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B. SeifertInstitut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Berlin

Richtwerte für die Innenraumluft*Die Beurteilung der Innenraumluftqualitätmit Hilfe der Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC-Wert)

Im vorliegenden Artikel werden dievorhandenen Grundlagen für die Ablei-tung und Verwendung von Bewertungs-maßstäben für TVOC-Konzentrationendiskutiert. Da dies nicht ohne das Ein-gehen auf die Frage geschehen kann,wieder TVOC-Meßwert aus den Ergebnis-sen einer Raumluftanalyse gebildetwird, werden zu Beginn einige Aspekteder VOC-Analytik erörtert.

Analytische Erfassung von VOC in der Raumluft

Anders als im Falle der Bestimmung ei-nes einzelnen Stoffes in der Raumluft,bei der das „Meßobjekt“ eindeutig defi-niert ist (also z.B. bei der Bestimmungvon n-Decan, Toluol oder Formaldehyd)muß man sich bei der Analyse einesVOC-Gemisches darüber einig sein,wel-che Stoffe als VOC bezeichnet werdensollen. Um hier eine einheitliche Vorge-hensweise zu erreichen, wurde bereits

Wert bezeichnet wird (von „Total Volati-le Organic Compounds“). Es kann aller-dings nicht deutlich genug betont wer-den, daß das „Zusammenschieben“ derwirkungsmäßig höchst komplexenAspekte der VOC in eine einzige Indika-torgröße,wie sie ein solcher TVOC-Wertdarstellt, Probleme mit sich bringt. Die-se Probleme wurden in einem kürzlicherschienenen Bericht der European Col-laborative Action „Indoor Air Qualityand its Impact on Man“ ausführlich be-leuchtet [1].

Es sei an dieser Stelle ausdrücklichdarauf hingewiesen, daß es wegen derBesonderheiten, die bei einem komple-xen Substanzgemisch zu berücksichti-gen sind, nicht möglich ist, das für dieAbleitung von Innenraumluft-Richtwer-ten entwickelte Basisschema [2] für dieTVOC-Betrachtung anzuwenden, dadieses Schema für Einzelverbindungenkonzipiert wurde.Wegen der Besonder-heiten des Themas konnte auch die Ka-pitelabfolge und -bezeichnung nicht sobeibehalten werden, wie sie sich bei denbisher in dieser Reihe veröffentlichtenArtikeln über Richtwerte für die Innen-raumluft [3–8] bewährt hat. Die abgelei-teten Bewertungsmaßstäbe sind wegeneben dieser Besonderheiten auch nichtim Sinne der im Basisschema verwende-ten Begriffe „Richtwert I“ und „Richt-wert II“ zu interpretieren.

EmpfehlungenBundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz1999 · 42: 270–278 © Springer-Verlag 1999

Anders als die Luft am industriellenArbeitsplatz,wo produktionsbedingt einin seiner Zusammensetzung meist an-nähernd bekanntes Stoffgemisch vor-liegt, enthält die Luft von privaten, öf-fentlichen und anderen nicht industriel-len Räumen ein wesentlich komplexerzusammengesetztes Gemisch von Ver-bindungen. Dies gilt besonders für dieVielzahl der in der Innenraumluft anzu-treffenden flüchtigen organischen Ver-bindungen (VOC; von „Volatile OrganicCompounds“). Angesichts ihres unter-schiedlichen chemischen Charaktersund ihres unterschiedlichen Wirkungs-potentials ist es jedoch sehr fraglich, obdie Einhaltung von Richtwerten für Ein-zelsubstanzen – selbst bei Berücksichti-gung einer ähnlichen Wirkung von Stof-fen gleicher chemischer Verbindungs-klasse – ausreicht, auch die unspezifi-schen Beschwerden abzustellen,über dievon den Nutzern vieler Räume immerwieder geklagt wird.

Es hat in der Vergangenheit nicht anVersuchen gefehlt, trotz dieser Komple-xität eine Bewertungsmöglichkeit fürdie Vielzahl der VOC, die in der Innen-raumluft anzutreffen sind, zu finden.Dabei liegt es nahe, sich eines Konstruk-tes in Form einer Indikatorgröße zu be-dienen. Im Falle der VOC kommt als In-dikator für die VOC-Konzentration dieSumme der Konzentrationen der Einzel-verbindungen in Frage, die als TVOC-

*Unter dieser Hauptüberschrift wurden bisher ein

Basisschema [2] sowie Ausarbeitungen zu Toluol

[3], Dichlormethan [4], Pentachlorphenol [5],

Kohlenmonoxid [6], Stickstoffdioxid [7] und

Styrol [8] veröffentlicht

Dr. B. SeifertInstitut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene

des Umweltbundesamtes, Corrensplatz 1,

D-14195 Berlin

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◗ Unter Verwendung der WHO-Defini-tion für die VOC wird der entspre-chende Bereich im Chromatogrammbetrachtet. Es werden die Konzentra-tionen der einzelnen in diesem Be-reich identifizierten Verbindungenunter Verwendung des jeweils für siegültigen Ansprechfaktors ermittelt.Die aufsummierten Konzentrationenstellen die TVOC-Konzentration dar.

Die angegebenen Methoden beschreibendie in der Literatur hauptsächlich aufzu-findenden Vorgehensweisen. Besondersbezüglich Variante B werden teilweiseaber auch Zwischenformen verwendet,so z.B. eine Kombination des VerfahrensB2 mit dem Verfahren B1 (wobei B1 fürdie nicht identifizierten Verbindungeneingesetzt wird) oder das Auswerten undSummieren der Konzentrationen vonnur einer kleinen Zahl von VOC imChromatogramm. Auch in solchen Fäl-len wird das Ergebnis als TVOC-Wert be-zeichnet.Variante A sollte für verläßlicheAussagen eigentlich nur eingesetzt wer-den,wenn zuvor die Stabilität der Korre-lation mit einer der Varianten B nachge-wiesen wurde. Dies setzt in den meistenFällen eine Konstanz des VOC-Profilsvoraus. Es muß allerdings auch daraufhingewiesen werden, daß allein schondie Verwendung unterschiedlicher So-

Der Nachweis von organischen Ver-bindungen in der Luft mit Hilfe (han-delsüblicher) kontinuierlich registrie-render Geräte erfolgt im allgemeinenunter Verwendung eines Flammenio-nisationsdetektors (FID), eines Photo-ionisationsdetektors (PID) oder einesphotoakustischen Sensors (PAS). DieGeräte arbeiten ohne Trennung dereinzelnen Stoffe, so daß neben denVOC teilweise auch die in der Raum-luft vorhandenen VVOC und SVOCerfaßt werden. Obwohl die einzelnenVerbindungen ein teilweise extremunterschiedliches Ansprechverhaltenim Detektor zeigen, wird der Detektormit nur einer Verbindung kalibriert.

◗ Anreicherung der organischen Verbin-dungen an einem festen Sorbens mitanschließender gaschromatographi-scher Trennung und Errechnen derTVOC-Konzentration.

Das Errechnen der TVOC-Konzentrationgeschieht hauptsächlich auf zwei Arten:

◗ Unter Verwendung der WHO-Defini-tion für die VOC wird die entspre-chende Fläche unter dem Chromato-gramm betrachtet. Mit Hilfe des An-sprechfaktors einer Referenzverbin-dung (häufig Toluol) wird daraus dieTVOC-Konzentration errechnet.

frühzeitig von einer Arbeitsgruppe derWeltgesundheitsorganisation, die sichmit Organika in der Raumluft befaßte,eine Klassifizierung der organischenVerbindungen vorgenommen [9]. DieWHO-Klassifizierung, die auf Siede-punkten basiert, ist in Tabelle 1 darge-stellt. Es sei an dieser Stelle ausdrücklichdarauf hingewiesen,daß nach dieser De-finition z.B. weder Formaldehyd nochDiethylhexylphthalat zu den VOC gehö-ren. Diese Klassifizierung hat bislanggute Dienste geleistet, obwohl sie für dieSiedepunktsbereiche „weiche“ Endenzeigt. Die Einbeziehung der Spalte „Pro-benahmetechnik“ in die Tabelle soll be-legen, daß die Definition nicht ohne diejeweils verfügbaren analytischen Mög-lichkeiten gesehen werden darf.

Die WHO-Definition der VOC gibtkeine Auskunft darüber, wie nach been-deter Analyse aus den Ergebnissen einTVOC-Wert zu bilden ist. Es finden sichdaher in der Literatur Angaben überTVOC-Konzentrationen, die auf die un-terschiedlichste Art erhalten oder kon-struiert wurden. In den meisten Fällenwird nach einer der folgenden Metho-den vorgegangen (vgl. [10]):

◗ Ablesung des mit einem direkt anzei-genden Gerät erhaltenen Signals, dasdann als TVOC-Wert bezeichnet wird.

Tabelle 1

Klassifizierung von organischen Verbindungen in der Innenraumluft; nach WHO [10]

Gruppenbezeichnunga Abkürzung Siedepunktsbereichb Probenahmetechnik[°C]

Very volatile organic compounds VVOC <0 bis 50–100 Gasmaus oder Kanister; Adsorption an Aktivkohle

Volatile organic compounds VOC 50–100 bis 250–260 Adsorption an Tenax, graphitisiertem Kohlenstoff oder Aktivkohle

Semivolatile organic compounds SVOC 250–260 bis 380–500 Adsorption an Polyurethanschaum oder XAD-2

Organic compounds associated POM >380 Probenahme mit Filternwith particulate matter or particulate organic matter

aUm die Herkunft der auch in deutschen Texten gebräuchlichen Abkürzungen besser zu dokumentieren, wurden in dieser Spalte die englischen Bezeichnungen verwendet. Im Deutschen entsprechen dem die folgenden Bezeichnung: VVOC=Sehr/leicht flüchtige organische Verbindungen, VOC=Flüchtige organische Verbindungen (häufig als FOV abgekürzt), SVOC=Schwerflüchtige organische Verbindungen, POM=Partikelgebundene organische VerbindungenbPolare Verbindungen sind am oberen Ende des Bereiches zu finden

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rbentien für die Probenahme auch beiausschließlichem Einsatz der Variante B2Unterschiede um einen Faktor 2 im Er-gebnis bedingen kann [11].

Methodenbewertung

Eine Zusammenfassung und Bewertungvon Methoden, die bislang in der wis-senschaftlichen Praxis zur Ermittlungvon TVOC-Konzentrationen eingesetztwurden, wurde kürzlich von Hodgsongegeben [12]. In der Arbeit wird darüberhinaus über Vergleichsmessungen mitdrei Verfahren berichtet:

◗ gaschromatographische Trennungmit FID-Detektion und Kalibrierungmit dem mittleren Ansprechfaktor ei-nes C9–C11-Alkan-Gemisches,

◗ gaschromatographische Trennungmit Massenspektrometer-Detektionund Kalibrierung mit dem mittlerenAnsprechfaktor von 17 VOC,

◗ Einsatz eines mit Toluol kalibriertenphotoakustischen IR-Monitors.

Als Ergebnis der mit verschieden zusam-mengesetzten VOC-Gemischen durchge-führten Vergleichsmessungen läßt sichfesthalten, daß die Verfahren (a) und (b)für eine Reihe von Gemischen zu ver-gleichbaren Ergebnissen führen,obwohlsich die Meßprinzipien unterscheiden.Es wurden im Mittel etwa 75% der vor-gegebenen Gesamtkonzentration ange-zeigt. Abweichungen sind zu erwarten,wenn in der Luft chlor- oder sauerstoff-haltige Verbindungen überwiegen, daVerfahren (a) vor allem chlorhaltige VOCzu niedrig anzeigt. Die durch unter-schiedliche experimentelle Rahmenbe-dingungen und unterschiedliche Zusam-mensetzung von VOC-Gemischen be-dingte Unsicherheit eines mit Verfahren(a) oder (b) erhaltenen Ergebnisses wirdauf bis zu 50% geschätzt.Nach Verfahren(c) erhaltene Ergebnisse lagen meist er-heblich über den vorgegebenen Konzen-trationen, in den schlechtesten Fällen et-wa um den Faktor 4 bis 5.

Es ist verständlich, daß bei derartunterschiedlich zustande kommendenKonzentrationsangaben die Korrelationvon TVOC-Werten mit Aussagen übergesundheitliche Beschwerden kein kla-

wegt sich im Mittel in der Größenord-nung von einigen hundert µg/m3. Dieshat sich im Umwelt-Survey 1985/86 fürdeutsche Wohnungen gezeigt [13, 14]und ist auch durch eine Reihe von Studi-en im Ausland belegt (vgl. [15]).

In neuen Gebäuden, nach Renovie-rungs- oder intensiven Reinigungsar-beiten oder nach Einbringen neuer Ein-richtungsgegenstände in einen Raumkönnen die Konzentrationen kurzzeitigleicht um den Faktor 10 höher liegen, füreinzelne VOC sind sogar noch höhereKonzentrationen möglich.Auch in Räu-men, die in der unmittelbaren Nachbar-schaft von Gewerbebetrieben liegen,evtl. sogar unmittelbar an die Betriebs-räume angrenzen, wie häufig im Fallevon Chemischreinigungen und anderenKleinbetrieben in Mischgebieten, kön-nen für bestimmte VOC Konzentratio-nen im mg/m3-Bereich angetroffen wer-den [16]. Die Spannweite der in der Pra-xis auftretenden Konzentrationen läßtsich etwa aus den von Rothweiler et al.[11] veröffentlichten Ergebnissen ermes-sen: Bei einstündiger Probenahme indrei neuen Gebäuden wurden unter ver-gleichbaren Bedingungen vor dem Be-zug TVOC-Konzentrationen zwischen10 und 20 mg/m3 gefunden. In einemvierten Gebäude betrug die TVOC-Kon-zentration acht Wochen nach Einzug derBewohner etwa 1,5 mg/m3. In zwei weite-ren Objekten ergaben Messungen vor ei-ner Renovierung und eine Woche da-nach TVOC-Konzentrationen von etwa0,7 mg/m3 bzw. rund 5–7 mg/m3. DieAußenluftkonzentrationen betrugen imMittel 0,17 mg/m3. Seifert et al. [17] ver-folgten die VOC-Konzentrationen inzehn Häusern in Berlin über ein Jahrhinweg. Während dieser Zeit wurden ineinem Raum auch die Wände mit Di-spersionsfarben gestrichen. Die TVOC-Konzentration, die als Mittelwert überzwei Wochen bestimmt wurde, stieg da-bei um einen Faktor von knapp 5, wobeider Hauptbeitrag von C9- bis C11-Ali-phaten geleistet wurde. Bei der Neuver-legung von Teppichboden in einem kli-matisierten kanadischen Bürogebäude[18] fiel die TVOC-Konzentration bei ei-ner Luftwechselzahl von 1,5 h–1 inner-halb von etwa zehn Tagen von rund 10mg/m3 auf rund 0,2 mg/m3 ab.

res Bild ergibt, da solche Werte die VOC-Exposition nur pauschal widerspiegeln.Die Verwendung eines TVOC-Wertes imregulatorischen Sinne ist daher nichtunproblematisch. In den folgenden Ab-schnitten werden nach einer kurzenÜbersicht über die Expositionssituationdie über die Wirkungen von VOC-Gemi-schen vorliegenden Erkenntnisse unddie sich daraus ableitende Bewertungdargestellt.

Exposition

Sieht man einmal davon ab, daß mancheVOC in nenneswertem Maße auch vonaußen durch Lüftungsvorgänge in dieInnenraumluft gelangen, so gibt es eineVielzahl von Quellen im Innenraumselbst, die das Auftreten von VOC bedin-gen.Am wichtigsten sind neben dem Ta-bakrauch sicher Haushalts- und Hobby-und Bauprodukte sowie die bei ihrerVerarbeitung eingesetzten Materialienund die verschiedenartigsten Einrich-tungsgegenstände. Der Natur von flüch-tigen Verbindungen entsprechend ver-ringern sich die VOC-Emissionen vonneu in einen Raum gebrachten Materia-lien,Anstrichstoffen oder Einrichtungs-gegenständen im Laufe der Zeit.

Mit dem zu beobachtenden Ersatzleichter flüchtiger Lösemittel durch hö-her siedende Stoffe verlängert sich dieZeitspanne, während welcher mit Emis-sionen zu rechnen ist. Wie lang die je-weilige Zeitspanne im einzelnen ist,hängt ab vom Charakter der einzelnenVerbindung und den räumlichen Bedin-gungen, hauptsächlich von der Lüf-tungsintensität, aber auch von derRaumtemperatur. Aus diesem Grundekann es für einen bestimmten Raum ausder Erfahrung zwar Hinweise dafür ge-ben, nach welcher Zeit, z.B. nach einerRenovierung, die VOC-Konzentrationauf einen vorgegebenen Wert abgesun-ken ist, nicht aber eine absolut sicherePrognose. Wenn keine erkennbaren be-sonderen Quellen im Raum oder in dernäheren Umgebung einer Wohnung vor-handen sind,übersteigt die Konzentrati-on einzelner VOC nur in seltenen FällenWerte zwischen 10 und 100 µg/m3. Fürviele VOC liegt sie im Mittel sogar unter10 µg/m3. Die TVOC-Konzentration be-

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Wirkungen von VOC-Gemischen

Die möglichen Auswirkungen einzelnerVOC auf die Gesundheit und das Wohl-befinden des Menschen umfassen einweites Spektrum, das von sensorischenWahrnehmungen bereits bei niedrigenKonzentrationen bis hin zu meist erstbei höheren Konzentrationen auftreten-den toxischen Langzeiteffekten reicht.Von besonderer Bedeutung ist die Tatsa-che, daß es sich bei einem Teil der fürniedrigere Konzentrationen angegebe-nen Effekte um Sinneswahrnehmungenoder andere Wirkungen handelt,die sichder Überprüfung im Tierversuch weit-gehend oder gar vollständig entziehen.

Kontrollierte Wirkungsstudien

Anfang der 80er Jahre wurden vonMølhave et al. [19] Probanden in großenVersuchskammern unter kontrolliertenBedingungen gegenüber verschiedenenGesamtkonzentrationen des in Tabelle 2verzeichneten Gemisches von 22 VOCexponiert. Die Zusammensetzung desVOC-Gemisches war auf der Grundlagevon Untersuchungen der Emissionenaus Baumaterialien und der Luft in däni-schen Häusern Ende der 70er Jahre ge-wählt worden. Einschränkend wurdefestgelegt, daß das Gemisch aus ethi-schen Gründen keine kanzerogenen Ver-bindungen enthalten durfte. Das in Ta-belle 2 aufgeführte Gemisch wurde beiden Versuchen in einer Gesamtkonzen-tration von 25 und 5 mg/m3 eingesetzt.Zusätzlich wurde eine Versuchsserie mit0 mg/m3 durchgeführt. Bei allen Versu-chen wurden die Probanden über 2,75Stunden hinweg exponiert, Temperaturund relative Feuchte wurden auf 23°Cbzw. 23% eingestellt. Die Untersuchungwar als Doppelblindstudie angelegt. Un-tersucht wurden 62 Personen (davon et-wa zwei Drittel Frauen), die über Be-schwerden beim Aufenthalt in Innen-räumen geklagt hatten, ohne daß er-kennbare medizinische Gründe hierfürvorgelegen hätten (z.B. keine Bronchitis,kein Asthma). Die Probanden hatten einmittleres Alter von 38 Jahren und warensomatisch und psychiatrisch unauffäl-lig. Sie hatten während der ExpositionFragen über subjektive Wahrnehmun-

wie Augen- und Rachenreizungen nah-men gegen Ende der Expositionsperiodezu. Etwa 75% der Probanden gaben einBedürfnis nach stärkerer Lüftung an. Beidem Studienteil, der sich mit der Erfas-sung von Reizerscheinungen befaßte[22], wurde auch die Zahl der Neutro-philen in der Nasallavageflüssigkeit un-tersucht. Für diejenigen der neun Pro-banden (von 14 insgesamt), die vor derVOC-Exposition keine offensichtlich an-derweitig bedingten Entzündungszei-chen aufwiesen, d.h. vor Versuchsbeginneine niedrige Zahl von Neutrophilen inder Nasallavageflüssigkeit hatten, stiegdie Neutrophilenzahl unmittelbar nachder Exposition etwa auf das Fünffache,nach 18 h etwa auf das 20fache an.

Die Unterschiede in den Reaktionenvon 21 Gesunden und 14 Personen, dieunter SBS-Symptomen litten, wurdenmit dem gleichen VOC-Gemisch bei ei-ner Gesamtkonzentration von 25 mg/m3

gen zu beantworten und wurden einemLeistungs- und Konzentrationstest un-terzogen.

Die Versuche von Mølhave et al. [19]wurden in den USA wiederholt, um dieBefunde zu überprüfen [20–22]. Dabeiwurde mit dem gleichen VOC-Gemischgearbeitet – allerdings nur bei einerTVOC-Konzentration von 25 mg/m3 –,und es wurden nur männliche Proban-den (n=16; 18–50 Jahre) ohne Neigungzu Beschwerden untersucht. In verschie-denen Versuchsreihen wurden mentaleLeistungstests durchgeführt. Fernerwurde das Auftreten verschiedenerSymptome abgefragt, wie sie u.a. typischfür das „sick building“-Syndrom (SBS)sind (vgl. [23]).

Gegenüber den Kontrollversuchenänderte sich unter Expositionsbedin-gungen die Testleistung nicht, die Pro-banden klagten aber vor allem überstärkere Ermüdung. Kopfschmerzen so-

Tabelle 2

Zusammensetzung des von Mølhave et al. [19] verwendeten VOC-Gemisches

Nr. Verbindung Konzentrations-anteil im Gemisch

1 p-Xylol 10

2 n-Butylacetat 10

3 n-Hexan 1

4 n-Nonan 1

5 n-Decan 1

6 1-Decen 1

7 Ethylbenzol 1

8 alpha-Pinen 1

9 1,1-Dichlorethan 1

10 Ethoxyethylacetat 1

11 n-Hexanal 1

12 n-Butanol 1

13 n-Undecan 0,1

14 n-Propylbenzol 0,1

15 1,2,5-Trimethylbenzol 0,1

16 Cyclohexan 0,1

17 2-Butanon 0,1

18 3-Methyl-2-butanon0,1

19 5-Methyl-2-pentanon 0,1

20 n-Pentanal 0,1

21 Isopropanol 0,1

22 1-Octen 0,01

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untersucht [24]. Beide Gruppen gabenim Vergleich zu der Situation bei reinerLuft Geruchswahrnehmungen, den Ein-druck schlechter Luftqualität und ver-stärkt Schleimhautreizungen an Auge,Rachen und Nase an. Bei den an SBS-Symptomen leidenden Probanden warendie Effekte stärker ausgeprägt. In dieserGruppe führte die Exposition auch zu ei-ner Reduzierung der Lungenfunktions-werte. Beide Gruppen wiesen eine Erhö-hung der polymorphkernigen Leukozy-ten in der Tränenflüssigkeit, nicht aberim Nasensekret, auf. In weiteren Versu-chen – ebenfalls mit dem Gemisch der 22VOC – untersuchten Kjærgaard et al. [25]die Reaktion von 18 Patienten mit Heu-schnupfen und 18 Kontrollen bei 20mg/m3 und einer Expositionsdauer vonfünf Stunden. Die Heuschnupfen-Pro-banden berichteten über stärkere Effek-te (mehr Reizwirkungen, mehr Kopf-schmerzen, usw.). Objektiv konntendurch Messungen u.a. verstärkte Effekteam Auge festgestellt werden.

Mølhave et al. [26] verwendeten dasgleiche VOC-Gemisch mit dem Ziel, eineBeziehung zwischen Expositionskon-zentration und beobachteter Wirkungzu ermitteln. Untersucht wurden 25 ge-sunde Probanden, die sich etwa gleich-mäßig auf vier Altersgruppen zwischen16 und 65 Jahren verteilten, mit je etwader Hälfte Männer und Frauen bzw.Raucher und Nichtraucher. Die experi-mentell eingestellten Konzentrationenbetrugen 0, 1, 3, 8 und 25 mg/m3, expo-niert wurde über 50 Minuten.

Geruchswahrnehmungen traten –offensichtlich als Folge von Adsorpti-ons- und Desorptionseffekten an denKammerwänden – auch bei den Nulluft-experimenten auf, jedoch wurde ab ei-ner Konzentration von 3 mg/m3 einedeutliche Zunahme beobachtet. Dies er-klärt sich wahrscheinlich durch die un-terhalb von 3 mg/m3 liegenden Geruchs-schwellen von p-Xylol und n-Butylace-tat, die zusammen rund zwei Drittel desGemisches ausmachten. Ab 8 mg/m3

wurde der Geruch als unangenehmempfunden und verstärkte Lüftung ver-langt. Schleimhautreizungen, vor alleman Auge und Nase, traten ebenfalls ab 8mg/m3 signifikant häufiger gegenüberdem Nulluftexperiment auf.

Bei Felduntersuchungen beobachtete Wirkungen

Anders als dies beispielsweise für NO2der Fall ist, wurden bislang kaum epide-miologische Studien allein zur Erfas-sung der Wirkung von VOC durchge-führt. Der Anlaß für die meisten Studi-en, bei denen dann auch VOC gemessenwurden, war vielmehr der Wunsch nachAufklärung von SBS-Beschwerden, de-ren Genese lange Zeit zu einem erhebli-chen Maße auf die Gegenwart von che-mischen Innenraumluftverunreinigun-gen, vor allem von VOC, zurückgeführtwurde. Leider ist aber aus den Ergebnis-sen der inzwischen in recht großer Zahlvorliegenden SBS-Studien,bei denen ne-ben Wirkungsparametern oder be-stimmten Beschwerdebildern auch VOCerfaßt wurden, derzeit keine klare Aus-sage über die tatsächliche Wirkung vonVOC-Gemischen, charakterisiert durchdie TVOC-Konzentration, ableitbar.

Während in einigen Studien positi-ve Zusammenhänge zwischen Sympto-men und TVOC-Konzentrationen fest-gestellt wurden [27–30], konnten solcheZusammenhänge in anderen Studien[31–33] nicht gefunden werden. In eini-gen Untersuchungen wurde sogar eineVerringerung der Symptomhäufigkeitmit zunehmender TVOC-Konzentrationbeobachtet [34–37].

Wie bereits oben angedeutet, ist esunklar, ob (und ggf. in welchem Um-fang) die Widersprüchlichkeit dieser Er-gebnisse mit der unterschiedlichen Artder Ermittlung der TVOC-Konzentrati-on in den verschiedenen Studien bzw.mit der jeweiligen Zusammensetzungdes VOC-Gemisches zu erklären ist. Esgibt jedoch gute Gründe für die Annah-me, daß für die überwiegende Zahl derin der Praxis vorkommenden VOC-Ge-mische die Wahrscheinlichkeit des Auf-tretens von Beschwerden mit steigenderTVOC-Konzentration zunimmt. Ebensodürfte anzunehmen sein, daß die Effek-te von Substanzgemischen unterschied-licher Zusammensetzung selbst bei glei-cher TVOC-Konzentration unterschied-lich stark sind. Allerdings hat sich beimVergleich verschiedener größerer Studi-en über das Vorkommen von VOC in derInnenraumluft gezeigt, daß sogar zwi-

schen verschiedenen Ländern im Mitteleine recht große Ähnlichkeit im VOC-Grundmuster besteht [9].

Bewertung

Bei der Entwicklung des Basisschemaszur Ableitung von Richtwerten für dieInnenraumluft [2] war ausdrücklich be-tont worden,daß das Schema primär fürdie gesundheitliche Bewertung von Ein-zelsubstanzen entwickelt wurde. In derTat basieren die aus der Toxikologie ver-fügbaren Erkenntnisse in den meistenFällen auf Einzelstoffbetrachtungen, danur selten Wissen über Wechsel- undKombinationswirkungen von Substan-zen verfügbar ist.Wenn überhaupt kon-krete Kenntnisse hierzu vorliegen, dannbeschränken sie sich auf Gemische vonzwei oder drei Stoffen. Üblicherweisekann bei Stoffen einer gleichen Verbin-dungsklasse eine Ähnlichkeit der Wir-kung angenommen und deshalb in derRegel von einer additiven Wirkung aus-gegangen werden. Bei diesem Ansatzsoll dann in Analogie zu dem für denArbeitsplatzbereich in der TRGS 403[38] angegebenen Verfahren die Summeder Quotienten aus aktueller Konzen-tration des Einzelstoffes und dem fürihn gültigen Richtwert den Wert 1 nichtüberschreiten [2]. In der TRGS 403 wirddazu ausgeführt:„Grenzwerte für Stoff-gemische in der Luft am Arbeitsplatzlassen sich derzeit in der Regel wissen-schaftlich nicht begründen“. Da aber fürdie zu treffenden sicherheitstechni-schen Maßnahmen eine Orientierungs-hilfe benötigt werde, „bedarf es einespragmatischen und allgemein anwend-baren Bewertungskonzeptes“.

Seit langem wird immer wieder dieUntersuchung von synergistischen Ef-fekten gefordert, jedoch ist bekannt,daßhier wegen der Vielzahl der möglichenStoffkombinationen grundsätzlicheProbleme bestehen, so daß über das Zu-sammenwirken von mehreren (ge-schweige denn von einer größeren Zahlvon) Luftverunreinigungen nur sehr ge-ringe Kenntnisse vorliegen. Die im Ka-pitel „Exposition“ dargestellten Unter-suchungen geben aber Hinweise darauf,daß besonders im Innenraumbereichdie gleichzeitige Gegenwart verschiede-

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den im Umwelt-Survey 1985/86 für VOCin etwa 500 westdeutschen Wohnräu-men gefundenen durchschnittlichenKonzentrationen [13, 14] und wurde zu-sammengesetzt aus den Beiträgen ver-schiedener Untergruppen von VOC (vgl.Tabelle 3). Als Randbedingung wurdeangegeben, daß keine einzelne Verbin-dung in einer Klasse, also z.B. Toluol beiden Aromaten, Limonen bei den Terpe-nen oder Butylacetat bei den Estern,mehr als die Hälfte der ihrer jeweiligenKlasse zugewiesenen Konzentrationbzw. 10% der TVOC-Konzentrationüberschreiten sollte. Es sei an dieserStelle darauf hingewiesen, daß sich dasVOC-Spektrum in der Innenraumluftzwischenzeitlich durch das Auftretenfrüher nicht beobachteter Verbindungen(z.B. Glykolether und Aldehyde) und diedeutliche Verringerung der Konzentra-tionen einiger Verbindungen (z.B. Halo-genkohlenwasserstoffe) so veränderthat,daß die in Tabelle 3 angegebenen an-teiligen Konzentrationen bei der heuti-gen Situation nicht mehr herangezogenwerden sollten. Der von Seifert [43] an-gegebene TVOC-Wert wurde wenigerzur direkten gesundheitlichen Bewer-tung einer angetroffenen Situation, son-dern vielmehr als Zielgröße konzipiert.Seine wesentliche Bedeutung liegt dar-in, daß durch ihn die durchschnittliche

ner Luftverunreinigungen eine der Ur-sachen für das Auftreten von akuten Be-schwerden sein kann. In diesem Zusam-menhang sei erwähnt, daß neuere For-schungsergebnisse [39, 40] darauf hin-deuten, daß unter bestimmten Bedin-gungen chemische Reaktionen in der In-nenraumluft ablaufen können, die zurBildung bislang routinemäßig nurschwer oder gar nicht erfaßbarer, mögli-cherweise wirkungsmäßig aber relevan-ter Komponenten führen können.Wennauch eine klare Dosis-Wirkungsbezie-hung zwischen der Gesamtkonzentrati-on an VOC und gesundheitlichen Be-schwerden bislang nicht nachgewiesenwerden konnte, so ist doch anzuneh-men,daß mit steigender TVOC-Konzen-tration die Wahrscheinlichkeit für dasAuftreten solcher Beschwerden zu-nimmt [1].

Bestehende Regelungen und Empfehlungen

Für den Bereich des Arbeitsplatzes hatdie DFG-Senatskommission zur Prü-fung gesundheitsschädlicher Arbeits-stoffe („MAK-Kommission“) keine Wer-te für Gemische definiert, da der MAK-Wert „in der Regel für die Exposition desreinen Stoffes“ gilt und „nicht ohne wei-teres für einen Bestandteil eines Gemi-sches in der Luft am Arbeitsplatz ... an-

wendbar (ist) ... MAK-Werte für Gemi-sche mehrerer Arbeitsstoffe können we-gen der in der Regel sehr unterschiedli-chen Wirkungskriterien der einzelnenKomponenten mit einfachen Rechenan-sätzen nicht befriedigend ermittelt wer-den; sie können z.Z. nur durch spezielle,d.h.auf die betreffenden Stoffe abgestell-te Erwägungen oder Untersuchungenabgeschätzt bzw. angesetzt werden.“[41]. Trotz dieser Feststellung wurde –um eine Bewertung von Arbeitsplätzenzu ermöglichen, an denen Personenkomplexen Stoffgemischen ausgesetztsind – in der TRGS 403 [38] ein Verfah-ren zur Bewertung von Stoffgemischenangegeben, das bereits im vorletzten Ab-satz kurz angesprochen wurde. In derTRGS 901 [42] findet sich u.a. ein spezi-ell auf die Bewertung von Kohlenwas-serstoffdämpfen in der Luft am Arbeits-platz ausgerichtetes Verfahren, bei dem– anders als dies nach TRGS 403 ge-schieht – auch Einzelstoffe ohne MAK-Wert berücksichtigt werden.

Speziell für die Innenraumluft wur-de von Seifert [43] ein TVOC-Wert von300 µg/m3 (entsprechend 0,3 mg/m3)vorgeschlagen, der nicht mit toxikologi-

schen Erkenntnissen begründet wurde.Dieser Wert, der in der Praxis in oft un-kritischer Weise für Bewertungszweckeherangezogen wird,wurde abgeleitet aus

Tabelle 3

Anteile einzelner chemischer Klassen an einer TVOC-Konzentrati-on von 0,3 mg/m3, nach Seifert [43](Erläuterungen s. Text)

Verbindungsklasse Anteilige Konzentration (mg/m3)

Alkane 0,1Aromaten 0,05Terpene 0,03Chlorkohlenwasser- 0,03stoffeEster 0,02Aldehyde und Ketone 0,02(außer Formaldehyd)Andere 0,05

Tabelle 4

Vorläufige „Konzentrations-Wirkungs-Beziehung“ für Beeinträchtigungen durch Exposition gegenüber VOC;nach [44]

TVOC-Konzentration Wirkung(mg/m3)

<0,20 • Keine Reizung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens

0,20–3,0 • Reizung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens möglich, wenn Wechselwirkung mit anderen Expositionsparametern gegeben ist

3,0–25 • Exposition führt zu einer Wirkung, Kopfschmerzen möglich, wenn Wechselwirkung mit anderen Expositionsparametern gegeben ist

>25 • Kopfschmerzen.Weitere neurotoxische Wirkungen außer Kopfschmerzen möglich

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Empfehlungen

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(und offensichtlich erreichbare) TVOC-Konzentration definiert wird, derenÜberschreitung einen Hinweis auf dasVorhandensein zusätzlicher Quellen imInnenraum gibt. Er eignet sich damit alsOrientierungsmarke für andere Rege-lungsbereiche,so z.B. für die Begrenzungvon Emissionen aus Bauprodukten.

Aus der Einschätzung der vorhan-denen Informationen, die vor allem ausden Ergebnissen der bereits im Ab-schnitt „Kontrollierte Wirkungsstudien“erwähnten Arbeiten stammen, wurdevon Mølhave [44] eine „Konzentrations-Wirkungs-Beziehung“ für Beeinträchti-gungen durch VOC in der Innenraum-luft aufgestellt, die in Tabelle 4 wieder-gegeben ist.Sie beruht hauptsächlich aufder Betrachtung von Reizwirkungenund Geruchswahrnehmungen.

Bewertung von TVOC-Konzentrationen

Aus kontrollierten Wirkungsstudien mitVOC-Gemischen definierter Zusam-mensetzung und Gesamtkonzentratio-nen im Bereich von mehreren Milli-gramm pro Kubikmeter und darüberkann geschlossen werden,daß die Wahr-scheinlichkeit für das Auftreten vonReizwirkungen und Geruchswahrneh-mungen mit steigender Gesamtkonzen-tration des Gemisches, ausgedrückt alsTVOC-Konzentration, zunimmt.Wegender Variabilität der Zusammensetzungdes VOC-Spektrums und der daraus re-sultierenden Vielfalt möglicher Wir-kungsendpunkte lassen sich keine abge-sicherten Dosis-Wirkungs-Beziehungenangeben. TVOC-Konzentrationen eig-nen sich daher nicht als alleiniges Krite-rium für eine gesundheitliche Bewer-tung, sondern sind vielmehr als Indika-tor für die Gesamtsituation und dieeventuelle Notwendigkeit gezielter Ein-zelstoffbetrachtungen anzusehen. ZurBeurteilung der Innenraumluftqualitäthinsichtlich der vorhandenen VOC, vorallem im Hinblick auf die Vermeidungvon Reiz- und Geruchswahrnehmun-gen, sollen die folgenden Aspekte zu-grunde gelegt werden.

Angesichts der in Laborexperimen-ten [26] bei bestimmten VOC-Gemi-schen ab 8 mg/m3 beobachteten Reizun-

gen an Auge und Nase (vgl. Abschnitt„Kontrollierte Wirkungsstudien“) sowieder ab 25 mg/m3 zusätzlich möglichenEntzündungsreaktionen und Einschrän-kungen der Lungenfunktion ist ein Auf-enthalt in Räumen mit TVOC-Konzen-trationen zwischen 10 und 25 mg/m3 al-lenfalls vorübergehend täglich zumut-bar. Derartige Konzentrationen könnenim Falle von Renovierungen vorkom-men. Wenn sich eine Nutzung der Räu-me in dieser Zeit nicht vermeiden läßt,muß durch intensive Lüftung dafür ge-sorgt werden, daß die Konzentrationenwährend und nach Abschluß der Arbei-ten herabgesetzt werden.Erstrebenswertist es aber in jedem Fall, den Zeitpunktder Renovierung so zu wählen, daß einegenügend lange Zeitspanne zwischenden Arbeiten und dem Wiederbezugverstreichen kann. Wegen der unter-schiedlichen Randbedingungen in denverschiedenen Räumen läßt sich für diehierfür notwendige Zeit kein verbindli-cher Wert angeben, jedoch kann nachvorliegenden Erfahrungen damit ge-rechnet werden, daß z.B. bei Malerarbei-ten,ausreichende Lüftung vorausgesetzt,eine Zeitspanne von ein bis zwei Wo-chen ausreicht.

In Räumen, die für einen längerfri-stigen Aufenthalt bestimmt sind, sollteauf Dauer ein TVOC-Wert im Bereichvon 1 bis 3 mg/m3 nicht überschrittenwerden. Erfahrungsgemäß ist davonauszugehen, daß derartige TVOC-Kon-zentrationen durch eine beschränkteZahl von chemischen Stoffen oder Stoff-klassen bedingt sind. Daher ist dasÜberschreiten dieses Bereiches als Hin-weis dafür aufzufassen, daß eine Einzel-stoffbetrachtung durchgeführt werdensollte. Ziel sollte es sein, in Innenräumenim langzeitigen Mittel eine TVOC-Kon-zentration von 0,2 bis 0,3 mg/m3 zu er-reichen bzw. nach Möglichkeit sogar zuunterschreiten (dabei ist auch zu beden-ken, daß die beim Lüften einströmendeAußenluft eine mehr oder weniger hoheGrundbelastung aufweist,die durch Ent-fernen von Quellen im Innenraum nichtbeeinflußbar ist). Angesichts einer fürVOC-Gemische nicht stringent belegba-ren Beziehung zwischen Konzentrationund Wirkung (vgl.Tabelle 4) kann dieserBereich als hygienischer Vorsorgebereich

verstanden werden.Das unter Beachtungder Verhältnismäßigkeit zu forderndeMinimierungsgebot für kanzerogeneStoffe bleibt davon jedoch unberührt.

Die Angabe von Konzentrationsbe-reichen trägt nicht nur den begrenztenErkenntnissen über die Wirkungen vonVOC-Gemischen Rechnung, sondernberücksichtigt auch analytisch beding-te Unsicherheiten und die Schwankun-gen, die durch die Probenahme bedingtsind1. Es ist daher keinesfalls sinnvoll,die Ergebnisse der Ermittlung vonTVOC-Konzentrationen starr mit denoben angegebenen TVOC-Werteberei-chen zu vergleichen, insbesondere denZielwert streng als Sanierungsleitwertzu verwenden, da die Höhe der gemes-senen TVOC-Konzentration nur eineAussage über die Wahrscheinlichkeit ei-nes Zusammenhanges zwischen VOC-Exposition und geäußerten Beschwer-den ermöglicht. Je höher die TVOC-Konzentration, desto höher ist dieseWahrscheinlichkeit und desto wichtigerist es, die Art und Konzentration vonEinzelverbindungen zu ermitteln, um soein aus Einzelverbindungen möglicher-weise resultierendes Gefährdungspoten-tial abschätzen zu können. Kenntnisseüber Einzelverbindungen und eventuellsogar über Substanzprofile sind auchwichtig, um Quellen identifizieren undgegebenenfalls beseitigen zu können.

Um die Anbindung der Werte an die-selbe analytische Vorgehensweise zu er-reichen und damit eine möglichst weit-gehende Vereinheitlichung bei der Er-mittlung von TVOC-Konzentrationen zuerzielen,sollte nach der im Anhang ange-gebenen Methode verfahren werden.

Danksagung

Ich danke den Mitgliedern der ad-hoc-Ar-beitsgruppe IRK/AOLG für konstruktiveHinweise und Diskussionen.

1Informationen über eine geeignete Probenahmestrategie bei Innenraumluft-untersuchungen sind den verschiedenenBlättern der VDI-Richtlinienreihe 4300zu entnehmen [45]

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◗ Unter Verwendung der jeweiligen Re-sponsefaktoren werden mind. die inTabelle 5 angegebenen VOC quantifi-ziert. Falls die Verbindungen mit den10 höchsten Peaks im Gaschromato-gramm sich nicht darunter befinden,so sind diese ebenfalls zu quantifizie-ren. Es wird die Summe der identifi-zierten Verbindungen berechnet (Sid)und in mg/m3 angegeben.

◗ Durch den Ansprechfaktors für Tolu-ol wird die als Sun (mg/m3) bezeich-nete Konzentration der nicht indivi-duell identifizierten („unidentified“)VOC ermittelt.

◗ Die Summe Sid+Sun wird als TVOC-Konzentration angegeben.

◗ Damit die Angabe einer TVOC-Kon-zentration sinnvoll ist, soll Sid zweiDrittel der Summe Sid+Sun ausma-chen.Diese Bedingung kann entfallen,wenn die Summe unter 1 mg/m3 liegt.

Es sei ergänzend darauf verwiesen, daßin einem solchermaßen ermitteltenTVOC-Konzentrationswert nicht alle inder Raumluft befindlichen VOC erfaßtsind.Insbesondere niedermolekulare Al-dehyde, Amine und stark polare VOCsind mit den zur Zeit für die gaschroma-tographische Bestimmung von VOC inLuft üblichen Verfahren nur bedingt ana-lysierbar und müssen unter Verwendunggeeigneter Verfahren gesondert be-stimmt werden.

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Empfehlungen

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Anhang

Vorgehensweise zur gaschro-matographischen Ermittlung von TVOC-Konzentrationen

Die Ergebnisse einer mit gaschromato-graphischer Trennung der VOC durch-geführten Messung werden am vollstän-digsten in Form der Konzentrationender einzelnen Verbindungen angegeben.Da davon auszugehen ist, daß nicht alleder im Chromatogramm getrenntenVerbindungen identifiziert und quanti-fiziert werden können, soll die TVOC-Konzentration wie folgt ermittelt wer-den (vgl. [1]):

◗ Arbeit mit Tenax TA als Adsorptions-mittel und thermischer Desorption.

◗ Zur Trennung wird eine desaktivierteunpolare Säule benutzt, mit der fürToluol und 2-Butoxyethanol eineNachweisgrenze von 0,5 bzw. 2,5µg/m3 erreicht wird.

◗ Es werden die im Chromatogrammzwischen n-Hexan und n-Hexadecanauftretenden Verbindungen betrach-tet.

Hinweis

Zur schnellen Messung von VOC-Konzentration werden in der Praxis auch Geräte eingesetzt, die ohneeine gaschromatographische Trennung der einzelnen Verbindungen arbeiten. Dabei werden neben denVOC teilweise auch die in der Raumluft vorhandenen VVOC und SVOC erfaßt.Derartige Geräte arbeitenmit verschiedenen Detektoren, z.B.mit einem Flammenionisationsdetektor (FID), einem Photoionisati-onsdetektor (PID) oder einem photoakustischen Sensor (PAS). Obwohl die einzelnen Verbindungen einteilweise extrem unterschiedliches Ansprechverhalten im Detektor zeigen, wird im allgemeinen nur miteiner Verbindung kalibriert.Die von Hodgson [12] mitgeteilten Versuchsergebnisse zeigen, daß die miteinem solchen Gerät erhaltenen Meßwerte deutlich von den mit klassischen Trennverfahren erhaltenenabweichen können. So ergaben sich z.B.bei Verwendung eines PAS als Detektor Unterschiede um Faktoren bis zu 4–5, wobei die höheren Werte mit dem PAS gemessen wurden.

Aus diesem Grunde sollten solche Geräte nicht für die Ermittlung von TVOC-Konzentrationen eingesetztwerden, wenn diese anschließend mit dem TVOC-Wert verglichen werden sollen. Die mit den Gerätenerhaltenen Ergebnisse können nur im Sinne einer groben Übersichtsanalyse verwendet werden undsollten zur Vermeidung von Fehlinterpretationen entsprechend gekennzeichnet sein, so z.B.als TVOC-FID,TVOCPID oder TVOCPAS, und nur in Verbindung mit der Art der Kalibrierung des Gerätes angegebenwerden.

Tabelle 5

Liste der zur Ermittlung der TVOC-Konzentration mindestens einzeln zu quantifizierenden Verbindungen

Verbindungsklasse Einzeln zu quantifizierende Verbindungen

Aromatische Benzol,Toluol, Ethylbenzol, m/p-Xylol, o-Xylol, n-Propylbenzol,Kohlenwasserstoffe 1,2,4-Trimethyl-benzol, 1,3,5-Trimethylbenzol, 2-Ethyltoluol,

Styrol, Naphthalin, 4-Phenylcyclohexen

Aliphatische n-Hexan, n-Heptan, n-Octan, n-Nonan, n-Decan, n-Undecan,Kohlenwasserstoffe n-Dodecan, n-Tridecan, n-Tetradecan, n-Pentadecan, n-Hexadecan,

2-Methylpentan, 3-Methylpentan, 1-Octen, 1-Decen

Cycloalkane Methylcyclopentan, Cyclohexan, Methylcyclohexan

Terpene 3-Caren, alpha-Pinen, beta-Pinen, Limonen

Alkohole 2-Propanol, 1-Butanol, 2-Ethyl-1-hexanol

Glykole/Glykolether 2-Methoxyethanol, 2-Ethoxyethanol, 2-Butoxyethanol,1-Methoxy-2-propanol, 2-Butoxyethoxyethanol

Aldehyde Butanal, Pentanal, Hexanal, Nonanal, Benzaldehyd

Ketone Methylethylketon, Methylisobutylketon, Cyclohexanon, Acetophenon

Chlorkohlen- Trichlorethen,Tetrachlorethen, 1,1,1-Trichlorethan, 1,4-Dichlorobenzolwasserstoffe

Ester Ethylacetat, Butylacetat, Isopropylacetat, 2-Ethoxyethylacetat,TXIB (Texanolisobutyrat)

Säuren Hexansäure

Andere 2-Pentylfuran,Tetrahydrofuran