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SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF - … · und den Traumberuf findet RALPH STIEBER Mit Illustrationen von Jana Moskito. 5 INHALT ... dung zum Maler und Lackierer, Schreiner, Elektroinstallateur

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SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF

HOW TO SURVIVE

SCHEISSJOBSWie man die miesesten Jobs überlebt

und den Traumberuf findet

RALPH STIEBER

Mit Illustrationen von Jana MoskitoMit Illustrationen von Jana Moskito

5

INHALT

TEIL I: SCHEISSJOBS UND WIE DU SIE ÜBERLEBST 17

1. Wie du als Barkeeper/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2. Wie du als Pizzalieferant/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3. Wie du als Rikschafahrer/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4. Wie du als Kellner/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

5. Wie du als Fahrradkurier überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

6. Wie du als Masseur/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

7. Wie du als Bierbikefahrer überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

8. Wie du als Barista überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

9. Wie du als Elvis-Imitator überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

10. Wie du als Weihnachtsmann überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . 100

11. Wie du als Groupie überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

12. Wie du als Aktmodell überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

13. Wie du als Tellerwäscher überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

14. Wie du als Real Life Superhero überlebst . . . . . . . . . . . . . . 125

15. Wie du als persönlicher Promi-Assistent überlebst . . . . . 131

16. Wie du als Hochzeits-DJ überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

17. Wie du als Schauspieler/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

18. Wie du als Statist überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

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19. Wie du als Kassierer/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

20. Wie du als Sex-Shop-Mitarbeiter/in überlebst . . . . . . . . . 163

21. Wie du als Grasdealer überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

22. Wie du als Autobahn-Prostituierte überlebst . . . . . . . . . . 178

23. Wie du als Totengräber überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

24. Wie du als Fast-Food-Koch überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

25. Wie du als Tankstellen-Angestellte(r) in der Nachtschicht überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

26. Wie du als Flaschensammler/in überlebst . . . . . . . . . . . . . 195

27. Wie du als Proband (Versuchskaninchen) überlebst . . . . 199

28. Wie du als Toilettenmann/frau überlebst . . . . . . . . . . . . . . 202

29. Wie du als Autor überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

30. Wie du als Werbetexter überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

31. Wie du als Tatortreiniger überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

32. Wie du als Stewardess überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

33. Wie du als Hilfskoch überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

34. Wie du als Stripteasetänzerin überlebst . . . . . . . . . . . . . . . 239

35. Wie du als Kindermädchen überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

36. Wie du als Taxifahrer überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

37. Wie du als studentische Prostituierte überlebst . . . . . . . . 258

38. Wie du als Hostess überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

39. Wie du als Straßenmusiker/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . 272

40. Wie du als Callcenteragent überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

41. Wie du als Promoter überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

42. Wie du als Bauarbeiter überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

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43. Wie du als Friseur/in überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

44. Wie du als Gastgeber auf Airbnb überlebst . . . . . . . . . . . . 297

45. Wie du als Rockstar überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

46. Wie du als Stricher überlebst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

TEIL II: SCHEISS AUF DEN SCHEISSJOB – PORTRÄTS 317

Vom Löwenkäfig-Reiniger und Erotikfilm- Darsteller zu Rocky: Sylvester Stallone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

Vom Nachkriegsarzt zum Erfinder der Kult-Docs: Klaus Maertens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Von der Putzfrau zur Stil-Ikone: Gwen Stefanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Vom Schwarzhändler zum Al Capone vom Alexanderplatz: Werner Gladow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Vom Türsteher zum Ausnahme-Musiker mit der Whisky-getränkten Stimme: Tom Waits . . . . . . . . . . . . . . . 333

Von der missbrauchten Drogensüchtigen zu One Of The World’s Most Powerful People: Oprah Winfrey . . . . 336

Vom Kfz-Mechaniker zum größten Comedian: Louis C.K. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Vom Totengräber, Milchmann und Boten zum weltberühmten Skandal-Autor: Henry Miller . . . . . . . . . . . . . 343

TEIL III: DIE ALLERBESCHISSENSTEN JOBS DER WELT 347

TEIL IV: DIE VIELLEICHT COOLSTEN JOBS DER WELT 353

DANK 386

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Ȗ VORWORT �

D er Zufall, sagt Gérard Depardieu, hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist: einer der beliebtesten und beleibtesten Schauspie-

ler der Welt. Zufall, Schicksal oder Vorherbestimmung? Was oder wer wäre Gérard Depardieu heute, wäre er nicht auf der Straße von einem Regisseur entdeckt worden, als er gerade mal wieder unter-wegs war, um ein krummes Ding zu drehen? Die Filmwelt wäre um einen großartigen Schauspieler ärmer. Die wenigsten wissen, dass der heute berühmte Charakterdarsteller so ziemlich jeden Scheiß-job gemacht hat, den man machen kann: In jungen Jahren ging er auf den Strich und bot seine Dienste männlichen Freiern an. Mit 13 fing er eine Druckerlehre an, brach sie aber kurz darauf wieder ab. Danach riss er verschiedene Jobs als Gelegenheitsarbeiter ab, versuchte sich als Dieb und Schmuggler und landete dabei immer mal wieder im Knast, und dann – ein echt beschissener Job – war er so was wie das Gegenteil eines Leichenbestatters: Er buddelte Leichen aus, grapschte sich ihren Schmuck, ihre Erinnerungsstücke oder was Familienangehörige sonst so mit ins Grab gelegt hatten – und dann verhökerte er alles. Er ging zwar nicht über Leichen, kam aber danach, um sich den Rest zu holen. Eine makabere, aber kreative Geschäftsidee. Aber ein echter Scheißjob. Trotzdem, genau dieser Mann ist heute einer der größten Schauspieler der Welt und nebenbei noch ein ziemlich cooler Typ (abgesehen von seinem Aus-rutscher mit der Freundschaft zu Putin und seinem Abgang nach Russland).

Was wäre also aus diesem jungen, wilden Mann geworden – der in einem armen Arbeiterhaushalt aufwächst und von Eltern groß-gezogen wird, die weder lesen noch schreiben können –, hätten ihm all die Scheißjobs nicht »zufällig« an diesem einen Tag, in diesem einen Moment, an diesem bestimmten Punkt – den Wendepunkt seines Lebens gebracht? Würde er heute auf den Straßen von Paris

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herumlungern und die Touristen um einen Euro anpumpen? Oder wäre er vielleicht ein unbekannter, Chansons singender Koch in irgendeiner Kaschemme? Er kocht ja auch heute gerne. Noch viel lieber isst und trinkt er und pinkelt vor den Augen aller Passagiere auf Flugzeugböden. Oder hätte er es vielleicht zu einem großen Mafia-Boss gebracht und würde heute wegen seiner zahllosen Ver-brechen im Knast sitzen? Eine nicht uninteressante Frage: Was wäre wenn …?

‡‡‡

Was wäre, wenn ich doch studiert hätte? Was wäre, wenn ich die Handwerkerausbildung hingeworfen hätte und wäre weiter zur Schule gegangen? Was, wenn ich das zermürbende Studium, das ich seit Jahren hasse und das mich zu Tode langweilt, einfach ab-gebrochen hätte und stattdessen um die Welt gereist wäre, um mal hier und mal da zu jobben? Habe ich den falschen Job? Lebe ich ein falsches Leben?

Was, wenn mein Leben völlig anders verlaufen wäre, hätte ich andere Jobs, eine andere Ausbildung, ein anderes Studium oder überhaupt ein Studium gewählt? Was, wenn ich seit Jahren im falschen Beruf bin und damit langsam, sehr langsam, aber sicher gegen eine fette Wand zusteuere? Was, wenn ich das Gefühl habe, nie wieder aus diesem Scheißjob herauszukommen, den ich doch nur vorübergehend machen wollte – nur so lange, bis ich weiß, was ich machen, was ich werden, wer ich sein will?

Oft führt der Weg zum richtigen Job über Scheißjobs. Aber meistens führen Scheißjobs auch in eine Sackgasse, und dann ist es verdammt schwer, da wieder rauszufinden. Scheißjobs macht man wegen des Geldes, weil sie jeder machen kann und weil sie immer zu haben sind. Sie lassen sich gut mit dem Studium kombinieren oder mit der eigenen Vorliebe für Alkohol, im Falle eines Kellners oder Barkeepers, oder aber auch den eigenen Schlafgewohnheiten: Du

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warst nie Frühaufsteher und wirst auch nie einer sein? Super, dann werde Türsteher oder Tankwart in der Nachtschicht oder Grasdealer.

Scheißjobs sind eine gute Möglichkeit, um Geld zu verdienen, während man nebenher – zwar nicht mehr ausschließlich, aber im-mer noch – nach dem Sinn des Lebens, der großen Karriere oder nach seiner Berufung sucht. Und für manche ist der Scheißjob schon die Karriere, auch wenn er nicht gerade die besten Aufstiegs-chancen bietet. Aber um Karrieremachen geht es auch nicht jedem. Es geht darum, Geld zu verdienen, mit dem man sich die nötigen Dinge leisten kann, um sein Leben zu leben: ein Netflix-Abo, die Miete, die Telefon- und Internetrechnungen, die Bar- und Kneipen-besuche, was zu essen, was zu trinken, was zu rauchen, Drogen oder die Karre bezahlen zu können.

Was auch immer der Grund ist, Scheißjobs macht man nicht, weil sie so viel Spaß machen, man macht sie wegen des Geldes, und das ist meistens auch noch beschissen wenig – aber es sind ja auch Scheißjobs. Jobs die fast jeder machen kann, und es gibt sie überall. Für jeden ist was dabei. Ja, die Arbeitswelt steckt voller Scheißjobs. Irgendjemand muss sie schließlich tun. Ich zum Beispiel. Ich hatte so einige Scheißjobs. Ich wurde leider nicht mit einer wohlhabenden und einflussreichen Familie gesegnet. Ich wuchs eher in einer Art Getto auf (hatte keine so krasse Laufbahn wie Depardieu, leider), auch wenn das bayerische Getto aus dem ich komme, im Vergleich zu einem Getto in, sagen wir mal Los Angeles oder Brasilien, wirkte wie ein ruhiger Kurort, in dem höchstens mal eine Katze zu Tode kam, bei dem Versuch, die nahe gelegene Autobahn zu überqueren. Und auch sonst war das Gefährlichste, was ich in dieser Zeit durch-machte, von älteren Schüler auf dem Nachhauseweg abgerippt zu werden, nachdem meine Freunde und ich uns im Supermarkt mit Süßigkeiten eingedeckt hatten. Später, da waren es auch nur ein paar leidenschaftliche, aber am Ende doch harmlose Prügeleien mit den Möchtegern-Skinheads aus dem Dorf. Das war’s. Aber trotzdem, es war nicht einfach. Mit 14 verdiente ich mir mein Taschengeld

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mit Zeitungenaustragen. Jede Woche lag dieser monströse, meter-hohe Turm grässlicher Zeitungen vor unserer Wohnungstür und versaute mir das komplette Wochenende. Ich hatte viele Freunde, aber ich war der Einzige unter ihnen, der für sein Taschengeld job-ben musste. Ich bekam Taschengeld, aber nur die Hälfte von dem, was meine Freunde bekamen. Den Großteil meines Taschengeldes musste ich also dazuverdienen. Mit 17 arbeitete ich auf dem Bau, um mir mein erstes Auto leisten zu können, gebraucht, aus vierter oder sechster Hand, kurz vorm Kollaps. Meine Freunde bekamen ihr Auto von ihren Eltern zum 18. geschenkt. Fabrikneu, vollge-tankt und Vollkasko-versichert. Kaum hatte ich mein Auto, war es das gebrauchte, aber nützliche Werkzeug, um damit mehr Geld zu verdienen. Während meine Freunde um 16 Uhr von ihrer Ausbil-dung zum Maler und Lackierer, Schreiner, Elektroinstallateur oder Fräser nach Hause kamen, riss ich noch die letzten sechs Stunden einer Doppelschicht als Pizza-Lieferant ab und belieferte die ge-fährlichen Typen, die in den Hochhäusern (also doch ein bisschen Getto-Charme) wohnten. Die gingen nicht arbeiten, hatten aber trotzdem immer mehr Geld als ich. Irgendwas machte ich falsch.

Diese Umstände also gaben und geben mir auch heute noch das Gefühl, aus einer Art Getto zu stammen. Darauf bin ich ir-gendwie stolz, weil ich es, im Vergleich zu meinen Freunden von damals, geschafft habe, da rauszukommen. Das mag keine große Kunst sein, aber beeindruckend, wenn man sich mal die Quote an-guckt: 95 Prozent der Leute, die dort in diesem Kaff aufwachsen, bleiben dort ihr Leben lang und erst recht danach. Abgesehen von dem jährlichen exotischen Trip an den Ballermann, sehen sie nicht wirklich was von der Welt. Gut, das ist keine offizielle Statistik, das ist nur meine Vermutung – aber trotzdem, ich hab es aus diesem Kaff raus geschafft, um nur kurze Zeit später zwar keine so harte handwerkliche Arbeit auszuüben wie die meiner Freunde, sondern um einen Scheißjob nach dem andern machen zu müssen, um zu überleben – obwohl ich doch die ganze Zeit was anderes machen

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wollte. Geld verdiente ich mit den Scheißjobs: Ich war Promoter, Touristenführer, Erschrecker im Gruselkabinett, Barkeeper, Vor-leser, Videothekar, Kellner, Hilfskoch, DJ, Statist, Versuchskanin-chen, Testesser, Schauspieler, Werbetexter … – ich wünschte, es wäre nicht so, aber was Scheißjobs betrifft, weiß ich, wovon ich spreche – Zufall, Schicksal, Vorherbestimmung? Wie auch immer, meine lange Liste der Scheißjobs hat mich dahin geführt, wo ich heute bin: Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe ein Buch über Scheißjobs.

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In diesem Buch also, erzähle ich über all die unterbezahlten, stressigen, würdelosen, erniedrigenden und unterbezahlten Jobs – Scheißjobs eben. Aber Moment, haben all diese ungeliebten Jobs nicht auch was Gutes? Doch, haben sie – abgesehen davon, dass sie dazu dienen, dass man dich auf der Straße »entdeckt« oder du dabei selbst dein wahres Talent entdeckst, kann man aus ih-nen verdammt viel lernen. Ja, so beschissen sie sind, ich habe aus meinen Scheißjobs mehr gelernt, mehr rausziehen können, mehr über Menschen erfahren, Schicksale und Geschichten gehört als in der Schule oder in meinem Studium. Auf jeden Fall glaube ich, aus dem letzten Scheißjob kannst du mehr fürs Leben rausziehen als in jeder Schule, in jedem Studium oder einer Ausbildung. Klar, ein gutes Studium, eine solide Ausbildung ist wichtig, das will ich gar nicht schlechtmachen, aber ohne mal einen echten Scheißjob gemacht zu haben, fehlt dir später etwas – etwas, was sich Lebens-erfahrung nennt, und die kannst du mit keinem Geld der Welt kaufen. Miese Jobs sind die eigentliche Schule des Lebens, und wenn du die miesen Jobs irgendwann hinter dir lassen kannst, weil du ein erfolgreicher Internet-Pionier, ein berühmter Blogger, eine Vloggerin, ein Filmstar, ein Geschäftsführer, eine Künstle-rin, Musikerin, ein Green-Smoothie-Start-up-Unternehmer, ein

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Mönch, ein zufriedener Barbesitzer oder auch eine glückliche, erfüllte Personal-Trainerin geworden bist, dann wirst du dich ir-gendwann mit einem breiten Lächeln in deinem Schaukelstuhl zurücklehnen und auf diese unglaubliche Zeit zurückschauen, in der du diesen Scheißjob machen musstest, um deine Miete, dein Studium, deine Rechnungen, dein Überleben zu bezahlen oder deine Geliebte oder deine Drogensucht zu finanzieren. Darum ist das Buch hier eigentlich vor allem auch eine Verneigung vor all den Scheißjobs der Welt. Und um diese Scheissjobs irgend-wie zu überstehen, schaust du dir am besten die Survival-Kapitel Scheißjobs und wie du sie überlebst an. In diesen Kapiteln ver-suche ich dir mit Tipps, Tricks und eigenen Anekdoten oder denen von Freunden, Kollegen und Interview-Partnern zu helfen, den Scheißjob zu überleben.

‡‡‡

Irgendwann kannst du vielleicht den ganzen Mist und all die Scheißjobs hinter dir lassen. Aber noch ist es nicht so weit, sonst hättest du dir bestimmt nicht dieses Buch gegriffen. Noch steckst du mitten in einem echten Scheißjob oder brauchst Kohle und bist auf der Suche nach einem Job und willst mal abchecken, was die Welt der Scheißjobs so bietet.

So wie andere vor und nach dir, wie diese Persönlichkeiten, denen wir in diesem Buch begegnen werden und die heute Mil-liardäre, berühmte Stars oder einflussreiche Persönlichkeiten sind. Alle hier in diesem Buch erwähnten berühmten und erfolgreichen Persönlichkeiten, mussten vorher einen oder mehrere Scheißjobs machen. Aber es waren die Scheißjobs, die sie dahin gebracht ha-ben, wo sie heute sind. Und glaub mir, da sind Leute dabei, die hatten wirklich krasse Scheißjobs. Du denkst, du bist übel dran? Dann warte mal ab, bis du ihre Geschichten hörst. Die waren zum Teil richtig am Arsch – aber da sind sie durchgewatet, haben sich

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entweder selbst aus ihrem Scheißjob rausgezogen, wurden »ent-deckt« oder haben sich bis ganz nach oben gekämpft.

Also, wenn du denkst, du bist im Arsch und dein Scheißjob macht dich fertig, dann kann ich dir jetzt sagen: Oprah Winfrey war schlimmer dran. Tom Waits auch und Werner Gladow, der es vom ärmlichen Straßendieb, zum Kippenkönig und dann zum größten Gangster im Berlin der Nachkriegszeit gebracht hat, erst recht. Gut, er wurde dafür geköpft, aber hey, er hat sich seinen Weg aus den Scheißjobs inmitten der Trümmer gekämpft und war ziem-lich gut in seinem neuen Traumjob als Gangster – auch wenn seine schillernde Karriere nur von kurzer Dauer war.

Also, lass dich von den Beispielen dieser Persönlichkeiten in-spirieren. Lass dir Mut machen, egal welchen beschissenen Job du gerade machen musst oder noch machen wirst. Wenn du alles dafür tust, kannst du es in deinem Leben zu etwas bringen – so oder so ähnlich hat das schon Bruce Lee gesagt, und der Mann ist ein gutes Beispiel dafür, wie man von ganz unten nach ganz oben kommt. Er hat Tanzstunden gegeben, Hunde ausgeführt, gekellnert und Tau-sende Teller gewaschen. Darum werden wir auch verschiedenen großen Persönlichkeiten im Kapitel Scheiß auf den Scheißjob – Porträts begegnen, wie Silvester Stallone, Gwen Stefanie, Henry Miller und einigen anderen mehr. Menschen, von denen du schon gehört hast, und Menschen, von denen du vielleicht noch nie was gehört hast. Aber egal wie, jede ihrer Geschichten ist es wert, erzählt zu werden. Wir werden sie bei ihrem steinigen Weg nach oben be-gleiten und schauen, wie sie es »geschafft« haben.

Wenn du dann immer noch denkst, dich hat es mit deinem Scheißjob viel schlimmer getroffen als alle hier in diesem Buch versammelten Persönlichkeiten, dann wirf einen Blick auf das Ka-pitel Die beschissensten Jobs der Welt, und spätestens dann wirst du zugeben, dass dein Scheißjob nicht annähernd so beschissen ist – glaub mir, du wirst für deinen miesen Job dankbar sein. In dem Kapitel Die vielleicht coolsten Jobs der Welt unternehmen wir

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einen Streifzug durch die Welt der neuen, interessanten, skurrilen, außergewöhnlichen und spannenden Jobs, die (fast) jeder machen kann, wahre Traumjobs, für die, die immer noch das Andere, das Besondere, das Aufregende in ihrem Leben suchen und von ihrem bisherigen Job gelangweilt oder frustriert sind – das kann anregen, aufregen, informieren und soll vor allem eins: inspirieren.

‡‡‡

So – jetzt bleibt mir nur noch, dir eine gute Reise zu wünschen durch die aufregende Welt der Scheißjobs – viel Spaß!

Ralph Stieber

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TEIL I

SCHEISSJOBSUnd wie du sie überlebst

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Kapitel 1

GEIZHÄLSE, GIERIGE TOURISTEN & GRAUENHAFTE KATER

Wie du als Barkeeper/in überlebst

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W enn du keinen Alkohol trinkst oder verträgst, dann lass bloß die Finger von diesem Job. Solltest du deinen Job als Barkee-

per schon angetreten haben, dann wirf auf der Stelle das Geschirr-handtuch und mach, dass du da rauskommst, geh zu McDonald’s, zu Burger King oder stell dich in einen Smoothie-Laden. Warum? Wenn du keinen Alkohol verträgst, wirst du den Job niemals er-tragen. Nüchtern überlebst du diesen Scheißjob nicht. Was? Wieso das denn? Weil du all den Gefahren, die der Job Nacht für Nacht mit sich bringt, hilflos ausgeliefert sein wirst. Du solltest immer ge-nügend Alkohol intus haben, dass du die Nacht auf einem angeneh-men Level bestreiten kannst. Der Alkohol, das ist dein Zaubertrank oder so was wie der Mantel von Harry Potter, der ihn unsichtbar macht. Der Alk macht dich zwar nicht unsichtbar, aber ein wenig resistenter gegen das, was dich erwarten wird: Denn deine Gäste, die dir deinen Lohn und dein Trinkgeld anschleppen, werden auch solche Seuchen wie Nerven-zerfressende-Fragen und die Kotzeritis anschleppen. Sie werden dir den Arsch abnerven, und das kannst du nur mit genügend Feuerwasser bekämpfen. Aber das Gute an diesem Scheißjob ist, du brauchst dich nicht irgendwie darauf vor-zubereiten oder so – alles, was du brauchst, ist etwas Sprit im Tank, und schon kannst du loslegen. Auch wenn du damit nicht gegen alles gewappnet sein wirst – du bist vorbereitet auf das, was kommt. Aber du bist nicht unbesiegbar – vergiss das nicht. Also, was du dir bewusst machen solltest: Du wirst diesen Job nur gemeinsam

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mit deinem besten Freund Jack Daniels überleben. Ihr werdet eine großartige und eine fürchterliche Zeit haben, und ich sag dir auch warum.

Wenn du nicht gerade als kunstfertiger, schicker Bartender in einer noblen Hotelbar gemütlich deine 10–15 Cocktails am Abend zubereitest, für Gäste die sich zweieinhalb Stunden an ihrem über-teuerten, aber zu einem wahren Kunstwerk kreierten Cocktail fest-halten, wirst du als Barkeeper in einer normalen bis abgefuckten Bar arbeiten. So wie ich das einige Jahre zu lang getan habe, und ja, es war die beste und fürchterlichste Zeit in meinem Leben. Wenn du doch einer dieser künstlerischen Zen-Bartender in einer noblen Bar bist und alles über Drinks und deren Geschichte weißt, dann darf ich dir dazu gratulieren, denn der Job des Bartenders kann ein absoluter Traumjob sein. Für alle anderen hier ein kleiner Vor-geschmack:

An deinem ersten Tag wirst du noch voller Vorfreude, Lust und Leidenschaft die giftrote Cocktailkirsche zärtlich auf die Eiswür-fel im Glas betten. Du wirst zu Gästen und Kollegen viel zu nett sein. Aber dein fettes, dümmliches und höfliches Grinsen wird dir schnell vergehen. Hier kommt meine Vorhersage, was dir in diesem nie langweiligen Job blühen wird:

Ȗ DIE GEFAHREN DES JOBS �

BESOFFENE TOURISTEN: Du wirst total besoffene Touristen wie fette, nasse Ratten aus der Bar schleifen. Du wirst die stinkende Kotze wildfremder Menschen wegwischen müssen – nicht einmal, nicht zweimal, nicht dreimal … sorry – ich hab irgendwann aufge-hört zu zählen. Du wirst unzählige zerbrochene Gläser aufsammeln und wirst dir dabei fast die Pulsschlagader aufschlitzen. Du wirst dir von besoffenen Touristen, die sich zuschütten, als gäbe es keine fünf Minuten später, immer wieder anhören müssen, wie geil dieser

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Laden, wie geil diese Stadt, wie geil dein verdammtes Land ist, das so viel cooler, besser und …. COOLER als ihres ist, und dafür soll-test du verdammt noch mal dankbar sein und dich glücklich schät-zen! »Berlin is so fucking awesome dude! Best place in the whole fucking world … huhuhuhhh – YEAH, BUDDY – CHEERS!« Wenn du dich wunderst, warum danach dein Gesicht so feucht ist – das sind die Millionen Spuckespritzer des besoffenen Touris, die seine gebrüllten Satzfragmente begleiten und dir jetzt im Gesicht kleben.

STAMMGÄSTE: Du wirst dir die ganze Nacht lang das hirnrissige Gelaber der Stammgäste anhören müssen, die immer an denselben Plätzen sitzen, (links außen am Tresen, ganz in deiner Nähe), damit sie dich auch so richtig gut zutexten können, während du versuchst, dich auf deine Drinks zu konzentrieren, die du im Sekundentakt mixen musst. Du versuchst, dich irgendwie zu verpissen, aber – no way out: Du bist gefangen hinter dem Tresen wie ein Äffchen im Käfig. Also mach das Beste draus. Und das wirst du: Du lässt ihn fließen, den Alkohol, wie riesige, rauchende Wasserfälle. Gibst Stammgästen einen Shot nach dem anderen aus. Darum mögen sie dich. Darum denken sie, du magst sie. Auf die Idee, dass das alles nur reine Selbstverteidigung ist, kommen sie nicht – egal, weg damit – Cheers!

Jetzt zu den netteren Dingen, die dich in diesem echten Scheiß-job erwarten:

PSYCHOPATHEN: Du wirst bedroht werden von einem Psycho-pathen, der sich immer mal wieder in die Bar verlaufen wird, und du, nur du – ja, ausgerechnet du und niemand anderer –, wirst sein Opfer sein. Er wird dir Dinge zuflüstern wie: »Ich kenn dich, Alter, ich weiß, was du vorhast.« – »Ich krieg dich, du Drecksau!« – »Wenn du Feierabend hast, bin ich draußen und warte auf dich.« Und damit meint er nicht, dass er dich abschleppen will. Du wirst so viel Hass, so viel Irr- und Wahnsinn entgegengeschleudert be-

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kommen wie noch nie in deinem Leben zuvor. Weißt du warum? Weil in einer Bar alles zusammenkommt: Psychos, Deppen, Ver-rückte – all die Freaks kommen hier zusammen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis einer davon es auf dich abgesehen hat. Und es ist scheißegal, ob du ein Typ bist oder eine Frau. Ob du ein guter Kerl, ein nettes Mädchen oder ein Arschloch bist. Wenn der Psycho dich auf seinem Radar hat, wirst du ’ne ganze Zeit lang damit zu tun haben, diesen Freak wieder loszuwerden.

DER KRAWALLMACHER: Eines Tages wird der Krawallmacher in deiner Bar stehen und Stunk machen. Einfach so. Heute hat es eben deine Bar getroffen. Der Krawallmacher wird mit seinen Atzen-Kumpels reingepoltert kommen, die männlichen Gäste anpöbeln und die weiblichen Gäste belästigen, so lange, bis er das Spiel bis zum letzten Level gespielt hat und auf seinen Endgegner trifft: dich. Ja, sieh dich nur um, sieh hinter dich, er meint dich. Er will dir die Fresse polieren. »Hast du ein Problem oder was?« Ja, du hast ein verdammtes Problem. Denn was willst du tun? Willst du dich ver-kriechen, unten im Keller, zwischen den Bierfässern? Oder willst du zitternd dein Handy aus der Hosentasche ziehen und die Bullen anrufen, die in nur 40 Minuten da sein werden, wenn du bereits in tausend Fetzen zerrissen auf dem feuchten, schmutzigen Boden zwischen Whisky-Flaschen, Cocktail-Shakern und Barhockern vor dem Tresen liegst?

Aber die gute Nachricht: Du wirst dich irgendwann daran ge-wöhnen und einfach jedes Mal hoffen, dass der Typ kein Messer oder eine Knarre zieht. Dann weißt du nämlich, dass du es überle-ben wirst – zerknittert, angeknackst und ein wenig lädiert vielleicht, aber du wirst es überleben. Bis zum nächsten Mal. Aber irgendwann wird dich das Barleben auch abgehärtet und ziemlich tough ge-macht haben, und genau dann wird sich der Falsche mit dir an-legen, wird dir gerade dann dumm kommen, wenn du es gar nicht gebrauchen kannst, wenn du total gestresst bist und du gerade fünf

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besoffene englische Touristen rausgeschmissen und zwei Nörglern klargemacht hast, dass sie sich verpissen sollen – dann wird er da sein und Ärger machen. Dann, wenn es schon spät ist und fast nur noch Stammgäste da sind, und darum fühlst du dich sicher, weil du weißt, Stammgäste sind doch ziemlich loyal. Sollte es jetzt Ärger geben, werden sie dir den Rücken stärken – eine Gruppe ist stärker als der Einzelne.

Also baust du dich vor dem Krawallmacher auf und machst ihm klar, dass er verschwinden soll und dass er nicht mehr hierher-zukommen braucht, weil du ihm verdammt noch mal ein fettes Hausverbot mit auf den Nachhauseweg gibst. Er weigert sich. Legt es drauf an. Reizt dich. Grinst blöd. Du packst ihn an seiner häss-lichen Jacke und zerrst ihn Richtung Ausgang am DJ vorbei, und er zerrt, rüttelt und knurrt wie eine fette Dogge, die zurück zu ihrem Barhocker will. Er schubst dich ein paar Mal. Dann macht er sich einfach nur steif und schwer wie ein durchnässter Sack Reis – also schleifst du ihn über den dreckigen Boden in Richtung Ausgang, mit den Füßen voran.

Die Stammgäste klettern von ihren Barhockern und eskortieren euch nach draußen. Der Krawallmacher versucht, dir einen Head-butt zu verpassen, aber weil er zu besoffen ist, passiert das alles in Slow Motion, und du ziehst einfach deinen Kopf zur Seite und stößt ihn von dir. Aus Frust, Trotz und einem letzten Aufbäumen rotzt er dir ins Gesicht. Das bringt das scheiß Fass zum Überlaufen, und was jetzt passiert, passiert automatisch, ein Reflex: Deine Faust ballt sich, stößt nach vorne wie ein Schlagbolzen, hart und schnell, landet im Gesicht des Typen, du hörst es krachen, er geht zu Boden wie ein frisch gefällter Baum und klatscht auf den gefrorenen Asphalt. Zum Glück hat es geschneit. Sein Kopf liegt im Schnee. Ein besoffener, hässlicher Schneeengel, der vom Himmel gefallen ist. Seine Augen drehen sich wie wässrig blaue Flipperkugeln in ihren Höhlen. Bling, Bling, Bling – KLONG! Die Stammgäste grölen und applaudieren, klopfen dir auf die Schulter. Du rufst die Bullen und erzählst ihnen

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ruhig die ganze Geschichte, die kommen und bringen ihn weg. Das schreit nach einem Drink, also sperrst du die Tür ab. »Feierabend!« Und gibst deinen Stammgästen, zur Feier des Tages, eine neue Run-de Shots aus – doppelte!

DIE UNCHRISTLICHE ZEIT: Du wirst kaum Tageslicht zu sehen bekommen, aber dafür mehrere wunderschöne Sonnenaufgänge, die dich blenden, wenn du besoffen aus der Bar gestolpert kommst. Du schleppst deinen schlaffen, müden, betrunkenen Körper die Straße entlang, während all die normalen Menschen, so gesund und nüchtern und ausgeschlafen, an dir vorbeiziehen, um in ihren frischen Klamotten mit frisch geputzten Zähnen zu ihrer anständi-gen Arbeit zu gehen. Ach ja, und ein paar negative Aspekte hat der Job auch noch zu bieten …

DER BEZIEHUNGSKILLER: Sollte dein Partner auch nur einen halbwegs anständigen Job ausüben, werdet ihr euch täglich die Klinke in die Hand geben. Du fällst ins Bett, wenn sie oder er auf-steht. Er oder sie geht zu Bett, wenn du gerade erst so richtig los-legst. Wo also soll das hinführen? Ich sag’s dir: in eine ausgewachse-ne Beziehungskrise, die nicht wirklich zu retten ist. Außer du wirfst jetzt noch das Geschirrhandtuch und suchst dir einen anderen Job, oder du überredest deinen Partner, doch auch in einer Bar zu arbei-ten – dir zuliebe. Vielleicht könnt ihr dann in ein paar Jahren eure gemeinsamen Flitterwochen in einer Entzugsklinik oder im Kreise der Anonymen Alkoholiker verbringen?

GEILE GÄSTE: Bist du eine Frau, darfst du dich darauf gefasst machen, jeden Abend von Typen angemacht zu werden. Das wird dir schmeicheln am Anfang, und du wirst dich fühlen wie die Ba-chelorette in der ersten Folge. Aber ich muss dich enttäuschen, es werden dich eben leider nicht allzu oft all die Brad Pitts, Johnny Depps, Zack Efrons, Adam Levins oder __________ (füge hier

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deinen Schwarm ein) anmachen. Anfangs wirst du die Anmachen noch, nett und freundlich wie du bist, belächeln. Dann wirst du ver-suchen, sie zu ignorieren, und statt Rosen wirst du Körbe verteilen, mit einem Blick, der sagt: »Quatsch mich bloß nicht dumm an, du Arschloch!« Aber du bist gefangen hinter deiner Bar, kommst nicht weg, und diese geilen Böcke starren dich an, versuchen, dich zu beeindrucken mit den unterirdischsten Anmachsprüchen, die sich ein betrunkenes Gehirn jemals ausgedacht hat. Aber falls es dein Ego aufmöbelt, dann genieße es und lass dir dein Lächeln und deine Geduld mit einem fetten Trinkgeld bezahlen.

Bist du ein Typ und bist du Single, wird dir das vielleicht gefallen, öfter mal angemacht zu werden von betrunkenen Touristinnen und Nummern zugesteckt zu bekommen. Bist du nicht wählerisch, wirst du in dieser Zeit mehr Gelegenheiten bekommen zu kopulieren als in deinem ganzen Leben zuvor.

DER BESSERWISSER: Er wird dir mit einem verächtlichen Grinsen den Drink, den du ihm gerade gemixt hast, über den Tresen zurückschieben und dir mitteilen: »Den hab ich aber in New York besser getrunken. Da haben die ihn anders gemacht. Der wird so nicht gemacht. Der wird nicht gerührt. Der wird geschüttelt.«

»Nein, der wird nicht geschüttelt, der wird gerührt.«»Doch, doch. Der wird geschüttelt.«»Nein, bei uns wird er gerührt.«»Ich will ihn aber nicht gerührt.«»Dann bestell dir deinen Drink in New York.«

DER PENIBLE CHEF: Er wird dich darauf hinweisen, dass du wie-der einmal die Zapfanlage nicht ordentlich gereinigt hast: »Die ist noch total verklebt! Hier! Da und da und da – überall klebt’s noch!« Du denkst: Bei dir hackt’s doch, und wischst die Zapfanlage also noch mal ungründlich. Dein Chef wird dich fragen, wie viele Shots

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du gestern Nacht ausgegeben hast, und du wirst ihn anlügen, und er weiß, dass du ihn anlügst, und er wird dich trotzdem immer wieder fragen. Er wird die Bestände kontrollieren, und damit meine ich nicht nur einfach kontrollieren: Er wird die Füllstände sämt-licher Flaschen abmessen und mit der Kasse abgleichen. Beginnst du deine Schicht und hast vor dem großen Ansturm noch etwas Luft, wird er dich dazu verdonnern, sämtliche Flaschen aus der Kühlanlage zu holen und alles auszuwischen. Du wirst das, was die Putzkolonne übersehen hat, »korrigieren«. Du wirst sämtliche Flaschen (jede einzelne) mit einem feuchten Tuch abwischen. Das wird dein erstes, aber ganz sicher nicht dein letztes Mal sein, dass du tatsächlich Flaschen putzt.

DEIN BESTER FREUND UND SCHLIMMSTER FEIND: DER ALK Du schaffst zehn, 15 Shots plus einige Flaschen Bier in einer Nacht, ach ja, und der eine Cocktail, den du für dich und deine Freunde gemixt hast. Oder waren es zwei? Drei? Und vergiss die vier, fünf Coronas nicht. Ach egal. Du lädst Stammgäste zum obligatorischen Shot ein, wenn Halbzeit ist, du lädst sie ein, wenn ein lang verschol-lener Stammgast zurückkehrt, aus dem Urlaub, aus einer Beziehung oder aus dem Knast. Du gibst Shots aus, wenn es gut läuft, du gibst Shots aus, wenn es schlecht läuft, wenn das Trinkgeld fließt, wenn der DJ deinen Lieblingssong spielt, dann, weil Freitag ist, dann, weil Samstag ist und dann … ach Scheiß drauf, mit ein paar Shots ist einfach alles besser. Ist ja alles gratis. Aber die Rechnung dafür be-kommst du noch. Nicht heute. Nicht morgen, aber bald.

DER KATASTROPHALE KATER: Gewöhn dich dran. Er wird dein ständiger Begleiter und löst schon bald deinen Schatten ab. Solltest du mal keinen Kater haben, wird es dir seltsam vorkommen. Der Kater wird zu deinem Normalzustand – das morgendliche Über-geben in die Kloschüssel auch, wenn du Pech hast – darauf einen Shot – Cheers!

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DIE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE: DROGEN Du wirst jede Menge trinken, und selbst wenn du nicht scharf bist auf andere Drogen, wirst du die erste Zeit vielleicht standhaft bleiben, um dann irgendwann doch einzuknicken, wenn dir wieder mal ein Stammgast ein kleines Tütchen mit Zauberpulver unter die Nase hält. In den nächsten Monaten oder Jahren wirst du dann einen guten Batzen deines Gehalts in dieses Zauberpulver investieren, wirst Kollegen zu einem schnellen Sit-in auf dem Klo einladen, wirst Stammkunden gönnerhaft was abgeben, bis du irgendwann zu geizig sein wirst, um jedem jedes Mal was von deinem Lebens-elixier abzugeben. Du nimmst das Zeug immer früher. In jeder Schicht. Der Gedanke, eine Schicht ohne das Zeug überstehen zu müssen, ist unerträglich, und das Beste: Du kannst damit noch mehr trinken. Noch mal schnell aufs Klo. Die Abstände werden immer kürzer. Die Shots immer mehr. Du fühlst dich gut. Warte mal bis morgen früh – mal seh’n, ob du dich da auch noch so gut fühlst. Spätestens wenn du beim Arzt sitzt und er dir die Nasen-scheidewand richtet und du ihn dann fragst, wann deine Nase denn wieder »einsatzbereit« wäre, er dich dann ungläubig fragt: »Wie meinen Sie das?« und du darauf sagst: »Na ja, ich meine, wann ich wieder was ziehen kann?« – solltest du dich fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, lieber die Reißleine statt die nächste Line zu ziehen.

Ȗ TIPPS & TRICKS �

DER GLÄSER-TRICK: Ja, es ist verdammt peinlich und jämmerlich, einem halbguten Barkeeper bei seinen halbguten Tricks zuschauen zu müssen, während du durstig auf deinen Drink wartest. »Bitte Alter, könntest du mir einfach nur meinen Drink geben, bitte?« Aber wenn du als Barkeeper einen richtig guten Trick beherrschst, dann macht das nicht nur Eindruck, es macht auch deinen Job viel

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unterhaltsamer. Du wirst zum Entertainer. Der Trick dabei ist, einen guten Trick so lange zu üben, bis du ihn perfekt beherrschst. Nein, halt – bevor du losrennst und ein Glas nach dem anderen zu Bruch gehen lässt: Mit perfekt, meine ich wirklich perfekt. Der eine Trick, den du beherrschen willst, muss dir, wie man so schön sagt, in Fleisch und Blut übergegangen sein. Übe den Trick zu Hau-se, immer und immer wieder. Immer und immer wieder. Immer und … ich hoffe, du hast es verstanden. Such dir einen wirklich komplizierten und beeindruckenden Trick aus und trainiere hart. Ich wiederhole: Arbeite jeden Tag – und wenn es nur fünf Minu-ten sind – aber arbeite jeden Tag an diesem Trick, so lange, bis du ihn im Schlaf und während des Beischlafs beherrschst. Werde ein Meister, der Beste in dieser einen Disziplin.

Bruce Lee war ein Meister darin, bestimmte Tricks perfekt zu beherrschen, weil er diesen einen Kick, diesen einen Schlag, diese eine Bewegung immer und immer wieder trainiert hat. Und weil er nicht nur ein großer Kampfkünstler war, sondern auch ein großer Philosoph, hat er diese guten Worte dafür gefunden:

Ich habe keine Angst vor dem, der einmal 10.000 Kicks geübt hat, aber vor dem, der einen Kick 10.000-mal geübt hat. Bruce Lee

FEUER & FLAMME: Es gibt noch mehr Tricks, die zu mehr Trink-geld und Ruhm führen, abgesehen von den üblichen Tricks, die fast jeder beherrscht: freundlich lächeln, flirten oder Shots aus-geben. Ein Gentleman zündet jemandem die Zigarette an, aber ein Barkeeper macht eine Show, ein echtes Spektakel daraus, und das macht er am besten mit diesem einfachen, aber doch sehr effekt-vollen Trick. Ich nenne ihn: »The burning Hand« und er funktio-niert so: Du formst deine Hand zu einer Art Trichter (lass oben ein

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Loch, unten fest geschlossen), dann nimmst du dein Feuerzeug, steckst den Kopf in das Loch in deiner Faust und lässt für circa fünf Sekunden Gas hineinströmen. Sofort anzünden und dem Gast die brennende Faust unter die Zigarette halten. Zum Löschen, wenn nicht schon erloschen, Faust öffnen, oder wenn du schnell genug bist, auch noch gleich deine eigene Zigarette damit anzünden. Be-eindruckte Blicke, unzählige Nachahmer und gutes Trinkgeld sind dir sicher.

Ȗ INTERESSANTE FACTS �

Fact #1: Ozzy Osbourne ist immun gegen Alkohol. Wäre Ozzy ein normaler Mensch wie du und ich, wäre er schon tot. Er hätte die meisten seiner ausschweifenden Alkohol-Eskapaden nicht über-lebt. Er hat aber alle überlebt und nicht, weil er ein Superheld ist, auch wenn das manche Fans behaupten. Nein, der Grund ist ein genetischer Defekt. Experten sind sogar der Meinung, der Rock-star sei immun gegen Alkohol. Meine Vermutung: Er hat in der Vergangenheit zu vielen Schlangen den Kopf abgebissen, ihr Gift wirkt heute noch als Gegengift, und darum kann ihm der Alkohol nichts anhaben.

Fact #2: Der erste Vollrausch ist fast so alt wie die Menschheits-geschichte. Den ersten völlig betrunkenen Menschen gab es schon in der Mittelsteinzeit, ungefähr 10.000 v. Chr. Aber der gute Mann wusste wahrscheinlich nicht, was er tat. Es war wohl eher Zufall, dass er den Alkohol entdeckt hat, und ist auf den bereits fortge-schrittenen Gärungsprozess von Früchten, die er verspeist hat, zu-rückzuführen. Aber der Rausch muss bei ihm ordentlich Eindruck hinterlassen haben: Von diesem Tag an trat der Alkohol seinen Siegeszug durch die ganze Welt an und ist bis heute das beliebteste Rausch- und Genussmittel der Welt.

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Fact #3: Alkohol ist ein lebensverlängerndes Elixier. Ja, du hast richtig gelesen. Glaub diesen idiotischen Studien nicht, die den Alkohol verdammen. Wer Alkohol* trinkt, lebt nicht nur gesün-der, sondern auch länger. (Ach so, ist nur ’ne Kleinigkeit, aber für die Richtigkeit dieser Aussage, setze doch bitte folgende Worte noch in den letzten Satz ein: *in Maßen). Alkohol ist also gesund. Wenn du mir nicht glaubst, frag die Nationale Gesellschaft für Mul-tiple Sklerose, die sagt, dass der maßvolle Genuss von Alkohol das Risiko für Herzkrankheiten und Diabetes senkt. Um den Kreis zu schließen: Bei ihrer Studie haben sie auch herausgefunden, dass Menschen, die Alkohol trinken, auch seltener an Multipler Skle-rose erkranken. Darauf trink ich ein Glas guten Rotwein. Oder eine Flasche.

Fact #4: Fruchtfliegen sind uns Menschen ähnlicher, als wir glauben: Auch sie saufen ihren Frust weg. Bekommen männliche Fruchtfliegen von den Weibchen einen Korb, kann das ziemlich frustrierend für die Männchen sein. Verweigert das Weibchen den Sex, sucht die männliche Fruchtfliege Trost in überreifen Früchten und saugt sich voll bis zur Besinnungslosigkeit. Abstürze, Zusam-menstöße mit anderen Verkehrsteilnehmern und andere Unfälle sind da natürlich vorprogrammiert.

Fact #5: Jeden Tag leiden Millionen Menschen in Kneipen und Bars unter Cenosillicaphobie. Cenosillicaphobie, so wird die Angst vor leeren Gläsern bezeichnet. Darunter leiden tatsächlich jeden Tag unzählige Menschen in Kneipen, Bars und Pubs auf der ganzen Welt, wenn ihr Glas schon wieder leer ist. Also, schnell noch einen Drink bestellen, bevor das Glas zur Neige geht!

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Die 10 Survival-Tipps für Barkeeper/innen

1. Beginne deine Schicht niemals nüchtern.2. Lausche der Musik (egal wie unterirdisch) des DJ’s, nicht den Stammgästen.3. Mach es wie Tom Sawyer: Lass deine Stammgäste nach Ladenschluss für dich arbeiten und bezahle sie mit Drinks.4. Sei kreativ und werde zum Entertainer, bevor du in eine selbstmörderische Routine verfällst. Versüße deinen Job mit einem coolen Trick, der dich stadtbekannt macht.5. Lade Stammgäste zu Trinkspielen ein und wette um Geld. Das wird deinen mickrigen Lohn aufbessern. Und dein Ego.6. Beobachte deine Gäste, studiere sie. Vielleicht kannst du es irgendwann gebrauchen. Für dein Buch. Für dei-nen Film. Um Freunde oder Bekannte mit deinen Bar- Geschichten zu beeindrucken. Wenn nicht, ist es wenigs-tens ein netter Zeitvertreib.7. Stocke deinen Kühlschrank zu Hause ein wenig mit Spiritu osen auf. Dein schlechtes Gewissen sagt Nein? Scheiß drauf, für all den Terror, den du durchmachst, ist dein Chef dir was schuldig – also nimm dir, was dir zusteht.8. Wenn dich ein Psycho oder ein Krawallmacher dumm an-macht, stell ihm einen Shot vor die Visage, dann noch einen und dann noch einen. Wiederhole die Aktion dreimal. Dann wirst du spielend mit ihm fertig.9. Gib niemandem deine private Adresse und sag: »Face-book ist was für Deppen. Ich bin nicht bei Facebook!«10. Trainiere deinen Körper und geh spazieren, denn nur ein fitter Körper und ein großer Geist, schafft auf Dauer 15 Shots pro Schicht.

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BONUS: Setze dir ein Ziel, auf das du hinarbeiten kannst: Arbeite dich hoch, lerne alles über Cocktails und das Gastrogewerbe. Lass dir ein tolles Konzept einfallen, und dann – machst du deine eigene Bar auf.

v FAZIT: Ja, der Job des Barkeepers ist weder förderlich für deine Beziehung noch für deine Gesundheit, aber er hat auch seine posi-tiven Eigenschaften: Er fördert dein soziales Verhalten, schult deine Menschenkenntnis und trainiert deine Standhaftigkeit in Sachen Alkohol. Auch hier sind die weisen Worte von Bruce Lee anwend-bar, man muss sie nur ein klein wenig abwandeln:

Ich habe keine Angst vor dem, der einen Shot 10.000 mal getrunken hat, aber vor dem, der einmal 10.000 Shots getrunken hat.

v EMPFEHLUNG: Wenn du jetzt so richtig Bock bekommen hast auf diesen Job oder bist nach Jahren in diesem Scheißjob end-lich mal wieder motiviert genug, um noch eine Weile die Gläser hinter dem Tresen zu schwingen, dann lass dich von jemandem inspirieren, der es wirklich draufhat, mit Gläsern umzugehen. Wenn du nur halb so gut wirst wie dieser Typ, dann machst du das entweder so lange, bis ein Talentscout durch die Tür kommt und dich entdeckt, oder du gehst einfach zu Das Supertalent. Schauen und staunen: World’s best Bartender auf YouTube: https://youtu.be/60GJ0dJ1xmE