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Selbstschema Möglichkeiten der Diagnostik

Selbstschema Möglichkeiten der Diagnostik. Definition Als Selbstschema bezeichnet man das Wissen über die eigene Person –Bewusstheit –Biografie –Wahrnehmung

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Selbstschema

Möglichkeiten der Diagnostik

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Definition

• Als „Selbstschema“ bezeichnet man das Wissen über die eigene Person– Bewusstheit

– Biografie

– Wahrnehmung eigener Eigenschaften

– Einschätzung eigener Fähigkeiten

– Persönliche Wünsche, Ziele, Ideale

– Wahrnehmung der eigenen Person durch andere, soziale Rollenerwartungen

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Definition

• Teil des Selbstschemas sind aber auch spezifische, selbstbezügliche Motive

– Steigerung des Selbstwertgefühls / Selbstwertverteidigung

– Selbstkonsistenzprinzip

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Bedeutung für Förderdiagnostik

• Das Selbstschema ist eine handlungsleitende Wissensstruktur. Sie steuert die Realisierung von Zielen (Freizeit, Beziehungen, Schule, Beruf, etc.)– Unter Berücksichtigung eigener Eigenschaften /

Fähigkeitseinschätzungen– Unter Berücksichtigung selbstbezogener

Motive (z.B. Erhaltung des Selbstwertgefühls)– Unter Berücksichtigung der Erwartungen

anderer (z.B. Rollenerwartungen)

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• Das Selbstschema stellt eine der zentralen psychischen Ressourcen eines Menschen dar– Widerstandsfähigkeit gegen Stress– Bewältigung traumatischer Ereignisse

• Das Selbstschema spielt eine zentrale Rolle im Sozialverhalten und im Leistungsverhalten

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Begriffsvielfalt

• In der nationalen und internationalen Literatur herrscht nach wie vor kein einheitlicher Sprachgebrauch

• Neben dem Begriff „Selbstschema“ existieren eine Reihe anderer Begrifflichkeiten

• Teils synonym, teils mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt

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• Selbstkonzept, Selbstbild: Ältere Begriffe; werden weitgehend ähnlich verwendet wie Selbstschema. Der Schemabegriff ist aber allgemeiner und beinhaltet auch unscharfe und implizite Konzepte, sowie spezielle Informationsverarbeitungsstrategien, die auf das Selbstschema selbst bezogen sind.

• Selbst: Wird meist zur Bezeichnung des Bewusstseins der eigenen Person verwendet, manchmal aber auch synonym zum Selbstkonzept/-schema, oder für Selbst und Selbstkonzept

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• Identität: Bewusstsein der eigenen Person als etwas Individuellem, Unverwechselbarem. Betonung der Differenzen zu anderen Personen und Rollenerwartungen, sozialen Urteilen

• Unterscheidung zw. „Me“ and „I“

• „I“ = Selbst, Selbstkonzept

• „Me“ = Sichtweise anderer Personen (Soziales Selbst(konzept))

• Symbolischer Interaktionismus, Soziologie

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Selbst

Bewusstsein der eigenen Person, innere Vorgänge

Aktuell

Bewusstseinsstrom

Vergangenheit

Selbstbild

selbstbezogeneWissensstruktur

Identität„I“ „Me“

Selbst-perspektive

Fremd-perspektive

SelbstbezogeneErfahrungen

Selbstschema

Biografie

Verallgemeinerung zu Konzepten

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Genese des Selbstschemas

• Das Selbstschema entsteht durch– Bewertung selbstbezogener Erfahrungen (z.B. Erfolg,

Misserfolg, Lob, Tadel)– Vergleiche mit anderen Personen– Verallgemeinerung der konkreten Erfahrungen zu

abstrakteren Einschätzungen (Konzepten)– Integration der Konzepte zu allgemeineren Konzepten

• Die Abstraktion orientiert sich an der Organisation des sozialen Raums (z.B. Familie, Schule, Freizeit) und anderer kultureller Kategorien (z.B. Trennung zwischen Persönlichkeit und Körper)

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Eigenschaften des Selbstschemas

• Struktur:– Gegliedert

• Abstraktionsgrad• Affektiv – Kognitiv• Bereichsspezifität

• Struktureigenschaften– Elaborationsgrad– Vernetztheit– Affektive Wertigkeit

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Bereiche

Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl

Biografie,

Fähigkeitsselbstbild,(z.B. Schulisches Selbstbild)

Körperselbstbild

Soziales Selbstbild

Erfahrungen in sozialenFeldernRollenzuschreibungen

Personales Selbstbild

Abstraktionsgrad

Konkrete Erfahrungen in Lebensbereichen

Kognitiv Affektiv

Bereichs-spezifischesSelbstbild

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Selbstwirksamkeit

Subjektive Einschätzung, auftretende Probleme aufgrund der eigenen Fähigkeiten lösen zu

können

Hoch – Niedrig

Bereichsspezif. SW

(z.B. schulisch,Mathematisch, sozial)

Allgemeine SW

Selbstwertgefühl

Selbstbewertung, affektive Wertschätzung der eigenen

Person

Positiv - Negativ

- Aktuell / Trait

- Global / Bereichsspez.

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Bedeutung der Selbstwirksamkeit für die Schulleistungen

• Die Selbstwirksamkeit steht in engem Zusammenhang mit dem schulischen Leistungsverhalten

• Schüler mit niedriger (schulischer) Selbstwirksamkeit– bevorzugen leichtere Aufgaben

– strengen sich bei schwierigen Problemen weniger an

– zeigen weniger Durchhaltevermögen beim Bearbeiten von Aufgaben als Schüler mit hoher SW

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Diagnostische Verfahren

• Die abstrakteren Selbstschemabereiche lassen sich gut mit Fragebogen erfassen

• Wie bei allen Fragebogenverfahren gilt jedoch auch hier die Beschränkung, dass sehr individuelle (z.B. spezielle Aspekte von Lebenswelten) Aspekte des Selbstschemas in den globalen Skalen nicht erfasst werden können.

• Daher müssen die Fragebogen gegebenenfalls mit Gesprächsdaten kombiniert werden

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Fragestimmt nicht

stimmt kaum

stimmt eher

stimmt genau

1. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe.

2. Wenn mir jemand Widerstand leistet, finde ich Mittel und Wege mich durchzusetzen.

3. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen.

4. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut damit zurechtkommen werde.

5. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll.

6. Für jedes Problem habe ich eine Lösung.

7. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich mich immer auf meine Fähigkeiten verlassen kann.

8. Wenn ich mit einem Problem konfrontiert werde, habe ich meist mehrere Ideen, wie ich damit fertig werde.

9. Wenn ich mit einer neuen Sache konfrontiert werde, weiß ich, wie ich damit umgehen kann.

10. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.

Skala Allgemeiner Selbstwirksamkeit (Schwarzer, 1993, 1994)

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Schulbezogene SelbstwirksamkeitserwartungJerusalem & Satow, 1999

1. Ich kann auch die schwierigen Aufgaben im Unterricht lösen, wenn ich mich anstrenge.2. Es fällt mir leicht, neuen Unterrichtsstoff zu verstehen.3. Wenn ich eine schwierige Aufgabe an der Tafel lösen soll, glaube ich, dass ich das schaffen werde.4. Selbst wenn ich mal längere Zeit krank sein sollte, kann ich immer noch gute Leistungen erzielen.5. Wenn der Lehrer / die Lehrerin das Tempo noch mehr anzieht, werde ich die geforderten Leistungen kaum noch schaffen können. (–)6. Auch wenn der Lehrer / die Lehrerin an meinen Fähigkeiten zweifelt, bin ich mir sicher, dass ich gute Leistungen erzielen kann.7. Ich bin mir sicher, dass ich auch dann noch meine gewünschten Leistungen erreichen kann, wenn ich mal eine schlechte Note bekommen habe.

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Selbstwirksamkeitserwartung im Umgang mit sozialen Anforderungen

Satow & Mittag, 1999

1.Ich traue mich zu sagen, was ich denke, auch wenn die anderen nicht meiner Meinung sind.2.Auch in einer ganz neuen Klasse kann ich schnell neue Freunde finden.3.Wenn mich jemand ungerecht behandelt, kann ich mich dagegen wehren.4.Wenn mich jemand ärgert, kann ich mich wehren, ohne Gewalt anzuwenden.5.Wenn ich etwas Falsches getan habe, schaffe ich es, mich zu entschuldigen.6.Wenn ich mich ganz traurig und mies fühle, schaffe ich es, mit den anderen darüber zu sprechen.7.Wenn mich jemand ärgert, schaffe ich es trotzdem, ruhig zu bleiben.8.Auch wenn mir alles zu viel wird, schaffe ich es, meine schlechte Laune nicht an anderen auszulassen.

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Ein kleines (hoffentlich instruktives) Selbstexperiment

Die folgenden Informationen blieben absolut anonym!

1. Machen Sie sich eine Liste mit zwei Spalten

1. Dinge, die ich gut kann2. Dinge, die ich nicht gut kann

2. Schreiben Sie in beide Spalten so viele Dinge hinein, wie Ihnen einfallen

3. Kümmern Sie sich nicht um Reihenfolge oder inneren Zusammenhang

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Beispiel für Gesprächsdaten

• Interview mit einer neunjährigen Schülerin zu verschiedenen Aspekten ihres Selbstbilds

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Diagnose und Veränderbarkeit

• Ziel der förderdiagnostischen Bearbeitung des Selbstschemas ist zum einen die – Zustandsbeschreibung

• Z.B. Positives od. negatives SK, d.h.– Positives SK = Ressource / Neg. SK =Risiko (=>

Förderbedarf)

• zum anderen die Verbesserung des Selbstschemas

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Selbstbezogene Informationsverarbeitung / Veränderung

• Das Selbstschema ist keine mehr oder weniger geordnete Kartei selbstbezogener Informationen, die beliebig erweiterbar ist und bei Bedarf umgeschrieben oder problemlos entrümpelt werden kann

• Vielmehr werden Informationen (z.B. Lehrerrückmeldungen) sehr selektiv in diese „Kartei“ aufgenommen

• Außerdem können aufgenommene Informationen nicht einfach gelöscht werden. Sie können nur unterdrückt, relativiert oder umgedeutet werden

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Entwicklung als unbegrenzte Veränderung

• Gemäß den klassischen Lerntheorien sind dem Erwerb und der Veränderung von Verhaltensgewohnheiten, -stilen oder Verhaltensweisen prinzipiell keine Grenzen gesetzt

• Diese Fähigkeit zur Flexibilität lässt sich sogar noch jenseits von Lernprozessen unterstützen, denn

• Umwelten können ihrerseits zielgerichtet verändert werden• Und die Akteure der Umwelten können beschließen, den

Bedürfnissen einer Person entgegenzukommen• Veränderung kann daher wechselseitig erleichtert werden• Jeder Mensch wäre demnach grundsätzlich in der Lage, in

beliebigem Umfang funktionale Verhaltensweisen zu entwickeln und Ressourcen zu erschließen

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Unbegrenzte Veränderbarkeit ?• Es gibt empirische Indizien, die die Prämisse der

unbegrenzten Anpassbarkeit in Frage stellen:• Aus der Forschung zu Risiko- und Schutzfaktoren

(Resilienzforschung) ist bekannt, dass nur ca. 30% der Menschen, die massiven Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, diese Risiken konstruktiv bewältigen können

• Resilienz ist zudem ein eher temporäres und bereichsspezifisches Phänomen, keine universelle Eigenschaft

• Metastudien zur Wirksamkeit von psychologisch-therapeutischen Interventionen weisen für die Bearbeitung sozialen und emotionalen Problemverhaltens relativ niedrige Effektstärken und geringe Nachhaltigkeitseffekte nach

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Wie kann das erklärt werden?

• These 1: Das Selbstregulationssystem ist hierarchisch aufgebaut und unterschiedlich veränderbar

• These 2: Veränderung ist nicht das summative Ergebnis personaler und sozialer Ressourcen, sondern ihrer Organisation und Zielführung

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Aufbau handlungsleitender Schemata

• Das Selbstregulationssystem ist hierarchisch aufgebaut und vernetzt– Die unterste Ebene bilden situationsspezifische Skripte

– Die oberste Ebene bilden globale, hochvernetzte Schemata, die zentraler Bestandteil der Identität sind

– Anpassungsleistungen verlangen assimilative und akkommodative Veränderungen dieser Schemata

(Marsh & Shavelston, 1985; Marsh, 1986; Marsh et al., 2001; Greve, 2000)

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Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl

Abstraktionsgrad

Konkrete Erfahrungen in Lebensbereichen

Kognitiv Affektiv

Bereichs-spezifischesSelbstbild

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Selbsterhaltung zentraler Schemata

• Für die Verhaltensregulation zentrale Schemata wie globale Selbstkonzepte und Bindungsmuster sind selbsterhaltend und wenig offen gegenüber Veränderungsbestrebungen

• Solche Schemata verarbeiten neue Informationen in erster Linie nach dem Selbstkongruenz- oder Selbstkonsistenzprinzip (Stahlberg et al., 2000)

• Bsp.: Eine Person mit ausgeprägt negativem Selbstkonzept integriert ein Erfolgserlebnis nicht in ihre zentralen Selbstschemabereiche

• Denn dieser Feedback passt nicht zum Selbstbild und ist daher untypisch und für die Selbsteinschätzung irrelevant

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Selbstkonsistenz und Selbstwerterhöhung

• Es gibt zwei Selektionsprinzipien, anhand derer sich entscheidet, ob eine neue Information in das Selbstschema integriert wird:– Selbstwerterhaltung / -erhöhung– Selbstkonsistenz

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Selbstkonsistenz

• Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie zu den bereits vorhandenen Informationen passt

• Ansonsten wird sie so umgedeutet, dass sie passt, zur unbedeutenden Ausnahme relativiert, oder ignoriert

Selbstwerterhalt / - erhöhung

• Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie das Selbstwertgefühl aufrechterhält oder erhöht

• Ansonsten wird sie so umgedeutet, dass sie passt oder zur unbedeutenden Ausnahme relativiert, oder ignoriert

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Attributionsstile / Kontrollüberzeugungen

• Diese Prinzipien stehen in Zusammenhang mit der Art und Weise, wie man sich als Verursacher für Erfolg und Misserfolg sieht

• So kann man Handlungsergebnisse als selbst- oder fremdverursacht ansehen (internale/externale Attribution)

• Man kann sie als kontrollierbar oder nicht kontrollierbar interpretieren

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Kausalattributionen

Ursachenzuschreibungen für Erfolge oder Misserfolge

KausaleDimensionen

Fähigkeit Anstrengung Zufall

Persönlichkeit

SituationInternal Internal External

Stabilität Stabil Variabel Variabel

Kontrollierbar-keit

Ja/Nein Ja Nein

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„Selbstwirksame“ Kausalattributionen

Ursachenzuschreibungen

für ErfolgeKausaleDimensionen

Fähigkeit Anstrengung Zufall

Lokalität internal internal External

Stabilität stabil variabel Variabel

Kontrollierbar-keit

ja ja nein

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Attributionsstile

•Interne/externe Zuschreibung von Erfolg•Interne/externe Zuschreibung von Misserfolg

Kontrollüberzeugungen

Internale Kontrolle

Externale Kontrolle

Selbstkonsistenzprinzip

Erfahrungen, die nicht zum vorhandenen Wissen passen, werden als wenig aussagekräftig eingestuft

Selbstwerterhöhungsprinzip

Selbstbezogene Informationsverarbeitungsstile, Selbstbezogene Motive

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Selbstkonsistenz

• Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie zu den bereits vorhandenen Informationen passt

• => Veränderung des Selbstschemas nicht möglich. Selbstschema erhält sich immer aufrecht, ist konservativ

Selbstwerterhalt / -erhöhung

• Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie das Selbstwertgefühl aufrechterhält oder erhöht

• => Veränderung des Selbstschemas durch positiven Feedback möglich

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• Die empirischen Befunde waren lange Zeit nicht eindeutig und sprachen entweder für die Vorherrschaft des einen oder des anderen Prinzips

• So zeigte es sich z.B., dass Personen mit einem negativen Selbstschema durchaus dazu neigen, an diesem Selbstschema festzuhalten und positive Leistungsrückmeldungen zu relativieren oder zu ignorieren (obwohl sie gleichzeitig gerne eine positivere Persönlichkeit hätten)

• Petersen und Stahlberg gelang es dann, zu zeigen, dass im Grunde beide Prinzipien gelten, aber unter unterschiedlichen Bedingungen

Selbstkonsistenz oder Selbstwerterhöhung?

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Integrativer Selbstschemaansatz

• Petersen, L.-E. (1994): Selbstkonzept und Informationsverarbeitung. Essen.

• Petersen, L.-E., Stahlberg, D. & Dauenheimer, D. (2000). Selbstkonsistenz und Selbstwerterhöhung: Der integrative Selbstschemaansatz. In: W. Greve (Hrsg.), Psychologie des Selbst (227-238). Weinheim.

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1. Allgemein gilt das Selbstkonsistenzprinzip• Es ist insofern mit dem Selbstwerterhaltungsprinzip identisch,

als sowohl ein positives als auch ein negatives Selbstkonzept durch Selektion neuer Informationen aufrechterhalten wird

2. Nur ein positives Selbstkonzept kann durch neue positive Informationen oder durch positive Umdeutungen neuer Informationen erhöht werden

3. Entscheidend ist aber der Elaborationsgrad:1. Wenn ein Selbstschemabereich niedrig elaboriert ist, werden

auch nicht zum Schema passende Informationen akzeptiert

2. Mehr noch, in niedrig elaborierten Bereichen herrscht das Selbstwerterhöhungsprinzip vor

3. Erst wenn der Elaborationsgrad steigt, überwiegt das Selbstkonsistenzprinzip

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Elaborationsgrad / Vernetztheit

• Ausmaß, in dem ein Selbstschemabereich „ausgearbeitet“ ist

• Je mehr Erfahrungen vorliegen, desto elaborierter ist ein Bereich (und desto abstrakter sind die Selbstbeurteilungen)

• Die einzelnen Bereiche können außerdem unterschiedlich stark vernetzt sein, d.h., es können Ähnlichkeiten oder Differenzen bestehen

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Hoch elaborierter Bereich Niedrig elaborierter Bereich

Je elaborierter ein Selbstkonzeptbereich ist, desto mehr Konzepte enthält er (Ähnlichkeit = Nähe)

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• Nach modernen Theorien der Informations-verarbeitung (konnektionistische Modelle) entstehen abstrakte Einschätzungen durch eine Art Mittelwertbildung

• Jedes Einzelkonzept ist mit jedem anderen durch verstärkende und hemmende Verbindungen verknüpft

• Durch eine Art gewichtete Summenbildung entstehen so abstraktere Konzepte, deren „Summe“ entsprechend eher negativ oder positiv ist

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Hoch elaborierter Bereich Niedrig elaborierter Bereich

Positives Selbstschema (Ähnlichkeit=Nähe / Rot=Positiv / Grau=Negativ)

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Veränderbarkeit zentraler Schemata

• Diese Schemata sind– umso stabiler, je abstrakter und elaborierter sie sind

– Die Veränderbarkeit nimmt aber zu, wenn man bereichsspezifischere Ausschnitte wählt und direkt mit einer Intervention anspricht (Metastudie von O‘Mara et al., 2006)

– Die höchsten (inkongruenten) Veränderungseffekte kann man erzielen, wenn man Bereiche anspricht, in denen bisher kaum Erfahrungen gesammelt wurden (Stahlberg et al., 2000)

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Veränderbarkeit des Selbstkonzepts

AllgemeinesSelbstwertgefühl

Lesen Mathe Sport

Schule Freizeit

+++

++

+

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Veränderbarkeit des Selbstkonzepts

AllgemeinesSelbstwertgefühl

Lesen Mathe Spiel

Schule Freizeit

+++

++

+

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Konsequenzen für Förderung

• Aus diesen Zusammenhänge kann man folgern– dass ein elaboriertes negatives Selbstschema

nicht „automatisch“ durch vermehrt positive Rückmeldungen verbessert werden kann

– Schüler, die eine längere Misserfolgsbiografie haben, verfügen über ein elaboriertes negatives Leistungsselbstbild

– Sie werden daher positive Rückmeldungen lange Zeit keinen Glauben schenken

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• Aus dem Integrativen Selbstschemaansatz kann man folgern, dass sich elaborierte negative Selbstbildern am besten verändern lassen, wenn mehrere Bedingungen zutreffen:– Positive Rückmeldungen erfolgen systematisch über

einen längeren Zeitraum – Sie können klar der eigenen Fähigkeit/Anstrengung

zugeschrieben werden können– Es gibt Umdeutungsmöglichkeiten, z.B. die

Möglichkeit, das Gebiet der Misserfolge als enger umgrenzt wahrzunehmen, als man dachte

– Sie können mit positiven Erfahrungen kombiniert werden, die in positiv-elaborierten oder in wenig elaborierten Lebensbereichen („Stärken“, „Interessen“) gewonnen werden -> Kompensationserfahrungen, die den Aufbau einer positiven Perspektive als neue Grunderfahrung ermöglichen

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Diagnostisch relevante Informationen

• Positive oder negative Ausprägung des SK

• Strukturinformationen (Elaborationsgrad, Differenzierung)

• Stile der Verarbeitung selbstbezogener Informationen

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Diagnostische Kriterien für Elaborationsgrad

• Bei Fragebogenskalen: Höhe des Skalenwertes – je weiter er sich von der Mitte entfernt, desto elaborierter ist vermutlich das entsprechende Selbstbild

• Bei Interviews, Gesprächen:– Anzahl der Informationseinheiten zu einem

Bereich– Mischung aus hochabstrakten und konkreten

Informationen

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Diagnostik von Attributionsstilen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

• (a) standardisierte Verfahren (für ältere Kinder und Jugendliche)– z.B. ASF-KJ

– z.B. FEESS 3-4

• (b) informell (bei jüngeren Kindern): Gespräch über leistungsbezogene Situationen und Ursachen für Erfolge oder Misserfolge

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• Erzähl‘ mir doch mal, was Du in der Schule gut kannst.

• Warum kannst Du das gut?

• Erzähl‘ mir doch mal, was Du nicht so gut kannst.

• Warum kannst Du das nicht so gut?

• Was müsste denn passieren, damit Du das besser kannst?

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ATTRIBUTIONSSTIL-FRAGEBOGEN FÜR KINDER UND JUGENDLICHE (ASF-KJ)

• 1. Warum schreibst Du ein besonders gutes Diktat? Was ist Deiner Meinung nach der wichtigste Grund dafuer? (freie Beantwortung)

• 2. Liegt der Grund dafuer, dass Du ein besonders gutes Diktat schreibst, eher an Dir oder an etwas anderem (z.B. an anderen Leuten oder an den Umstaenden)?

• 1 - liegt nur an anderen Personen oder Umstaenden • 2 - liegt ueberwiegend an anderen Personen oder Umstaenden und nur ein wenig an mir selbst • 3 - liegt ueberwiegend an mir und ein wenig an anderen Personen • 4 - liegt nur an mir selbst

• 3. Wird der von Dir angegebene Hauptgrund auch in Zukunft wieder wichtig sein, wenn Du ein besonders gutes Diktat schreibst?

• 1 - wird nie wieder sehr wichtig sein • 2 - wird manchmal wieder sehr wichtig sein • 3 - wird oft wieder sehr wichtig sein • 4 - wird immer wieder sehr wichtig sein

• 4. Erklaert dieser Grund nur, warum Du ein besonders gutes Diktat schreibst, oder ist er auch bei anderen Ereignissen wichtig, wenn Du eine gute Arbeit schreibst?

• 1 - ist nur bei diesem Ereignis wichtig • 2 - ist auch bei ein paar anderen Ereignissen wichtig • 3 - ist auch bei vielen anderen Ereignissen wichtig • 4 - ist bei allen Ereignissen wichtig

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Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und

vierter Klassen (FEESS 3-4)• (1) Teilfragebogen zur Sozialen Integration, zum Klassenklima und zum Selbstkonzept

(TF-SIKS 3-4): • Dimension Faehigkeitsselbstkonzept • - Selbstkonzept der Schulfaehigkeit (SK): "Ausmass, in dem ein Kind sich den schulischen Aufgaben gewachsen

fuehlt und seine schulischen Faehigkeiten positiv bewertet". • Dimension Sozialklima • - Soziale Integration (SI): "Ausmass, in dem ein Kind sich durch die Mitschueler und Mitschuelerinnen angenommen

fuehlt und sich selbst als vollwertiges Gruppenmitglied betrachtet". • - Klassenklima (KK): "Ausmass, in dem die Kinder der Klasse sozial angemessen und freundschaftlich miteinander

umgehen und ein gutes Verhaeltnis zueinander haben".

• (2) Teilfragebogen zur Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft, Lernfreude und Gefuehl des Angenommenseins (TF-SALGA 3-4):

• - Schuleinstellung (SE): "Ausmass, in dem ein Kind sich in der Schule insgesamt wohl fuehlt". • - Anstrengungsbereitschaft (AB): "Ausmass, in dem ein Kind bereit ist, sich auf Neues einzulassen und

Anforderungen in der Schule zu bewaeltigen, auch wenn dazu besondere Bemuehungen erforderlich sind". • - Lernfreude (LF): "Ausmass, in dem ein Kind Freude an seiner alltaeglichen schulischen Arbeit hat und mit froher

Erwartungshaltung an seine Arbeit geht". • - Gefuehl des Angenommenseins (GA): "Ausmass, in dem ein Kind sich von seinen Lehrern und Lehrerinnen

angenommen, verstanden und unterstuetzt fuehlt".