer/in mit vollerStelle eine Arbeitszeitressource von 135 Minuten- Aktionszeit genannt -, mit der Projekte erfolg-reich verwirklicht werden können, für die eineAbsicherung sonst kaum möglich wäre. ZumAusgleich bieten viele Arbeitsgemeinschaftenzurzeit ca. 30) allen Schüler/innen ein attraktivesAngebot nach Unterrichtsschluss.

Nachfolgend werden Teilbereiche der Arbeit derSchule erläutert, die besonders dazu beitragen,der Gefahr der Schuldistanz präventiv zu begeg-nen.

Unterricht

Die individuelle Förderung und die Gestaltungvon Anforderungen entsprechend dem Leis-tungsvermögen unterschiedlicher Schüler/innen

sowie die Unterstützung der Schüler/innen beimeigenverantwortlichen Lernen werden erleich-tert durch eine möglichst große Zahl von dop-pelt gesteckten Unterrichtsstunden (u. a. durch40’-Modell möglich).Soziales Lernen gehört als eigenständiger ver-pflichtender Unterrichtsinhalt zur Arbeit in den7. und 8. Klassen.Die Einrichtung der meisten Klassen als Inte-grationsklassen für lernbehinderte und geistigbehinderte Jugendliche bildet den Rahmen fürindividuelle Lernwege.Durch ein besonderes System von Förder-klassen (C-B-A-Modell) für ausländische Sei-teneinsteiger ohne oder mit sehr geringendeutschen Sprachkenntnissen werden derSprach-erwerb und die Erweiterung der Sprach-kompetenz für Jugendliche nichtdeutscher Her-kunftssprache erfolgreich organisiert.

Beurteilung

Gerade durch den Anspruch der Schüler/innen inden Integrationsklassen und Förderklassen aufindividuelle Rückmeldung und Leistungsbeurteilunggewinnt dieses Prinzip zunehmend an Verbrei-tung. Dazu gehören neben positiver Verstärkungund einem großen Stellenwert von verbalen Be-urteilungen nicht nur für Integrationsschüler/innensowohl eine möglichst flexible Auslegung derBestimmungen zur Zensurengebung (z. B. zeit-weises Aussetzen der Rechtsschreibzensur) als auchdie Nutzung der Spielräume der Versetzungs-ordnung, um sinnloses und demotivierendeWiederholen von Klassenstufen zu vermeiden.

Schülerfirma und Cafeteria

Eigenverantwortlichkeit wird in besonderem Maßein diesen Arbeitslehreprojekten des 10. Jahrgangsverwirklicht. Schüler/innen in ernstgemeinter Ver-antwortung z. B. als Abteilungsleiter/innen, Leh-rer/innen als Partner im Arbeitsprozess von derPlanung bis zur Ausführung und Kontrolle erzie-len ein Höchstmaß an Motivation, Anstrengungs-bereitschaft und Arbeitsfreude, die sich häufigauf andere Bereiche schulischen Lernens über-trägt. Das Ergebnis ist nicht zuletzt eine seit achtJahren tägliche, zuverlässige und qualitativ guteVersorgung der gesamten Schule (Schüler/innenund Lehrer/innen) mit Essen und Getränken.

37 Geschrieben von Siegfried Arnz.

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Schulstation

Die Schulstation ist als zentraler in das Schul-leben integrierter Ort der Entspannung undKonfliktbewältigung nicht mehr weg zu denken:Ob Schüler/innen aus den Klassen „geschickt“werden, ob sie selbst entscheiden, in die Schul-station gehen zu wollen (was ihr Recht ist), obsie an mehreren Stunden der Woche regelmäßigim Rahmen einer besonderen Vereinbarung inder Schulstation sind, die Schulstation bietet täg-lich von der 1. bis zur 6./7. Stunde den Rahmen

für Schüler/innen, die ungestört eine Arbeitbeenden oder nachholen wollen oder sollenfür sehr persönliche und vertrauliche Beratungs-gesprächefür Entspannung bei Kopfschmerzen oder an-derem Unwohlseinzum Ruhigwerden bei Konflikten in der Klasse,mit Lehrer/innen oder anderen Schülern/innen

Die Schulstation ist niemals geschlossen und wirdbei Krankheit im Schulstationsteam vorrangigvertreten (Lehrer/innen der Schule). Eine wirkungs-volle Unterstützung und Hilfe erhält die Schul-station durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter/innendes Projekts „Seniorpartner in School“ (SiS).

Schülerverantwortung und Streitschlichter

Schülerverantwortung als Grundsatz findet sichin immer mehr Bereichen der Schule wieder:Raucherregeln, Ärger um die WC´s, Schulfesteoder die Schulgestaltung - überall übernehmenund erhalten die Schüler/innen Verantwortung.Die Schülervertreter/innen erstellten zum erstenMal vor sieben Jahren auf einer SV-Tagung

Regeln für das Zusammenleben an der Werner-Stephan-Oberschule, die „Versprechen an dieSchulgemeinschaft“. Seither wird in jedem Jahrein neues Versprechen erarbeitet.Bei jährlich vier aufeinander aufbauenden Streit-schlichterlehrgängen gewinnen freiwillig teilneh-mende Schüler/innen umfangreiche Kompetenzenzur Lösung von Konflikten, vom Eingreifen inakuten, auch gewaltsamen Streitsituationen bishin zum Abschließen von Verträgen zur dauer-haften Beilegung von Konflikten.

Das Klima an der Schule wurde erheblich verbes-sert. Die Schüler/innen empfinden die Schule alsihre Schule. Das Selbstbewusstsein der Schüler-vertreter/innen hat sich erheblich gestärkt. Trotzeines hohen Konfliktpotentials kommt es kaumnoch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Zu allem gehört eine Arbeitskultur im Kollegium,

in der Teamarbeit (alle Klassen werden durchTeams geleitet - es gibt keine reinen Fachleh-rer/innen) in allen Bereichen im Zentrum derSchule steht,in der Belastungen der Kollegen/innen ernstgenommen werden,in der mit einer vom Kollegium gewähltenErweiterten Schulleitung (ESL) Probleme erkanntund aufgegriffen werden, z. B. durch sinnvol-le Regelungen für Vertretungsunterricht.

Kontakt:Homepage der Werner-Stephan-Oberschule:www.wso-berlin.deHomepage des „Verbunds SelbstwirksameSchulen“: www.selbstwirksameschulen.de

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Heinz-Brandt-Oberschule, Pankow38

Unabhängig davon in welchem Berliner Bezirksich eine Hauptschule befindet, weist sie typischeMerkmale auf:

Es sind immer die leistungsschwächsten Schü-ler/innen einer Grundschulklasse, die eineHauptschulempfehlung bekommen.Die Berliner Hauptschule wird in den seltens-ten Fällen von den Eltern als die Schulformgewählt, die aus ihrer Sicht die für ihr Kindsinnvollste ist. Ein Großteil der Schülerinnenund Schüler ist überaltert. Es gibt deutlichmehr Jungen als Mädchen.Die Hauptschule stellt bezogen auf einemöglichst erfolgreiche Schulkarriere das Schluss-licht dar, deswegen ist dort der Anteil derSchuldistanzierten zwangsläufig am größten.Von daher ist hier auch der Anteil derjenigen,die die Berliner Schule ohne Abschluss verlas-sen, am größten.Die Mitarbeit der Eltern innerhalb der Schul-verfassungsgremien ist nur minimal vorhan-den.An Hauptschulen befindet sich ein großer Anteilvon Jugendlichen nichtdeutscher Herkunfts-sprache.

Nur das letzte der hier aufgeführten Merkmaletrifft nicht auf die Heinz-Brandt-Oberschule zu:Da sie sich im Ostteil der Stadt befindet, ist derAnteil der Schüler/innen nichtdeutscher Herkunfts-sprache so gering, dass er vernachlässigt werdenkann. Alle anderen aufgezählten Charakteristikasind an unserer Schule zu finden.

Die Arbeit an der Hauptschule muss immer wiederneu überdacht und verändert werden. Die Rolleder Lehrerinnen und Lehrer schwankt zwischenWissensvermittler, Elternersatz, Sozialarbeiter undErzieher. Eine eindeutige Berufsdefinition ist fürdie Kollegin/den Kollegen nicht gegeben bzw.erkennbar.

Um die Arbeit sowohl für die Schülerinnen undSchüler, als auch für die Kolleginnen und Kolle-gen erträglicher zu gestalten, wurden an unsererSchule Impulse von außen dankbar aufgenom-men. So wurde vor sechs Jahren mit dem 10. Jahr-gang eine Zukunftswerkstatt im Rahmen derAgenda 21 des damaligen Bezirks Weißensee

durchgeführt. Die Jugendlichen erarbeiteten mitfachlicher Unterstützung durch Studenten Mo-delle für die Veränderung ihrer Schule. Diesewurden dann der Öffentlichkeit präsentiert.Dadurch war der Kontakt zur Abteilung Jugendhergestellt. Es kam uns darauf an, beide Bereiche,mit denen unsere Jugendlichen zu tun haben,nämlich Schule und Jugendamt, zusammenzu-führen. Gemeinsam versuchen wir, unseren Ju-gendlichen zu helfen.

Die Zusammenarbeit mit der Abteilung Jugendwurde von Seiten der Schule als dringend not-wendig und als Unterstützung betrachtet, nichtals Konkurrenz. Als dann die Möglichkeit bestand,einen Schülerclub, der an einer anderen Schulenicht benötigt wurde, an die Schule zu bekom-men, war das Kollegium dankbar. Da der Schüler-club unter Leitung eines Freien Trägers arbeitet,bestand die Chance Drittmittel zu akquirieren.Dieses wurde genutzt und etliche künstlerischeProjekte konnten erfolgreich durchgeführt wer-den. Künstlerinnen und Künstler arbeiteten mitden Jugendlichen in Projekten. Die Schule öffne-te sich erfolgreich nach außen. Mittlerweile istdie Arbeit des Schülerclubs voll in die Schularbeitintegriert: So finden z. B. Projekte außerhalb desUnterrichts statt (z. B. Begegnungsfahrten undTreffen mit Schülerinnen und Schülern andererSchulen, Klassensprecherschulungen). Der Schüler-club nimmt an Projekttagen teil und unterstütztunterschiedlichste schulische Aktivitäten.

Ähnlich verläuft die Arbeit mit der Schulstation.Auch hier ist die Mitarbeit nicht auf die Betreu-ung derjenigen Schülerinnen und Schüler be-schränkt, die den schulischen Vormittag ohne Hilfenicht bewältigen, sondern sie erstreckt sich auchauf den Nachmittag und kommt dann allen Ju-gendlichen unserer Schule zugute. Bis vor kur-zem war die Schulstation auch während derFerien geöffnet. Aufgrund von Mittelkürzungengibt es dieses Angebot leider nicht mehr. DerKontakt zu den verschiedenen Abteilungen desJugendamts wird kontinuierlich von den Lei-ter/innen der Schulstation und des Schülerclubswahrgenommen, so dass Schule und Jugend zu-nehmend enger miteinander kooperieren.Durch die Öffnung nach außen und die engeZusammenarbeit dieser beiden Institutionen istinnerhalb des Kollegiums die Bereitschaft gewach-sen, anderen Personen (z. B. Künstler/innen, Stu-

38 Geschrieben von Karla Werkentin.

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dent/innen, Dozenten der BerlinbrandenburgischenFortbildungsakademie u. a.) pädagogische Arbeitzuzutrauen. Das Kollegium ist für Außenkontakteund Zusammenarbeit offener geworden. Projek-te, die von außen an die Schule herangetragenwerden, stoßen nicht mehr auf Bedenken derLehrer/innen. Sie reflektieren zunehmend, ob nichtauch Inhalte, die nicht im Rahmenplan stehen,den Schülerinnen und Schülern nutzen. Am deut-lichsten wurde diese Meinungsänderung, als dieBerliner Philharmoniker sich angeboten haben,mit unseren Schülerinnen und Schülern ein Tanz-projekt durchzuführen. Nach einer gelungenenAufführung und hell begeisterten Jugendlichenwuchs die Akzeptanz des Kollegiums für Anre-gungen und Projekte von außen.

Vor drei Jahren beschloss die Gesamtkonferenzan dem Senatsprogramm „Schulprogrammentwick-lung“ teilzunehmen. Es wurde eine Steuergruppemit mehreren Lehrer/innen installiert. Zwei Modera-torinnen arbeiteten mit dem Kollegium und derSteuergruppe so effektiv, dass langsam bei vielender Wunsch entstand, Schule und Unterricht zuverändern. Aber auch hier war von Vorteil, dassPersonen von außen die notwendigen Impulsegaben, die eigene Schulsituation zu reflektierenund zu verändern.Es war nur konsequent, dass der Unterricht, sowie er bislang ablief, unter die Lupe genommenwurde. Eine Datenerhebung ergab, dass über 60 %der Schülerinnen und Schüler unserer Schule mitden Zensuren 5 oder 6 in Rechtschreibung vonden Grundschulen zu uns kommen. Im Fach Eng-lisch sah die Erhebung noch dramatischer aus,hier hatten über 70 % der Schülerinnen und Schü-ler die Zensuren 5 oder 6. Nach ausführlicherDiskussion wurde beschlossen, den Deutsch-unterricht und den Englischunterricht anders zuorganisieren. Mit dem 7. Jahrgang wurde ange-fangen. Alle Schülerinnen und Schüler wurdengetestet. Mit denjenigen, die gravierende Lese-und Rechtschreibschwierigkeiten aufweisen, wirdzwei Mal in der Woche ein Spezialprogrammdurchgeführt - sie lernen Basiskenntnisse. Denanderen wird in dieser Zeit Deutschunterrichtangeboten, bei dem sie sich je nach ihren indivi-duell unterschiedlichen Bedürfnissen zwischenLiteratur, Rechtschreibung, Grammatikübungenund Lesetraining entscheiden können.

Um möglichst effektiv arbeiten zu können, wur-den die ersten drei Stunden geblockt (Deutsch,Mathe, Englisch). Die jeweils zuständigen Lehrer-

teams sind dadurch nicht mehr auf die genaueEinhaltung der 45 Minuten angewiesen, sondernkönnen ihren Unterrichtsstoff so anbieten, wie esinhaltlich sinnvoll ist. Durch die Teamarbeit istauch eine Vertretungssituation nicht mehr sodramatisch. Der Kollege, der da ist, weiß genau,wo die Klasse im Stoff steht, bzw. er kann auchseine eigene Unterrichtseinheit weiterführen undder fehlende Stoff wird dann nachgeholt, wennder andere wieder gesund ist. Außerdem lassensich durch die Blockung der Stunden besserUnterrichtsprojekte organisieren.Nach dem ersten Schulhalbjahr wurde deutlich,dass die im 7. Jahrgang unterrichtenden Kolle-ginnen und Kollegen mit dieser Art der Unterrichts-organisation sehr zufrieden sind. Probleme kön-nen sich allerdings bei der Fächerkombinationergeben: Es ist sinnvoll, wenn alle drei Kolleg/in-nen im Team unterschiedliche Fächer haben. Eineweitere Schwierigkeit ergibt sich auch dadurch,dass einige Unterrichtsstunden nur im 2. Blockangeboten werden können. So kann z. B. Arbeits-lehre immer nur von der 3. bis zur 6. Stundestattfinden. Um hier den Kolleginnen und Kolle-gen der Arbeitslehre die Chance zu geben, auchin den ersten Stunden die Klassen zu unterrich-ten, wird im nächsten Schuljahr ebenfalls in den3. bis 6. Stunden geblockt, d. h. Mathe, Deutsch,Englisch wird dann auf den späteren Vormittagverlegt. Bei den beteiligten Kolleginnen und Kol-legen des 7. Jahrgangs herrschte übereinstimmenddie Meinung, dass allein die Blockung, die Anwe-senheit von zwei Kolleg/innen und das Aufbre-chen der starren Stundeneinteilung so effektivist, dass auch in den letzen Unterrichtsstundenvernünftig gearbeitet werden kann.Der 7. Jahrgang möchte diese Unterrichtsorgani-sation auch im 8. Jahrgang fortführen. Diejeni-gen Kolleginnen und Kollegen, die im nächstenSchuljahr eine 7. Klasse übernehmen möchten,haben bereits signalisiert, dass auch sie so arbei-ten wollen.

Wir sind der Überzeugung, dass wir uns durchdie Kooperation mit außerschulischen Organisa-tionen und Ämtern, die Veränderung des Unter-richts und die intensivere Zusammenarbeit im Teamauf dem richtigen Weg befinden.

Kontakt:Schuleiterin: Frau WerkentinTelefon/Fax 030 9251208eMail [email protected]

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Stadt-als-Schule, Kreuzberg39

Nach mehr als 10 Jahren Schulversuchsarbeit istdie Stadt-als-Schule nunmehr ein besonderes schu-lisches Angebot, nämlich eine „Oberschule fürindividuelle Praxislernangebote“. Gelernt wird hiernach der Praxisprojektmethode40.Dadurch soll zwischen persönlich bedeutsamemLernen und dem Lernen in Ernstsituationen einBezug hergestellt werden. Die Praxisprojekt-methode ist deshalb in besonderem Maße geeig-net, Jugendliche zu motivieren, einen neuen Zu-gang zum Lernen zu finden, und wirkt dabeigleichzeitig sozial integrierend. Schülerinnen undSchüler werden in Klassenstufe 9 und 10 interes-senorientiert an Praxisplätzen in Betrieben, Ver-waltungen, sozialen und kulturellen Einrichtun-gen tätig und nehmen dort an konkreten Praxis-projekten teil, die jeweils mehrere Monate an-dauern. Unter Beratung und Anleitung durch diejeweilige Lehrkraft und sogenannte Praxismentoren- den anleitenden und Aufsicht führenden Fach-leuten am Praxisplatz - planen und reflektierensie ihre Tätigkeiten, bearbeiten Aufgaben, eignensich Kenntnisse und Fertigkeiten, Arbeits- undLernmethoden und Schlüsselqualifikationen an.Jedes Praxisprojekt wird durch einen individuel-len Lernplan strukturiert und beinhaltet kom-plexe Handlungs-, Erkundungs-, Fach- und Doku-mentationsaufgaben. Parallel zum Lernen in derStadt gibt es ein innerschulisches Angebot, dasder Aufarbeitung, Ergänzung und Vertiefung derInhalte und Erfahrungen aus den Praxisprojektendient. Der Schwerpunkt liegt beim Lernen in derStadt (drei Tage in der Woche, d. h. 17 von30 Unterrichtsstunden).

Zur Interessenklärung, der Klärung der Erwartungs-haltung der Schülerinnen und Schüler und derindividuellen Lernplanung ist es notwendig, indi-viduelle Beratungsgespräche zu führen. DieseGespräche beinhalten (im Sinne von C. Rogersund Tausch/Tausch) ein Beziehungsangebot, wel-

ches von den Prinzipien der Echtheit, der Wert-schätzung, der Teilnahme und des Verstehensbestimmt wird. Der Lehrer bzw. die Lehrerin steuertdabei die Gestaltung der Beziehung, die durchden Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schuledefiniert wird. In dieser professionellen Beratungs-und Beziehungsarbeit liegt eine wesentliche Auf-gabe des begleitenden Lehrers bzw. der beglei-tenden Lehrerin. Gemeinsam mit dem Mentorbzw. der Mentorin sowie der Schülerin und demSchüler wird ein Lernraum gestaltet, in dem dieSchülerin und der Schüler sich eigenverantwort-lich bewegen. Hierbei haben die individuell ver-einbarten Curricula den Charakter von Lern-vereinbarungen. Im Sinne des Beratungskonzeptsmuss ebenfalls die Bewertung vorrangig indivi-duell und qualitativ auf der Grundlage gemein-sam vereinbarter Zielkriterien erfolgen. Gleichzei-tig muss sie die Evaluationskompetenzen derSchülerinnen und Schüler stärken.

Die Praxisprojektmethode ist eine, aber nicht dieeinzige Form, die Schule entwickeln kann, Ernst-situationen für persönlich bedeutsames Lernenherzustellen. Auch andere Formen der Projekt-arbeit bieten sich hier an. Dem Aufbau von Bezie-hungen gegenseitiger Wertschätzung kommt einegrößere Bedeutung zu als allein dem Lernort.Eine reformierte Hauptschule muss vor allem dieRahmenbedingungen des Lernens und dieLehrer(innen)rolle neu definieren. Nur so kann esgelingen, dass jugendliche Schülerinnen und Schü-ler an einer Hauptschule ein neues Selbstwert-gefühl entwickeln und sich mit der von ihnenbesuchten Schule identifizieren.

Kontakt:Guido LandrehTelefon 030 22508311eMail [email protected] www.stadt-als-schule.de

39 Geschrieben von Guido Landreh.40 Siehe hierzu auch: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Genehmigungsschreiben für die Stadt-

als-Schule Berlin als Schule besonderer pädagogischer Prägung, vom 22. März und 14. August 2002.

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Jean-Piaget-Oberschule, Hellersdorf41

Einführung

Die Jean-Piaget-Oberschule besteht als Hauptschuleseit dem Schuljahr 1991/1992 im StadtbezirkHellersdorf und trägt seit dem 30. April 1997 denNamen des Schweizer Wissenschaftlers Jean Piaget.Im Moment besuchen 386 Schüler in 25 Klassen,Kleinklassen und Projekten die Schule. Sie wer-den von 34 Lehrer/innern, Sozialarbeiter/innen,Erzieher/innen und Psychologen/Psychol-oginnenunterrichtet und begleitet. Die Schule befindetsich inmitten 11-geschossiger Neubauten, Indus-trie ist kaum angesiedelt.Mit ihrem umfangreichen Netzwerk zur individu-ellen Förderung der Schüler/innen wurde die Schuleüber die Grenzen des Stadtbezirkes bekannt undakzeptiert.Alle Lehrer/innen der Schule sind engagiert undsetzten sich entsprechend ihrer Stärken für dieProfilierung der Schule ein.Das Lernverhalten vieler unserer Schüler/innen wirdvon Unlust, Versagensängsten und unverarbeite-ten Misserfolgen bestimmt.Ihr Selbstwertgefühl ist teilweise schwach entwi-ckelt, häufig reagieren sie aggressiv oder tretenden inneren Rückzug an, verweigern teilweise oderganz die schulischen Angebote und flüchten indie Schuldistanz.

Das Netzwerk

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Kenntnisseund Fähigkeiten unserer Schüler/innen, ihrer oftwenig ausgeprägten Konzentrations- und Durch-haltefähigkeit und andererseits unserer Erkennt-nis, dass ein Kind durch praktische Erfahrungenund Tätigkeiten besser lernt, wird ein sehr schüler-und handlungsorientierter praxisnaher Unterrichtangeboten.Es ist an der Schule durchgesetzt, dass der/dieKlassenlehrer/in, besonders in Klassenstufe 7 und8, viele Stunden in der eigenen Klasse unterrich-tet und durch eine/n feste/n Stellvertreter/in oderSonderpädagogen/Sonderpädagogin dauerhaft un-terstützt wird. So können individuelle Problemeaufgearbeitet und Hilfeleistungen schnell und ziel-gerichtet gegeben werden.Überall dort, wo unsere Schüler/innen selbst prak-tisch tätig werden können oder wie in Einfüh-rungs- und Projektwochen an der Findung ihres

Lerngegenstandes aktiv mitwirken dürfen, läuftder Lernprozess für Lehrer/innen und Schüler/innenkonfliktärmer und freudvoller.Projekttage und -wochen, Wandertage, Exkur-sionen, unsere traditionelle Weihnachtsfeier, derJean-Piaget-Festtag, Sportwettkämpfe sowie diegemeinsame Gestaltung der Schule und des Schul-hofes lassen die Identifikation der Schüler/innenmit ihrer Schule wachsen.Für die Lehrer/innen ergibt sich daraus ein we-sentlich höherer Aufwand an Arbeit, Zeit undKraft.Absprachen und Koordinationen von Ideen undVorhaben werden in den folgenden Arbeits-gruppen der Schule getroffen:

AG 1 Jean-Piaget-Festtag/Sport- und Vergleichs-wettkämpfe,AG 2 Integration und Projekte,AG 3 Klassenübergreifende Projekttage; Bastel-tag/Wandertag,AG 4 Einführungswochen/Methodentraining,WPU-Schnupperkurse,AG 5 Ethik/Philosophie; Schulstation; Ver-trauenslehrer; Haus- und Schulordnung,AG 6 Hauswirtschaft; Schülerfirma; Cafeteria,AG 7 Öffentlichkeitsarbeit; Präsentation; Schul-chronik; Tag der offenen Tür,AG 8 Nutzung eigener Ressourcen; Weiterbil-dung; Schülerförderung; Förderverein,AG 9 Schulprogrammentwicklung; ständigeArbeitsgruppen, Koordination.

Das Team der Schule hat sich dafür ausgespro-chen, einmal wöchentlich eine dienstliche Anwe-senheit bis mindestens 15:00 Uhr zu ermöglichen,um Absprachen zu treffen und sich auszutau-schen.

An unserer Schule sind Unterrichtsstunden auf40 Minuten verkürzt um:

Schüler/innen zusätzliche Angebote machen zukönnen,in mehreren Klassen Teilungen vornehmen zukönnen,im Projektunterricht mit zwei Lehrer/innen zuarbeiten,den Schüler/innen eine Palette aus über 30 Wahl-pflichtkursen zur vielfältigen Ergänzung desUnterrichtsangebotes entsprechend den Inter-essen der Schüler/innen anzubieten,

41 Geschrieben von Marion Lange.

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Schüler/innen aus Projekten und Kleinklasseneine optimale, den individuellen Erfordernisseentsprechende Reintegration zu ermöglichen.

Hat ein/e resignierte/r, motivationslose/r Schüler/inin einem Bereich der Schule wieder Erfolg,gelingt es eher, sein/ihr Selbstwertgefühl zuwecken und sich neuen Lernaufgaben zu stellen.Die pro Unterrichtsstunde eingesparten fünfMinuten werden an unserer Schule den Schü-ler/innen in Form von mehr als 30 Wahlpflicht-angeboten wieder zurückgegeben. Dieser Unter-richt beläuft sich auf zwei Stunden pro Woche.Als Wahlpflichtunterricht bieten wir sowohl prak-tisch-technische, künstlerische und haus-wirtschaftliche Bereiche an als auch Kurse, dieeine rahmenplanbezogene Differenzierung in deneinzelnen Fächern bieten. So können sowohl leis-tungsstärkere Schüler/innen gefordert, als auchschwächere unterstützt werden.Ziel ist es, den individuellen Bedürfnissen jedeseinzelnen Kindes gerecht zu werden und dieLeistungsmotivation durch Erfolgserlebnisse zusteigern.Kurse, die sich bewährt haben, sind: Sport, Kera-mik, Werkstatt, Mofa, Pias Nähstübchen, Gitarre,Mathematik und Englisch.Projekttage und projektorientierter Unterrichtgehören zum festen Lehr- und Lernrepertoire vonLehrer/innen und Schüler/innen. Bereits in derEinführungsphase des Schuljahres sollen in Klas-se 7 unter dem Motto: „Das Lernen lernen“ dieEingewöhnung erleichtert, die Motivation geför-dert und gemeinsame Ziele und Vorhaben kon-kretisiert werden.Auch in Klassenstufe 8 wird neben der Einzel-und Gruppenarbeit in einzelnen Fächern gemein-sam an einem Projekt gearbeitet.In den Klassen 9 und 10 werden Arbeitsschrittezu einzelnen Themen beispielsweise im ,,Theodor-Fontane-Projekt“ gefestigt und fachübergreifendauch mit einer Exkursion verbunden. Damit wirdSchüler/innen die Möglichkeit gegeben, ohne Leis-tungsdruck Lerninhalte zu wiederholen und zufestigen sowie verschiedene Formen des sozialenUmgangs miteinander zu üben.

Praxisbetriebe der Region, Berater/innen des zu-ständigen Arbeitsamtes sowie Fach- und Klassen-lehrer/innen unterstützen unsere Schüler/innen beider Berufsorientierung und im Praktikum. Beson-ders geeignete und interessierte Schüler/innen

erhalten in Klassenstufe 9 und 10 die Möglich-keit, im Schulversuch ,,Produktives Lernen“ praxis-orientiert zu lernen.Da besonders das Lernen in ,,Ernstsituationen“Schüler/innen motiviert, arbeitet die Schülerfirma,,Happy Food“ sehr erfolgreich auch mit schwie-rigen Schüler/innen, um die Pausenversorgungabzusichern. Pias Nähstube erreicht unsere Schü-ler/innen, da in Zusammenarbeit mit umliegen-den Kitas Dienste angeboten werden, wie dasNähen von Puppenkleidung.Im Arbeitslehrebereich ,,Sozialisation des Kindes“können dann in diesen Einrichtungen Erfahrun-gen gemacht werden. Über ihre Probleme undErfahrungen können Schüler/innen in einem voninsgesamt sechs Ethik/Philosophiekursen oder imevangelischen Religionsunterricht sprechen.Bei Bedarf steht jedem/jeder Kollegen/Kollegin undjedem/jeder Schüler/in ein/e Psychologe/Psychologinzur Beratung zur Seite.Alle diese Formen der gemeinsamen Arbeit sindnotwendig, um erfolgreiches, freudvolles Lernenzu fördern und Schüler/innen wie Lehrer/innenstark in der gemeinsamen Arbeit zu machen.Nur durch die individuelle Arbeit im Netzwerkder Schule ist es möglich, Schüler/innen aus deneinzelnen Projekten und Kleinklassen erfolgreichzu reintegrieren und auch ihnen einen Schulab-schluss ermöglichen.

Neben den Regel- und Integrationsklassen beste-hen noch folgende Projekte an unserer Schule:

Produktives LernenIntegrationsklassenRe-IntegrationsklasseKleinklasse „Coole Schule“Ganztagsprojekt mit dem JugendAufbauWerkOstLerntherapeutische Klasse in Zusammenarbeitmit dem JugendAufbauWerk OstGanztagsprojekt in Zusammenarbeit mit derAllgemeinen Jugendberatung

Kontakt:Schulleitung: Frau Lange, Herr Dr. EbertJean-Piaget-Oberschule,Mittenwalder Str. 5, 12629 BerlinTelefon 030 9980793, Fax 030 99279059eMail [email protected]

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Johannes-Lindhorst-Oberschule, Reinickendorf42

Die Johannes-Lindhorst-Oberschule (2. OHReinickendorf) besteht derzeit aus ca. 310 Schül-er/innen und ca. 35 Lehrer/innen. Wir leben undkooperieren in einem Gebäude mit der Max-Eyth-Oberschule (3. OR Reinickendorf).

Auf die Problematik der Schuldistanz reagierenwir präventiv mit Hilfe verschiedener Projekte,die das Klima insgesamt positiv gestalten undzur Identifikation der Schüler/innen mit ihrer Schulebeitragen sollen:

Einrichtung von Integrationsklassen in allenJahrgängen - Integration als Prinzip gegensei-tiger Achtung und Erziehung zur Toleranz,Etablierung und ständige Weiterentwicklungeines Mediationsprojektes, in dem jährlich neueKonfliktlotsen ausgebildet sowie Ausbildungenaufgefrischt werden,Einstieg in das Projekt „Schülerbegleiter“ inZusammenarbeit mit der Polizei und der BVG,Übernahme von Verantwortung für die Schul-atmosphäre durch das Projekt „Hells Angels“(Schüler/innen unterstützen Lehrer/innen beiden Aufsichten),Installation von projektorientiertem Lernen ananderen Lernorten in den Unterricht.

Im Zusammenhang mit der Minimierung bereitsoffenkundiger Schuldistanz hat sich der Schul-versuch „Ausbildungsbefähigende Maßnahmen anHauptschulen (AMaH10)“ als erfolgreich erwiesen.

Der Schulversuch AmaH 10 - zunächst entstandenaus der Notwendigkeit, Schüler/innen im 10. Schul-besuchsjahr eine Möglichkeit des Hauptschulab-schlusserwerbs zu bieten, nachdem sie in dieBB 10 -Lehrgänge an Oberstufenzentren nichtmehr aufgenommen werden konnten - wurde inunserer Schule erstmalig mit Beginn des Schul-jahres 1996/97 eingerichtet.Ansprechpartner/innen hierfür waren Schüler/innen,die sich in ihrem individuellen 10. Schulbesuchs-jahr erst in der 8. oder 9. Klasse befanden, wo-bei die Ursache dieses „Schulversagens“ in derRegel häufiges bis durchgängiges unentschuldig-

tes Fehlen war - Probleme von Schuldistanz also,denen bisher präventiv nicht begegnet werdenkonnte.

Nach unserer Einschätzung hatte die Einrichtungvon AmaH 10 verschiedene Vorteile:

Bisher gescheiterte Schüler/innen mussten nichträumlich ausgegrenzt werden, sondern konn-ten an ihrer gewohnten Schule eine neueChance erhalten.Die veränderte Stundentafel mit einem hohenAnteil (14 Wochenstunden) von fachprakti-schem Unterricht bot die Möglichkeit, her-kömmliche Lernstrukturen speziell für die be-schriebene Schülerschaft aufzubrechen.Schüler/innen mit ähnlichen Vorerfahrungenbegegneten sich in der AmaH 10-Klasse, so-dass basierend auf einem Erfahrungsaustauschgemeinsam ein neuer Start begonnen werdenkonnte.Der günstige Faktor (2,32)43 bot die Möglich-keit der Einrichtung kleiner Lerngruppen.Ein möglichst kleines Team von freiwilli-gen (!!!) Kollegen/Kolleginnen gewährleisteteeine emotionale Nähe, Vertrautheit und ge-genseitige Akzeptanz als Voraussetzung fürerfolgreiches Lernen und Identifikation derSchüler/innen mit ihrer Klasse.Sowohl das kleine Lehrer/innen-Team als auchdie an BB 10 orientierte Stundentafel ohnestrenge Rahmenplan - Vorgaben ermöglichtefür die Kollegen/Kolleginnen die Erprobungfantasievoller, auch unkonventioneller Maßnah-men, z. B. Unterricht an außerschulischen Lern-orten, gemeinsame Gesprächsrunden in schwie-rigen Situationen, gemeinsames Abholen feh-lender Schüler/innen von zuhause etc.Die vorgeschriebenen drei jeweils dreiwöchigenBetriebspraktika im Schuljahr gestatteten dieEntwicklung und Pflege enger Kontakte zurBerufswelt, speziell zu kleinen Betrieben, diegrundsätzlich als Ausbildungsbetriebe für diebeschriebenen Schüler/innen in Frage kommen.AmaH 10-Schüler/innen gewannen Ansehen inder eigenen Schule durch die Ausführung vonbestellten Reparatur- oder Malerarbeiten, z. B.in Klassenräumen oder der Cafeteria.

42 Geschrieben von Marianne Felde.43 Der im Allgemeinen an den Hauptschulen übliche Faktor bei der Bemessung der Lehrerstunden liegt bei 1,7

pro Schüler/innen.

48

Wir dürfen nach dem erfolgreichen Besuch derAmaH 10-Klasse eine dem Hauptschulabschlussgleichwertige Schulbildung bescheinigen.

Insgesamt war für uns von großer Bedeutung,AmaH 10 nicht als Ausgrenzung oder Notlösungzu verstehen, nicht als Strafandrohung für konflikt-trächtige Regelschüler/innen und nicht als Degra-dierung für vermeintlich Gescheiterte.Entsprechend erhielten die Eltern der potentiel-len Kandidat/innen ein ermutigendes Schreiben,mit dem die Schulleiterin über eine besondereChance und ein besonderes Angebot für derenKinder informiert, von dem die meisten auchGebrauch machten.

Seit 1996/97 führen wir jedes Schuljahr eineAmaH 10-Klasse mit ca. 26 Schüler/innen in zweiGruppen. Inzwischen erreichen von diesen Schü-ler/innen ca. 60 bis 65 % den Abschluss - ge-messen an den mitgebrachten Voraussetzungenein gutes Ergebnis.

Kontakt:Schulleiterin: Frau FeldeTelefon 030 41109152, Fax 030 41924700eMail [email protected]

Sonderschulpädagogisches Förderzentrum- Förderschwerpunkte Lernen und Autis-mus

Schule am Friedrichshain, Friedrichshain44

Förderung von Kindern mit Verhaltensauffällig-keiten

Im Folgenden geht es um die Struktur schulinter-ner Fördermöglichkeiten für verhaltensauffälligeSchüler/innen als eine präventive Maßnahme zurVermeidung von Gewalt. Da sich diese Schü-ler/innen in unterschiedlichem Maße ebenfallsschuldistanziert verhalten, können die Fördermaß-nahmen auch als Beitrag zur Verringerung vonSchuldistanz gewertet werden.

Die Schule hat insgesamt den Auftrag, angemessenauf Verhaltensauffälligkeiten von Kindern undJugendlichen zu reagieren. Dies geschieht an derSchule am Friedrichshain sowohl auf der Schul-als auch auf der Klassenebene. Darüber hinausgibt es am Förderzentrum eine Kleingruppe (mitderzeit vier Schülern) mit dem ArbeitsschwerpunktVerhaltensmodifikation und in Kooperation mitder 9. Grundschule, die sich im selben Schulge-bäude befindet, wurde eine Fördergruppe ETEP45

aufgebaut. Ein weiterer Bestandteil zur Vermei-dung von Verhaltensproblemen beruht auf dersonderpädagogischen Beratungstätigkeit.

Die Kleingruppe am Förderzentrum für Schüler/in-nen der 3. SL bei zusätzlichem sonderpädago-gischen Förderbedarf im Bereich emotionale undsoziale Entwicklung.

Seit ca. vier Jahren existiert eine Kleingruppe, inder bis zu vier lernbehinderte Schüler/innen unter-richtet werden, die aufgrund gravierender sozial-emotionaler Probleme nicht am Unterricht einerRegelklasse der 3. SL teilnehmen können undHausunterricht hätten, wenn es das Angebot derKleingruppe nicht gäbe. Dort verbleiben sie so-lange, bis eine Reintegration in ihre Stammklasse- das Ziel der Maßnahme - möglich geworden ist.In der Kleingruppe kommen Elemente des EPU-Konzepts (entwicklungspädagogischer Unterricht)zur Anwendung, die den besonderen Voraus-setzungen der betreuten Schüler/innen entspre-chend modifiziert und spezifiziert wurden.

In der Kleingruppe findet der Unterricht mit redu-zierter Wochenstundenzahl (zwei Stunden täglich)statt. Der Schwerpunkt der Gruppenarbeit liegt imBereich der Verhaltensmodifikation. Gearbeitet wirdnach der projektorientierten Methode. Dadurch solldie Lernbereitschaft und Lernfähigkeit der Schü-ler/innen wieder hergestellt werden. An einem„Besuchertag“ kann ein Schüler/eine Schülerin derKleingruppe einen Schüler/eine Schülerin einer Regel-klasse (vorzugsweise der eigenen) einladen, an demUnterricht teilzunehmen. Die Besucher/innen er-fahren, wie und was in der Kleingruppe gearbeitetwird. Die Schüler/innen der Kleingruppe erfahrenso die Akzeptanz der anderen. In regelmäßigenAbständen wird das in der Kleingruppe

44 Geschrieben von Maria Gabriele Rösner.45 Entwicklungstherapie und Entwicklungspädagogik

49

behandelte Unterrichtsthema den Schüler/innen derStammklassen präsentiert. Dadurch entsteht dieMöglichkeit, eine positive Beziehung zum Klassen-verband und zum Klassenlehrer/zur Klassenlehrerinaufzubauen und die mögliche Reintegration indie Regelklasse zu unterstützen.

Der projektorientierte Unterricht wird als eine sinn-volle Alternative zum herkömmlichen Unterrichtverstanden. Wesentliches Ziel ist, dass Schüler/in-nen lernen ihren Arbeitsprozess selbstständig zuorganisieren. Mitbestimmung und Selbsttätigkeitder Schüler/innen bei der Planung und Durch-führung des Unterrichts sind dabei wesentlicheMerkmale. Im Gespräch zwischen Lehrer/in undSchüler/in oder einem Interesse der Schüler/innenfolgend werden die Themen für den Unterrichtentwickelt. Problemorientiertes Lernen und Han-deln stehen im Vordergrund. Gelernt wird fä-cherübergreifend, d. h. die Themen oder Sachge-biete werden unter Aufhebung des Prinzips derFachgebundenheit behandelt. Elemente desEntwicklungspädagogischen Unterrichts (EPU)kommen kontinuierlich zum Einsatz.

Fördergruppe ETEP in Kooperation mit der 9. G

Im Schuljahr 2002/2003 ist im Zusammenhangmit der Fortbildung zweier Kolleginnen der 3. SLeine Fördergruppe in Kooperation mit der 9. Gaufgebaut worden, die nach dem Konzept desentwicklungspädagogischen Unterrichts (EPU) ar-beitet. Es handelt sich dabei um eine Kleingruppevon vier Schüler/innen der 9. G mit sonder-pädagogischem Förderbedarf im Bereich der emo-tionalen und sozialen Entwicklung.Der Unterricht findet zur Zeit zweimal wöchent-lich in der 3. und 4. Stunde, also für jeweils90 Minuten, statt. Perspektivisch gesehen wollenwir diese Kleingruppe dreimal wöchentlich anbie-ten.

Auf der Grundlage des ELDiB (Entwicklungs-pädagogischer Lernzie-Diagnose-Bogen), der dievorhandenen Verhaltensfähigkeiten und den aktu-ellen Lernstand erfasst, sind die Unterrichts-aktivitäten sowohl zeitlich als auch räumlich struk-turiert (z. B. Leseecke, Arbeitsphase, Bewegung,Kreativität und Imbiss mit Reflexion) und die In-halte, Materialien und Methoden werden so ge-wählt, dass die Schüler/innen erfolgreich an aktuel-len Verhaltenszielen arbeiten können. Dabei wirdnach dem Konzept des Entwicklungstherapeu-tischen und Entwicklungspädagogischen Unter-richts verfahren.

Beratungstätigkeit an Grundschulen

Eine wesentliche Aufgabe des Förderzentrumsbesteht darin, Schulleitungen und Lehrer/innenvon Grundschulen im Vorfeld von Förderaus-schüssen im Umgang mit schwierigen Schülernzu beraten. Dies geschieht auf vielfältigste Weiseim Rahmen der Stunden für Verhaltensambulanz:

Sonderpädagogen/Sonderpädagoginnen unse-res Förderzentrums nehmen an Gesamtkonfe-renzen bzw. Fachkonferenzen der Grundschu-len teil und sprechen über den Umgang mitverhaltensauffälligen Schüler/innen.Sonderpädagogen/Sonderpädagoginnen mit derFachrichtung Verhalten nehmen an Beratungs-gesprächen von Eltern teil, deren Kinder Ver-haltensschwierigkeiten, aber keinen sonder-pädagogischen Förderbedarf haben.Die kollegiale Fallberatung als Konzept imUmgang mit schwierigen Schüler/innen wirdden Grundschulen als Lösungsmöglichkeit vor-gestellt und auf Wunsch von Ambulanzleh-rer/innen durchgeführt.Auf dieser Grundlage werden die Lehrer/innender Grundschulen bei der Erstellung von Förder-plänen unterstützt.Schulleitungen erhalten Hilfe bei der Erarbei-tung von Schulkonzepten für den Umgangmit verhaltensauffälligen Kindern. Vorgestelltwerden verschiedene Kleingruppenkonzepte,z. B. ETEP.Die gesamte Beratungstätigkeit ist darauf aus-gerichtet, die Elemente des Entwicklungs-therapeutischen Unterrichtes, die ohne inten-sive Beschäftigung mit dem Gesamtkonzeptbereits genutzt werden können (z. B. Interven-tionsstrategien, kollegiale Fallberatung), be-kannt zu machen, damit sie in die täglicheArbeit von Schulen einfließen können.

Perspektiven

Langfristig beabsichtigt die 3. SL den Aufbau ei-ner zweiten Kleingruppe und die Organisationkollegialer Fallberatungen in gravierenden Fällen.

Kontakt:Schule am FriedrichshainFrau RösnerTelefon 030 29347400, Fax 030 29347420eMail [email protected]

50

Beispiele für gelungene Koope-ration zwischen Schule undJugendhilfe

Das Projekt „Übergang“46

Vorbemerkung

Schüler/innen mit erheblichen Störungen im Ver-halten haben aus schulischer Perspektive einensonderpädagogischen Förderbedarf mit demSchwerpunkt „emotionale und soziale Entwick-lung“. Hierbei handelt es sich fast immer umKinder oder Jugendliche, die entlang dem SGB VIII(im Kinder- und Jugendhilfegesetz) zu dem Per-sonenkreis gehören, die „von seelischer Behinde-rung bedroht sind“ und deshalb auch meistenseinen Bedarf an Jugendhilfe haben. So gibt eseine Schnittmenge an Kindern und Jugendlichen,die aus außerschulischer wie aus schulischer Per-spektive Hilfe bedürfen, so dass Schule undJugendhilfe mit denselben Personen zu tun ha-ben. Folgt man den Leistungen entsprechend demSGB VIII und den Empfehlungen der Kultus-ministerkonferenz, die die Rahmenbedingungendieser Hilfen darstellen, trifft man auf die drin-gende Empfehlung zur Zusammenarbeit zwischenSchule und Jugend, so dass es zu einer Förde-rung des Kindes oder Jugendlichen als ganzerPerson und dem effektiven Einsatz von Hilfenkommen kann.Der Referentenentwurf für ein neues Schulgesetz(Stand 10. Dezember 2002) geht in seinem § 4ebenfalls davon aus, dass „die Schule, dieErziehungsberechtigten und die Jugendhilfe ...“auf eine größtmögliche Entfaltung der Schü-ler/innen hin zusammenwirken. Wir, im BezirkTempelhof-Schöneberg fühlen uns diesem Anlie-gen besonders verpflichtet und bemühen unszunächst um punktuelle Annäherungsversuche inder Zusammenarbeit bei Einzelfällen, die mittel-und langfristig ihren Niederschlag in Strukturenfinden sollen, die die effektive Zusammenarbeitund die Ausschöpfung von Synergieeffekten garan-tieren. Die unterschiedliche Zielsetzung von Schuleund Jugendhilfe erschwerte in der Vergangenheitdie Zusammenarbeit. Durch initiierte Prozesse des

gegenseitigen Kennenlernens, wie in der Zukunfts-werkstatt 1998 und den daraus hervorgegange-nen Arbeitsgruppen im Bezirk Schöneberg, konn-ten Begegnungsängste überwunden werden, diedurch die notwendigen aktuellen Sparmaßnahmenwieder forciert in Erscheinung treten.Unsere jüngsten Erfahrungen im Bezirk Tempel-hof-Schöneberg zeigen, dass das Zusammenwir-ken von Schule und Jugendhilfe in regelmäßigenHelferrunden und gemeinsamen Beratungen beiEinzelfällen und deren Familien einen guten Bo-den für die Erarbeitung von sozialraumorientiertenKonzepten bilden, die hoffentlich zu einer Berei-cherung von Schule und Jugendhilfe beitragen.Das „Projekt Übergang“ ist als ein Förderansatz zusehen, wo eine außerschulische Maßnahme ausdem breiten Angebot der Hilfen zur Erziehungund eine sonderpädagogische Förderung so zusam-menwirken, dass durch die Beratung von Elternund Lehrern solch eine Entlastungsfunktion fürdie Kinder und Jugendlichen entsteht, dass siesich positiv entwickeln können. Auf diese Weisekommt es erst gar nicht zu einem schuldistan-zierten Verhalten, was langfristig zu einer Verstär-kung der Problematik des Kindes oder Jugend-lichen führt und mit einer Kostenexplosion ver-bunden ist.

Das Projekt „Übergang“ an der Werbellinsee-Grundschule - Förderansatz für Schüler mit demSchwerpunkt „emotionale und soziale Entwick-lung“47

Das Projekt „Übergang“ soll Beratung in Bezugauf Schüler/innen mit Verhaltensauffälligkeiten underheblichen Verhaltensstörungen anbieten. Bei derBeratung steht ein Verstehen der um den/dieProblemschüler/in entstandenen Schwierigkeitenim Vordergrund. Durch diesen Prozess kann sicheine Entspannung der Situation einstellen, positi-ve Aspekte der „Lernumwelt“ verstärkt und zü-gig Hilfemaßnahmen beantragt und eingeleitetwerden (kurze Wege).

Schüler/innen mit Verhaltensstörungen sind meistKinder aus Familien, die bei der Jugendhilfe alshilfebedürftig bekannt sind und dem Personen-kreis des § 35 a (KJHG) (von seelischer Behinde-rung bedroht) angehören.

46 Vorbemerkung von: Doris Wissel (zuständige Schulrätin/Tempelhof-Schöneberg), Henning Till (Leiter desJugendamtes in Tempelhof-Schöneberg) und Dr. Ulrike Becker (Sonderschulpädagogin an der Werbellinsee-Grundschule)

47 Geschrieben von Dr. Ulrike Becker.

51

Es wird eine gute Kooperation zwischen Schuleund Jugendhilfe angestrebt, bei der gemeinsameHilfe- und Förderpläne erarbeitet werden, bevorauf die Einberufung von Förderausschüssen zu-gegriffen wird.

Das Projekt „Übergangsklasse“ bietet ein partiel-les Unterrichtsangebot für Schüler/innen mitsonderpädagogischem Förderbedarf im BereichVerhalten oder/und Lernbehinderung, deren Pro-bleme in affektiven Entwicklungsverzögerungenbegründet liegen und deren Störung so massivist, dass ihre Integration für alle Beteiligten un-befriedigend ist. Hierbei ist zu betonen, dass dieIntegration in den Klassenverband vorrangiges Zielist und das partielle Unterrichtsangebot nur ge-nutzt werden soll, um durch das Zusammenwir-ken mit außerschulischen Maßnahmen die Integra-tion in den Klassenverband wieder zu ermöglichen.Die Schüler/innen, deren sonderpädagogischerFörderbedarf mit vier Wochenstunden anerkanntist, erhalten acht Wochenstunden individualisier-ten Gruppenunterricht, der darauf abzielt, dieLernbereitschaft und -fähigkeit der Schüler/innenwiederherzustellen (Mo, Di, Do, Fr: 3./4. Std.).Am Mittwoch findet ein Integrationstag statt, derin der „Übergangsklasse“ vor- und nachbereitetwird. Dazu sollen Stärken der Schüler/innen ge-fördert und positive Aspekte in ihrem Arbeits-und Sozialverhalten verstärkt werden. Dies erfor-dert eine enge Zusammenarbeit mit den Klassen-lehrer/innen, den Mitarbeiter/innen des Freizeit-bereiches und regelmäßige Elternarbeit (14-tägigGespräche).

Die Qualitätssicherung der Arbeit im Projekt wirddurch kontinuierliche Evaluation gewährleistet.

Kontakt:Dr. Ulrike BeckereMail [email protected]

Der „Arbeitskreis Schule - Jugendhilfe“ inFriedrichshain-Kreuzberg und die Clearing-und Beratungsstelle: Schuldistanz48

Vorbemerkung

In der Regel arbeiten Schule und Jugendhilfe nichtmiteinander, sondern nebeneinander, manchmalauch gegeneinander. Die systematische Bündelungfachlicher und materieller Ressourcen der Institu-tionen Schule und Jugendhilfe zur Entwicklunggeeigneter Hilfen für Kinder und Jugendliche, derenschulische Entwicklung gefährdet ist, gelingt sel-ten. Vor diesem Hintergrund wurde der Arbeits-kreis Schule - Jugendhilfe gegründet und einKonzept für eine Clearing- und Beratungsstelle:Schuldistanz entwickelt. Zurzeit wird dieses Kon-zept in die Praxis umgesetzt. Die ersten und ent-scheidenden Schritte sind getan. Die Entschei-dungsträger der Jugendhilfe und Schule habenihre Bereitschaft zur Umsetzung des Konzepteserklärt, so dass jetzt in die Phase der konkretenRealisierung eingetreten werden kann.

Der Arbeitskreis Schule - Jugendhilfe

Seit gut zwei Jahren treffen sich interessierte Fach-kräfte aus den Bereichen Schule und Jugendhilfein Kreuzberg zu einem regelmäßigen Fachaus-tausch. Ziel ist es, neben der dringend notwendi-gen fallspezifischen Arbeit, die fallübergreifendeArbeit, insbesondere die Entwicklung funktionie-render Kooperations- und Vernetzungsstrukturenvoranzutreiben.Anlass waren die immer wiederkehrenden Diskus-sionen zum Problem Schuldistanz und der gleich-zeitige Mangel an tragfähigen Handlungsstrategien,wie mit diesem Problem umzugehen ist.

Es fehlten gemeinsame und verbindliche Leit-linien für die Arbeit mit schuldistanzierten Schüler-innen und Schülern. Wann in der Schule oder inder Jugendhilfe Schuldistanz als Problem gese-hen wird und welche Konsequenzen dies dann inder Arbeit hat, hängt sehr von dem/der jeweilszuständigen Mitarbeiter/in ab.

48 Geschrieben von Isa Trippner (Jugendamt Kreuzberg-Friedrichshain).

52

In der Problembeschreibung und der Einschätzungdes Handlungsbedarfs wurden große Unterschie-de zwischen den Arbeitsfeldern deutlich.

Vor dem Hintergrund dieser Bestandsaufnahmewurde die Initiative zur Gründung des Arbeits-kreises Schule - Jugendhilfe (im Folgenden AK),der sich dieses Problems annehmen und Lösungs-ansätze entwickeln sollte, interessiert aufgenom-men. Der AK trifft sich regelmäßig einmal imMonat mit einer relativ konstanten Teilnehmer-schaft aus verschiedenen Arbeitsfeldern des Schul-und Jugendhilfebereichs. Ständig vertreten wa-ren die Arbeitsbereiche Schule, Jugendhilfe undGesundheit:

Grundschule, Oberschule; SchulpsychologischerDienstKinder- und Jugendpsychiatrischer DienstJugendamt: Allgemeiner SozialpädagogischerDienst (ASD), JugendförderungFreie Träger der Jugendhilfe: Schulprojekte,Hilfen zur Erziehung

Am Anfang der Arbeit stand die Beschreibungvon kurz- und langfristigen Arbeitszielen, die alleum das Thema Kooperation kreisten. Zu denersten Arbeitsresultaten des AK zählte die detail-lierte Beschreibung der Leistungen und Ange-bote der Arbeitsfelder Jugendhilfe und Schule alsVoraussetzung für Kooperation und konkrete Ver-besserungsvorschläge für die Gestaltung des Über-gangs von der Grundschule zur Oberschule. Eswurde eine vom AK und der Alice-Salomon-Fach-hochschule für Sozialpädagogik gemeinsam vor-bereitete Befragung von Schulen, Jugendamt,Jugendhilfeeinrichtungen und verschiedenen Fach-diensten zum Thema Kooperation, die als Grund-lage für weitere Planungen diente, durchgeführt.

Die Clearing- und Beratungsstelle: Schuldistanz- Projektidee und Konzeptentwicklung

Die Auswertung der Kooperationserfahrungen undBefragungsergebnisse zeigten: Es fehlt eine Stelle,an der die beteiligten Arbeitsfelder - öffentlicheund freie Träger der Jugendhilfe, Grund- und Ober-schulen und spezielle Fachdienste wie beispielsweiseder Schulpsychologische Dienst - ihre Erfahrungenund Ressourcen regelmäßig und verbindlich zu-sammenbringen und nutzbar machen für

die Fälle von gescheiterter oder schwierigerKooperation in der Arbeit mit schuldistanziertenKindern und Jugendlichenund für die fallübergreifende Entwicklung funk-tionierender Kooperationsstrukturen.

Die Auseinandersetzung mit Modellen der Sozial-raumorientierung brachte wesentliche Anregun-gen im Hinblick auf die Entwicklung der Konzep-tion der Clearing- und Beratungsstelle und hin-sichtlich der Lösung der vielen Probleme, die mitSchuldistanz im Bezirk verbunden sind - von derEntfernung von der Schule innerhalb von Schulebis hin zum Totalausstieg.

Die nachfolgende Grafik gibt einen Überblick überdas Modell, das im September 2002 erstmals In-teressierten aus den Bereichen Schule und Ju-gendhilfe vorgestellt wurde.

Die Clearing- und Beratungsstelle im Überblick

Aufgabenbereich: Hilfe für schuldistanzierte Kin-der und Jugendliche- deren Schulbesuch gefährdet bzw. abgebrochen

ist- die mit schulinternen Mitteln nicht mehr

integrierbar sind

53

Gemäß der konzeptionellen Vorstellungen wendetsich die Clearing- und Beratungsstelle in ersterLinie an Lehrerinnen und Lehrer aus Grund- undOberschulen, Mitarbeiter/innen aus dem Sozialpä-dagogischen Dienst des Jugendamtes und der freienTräger der Jugendhilfe (z. B. Jugendarbeit, Jugend-sozialarbeit, Hilfen zur Erziehung) sowie an dieverschiedenen Fachdienste. Eltern sollen nur inAusnahmefällen die Möglichkeit zur direkten An-frage haben, wenn sie bereits erfolglos versuchthaben, Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Das Gesamtteam Clearing und Beratung soll insge-samt bis zu zehn Personen aus den in der Grafikbenannten Arbeitsfeldern umfassen, die für dieseArbeit mit jeweils 16 Stunden monatlich freige-stellt werden sollen. Nach den bisherigen Pla-nungen des AK nutzt die Clearing- und Bera-tungsstelle Räume in einer Kreuzberger Schule.Sie ist regelmäßig vier Stunden in der Wochebesetzt.

Arbeitsablauf: In der Koordinierungsstelle nimmteine Mitarbeiterin des Gesamtteams einmal wö-chentlich Anfragen entgegen. In diesen Gesprä-

chen wird versucht, Erwartungen und Ziele derNutzerinnen und Nutzer zu klären. Danach rich-tet sich die Hilfe: Es können z. B. Informationenüber die Leistungen bestimmter Fachdienste ge-geben werden. Eine Weitervermittlung an zustän-dige Personen kann organisiert werden. Oder eswird - z. B. in Fällen schwieriger oder gescheiter-ter Kooperation - vereinbart, dass die währenddes Telefonats erhaltenen Information in dasGesamtteam Clearing/Beratung eingebracht wer-den.Dieses Team trifft sich wöchentlich direkt an-schließend an die Telefondienstzeit. Die Sitzungumfasst einen fallbezogenen Teil und einen fall-unspezifischen Teil. Während der Fallberatungbringen die Mitarbeiter/innen aus der Perspektiveihrer unterschiedlichen Arbeitsfelder erste Hypo-thesen und mögliche, vorläufige Lösungsansätzezu den einzelnen Fällen ein.

Danach werden Fallzuständigkeiten festgelegt:Beratungsteams von zwei bis drei Mitarbeiter/in-nen nehmen Kontakt zu den Nutzer/innen auf.Sie bieten einen Fallgesprächstermin an, um ge-meinsam mit der/dem Anfrager/in, eine Handlungs-

1. Adressaten

SchulenJugendamtJH-TrägerFachdienste(Eltern)

2. Koordinierungsstelle

nimmt Anfragen entgegenholt Informationen ein zu:- Problembeschreibung- beteiligte Personen/Institutionen- bisherige Problemlösungsversuche- Einsatz schulinterner MittelVorbereitung der Falldarstellung im Beratungsteam

(abwechselnde Besetzung aus dem Beratungsteam, 4 Std./Wo)

fallbezogeneArbeit

Problem-klärungKontext-analyseDiagnostikHandlungs-und Förder-planungBegleitungund Unter-stützung derzuständigenFallbearbeiterDokumenta-tion undEvaluation

fallübergreifendeArbeit

Entwicklung vonKooperations-strukturenUntersuchungenzum Problem-feldSozialraum-orientierteModellent-wicklungFalldokumen-tation undEvaluationFortbildung

3. Beratungsteam:vertreten sind folgende Arbeitsfelder/EinrichtungenSchule Jugendamt 2 freie Träger

der Jugendhilfe(Vorschlag desArbeitskreises:

Grundschule Fachbereich I Pestalozzi-Fröbel-HausOberschule Fachbereich IV Jugendwohnen im KiezSchulpsych. Dienst

14 tägige Beratungstermine

je nach Fall zusätzlich

- KJPD - EFB - Ambulanzlehrer- JGH - Drogenberatung - Jugendfreizeit-

einrichtungen- Polizei - u.a.- Expertin für Migrationsprobleme

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planung zu entwickeln. Es besteht die Möglichkeitder Fallbegleitung (z. B. bei der Moderation vonKonfliktgesprächen) und der nachprüfenden Re-cherche (wie und mit welchen Wirkungen wur-den die Lösungsansätze umgesetzt).Die Beratungsteams sehen ihre Aufgabe darin,Zusammenarbeit zu initiieren, Wege aufzuzeigenund Türen zu öffnen.Geplant sind halbjährliche Auswertungen derArbeitsergebnisse (Evaluation der Einzelfälle). Siesollen dazu dienen, die fallbezogene Arbeit zuqualifizieren und fallübergreifende Entwicklungenanzustoßen, z. B.:

Verbindliche KooperationsstrukturenLeitfäden (Handreichungen und Arbeitshilfen)für Lehrer und Lehrerinnen im Umgang mitschuldistanzierten Schülerinnen und SchülernLeitfäden für ElternFortbildungsbausteinSozialräumliche Ressourcensuche

Ausblick

Wie die Umsetzung des Projektes gelingt, hängtin hohem Maße auch von der Kooperations-bereitschaft und -fähigkeit aller Beteiligten ab.Sicherlich wird sich die konkrete Arbeit der Clea-ring- und Beratungsstelle: Schuldistanz in einzel-nen Punkten von der oben beschriebenen Projekt-idee und der konzeptionellen Ausdifferenzierungunterscheiden. Es besteht das Interesse, auchweiterhin die Ergebnisse der Arbeit mit an demThema Schuldistanz Interessierten zu diskutieren.Es ist jedoch schon jetzt klar, dass neben konkre-ten Interventionen in Fällen von Schuldistanz dieArbeit der Clearing- und Beratungsstelle durchverbindliche schulische Präventions- und Interven-tionsstrategien auf pädagogischer, innerschulischerund administrativer Ebene ergänzt werden muss.

Kontakt:Karl Antony(Pestalozzi-Fröbel-Haus - Schulprojekte)Telefon 030 6153561Isa Trippner (BA Friedrichshain-Kreuzberg,Jugendamt Schulsozialarbeit)Telefon 030 23244329eMail [email protected]

Kooperation zwischen Schule undJugendhilfe in Hellersdorf49

Wesentliche Aspekte bei der Kooperation Schule -Jugendhilfe in den Projekten für Schuldistanziertean der Jean-Piaget-Oberschule

Bereitstellung der finanziellen und materiellenVoraussetzungen

Auf der Grundlage von Kooperationsverträgenwurden zwischen der Jean-Piaget-Oberschule undFreien Trägern der Jugendhilfe mehrere Projektefür Schuldistanzierte eingerichtet. Dabei habenbeide Kooperationspartner im Vorfeld der Entste-hung der Projekte die finanziellen Ressourcen unddie rechtlichen Grundlagen in einer gemeinsamenBeratung geklärt und daraus mögliche Rahmen-bedingungen für die Entstehung eines Projektesund dessen Struktur abgeleitet.Hierbei zeigten sich die beteiligten Vertreter/innenvon Schule und Jugendhilfe sehr aufgeschlossenund auch kompromissbereit. Trotz haushalts-mäßiger Engpässe auf beiden Seiten wurden Res-sourcen erkannt und genutzt und rechtliche Grund-lagen ausgeschöpft, um eine individuelle Förde-rung zu ermöglichen. Dabei sind die folgendenrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichti-gen:

das Sozialgesetzbuch, KJHG § 27, § 32das Schulgesetz, Schulverfassung unddie Richtlinien zur Stundenbemessung anHauptschulen

Die Jugendlichen, die in den Projekten betreutwerden, stehen der Regelschule mit vielen Vor-behalten, Hemmungen und Ängsten gegenüber.Deswegen wurde für die Unterbringung der Projek-te ein Gebäude in einiger Entfernung von derKooperationsschule gewählt. Um den Unterricht,Teamarbeit und individuelle sozialpädagogischeArbeit zu ermöglichen, wurden in Absprache mitdem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf Räumlich-keiten in ehemaligen Schulgebäuden für die Pro-jekte zur Verfügung gestellt.

49 Geschrieben von Ilka Knaack.

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Inhaltliche und konzeptionelle Regelungen undRahmenbedingungen

Die Kooperationsaufgaben und -ziele werden inregelmäßig stattfindenden Beratungen besprochenund festgelegt und zwar

in der Kooperationsrunde mit Vertretern vonJugendamt, Schulaufsicht, Kooperationsschuleund Tagesgruppe (ein- bis zweimal jährlich),im Steuerungsgremium durch die Koordinatorinfür Tagesgruppen des Jugendamtes, die Lei-ter/in des jeweiligen Projektes und die Koordina-torin der Schule (alle zwei bis drei Monate)undin Teamsitzungen mit dem/der jeweiligen Lei-ter/in der Tagesgruppe, der/dem Koordinator/inder Schule, dem/der Klassenlehrer/in im Pro-jekt, den Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnenund den Psychologen/Psychologinnen.

Das Steuerungsgremium legt die Auswahlkriterienfür die Aufnahme der Teilnehmer/innen des Pro-jekts fest und koordiniert alle wichtigen Punkte,die sich auf die Kooperation zwischen Schule undJugendhilfe beziehen. Dafür gibt es eine Fallvorstel-lung durch die/den Koordinator/in für die Tages-gruppen oder den/die zuständige/n Sozialarbei-ter/in vom Jugendamt, die mit dem/der Leiter/inder Tagesgruppe und der Koordinatorin der Schuleorganisiert wird. Erst wenn alle Seiten ihr Einver-ständnis geben, kommt es zur Aufnahme mit 6-bis 8-wöchiger Probezeit. Bei der 1. Hilfekonfe-renz werden die gemeinsamen Erziehungs- undEntwicklungsziele für den/die Jugendliche/n bespro-chen und schriftlich festgehalten (Förderplanung,Hilfeplanung). Perspektiven und Verantwort-lichkeiten werden ebenfalls geklärt.

Gemeinsame Absprachen und Beratungen gibtes z. B. zu folgenden Inhalten und Themen:

Erstellung eines Leistungsangebots sowohl vonSeiten der Schule als auch der Tagesgruppe(hierbei werden die Kooperationsschnittstellenund -bedarfe ermittelt),Kriterien für die Aufnahme ins Projekt,

Festlegung individueller Maßnahmen,Gestaltung von Elternarbeit,Organisation der multiprofessionellen Teamar-beit (d. h. zwischen Lehrer/innen, Sozialpäda-gogen/Sozialpädagoginnen und Psychologen/Psychologinnen),Erstellen einer gemeinsamen Tages- undWochenstruktur durch die/den zuständige/nLehrer/in und die/den Sozialpädagogen/Sozial-pädagogin,Weiterentwicklung von Qualitätsstandards,Organisation und Begleitung der Reintegration(Perspektivplanung, Bewerbungsverfahren zurReintegration),Gestaltung von gemeinsamen Höhepunkten derTagesgruppe (Projekte, Exkursionen, Geburts-tage u. a.).

Die Ergebnisse dieser Besprechungen werdenschriftlich festgehalten. Um eine effektive undzielorientierte pädagogische Arbeit leisten zu kön-nen, wurden Modelle entwickelt und verbindlichfestgeschrieben, die die Kooperationsarbeit aufden verschiedenen Ebenen regeln. Damit konn-ten Probleme und Schwierigkeiten in der Kom-munikation zwischen den Kooperationspartnernund in der Leistungserbringung minimiert wer-den.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durchdie ständige Offenheit, Gesprächsbereitschaft, die„Neugier auf den Anderen“ (in seiner jeweiligenProfessionalität) und die klaren Regelungen zwi-schen den beiden Kooperationspartnern Schule undJugendhilfe ein entscheidender Beitrag zur Erzie-hung und Stabilisierung der von ihnen betreutenJugendlichen geleistet wird. Eine Bündelung dermateriellen und personellen Ressourcen auf beidenSeiten ist dafür die Grundlage.

Kontakt:Jean-Piaget-OberschuleProjektkoordinatorin: Frau KnaackTelefon 030 9980793eMail [email protected](Die eMail bitte mit dem Hinweis versehen:Nachricht an Frau Knaack weiterleiten.)

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Kooperation zwischen Schuleund Polizei

In den letzten Jahren hat sich die Kooperationzwischen Schulen und der Berliner Polizei in vielenBereichen intensiviert. Unter anderem wurdenzwischen drei Schulen und zwei PolizeidirektionenKooperationsvereinbarungen geschlossen. In derKooperationsvereinbarung zwischen der Heinrich-von-Stephan-Oberschule und der Polizeidirektion 3wird in der Präambel formuliert, dass dieKooperationspartner Schule und Polizei „durchbessere Kenntnis beidseitiger Erwartungen undAnforderungen den Jugendlichen bei dem Erwerbvon Kompetenzen zur Bewältigung ihres gegen-

wärtigen und zukünftigen Lebens als aktiver Teileiner demokratischen Gesellschaft helfen.“

Auch wenn das Thema Schuldistanz nicht Anlassfür den Abschluss einer solchen Kooperations-vereinbarung war und es deshalb auch keineexplizite Erwähnung in deren Rahmen findet, soeröffnet sie doch die Möglichkeit, bei Bedarf dasThema Schuldistanz anlässlich des vereinbarten halb-jährlichen Erfahrungsaustausches in den Blick zunehmen und auszuloten, wie diesbezüglich einesinnvolle Zusammenarbeit gestaltet werden kann,z. B. indem darüber nachgedacht wird, in welcherArt und Weiwiese die Polizei, deren Jugendbeauf-tragter im Vertrag als fester Ansprechpartner ge-nannt wird, die Bemühungen der Schule um eineVerringerung von Schuldistanz unterstützen kann.

Kooperationsvereinbarung

zwischen der

Heinrich-von-Stephan-OberschuleStephanstr. 2710559 Berlin(nachfolgend Stephan-Oberschule genannt)

und

dem Polizeipräsidenten in BerlinDirektion 3Perleberger Str. 61 a10559 Berlin(nachfolgend Dir 3 genannt)

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Präambel

Die Stephan-Oberschule und die Direktion 3 stre-ben eine Zusammenarbeit an, die die Schule inihrer pädagogischen Arbeit durch stärkere Reali-tätsbezüge unterstützt, bei den Schülerinnen undSchülern die demokratische Grundhaltung ver-bessern soll und der Direktion 3 einen größerenEinblick in die Möglichkeiten und Leistungen derSchule verschaffen soll. Die Kooperationspartnerwollen durch bessere Kenntnis beiderseitiger Er-wartungen und Anforderungen den Jugendlichenbei dem Erwerb von Kompetenzen zur Bewälti-gung ihres gegenwärtigen und zukünftigen Le-bens als aktiver Teil einer demokratischen Gesell-schaft helfen.

Die Stephan-Oberschule

Die Heinrich-von-Stephan-Oberschule ist eine in-tegrierte Haupt- und Realschule, d. h., Haupt-und Realschüler werden gemeinsam im Klassen-verband unterrichtet. Diese gemischte Schüler-schaft soll gutes Zusammenleben und erfolgrei-ches Lernen fördern.

Die Heinrich-von-Stephan-Oberschule steht für

LeistungsbezogenheitSelbständigkeitSoziale Verantwortungsbereitschaft

Sie erwartet von ihren Schülern eine angemessene,leistungsbezogene Lernhaltung. Die Schule gibtdafür angemessene Hilfen zur Selbsthilfe auf demWeg zur zunehmenden Selbständigkeit der Schü-ler. Die Schule versucht in vielen Bereichen eineErziehung zur sozialen Verantwortung: Hier kön-nen die Klassenversammlungen, die Konfliktlotsen,Partner- und Gruppenarbeit, Projekte u. v. a. die„Schülerfirma“ angeführt werden.

Die Direktion 3

Die Polizeidirektion 3 ist eine von sieben bezirklichgegliederten Polizeidirektionen, zuständig fürdie Bereiche des ehemaligen Bezirkes Mitte undTiergarten.In der Direktion 3 gibt es u. a. vier Polizeiab-schnitte (31 bis 34), ein Referat Verbrechens-bekämpfung, einen zentralen Verkehrsdienst, eineVerkehrsunfallbereitschaft, eine Direktionshundert-schaft und eine Stabsdienststelle, die für die Pla-nung und Durchführung großer Einsätze undVeranstaltungen sowie die Betreuung von Medien-vertretern zuständig ist.

Der Direktion 3 kommt nicht nur aufgrund derörtlichen Lage eine zentrale Bedeutung zu. Mitdem Regierungsviertel, den zahlreichen Touristen-attraktionen (Love-Parade, Silvestermeile, Denk-mäler ...), den politischen und gesellschaftlichenVeranstaltungen, den Luxus-Hotels, den verschie-denen Botschaften und Ländervertretungen unddem entsprechend sehr vielseitigen Publikum wirddem in den verschiedenen Bereichen eingesetz-ten Polizeibeamten der Direktion 3 hohe Flexibi-lität und Fingerspitzengefühl im Rahmen ihrestrotzdem konsequenten Handelns abverlangt.Geschlossene Einsätze in Zusammenhang mitgroßen Demonstrationen (NPD etc.) gehörengleichermaßen zum Alltag wie die Befriedung vonruhestörendem Lärm oder Ehestreitigkeiten, dieBetreuung von Pressevertretern und die Festnah-me von jugendlichen Räubern auf dem Schulhofoder im Kiez.Von Polizisten weitergegebene Erfahrungen undtransparent dargestellter Polizeialltag können denSchülern nicht nur den Beruf des Polizisten nahebringen, sondern auch von Schülern bei derUmsetzung gewaltfreien Handelns genutzt wer-den.

Kooperationsprojekte

Die Stephan-Oberschule wird sich in ihrem Un-terricht um eine demokratische Erziehung undschülerorientierte Modelle von Konfliktlösungenbemühen.In vielen Unterrichtsfächern und Jahrgängen spie-len Fragen der Gewaltenteilung und der Aufga-ben von Staat und Polizei eine Rolle. Auch dertägliche Umgang mit kleinen und gelegentlichgrößeren Konflikten sind Bestandteil jugendlichenLebens. Hier bieten sich Anknüpfungspunkte fürUnterrichtsprojekte, bei denen die Direktion 3 dieStephan-Oberschule unterstützen kann.Auch bei vielen Eltern gibt es Fragen und Ängs-te, die sich auf das soziale Umfeld und ihre Alltags-erfahrungen begründen. Rechtsstaatliches Den-ken steht auf der Probe, wenn scheinbar staatli-che Intervention gefordert wäre, aber nicht er-folgt. Auch darauf will u. a. die Stephan-Ober-schule reagieren - sachkundige Unterstützung derDirektion 3 kann hier hilfreich sein.Einige Jugendliche haben einen Dienst bei derPolizei als Berufsperspektive. Hier kann Informati-on aus erster Hand zu einer realistischen Haltungund gegebenenfalls Bestärkung dieses Berufs-wunsches führen.Die didaktisch-methodischen Kenntnisse der Kol-legen und Kolleginnen der Stephan-Oberschulekönnen bei der Vorbereitung - Gestaltung und

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Nachbereitung von Stunden durch Präventions-kräfte in den Schulen genutzt werden. Materialzur Gewaltprävention kann gesammelt und ge-sichtet werden.

Im Einzelnen wird vereinbart:

Fester erster Ansprechpartner in allen polizei-lichen Fragen für unsere Schule ist der/dieJugendbeauftragte der Direktion 3Eine langfristige Terminvereinbarung für denUnterricht durch den Jugendbeauftragten/die Jugendbeauftragte (Dir 3) wird zum Ende ei-nes jeden Schuljahres für das nächste Schul-jahr festgelegt.Auf Elternversammlungen (einmal im Schul-jahr) werden die Eltern der Schüler und Schüler-innen im 7. Schuljahr durch Mitarbeiter derDirektion 3 über spezielle Probleme von„Jugendgewalt und Prävention“ informiert.Vermittlung von Tipps für effektive Ausbil-dungsbewerbungen; hierzu werden u. a. Poli-zisten und Polizeianwärter und -anwärterinnendie Stephan-Oberschule besuchen und Schü-lern und Schülerinnen von ihren Erfahrungenberichten.Pro Jahr wird ein Projekttag und/oder eineProjektwoche zum Thema Gewaltpräventionund weiteren Themen für eine Klasse gemein-sam durchgeführt.Regelmäßige Gespräche zwischen Streitschlicht-ern der Schule und Polizeibeamten sollen Streit-schlichtern Grenzen aufzeigen und sie auf demrichtigen Weg bestärken.Unterrichtsmaterial auch für den Jugendbeauf-tragten (Vorbereitung, Durchführung, Auswer-tung) wird von Kollegen und Kolleginnen derStephan-Oberschule erarbeitet.Eine erste Sammlung von bestehenden Mate-rialien wird noch in diesem Schuljahr von derStephan-Oberschule der Direktion 3 zur Ver-fügung gestellt.

Dauer und Verfahren der Vereinbarung

Die Kooperationsvereinbarung wird von allen Part-nern gemeinsam getragen und gilt für unbestimm-te Zeit. Die Partner werden mindestens halbjähr-lich ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Pro-jekten austauschen, sie dabei konkretisieren undweiterentwickeln und ggf. ändern.Wenn ein Partner mit der Leistung des anderennicht zufrieden ist, kann die Zusammenarbeitjederzeit verändert oder auch beendet werden.

Es sollte vorher in jedem Falle ein Vermittlungs-gespräch versucht werden.

Ansprechpersonen für die Partner sind:

in der Stephan-Oberschule:Jens GroßpietschTelefon 030 39408425, Fax 030 39408544eMail [email protected]

in der Direktion 3:Christian ZornTelefon 030 2405 60 702,Fax 030 240560975eMail [email protected]

(Unterschriften)

Weitere Kooperationsvereinbarungen

Es gibt zwei weitere Kooperationsvereinbarungen,die die Direktion 6, Telefon 030 29328060mit der Paul- und Charlotte-Kniese-Oberschule,Telefon 030 51659714und der Schule an der Victoriastadt,Telefon 030 5107047geschlossen hat.

Durchsetzung der Schulpflicht- §§ 16 f. des BerlinerSchulgesetzes

§ 16 (Durchsetzung der Schulpflicht)Wer seine allgemeine Schulpflicht nach § 13 Ab-satz 2 nicht erfüllt, wird der Schule im Verwal-tungszwangsverfahren zugeführt, wenn pädago-gische Bemühungen, insbesondere auch Hinwei-se gegenüber den Erziehungsberechtigten, ohneErfolg geblieben sind. Die Erziehungsberechtig-ten haben dafür zu sorgen, dass die Schulpflich-tigen ihrer Schulpflicht regelmäßig nachkommen.Die Ausbildenden sind verpflichtet, den Schul-pflichtigen die zur Erfüllung der Berufsschulpflichtnach § 14 Absatz 1 erforderliche Zeit zu gewäh-ren und sie zur Erfüllung ihrer Schulpflicht anzu-halten. Versäumt der Auszubildende unentschul-digt den Unterricht in der Berufsschule, hat dieSchule den Ausbildenden und ggf. die Erziehungs-berechtigten schriftlich zu informieren und aufdie Erfüllung ihrer Verpflichtung nach Satz 2 und3 hinzuweisen.

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§ 17 (Ordnungswidrigkeiten, Straftatbestand)(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oderfahrlässig1. als Erziehungsberechtigter

a. entgegen § 8 Absatz 1 Satz 2 Kinder zurAufnahme in die Schule nicht anmeldet oderauf ihren körperlichen, geistigen oder see-lischen Entwicklungsstand nicht untersuchenlässt,

b. entgegen § 16 Satz 2 nicht dafür Sorgeträgt, dass die Schulpflichtigen ihrer Schul-pflicht regelmäßig nachkommen,

2. als Ausbildender entgegen § 16 Satz 3a. den Schulpflichtigen die zur Erfüllung der

Berufsschulpflicht erforderliche Zeit nicht ge-währt oder

b. die Schulpflichtigen zur Erfüllung ihrerBerufsschulpflicht nicht anhält.

(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer Schul-pflichtige durch Missbrauch des Ansehens, durchÜberredung oder durch andere Mittel anregt, denVorschriften über die Schulpflicht entgegenzu-handeln.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geld-buße bis zu fünftausend Deutsche Mark geahn-det werden.

(4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Ab-satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungs-widrigkeiten ist das Bezirksamt.

(5) Wer die Verstöße nach Absatz 1 oder 2 ausgrobem Eigennutz oder unter grober Vernachläs-sigung seiner Fürsorge- und Erziehungspflichtbegeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechsMonaten oder mit Geldstrafe bestraft.

Erläuterungen

Einleitend ist festzuhalten, dass im Vordergrundaller Bemühungen zur Einhaltung bzw. Durch-setzung der Schulpflicht zuerst pädagogischeMaßnahmen stehen.

Führen diese Maßnahmen jedoch nicht zu einemUnterlassen der Schulpflichtverletzung, kann dieSchule eine Schulversäumnisanzeige stellen. Abwann sie sich dazu entschießt, liegt in ihrem

Ermessen. Die Schulversäumnisanzeige wird andas zuständige Schulamt weitergeleitet, das - nunwiederum im eigenen Ermessen - über den wei-teren Fortgang der Angelegenheit entscheidet.

Die §§ 16 und 17 SchulG eröffnen dabei fürmehrere Fallgruppen unterschiedliche rechtlicheSanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung derSchulpflicht. Ist die Schulpflichtverletzung daraufzurückzuführen, dass ein Erziehungsberechtigternicht dafür Sorge getragen hat, dass sein Kind(der Schüler/die Schülerin) der allgemeinen Schulpflicht oder der Berufsschulpflicht nachkommt oderdass ein Ausbilder dem Schüler nicht die zur Er-füllung der Berufsschulpflicht erforderliche Zeitgewährt hat oder ihn nicht zur Erfüllung seinerBerufsschulpflicht angehalten hat, so liegt eineOrdnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbußebis zu einer Höhe von 2.500 € geahndet werdenkann. Zudem besteht die Möglichkeit, den Schü-ler/die Schülerin im Wege des Verwaltungszwangs-verfahrens der Schule zwangsweise zuzuführen.In der erst”genannten Fallgruppen richtet sichdas Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungs-widrigkeiten (OwiG), wobei in besonders schwe-ren Fällen der Verletzung der Schulpflicht auchdie Einleitung eines Strafverfahrens denkbar wäre.Im Fall der zwangsweisen Zuführung richtet sichdas Verfahren nach dem Verwaltungsvoll-streckungsgesetz (VwVG).

Die ordnungsbehördliche Zuständigkeit für dieDurchführung aller Verfahren (Ordnungswidrig-keitsverfahren/Verwaltungszwangsverfahren) zurDurchsetzung/Einhaltung der Schulpflicht liegt beiden Bezirksämtern (§ 17 SchulG, § 36 OWiG) nichtbei den Schulen, d. h. z. B., dass im Fall derzwangsweisen Zuführung das Verwaltungszwangs-verfahren (Erlass eines Verwaltungsaktes auf Ver-pflichtung zum Schulbesuch, Anordnung undFestsetzung des Zwangsmittels) von den Ord-nungsbehörden (bezirklichen Schulämtern) zubetreiben ist. Erst wenn das Verfahren abgeschlos-sen ist und keine Aussicht auf eine erfolgreicheUmsetzung besteht, kann ein Vollzugshilfeersuchenan die Polizei gerichtet werden. Nach § 52 ASOGkann die Polizei als Vollzugshilfe tätig werden,wenn die ersuchende Behörde nicht selbst überdie hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügt oderihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbstdurchsetzen kann.

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Wichtige Paragraphen aus demKinder- und Jugendhilfegesetz

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch, ZweitesKapitel: Leistungen der Jugendhilfe

Erster Abschnitt: Jugendarbeit, Jugend-sozialarbeit, erzieherischer Kinder- und Ju-gendschutz

SGB VIII § 11 Jugendarbeit

(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ih-rer Entwicklung erforderlichen Angebote der Ju-gendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollenan den Interessen junger Menschen anknüpfenund von ihnen mitbestimmt und mitgestaltetwerden, sie zur Selbstbestimmung befähigen undzu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zusozialem Engagement anregen und hinführen.

(2) Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden,Gruppen und Initiativen der Jugend, von ande-ren Trägern der Jugendarbeit und den Trägernder öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst für Mit-glieder bestimmte Angebote, die offene Jugend-arbeit und gemeinwesenorientierte Angebote.

(3) Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit ge-hören:1. außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner,

politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller,naturkundlicher und technischer Bildung,

2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,3. arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Ju-

gendarbeit,4. internationale Jugendarbeit,5. Kinder- und Jugenderholung,6. Jugendberatung.

(4) Angebote der Jugendarbeit können auch Per-sonen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben,in angemessenem Umfang einbeziehen.

SGB VIII § 12 Förderungder Jugendverbände

(1) Die eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugend-verbände und Jugendgruppen ist unter Wahrungihres satzungsgemäßen Eigenlebens nach Maß-gabe des § 74 zu fördern.

(2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wirdJugendarbeit von jungen Menschen selbst orga-nisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mit-verantwortet. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegtund in der Regel auf die eigenen Mitglieder aus-gerichtet, sie kann sich aber auch an junge Men-schen wenden, die nicht Mitglieder sind. DurchJugendverbände und ihre Zusammenschlüssewerden Anliegen und Interessen junger Menschenzum Ausdruck gebracht und vertreten.

SGB VIII § 13 Jugendsozialarbeit

(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialerBenachteiligungen oder zur Überwindung indivi-dueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße aufUnterstützung angewiesen sind, sollen im Rah-men der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfenangeboten werden, die ihre schulische und be-rufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeits-welt und ihre soziale Integration fördern.

(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Men-schen nicht durch Maßnahmen und Programmeanderer Träger und Organisationen sichergestelltwird, können geeignete sozialpädagogisch beglei-tete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaß-nah-men angeboten werden, die den Fähigkeiten unddem Entwicklungsstand dieser jungen MenschenRechnung tragen.

(3) Jungen Menschen kann während der Teilnah-me an schulischen oder beruflichen Bildungs-maßnahmen oder bei der beruflichen Eingliede-rung Unterkunft in sozialpädagogisch begleite-ten Wohnformen angeboten werden. In diesenFällen sollen auch der notwendige Unterhalt desjungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfenach Maßgabe des § 40 geleistet werden.

(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen derSchulverwaltung, der Bundesanstalt für Arbeit,der Träger betrieblicher und außerbetrieblicherAusbildung sowie der Träger von Beschäftigungs-angeboten abgestimmt werden.

SGB VIII § 14 Erzieherischer Kinder-und Jugendschutz

(1) Jungen Menschen und Erziehungsberechtigtensollen Angebote des erzieherischen Kinder- undJugendschutzes gemacht werden.

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(2) Die Maßnahmen sollen1. junge Menschen befähigen, sich vor gefähr-

denden Einflüssen zu schützen und sie zu Kritik-fähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigen-verantwortlichkeit sowie zur Verantwortunggegenüber ihren Mitmenschen führen,

2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bes-ser befähigen, Kinder und Jugendliche vorgefährdenden Einflüssen zu schützen.

SGB VIII § 15 Landesrechtsvorbehalt

Das Nähere über Inhalt und Umfang der in die-sem Abschnitt geregelten Aufgaben und Leistun-gen regelt das Landesrecht.

Zweiter Abschnitt: Förderung der Erziehungin der Familie

SGB VIII § 16 Allgemeine Förderung derErziehung in der Familie

(1) Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtig-ten und jungen Menschen sollen Leistungen derallgemeinen Förderung der Erziehung in der Fa-milie angeboten werden. Sie sollen dazu beitra-gen, dass Mütter, Väter und andere Erziehungs-berechtigte ihre Erziehungsverantwortung besserwahrnehmen können. Sie sollen auch Wege auf-zeigen, wie Konfliktsituationen in der Familiegewaltfrei gelöst werden können.

(2) Leistungen zur Förderung der Erziehung inder Familie sind insbesondere1. Angebote der Familienbildung, die auf Bedürf-

nisse und Interessen sowie auf Erfahrungenvon Familien in unterschiedlichen Lebenslagenund Erziehungssituationen eingehen, die Fami-lie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungenund in Formen der Selbst- und Nachbarschafts-hilfe besser befähigen sowie junge Menschenauf Ehe, Partnerschaft und das Zusammen-leben mit Kindern vorbereiten,

2. Angebote der Beratung in allgemeinen Fragender Erziehung und Entwicklung junger Men-schen,

3. Angebote der Familienfreizeit und der Familien-erholung, insbesondere in belastenden Familien-situationen, die bei Bedarf die erzieherischeBetreuung der Kinder einschließen.

(3) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Auf-gaben regelt das Landesrecht.

SGB VIII § 17 Beratung in Fragen der Part-nerschaft, Trennung und Scheidung

(1) Mütter und Väter haben im Rahmen der Ju-gendhilfe Anspruch auf Beratung in Fragen derPartnerschaft, wenn sie für ein Kind oder einenJugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlichsorgen.Die Beratung soll helfen,1. ein partnerschaftliches Zusammenleben in der

Familie aufzubauen,2. Konflikte und Krisen in der Familie zu bewäl-

tigen,3. im Falle der Trennung oder Scheidung die

Bedingungen für eine dem Wohl des Kindesoder des Jugendlichen förderliche Wahrneh-mung der Elternverantwortung zu schaffen.

(2) Im Falle der Trennung oder Scheidung sindEltern unter angemessener Beteiligung des be-troffenen Kindes oder Jugendlichen bei der Ent-wicklung eines einvernehmlichen Konzepts für dieWahrnehmung der elterlichen Sorge zu unter-stützen; dieses Konzept kann auch als Grundlagefür die richterliche Entscheidung über die elter-liche Sorge nach der Trennung oder Scheidungdienen.

(3) Die Gerichte teilen die Rechtshängigkeit vonScheidungssachen, wenn gemeinschaftliche min-derjährige Kinder vorhanden sind (§ 622 Absatz 2Satz 1 der Zivilprozessordnung), sowie Namen undAnschriften der Parteien dem Jugendamt mit,damit dieses die Eltern über das Leistungsan-ge-bot der Jugendhilfe nach Absatz 2 unterrich-tet.

SGB VIII § 18 Beratung und Unterstützungbei der Ausübung der Personensorge

(1) Mütter und Väter, die allein für ein Kind odereinen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsäch-lich sorgen, haben Anspruch auf Beratung undUnterstützung bei der Ausübung der Personen-sorge einschließlich der Geltendmachung vonUnterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen desKindes oder Jugendlichen.

(2) Die Mutter, der die elterliche Sorge nach§ 1626 a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchszusteht, hat Anspruch auf Beratung und Unter-stützung bei der Geltendmachung ihrer Unter-haltsansprüche nach § 1615 l des BürgerlichenGesetzbuchs.

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(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch aufBeratung und Unterstützung bei der Ausübungdes Umgangsrechts nach § 1684 Absatz 1 desBürgerlichen Gesetzbuchs. Sie sollen darin unter-stützt werden, dass die Personen, die nach Maß-gabe der §§ 1684 und 1685 des BürgerlichenGesetzbuchs zum Umgang mit ihnen berechtigtsind, von diesem Recht zu ihrem Wohl Gebrauchmachen. Eltern, andere Umgangsberechtigte so-wie Personen, in deren Obhut sich das Kind be-findet, haben Anspruch auf Beratung und Unter-stützung bei der Ausübung des Umgangsrechts.Bei der Befugnis, Auskunft über die persönlichenVerhältnisse des Kindes zu verlangen, bei derHerstellung von Umgangskontakten und bei derAusführung gerichtlicher oder vereinbarter Um-gangsregelungen soll vermittelt und in geeigne-ten Fällen Hilfestellung geleistet werden.

(4) Ein junger Volljähriger hat bis zur Vollendungdes 21. Lebensjahres Anspruch auf Beratung undUnterstützung bei der Geltendmachung von Un-terhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen.

SGB VIII § 19 Gemeinsame Wohnformen fürMütter/Väter und Kinder

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kindunter sechs Jahren zu sorgen haben, sollen ge-meinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohn-form betreut werden, wenn und solange sieaufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieserForm der Unterstützung bei der Pflege und Erzie-hung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließtauch ältere Geschwister ein, sofern die Mutteroder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Eineschwangere Frau kann auch vor der Geburt desKindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Während dieser Zeit soll darauf hingewirktwerden, dass die Mutter oder der Vater eineschulische oder berufliche Ausbildung beginnt oderfortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(3) Die Leistung soll auch den notwendigen Un-terhalt der betreuten Personen sowie die Kranken-hilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

SGB VIII § 20 Betreuung und Versorgung desKindes in Notsituationen

(1) Fällt der Elternteil, der die überwiegende Be-treuung des Kindes übernommen hat, für dieWahrnehmung dieser Aufgabe aus gesundheitli-chen oder anderen zwingenden Gründen aus, so

soll der andere Elternteil bei der Betreuung undVersorgung des im Haushalt lebenden Kindesunterstützt werden, wenn1. er wegen berufsbedingter Abwesenheit nicht

in der Lage ist, die Aufgabe wahrzunehmen,2. die Hilfe erforderlich ist, um das Wohl des

Kindes zu gewährleisten,3. Angebote der Förderung des Kindes in Tages-

einrichtungen oder in Tagespflege nicht aus-reichen.

(2) Fällt ein alleinerziehender Elternteil oder fal-len beide Elternteile aus gesundheitlichen oderanderen zwingenden Gründen aus, so soll unterder Voraussetzung des Absatzes 1 Nummer 3 dasKind im elterlichen Haushalt versorgt und be-treut werden, wenn und solange es für sein Wohlerforderlich ist.

SGB VIII § 21 Unterstützung bei notwendi-ger Unterbringung zur Erfüllung der Schul-pflicht

Können Personensorgeberechtigte wegen des mitihrer beruflichen Tätigkeit verbundenen ständi-gen Ortswechsels die Erfüllung der Schulpflichtihres Kindes oder Jugendlichen nicht sicherstellenund ist deshalb eine anderweitige Unterbringungdes Kindes oder des Jugendlichen notwendig, sohaben sie Anspruch auf Beratung und Unter-stützung. In geeigneten Fällen können die Kos-ten der Unterbringung in einer für das Kind oderden Jugendlichen geeigneten Wohnform ein-schließlich des notwendigen Unterhalts sowie dieKrankenhilfe übernommen werden, wenn undsoweit dies dem Kind oder dem Jugendlichenund seinen Eltern aus ihren Einkommen und Ver-mögen nach Maßgabe der §§ 91 bis 93 nichtzuzumuten ist. Die Kosten können über das schul-pflichtige Alter hinaus übernommen werden, so-fern eine begonnene Schulausbildung noch nichtabgeschlossen ist, längstens aber bis zur Vollen-dung des 21. Lebensjahres.

Dritter Abschnitt: Förderung von Kindernin Tageseinrichtungen und in Tagespflege

SGB VIII § 22 Grundsätze der Förderung vonKindern in Tageseinrichtungen

(1) In Kindergärten, Horten und anderen Einrich-tungen, in denen sich Kinder für einen Teil desTages oder ganztags aufhalten (Tageseinrichtun-gen), soll die Entwicklung des Kindes zu einer

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eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigenPersönlichkeit gefördert werden.

(2) Die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildungund Erziehung des Kindes. Das Leistungsangebotsoll sich pädagogisch und organisatorisch an denBedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orien-tieren.

(3) Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollendie in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte undanderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigtenzum Wohl der Kinder zusammenarbeiten. Die Er-ziehungsberechtigten sind an den Entscheidungenin wesentlichen Angelegenheiten der Tagesein-richtung zu beteiligen.

SGB VIII § 23 Tagespflege

(1) Zur Förderung der Entwicklung des Kindes,insbesondere in den ersten Lebensjahren, kannauch eine Person vermittelt werden, die das Kindfür einen Teil des Tages oder ganztags entwederim eigenen oder im Haushalt des Personensorge-berechtigten betreut (Tagespflegeperson).

(2) Die Tagespflegeperson und der Personensorge-berechtigte sollen zum Wohl des Kindes zusam-menarbeiten. Sie haben Anspruch auf Beratungin allen Fragen der Tagespflege.

(3) Wird eine geeignete Tagespflegeperson ver-mittelt und ist die Förderung des Kindes in Tages-pflege für sein Wohl geeignet und erforderlich,so sollen dieser Person die entstehenden Auf-wendungen einschließlich der Kosten der Erzie-hung ersetzt werden. Die entstehenden Aufwen-dungen einschließlich der Kosten der Erziehungsollen auch ersetzt werden, wenn das Jugend-amt die Geeignetheit und Erforderlichkeit derTagespflege für das Wohl des Kindes und dieEignung einer von den Personensorgeberechtigtennachgewiesenen Pflegeperson feststellt.

(4) Zusammenschlüsse von Tagespflegepersonensollen beraten und unterstützt werden.

SGB VIII § 24 Ausgestaltung des Förderungs-angebots in Tageseinrichtungen

Ein Kind hat vom vollendeten dritten Lebensjahrbis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besucheines Kindergartens. Für Kinder im Alter unterdrei Jahren und für Kinder im schulpflichtigenAlter sind nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen

vorzuhalten. Die Träger der öffentlichen Jugend-hilfe haben darauf hinzuwirken, dass ein be-darfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zurVerfügung steht.

SGB VIII § 24 a Übergangsregelung zum An-spruch auf den Besuch eines Kindergartens

(1) Kann zum 1. Januar 1996 in einem Land daszur Erfüllung des Rechtsanspruchs nach § 24Satz 1 erforderliche Angebot nicht gewährleistetwerden, so gelten die nachfolgenden Regelun-gen.

(2) Landesrecht kann einen allgemeinen Zeitpunkt,spätestens den 1. August 1996, festlegen undbestimmen, dass erst ab diesem festgelegtenZeitpunkt der Anspruch eines Kindes, das bis zudiesem Tag das dritte Lebensjahr vollendet hat,besteht.

(3) Landesrecht kann für die Zeit ab dem1. August 1996 bis zum 31. Dezember 1998 eineRegelung treffen, die die örtlichen Träger, dieden Rechtsanspruch nach § 24 Satz 1 noch nichterfüllen können, auf Antrag befugt, für ihrenBereich allgemeine Zeitpunkte festzulegen, ab de-nen der Rechtsanspruch auf den Besuch desKindergartens besteht. Diese Zeitpunkte dürfenhöchstens sechs Monate und für das Jahr 1998höchstens vier Monate auseinander liegen. Vor-aussetzung für die Befugnis ist, dass der örtlicheTräger vorab im Rahmen der Jugendhilfeplanungdas noch bestehende Versorgungsdefizit festge-stellt und verbindliche Ausbaustufen zur Ver-wirklichung des Angebots, das eine Erfüllungdes Rechtsanspruchs nach § 24 Satz 1 zumfrühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens zum31. Dezember 1998, gewährleistet, beschlossen hat.

(4) Landesrecht kann auch regeln, dass der An-spruch im Rahmen der Absätze 2 und 3 bis zum31. Dezember 1998 auch durch ein anderes ge-eignetes Förderungsangebot erfüllt werden kann.

(5) Besteht eine landesrechtliche Regelung nachden Absätzen 2 bis 4, so hat der örtliche Trägerder Jugendhilfe im Rahmen seiner Gewähr-leistungspflicht nach § 79 sicherzustellen, dassein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr anauch vor den jeweiligen allgemeinen Zeitpunkteneinen Kindergartenplatz oder ein anderes geeig-netes Förderungsangebot erhält, wenn die Ab-lehnung für das Kind oder seine Eltern eine be-sondere Härte bedeuten würde.

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SGB VIII § 25 Unterstützung selbst-organisierter Förderung von Kindern

Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte,die die Förderung von Kindern selbst organisie-ren wollen, sollen beraten und unterstützt wer-den.

SGB VIII § 26 Landesrechtsvorbehalt

Das Nähere über Inhalt und Umfang der in die-sem Abschnitt geregelten Aufgaben und Leistun-gen regelt das Landesrecht. Am 31. Dezember 1990geltende landesrechtliche Regelungen, die dasKindergartenwesen dem Bildungsbereich zuweisen,bleiben unberührt.

Vierter Abschnitt: Hilfe zur Erziehung, Ein-gliederungshilfe für seelisch behinderte Kin-der und Jugendliche, Hilfe für junge Voll-jährige

Erster Unterabschnitt Hilfe zur Erziehung

SGB VIII § 27 Hilfe zur Erziehung

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei derErziehung eines Kindes oder eines JugendlichenAnspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenneine dem Wohl des Kindes oder des Jugendli-chen entsprechende Erziehung nicht gewährleis-tet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeig-net und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nachMaßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art undUmfang der Hilfe richten sich nach dem erziehe-rischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engeresoziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlicheneinbezogen werden.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere dieGewährung pädagogischer und damit verbunde-ner therapeutischer Leistungen. Sie soll bei Be-darf Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmenim Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen.

SGB VIII § 28 Erziehungsberatung

Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungs-dienste und -einrichtungen sollen Kinder, Jugend-liche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei

der Klärung und Bewältigung individueller undfamilienbezogener Probleme und der zugrundeliegenden Faktoren, bei der Lösung von Erzie-hungsfragen sowie bei Trennung und Scheidungunterstützen. Dabei sollen Fachkräfte verschiede-ner Fachrichtungen zusammenwirken, die mit un-terschiedlichen methodischen Ansätzen vertrautsind.

SGB VIII § 29 Soziale Gruppenarbeit

Die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit soll älte-ren Kindern und Jugendlichen bei der Über-windung von Entwicklungsschwierigkeiten undVerhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeitsoll auf der Grundlage eines gruppenpädago-gischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinderund Jugendlicher durch soziales Lernen in derGruppe fördern.

SGB VIII § 30 Erziehungsbeistand,Betreuungshelfer

Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfersollen das Kind oder den Jugendlichen bei derBewältigung von Entwicklungsproblemen möglichstunter Einbeziehung des sozialen Umfelds unter-stützen und unter Erhaltung des Lebensbezugszur Familie seine Verselbständigung fördern.

SGB VIII § 31 SozialpädagogischeFamilienhilfe

Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch inten-sive Betreuung und Begleitung Familien in ihrenErziehungsaufgaben, bei der Bewältigung vonAlltagsproblemen, der Lösung von Konflikten undKrisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institu-tionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe ge-ben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer ange-legt und erfordert die Mitarbeit der Familie.

SGB VIII § 32 Erziehung ineiner Tagesgruppe

Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll dieEntwicklung des Kindes oder des Jugendlichendurch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitungder schulischen Förderung und Elternarbeit un-terstützen und dadurch den Verbleib des Kindesoder des Jugendlichen in seiner Familie sichern.Die Hilfe kann auch in geeigneten Formen derFamilienpflege geleistet werden.

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SGB VIII § 33 Vollzeitpflege

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entspre-chend dem Alter und Entwicklungsstand des Kin-des oder des Jugendlichen und seinen persön-lichen Bindungen sowie den Möglichkeiten derVerbesserung der Erziehungsbedingungen in derHerkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen ineiner anderen Familie eine zeitlich befristeteErziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegteLebensform bieten. Für besonders entwicklungs-beeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind ge-eignete Formen der Familienpflege zu schaffenund auszubauen.

SGB VIII § 34 Heimerziehung,sonstige betreute Wohnform

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tagund Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonsti-gen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugend-liche durch eine Verbindung von Alltagserlebenmit pädagogischen und therapeutischen Ange-boten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll ent-sprechend dem Alter und Entwicklungsstand desKindes oder des Jugendlichen sowie den Mög-lichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedin-gungen in der Herkunftsfamilie1. eine Rückkehr in die Familie zu erreichen ver-

suchen oder2. die Erziehung in einer anderen Familie vorbe-

reiten oder3. eine auf längere Zeit angelegte Lebensform

bieten und auf ein selbständiges Leben vorbe-reiten.

Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung undBeschäftigung sowie der allgemeinen Lebensfüh-rung beraten und unterstützt werden.

SGB VIII § 35 Intensive sozialpädagogischeEinzelbetreuung

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung sollJugendlichen gewährt werden, die einer intensi-ven Unterstützung zur sozialen Integration undzu einer eigenverantwortlichen Lebensführung be-dürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit

angelegt und soll den individuellen Bedürfnissendes Jugendlichen Rechnung tragen.

Zweiter Unterabschnitt: Eingliederungshilfefür seelisch behinderte Kinder und Jugend-liche

SGB VIII § 35 a Eingliederungshilfe für see-lisch behinderte Kinder und Jugendliche

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch aufEingliederungshilfe, wenn1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahr-

scheinlichkeit länger als sechs Monate von demfür ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht,und

2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesell-schaft beeinträchtigt ist oder eine solche Be-einträchtigung zu erwarten ist.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall1. in ambulanter Form,2. in Tageseinrichtungen für Kinder oder in an-

deren teilstationären Einrichtungen,3. durch geeignete Pflegepersonen und4. in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie

sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmungdes Personenkreises sowie die Art der Leistungenrichten sich nach § 39 Absatz 3 und 4 Satz 1,den §§ 40 und 41 des Bundessozialhilfegesetzes,soweit diese Bestimmungen auch auf seelischbehinderte oder von einer solchen Behinderungbedrohte Personen Anwendung finden.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten,so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen inAnspruch genommen werden, die geeignet sind,sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zuerfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zudecken. Sind heilpädagogische Maßnahmen fürKinder, die noch nicht im schulpflichtigen Altersind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewäh-ren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollenEinrichtungen in Anspruch genommen werden,in denen behinderte und nichtbehinderte Kindergemeinsam betreut werden.

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Leistungsbeschreibungen der Berliner Kostensatzrahmenvereinbarungfür den Jugendhilfebereich (Auszüge)

Ambulante Angebote Leistungsangebot Zielgruppe Ziele und Aufgaben Ambulante psychologische Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie §§ 27 Abs 3 u. 35 a SGB VIII § 27 AG KJHG

i. d. R. 3 bis18 Jahre

Stabilisierung des Familiengefüges Minderung und Behebung seelischer Leidenszustände und damit verbundener körperlicher Beeinträchtigungen Gewinn neuer Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven

Familientherapie § 27 Absatz 3 SGB VIII

Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und deren Familien

Stabilisierung des familiären und sozialen Beziehungsgefüges, Minderung und Behebung von Beziehungsstörungen, Befähigung der Erziehungsberechtigten ihren Erziehungsauftrag zu erfüllen

Integrative Lerntherapie bei umschriebenen Entwick-lungsstörungen schulischen Lernens § 27 Absatz 3 und § 35 a SGB VIII

Kinder und Jugendliche i. d. R. im Grundschulalter

Verbindung und Integration pädagogischer und psychologischer Trainings- und Behandlungsmethoden, dadurch Entfaltung ihrer therapeutischen Wirkung, Entwicklungsförderung unter Einbeziehung des sozialen Umfelds

Erziehungs- und Familienberatung § 28 SGB VIII

Sorgeberechtigte, Bezugspersonen mit Umgangsrecht, Kinder, Jugendliche und junge Volljährige

Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme, Hilfe in belastenden Lebenssituationen Förderung der elterlichen Erziehungs-kompetenz, Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit

Begleiteter Umgang § 18 Abs. 3 SGB VIII

Eltern und andere Familienangehörige, andere Umgangs-berechtigte, Kinder und Jugendliche

Sicherstellung der Beziehungskontinuität der Minderjährigen zu seinen Eltern und anderen für seine Entwicklung wichtigen Bezugspersonen, Verselbständigung des Umgangs

Soziale Gruppenarbeit § 29 SGB VIII

i. d. R. Schulalter Hilfe bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen, soziales Lernen in der Gruppe

Erziehungsbeistand/ Betreuungshelfer § 30 SGB VIII

6 bis 21 Jahre Anleitung und Unterstützung zur altersentsprechenden Verselbständigung unter Erhaltung des Familienbezuges

Sozialpädagogische Familienhilfe § 31 SGB VIII

Erziehungsberech-tigte mit Kindern und Jugendlichen

Unterstützung der Familie, sozialpädagogische Beratung, Begleitung und Unterstützung

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung § 35 SGB VIII

i. d. R. 14 bis 21 Jahre

Krisenintervention, Förderung der emotionalen Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen, Entwicklungen realistischer Lebensplanungen

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Teilstationäre Angebote nach SGB VIII

Leistungsangebot Zielgruppe Ziele und Aufgaben Tagesgruppe § 2 Absatz 1 SGB VIII

i. d. R. 6 bis 16 Jahre

Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, familienunterstützen-des Angebot zwischen ambulanten und vollstationären Hilfen und in Abgrenzung zu anderen Tageseinrichtungen

Stationäre Angebote nach SGB VIII

Leistungsangebot Zielgruppe Ziele und Aufgaben Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform § 27 i. V. m. §§ 34, 41 SGB VIII Leistungsbereich: Vollstationäre Erziehungshilfen

Entwicklungsförderung von Kindern und Jugendlichen durch Verbindung von pädagogischen und therapeu- tischen Angeboten

a) „Rund-um-die-Uhr“-Schichtdienstgruppen (SDG) und ----------------------------------------

Gruppen mit

betreuungsfreien Zeiten

Aufnahmealter: ab 6 Jahre ----------------------------- i. d. R. ab 15 Jahre

Hilfe bei Trennungsverarbeitung von der Herkunftsfamilie, Begleitung der Kontakte zur Familie und Hilfe bei der möglichen Rückkehr -------------------------------------------------------- w. o. und Unterstützung bei der Entwicklung einer realistischen Lebensplanung

b) Wohngruppen mit alternierend innewohnender Betreuung (WAB)

Aufnahmealter: von 6 bis 15 Jahre

biographische Aufarbeitung der Her-kunftsfamiliensituation, Erhalt und Entwicklung förderlicher Bezüge zur Herkunftsfamilie

c) Erziehungswohngruppen (EWG) s. o.

Aufnahmealter: bis 15 Jahre s. o.

Haushalts- und Lebensgemeinschaft von Kindern und innewohnenden Fachkräf-ten, familienähnliche Betreuung, gezielte individuelle Förderung der psychosozia-len, emotionalen u. kognitiven Entwick-lung

d) Erziehungsstellen (EST) Aufnahmealter: 0 bis 15 Jahre

Haushalts- und Lebensgemeinschaft von Kindern und innewohnenden Fachkräften, familienähnliche Betreuung, durch Beziehungskontinuität gezielte Förderung der psychosozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung in individueller Form

e) Betreutes Jugendwohnen in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft (WG)

----------------------------------------- Betreutes Einzelwohnen (BEW) ------------------------------------------ Betreutes Wohnen für junge Volljährige (BWV)

Aufnahmealter: i. d. R. ab 15 Jahre -------------------------- i. d. R. ab 15 Jahre -------------------------- ab 17,5 Jahre

persönliche Stabilisierung, Hilfe bei Erreichen eines Schul- oder Berufs-abschlusses, Klärung der familiären Beziehungen, Entwicklung von Kommunikations- und sozialer Kon-taktfähigkeit, Verselbständigung zum Leben, unabhängig von staatlicher Hilfe --------------------------------------------------- w. o. --------------------------------------------------- w. o.

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Musterkooperationsvereinbarungfür Projekte mit schuldistanzier-ten jungen Menschen

Musterkooperationsvereinbarung

Kooperationspartner sind:Jugendamt (konkrete Benennung)SenBJS, Außenstelle (...)Schule (...)Maßnahmeträger (...)

zur Zusammenarbeit bei der Durchführung eineMaßnahme (konkrete Benennung) zur Förderungund Begleitung der schulischen Reintegration vonschuldistanzierten Schülern und Schülerinnen.

§ 1Grundlagen

1. Die Vereinbarung regelt die Zusammenarbeitoben genannter Vereinbarungspartner.

2. Grundlagen der Maßnahme sind das BerlinerSchulgesetz, das Schulverfassungsgesetz, dasSGB VIII in Verbindung mit etwaigen Aus-führungsvorschriften und Leistungsbeschreibun-gen, das Konzept des Trägers und erforderli-chenfalls die Betriebserlaubnis.

3. Dabei bleiben die durch Gesetz, Rechts- undVerwaltungsvorschriften vorgegebenen Zustän-digkeiten unberührt.

§ 2Zielstellung

1. Die Maßnahme will die Reintegration vonschuldistanzierten Schülerinnen und Schülernerreichen.

2. Die Maßnahme unterstützt die Bewältigungaltersbezogener Entwicklungsaufgaben durchSchaffung eines sozialen Lernfeldes, das moti-vierende und stabilisierende Situationen undBeziehungen bietet. Sie leistet zudem überindividuelle Förderung einen Beitrag zum Ab-bau der durch Verhaltensauffälligkeiten mit-bedingten Entwicklungs- und Lernprobleme.

3. In diesem Sinne ist die Maßnahme auch eineschulische und familiale Prozesse unterstüt-zende und ergänzende Erziehungs- und Bil-dungsinstanz auf Zeit. In ihr realisieren Schü-ler und Schülerinnen ihre Schulpflicht.

4. Bei Wiedereintritt in die Regelschule unter-stützt die Maßnahme die Bewältigung desSchulalltags für einen längeren Zeitraum ent-sprechend der individuellen Bedürfnisse.

5. Die Maßnahme fördert in enger Zusammen-arbeit mit der Schulleitung und den Lehrkräf-ten die Bereitschaft und die Fähigkeit der Kin-der und Jugendlichen zur Reintegration in dieRegelschule - ggf. in eine berufsvorbereitendeMaßnahme - und unterstützt die Entwicklungdafür notwendiger Bedingungen bei Kindernund Jugendlichen, in der Familie und in deraufnehmenden Schule.

Angebote im Bereich der Anderen Aufgaben nach SGB VIII

Leistungsangebot Zielgruppe Ziele und Aufgaben Erstberatung im Rahmen der Inobhutnahme/Sozialpädagogische Krisenintervention nach § 42 SGB VIII

Kinder und Jugendliche, bei befürchteter akuter Kindes-wohlgefährdung auch Eltern, Familienangehörige, prof. Helfer, Dritte

Schutz und Gefahren-abwehr sowie Krisenintervention

Unterbringung in Folge der Inobhutnahme/Sozialpädagogische Krisenintervention

0 bis unter 18 Jahre Schutz und Gefahrenabwehr, Krisenintervention bis zur Perspektivklärung, Bereitstellung von Unterkunft

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§ 3Inhalt der Leistung

Das Angebot umfasst:

Unterstützung der Diagnostik zum komplexenErfassen von Ursachen der Schulverweigerungin Zusammenarbeit mit den entsprechendenFachdienstElternarbeitIntensive sozialpädagogische EinzelarbeitGruppenarbeitIndividuelle BeschulungGegebenenfalls therapeutische LeistungenGegebenenfalls Maßnahmen im ÜbergangSchule - BerufSonstiges

§ 4Zielgruppe und Zugangsvoraussetzungen

1. Zielgruppe (Maßnahmebezogen beschreiben)

2. Ort (Maßnahmebezogen beschreiben)

3. Zugangsvoraussetzungen sind:- die Bereitschaft der Eltern zur Zusammen-

arbeit bei der Überwindung der Schul-verweigerung und die Bereitschaft des Kin-des/Jugendlichen, sich auf diese Hilfeformeinzulassen

- der Nachweis, dass schulische Förder- undErziehungsmaßnahmen im Rahmen desSchulgesetzes ausgeschöpft sind

- elementare Gruppenfähigkeit

§ 5Status der Teilnehmer

1. Bezogen auf die Jugendhilfemaßnahme (be-schreiben)

2. Bezogen auf die Schule (beschreiben)

§ 6Aufgaben des Jugendamtes

1. Das Jugendamt prüft den Bedarf und die Eig-nung der Jugendhilfemaßnahme gemäß SGB VIIIund arbeitet dabei mit den Fachdiensten undFachkräften zusammen.

2. Das Jugendamt entscheidet über die Bewilli-gung der Leistung und ist zuständig für dasHilfeplanverfahren gemäß § 36 SGB VIII im ge-samten Zeitraum der Hilfe. Daran wird diezuständige Schule beteiligt.

3. Das Jugendamt übernimmt die Kosten auf derGrundlage des Trägervertrages zwischen demMaßnahmeträger und dem Land Berlin, vertre-ten durch das Landesjugendamt.

4. Das Jugendamt hat im Rahmen der Gewähr-leistungspflicht die Verantwortung für dieKontrolle der Jugendhilfeleistung.

5. Einzelheiten der Zusammenarbeit mit dem frei-en Träger der Jugendhilfe regeln Vereinbarun-gen, die Anlage des Vertrages sind.

§ 7Aufgaben der Senatsverwaltung fürBildung, Jugend und Sport und des

Schulträgers

1. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend undSport sichert die Bereitstellung von Lehrer-stunden gemäß den jeweils geltenden Organi-sationsrichtlinien.Die Fach- und Dienstaufsicht durch die Senats-verwaltung für Bildung, Jugend und Sport blei-ben unberührt.

2. Die Personensorgeberechtigten werden durchdie jeweilige Außenstelle der Senatsverwaltungfür Bildung, Jugend und Sport über den Um-fang der Beschulung in der Maßnahme ange-messen informiert.

3. Der Schulträger stellt die für die Maßnahmeerforderlichen Räume im Rahmen der vor-handenen Möglichkeiten entgeltfrei zur Ver-fügung. Er berücksichtigt außerdem die denSchülern der Maßnahme zustehenden Sach-kosten für Lehr- und Lernmittel bei der Mittel-vergabe.

§ 8Aufgaben der kooperierenden Schulen

Kinder und Jugendliche, die an der Maßnahmeteilnehmen, sind Schülerinnen und Schüler derkooperierenden Schulen.

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Die in der Maßnahme tätigen Lehrkräfte sindMitglieder der Kollegien der Kooperationsschulen.Damit gelten grundsätzlich für die Lehrerinnenund Lehrer sowie für die Schülerinnen und Schü-ler das Berliner Schulgesetz und das Schulverfas-sungsgesetz.

1. Die Klassenkonferenz stellt das Vorliegen vonschuldistanziertem Verhalten der Schülerin oderdes Schülers fest. Sie berücksichtigt die Fehl-tage und bezieht Stellungnahmen entsprechen-der Fachdienste ein. Sie dokumentiert die bishererfolgten Maßnahmen. Die Schulleitung infor-miert die Schulaufsicht und den Schulträgerüber den Beschluss.

2. Die Lehrkräfte beteiligen sich an der Hilfeplanungdes Jugendamtes. Sie erarbeiten in Abstimmungmit den in der Maßnahme tätigen Mitarbeiternder Jugendhilfe ein pädagogisches Konzept.

3. Die Schule ist verantwortlich für die Bereitstel-lung der für den Unterricht erforderlichen Lehr-und Lernmittel.

4. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung derAblösephase erstellen die Mitarbeiter/innen derMaßnahme einen Entwicklungsbericht und er-arbeiten Empfehlungen für die weitere Schul-und Hilfeplanung.

5. Die Schule unterstützt im Rahmen ihrer Verant-wortung für die Qualitätssicherung des Unter-richts die erforderliche Fortbildung für die inder Maßnahme tätigen Lehrkräfte.

6. Die Schule sichert im Rahmen ihrer Möglich-keiten eine geeignete Vertretung bei Ausfalleiner Lehrkraft. Sollte in Ausnahmefällen kei-ne Vertretungsmöglichkeit vorhanden sein, er-folgen Aufsicht und Betreuung durch die Mit-arbeiter und Mitarbeiterinnen der Maßnahme.

7. Entscheidungen über Beurlaubungen einzelnerSchüler und Schülerinnen vom Unterricht trifftdie Schulleitung bzw. die Schulaufsicht in Ab-stimmung mit der Leitung der Maßnahme unddem Jugendamt.

8. Dem Unterrichtskonzept entsprechende undnotwendige spezifische und individuelle Rege-lungen, zum Beispiel für die Bewertung, lie-gen in der Verantwortung der Schulleitungund der Schulaufsicht.

9. Die außerschulischen Mitarbeiter der Maßnah-me werden zu den erforderlichen Sitzungender schulischen Gremien eingeladen. Es gilt§ 5 (2) Schulverfassungsgesetz (Gästeregelung).

§ 9Aufgaben des Maßnahmeträgers

1. Die Aufgaben und Leistungen des Maßnahme-trägers ergeben sich aus den als Anlage beige-fügten Dokumenten (Konzept der Maßnahme).

2. Der Maßnahmeträger stellt die zur Realisie-rung der Maßnahme geeigneten und erfor-derlichen Fachkräfte zur Verfügung. Er ist zu-ständig für deren Qualifizierung, Fortbildungund Supervision. Die Fachkräfte sind Ange-stellte des Maßnahmeträgers und unterstehendessen Fach- und Dienstaufsicht.

3. Die Sicherstellung des gesetzlichen Unfallver-sicherungsschutzes seiner Beschäftigten istAufgabe des Maßnahmeträgers, ebenso wirddie Haftpflichtversicherung der Angestelltendurch ihn geregelt.

4. Der Maßnahmeträger ist für die Qualitäts-sicherung des Angebotes zuständig und diedafür notwendige Kooperation mit der koope-rieren Schule (Schulen) und anderen Partnern.

5. Der Maßnahmeträger hat im Rahmen seinerWeisungsbefugnis gegenüber seinen Mitarbei-tern und Mitarbeiterinnen zu gewährleisten,dass nicht gegen geltende Vorschriften, Anord-nungen der Schulaufsichtsbehörde oder Be-schlüsse der schulischen Gremien verstoßenoder der Schulbetrieb nicht beeinträchtigt wird.

6. Die Leitung der Maßnahme übt bei Abwesen-heit der Schulleitung das Hausrecht über diedurch den Maßnahmeträger genutzten Räu-me für die Maßnahme aus.

§ 10Zusammenarbeit

1. Alle vereinbarungsschließenden Seiten verpflich-ten sich zu einer ZusammenarbeitZusammen-arbeit, die sich in erster Linie am Hilfebedarfund der schulischen Förderung der Schülerund Schülerinnen orientiert.

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2. Maßnahmeträger und Schule erarbeiten ge-meinsam ein pädagogisches Konzept. Das Kon-zept ist Bestandteil der Vereinbarung.

3. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schuleund des Maßnahmeträgers arbeiten im gesam-ten Hilfeverlauf im Rahmen regelmäßiger Tref-fen zur Einzelfallprüfung (1 x wöchentlich),zusammen.

4. Alle vereinbarungsschließenden Seiten beratenviermal jährlich auf Einladung des Maßnahme-trägers über Erfahrungen bei der Realisierungdieser Kooperationsvereinbarungen. Sie wer-den bei Bedarf entsprechend modifiziert.

5. Bei zu erwartendem Abbruch der Maßnahmedurch Klienten, Maßnahmeträger oder Lehrkräfteberaten Jugendamt, kooperierende Schule, Schul-psychologischer Dienst und Maßnahmeträgergemeinsam über die Perspektive der Kinder undunterbreiten den Personensorgeberechtigten ent-sprechende Vorschläge.

Alle an der Realisierung der Maßnahme beteilig-ten Fachkräfte unterliegen den Bestimmung desBerliner Datenschutzgesetzes.

§ 11Vereinbarungsbeginn

1. Beginn der Maßnahme: __________________.

2. Die Vereinbarung tritt am ________________in Kraft.

3. Sie verlängert sich automatisch um ein weite-res Jahr, wenn sie nicht gekündigt wurde.

§ 12Kündigung

1. Die Vereinbarung kann von den Vereinbarungs-schließenden unter Wahrung einer Frist vondrei Monaten von Ablauf des Schuljahres gekün-digt werden, wenn eine der Vereinbarungspar-teien die mit dieser Vereinbarung verfolgte Ziel-setzung nicht mehr erreicht oder von einemder Vereinbarungspartner die vereinbarten Leis-tungen nicht mehr gewährleistet werden kön-nen.

2. Werden fachliche Unstimmigkeiten zwischenden Vereinbarungspartnern als maßgeblicheGründe benannt, entscheidet ein Vermittlungs-ausschuss, bestehend aus nichtbeteiligten Ver-tretern und Vertreterinnen der jeweils zustän-digen Behörden, nach einer Anhörung allerVereinbarungspartner über eine Kündigung derKooperationsvereinbarung.

Berlin, den

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Angebote für schuldistanziertejunge Menschen

Einrichtungen der Jugendhilfe fürschuldistanzierte junge Menschen

Nicht immer wird es gelingen, schuldistanzierteSchüler/innen in die Schule zurückzuführen. Soll-ten alle pädagogischen Bemühungen nicht zumErfolg führen, kann es sinnvoll sein, die zeitweiseUnterbringung der betreffenden Schülerin/derbetreffenden Schülers in einem Projekt für Schul-distanzierte zu erörtern. Verantwortlich für dieHilfeplanung und die Finanzierung der Maßnah-me ist das Jugendamt. Vor dem Hintergrund,dass die Schule im Zusammenhang mit der Ent-wicklung einer gemeinsamen Strategie (s. Inter-vention, S. 25 ff.) für eine schuldistanzierteJugendliche/einen schuldistanzierten Jugendlichenbereits kontinuierlich mit dem Jugendamt im

Kontakt steht, werden die Gespräche darüber,wie bezogen auf die außerschulische Unterbrin-gung am besten vorzugehen ist, sicherlich ge-meinsam mit den zuständigen Lehrkräften (ggf.auch Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen) statt-finden. Besonders geeignet sind Projekte, die miteiner Schule kooperieren und die Reintegrationder betroffenen Schüler/innen in die Regelschuleanstreben. Bei Schüler/innen, die sich in einemhöheren Schulbesuchsjahr befinden, können dieVoraussetzungen für einen Weg zurück in dieSchule oft nicht mehr geschaffen werden. DieseSchüler/innen können ihren (Aus-)Bildungswegnach Beendigung der Projektzeit mit berufsbefähi-genden Maßnahmen fortsetzen oder beginnenggf. eine Berufsausbildung.

Die nachfolgende Liste gibt einen Überblick überEinrichtungen freier Träger der Jugendhilfe, indenen auch Schuldistanzierte sinnvoll beschultwerden können50.

50 Die Reduzierung von Schuldistanz ist jedoch in erster Linie Aufgabe der Schule. Projekte von Freien Trägernder Jugendhilfe für Schuldistanzierte müssen und werden die Ausnahme bleiben.

Name des Trägers

Adresse Ansprech-person

Tel./Fax Einrichtungen

Jugendaufbau-werk Ost e. V.

Torgauer Str. 27 - 29, 12627 Berlin

Claude Vantard 992886 0/12 Tagesgruppe mit der Bruno Bettelheim-Grundschule Tagesgruppe mit der Jean-Piaget-Oberschule Hellersdorf

Tandem BQG Gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungs-gesellschaft mbH

Hohensaatener Str. 8 -10, 12679 Berlin

Frau Schiganow 93663323/25 Tandem Tagesgruppe an der Oberschule am Landsberger Tor Marzahn

Schultz-Hencke-Heime Lerntherapeu-tische Projekte

Schlangenbader Str. 21, 14197 Berlin

Herr Patze 723209211 drei teilstationäre Einrichtungen in Berlin

Tannenhof Berlin-Brandenburg e. V.

Alt-Lichtenrade 113 - 115, 12309 Berlin Im Domstift 20, 12309 Berlin

Frau Cirmis Frau Schönnebeck

27018789 27018780 7462041 74683282

drei laufende Tagesgruppen für Grundschulen

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Schulen mit Projekten für schuldistan-zierte junge Menschen

In den Projekten können jeweils sieben bis neunSchüler/innen betreut werden. Die Schulen stel-len die dafür notwendige Lehrkraft sowie dieRäumlichkeiten zur Verfügung. Die BürgerstiftungBerlin51 finanziert eine halbe Stelle für einen Sozial-pädagogen/eine Sozialpädagogin. Projektziel istdie Reintegration der Schüler/innen in die Regel-klassen der jeweiligen Schulen.

Jean-Piaget-Oberschule, Hellersdorf52

Mittenwalder Str. 5, 12629 BerlinTelefon 9980793Schulleiterin: Frau Lange

Rütli-Oberschule, NeuköllnRütlistr. 41 - 45, 12045 BerlinTelefon 68092425/2774, Fax 6134001Schulleiterin: Frau Pick

Pommern-Oberschule, CharlottenburgSybelstr. 20 - 21, 10629 BerlinTelefon 90292700, Fax 902927216Schulleiter: Herr Hohn

Rudolf-Diesel-Oberschule, WilmersdorfPrinzregentenstr. 33, 10715 BerlinTelefon 902922826, Fax 8535366Schulleiterin: Frau Straub

Wilhelm-Busch-Schule, WeddingWiesenstr. 24, 13347 BerlinTelefon 46905943, Fax 46905941Schulleiter: Winfried Lukas

51 Vgl. Seite 7452 Vgl. Seite 54 ff. Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe in Hellersdorf

Name des Trägers

Adresse Ansprechperson Tel./Fax Einrichtungen

Schultz-Hencke-Haus Berlin

Neupetersdorf 11 a, 23744 Schöneweide

Frau Dürrkopp eine vollstationäre und vier teilstationäre Einrichtungen in Berlin

Jugendaufbau-werk Berlin (JAW)

Königsallee 47, 14193 Berlin

Frau Wauschkuhn 89669355/377 Lernprojekt Courage Lernprojekt Horizont für die Oberschule

Pestalozzi-Fröbel-Haus

Karl-Schrader-Str. 7/8, 10781 Berlin, Mariannenplatz 3, 10997 Berlin

Frau Stadie Karl Antony

21730185 6153561

Mensaprojekt Arbeiten und Lernen Grundschulprojekt/ Oberschulprojekt

Allgemeine Jugendbera-tung e. V. (ajb)

Mittenwalder Str. 6, 10961 Berlin

Herr Schmitt 69032655/90 Primus Havel 32 + Jean-Piaget-OS)

ALEP e. V.

Fischerhüttenstr. 44, 14163 Berlin

Frau Kunde 8024361 zwei Tagesgruppen

Gesellschaft zur Förderung angewandter Jugendfor-schung

Immanuelkirchstr. 8 - 9, 10405 Berlin

Frau Liljeberg 4428032 442709

zwei Tagesgruppen für 4. - 6. Klasse (Rabennest), eine Tagesgruppe für 1. - 3. Kl. (Igel)

Pfefferwerk Stadtkultur-gesellschaft

Fehrbelliner Str. 92 10119 Berlin

Frau Birk Frau Beyer

44383415 74778109

Schulmotivationsprojekt nach § 13 SGB VIII, zwei Kurse für je sieben Jugendliche mit der Möglichkeit eines externen Hauptschul-abschlusses

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Weitere nützliche Adressen

Bürgerstiftung Berlin

Die Bürgerstiftung Berlin unterstützt u. a. die o. g.Projekte für schuldistanzierte junge Menschen anBerliner Oberschulen53.

Kontakt:Reinhild Winkler,Tucholskystr. 11, 10117 BerlinTelefon 030 83228113, Fax 030 83228114

Institut für Produktives Lernen in Europa

An sieben Berliner Hauptschulen und fünfSonderschulen findet derzeit der Schulversuch„Produktives Lernen“ statt, das das Institut fürProduktives Lernen in Europa durchführt. Grund-lage dafür ist die Praxisprojektmethode, die bereitsbei „Stadt-als-Schule“ beschrieben wurde.

Kontakt:Ingrid Böhm, Dr. Jens Schneider,Karl-Schrader-Str. 6, 10781 BerlinTelefon 030 21792-0, Fax 030 21792179

Praxisforschungsprojekt „Coole Schule: Lust stattFrust am Lernen“

Das Praxisforschungsprojekt „Coole Schule“ isteine Initiative des Deutschen Vereins für öffentli-che und private Fürsorge und der Deutschen BankStiftung Alfred Herrhausen Hilfe zur Selbsthilfe.Diese beiden Einrichtungen finanzieren derzeit fünfverschiedene Projekte für Schuldistanzierte anunterschiedlichen Standorten in Deutschland.Das Projekt mit dem Standort Berlin wird vonTANDEM, einem freier Träger der Jugendhilfe,in Kooperation mit einer Oberschule durchgeführt.

Kontakt:Deutsche Bank Stiftung Alfred Herrhausen Hilfezur SelbsthilfeChristian J. Stronk, 60262 Frankfurt MainTelefon 069 720911, Fax 069 91038836

Stadt-als-Schule

Aufgenommen werden Schüler/innen, die sichbereits von der Schule entfernt haben und nundoch versuchen wollen, an der Stadt-als-Schuleeinen Schulabschluss zu erreichen. Für die Auf-nahme an der Schule, die nur die Klassen 9 und10 anbietet, müssen sich die Schüler/innen in ih-rem persönlichen 9., 10. und 11. Schulbesuchs-jahr befinden.Ausführlich wird über die Stadt-als-Schule unter„Schulen stellen sich vor“ (vgl. Seite 44) berich-tet.

Literaturliste (Auswahl)

1. Artikel in Zeitschriften

Braun, Frank: Schulverweigerung - Jugendarbeits-losigkeit - Jugendobdachlosigkeit, in: Jugendsozial-arbeit 1/2001, Seite 426 - 431.

Habermalz, Wilhelm: Geldbuße und Schulzwang- die andere Seite der Schulpflicht, in: RdJB2/2001, Seite 218 - 224.

Rademacker, Hermann: Schulsozialarbeit gegen so-ziale Ausgrenzung, 2002, unveröffentlichtes Skript.

Schreiber-Kittl, Maria: Konzepte und Maßnahmengegen Schulverweigerung, in: Recht der Jugendund des Bildungswesens, 2/2001, Seite 225 - 238.

Thimm, Karlheinz: Schulverweigerung - Herausfor-derung für Schule und Soziale Arbeit, in: SozialeArbeit 1, 2002, Seite 9 - 16.

Warzecha, Birgit: Der schwierige Umgang mit den„Schwierigen“ in: Zeitschrift für Heilpädagogik 1,2002, Seite 14 - 17.

Wagner, Michael: Schulverweigerung am Beispielvon Köln, Kurzfassung eines Vortrages vonNovember 2001, unveröffentlichtes Skript.

Wilmers, Nicola: Schwänzen als Problem, in: ReportPsychologie (27), 7, 2002.

53 Vgl. Seite 73

75

2. Broschüren/Fachbücher

v. Bothmer u. a. (Hg.): Im Fokus: Schulverwei-gerung - Zur Qualität von Schule und Schul-sozialarbeit, Bonn 2001.

Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit: ImFokus: Schulverweigerung, Bonn 2001.

Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugend-sozialarbeit (Hg.): Schulverweigerung - Was tun?,Info Nr. 34, Düsseldorf 2000.

Katholische Jugendsozialarbeit: Schulverweigerung- Was tun? (Einsichten - Erkenntnisse - Tenden-zen), Düsseldorf 2000.

Ehmann, Christoph/Rademacker, Hermann: Schul-versäumnisse und soziale Ausgrenzung, Abschluss-bericht, Bonn 2002.

Katholische Jugendsozialarbeit: Villa Lampe - Sozi-ales Netzwerk für junge Menschen, Heiligenstadt2001.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen(Hg.): Gewalterfahrungen, Schulschwänzen unddelinquentes Verhalten Jugendlicher in Rostock,Hannover 2000.

Landesjugendamt/Rheinland (Hg.): Schulverweige-rung - Dokumentation des Kongresses „Schule:statt Pflicht - Flucht“, Bonn 1995.

Reißig, Birgit: Schulverweigerung - ein Phänomenmacht Karriere - Ergebnisse einer bundeswei-ten Erhebung bei Schulverweigerern, München2001.

Schreiber-Kittl, Maria: Lernangebote für Schulab-brecher und Schulverweigerer, Praxismodelle,München 2000.

Schreiber-Kittl, Maria: Alles Versager? München2000.

Schreiber-Kittl, Maria/Schröpfer, Haike: Bibliogra-phie Schulverweigerung, München 2000

Thimm, Karlheinz: Schulverdrossenheit und Schul-verweigerung, Berlin, 1998.

Thimm, Karlheinz: Schulverweigerung - Zur Be-gründung eines neuen Verhältnisses von Sozial-pädagogik und Schule, Münster, 2000.

Thimm, Karlheinz: Schulverdrossenheit und Schul-verweigerung, Hintergründe und Lösungsansätze,Göttingen 2000.