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Auf der Schneide: Messer Seite 3 Auf der Höhe: Surround-Sound Seite 4 Auf der Wanderung: Hongkong Seite 5 Auf der Erde: Sternenkunst Seite 6Auf der Suche: Kryptozoologen Seite 2
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aussprechen, ausgeben, aufdrehen, abhebenFINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND F R E I TA G , 2 8 . S E P T E M B E R 2 0 0 7
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Vor genau 25 Jahren wurde
Helmut Kohl als Bundeskanzler
vereidigt. Es folgte eine Ära voll
historischer Momente, in denen
der Kanzler der Einheit stets
perfekt gekleidet war. Das
Vermächtnis einer Stilikone
VON BIANCA LANG
Aus dem Fotoalbumder Geschichte:
Helmut Kohl mitBrille, Cut, Winter-mantel, Strickjacke
und Polohemd
Kohls Weitsicht: Die BrilleGroße Männer mit Augendefekten trugen einst großeBrillen. Theodor W. Adorno, Aristoteles Onassis oder Rai-ner Werner Fassbinder sahen durch sie die Welt, und dieWelt sah sie. Auch Helmut Kohl blickte als Ministerpräsi-dent durch einen markanten Hingucker, damals jedochhauptsächlich auf sein Heimatland Rheinland-Pfalz. Di-cke Gläser schärften seine Sicht, Bügel und oberer Rah-men entsprachen der Farbe seiner Partei, der untere Bril-lenrand setzte auf Transparenz. Ein Modell mit Aussage;wenn man so will: eine Charakterbrille, die den Blick vonaußen auf seine Augen lenkte und nicht auf den höherrutschenden Haaransatz oder das zunehmende Doppel-kinn. Diese Sehhilfe ermöglichte dem weitsichtigen Kohl1970 auch eine ungetrübte Aussicht auf den nahen Na-cken seines Pfälzer Landsmanns, des Fußballhelden FritzWalter – und damit eine fehlerfreie Performance beimBinden des Bundesverdienstkreuzes.
Anders als die folgenden konturlosen KassenmodelleKohls war jene Massivbrille auch ein Stück Zeitgeschich-te. Denn schon bald darauf wurden die Gläser allgemeindünner, Kohl insgesamt dicker. Im Wandel der Zeitenwechselte er häufig das Modell, zum Ende seiner 16-jähri-
gen Amtszeit als Kanzler präsen-tierte er sich sogar mal ohne Brille auf Wahl-
plakaten, und auch heute sieht man ihn immer öfterohne. Schade eigentlich, denn Kontaktlinsen sind längstout. Moderne Stars wie Harry Potter tragen wieder Brille.Gerade große Gläser und Gestelle gehören heute zum fa-shionablen Lifestyle auch bei Männern, wie die Modeiko-nen Marc Jacobs oder der Musiker Jarvis Cocker bewei-sen. Der Ex-Frontmann der Band „Pulp“ trägt seine Brillesogar auf Konzertbühnen. Ministerpräsidentenbrille, original 70er-Jahre-Modell,circa 170 €, über www.zorn-optik.de
Kohls Gemütlichkeit: Das PolohemdDer moderne Staatschef gibt sich gern sportlich unddynamisch. Gewährt er Einblicke in seine Privatsphäre,sehen wir ihn in Badehose mit eingezogenem oder weg-retuschiertem Bauch über Seen rudern (Nicolas Sarkozy),auf dem Pferd im Holzfällerhemd (George W. Bush) odermit Angel und blankem, durchtrainiertem Oberkörper(Wladimir Putin). Kohl hatte solche Muskelspiele nichtnötig. Er brauchte keine Freizeitinszenierungen, zeigtesich stets authentisch: Ein Botschafter deutschtümelnderGemütlichkeit, der gern in Sandalen umherschlappte,drei Jahrzehnte lang am Wolfgangsee urlaubte und abge-sehen von einem Bad in dem ruhigen Gewässer keinenHang zu körperlichem Aktionismus verspürte. Dennochhatte er ein Händchen für sportiven Outdoor-Look, wiedas Polohemd von Löffler beweist – immerhin ein Her-steller für Premium-Sportswear. Das strahlende Gelbpasste zum sonnigen Gemüt, das der Altkanzler währendseiner Sommerferien in Sankt Gilgen, dem am Westendedes Wolfgangsees gelegenen Badeort, zur Schau trug. Dasjugendliche, atmungsaktive Textil stand für Beweglich-keit und Bequemlichkeit. Darin konnte sich der Kanzlergetrost zurücklehnen, entspannt auf dem Beifahrer-Sitz
des Traktors über die Kuhweiden schaukeln lassen, undwährend er scheinbar die schöne Landschaft des Salz-kammerguts genoss, den nächsten politischen Schlagplanen. Dabei den Fotografen zulächeln und wissen: Inder Ruhe liegt die Kraft. Sporthemd Kurzarm von Löffler, um 60 €, www.loeffler.at
Kohls Grandezza: Der MantelWas zieht man an, wenn man morgens aufwacht undweiß, dass man heute Geschichte schreibt? Der Schau-platz bietet wenig Spielraum: Wir sind in Verdun, schrei-ben das Jahr 1984, es ist kalt und regnet in Strömen. Dieeinzig richtige Antwort lautet: einen schwarzen Mantel!Schon Willy Brandt trug einen, als er in Warschau auf dieKnie fiel. Und genauso wählen François Mitterrand undHelmut Kohl den Klassiker, als sie sich am 68. Jahrestagder Schlacht von Verdun vor einem symbolischen Sargdie Hände reichen und mit dieser Geste zum Symbol fürdie deutsch-französische Freundschaft werden. Brüderim Geiste und in der Garderobe, aus deren Auftritt mehrHaltung und Stil spricht, als Worte es vermocht hätten –dank eines Kleidungsstücks, das in Silhouette und Aus-sage so gerade und unaufdringlich ist, dass es demMonumentalen der Situation gerecht wird.
Kohl, der auch aufgrund seiner nicht unproblema-tischen Figur den schwereren Part bei der Begegnung hat,hüllt sich wohlweislich nicht in ein Modell von der Stan-ge, sondern in einen vorteilhaften Kaschmirmantel, densein Schneider Volkmar Arnulf für ihn maßangefertigthat. So begegnet er dem Moment in bester Form und mitgrößtem Format. Herrenmantel von Maßschneiderei Volkmar Arnulf,Kurfürstendamm 46, Berlin, Tel. 030/883 92 02, Preis auf Anfrage
� Fortsetzung auf Seite 2
Kohls Gewissheit: Der CutawayDer Sekt steht schon kalt, als die Wahl fällt. Die sozial-liberale Koalition ist am Ende und der Vorsitzende derChristdemokraten ist sich seiner Sache sicher: Am 1. Ok-tober 1982 gegen 15 Uhr entscheidet sich das Parlamentgegen Helmut Schmidt und für Kohl als Kanzler. Deutsch-land sitzt gespannt vor dem Fernseher und wartet. Kohlmüsse sich umziehen, heißt es. Damals herrschen nochandere Sitten, einen Kleiderwechsel vorm ausharrendenVolk, das wagen heute nur noch Popstars. Bei Kohlkommt diese erste Amtshandlung einem Statementgleich, das nicht Eitelkeit, sondern Anstand vermittelte:Die Vereidigung wird zur Krönung des Regierungschefs,also unterwirft sich Kohl einem nahezu königlichen Pro-tokoll.
Nach dem Garderobenwechsel erscheint er wie auseinem Knigge für klassische Herrenmode entsprungen,im knielangen, anthrazitfarbenen Cut, den seinSchneider Volkmar Arnulf ihm mit Weitblick für diesenAnlass gefertigt hat. Und alles, was traditionell dazu-gehört, auch: gestreifte Hose, silbergraue Weste sowieKrawatte in der gleichen Farbe. Nur auf den Zylinderverzichtet er, eine Kopfbedeckung, die zwar beimPferderennen in Ascot Pflicht und bei großbürgerlichenoder adligen Hochzeiten Standard ist, aber bei einem Ge-löbnis dieser Größe und dazu noch vor Gott fehl amPlatze wäre.
Kohl wählt den feinen Zwirn auch als Ausdruck einerinneren Haltung gegen proletarischen Geschmacksnihi-lismus, für Tradition und Ehre, für Recht und Ordnungauch in Kleiderfragen. Der bourgeoise Gehrock wird seitviktorianischen Zeiten zu offiziellen feierlichen Anlässenam Tage getragen. Seinen modischen Höhepunkt erlebteer in Deutschland während der Weimarer Republik. Undso sieht der Moment, in dem Kohl seine Ernennungs-urkunde entgegennimmt, schon vor 25 Jahren aus wie fürdie Ewigkeit bestimmt. Kanzler-Cutaway von Maßschnei-derei Volkmar Arnulf,Kurfürstendamm 46, Ber-lin, Tel. 030/883 92 02, Preis auf Anfrage
Kohls Gelassenheit: Die StrickjackeNatürlich weiß heutzutage je-des Schulkind, wem der Fall derMauer und die Wiedervereinigungzu verdanken sind: der Strickjackevon Helmut Kohl. Es ist an einemSonntag im Juli vor 17 Jahren, als derKanzler in seinem favorisiertenKleidungsstück auf Michail Gorba-tschow im Strickpulli trifft. Zwei Rit-ter ohne Rüstung; wärmende Wollestatt kaltem Krieg. So machen sichdie beiden Staatschefs den Weg frei für die Wiedervereini-gung. Gemeinsam spazieren sie durch die kaukasischeNatur, demonstrieren Männerfreundschaft als verlässli-che Gefühlsbasis der Weltpolitik und bürgerliche Feier-abendmode als stilechte Arbeitskleidung. Weiße Hem-
den en dessous, wie Kohl sie stets unter seiner Strickjackezu tragen pflegt, komplettieren den saloppen, aberstaatsmännischen Auftritt.
Große Politik wird eben nicht immer im Anzug ge-macht. Und echte Größe beweist der, der sich was trautund dabei selbst treu bleibt. Darin war Kohl stets einMeister. Seine Strickjacke, die damals als filzpantoffeligund spießig verspottet wurde, zeugte von Charakter und
Chuzpe. Wenn er sie trug – auf Interkonti-nentalflügen, im Urlaub am Wolfgangsee
oder zum Aktenstudium vorm Aqua-rium in seinem Oggersheimer Arbeits-
zimmer – befreite er sich und seinenKörper von Zwängen. So gesehen
war die Strickjacke Avantgardeund Kohl – wenn auch unbeab-
sichtigt – ein Trendsetter. Mittlerweile hat die Strick-
jacke ihr miefiges Imageabgelegt, ebenso wie ih-ren Namen. Sie heißt
jetzt Cardigan, wird von Mode-marken wie Burberry oder Hermès pro-pagiert und von Sexsymbolen und Su-perstars wie Justin Timberlake oder Da-niel Craig zu offiziellen Anlässen getra-gen. Kohl hat sein blaues Modell mitt-lerweile ausgemustert, der schwäbische
Hersteller Bueckle wurde aufgekauft. Das berühmteStück in Konfektionsgröße 68 hängt im Haus der Ge-schichte in Bonn, gleich neben Gorbatschows Strickpulli. Herrencardigan von Bueckle Company, um 90 €, Im Brühl50, 74248 Lauffen/Neckar, Tel. 07133/10 80
Kohls Ehrenwort: Die AktentascheDa steht sie, zu seinen Füßen. Stoisch, riesig undverschlossen wie ihr Besitzer. Nicht nur die Mitglieder desUntersuchungsausschusses zur CDU-Parteispenden-affäre hätten an diesem Tag gern gewusst, ob ihr InhaltAntwort geben kann auf die Fragen, zu denen ihr Trägerbeharrlich schweigt.
Die Aktentasche von Helmut Kohl bot damals jedeMenge Raum für Spekulationen. Beheimatete sie all jeneUnterlagen aus Kohls Amtszeit, die später auf so unerklär-liche Weise verschwanden? Hätte sie aufklären könnenüber die heimlichen Spender, über Schwarz- undSchmiergelder? Hätte sie am Ende gar das Ansehen derdeutschen Politik retten können?
Beim Anblick der Aktentasche schienen die Wahrheitin greifbarer Nähe und der Fantasie keine Grenzen ge-setzt. Dass die Tasche tugendhaft und treu zu ihrem Ei-gentümer bis heute ihr Geheimnis nicht gelüftet hat,macht sie nur attraktiver. Sie war ein Mysterium, loyal bisins kleinste Seitenfach, dabei von großem Format, funk-tional und schmucklos im Design – das perfekte Acces-soire für einen Ehrenmann, für den ein Versprechenmehr zählt als das Gesetz. Mit dieser Politik retten heut-zutage Filmhelden wie Jack Bauer aus der US-amerikani-schen Serie „24“ regelmäßig die Welt – aber das nur amRande. Vom Verbleib der eleganten braunen Aktentascheist heute, über sieben Jahre später, leider nichts bekannt.Anders als Kohls artverwandtes Alltagsmodell in Schwarzsteht sie nicht im Deutschen Historischen Museum inBerlin. Ihr Verbleib ist ungeklärt. Sie wird uns wohl fürimmer ein Rätsel bleiben.Lederaktentasche, zum Beispiel von Assima, ab 100 €, www.assima.de
Die Aktentasche, die Kohl zum Partei-spenden-Untersuchungsausschuss mit-brachte, bot viel Raum für Spekulationen
Einheits-Kleidung� Fortsetzung von Seite 1
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F I N A N C I A L T I M E S D EU T S C H L A N D
EinschenkenDer Turm, HeidelbergEine Bar in Heidelberg, die sich Skylounge nennt? Klingt
zuerst etwas paradox, ist aber ernst gemeint. Die Bar in
der Touristenmetropole an der Mosel, nicht eben für
seine himmelhoch schießenden Häuser bekannt, prä-
sentiert sich gleich beim
Betreten unheidelber-
gisch abgehoben. Mit
einem Fahrstuhl. Oben
angekommen, erstreckt
sich die Bar mit Rund-
umverglasung über die
beiden oberen Stockwerke des modernen Quaderge-
bäudes. Loftig-transparent ist die Einrichtung: schlichte
Ledersessel, Milchglastische. Die Dekoration ist mini-
malistisch, nur der Barbereich lichtdurchflutet. Unter
der Woche schäumt Chillout-Musik den Hintergrund
auf, am Wochenende tanzt Heidelbergs Szenepublikum
zu Housebeats. Über die Grenzen der Stadt hinaus ist
die Lounge bekannt für ihre Cocktails. 130 Variationen
mixen die Barkeeper nach Rezept oder virtuos. Neben
gut gemachten Standards wie dem Cosmopolitan,
empfiehlt die Karte einen Honeymoon mit Gin, Apricot
Brandy und Grenadine. Die schönste Mischung aller-
dings offenbart der Blick. Von hier aus betrachtet,
verbinden sich Schlosskulisse und urbanes Nachtleben
zu einem wunderschönen Moment unter dem noch
unterschätzten Heidelberger Himmel. KERSTIN BUND
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SKYLOUNGE, DER TURM Alte Glockengießerei 9, 69115 Heidelberg, www.gastroturm.de
Die besten Bars der Welt präsentiert von
A N Z E I G E
„Ich forsche viel über den Tatzelwurm“
Nessie, Yeti und Wolper-
tinger: Michael Schneider
kennt sich aus mit Tieren,
die es in keinem Zoo gibt.
Als Kryptozoologe sucht er
nach Kreaturen, die bisher
nur im Märchen existieren
FTD Herr Schneider, wie wird man Kryp-tozoologe? Haben Sie als Kind zu vieleFantasyromane gelesen?Michael Schneider Eigentlich war ichChemielaborant in der Kosmetikin-dustrie. Aber ich habe mich schonimmer für Tiere interessiert und vorallem für die Mythen um Tiere. SeitMitte der 90er-Jahre bin ich sozusa-gen professioneller Kryptozoologe.
FTD Und seitdem jagen Sie nach Nessie?Schneider Nessie, Bigfoot und Yetisind so die Bekanntesten. Aber inder Alltagskryptozoologie spielensie kaum eine Rolle. Eigentlich gehtes darum, verborgene Tiere aufzu-spüren. Tiere, die zwar aus Legen-den und aus Sichtungen bekanntsind, aber zoologisch noch nicht er-fasst sind. Oder Tiere, die als aus-gestorben gelten, aber noch ir-gendwo überlebt haben könnten.Die müssen nicht unbedingt mons-termäßig groß sein, aber es mussHinweise geben, und bei denensetzt die Kryptozoologie dann an.
FTD Haben Sie denn ein Spezialgebiet?Schneider Ich forsche viel über denTatzelwurm und „El Chupacabra“.
FTD Von „El Chupacabra“ hat man tat-sächlich noch nicht so viel gehört.Schneider Das ist ein vampirartigesTier, das Ziegen und Hühnern dasBlut aussaugt. Der Chupacabra ist inSüdamerika und Mittelamerika sehrweit verbreitet. Wir haben in zehnJahren über 15 000 Meldungen be-kommen. Und 2005 hat der Vereinfür kryptozoologische Forschungendann eine Expedition nach Hondu-ras und Nicaragua gemacht.
FTD Wie sucht man ein Tier, dass mannur aus Legenden kennt?Schneider Erst einmal muss man alleschriftlichen Quellen sammeln undauswerten. Der Tatzelwurm wird jaschon im Mittelalter erwähnt. Meistwird er als eine Art große Eidechseohne Hinterbeine beschrieben. DieGrößenangaben schwanken zwi-schen 50 Zentimeter und 1,50 Meter.
FTD Und was machen Sie dann vor Ort?Schneider Wir arbeiten wie Krimino-logen, die einen Mordfall aufklären:Wir befragen Zeugen, die das Tiergesehen haben, und gehen die Ge-gend ab, um zu sehen, ob der Tat-zelwurm dort wirklich leben könnte.Ist der Boden dort weich genug,dass sich der Wurm Höhlen grabenkönnte? Oder ist alles fester Fels?
FTD Oder Wasser, wie bei Nessie ...Schneider Von Loch Ness halte ichnichts. Es ist ziemlich auffällig, dass
es erst ab 1930 Berichte von Nessiegibt. Danach sind viele Leute hinge-fahren in der Hoffnung, etwas zu se-hen, und haben aus einem sprin-genden Fisch ein Monster gemacht.
FTD Steckt denn hinter jedem Fabel-wesen ein normales Tier?Schneider Meistens gibt es eine natür-liche Erklärung. In England werdenzum Beispiel oft „Alien Big Cats“,also Wildkatzen wie Puma, Panther,Luchse, gesichtet. Obwohl die dortnie gelebt haben. Diese mysteriösenKatzen kann man historisch erklä-ren: In den 60er-Jahren war es inEuropa schick, Großkatzen alsHaustiere zu halten. Dann kam einVerbot, diese Tiere zu halten. Da ha-ben viele ihre Raubkatze freigelas-sen. Und wir haben es heute mitden Nachkommen zu tun.
FTD Und manchmal ist ein Märchenauch einfach nur ein Märchen?
Schneider Klar. Die meisten Fabel-wesen können gar nicht existieren.Der Drache zum Beispiel. Daskleinste Problem ist das Feuerspu-cken. Um wirklich fliegen zu kön-nen, müssten Drachen bestimmteBedingungen erfüllen – Knochenge-wicht, Flügelspanne, Muskulatur –,und nach allem, was wir wissen,wäre ein echter Drache zu schwer,um in die Luft zu kommen.
FTD Gibt es auch wissenschaftlicheErfolge der Kryptozoologie?Schneider Viele sogar! Jährlich werden300 bis 400 neue Arten entdeckt.Davon sind etwa 20 Prozent alleinauf kryptozoologische Arbeit zu-rückzuführen. Also Tiere, die schonmal irgendwo beschrieben wurdenund von Forschern entdeckt wer-den, die diesen Spuren nachgehen.
FTD Mit welchen Entdeckungen rechnenSie in nächster Zeit?Schneider Große neue Arten wird manvor allem im Meer finden. Zum Bei-spiel Haiarten wie den Megalodon,der eigentlich als ausgestorben gilt.Und aus Afrika und Australien wer-den ständig neue Funde gemeldet.Dort könnten durchaus noch Exem-plare des Beutelwolfs und des Beu-tellöwen leben.
INTERVIEW: FRANZISKA WALSER
Das will ich auch! Die Abenteuerlust von Tim CopeEchte Abenteuer gibt es heutzutage selten. Für den
Australier Tim Cope dagegen gehören Abenteuer
zum Alltag. Zuletzt zog er auf den Spuren von
Dschingis Khan durch Asien und Europa. Nach
einem 10 000 Kilometer langen Ritt durch
lebensfeindliche Landschaften kam er am vergange-
nen Samstag in Opusztaszer,
Ungarn, an. In der Abenteurer-
zunft galt Cope schon vor seiner
eurasischen Tour als Nachwuchs-
draufgänger mit Indiana-Jones-
Qualitäten. „Von dem werden wir
noch viel hören“, sagten die Kolle-
gen bereits nach seiner Fahrrad-
tour durch Russland und die Mon-
golei bis nach China. Jetzt wissen
wir, Cope ist ein Teufelskerl. Einer,
der die Hitze in der kasachischen
Wüste aushält und an manchem
Morgen in seinem Weblog nüchtern erzählt, wie er
beim Erwachen feststellen musste, dass sein Zelt
eingefroren war. Uns mag beruhigen, dass auch ein
Tim Cope mit alltäglichen Problemen zu kämpfen
hat: Während der Fahrt verließ ihn seine Freundin
und heiratete einen anderen. Sein Pferd und sein
Hund aber blieben ihm treu. Auch
sein Markenzeichen, der verwege-
ne Dschungelschlapphut in Beige.
Mit Sonnenkrempe und Schnü-
rung, die verhindert, dass ein
Sandsturm oder andere Widrig-
keiten Cope vom Cap trennen. Er
erinnert an die Unverwüstbarkeit
echter Abenteurer. An echte Kerle
wie Tim Cope. HELEN LIVINGSTONE
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Gut gemachtAusgeräuchert
Es ist kalt geworden. Und
keiner spürt die Kälte
mehr als das Grüppchen
Aussätziger, das sich in
freien Minuten zusam-
mendrängelt und eine
barzt. Hier, in den Hinter-
höfen der Gesellschaft,
prallen der eisige Wind der Intoleranz und gefallene
Temperaturen unangenehm scharf aufeinander.
Doch für kalte Raucherfinger naht Trost: der „Smo-
king Mitten“. Ein Rauchfäustling, der zwischen
Zeige- und Mittelfinger ein ringbefestigtes Loch hat,
in das eine Zigarette passt. So muss sich niemand
mehr die Fingerchen abfrieren, und stinken tut
auch nur noch der Handschuh. LENNART WEGNER
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Gut gemeintEingeäschertHinterhof oder her, passionierte Raucher bleiben
der Zigarette treu. Nicht aber, wenn es nach dem
Designer und Ex-Raucher Chi-ja Ling geht. Seinen
Aschenbecher, dessen Abmessungen denen einer
menschlichen Lunge ent-
sprechen (also bis zu 120
Kippen fasst), versteht er
als ideales Geschenk für
Nochraucher. Diese soll
der Ascher, unschuldsvoll
weiß und doch düster
dräuendes Menetekel,
nämlich stets daran erinnern, welch Schindluder sie
mit ihren Lungen treiben. Aber derlei überhebliches
Gutmenschentum mit Augenzwinkern hat nun
wirklich kein Raucher verdient. CHRISTIAN COHRS
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Director’s Cut
Gin-maki DasSashimimesser ausder Schmiede Mizuno inder Nähe von Osaka kostet circa5500 €, zu bestellen unterwww.tradeparadise.de
1778 Großes Hackmesser für feineSchnitte, von Friedrich Dick, ab440 €, zu bestellen unterwww.dick-messer.de
Katana MoulinSchinkenmesser, nachdem Solinger Dünnschliffgefertigt, von Robert Herder, ab 210 €, www.windmuehlenmesser.de
Nesmuk-Messer sind vonHand gemacht – bis hinzum Griff aus Büffelhorn
Messer fürs LebenSeit Kochen Breitensport ist, sind in Hobbyküchen auch gute
Messer zu finden: Von Hand geschliffen, die Klinge gefasst in
Walrosszahn – manche taugen sogar als Geldanlage
VON IRIS HOBLER UND ANNE ROSCHE
Vorsichtig hält Lars Scheidlerden kleinen grauen Rohlingeinige Minuten über dasFeuer. Dann setzt er den
Hammer an: Gleichmäßig landenseine Schläge auf dem glühendenGemisch aus Eisen und Stahl. Nacheiner dreiviertel Stunde konzentrier-ter Arbeit ist das Stück mit etwa vierZentimetern fast sechsmal so breitwie vorher. „Mein Ziel ist die perfekteKombination von großer Schärfe undElastizität“, erklärt der Messerma-cher aus dem niedersächsischenWunstorf. Seine in reiner Handarbeithergestellten Einzelstücke nennt er„Nesmuk“, abgeleitet von Nessmukmit doppeltem s: der Bezeichnungfür eine uralte Messerform mit brei-ter, leicht gebogener Klinge.
Wie bei Scheidler spielt die Tradi-tion bei den meisten Messermacherneine große Rolle. „Zwar haben sichdie Materialien im Laufe der Zeit ver-bessert, aber die Verfahren sindgleich geblieben“, erklärt Joe Poehler,Präsident der Deutschen Messerma-cher Gilde. Kein Verfahrenscompu-ter, keine Herstellungsanlage funk-tionieren so wie Erfahrung und Au-genmaß eines Messerschmieds.
Von den handwerklichen Aspektender Messerherstellung werden vor al-lem Männer zum Messer gelockt.Nicht nur ist der Beruf eine Männer-domäne, auch die Käufer der metal-lenen Handarbeit sind Herren. Siesuchen ein vollkommenes Werkzeug:Ein Messer, das sich in die Handschmiegt, durch Gemüse und Fleischgleitet und lange hält. Doch die An-ziehungskraft hat einen weiterenGrund. „Es gibt viele Sagen, die vonmystischen Schmieden und ihrenZauberkräften erzählen“, so Gisel-heid Herder, Inhaberin der RobertHerder GmbH in Solingen. „DieseAura des Geheimnisvollen ist für alleanziehend.“
Die berühmten Windmühlenmes-ser von Herder sind neben ihrerFunktionalität und magischen An-ziehungskraft auch optisch etwas Be-sonderes. Wie beispielsweise dasSchinkenmesser Katana Moulin,übersetzt Mühlenschwert. Es wirdam Ende des Herstellungsprozesses„blaugepließtet“. Dieser traditionelleFeinschliff verhindert das Rosten derKlinge und verleiht ihr einen leichtbläulichen Schimmer. Dem Griff da-runter schenken Messerliebhabergenauso viel Aufmerksamkeit wie derForm der Klinge oder der Schleifart.
Ob Kirsche, andalusischer Oliven-baum oder die arktische Birke, mitihrer besonderen Maserung – wie einMesser in der Hand liegt, ist eineFrage des Holzes. Lars Scheidler be-nutzt auf Wunsch seiner Kundenauch Material wie Walrosszahn oderBüffelhorn. Ein solches Messer kanndurchaus 8000 € kosten. „So etwasgehört in die Hände des anspruchs-vollen Hobbykochs, der die Zuberei-tung von Speisen bewusst zele-briert“, erklärt der Messermacher.Seine Nesmuks gelten unter den am-bitionierteren der unzähligenHobbyköche als Statussymbol, undsie taugen sogar zum Jagen. ZumBriefeöffnen, zum Angucken, zum
Zeigen und na-türlich zum Protzen.
„Die Nachfrage nach guten, be-sonderen Messern ist in den vergan-genen Jahren gestiegen“, bestätigtPetra Schleifer, Produktmanagerinder Friedrich Dick GmbH. Einer derexklusivsten Artikel des Herstellersist das Hackmesser „1778“, das mitseiner riesigen Klinge Gemüse infeinste Streifen zerteilt. Damit einsolches Meisterstück ein Leben langhält, braucht es Pflege. Kenner nut-zen klingenschonende Schneideun-terlagen aus Holz, reinigen die Mes-ser mit warmem Wasser von Hand,trocknen sie sorgfältig ab und lassensie regelmäßig schärfen.
Beinahe be-dürftig wie ein
Baby ist das Fischmes-ser „Honyaki A1“. Die Filetier-
klinge muss täglich eingeölt werden.Fährt sein Besitzer in den Urlaub,muss er es mitnehmen oder in Pflegegeben. Dafür hält das Fischmesserdes japanischen MeisterschmiedsKeijiro Doi ein Leben lang.
Bei den Messerkünstlern in Asienfinden die deutschen Hersteller ihreInspiration für neue Modelle: DasHackmesser beispielsweise ist einKlassiker mit chinesischen Wurzeln,das Katana Moulin ist der Form einesjapanischen Thunfischmessersnachempfunden. Gerade im Landder aufgehenden Sonne hat das Me-tier eine lange kunsthandwerklicheTradition. Giselheid Herder hat be-reits diverse Geschäftsreisen in dasLand unternommen, um ihre Kon-takte zu den dortigen Kollegen aufzu-bauen. „Inzwischen arbeiten wir seitacht Jahren mit japanischen Betrie-ben zusammen.“
Darunter ist auch Mizuno, eine derrenommiertesten Schmieden desLandes. Der Familienbetrieb stellt inseiner Werkstatt bei Osaka seit Gene-rationen Messer und Schwerter her.
Sogar der japanische Kaiser hat Mi-zuno schon für seine Küche beauf-tragt. Aber auch bei deutschen Lieb-habern kommen die „Hochos“, diehandgeschmiedeten Messer, an. Ei-nige davon sind echte Geldanlagen,deren Wert – bei der richtigen Pflegeund Handhabung – mit den Jahrensteigt. So etwa „Gin-maki“, ein Sashi-mimesser, das auf Bestellung gefer-tigt wird. Wegen seiner extremenSchärfe gehört es allerdings aus-schließlich in die erfahrenen Händevon Profis.
Aber wie scharf sind die Klingen ei-gentlich? Damit hat sich auch Mes-sermacher Lars Scheidler beschäf-tigt. Während ein normales Haus-haltsmesser auf 35 bis 40 Mikrometerkommt, haben japanische Messervier, viele sogar nur zwei Mikrometer.Perfektionist Lars Scheidler kannmithalten: Seine Nesmuk-Klingenerreichen Schärfen bis zu einem Mi-krometer – damit lässt sich ein Sei-dentuch in der Luft zerschneiden.
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N ESMU K-MESSER ab circa 1500 €, Lars Scheidler Schmiede GbR, Bestellun-gen im Internet unter www.messerkon-zept.de
TraumpartnerNein, es ist wirklich nichts!Das Problem mit der schlechten Laune ist ja nicht die
Laune selbst, sondern, dass wir sie nicht zugeben
wollen. Weil wir eigentlich wissen, dass kaum ein Grund
genügt, unsere Umwelt mit Griesgrämigkeit zu ver-
schmutzen, weil wir ahnen, dass der Schlechtgelaunte
nur nach Aufmunterung giert, leugnen wir auf Nachfra-
ge: „Nein, es ist wirk-
lich nichts.“ Und weil
wir dabei um die Lüge
wissen, sind wir gleich
noch schlechter
gelaunt. Das klingt so
kindisch, dass es nur
mit den Mitteln der
Kinderruhigstellung bekämpft werden kann, erkannte
der Künstler Demitrios Kargotis. Also stellte er während
der Ars Electronica im österreichischen Linz einen
Softeisautomaten mit Namen Dr. Whippy auf den
Pfarrplatz. Der ist mit einem Stimmanalysegerät gekop-
pelt, das anhand verschiedener Antworten aus dem
Klang der Stimme den Grad der Unglücklichkeit ermit-
telt. Je unglücklicher man klingt, desto mehr Eis gibt der
Automat aus. Das funktionierte so gut, dass der
Automat dem Vernehmen nach trotz strömenden
Regens ständig umlagert war. Dennoch lässt Dr. Whip-
py Fragen unbeantwortet. Etwa: Kann Softeis auch
Menschen glücklich machen, die ihres Übergewichts
wegen unglücklich sind? Und vielleicht noch wichtiger:
Wenn ich als glücklicher Mensch vorspreche und nur
einen Fingerhut Softeis bekomme, werde ich dann
nicht sehr unglücklich? GREGOR KESSLER
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DR. WHIPPY bekämpfte während der Ars Electronica schlech-te Laune mit Softeis. Eine Serienproduktion ist nicht geplant.In der Rubrik „Traumpartner“ stellen wir alle zwei Wochen Pro-totypen und vielversprechende Hightech-Konzepte vor.
HochfahrenEinschneidende Erfahrung
Skalpell, Zange, Tupfer: Das sind nur einige der Geräte,
zu denen bei „Trauma Center: Second Opinion“ die
Fernbedienung von Nintendos Wii-Konsole wird. Das
Spiel ist eine Chirurgensimulation, bei der es vor allem
um eines geht: schnell und gut an Patienten herumzu-
schnippeln – und vielleicht noch etwas von der in
Comicbildern erzählten Handlung mitzubekommen.
Die Herausforderung liegt dann zum Beispiel darin, die
Fernbedienung ruhig zu halten und damit langsam
einen Schnitt in den Unterleib eines Krebspatienten zu
machen. Mit einem Ultraschallgerät sucht man nach
Tumoren und trennt sie vorsichtig heraus. Immer
wieder müssen Blut abgesaugt und der Kreislauf
stabilisiert werden – bis schließlich die Schwester sagt,
das alles erledigt sei und man den Patienten wieder
zunähen dürfe. Aber bitte das desinfizierende Gel nicht
vergessen! Wer jetzt Angst bekommt, kann beruhigt
sein: Die Grafik versucht sich dankenswerterweise nicht
daran, die Operation möglichst realistisch darzustellen.
Sie bemüht sich um Abstraktion. Ein deutlicher Nach-
teil an dem ebenso bizarren wie fordernden Spiel ist der
Schwierigkeitsgrad: Der steigt nämlich nach
moderatem Beginn ziemlich schnell an und sorgt später
für eine relativ hohe Sterblichkeitsrate bei den
Patienten. CARSTEN GÖRIG
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TRAUMA CENTER: SECOND OPINION von Nintendo, für Nintendo Wii, circa 45 €, www.nintendo.de
Donner-balken
Protzige Surround-Systeme waren
gestern. Soundbars schaffen einen
Raumklang wie im Kino und nehmen
nicht viel Platz weg. Ein passendes
Gerät gibt es für jede Wohnung
VON GREGOR WI LDERMAN N
Endlich steht zu Hause einHD-Fernseher – aber die Mu-sik aus dessen Lautsprechernklingt immer noch wie aus
dem Küchenradio. Wer sich seineWohnung nicht mit den Boxen einesSurround-Systems vollstellen will,hat seit der diesjährigen Internatio-nalen Funkausstellung eine Alter-native: Auf der Messe wurden dieSoundbars vorgestellt. Diese Gerätevereinen in verschiedene Richtun-gen ausgerichtete Boxen, meist in ei-ner schmalen Leiste. Obwohl dieLautsprecher sehr nahe beieinanderangebracht sind, bieten sie trotzdemein Surroundsound-Erlebnis. Dennsie schicken die Schallwellen durchden Raum, als seien es Billardkugeln:lassen sie von den Wänden abprallenund sich schließlich in einem Punktkreuzen. Dieser „Sweet Spot“ ist derOrt, an dem der Zuhörer in der Regelsitzt. Dank eines mitgelieferten Mi-krofons können die Geräte die opti-malen Abstrahlwinkel für jedenRaum berechnen.
Doch generell sollte man vordem Kauf eines Soundbars mitdem Händler eine Testwoche ver-einbaren, um herauszufinden, obdas Klangerlebnis in den eigenenvier Wänden zufriedenstellt. DieAuswahl an Soundbars reichtschon jetzt für echten Kinosoundin jeder Wohnung – von der Stu-dentenbude bis zum Loft.
Für die StudentenbudeJeder fängt mal klein an – das giltauch für die Wohnverhältnisse. Fürbescheidene Räumlichkeiten sinddie Soundbars genau das Richtige.Die kleinen Lautsprecherbalkensparen Platz, lassen aber trotzdemHeimkinoatmosphäre entstehen.Einige der Geräte sind besondersgut für kleinste Kam-mern geeignet: Philipszum Beispiel verbaut inseinen „Soundbar Am-bisound“ auch einenCD- und DVD-Player.Sollte über dem Sofanoch Platz sein, wärenzwei Dreiecksboxen vonQuadral eine Alternative,die eine tortenstückähnli-che Form haben. Jede verfügtüber drei Membranen – einestrahlt mittig ab, zwei zu den Sei-ten. Das erzeugt gerade in kleinenRäumen einen voluminösen Sur-roundeffekt. Aber Vorsicht: DickeGardinen oder verwinkelte Regal-bauten schlucken die Schallwellen –und verderben den Klang.
Für den GroßstadtaltbauWer schon mehr als das erste Geldverdient hat, wohnt gern im Altbaumit Stuck und Parkett. Gut geeignetfür solche Gegebenheiten ist der„Individual Sound Projector“ vonLoewe: Räume von bis zu 60 Qua-dratmetern Größe soll dieses Systembeschallen können, Möbel undsonstige Hindernisse werden vondem Gerät erkannt und bei der Be-rechnung der Abstrahlwinkel ein-kalkuliert. Nach der automatisiertenRaumvermessung können beimLoewe-System insgesamt sieben Ci-nema-Programme sowie zwei Modifür Klangstimmungen abgespei-chert werden. Sogar der Körper-größe der Zuhörer kann das Gerätsich so anpassen. Nutzt mal ein klei-nerer Zuhörer das System, kann erauf ein alternatives, programmiertesKlangfeld umschalten – damit derTon ihm nicht über den Kopf hin-wegrauscht.
Für die DachgeschosswohnungLeider werden gemütliche Dachge-schosswohnungen zum architekto-nischen Problem, wenn es um gutenKinoklang geht – denn klassische Re-flektionssysteme können bei tief ge-zogenen Dachschrägen ihre Schwie-
rigkeiten bekommen. Aber zumGlück gibt es bei der Imitation vonSurroundsound auch andere Lö-sungsansätze. Laufzeitunterschiedevon Schall nutzt der „X-Space DHT-FS3“ von Denon, der zusammen miteinem 40-Watt-Subwoofer ausgelie-fert wird. Die in einer schmalenLeiste untergebrachten sechs Breit-wandtöner trennen einzelne Geräu-sche, beispielsweise atmosphäri-sches Vogelgezwitscher von denStimmen der Schauspieler, und schi-cken sie leicht zeitversetzt auf denWeg zu den Ohren des Publikums.Nach Angaben des Herstellers solldies bei ihm den Eindruck hinterlas-sen, die Geräusche kämen aus unter-schiedlichen Entfernungen – undnicht bloß aus dem Lautsprecher, dersich gerade zwei Meter vor ihm befin-det.
Klanglich noch viel druckvollerund technisch differenzierter fällt dieLösung der Firma Marantz aus. Ihr abNovember erhältliches Balken-system ES7001 versteckt das klang-liche Täuschungsmanöver im sperri-gen Akronym „Opsodis“ (OptimalSource Distribution). Der Vorteilhier: Das Gerät besitzt bereits zweidigitale HDMI-Eingänge, sodass HD-Fernseher und eine andere Tonquellewie eine Playstation 3 oder eineXbox-360-Konsole parallel einge-speist werden können.
Für das FabrikloftFür größere, offene Räume sollteman ein möglichst leistungsstarkesSoundbar-System einsetzen. Dasneueste Modell von Yamaha zumBeispiel trägt den Namen YSP-4000und arbeitet mit 42 Minilautspre-chern, die den Ton den verschiede-nen Einstellmöglichkeiten an derFernbedienung entsprechend wie-dergeben. Der besondere Vorteil: DasGerät kann den Klang mit einer drit-ten Minilautsprecherreihe auch überdie Decke als Bande zum Hörer spie-len.
Wer es im großen Loft nur schwerauf dem Sofa aushält, der kann fürentsprechenden Surroundsoundauch noch auf eine ganz andere Lö-sung setzen: Das neue Headzone-Kopfhörersystem der deutschenFirma Beyerdynamic berechnet denKlang je nach Position des Kopfhö-rers – neigt der Benutzer zum Bei-spiel den Kopf nach vorn, passt dasSystem die wahrgenommene Posi-tion der Geräuschquelle automatischan. Besonders interessant dürfte dasfür Besitzer von Nintendos Wii-Kon-sole sein: Dieses Gerät wird über eineFernbedienung mit Bewegungssen-soren gesteuert. So ermöglicht esSpiele wie schweißtreibendes Boxenoder gefühlvolles Kegeln. Und dabeimüssen die Spieler schließlich stän-dig in Bewegung sein.
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Impressum WeekendRedaktion: David Schumacher (Leitung), Rainer Leurs (Koordinator), Gregor Kessler, Lennart
Wegner Chef vom Dienst: Sven Sorgenfrey Layout: Malte Knaack, Nils Werner
Korrektorat: Inger Hoffmann Fotos: Heike Burmeister, Dagmar Wörner
4 F R E I TAG , 2 8 . S E P T E M B E R 2 0 0 7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aufdrehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F I N A N C I A L T I M E S D EU T S C H L A N D
Klangkonstruktion
Denon X-Space DHT-FS3, mit 40-Watt-Subwoofer, etwa1099 €, www.denon.de
Yamaha YSP-4000, mit 42 Mini-lautsprechern, etwa 1300 €, www.yamaha-hifi.de
Beyerdynamic Headzone-Systemmit Kopfhörer DT-880, ab Novem-ber erhältlich, etwa 2490 €,www.beyerdynamic.de
Loewe Individual Sound Projector, ab Ende Oktober erhältlich, etwa1400 €, www.loewe.de
Lohn des Schweißes: Der Blick über die vor Hongkong gelegenen Inseln belohnt für schmerzende Waden. Der Weg führt die Wanderer durch verlassene Dörfer des Stammes der Hakka
Laus ins Fleie!
Als 2003 in Hongkong die
Sars-Epidemie ausbrach,
flohen die Städter vor dem
Virus in die freie Natur.
Heute ist Wandern vor den
Toren der Metropole ein
Massenphänomen
VON CLAU DIA WAN N ER
Sonntagmorgen, 7 Uhr. LornaChan besteht darauf, schonum diese Zeit zu starten. „Ichweiß, das ist wirklich früh“,
sagt sie. Aber um diese Zeit sei esnoch ruhiger. Wirklich still und ein-sam ist es dann doch nicht: An demkleinen Picknickplatz am Eingangzum Tai Tam Country Park in denBergen südlich von Honkong wartetschon eine junge Frau in Jogging-schuhen auf ihre Begleiter. Von derBushaltestelle kommen fünf ältereChinesinnen anmarschiert in schi-cker Funktionsbekleidung. Einestimmt ein Lied an, als sie am Rast-platz vorbeikommen.
„Vor fünf Jahren waren die Wan-derwege oberhalb von Causeway Baytotal verlassen“, sagt Roger Walker,der mit seiner Firma „Walk HongKong“ geführte Touren in der Son-derverwaltungszone anbietet. „Abermit dem Ausbruch der Lungenkrank-heit Sars hat sich das geändert.“ Dieliebsten Beschäftigungen der Einhei-mischen, Kino, Einkaufen, Essen ge-hen, waren wegen der Ansteckungs-gefahr nur mit Vorsicht zu genießen.„Damals, 2003, hat Hongkong dasWandern entdeckt“, sagt Walker.
Möglichkeiten gibt es reichlich inder einstigen britischen Enklave. 40Prozent des Territoriums stehen seit
den 70er-Jahren unter Naturschutz,in 23 Naturparks warten betonierteWege genauso wie schmale lehmigePfade, gemütliche Spazierroutenund herausfordernde Bergtouren.
Einen guten Anfang für Hong-kongs Wanderer bietet der erste Teildes Wilson Trail. Die Tour führt ausStanley am südlichen Zipfel vonHongkong Island auf 74 Kilometernbis nach Nam Chung im Nordostender New Territories an der Grenze zurVolksrepublik. „Only for the very fit“,warnt die Beschreibung für denknapp fünf Kilometer langen Teil.
Lorna ist gut trainiert, sie testetschon mal in sommerlicher Mittags-hitze bei einem Berglauf ihre Gren-zen. Dann ist die Luftfeuchtigkeit sohoch, dass man bereits nach wenigenMinuten durchgeschwitzt ist. Jetzt,im Herbst, liegen die Temperaturenunter 30 Grad Celsius. Von Oktoberbis März ist daher Hochsaison.
Dichter, saftig grüner Wald be-grüßt die Ausflügler. Schmetterlinge,Libellen, ein kleiner brauner Froschkreuzt den Weg. Von vielen Bäumenhängen lange Luftwurzeln, Blüten inDottergelb und Pink locken Insekten.Es geht steil bergauf, oft sind Trep-penstufen am Berghang eingelassen– direkter Angriff auf die Spitze stattlangsam schlängelnder Serpentinen.
Nach einer halben Stunde ist dererste Gipfel erreicht. Violet Hill, 430Meter hoch. Auf den Inseln und demkleinen Festlandzipfel recken sichdie Berge bis knapp 10 000 Meter indie Höhe, an die Küsten schwapptdas südchinesische Meer.
Die Zeichen der Zivilisation verlie-ren Wanderer nur selten aus den Au-gen. Nach den langen Minuten in derStille des Urwalds tönt auf Violet Hillwieder ein leises Verkehrsrauschen.Und der Blick in Richtung der Hoch-häuser von Happy Valley und Cause-way Bay machen deutlich, wie dichtbeieinander über sieben MillionenMenschen hier leben.
Mehr Abgeschiedenheit bietetHongkongs Norden. Bei einer Tourrings um den Ort Wu Kau Tang liegenentlang des Wanderwegs nur verlas-sene Dörfer. Bis in die 80er-Jahre leb-ten dort Hakka, ein Stamm, der vorJahrhunderten aus dem Norden Chi-nas eingewandert ist. Doch irgend-wann lockten Löhne und Lebensqua-lität in die Städte, viele Hakka sindnach Großbritannien, Kanada undAustralien ausgewandert. „Einigescheinen überstürzt aufgebrochenzu sein“, sagt Wanderführer RogerWalker. Der Weg führt an einem klei-nen Haus vorbei, dessen Tür weit of-fen steht. Im Inneren stehen Fla-
schen auf einem Sideboard, und aufdem Boden liegt ein Schulheft. „Eng-lish, 1968“ hat eine Kinderhand aufden Umschlag geschrieben.
Im nächsten Dorf Lai Chi Wo sitzenein paar Menschen auf dem Vorplatzzusammen beim Essen – Mitge-brachtes, denn auch dieses Dorf istweitgehend verlassen. Sie hatten amVormittag einen renovierten Tempeleingeweiht. „Wir kommen von Zeitzu Zeit zurück, um unserer Ahnen zugedenken“, sagt Leong Sio Wai, dermitgefeiert hat. Vor 23 Jahren hat esihn von hier nach Birmingham ver-schlagen.
Zurück nach Hongkong Island.Während einer Pause in einem Taloberhalb der Repulse Bay kommt aufeinem breiten Weg, der den Pfadkreuzt, eine Gruppe Chinesen vor-bei. Trotz des blauen Himmels trägteine Dame einen aufgespannten Re-genschirm – zum Schutz vor der Son-ne. Während die Bewegung an derfrischen Luft, vor allem ausgedehnteWanderungen, enorm populär sind,ist die Sommerbräune eher verpönt.
Der letzte Teil des Weges, hinauf aufdie „Twins“. 1000 Stufen führen nachoben, warnt Lorna. Es sind 986, umgenau zu sein, das Zählen der Stufenlenkt vom Ziehen in den Waden ab.Oben angekommen, hilft auch diefrühe Stunde nicht mehr gegen denSchweiß. Aber die Aussicht entlohntfür alle Mühen, der Blick reicht überden ganzen Süden von Hongkong Is-land, kleine Inseln am Horizont, da-zwischen tutet ein Frachter. Von hieraus betrachtet, ist Hongkong ein Pa-radies. Für Wanderer jedenfalls.
PfadfindenStartpunkt Der Ausgangspunktder beschriebenen Tour an derWohnsiedlung Hongkong Parkviewist vom Stadtzentrum aus in 15Minuten mit dem Taxi oder BusNummer 6 zu erreichen.
Karten Gute Wanderkarten sind inHongkong nicht einfach zu finden.Die beste Quelle ist ein Buchladender Regierung, im vierten Stockdes Murray Building, Raum 402,Garden Road, Central.
Gruppenwanderung Unter derWoche bietet Roger Walker vonWalk Hong Kong Touren unter-schiedlichen Schwierigkeitsgradesan (www.walkhongkong.com). AmWochenende können sich Wander-vögel auch einer der vielen priva-ten Wandergruppen anschließen,zum Beispiel Hong Kong Trampers(www.hktrampers.com) oder TheHong Kong Hiking Meetup Group(www.hiking.meetup.com/130).
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F R E I TAG , 2 8 . S E P T E M B E R 2 0 0 7 5
Monika Abendroth,62, zog 1976 zum ersten mal nachIsland. Jetzt wohntsie am Stadtrand derHauptstadt Reykjavikund arbeitet als Har-fenistin beim isländi-schen Symphonieor-chester
Oh, wie schön ist . . . Reykjavik, IslandSie leben dort, wo andere Urlaub machen. Jede Woche
erzählt ein Aussteiger von seiner neuen Heimat.
Ich war schon zweimal als Touristin im Sommer
durch Island gereist. Von Anfang an hatte die
unberührte Natur einen starken Einfluss auf mich
gehabt. Viele haben mir erzählt, wie schön auch der
Winter hier ist, und ich war neugierig mal alle Jahreszei-
ten hintereinander zu erleben. Von daher entschied ich
mich, ein ganzes Jahr auf der Insel zu bleiben.
Die Jahreszeiten sind sehr wichtig für die Isländer,
die prägen das ganze Leben hier. So werden im Winter
die sozialen Kontakte sehr wichtig. Wenn es, wie am
kürzesten Tag des Jahres um halb 11 hell wird und
schon um 15 Uhr dunkel, braucht man Freunde mit
denen man dann ins Theater oder in Ausstellungen
gehen kann. Das Kunstmuseum Kjarvalsstaair ist eines
der besten. Und obwohl Reykjavik eine ganz kleine Stadt
ist, die nur 160 000 Einwohner hat, ist das kulturelle
Angebot enorm. Weil ich als Harfinistin des isländi-
schen Symphonieorchesters sowieso jeden Tag in einer
fensterlose Konzerthalle arbeite, ist das mit der Dunkel-
heit im Winter für mich kein Problem. Es ist viel
schwieriger im Sommer dahin zu gehen, vom strahlen-
dem Sonnenlicht ins Dunkel.
Ich wohne nicht direkt in Reykjavik, sondern in der
letzten Spitze der Landzunge, auf der die Hauptstadt
liegt. Von meiner Wohnung habe ich einen fantasti-
schen Blick über das Meer und die Berge der Halbinsel.
Ich laufe in zehn Minuten zum Strand, wo ein Leucht-
turm steht. Dort habe ich nicht mehr das Gefühl, dass
ich in einer Stadt lebe. Die Leute hier sind sowieso völlig
von der Natur umgeben, daher hat sich wohl auch der
Glaube an Elfen und Geister gehalten. Isländer spüren
die unsichtbare Kräfte eher, als jemand, der in der
großen Stadt lebt. Ich persönlich habe keine Elfen
gesehen. Aber deswegen bin ich noch nicht bereit, ihr
Dasein auszuschließen. Ich habe auch schon Menschen
getroffen, die mir von ihren Elfen-Erlebnissen berichtet
haben, und die für mich glaubwürdig sind.
Einer meiner Lieblingsorte auf unserer Insel ist
Myvatn, eine fantastische Gegend. Da hat man auf
engstem Raum alles zusammen: heiße Quellen und eine
herrliche Landschaft. Wenn ich diese Landschaft sehe,
wird mir das vor Augen geführt, was ich in der Schule
mal gelernt habe. Nämlich, dass es im Inneren der Erde
heiß ist, während wir draußen frieren. Das andere
Extrem ist Vatnjökull, ein riesiges Gletschergebiet. Da
gibt es eine Lagune, und darin schwimmen riesige
Eisberge. Das gesamte Innere des Landes ist faszinie-
rend, eine kalte, schwarze Wüste, aus Gletscher und
Vulkan, Steine und Asche. Am Rand, wo die Vegetation
wieder anfängt, kann man auch Blaubeeren suchen.
Denn hier wachsen die nicht im Wald – sondern in der
Lava. PROTOKOLL: HELEN LIVINGSTONE
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BESUCH IM NEUEN LEBEN Flüge nach Reykjavik ausDeutschland gibt es ab 137 €, (www.icelandair.de). Mit demBus fährt man von dort sechs Stunden nach Akureyri (Myvatn),Informationen unter www.trex.is
H O N G KO N G SA R *
Wu Kau Tang
* Special Administrative Region(Sonderverwaltungsregion)
Tai TamCountryPark
Hongkong
CHINA
FTD/jf
10 km
Von Tillmann Prüfer
Nichts als die WahrheitAb Herbst haben alle ein iPhone,
hat mir ein Kollege gesagt. Das
würde selbstverständlich. So wie
jetzt jeder einen iPod und ein
iBook hat. Ich stimmte ihm zu.
Dabei habe ich keinen iPod oder
sonst ein Gerät, das mit kleinem
i anfängt. Nicht einmal einen
Blackberry. Ich habe meiner Freundin gesagt, dass ich
mir dann auch gerne ein iPhone kaufen würde. Sie
sagte:„Du hast doch schon ein Handy.“ Damit hat sie
natürlich recht, aber so kommt man in der Informa-
tionsgesellschaft nicht weiter. Ich habe ja auch einen
Computer, einen, der einen halben Tag braucht, um
hochzufahren. Währenddessen treffen schon die ersten
E-Mails ein von den Leuten, die bei jeder Gelegenheit
auf ihren Blackberry tippen. Und die anderen Leute, die
auch einen Blackberry besitzen, haben schon geant-
wortet. In Wahrheit hat mich die Informationsgesell-
schaft längst abgehängt. Die Leute schießen einander
gewaltige Datenmengen zu, während ich froh bin, dass
ich SMS verschicken kann. Ich überlege mir, dass mir ja
auch einfach jemand mein veraltetes Handy klauen
könnte. Dann bliebe mir nichts anderes übrig, als es zu
ersetzen, zum Beispiel durch ein iPhone. Ich lasse das
Mobiltelefon mitunter stundenlang in Cafés einfach so
rumliegen. Aber niemand möchte es mitnehmen. Ich
muss wohl warten, bis mein Handy eine technikhisto-
rische Rarität geworden ist und ein Sammler vorbei-
kommt, um es aufzuklauben. Aber wahrscheinlich hat
mich bis dahin längst eine herumfliegende Terrabyte-
ladung getroffen und einfach niedergestreckt.
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6 F R E I TAG , 2 8 . S E P T E M B E R 2 0 0 7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F I N A N C I A L T I M E S D EU T S C H L A N D
Plätze der Republik Hörsten, Schleswig-Holstein: Erster BSE-Fall
Den Hof von Peter Lorenzenfindet man nicht ganz leicht.Genau genommen hat es fast
keinen Zweck, ohne Navigations-system danach zu suchen: Das win-zige Dorf Hörsten bei Rendsburg istso zwischen Eider und Nordostsee-kanal eingeklemmt, dass man sichim hintersten Winkel Schleswig-Hol-steins glaubt. Nichts als Grün gibt esauf dem Weg dorthin, in allen Tönen,fette Wiesen mit Krähen und Fisch-reihern drauf und natürlich Kühe,Kühe ohne Ende.
Dass die BSE-Hysterie in Deutsch-land vor sieben Jahren ausgerechnethier losging, ist gleich doppelt tra-gisch. Erstens, weil die Kühe bei PeterLorenzen ein passables Leben füh-ren, mit viel Auslauf auf der Weideund ordentlichem Futter. Und zwei-tens, weil bis heute niemand sagenkann, wie genau der Rinderwahn da-mals eigentlich nach Hörsten ge-kommen ist. „Spontanmutation“lautet der offizielle Befund – Loren-zen hat nichts falsch gemacht. Trotz-dem musste damals sein ganzer
Viehbestand getötet werden, 166Rinder; das jüngste war erst einenTag alt. „Mich belastet das nichtmehr“, sagt Lorenzen heute. „Ichkann ja doch nichts dran machen.“Den Wert der Tiere bekam er vomSeuchenfonds ersetzt.
Nur zwei Monate standen seineStälle damals leer, dann begann er,eine neue Herde zusammenzukau-fen. Auf dem Hof ist heute im Grundealles so wie vor sieben Jahren: Dieganz kleinen Kälber stehen einzeln inBoxen auf Stroh; die älteren Tiere re-cken ihre Hälse durch die Gitterstäbeund angeln nach der Futtersilage aufdem Boden. Immer dabei ist Susi, dieschwarze Mischlingshündin. „Diestand hier damals rum wie Falsch-geld, als sie die Kühe abgeholt hat-ten“, sagt der Bauer.
Hübsch eingerichtet haben sichdie Lorenzens auf ihrem Hof, der seit1914 im Familienbesitz ist: Im ordent-lich gepflegten Garten des Wohn-häuschens stehen Apfelbäume undeine Schaukel für die beiden Kinder;die Großeltern leben auf dem Alten-
teil nebenan. Spektakulär ist dieAussicht, wenn in der Ferne ein Con-tainerschiff durch die Wiesen zu fah-ren scheint – der Nordostseekanalverläuft noch nicht mal einen Kilo-meter weit weg.
Wer möchte, kann in dieser Land-schaft auch Urlaub machen. PeterLorenzen vermietet Wohnungen imgroßen Haus neben dem Kuhstall fürFerien auf dem Bauernhof. Wer mag,darf im Stall auch mitanfassen. Einbisschen Kontakt mit der Kuh kannnicht schaden. „Und die Ahnungslo-sigkeit in der Bevölkerung ist da sehrgroß“, sagt er. Rainer Leurs
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LORENZEN-HOF Im Dorfe 26/28, 24797 Hörsten. Ferien auf dem Bauernhoffür zwei oder vier Personen, 30 € proNacht und Zimmer. Anfahrt: Ab Rends-burg den Nordostseekanal entlangRichtung Südwesten folgen, nach cir-ca 10 Kilometern rechts abbiegenRichtung Hörsten. Koordinaten: 54° 13’ 38’’ Nord, 9° 34’ 40’’ Ost
GoodbyeHausmusik verklingtDas Wunder von Landsberg formiert sich Anfang der
90er-Jahre. In der oberbayerischen Kleinstadt kommt
alles zusammen, was man für ein Wunder braucht:
Talent, Leidensfähigkeit und Größenwahn. Es ist der
Elektromeister Wolfgang Petters, der die Zutaten so
kombiniert, dass Landsberg am Lech plötzlich für mehr
steht als für Adolf Hitlers Gefängnis. Nämlich für den
Erfolg einer Cottage-Industry aus
Kleinlabels und Kellerbands. Hausmu-
sik nennt Petters sein Label. Denn die
Musik, die darauf erscheint, wird von
Freunden gespielt und nicht selten in
Küchen aufgenommen. Dass sich mehr
Menschen als nur Nachbarn und Ver-
wandte dafür interessieren, dass bald
in allen deutschen Zeitungen über die
Hausmusik-Szene geschrieben wird, liegt nur zum Teil
daran, dass auch die erfolgreichen Musiker von Notwist
mitmischen. Es liegt vor allen am altruistischen Ehrgeiz
Wolfgang Petters’. Ein paar Jahre sieht es so aus, als ob
sich Qualität auszahlt. Hausmusik erweitert sich zu
einem Vertrieb, zieht nach München, öffnet einen
Laden. Doch die Geschichte hat kein Happy End: Derart
hart trifft der Rückgang der Tonträgerindustrie Petters,
dass er keine wirtschaftliche Zukunft mehr sieht. Bis
Ende des Jahres wird er Hausmusik abwickeln, dann ist
er wieder Elektromeister. GREGOR KESSLER
Rezession & Frohsinn von Gábor Zádor und Tillmann Prüfer
www.ehapa-comic-collection.de
Kunststück! Was haben Sie sich dabei gedacht, Herr van den Berg? „Als ich vor Jahren die Abbildung eines Sternenprojektors in die Finger
bekam, pinnte ich sie an die Atelierwand. Sie überdauerte da die
Entstehung einiger Werke, ohne dass etwas geschah. Manchmal ging
ich ins Planetarium, wo ich bei Sternenshows meist einschlief.
Lediglich dieser seltsame Projektor tauchte immer wieder in meinem
Kopf auf: Die Gestalt dieses Geräts beinhaltete mehr als seine
Funktion, und sie faszinierte mich. Als ich zu einer Ausstellung mit
dem Titel ,Rückkehr ins All‘ in
die Hamburger Kunsthalle
eingeladen wurde, wusste ich:
Die Zeit ist reif.
Nicht nur, dass Sternen-
projektoren formale Repräsen-
tation eines Welt- beziehungs-
weise Universumsbilds sind,
faszinierte mich. Es war die
schiere Gestalt, die mich
anzog.
Ich fragte mich, ob es mög-
lich wäre, sich der Gestalt
durch Nachbildung zu nähern,
sie abzukupfern, in einem
Material, das eine Distanz zu
technischem Gerät hat, Holz.
Das Ganze wurde zeitweilig zu
einer Wahnsinnsarbeit, bei der
mir mitunter fragwürdig
schien, was ich eigentlich tat.
Um mich vom Original zu
entfernen, wollte ich das Prin-
zip umkehren: Der originale
Sternenprojektor kann durch
das Projizieren seinen Wir-
kungskreis erweitern (mindes-
tens um den Raum eines Pla-
netariums) und durch die Pro-
jektionslinsen veränderliche
Sternenbilder an die Kuppel
werfen. Nun sollte der Betrachter hineinsehen können, quasi aus der
Sicht der Sterne auf die Erde gucken. Das Objekt musste also hohl
werden. Als der erste komplette Aufbau anstand – ich konnte wegen
der Größe nur jeweils Teile im Atelier bauen –, war ich aufgeregt. Und
endlich, als es mächtig in den Raum ragte, nur bedingt zufrieden.
Die ersten Reaktionen machten mich dann sicherer. Sofort wurde
bemerkt, dass man nicht nur vor der Gestalt stehen und um sie
herumgehen und sie betrach-
ten konnte, sondern dass sich
verschiedene Blicke durch die
kreisrunden Öffnungen ins
Innere und damit ganz uner-
wartete Perspektiven auftaten:
Blicke in Kuppeln und Kreuze,
strukturiert durch Linien, die
das Schichtholz vorgibt; als ob
man in einem hölzernen Kir-
chenmodell stünde und es mit
seinem Blick durchstreift.
Eigentlich hätte die Arbeit
,Sterneninspektor‘ heißen
müssen. Da mir das aber zu
unterhaltsam klang, beließ ich
es beim Original, Sternenpro-
jektor‘.“
PROTOKOLL: JUDITH BOROWSKI
STERN EN PROJ EKTOR Arbeitenvon Oliver van den Berg sind biszum bis 3. Oktober auf dem Berli-ner Art Forum zu sehen. Der „Ster-nenprojektor“ (2005, Birkenschicht-holz, 450 Zentimeter hoch/Durch-messer: 400 Zentimeter) kostet58 000 €. FTD-Leser haben ab heu-te unter Angabe der Abonnenten-nummer zehn Tage lang Vorkaufs-recht. Galerie Kuckei + Kuckei, Lini-enstraße 158, www.kuckei-kuckei.de