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26 LEAD digital 16_2013 FOTOS: iStockphoto; Unternehmen  K onsumenten möchten heutzutage mitreden und gehört werden. So sagte in der „TNS Digital Life Studie“ (tnsdigi- tallife.com) zum Beispiel jeder Fünfte, dass das Veröffent- lichen von Online-Kommentaren eine wirksame Methode ist, um Unternehmen zu beeinflussen. Und jeder dritte Internet-Nutzer in Deutschland hat schon einmal einen Kommentar zu Marken oder Produkten im Internet gepostet. Communitys, die wir für Market Research einsetzen, kommen denen der „freien“ Social-Media-Welt so nah wie möglich, auch wenn sie konstruiert sind: Die Personen werden nach vorgegebe- nen Kriterien ausgewählt, das heißt, sie sind in der Regel einer de- finierten Zielgruppe zugehörig. Darüber hinaus gibt es für die Community-Mitglieder keine freie emenwahl, sondern es wer- den vom Auftraggeber vorgegebene Inhalte und Fragestellungen diskutiert und vom Marktforschungsdienstleister moderiert. Die technische Plattform der Community bietet dabei vielfältige Möglichkeiten des Austauschs: von tagebuchähnlichen Blogeinträ- gen über interaktive Diskussionsforen oder Live-Chats, Multime- dia-Uploads, Tagebücher, Quick-Polls bis hin zu Co-Creation-For- maten. Da es sich bei den Communitys immer um geschlossene Gruppen auf geschützten Servern handelt, können hier auch heik- lere emen diskutiert werden, die nicht direkt in die Öffentlich- SUSANNE KLAR Im Digital Centre bei TNS Infratest ist Susanne Klar Associate Director. Das Digital Centre ist zuständig für die Entwicklung neuer Ansätze zur Online- Verhaltensforschung, Online-Werbewir- kung und Marktforschung Web 2.0. Susanne Klar ist hier unter anderem verantwortlich für die Weiterentwicklung von Research-Community-Ansätzen, die sowohl im Business-to-Consumer- (B to C), aber auch im Business-to- Business-Umfeld (B to B) tiefgehende Insights generie- ren können. DIREKTER ZUGANG ZUM KUNDEN Der Einsatz von Social-Media-Plattformen ist auch für die Marktforschung ein attraktives Tool. Doch die Nutzung des Webs per se ist kein Allheilmittel für eine bessere Forschung, wie Susanne Klar und Sandra Borth-Michael im ersten Teil ihrer zweiteiligen Serie zeigen. serie marktforschung (1/2) EINSATZ VON SOCIAL COMMUNITYS

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 Konsumenten möchten heutzutage mitreden und gehört werden. So sagte in der „TNS Digital Life Studie“ (tnsdigi-tallife.com) zum Beispiel jeder Fünfte, dass das Verö� ent-

lichen von Online-Kommentaren eine wirksame Methode ist, um Unternehmen zu beein� ussen. Und jeder dritte Internet-Nutzer in Deutschland hat schon einmal einen Kommentar zu Marken oder Produkten im Internet gepostet.

Communitys, die wir für Market Research einsetzen, kommen denen der „freien“ Social-Media-Welt so nah wie möglich, auch wenn sie konstruiert sind: Die Personen werden nach vorgegebe-nen Kriterien ausgewählt, das heißt, sie sind in der Regel einer de-� nierten Zielgruppe zugehörig. Darüber hinaus gibt es für die Community-Mitglieder keine freie � emenwahl, sondern es wer-den vom Auftraggeber vorgegebene Inhalte und Fragestellungen diskutiert und vom Marktforschungsdienstleister moderiert.

Die technische Plattform der Community bietet dabei vielfältige Möglichkeiten des Austauschs: von tagebuchähnlichen Blogeinträ-gen über interaktive Diskussionsforen oder Live-Chats, Multime-dia-Uploads, Tagebücher, Quick-Polls bis hin zu Co-Creation-For-maten. Da es sich bei den Communitys immer um geschlossene Gruppen auf geschützten Servern handelt, können hier auch heik-lere � emen diskutiert werden, die nicht direkt in die Ö� entlich-

SUSANNE KLAR

Im Digital Centre bei TNS Infratest ist Susanne Klar Associate Director. Das Digital Centre ist zuständig für die Entwicklung neuer Ansätze zur Online-Verhaltensforschung, Online-Werbewir-kung und Marktforschung Web 2.0. Susanne Klar ist hier unter anderem verantwortlich für die Weiterentwicklung

von Research-Community-Ansätzen, die sowohl im Business-to-Consumer- (B to C), aber auch im Business-to-Business-Umfeld (B to B) tiefgehende Insights generie-ren können.

DIREKTER ZUGANG ZUM KUNDENDer Einsatz von Social-Media-Plattformen ist auch für die Marktforschung ein attraktives Tool. Doch die Nutzung des Webs per se ist kein Allheilmittel für eine bessere Forschung, wie Susanne Klar und Sandra Borth-Michael im ersten Teil ihrer zweiteiligen Serie zeigen.

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Nacht über Fragestellungen schlafen, um sie durch wei-tere Gedanken und Einschätzungen zu ergänzen.

Im Gegensatz zu einer klassischen Gruppendiskus-sion kann jeder Teilnehmer am eigenen Computer ar-beiten, sodass Stimulusmaterial – wie zum Beispiel Konzepte – direkt am Bildschirm von jedem Teilneh-mer individuell bearbeitet werden kann. Jeder kann beispielsweise seine Meinung zu guten oder schlechten Inhalten direkt auf einem Konzept markieren und di-rekt kommentieren. Sogenannte „Heat Maps“ als Dar-stellung der am häu� gsten genannten Elemente setzen diese Beurteilungen dann sehr eingängig visuell um.

JE NACH FORSCHUNGSZIEL ABWÄGENDie vielen genannten Vorteile machen trotzdem On-line-Communitys nicht per se besser als klassische qua-litative Marktforschungsmethoden. Es muss jeweils mit Blick auf die Forschungsziele abgewogen werden, welche Methode im Einzelfall am besten passt. Susanne Klar/Sandra Borth-Michael, TNS Infratest

Teil 2 der Kurzserie „Marktforschung“ erscheint in

LEAD 17/2013 am 21. August. Thema: „Motivation

von Test-Teilnehmern“.

keit gelangen sollen. Zeitlich sind den Communitys keine Grenzen gesetzt. Die Dauer einer Community hängt davon ab, welche � e-men in welcher Komplexität und Intensität erforscht werden sol-len. Bereits sehr kurzfristige Communitys über einige Tage oder wenige Wochen liefern wertvolle Ergebnisse. Langfristig aufgesetz-te Communitys, die auch mehrere Jahre laufen können, ermögli-chen einen kontinuierlichen Kontakt zu Konsumenten, die dann mitunter sogar zu treuen Laienberatern werden können.

NICHT BESSER ALS QUALITATIVE GRUPPEN-DISKUSSIONEN – SONDERN ANDERSOnline-Communitys bieten ganz neue Möglichkeiten des Zugangs zu Kunden. Da die Teilnehmer nicht zeitlich oder räumlich an die Befragungssituation gebunden sind, lassen sich vor allem spitzere Zielgruppen leichter erreichen. Zudem be� nden sich die Teilneh-mer im Verlauf der Community in ihrer gewohnten Umgebung. Wir erreichen Konsumenten über den heimischen oder Büro-Compu-ter, aber auch unterwegs über das Smartphone oder am Tablet während des Fernsehabends auf dem Sofa. Sie können so sehr un-mittelbar über die Dinge sprechen, die für sie wichtig sind.

„Sprechen“ im Sinne einer Online-Community beinhaltet dabei auch die Möglichkeit, Aussagen durch das Hochladen eigener Vi-deos oder Fotos zu visualisieren, sodass ganz individuelle Ein-blicke in Küchen, Badezimmer, Heimwerkerprojekte, Gärten oder Büros gewährt werden. Auch Außer-Haus-Aufgaben werden gern bearbeitet: Teilnehmer werden gebeten, in Geschäfte zu gehen, oder werden auf die Suche nach Produkten, Werbung oder be-stimmten Nutzungssituationen geschickt. Durch Laufzeiten von mindestens einigen Tagen (bis zu Wochen) haben die Teilnehmer deutlich mehr Zeit für die Auseinandersetzung mit einem � ema als in klassischen Befragungssettings. Sie können sich dadurch in-tensiver mit einem � ema beschäftigen und die sprichwörtliche

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VORTEILE VON ONLINE-COMMUNITYS

• Zugang zu schwer erreichbaren/spitzen Zielgruppen einfacher möglich, da räumlich unabhängig.

• Nähe zur Lebenswelt Ihrer Kunden ermöglicht z. B. Zugang zu täglichen Routinen.

• Asynchrone Teilnahme erlaubt vertieftes Feedback und selbstbestimmte (= hoch motivierte) Teilnahme.

• Flexibler Austausch: Sie können (über den Moderator) auf Ihre Kunden direkt eingehen, z. B. Fragen beantworten und stellen.

• Vielseitige Möglichkeiten des Kontakts und der Interaktion.• Stimulierung der Kreativität Ihrer Kunden über iterative Prozesse.• Lebensnahe Einblicke durch multimediale Darstellung.

WOFÜR ONLINE-COMMUNITYS WENIGER GUT GEEIGNET SIND

• Wenn die Analyse von spontanen und nonverbalen Reaktionen besonders wichtig ist (braucht Face-to-Face-Setting).

• Wenn sofortiges und direktes Hinterfragen individueller Aussagen im Interview notwendig ist.

• Wenn direkte Interaktion, z. B. in Workshop-Settings, zielführen-der ist.

• Wenn Stimulusmaterial sehr erklärungsbedürftig ist und viele Rückfragen zu erwarten sind.

• Wenn es um sehr pragmatische, knapp umrissene Einzelfrage-stellungen geht, für die ein Community-Setting deutlich zu aufwendig wäre.

VORTEILE UND GRENZEN

SANDRA BORTH-MICHAEL

Bei TNS Infratest ist Sandra Borth-Michael Senior Qualitative Consultant.

Sie ist in dieser Rolle unter anderem verantwortlich für die Entwicklung und

Integration von Methoden der qualitativen Online-Marktforschung,

wie zum Beispiel Research-Com-munitys. Sie konzipiert seit vielen

Jahren qualitative Studien (online wie offline) und berät auf dieser Grundlage Kunden insbeson-

dere aus FMCG-, E-Commerce- und Dienst-leistungsunternehmen.

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