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6 Die Führungskoalition Um die Veränderungen in der Organisation umzusetzen benötigen Sie eine Führungsko- alition 1 . Eine Person alleine ist grundsätzlich damit überfordert, die Veränderung voran- zutreiben. Sie benötigen also ein Team. Dieses muss aus den richtigen Leuten bestehen, richtig organisiert und für die Betroffenen ständig präsent sein. Unser Fokus liegt nach wie vor auf der Einführung von Scrum: Nachdem Sie spätestens seit dem letzten Kapitel wissen, warum Sie Scrum einführen wollen (bzw. was Ihre Dringlichkeit ist), lernen Sie in diesem Abschnitt, wer in Ihrer Organisation die Veränderungen vorantreiben muss. 6.1 Zusammensetzung Jede Veränderung muss von „oben“ vorangetrieben werden, damit sie nicht verebbt. Dieses „oben“ kann sich aber selbstverständlich von Fall zu Fall unterscheiden. Bei einer unter- nehmensweiten Einführung von Scrum wird der Geschäſtsführer des Unternehmens in der Führungskoalition benötigt, während bei der Einführung von testgetriebener Entwicklung vermutlich der Entwicklungsleiter reicht. Auch unterscheidet sich die Zusammensetzung der Koalition je nachdem, welche Art der Scrumeinführung gewählt wurde. Bei einem U-Boot bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die Leute zu nehmen, die Sie haben und einweihen können. Da Sie hier auch nur innerhalb des U-Boot-Entwicklungs- Teams überhaupt Veränderungen umsetzen können, ist meist das Entwicklungsteam gleichzeitig die Führungskoalition. Das ist auch völlig ausreichend. Verändern sich Ih- re Ziele, rutschen Sie möglicherweise in eine Bottom-up-Einführung und Sie müssen Ihre Führungskoalition anpassen. Bei einer Bottom-up-Einführung hin zu Scrum PRN sollten alle Führungskräſte Teil der Führungskoalition sein, die bei der Entwicklung Ihrer Produkte Verantwortung tragen. 1 John Kotter nennt das die „Guiding Coalition“, was die Aufgabe dieses Teams aus meiner Sicht noch etwas besser beschreibt. 35 D. Maximini, Scrum - Einführung in der Unternehmenspraxis, DOI 10.1007/978-3-642-34823-5_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Scrum - Einführung in der Unternehmenspraxis || Die Führungskoalition

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6Die Führungskoalition

Um die Veränderungen in der Organisation umzusetzen benötigen Sie eine Führungsko-alition1. Eine Person alleine ist grundsätzlich damit überfordert, die Veränderung voran-zutreiben. Sie benötigen also ein Team. Dieses muss aus den richtigen Leuten bestehen,richtig organisiert und für die Betroffenen ständig präsent sein. Unser Fokus liegt nach wievor auf der Einführung von Scrum: NachdemSie spätestens seit dem letzten Kapitel wissen,warum Sie Scrum einführen wollen (bzw. was Ihre Dringlichkeit ist), lernen Sie in diesemAbschnitt, wer in Ihrer Organisation die Veränderungen vorantreiben muss.

6.1 Zusammensetzung

Jede Veränderungmuss von „oben“ vorangetrieben werden, damit sie nicht verebbt. Dieses„oben“ kann sich aber selbstverständlich von Fall zu Fall unterscheiden. Bei einer unter-nehmensweiten Einführung von Scrumwird derGeschäftsführer des Unternehmens in derFührungskoalition benötigt, während bei der Einführung von testgetriebener Entwicklungvermutlich der Entwicklungsleiter reicht. Auch unterscheidet sich die Zusammensetzungder Koalition je nachdem, welche Art der Scrumeinführung gewählt wurde.

Bei einem U-Boot bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die Leute zu nehmen, die Siehaben und einweihen können. Da Sie hier auch nur innerhalb des U-Boot-Entwicklungs-Teams überhaupt Veränderungen umsetzen können, ist meist das Entwicklungsteamgleichzeitig die Führungskoalition. Das ist auch völlig ausreichend. Verändern sich Ih-re Ziele, rutschen Sie möglicherweise in eine Bottom-up-Einführung und Sie müssen IhreFührungskoalition anpassen.

Bei einer Bottom-up-Einführung hin zu Scrum PRN sollten alle Führungskräfte Teilder Führungskoalition sein, die bei der Entwicklung Ihrer Produkte Verantwortung tragen.

1 John Kotter nennt das die „Guiding Coalition“, was die Aufgabe dieses Teams ausmeiner Sicht nochetwas besser beschreibt.

35D. Maximini, Scrum - Einführung in der Unternehmenspraxis,DOI 10.1007/978-3-642-34823-5_6,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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36 6 Die Führungskoalition

Meist sind das der Entwicklungsleiter, Produktmanager und ggf. Projektmanager. Brin-gen Sie all jene zusammen, die für jedes Projekt entscheiden werden, ob es nach Scrumdurchgeführt wird, oder nicht. Graduell werden Sie so in immer höhere Führungsebenenvorstoßen, so dass Sie am Ende in einem Top-Down-Szenario ankommen.

Hier ist dann auch die Geschäftsleitung involviert und Sie können auch ein ScrumStudio oder sogar Tiefen-Scrum anstreben, in jedem Fall werden organisationsweite Ver-änderungenmöglich. Spätestens wenn Sie solcheweit reichenden Veränderungen einleitenwollen, sind Sie auf die aktive Unterstützung der Geschäftsleitung angewiesen – Sie brau-chen diese Kollegen daher auch als Mitglieder Ihrer Führungskoalition.

Werden wir etwas konkreter. Für die Einführung von nachhaltigem Tiefen-Scrum be-nötigen Sie den Geschäftsführerwenigstens als Unterstützer, besser noch alsMitglied IhrerFührungskoalition. Dazu kommen alle Kollegen, die aufgrund ihrer hierarchischen Posi-tion notwendig sind – in der Regel die Bereichs- oder Abteilungsleiter. Auch benötigenSie einen Scrum-Experten im Boot, der durch einen Experten für die bisherigen Prozes-se ergänzt werden sollte. Dabei schadet es auch nicht, wenn dieser ein Scrum-Skeptikerist. Im Gegenteil: Seine Ängste und Einwände sollten als Pulsmesser für die Organisati-on angesehen werden. Glaubwürdigkeit sollten diese Personen bereits bieten, jedoch sindsie manchmal zu weit von der Basis entfernt. Eine Führungskraft, die das Vertrauen derdirekt betroffenen Entwickler genießt und von ihnen als glaubwürdig empfunden wird,darf nicht fehlen. Zuletzt benötigen Sie noch Experten für Veränderungen. Diese Leutemüssen den Veränderungsprozess vorantreiben – ohne sie wird das Vorhaben scheitern.Manchmal können mehrere Rollen in Personalunion ausgefüllt werden. Zu große Grup-pen neigen dazu, mehr Zeit mit Diskussion alsmit Aktion zu verbringen. In Summe solltenSie daher eine Teamgröße von neun Personen nicht übersteigen. In sehr großen Unter-nehmen kann es allerdings notwendig werden, mehr Personen direkt in der Führungs-koalition zu beteiligen. Versuchen Sie dann, Besprechungen in der großen Runde auf einMinimum zu reduzieren und verlagern Sie Arbeit und Entscheidungsfindung in kleinereGruppen.

BeispielBei einemmeinerKunden fand ich bereits eine fertige Führungskoalition vor:Die LeiterallerAbteilungen des Bereichs sowiewichtige Schlüsselspieler hatten sich bereits organi-siert, um Scrum zu implementieren. Diese Gruppe von acht Personen hatte außerdemeinen designierten Scrum-Experten und jemanden mit Erfahrung in Veränderungs-prozessen in ihrer Mitte. Bei dieser Basis musste ich lediglich noch einige methodischeFeinheiten einbringen und das Scrum-Wissen derGruppe schärfen. Der Startpunkt hät-te für die angestrebten Veränderungen nicht besser sein können.

Sollten Sie nicht in der Lage sein, alle oben beschriebenen Rollen auf Anhieb zu füllen,so sollten Sie zunächst versuchen, Ihre internenMitarbeiter zu fördern. Es ist immer besser,bei so wichtigen Themen auf eigene Kräfte zurückzugreifen, als sie von externen Lieferan-ten einzukaufen. Gelingt es Ihnen nicht oder nicht schnell genug, geeignete Kandidaten zu

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6.1 Zusammensetzung 37

finden, so bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als einen Blick auf Dienstleister außerhalb desUnternehmens zu werfen. Gerade wenn es um die Veränderungsexperten geht, sollten SieIhre Auswahl sehr sorgfältig treffen – an diesem Punkt hängen zu viel Zeit und Geld, alsdass der Zufall eine Rolle spielen dürfte.

Nachdem Sie nun wissen, wer in Ihrer Führungskoalition arbeiten sollte, wenden wirunsere Gedanken noch der Frage zu, wer auf keinen Fall Bestandteil der Führungsko-alition sein sollte: Saboteure und Egomanen können Sie nicht brauchen. Saboteure sindPersonen, die durch ihre Handlungen verhindern, dass die Gruppe als Ganzes zusammen-arbeitet. Dies kann durch spitze Bemerkungen, Repressalien (bei ranghöheren Kollegen)oder andere Angst fördernde Aktionen zum Ausdruck kommen. Egomanen sind solcheCharaktere, die soviel Raum für sich einnehmen, dass niemand neben ihnen koexistie-ren kann. Ideen anderer Teamkollegen werden zerredet, ignoriert oder schlecht gemacht.Redezeit wird niemandem sonst zugestanden. Verantwortung für wichtige Aufgaben wirdnicht delegiert. Wenn Sie auf solche „Showstopper“ treffen, bleibt Ihnen nichts anderes üb-rig, als sich von diesen zu befreien. Dies können Sie durch Überzeugung oder Kündigungerreichen – ein Verbleib der Übeltäter in der Organisation ist aber nicht denkbar. WennSie die Dringlichkeit des Themas deutlich herausgearbeitet haben, die Person aber ohneNennung von Gründen weiter die Veränderung blockiert, dann wird sie nach einem Aus-schluss aus der Führungskoalition ihr Gift weiter in der gesamten Organisation verbreiten.Das lässt sich nur dadurch vermeiden, dass die Person aus dem Unternehmen entferntwird.

BeispielIn einem kleinen Unternehmen war der Geschäftsführer omnipräsent. Er gestalteteaktiv alle Bereiche des Unternehmens und war in hohem Maße beratungsresistent.Dieses Verhalten hatte über Jahrzehnte gut funktioniert, denn es handelte sich umeinen außerordentlich fähigen Mann voller Energie. Irgendwann erreichte das Unter-nehmen allerdings eine Größe, welche die Delegation von Macht und Verantwortungerforderte. Dafür war es nötig, den untergeordneten Managern das Vertrauen entge-genzubringen, dass sie ihrer jeweiligen Verantwortung gerecht werden würden. Leiderwar der Geschäftsführer nicht bei allen Mitarbeitern dazu in der Lage. Stattdessenwurde er nicht müde, seinen Managern bis ins Detail darzulegen, warum sie unfähigund zu unerfahren seien, um ihre Aufgaben seinen Erwartungen gemäß zu erfüllen.Er bemühte sich, diese Verantwortungsbereiche mit zu erledigen. Im Ergebnis warseine Führungsmannschaft demotiviert, die Fluktuation nahm zu und die Ergebnissedes gesamten Unternehmens litten unter dieser Schwäche des Geschäftsführers. Hierwäre es sinnvoll gewesen, einen zweiten Geschäftsführermit ins Boot zu holen, der dieSchwächen des Amtskollegen ausgleichen und dessen außergewöhnlich positive Eigen-schaften weiter verstärken könnte. Der Versuch schlug leider fehl, die Situation bliebunverändert.

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38 6 Die Führungskoalition

6.2 Organisation

Organisieren Sie Ihre Führungskoalition nach Scrum2. Auf diese Weise lernen Sie, wieScrum funktioniert, wie es sich anfühlt und welche Folgen es produziert. Außerdem er-halten Sie so die Fähigkeit, schnell auf Änderungen zu reagieren und in regelmäßigenIterationen Ergebnisse zu liefern. Im Einzelnen sollten Sie die Elemente von Scrum füreine Scrumeinführung in etwa so einsetzen:

1. SprintJede Iteration heißt Sprint und darf maximal einen Monat lang sein. Schätzen Sie dieVerfügbarkeit Ihrer Koalition und die Dringlichkeit des Vorhabens ein. Je besser IhreMannschaft verfügbar und je dringlicher dieVeränderung ist, desto kürzer (minimal ei-neWoche)müssen die Sprints sein. In der Praxis entscheiden sich die Beteiligten meistfür 4-Wochen-Sprints, obwohl zwei oder drei Wochen effektiver wären. VereinbarenSie alle Sprinttermine bereits sechs bis zwölf Monate im Voraus, damit die Kalenderder Führungskoalitionäre rechtzeitig geblockt sind.

2. Sprint PlanningFühren Sie jeden Sprint eine Planung durch. Überprüfen Sie zunächst Ihren Release-plan, IhreVision und IhreZiele. Dann entscheiden Sie sich aufGrundlage der Ergebnis-se des letzten Sprints sowie Ihres Product Backlogs für die nächsten Schritte. NehmenSie sich schaffbare Ziele vor: Wenn absehbar ist, dass ein Ziel nicht erreichbar ist, bre-chen Sie es in mehrere Teilziele herunter. Vergessen Sie nicht, dass das Team sich dieMenge der im Sprint zu schaffenden Arbeit selbst festlegt – das gilt auch in der Füh-rungskoalition.

3. Daily ScrumDas Daily Scrum muss täglich durchgeführt werden. Der Zweck dahinter ist, auf täg-licher Basis operative Neuplanungen durchführen zu können. Es geht also nicht umeinen Statusbericht (auch wenn dieser Teil des Daily Scrums sein kann), sondern umRisikominimierung. Streng genommen machen Sie kein Scrum, wenn Sie das DailyScrum nicht täglich durchführen. Es kann allerdings im Kontext Ihrer speziellen Situa-tion nötig sein, sich in längeren Abständen (z. B. zweimal pro Woche) zu treffen. Dasdeutet in der Regel darauf hin, dass die Scrumeinführung nicht die höchste Prioritätfür die Beteiligten hat, diese daher nicht täglich an den Aufgaben arbeiten und in derFolge auch nicht täglich Neuigkeiten zu berichten haben. Denken Sie über das Signalnach, das Sie dadurch an alle Mitarbeiter des Unternehmens senden, bevor Sie sich füreine Abweichung von Scrum entscheiden.

4. Sprint ReviewFühren Sie Ihr Review öffentlich durch. Laden Sie alle Betroffenen ein; im Zweifelbesser alle Mitarbeiter als eine wichtige Person zu vergessen. Ziel des Reviews ist es,

2 Die BeschreibungendiesesKapitels sind recht allgemein gehalten. Besser greifbar werden die Punk-te in Teil 2 des Buches, der Fallstudie.

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6.2 Organisation 39

Meinungen Ihrer Stakeholder einzuholen und gemeinsamdas weitereVorgehen zu pla-nen. Beginnen Sie damit, nochmals kurz die Dringlichkeit und die Vision aufzuzeigen.Fahren Sie dann damit fort, die im letzten Sprint geplanten Ziele zu kommunizierenund stellen Sie dem das tatsächlich Erreichte gegenüber. Das Ergebnis sollte anfassbarsein. Wenn sie Dokumente produziert haben, drucken Sie diese aus, wenn Sie eine Ar-beitsumgebung bereitgestellt haben, besichtigen Sie diese. Lassen Sie die Anwesendenalles ausprobieren. Ein solches Review darf ruhig auch Spaß machen.

5. Sprint RetrospektiveFühren Sie diese nur im Kreise der Führungskoalition durch. Analysieren Sie Ihre Zu-sammenarbeit während des letzten Sprints und erarbeiten Sie Maßnahmen zur Ver-besserung. Kommunizieren Sie das Ergebnis an alle Interessierten. Zeigen Sie deut-lich, dass Sie bereit sind, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Ein einfacher Weg,die beschlossenen Ergebnisse zu kommunizieren, ist durch Aufgabenkärtchen in einerbestimmten Farbe am Backlog. So könnten beispielsweise „normale“ Aufgaben gelb,Maßnahmen aus der Retrospektive dagegen rot dargestellt werden.

6. Das Product BacklogDas Product Backlog gehört dem Product Owner. In ihm stehen in irgendeiner Formalle Anforderungen, die vom Team (also der Führungskoalition) umgesetzt werdenmüssen. Die Form ist dabei zweitrangig. Es ist allerdings empfehlenswert, das gleicheMedium und Format zu verwenden, das Sie später von Ihren Produktentwicklungs-teams erwarten. Machen Sie das Product Backlog zu jedem Zeitpunkt für jeden Inter-essierten transparent. Das geht am besten, wenn es irgendwo gut lesbar aushängt.

7. Das Sprint BacklogDas Sprint Backlog besteht aus allen Anforderungen, die für einen Sprint ausgewähltwurden, sowie den Aufgaben, die zur Erfüllung dieser Anforderungen nötig sind. Füh-ren Sie es in der Form, in der Sie es auch von Ihren Produktentwicklungsteams er-warten. Machen Sie es transparent. Jeder Mitarbeiter soll und darf wissen, woran dieFührungskoalition gerade arbeitet. Brechen Sie die Aufgaben so fein herunter, dass imIdealfall täglich eine pro Teammitglied abgearbeitet werden kann.

8. Das ProduktinkrementEs ist schwierig für die Führungskoalition ein „potentiell auslieferbares“ Produktin-krement zu erstellen. Es ist aber möglich. Ordnen Sie Ihre Anforderungen nach Ab-hängigkeiten und Geschäftswert. Achten Sie darauf, dass Sie jeden Sprint kurz- undlangfristige Aufgaben angehen, damit Sie nicht ausschließlich Langläufer bearbeitenund am Ende nichts zu präsentieren haben. Produzieren Sie Ergebnisse, die einen klarerkennbaren Nutzen für die Veränderung bzw. für die Scrumeinführung haben.

9. Der Product OwnerDer Product Owner sollte die Person sein, die das größte Interesse an der Verände-rung des Unternehmens hat. Bei Tiefen-Scrum oder einem Scrum Studio ist das derGeschäftsführer. Bei Scrum PRN oder einem virtuellen Studio ist es eher der Entwick-lungsleiter. Es ist wichtig, dass in der Führungskoalition ein klares Signal gesetzt wird,in welche Richtung es geht, welche Strategie und Vision verfolgt wird. Das sind Auf-

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40 6 Die Führungskoalition

gaben für die Unternehmensführung. Der Product Owner muss sein Product Backlogverantworten – das bedeutet aber nicht, dass er alle Arbeit selbst machen muss. Genauwie in einem normalen Scrum-Team kann er Arbeiten wie Formulierung oder Vor-bereitung delegieren. Die Auswahl der wichtigsten Elemente, also die Anordnung desProduct Backlogs allerdings nicht.

10. Der ScrumMasterDer ScrumMaster der Führungskoalition wird im weiteren Verlauf der Scrumeinfüh-rung vielen Kollegen erklären müssen, wie Scrum funktioniert. Er sollte daher übertiefes Wissen verfügen. Im Zweifel sollte er sich professionelleUnterstützung holen, biser genug eigenes Wissen sowie einen gewissen Erfahrungsschatz aufgebaut hat. SeineAufgabe ist es, darauf zu achten, dass innerhalb der Führungskoalition die Scrum-Regeln eingehalten werden. Auch steht er allen Kollegen im Unternehmen Rede undAntwort, wenn es um Scrum geht. Selbstverständlich ist es auch seine Aufgabe, Miss-stände transparent zu machen und für deren Abstellung zu sorgen. Im Rahmen derFührungskoalition sollte das kein Problem darstellen, da alle benötigte Macht bereitsversammelt ist.

11. Das EntwicklungsteamSie entwickeln Ihr Unternehmen. Damit sind Sie Entwickler. Das trifft auf alle Mitglie-der der Führungskoalition außer dem Product Owner und dem Scrum Master zu. Siemachen die eigentliche Arbeit und verwandeln die Anforderungen aus dem ProductBacklog in ein Produktinkrement. Der Begriff „Entwickler“ bezeichnet im Übrigenauch in einem normalen Scrum-Team nicht nur Programmierer, sondern alle Perso-nen, die zur Erstellung des Gesamtergebnisses beitragen – also auch Tester, Dokumen-tierer, Architekten, usw.

Sobald Sie alle Rollen besetzt haben, sollten Sie Ihrem Team einen Namen geben. Inder Praxis habe ich schon Namen wie „Scrum Steering Committee“, „Agile Capture Team“und „Agile Team“ angetroffen. Verbreitet sind auch „Enterprise Transition Community“und „Enterprise Transition Team“. Für welchen Namen Sie sich auch entscheiden, behal-ten Sie ihn bei und sorgen Sie dafür, dass jeder in Ihrer Organisation ihn mit den agilenErfolgen verbindet. Führen Sie Trainings (besser extern als intern) mit der Führungsko-alition durch. Beginnen Sie außerdem damit, Vertrauen aufzubauen. Alle Mitglieder IhresTeams müssen sich aufeinander verlassen können und dies auch wissen. Dieses Vertrauengeht im Regelfall über das normale geschäftliche Vertrauen hinaus, das die Beteiligten mit-bringen. Sparen Sie hier nicht an der falschen Stelle. Organisieren Sie sorgfältig geplanteOffsite-Events, lassen Sie die Gruppe zusammen arbeiten und zusammen feiern. Erarbei-ten Sie gemeinsam aus der Dringlichkeit heraus (siehe letztes Kapitel) eine Vision für IhreFührungskoalition und Ziele, die es zu erreichen gilt. Diese Ziele müssen sowohl das Herz,als auch den Verstand der Beteiligten ansprechen. Um das zu schaffen, ist es erforderlich,dass Sie die Beweggründe Ihrer Kollegen verstehen: Was motiviert sie? Was treibt sie an?Legen Sie los!

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6.3 Aufgaben 41

6.3 Aufgaben

Die Führungskoalition ist dafür zuständig, den Veränderungsprozess zu steuern und anzu-führen. Es ist ihre Aufgabe, die gemeinsame Vision auszuarbeiten und zu kommunizieren.Nicht zuletzt durch das Vorleben der Veränderungen inspirieren Sie andere Kollegen, Ih-nen zu folgen.

Als Mitglied der Führungskoalition sollten Sie genau wissen, weshalb Sie die Verände-rung anstreben, wie der Zielzustand aussieht und wie Sie dorthin kommen. Auch solltenSie die Motivation jedes Ihrer Mitarbeiter kennen, weshalb diese Ihnen auch im Wandelfolgen oder nicht. Im Kontext einer Scrumeinführung muss auch jedes Mitglied der Füh-rungskoalition wissen, wie Scrum funktioniert. Dazu müssen sie jedoch keine Expertensein (davon reicht einer im Team) – aber die Grundkonzepte müssen Sie kennen. In derRegel wird die Führungskoalition keine Zwänge aussprechen oder drakonische Strafmaß-nahmen verhängen, auch wenn sie über die nötigeMacht verfügt. SolcheMaßnahmen sindnicht nötig, wenn Dringlichkeit sowieMission klar formuliert und gut kommuniziert wur-den. Stattdessen lebt die Führungskoalition das vor, was sie predigt, und tut das, was nötigist. Denken Sie an Ihre Kinder: Mit Sicherheit haben Sie schon festgestellt, dass die Kin-der Sie imitieren und im Zweifel verbal ausgesprochene Verhaltensanweisungen einfachignorieren. Wenn Sie mit den Fingern essen, werden die Kinder das auch tun. Wenn SieSchimpfworte verwenden, so hören Sie diese bald von Ihrem Nachwuchs. Wenn Sie IhremPartner aber nach dem Essen immer mit Freude beim Abwasch helfen, so wird das Kind(zumindest bis zur Pubertät) auch helfen wollen. Genauso läuft es bei Ihnen im Unterneh-men:Wenn Sie die von Ihnen kommunizierten Situationen undWerte vorleben, so werdenIhreMitarbeiter Ihnen folgen.Wenn Sie aberWasser predigen undWein trinken, so stehenSie alleine da.

Es gehört auch zu den Aufgaben der Führungskoalition, die bevorstehenden Schrittesowie die bereits erreichten Erfolge ständig transparent zu machen. Mit anderen Worten:Erstellen Sie ein Product Backlog für die Veränderungen, hängen Sie dieses gut sichtbarfür alle Betroffenen (z. B. in der Kantine) aus und führen Sie am Ende jedes Sprints einReview durch, zu dem alle Interessierten kommen dürfen. Präsentieren Sie die Ergebnisseund machen Sie die Betroffenen zu Beteiligten, indem Sie deren Meinungen aufnehmenund wertschätzen. Zeigen Sie auch, was Ihr Team dazugelernt hat und kommunizieren Siedie Ergebnisse Ihrer Retrospektiven. Das zeigt deutlich, dass eine Kultur des Dazulernenserwünscht und Fehler machen erlaubt ist. Fokussieren Sie die Koalition in einem so hohenMaße, dass für alle Beteiligten klar ersichtlich ist, dass derWandel im Unternehmen die al-lerhöchste Priorität hat und nicht „nebenher“ gemacht wird. Unterbinden Sie „Flurfunk“effektiv, indem Sie Gerüchten sofort begegnen. Führen Sie, wenn nötig, eine Gerüchte-wand3 ein.

3 Eine Gerüchtewand ist eine Pinnwand, an der Mitarbeiter (auch Sie selbst) gehörte Gerüchte oderUnklarheiten aufhängen können. Diese Wand wird täglich von der Führungskoalition gelesen unddie Antworten bzw. Richtigstellungen werden dazu gehängt. Dies führt in aller Regel dazu, dass nacheinigen Wochen oder Monaten keine Gerüchte mehr kursieren, sondern zuerst nachgefragt wird.

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42 6 Die Führungskoalition

6.4 Das sollten Sie sichmerken

Um Ihre Führungskoalition in Stellung zu bringen, sollten Sie wie folgt vorgehen:

1. Finden Sie die richtigen Leute:1.1. Kollegen mit hierarchischer Macht (Geschäftsführer und Bereichs- und/oder Ab-

teilungsleiter).1.2. Einen Experten für die bisherigen Prozesse.1.3. Einen Scrum-Veteranen.1.4. Alle sonstigen Personen, die Ihre Scrumeinführung unterstützen oder behindern

könnten.1.5. Alle diese Personen müssen eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen.

2. Begrenzen Sie Ihr Team auf 9 Personen oder gliedern Sie es in mehrere Sub-Teams auf.3. Holen Sie sich externe Unterstützung, wenn Sie diese benötigen.4. Vergeben Sie die Rolle des Product Owners an den hierarchisch höchsten Kollegen mit

dem größten Interesse an der Scrum-Einführung.5. Vergeben Sie die Rolle des Scrum Masters an den besten internen Scrum Master.6. Geben Sie dem Team einen Namen.7. Schaffen Sie ein hohes Maß an Vertrauen bei den Beteiligten, indem Sie gemeinsam

arbeiten, feiern und externe Veranstaltungen durchführen.8. Führen Sie alle nötigen Trainings für Ihre Führungskoalition durch.9. Entwickeln Sie eine gemeinsame Vision und Ziele für Herz und Verstand.10. Erstellen Sie ein Product Backlog.11. Machen Sie alles transparent, was Ihre Führungskoalition plant oder tut.12. Unterbinden Sie Gerüchte.13. Kommunizieren Sie so oft und deutlich wie Sie können.14. Lernen Sie die Beweggründe aller Betroffenen kennen, Ihnen zu folgen.15. Führen Sie durch Ihr Vorbild. Bringen Sie die Kollegen dazu, Ihnen folgen zu wollen.