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20. MAI I928 KLINISCHE ~VOCI-tENSCI-IRIFT. 7. JAHRGANG. Nr. 2~ 993 Pat. machte im ganzen 8 Fieberattacken durch. Sie hatte stets 6-- 8 Stunden lang Temperaturen fiber 4 ~ ~ C. Im ]3lute konnten wir die typischen Ringe der Tertiana nachweisen. Nach Beendigung der Fieberanfiille gaben wir 4,65 g Gesamt- dosis yon Neosalvarsall, intraven6s. Die Kopfschmerzen hbrten ganz auf, und Pat. verlieg die Abteilung subjektiv vollkommen geheilt. Piinktlich am Ende des 9. Monats (22. XII. 1927) gebar sie ein lebendes, reties Kind, 50 cm lang, 26oo g schwer mit 33 cm Kopf- mnfang. Am Kinde gar keine Erscheinungen yon Lues. Sie n~thrt selbst das Kind, welches sich sch6n entwickelt. Keine Zeichen yon Lnes. Das Kind ist heute (am 8. III. I928) 2~/~ Monate alt, wiegt schon 51oo g, ist 59 cm Iang und der Kopfumfang ist anf 39 cm gestiegen. Sowohl Mutter als such Kind sind im besten Wohlbefinden, haben weder subjektive Klagen, noch objektiv (bis auf die Kranio- tabes) nachweisbare St6rungen. Trotz dieses llegativen klinischen Befundes mflssen wir auf Grund des Serum- und Liquorbefundes beide noch als behandlungs- bedtirftig bezeichnen. ]3ei der Mutter zeigt das Serum noeh stark positivell Wasser- mann und Pr~cipitationsreaktion; der Liquor Wassermann ist hingegen negativ geworden. Im Liquor ist der EiweiBgehalt noch immer erh6ht (o,25~ die Zellenzahl zwar gesunken (48 pro Kubik- millimeter), doctl noch wesentlich vermehrt, sowohl die Globulin- reaktionen als auch die I(olloidreaktion sehwXcher als Irfiher, jedoch beide deutlich positiv. AuI Grund dieses 13efundes und in Anbetracht der Symptom- Iosigkeit mfissen wir sagen, dab die Lues bet der Mutter aufgeh6rt hat aktiv zu sein, aber latent noch weiterbesteht; der Liquorbefund spricht eindeutig fflr die entziindliche 13eteiligung der HirnhXute. ]3ei dem Kinde ist Wassermann llnd Prdeipitatlonsreaktion sowohl im Btute als auch im Liquor negativ. Die fibrigen Reaktio- hen im Liquor deuten aber auch hier auf eine meningitische Be- teiligung. EiweiB o,35~ Zellenzahl 2 4 im Kubikmillimeter; stark positiver Pdndy; stark positiver 2Vonne-Apelt, sowie H5molysin nach WEIL-KAFKA. Die Kolloidkurve ist links normal, rechts, dem erh6hten EiweiBgehalt entsprechend, ist das Goldsol gel6st. Dem- zufolge kann angenommen werden, dab such das Kind luisch infiziert ist, wenn es allch derzeit keine klinischen Symptome zeigt. VCeder Mutter noch Kind k6nnen also als yon ihrer Lues geheilt betrachtet werden -- beide ben6tigen noch weiterer energischer antiluischer Behandlung. Trotzdem glauben wir einen unbedingten Erfolg mit der Impf- malariakur plus Neosalvarsan erreicht zu haben, da es uns gelungen ist, die Mutter dadurch symptomlos zu machen, bet dem Kinde aber dem Entwickeln kongenital luischer ]Erscheinungen durch unser -V-erfahren vorgebeugt zu habell. ]3eide FMle beweisen yon neuem die fiberaus wichtige Rolle der Serum- und Liquoruntersuchung, denn ohne die Ergebllisse dieser miiBten wit Mutter und Kind als vollkommen geheilt betrachten, was jedoch nicht der Fall ist. SVir hoffen aber, diese Heilung durch Iortgesetzte energische anti- luetische ]3ehandlung in Zukunft zu erreichen, Auch zur Frage der kongellitalen Lues liefert der beschriebene Fall einen neuen Beitrag, indem er beweist, dab der luische Neu- geborene sowohl im Serum als auch im Liquor "Wassermannnegativ sein kann llnd nur die positive H~molysinreaktion, Pleocytose, EiweiB- und Globulinvermehrnng im Liquor das Infiziertsein der HirnhXute verr~t. Nach Beendigung dieser Mitteilung nahm ich zur I~2ellntnis, dab MATUSCBKA und ROSNER in ihrem Buche: ,,Die Malariatherapie der Syphilis" erw~hnen, dab von II graviden Frauen, die Malariakur erhielten, 8 eli1 gesundes Kind, 2 ein krankes gebaren; einmal er- folgte Totgeburt. Mit dem mitgeteilten Fall wurde also, soweit ich die Literatur fibersehe, in 12 FXllen die Malariakur bet graviden Frauen angewendet und der lErfolg derselben war sehr zufrieden- stellend. Daher wlire es erwfinscht, wenn die Herren GynXkologen sich mit der Frage eingehend befassen m6chten. PRAKTISCHE SERODIAGNOSTISCHE UNTERSUCHUNGEN UND IHRE ANWENDUNG FOR DIE KLINIK. Von V. KAFKA. Aus der Serologischen Abteilung(Leitender Oberarzt: Prof. Dr. V. KAFKA) der Psychi- atrischea Universifiitsklinik und Staatskrankenanstalt Friedrichsberg in Hamburg (Direktor: Prof. Dr. WEYGANDT). \u ich der Einladung der Schriftleitung, eine Zu- sammenfassung des oben benannten Gebietes zu geben, so tue ich das mit gemischten Gefiihlen. Ist doch gerade die Laboratoriumsdiagnostik in den letzten Jahren roll mancher Seite scharf kritisiert worden; man hat yon einer ,,Labo- ratoriumsmedizin" , ,,Kaninchenmedizin" und Ahnlichem ge- sprochen. Xu solche Meinungen berechtigt sind, m6chte ich nicht ausfiihren. Hier set nur konstatiert, dab sich fast in Widerlegang der ungfinstigen Beurteilung die serodiagno- stischen Methoden in den letzten Jahren ill quantitativer und qualitativer Richtung geradezu fiberraschend entwickelt haben. Wenn wir abgrenzen wollen, was heute alles unter dem Namen serodiagnostische Untersuchung verstanden wird, so miissen wir feststellen, dab es nicht mehr m6glich ist, wie frfiher bloB die auf immunbiologischem Prinzip beruhenden SerumphXnome hier einzuordnen, sondern es hat sich gezeigt, dab so viele Beziehungen zwischen diesen Erscheinungen und denen der verschiedenen physikaiisch-chemischen Teil- gebiete bestehen, dab eine scharfe Abgrenzung untunlich ist. Als 13eispiel set nur erwiihnt, dab die heutigen Anschauungen fiber PrAcipitine, fiber die WaR. usw. sich mehr oder weniger chemischer Vorstellungei1 bedienen. Auch diirfen wit nicht, wie es im Namen liegt, hier lediglich die SerumphAnomene abhandeln; zwar wissen wir, dab das Serum nicht nut infolge seiner StabilitXt sich am besten zu jeder derartigen Unter- suchung eignet, sondern auch stets die eigentliche Fund- grube ffir die bekannten ]Erscheinungen ist, aber eine wachsende ERGEBNISSE. Reihe neuerer Ergebnisse hat uns doch gezeigt, dab viele im Serum sich abspielende Vorg~illge durch die Untersuchung des Blutplasmas ulld der Blutzellen wesentlich ergAnzt werden. Wir mfissell also llebell den immunbiologischell bis zu einem Grade atle anderen Methoden, die sich diagnostisch eingebfirgert haben, herausziehen, um ein abgerundetes 13ild zu erhalten. Dadurch entsteht aber eine groBe Ffille yon Ergebnissen, undes ist wohl nicht zu verwundern, wenn eine gewisse Subjekfivitlit in der Auswahl und Beurteilung vor- herrscht. Ich m6chte deswegen gleich bemerken, dab ich die rein allalytisch-chemischen Untersuchungsmethoden nur, soweit notwendig, streifen werde, ebenso die rein hAmato- logischen, da es zu weit Itihren wiirde, dieses durch V. SCHIL- LING neubelebte Gebiet hier ausffihrlicher zu berfihren. Erw~hnell m6chte ich nur zu diesem Gebiete, dab die sog. Ringold-Methode Bedeutung nicht erlangt hat. Die Kern- verlinderungen, die ANTONI als flit Lues spezifisch beschrieben hat, sind yon jenen, die sich bet alien Erkrankungen finden, die mit einer Linksverschiebung des neutrophilen Bildes einher- gehen, bisher nicht abgrenzbar. Es werden eingehende Unter- suchungen n6tig seill, um etwas Itir die Syphilis Brauchbares herauszufinden. Sind diese Erscheinungen wenigstens theo- retisch interessant, so sind die yon SIMoNIs als Ifir Krebs charakteristischen besehriebenen Ver~nderungen der weil3en Blutzellen, wie schon die Originalarbeit zeigt und wie jetzk yon HAGE~ ausfiihrlich bestiitigt ist, abzulehnen. Gehen wir nun zu unserem eigentlichen Gebiet fiber, so wollen wir gewissermaBen als Ausgangspunkt das Fahrliussche Ph~inomen betrachten, dann die Zeit der Blutgerinnung kurz streifen, hierauf auf die Plasmauntersuchungen eingehen und dann die Serumerscheinungen besprechen, woselbst wir zuerst die physika!isch-chemischen und rein chemischen, dann die fermentchemischen, hierauf die immunbiologischen, schlieBlich die Ulltersuchungen auf Hormone berfihren wollem

Serodiagnostische Untersuchungen und Ihre Anwendung Für die Klinik

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20. MAI I928 K L I N I S C H E ~ V O C I - t E N S C I - I R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . 2~ 993

Pat. machte im ganzen 8 Fieberattacken durch. Sie hat te stets 6-- 8 Stunden lang Temperaturen fiber 4 ~ ~ C. Im ]3lute konnten wir die typischen Ringe der Tertiana nachweisen.

Nach Beendigung der Fieberanfiille gaben wir 4,65 g Gesamt- dosis yon Neosalvarsall, intraven6s. Die Kopfschmerzen hbrten ganz auf, und Pat. verlieg die Abteilung subjektiv vollkommen geheilt.

Piinktlich am Ende des 9. Monats (22. XII . 1927) gebar sie ein lebendes, reties Kind, 50 cm lang, 26oo g schwer mit 33 cm Kopf- mnfang. Am Kinde gar keine Erscheinungen yon Lues. Sie n~thrt selbst das Kind, welches sich sch6n entwickelt. Keine Zeichen yon Lnes. Das Kind ist heute (am 8. III. I928) 2~/~ Monate alt, wiegt schon 51oo g, ist 59 cm Iang und der Kopfumfang ist anf 39 cm gestiegen.

Sowohl Mutter als such Kind sind im besten Wohlbefinden, haben weder subjektive Klagen, noch objektiv (bis auf die Kranio- tabes) nachweisbare St6rungen.

Trotz dieses llegativen klinischen Befundes mflssen wir auf Grund des Serum- und Liquorbefundes beide noch als behandlungs- bedtirftig bezeichnen.

]3ei der Mutter zeigt das Serum noeh stark positivell Wasser- mann und Pr~cipitationsreaktion; der Liquor Wassermann ist hingegen negativ geworden. Im Liquor ist der EiweiBgehalt noch immer erh6ht (o,25~ die Zellenzahl zwar gesunken (48 pro Kubik- millimeter), doctl noch wesentlich vermehrt, sowohl die Globulin- reaktionen als auch die I(olloidreaktion sehwXcher als Irfiher, jedoch beide deutlich positiv.

AuI Grund dieses 13efundes und in Anbetracht der Symptom- Iosigkeit mfissen wir sagen, dab die Lues bet der Mutter aufgeh6rt hat aktiv zu sein, aber latent noch weiterbesteht; der Liquorbefund spricht eindeutig fflr die entziindliche 13eteiligung der HirnhXute.

]3ei dem Kinde ist Wassermann llnd Prdeipitatlonsreaktion sowohl im Btute als auch im Liquor negativ. Die fibrigen Reaktio- hen im Liquor deuten aber auch hier auf eine meningitische Be- teiligung. EiweiB o,35~ Zellenzahl 2 4 im Kubikmillimeter; stark positiver Pdndy; stark positiver 2Vonne-Apelt, sowie H5molysin

nach WEIL-KAFKA. Die Kolloidkurve ist links normal, rechts, dem erh6hten EiweiBgehalt entsprechend, ist das Goldsol gel6st. Dem- zufolge kann angenommen werden, dab such das Kind luisch infiziert ist, wenn es allch derzeit keine klinischen Symptome zeigt.

VCeder Mutter noch Kind k6nnen also als yon ihrer Lues geheilt betrachtet werden -- beide ben6tigen noch weiterer energischer antiluischer Behandlung.

Trotzdem glauben wir einen unbedingten Erfolg mit der Impf- malariakur plus Neosalvarsan erreicht zu haben, da es uns gelungen ist, die Mutter dadurch symptomlos zu machen, bet dem Kinde aber dem Entwickeln kongenital luischer ]Erscheinungen durch unser -V-erfahren vorgebeugt zu habell.

]3eide FMle beweisen yon neuem die fiberaus wichtige Rolle der Serum- und Liquoruntersuchung, denn ohne die Ergebllisse dieser miiBten wit Mutter und Kind als vollkommen geheilt betrachten, was jedoch nicht der Fall ist.

SVir hoffen aber, diese Heilung durch Iortgesetzte energische anti- luetische ]3ehandlung in Zukunft zu erreichen,

Auch zur Frage der kongellitalen Lues liefert der beschriebene Fall einen neuen Beitrag, indem er beweist, dab der luische Neu- geborene sowohl im Serum als auch im Liquor "Wassermannnegativ sein kann llnd nur die positive H~molysinreaktion, Pleocytose, EiweiB- und Globulinvermehrnng im Liquor das Infiziertsein der HirnhXute verr~t.

Nach Beendigung dieser Mitteilung nahm ich zur I~2ellntnis, dab MATUSCBKA und ROSNER in ihrem Buche: ,,Die Malariatherapie der Syphilis" erw~hnen, dab von II graviden Frauen, die Malariakur erhielten, 8 eli1 gesundes Kind, 2 ein krankes gebaren; einmal er- folgte Totgeburt. Mit dem mitgeteilten Fall wurde also, soweit ich die Literatur fibersehe, in 12 FXllen die Malariakur bet graviden Frauen angewendet und der lErfolg derselben war sehr zufrieden- stellend. Daher wlire es erwfinscht, wenn die Herren GynXkologen sich mit der Frage eingehend befassen m6chten.

P R A K T I S C H E

SERODIAGNOSTISCHE UNTERSUCHUNGEN U N D IHRE ANWENDUNG FOR DIE KLINIK.

Von V. KAFKA.

Aus der Serologischen Abteilung (Leitender Oberarzt : Prof. Dr. V. KAFKA) der Psychi- atrischea Universifiitsklinik und Staatskrankenanstalt Friedrichsberg in Hamburg

(Direktor : Prof. Dr. WEYGANDT).

\ u ich der E in l adung der Schr i f t le i tung, eine Zu- s amm enfa s sung des oben b e n a n n t e n Gebietes zu geben, so tue i c h das mi t gemisch ten Gefiihlen. I s t doch gerade die Labo ra to r iumsd iagnos t i k in den le tz ten J ah ren ro l l m a n c h e r Seite scharf kr i t i s ie r t worden ; m a n h a t yon einer , ,Labo- r a t o r i u m s m e d i z i n " , , ,Kan inchenmed iz in" und Ahnlichem ge- sprochen. Xu solche Meinungen be rech t ig t sind, m6ch te ich n ich t ausfi ihren. Hier set nur kons ta t i e r t , dab sich fas t in Wider l egang der ungfinst igen Beur te i lung die serodiagno- s t i schen M e thoden in den le tz ten J a h r e n ill q u a n t i t a t i v e r und qua l i t a t ive r R i c h t u n g geradezu f iber raschend en twicke l t haben .

W e n n wir abgrenzen wollen, was heu te alles u n t e r dem N a m e n serodiagnost i sche U n t e r s u c h u n g v e r s t a n d e n wird, so miissen wir feststel len, dab es n i ch t m e h r m6gl ich ist, wie frfiher bloB die auf immunbio log i schem Pr inz ip b e r u h e n d e n SerumphXnome hier e inzuordnen, sondern es h a t sich gezeigt, dab so viele Bez iehungen zwischen diesen E r sche inungen u n d denen der ve rsch iedenen phys ika i i sch-chemischen Teil- gebiete bes tehen , dab eine scharfe Abgrenzung un tun l i ch ist. Als 13eispiel set nur erwiihnt , dab die heu t igen A n s c h a u u n g e n fiber PrAcipitine, fiber die W a R . usw. sich m e h r oder weniger chemischer Vorstellungei1 bedienen. Auch di i rfen wi t n ich t , wie es im N a m e n liegt, h ier lediglich die Se rumphAnomene abhande ln ; zwar wissen wir, dab das Serum n ich t n u t infolge seiner Stabil i tXt sich a m bes ten zu jeder de ra r t igen Un te r - suchung eignet, sondern auch s te ts die eigent l iche F u n d - grube ffir die b e k a n n t e n ]Erscheinungen ist, aber eine wachsende

ERGEBNISSE. Reihe neuerer Ergebnisse h a t uns doch gezeigt, dab viele im Serum sich absp ie lende Vorg~illge durch die U n t e r s u c h u n g des B lu tp l a smas ulld der Blutzel len wesent l ich ergAnzt werden.

Wi r mfissell also llebell den immunbiologischel l bis zu e inem Grade atle ande ren Methoden , die sich d iagnos t i sch e ingebfi rger t haben , herausz iehen , u m ein abge runde te s 13ild zu erhal ten . D ad u rch e n t s t e h t aber eine groBe Ffille y o n Ergebnissen , u n d e s is t wohl n i ch t zu ve rwundern , wenn e ine gewisse Subjekf iv i t l i t in der Auswahl und Beur te i lung vor - he r r sch t . I ch m6ch te deswegen gleich bemerken , dab ich die rein a l la ly t i sch-chemischen U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e n nur , soweit no twendig , s t re i fen werde, ebenso die re in hAmato- logischen, da es zu wei t I t ihren wiirde, dieses du rch V. SCHIL- LING neube leb te Gebie t h ier ausff ihrl icher zu berf ihren . Erw~hnel l m6 ch t e ich nu r zu d iesem Gebiete , d a b die sog. R ingo ld -Methode B e d e u t u n g n ich t e r lang t ha t . Die K e r n - ver l inderungen, die ANTONI als flit Lues spezifisch beschr ieben ha t , s ind yon jenen, die sich bet al ien E r k r a n k u n g e n f inden, d ie m i t einer L inksve r sch iebung des neu t roph i l en Bildes e inher - gehen, bisher n i ch t abgrenzbar . Es werden e ingehende U n t e r - suchungen n6t ig seill, u m e twas Itir die Syphil is B r a u c h b a r e s herauszuf inden . Sind diese E r sche inungen wenigs tens theo- re t i sch in te ressan t , so s ind die yon SIMoNIs als Ifir K r e b s cha rak te r i s t i s chen besehr i ebenen Ver~nde rungen der weil3en Blutzellen, wie schon die Or ig ina larbe i t zeigt und wie je tzk yon HAGE~ ausfi ihrl ich bes t i i t ig t ist , abzulehnen .

Gehen wir n u n zu unse rem eigent l ichen Gebiet fiber, so wollen wir gewissermaBen als A u s g a n g s p u n k t das Fahr l iussche Ph~inomen be t r ach t en , d a n n die Zei t de r B lu tge r i nnung k u r z streifen, h ie rauf auf die P l a s m a u n t e r s u c h u n g e n e ingehen und d a n n die Se rumersche inungen besprechen , wose lbs t w i r zuers t die phys ika! i sch-chemischen und rein chemischen, d a n n die f e rmen tchemischen , h ie rauf die immunbio log i schen , schlieBlich die Ul l t e r suchungen auf H o r m o n e berf ihren wol lem

994 K L I N I S C H E " W O C H E N S C H R I F T . 7. J A H R G A N G , Nr. 21 20. MAI 1928

Ein weiterer Tall soil die diagnostische Bedeutung der Unter- suchungsergebnisse bei einzelnen Krankheiten illustrieren.

Das Fahrdussche Phdnomen als Grundlage zu nehmen, ist auch deswegen berechtigt, weil sein Ausfall die allgemeinste Antwort gibt: normal -- gesund, beschleunigte Senkungs- geschwindigkeit -- krank. Freilich ist dies praktisch nur cum grano salis zu nehmen, denn geringe Beschleunigung der Senkungsgeschwindigkeit kann ohne klinisch manifeste Er- krankung auf dem Boden einer abnormen Konstitution z. B. vorhanden sein. Ftir jede stArkere Beschleunigung aber gilt das eben Gesagte, und zwar zeigen sie in erster Linie Ent- zfindungsvorgAnge, aber auch sog. endogene Prozesse, z. B. Stoffwechselst6rungen, an. Freilich ist hier die Beschleuni- gung m e i s t geringer.

Im Blutstropfen oder kleineren Blutmengen, ohne Zu- satz yon gerinnungshemmenden Mitteln, kSnnen wir die Blutgerinnungszeit studieren. Ffir die Praxis exakte Werte erh~lt man mit dem Apparat yon BORKER. Die klinische Bedeutung dieser Untersuchung allein ist gering, sie wird noch manchmal zur Differenzierung von Hyper- und Hypo- funktionen der Schilddrfise verwendet, ist aber auch hier nicht immer zuverlgssig.

LAI3t man jedoch im ungerinnbar gemachten Blute die roten BlutkSrperchen absetzen oder zentrifugiert sie ab, so erhAlt man das Blutplasma, in dem sich das Fibrinogen ge- 15st belindet. Das Blutplasma kann Minisch in zweierlei verwendet werden: zur Feststellung der Art der Fibrin- ilockung und der lVIenge des Fibrins. Erstere -- eine sog. Labilit~itsreaktion nach SACHS und OETTINGER -- wird am besten dutch den Reihenversuch mit konzentrierter Koch- salzl6sung vorgenommen, letztere durch den Zentrifugier- versuch, wie ihn SAMSON in meinem Inst i tut studiert hat. Die Flockungsprobe als Labilitgtsreaktion ist eigentlich nut yon praktischer Bedeutung iln Vergleich zum Fahrgus- Phgnomen, weil hier F. GEORGI Beziehungen zum epilep- tischen Anfall gefunden. Die quanti tat ive Fibrinprobe geht mit der Senkungsgeschwindigkeit fast parallel und grenzt an ihr diagnostisches Gebiet.

Das Blut teilt sich nach seiner Gerinnung bekanntlich in Serum einerseits, andererseits in den Blutkuchen, der aus dem geronnenen Fibrinogen und den Blutk6rperchen besteht. Dieser Blutkuchen ist auch diagnostisch verwendbar, indem er sich nach DOLD bei Serummangel unter besonderen Kautelen zur WaR. verwenden 1ABt, auch ftir die Blutgruppenbestim- mung kann man die Blutk6rperchen zur Not aus dem Blut- kuchen gewinnen. Das Serum 1Al3t sich nach allen Richtungen hin diagnostisch bearbeiten.

Schon Lichtbrechung und Z~ihigkeit wurden vielfach diagnostisch verwertet. Aus der HShe der Refraktion wurde nach REISS auf das GesamteiweiB geschlossen, eine Herab- setzung der Viscositgt sah man bei Schilddrfisenhyperfunktion, im epileptischen Anfall usw. ROHRER hat Viscosit~t und Refraktion in Kurven in Beziehung gebracht und versucht, daraus den Eiweil3quotienten des Blutserums, d. h. 'die Be- ziehung Globuline : Albumine zu berechnen. Diese Methode hat v ide Fehlerquellen, ist aber doch vielfach getibt worden. Ffir die Bestimmung des EiweiBquotienten hat man sich dann genauerer Methoden nach ROBERTSON, STARLINGER USW. bedient. Auch die anderen Eiweil3fraktionen des Serums wurden in dieser Weise bestimmt. Fast alle Autoren, in jfingster Zeit BAER, LEWlN USW. sind daffir eingetreten, dab diese Bestimmungen yon wesentlicher praktischer Bedeutung

:sind. LEENDERTZ ist ffir die Bestimmung des Labiglobulin Serumprotein"

Quotienten eingetreten, dutch den er wichtigere diagnostische Anhaltspunkte zu erhalten glaubte, als durch die Senkungs- geschwindigkeit und den Eiwei l3quot ienten. Er sah die h6chsten Werte bei Infektionskrankheiten und bediente sich t ier Methode auch ats Gradmesser ffir die AktivitAt, den Sitz und Umfang einer Tuberkulose.

Auch ]ermentchemische Untersuchungen des Serums sind diagnostisch verwendet worden, wenn freilich dieses Gebiet noch im Anfang ist. Hier ware der Abderhalden-Reaktion zu

gedenken, unabhAngig davon, ob man s ich die betreffenden l<6rper als F e r m e n t e vorstellt oder nicht. Die Methodik der Abderhalden-Reaktion ist noch nicht endgfiltig geklArt, trotz vielfacher Versuche, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Als beste Methode erscheint uns immer noch das Dialysierverfahren, daneben vielleicht die Alkoholsnbstrat- methode nach Li)TTGE und yon ME RTZ, wenn auch yon der interferometrischen Methode vim Lobendes gesagt worden ist. Im Vordergrund der Bearbeitung und der Diskussion stehen zwei Kategorien von Methoden : die Substrat- und die Extrakt~ methoden. Es ist mSglich, daB, wie LOESCHKE und LEHMANN- FAClUS annehmen, durch die Substratmethode andere Teile des gleichen Vorganges dargestellt werden, als durch die Extraktmethode. Letztere ist gerade durch die Arbeiten yon Li)TTGE und MERTZ sowie LOESCHKE und LEHMANN-FACIUS sehr gef6rdert worden; aber anch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die PrAcipitationsreaktion der letzt- genannien Autoren hat viel Anklang gefunden, z. B. zur Tuberkulosediagnostik (BUDDE). Im allgemeinen ist ffir das ganze Gebiet zu sagen, dab die Abderhalden-Reaktion sehr empfindlich ist und dab sie nicht nur Prozesse, sondern auch Konstitutionsanomalie n anzeigt. Aus dem Abbau im Reagens- glas dar] nieht auJ den Abbau im KSrper geschlossen werden. Eine diagnostische Verwendung darf daher nur sehr vor- sichtig und auf bestimmte Fragestellungen hin erfolgen. Viel weitergehend ist die therapeutische Brauchbarkeit be- s0nders auf dem Gebiete der Organtherapie. Die Bearbeitung der antitryptischen Serumwirkung, deren Ursache noch heute nicht geklArt ist, ist mehr in den Hintergrund ge- treten.

Gehen wir nun zu der sog. immunbiologisehen Reaktion fiber, so wAre der Agglutinations- und PrAcipitationsphAnomene zu gedenken. Von neueren Erscheinungen der Bakterien- agglutination ware der Weil-Felixschen Reaktion ErwAhnung zu tun, die sich ja in der Fleckfieberdiagnostik einen bleiben- den Platz erobert hat. Der Zellagglutination aber ist in der Landsteinerschen Reaktion ein Gebiet entstanden, das immer mehr bearbeitet wird. Es ist hier nicht der Platz, das PhAnomen d e r Blutgruppen zu erklAren; ihre praktische t3edeutung bei der Bluttransfusion in f0rensischen, konsti- tutionspathologischen und rassepathologischen Fragen ist bekannt. Die PrAcipitation hat sich ebenfalls in der Serologie eingebfirgert als Reaktion zur empfindlichen Erkennung yon Eiweigk6rpern. Hier sind eine groBe Reihe von Frage- stellungen bearbeitet worden, und zwar neben den forensischen theoretische, wie z. B. der Stammbaum des Pflanzenreiches durch MEZ.

Das PhAnomen der HAmolyse ist als solches und als Indicator ffir andere biologische Erscheinungen t~igliches Brot des Laboratoriums. Im Serum ist mit einfachen Methoden vielfach nach dem Vorhandensein des Eigenkomplements und Immunamboceptors gefahndet worden. Arbeiten yon ELIAS13ERG, WEIL, KAFKA, POPOFF, HIERONYMUS, ROSSLE, V. LANDMANN haben hier manches Interessante quoad Neurologie und Luespathologie gebracht. Die Bakterolyse ist als diagnostische Erscheinung mehr in den Hintergrund getreten.

Die Komplementbindungsreaktion ist dominierend ge- worden. Die Reaktion nach WASSERMANN ist mit all ihren Modifikati0nen noch heute ffir die Luespathologie unentbehr- lich. Aber auch ffir die Diagnostik de r chronischen GonorrhSe (Mf2LLER und OPPENI~EIM, BRUCK), der Tuberkulose (CAL- METTE, BESREDKA, WASSERMANN) und Eehinokokkenerkran- kungen (WEINBERG, GHEDINI) ist die Komplementbindungs- reaktion bedeutungsvoll.

An die WaR. haben sich als erggnzende und einen Teil des Vorganges i n anderer Form erfassende Methoden die Flockungs- und Trfibungsreaktion angeschlossen (SACHS und GEORGI, MEINICKE, I)OLD, BRUCK, VERNES, KAHN, HERROLD, DREYER-WARD U. a . ) , die freilich schon heute auch auBerhalb der Syphilisdiagnostik Verwendung linden.

Das Gebiet der Zukunft stetlen die Hormonuntersuchungen dar. Das Schilddrfisenhormon, das Ovarialhormon, das Hypo- physenvorder- und -hinterlappenhormon 1Al3t sich anscheinend

mo. MAI 1928 I ( L I N I S C H E " W O C H E N S C I K

schon heute in den K6rpersAften nachweisen. Ffir praktisch- diagnostische Zwecke ist aber meist die Methodik zu kom- pliziert.

Neben den erwAhnten sind eine ungemein groBe Anzahl anderer serodiagnostischer Methoden mitgeteil t worden, die aber zum grogen Tell noch nicht erprobt und in ihren theo- retischen Voraussetzungen undurchsichtig sind. Die an- erkannten serodiagnostischen Methoden ordnen sich ein in dos groBe Gebiet der Laboratoriumsmethoden und sollen die andersartigen Ergebnisse, z. B. die mikroskopischen, hAmatologischen, kulturellen und die Befunde der anderen K6rperflfissigkeiten (Urin, Liquor usw.) ergAnzen. Fiihrend muff abet immer der klinische Be/und sein.

Wenn wir nun kurz zusammenfassen, was die serodiagno- stischen Methoden bei einzelnen Erkrankungen leisten, so halten wit uns der l~lbersichtlichkeit halber an das Schema tier exogenen und endogenen Erkrankungen. Bei den exogenen unterscheiden wir die Infektionen und Intoxikationen, bei den endogenen in erster Linie endokrine, allergische und reine Stoffwechselkrankheiten. Dann wAren noch Neubildungen zu er6rtern.

Bevor wir nun kurz zusammenfassen, was die serodiagno- stischen Methoden bei einzelnen Erkrankungen leisten, seien zwei Dinge vorher besprochen. Es ist nicht ilnlner leicht, eine scharfe Grenze zwischen der Deutung ,,normal" und ,,pathologisch" zu ziehen. Zwar ist dies bei den meisten ImmunitAtsreaktionen leicht, doch finden sich hier auch schon Ausnahmen: ich erinnere z. B., dal3 bei der WaR. Tendenz zu schwach positiven Reaktionen schon be i physiologischen ZustAnden und anderweitigen Krankheiten vorkommen kann. 13ei anderen Reaktionen ist aber die Fragestellung schwieriger, und es bedarf grol3er Erfahrung, um die Grenze richtig zu ziehen; oft ist es sogar notwendig, dab der Unter - sucher selbst die Reaktionsergebnisse gewissermal3en eicht. Dieser Umstand ffihrt uns zu dem zweiten zu besprechenden Punkt : Wieweit beeinflussen physiologische Sehwankungen das Ergebnis der serodiagnostischen Methoden? Es ist ganz zweifellos, dab eingreifendere physioiogische Schwankungen auch VerAnderungen in den K6rpersAften herbeiffihren; f fir die psychische Erregung haben Versuche in der Hypnose das bewiesen. Es handelt sich abet meist nur um reversible physikochemische und chemische Umstellungen, durch die diagnostische Methoden weniger betroffen werden. DaB abet h ier fliel3ende l)bergAnge bis zu deutlich und mit einfachen Mitteln Wahrnehmbaren VerAnderungen des Blute s bestehen, beweist das Beispiel der Schwangerschaft. Hier haben zuerst SACHS und OETTINGER festgestellt, dab das Blutplasma durch verschiedene Mittel starker ausflockbar ist als das Normal- blur (ira Gegensatz zum Neugeborenenplasma, bei dem das umgekehrte Verhalten besteht). Es besteht also eine Ver- schiebung der grobdispersen EiweiBk6rper. Ich brauche ferner nicht hervorzuheben, dab die verschiedenen Methoden tier Abderhalden-Reaktion in einem mehr oder weniger hohen Prozentsatz d e r FAlle charakteristisch e Ver~nderungen des Blutserums aufgezeigt haben. In jfingster Zeit haben ASCH- HEIM und ZONDEK gezeigt, dab sich eine GraviditAtsdiagnose auch auf dem Wege fiber die Hormonforschung durchffihren 1ABt. Zweierlei lehren diese Ausffihrungen, dab eine Sero- diagnostik der Schwangerschaft in der besten Entwicklung ist, dab man aber andererseits bei serodiagnostischen un te r - suchungen an Schwangeren auf die besonderen VerhAltnisse Rficksicht nehmen muB.

Gehen wir nun zu den Erkrankungen iiber, so ware zu sagen, dab den Infektionen vor allem Erh6hung der Senkungs- geschwindigkeit, Vermehrung der PlasmalahilitAt und des Fibrinogengehaltes des Plasmas eigen sind. Eine Differential- d i a g n o s e i s t daher auf diesem Wege nicht m6glich. Die ~Icuten Exantheme sind, wenn wir ~vom 131utbild absehen, durch serodiagnostische Methoden nicht zu erkennen. 13el tier Diphtherie, dem Typhus und dem Tetanus fiberwiegt die bakteriologische Methode, wenngleich bei der Typhusgruppe bekanntlich die Agglutination oft diagnostisch ausschlag- gebend ist, die freilich heute an Bedeutung verloren hat.

R I F T . 7. J A H R G A N G . Nr. 2, 995

Bei den akuten infekti6sen Meningitiden ist die Liquor- untersuchung ausschlaggebend. Ffir das Fleckfieber ist be- kanntlich die Weil-Felix-Reaktion diagnostisch yon gr6Btem Werte. Bei der Schtafkrankheit sind neben dem Parasiten- nachweis die serodiagnostischen Untersuchungsergebnisse sehr wichtig, wenn sie auch bei tehlendem Parasitenbefund wegen ihrer Ahnlichkeit mit den LuesverAnderungen eine Differentialdiagnose nur per exclusionem m6glich machen. Die Grippe ist serodiagnostisch nicht zu erkennen, ebenso- wenig die epidemische Encephalitis. Die Gonorrh6e wird im akuten Stadium durch die bakteriologische Untersuchung erkannt, im chronischen evtl. durch die serol0gische.

Dies Ifihrt uns zu den chronisehen Injelctionen fiber. Wir haben geh6rt, dab bei der chronischen Gonorrh6e immer Inehr die Serodiagnostik, und zwar die Komplementbildung, an Bedeutung gewinnt (KuNnWs U. a.). Sie is t auch dominierend bei der Syphilis und Tuberkulose. l~ber die Syphilis brauchen wenig Worte verloren werden. Wir alle wissen, wie unentbehrlich die WaR. ffir die Diagnostik der Syphilis geworden ist; ergAnzend sind ihr die l~lockungs - (und Trfibungs-)Reaktionen zur Seite getreten. Die Sero- diagnostik der Tuberkulose ist in den letzten Jahren un- gemein eifrig bearbeitet worden. LANGBECKMANN hat sich auf Grund eines grogen Materials damn ausgesprochen, dab die Senkungsgeschwindigkeit unter Kautelen auch pro- gnostisch verwertbar ist; ffir die AktivitAtsdiagnose der Tuberkulose wird sie yon den meisten Autoren herangezogen. FRISCH und STARLINGER haben die StArke der Kochsalz- flockung des Blutplasmas als Magstab ffir die Orientierung fiber die AktivitAt und Prognostik einer Tuberkulose heran- gezogen. Hierher geh6ren auch die sog. LabilitAtsreaktionen Yon MATEFY, DARANYI U. a., die aber alle keine Diagnose, sondem nut einen Hinweis auf die AktivitAt des tuberkulosen Prozesses gestatten; so auch die Versuche yon Lf~TTIG, der land, dab der EiweiBquotient des Serums der AktivitAt des Prozesses entspricht. Zur Diagnostik standen daher im Vordergrund die Versuche fiber die Komplementbindung, die an die Namen CALMETTE, BESREDKA, WASSERMANN, BOQUET und NEGRE, WOLNY und PATRICK, IS[LOPSTOCK und NEUBERG U. a. geknfipft sind. Die Schwierigkeiten bestanden in der Herstellung der Antigene und in der notwendigen Vermeidung des lDbergreifens der positiven Reaktion auf eiuen Tell der SyphilisfAlle. Die neuesten Alkoholextrakte YOn KLOPSTOCK und NEUBERG erfassen 85 % der FAlle yon Lungentuberkulose, freilich aber auch lO% der Syphilis- fAlle. Um letzteres zu vermeiden, hat man mit Salzextrakten gearbeitet, die aber ungleichmABig und oft nicht stark genug wirken. PINNER wie auch I~[LOPSTOCK und IX~EUBERG halten die Komplementbindung ifir eine spezifische Reaktionl es wird gelingen, sie ihrer Fehlerquellen vollstAndig zu entkleiden. Zusammenfassend w~tre also zu sagen, dab die Komplement- bindung bei Tuberkulose etwa 8o% der F/tlle diagnostisch erfaBt; stets ist daneben die WaR. auszuffihren, und sind hier positive FAlle auszuschalten. ~Jber die AktivitAt des Prozesses belehrt am besten das Ergebnis der Senkungsgeschwindigkeit. Anzuffihren ware noch, dab BUDDE die PrAcipitinreaktion von LOESCHKE und LEHMANN-FAClUS bei Tuberkulose er- probt und sie zwar als spezifisch, aber in einer geringeren Anzahl der FAlle positiv gefunden hat als die Komplement-

. b i n d u n g . /Er empfiehlt daher die Kombination beider Reak- tionen.

Andere chronische Infektionen seien hier nicht besprochen, einerseits wegen der geringen praktischen Bedeutung, anderer- seits wegen der K0mpliziertheit de r betreffenden serodiagno- stischen Methoden.

t3ei den Intoxikationen ist es klar, dab die chemische Unter- suchung der K6rperfltissigkeiten wesentlich ist. Bei einigen, z. ]3. der 131eivergiftung, spielt auch das Blutbild eine diagno- stische Rolie. Bei chronischen Intoxikationen sind freilich neuerdings BlutverAnderungen mitgeteil t worden, die, wenn sie auch nur selten rein diagnostisch Verwertbar sind, doch ffir Therapie u. a. bedeutungsvoll werden dfirften. Ffir die chronische Alkoholvergiftung haben dies SucKow und Po:tt- LISCH, ffir den Morphinismus Iranz6sische Autoren gezeigt.

996 K L I N I S C H E ~ V O C H E N S C H R I F T . 7- J A H R G A N G . Nr. 21 20. MAI x92S-

Die endogenen Erkrankungen sind natfirlich durch die immunbiologischen Serumreaktionen im allgemeinen nicht erkennbar. Doch bestehen auch hier keine scharfen Grenzen mehr, worauf bier nicht eingegangen werden kann. Sen- kungsgeschwindigkeit, Kochsalzflockung des Plasmas und Fibrinogenbestimmung zeigen meist pathologische Werte, die abet nicht so hoch sind wie bei den Infektionen. Auger- dem besteht nicht jener Parallelismus zwischen den drei Reaktionen, worauf zuerst F. GEORGI hingewiesen hat, der daher die vorwiegend bei den Infektionen vorkommende Kolloidverschiebung des Plasmas als proteinogene, der ionogenen bei endogenen Erkrankungen gegeniiberstellte. Diese Ph~nomene werden vielleicht noch diagnostische Be- deutung gewinnen. Zwischen den verschiedenen Gruppen der endogenen Erkrankungen bestehen innere Beziehungen, die sich auch im humoral pathologischen Bild XuBern k6nnen.

l~ber die Serologic der endolcrinen Erkrankungen habe ich mich ausftihrlich in einem Vortrage im Hamburger Jkrzt- lichen Verein ausgesprochen. Neben dem nicht zu unter- lassenden Gasstoffwechsel und den rein chemischen Unter- suchungen kommen in Frage Blutgerinnungszeit, Viscosit~ts- bestimmung des Blutserums (evtl. auch EiweiBquotient), Kottmannsche photochemische Reaktion, Abderhalden-Reak- tion mit ihren Modifikationen, speziell auch die Loeschkesche PrXcipitinreaktion, Hormonbestimmungen. Das Blutbild er- laubt heute nicht mehr die Erkennung einer endokrinen Er- krankung oder eine Differentialdiagnose innerhalb dieses Gebietes. Die Prtifung auf Blutgerinnungszeit l~Bt manchmal die Funktion der Schilddrfise erkennen, wenn andere Fehler- quellen des Ph~nomens auszuschlieBen sind. Die Kott- mannsche Reaktion erm6glicht ebenfalls eine Funktions- diagnose der Schilddrfise wie auch ViscositXtsuntersuchung, well Herabsetzung bei Schilddrfisenhyperfunktionen haupt- s~chlich vorkommen. Die Abderhalden-Reaktion zeigt oft die erkrankten Drtisen an, wobei jedoch einschri~nkend zu bemerken ist, dab sich weder immer das PrimAre der Drfisen- erkrankung erkennen l~Bt, noch die QualitAt der Funktion. Hormonuntersuchungen scheinen hier weiter f6rdern zu k6nnen (Acetonitrilreaktion in der Modifikation nach STRAUB, Kaulquappenversuch, Beeinflussung des 6strischen Zyklus der kastrierten weil3en Maus usw.); sie sind aber gr6Btenteils heute noch zu kompliziert.

Die allergischen Krankheiten werden durch eine ~hnliche Serumanalyse zwar nicht diagnostiziert, aber oft pathogene- tisch und therapeutisch gef6rdert.

Die reinen Stoffwechselkrankheiten, bei denen die rein chemischen Untersuchungen ja diagnostisch ausschlaggebend sind, werden ebenfalls nach vielen Richtungen, wie gerade neuere Arbeiten zeigen, durch die Serumanalyse, wie sie bei den endokrinen Erkrankungen geschildert ist, nach vieler Richtung hin gekl~rt.

Eine besondere Stellung nehmen die 2geubildungen ein, Krankheiten, an deren serologischer Erforschung j a aufs eitrigste gearbeitet wird. Beziiglich des Carcinoms haben KAMINER und FREUND vor kurzem in zwei Schriften dieses Gebiet ausftihr-

lich bearbeitet. Sie betonen, dab Ver/~nderungen des ]3lutes vielfach beschrieben worden sind, ohne dab sic diagnostische Bedeutung erlangt haben. I(AHN hat bekanntlich eine Ver-- /~nderung des Albumins A als spezifisch fiir das Carcinom angesehen. Von Bedeutung ist die Freund-Kaminersche cytolytische Reaktion, die jedoch ziemlich kompliziert ist, auch in der Form der Schutz- und Trtibungsreaktion. Dem Normalserum wohnt n~mlich ein L6sungsverm6gen fiir Krebs- zellen inne, das dem Krebsserum fehlt, ja das Carcinom- serum besitzt sogar ein aktives Schutzverm6gen ftir die Carcinomzelle. Die Triibungsreaktion ist insofern inter- essant, als sie wieder Beziehungen zu den sog. Ex t r ak t - reaktionen als Modifikationen der Abderhalden-Reaktion hat. Wird ein Kochsalzextrakt yon Carcinom mit Carcinomserum zusammengebracht, so entsteht Pr/~cipitation. Mit der ersteren beider Reaktionen hatten F~EUND und I(AMINER nur 12 % Fehlresultate.

Man hat friiher gemeint, dab auch die Antitrypsinreaktion die Neubildungsdiagnose erleichtere, aber bei dem h/~ufigen Vorkommen dieser Diagnose ist das nicht der Fall. Die Frage der Verwendung der anaphylaktischen Reaktion zur Krebs- diagnose, die besonders yon PFEIFER und FINSTERER bejaht wurde, ist leider mit Pessimismus zu beurteilen. Die Meio- stagminreaktion nach M. AscoLI und IZAR (Antigene und Anti- k6rper vermehren die Tropfenzahl) ist zwar bei malignen Tumoren verwendbar, die Autoren selbst haben aber auch positive Reaktionen bei Diabetes, Tuberkulose, Pneumonie, Lebercirrhose und Schwangerschaft gefunden. Neben der Freund-Kaminerschen Reaktion ist daher trotz aller Fehler- quellen die Abderhalden-Reaktion die geeignetste sero- diagnostische Reaktion. Best~tigt wird dies durch die gfin- stigen Ergebnisse, die LO~SCHKE mit seiner Prltcipitations- reaktion hatte.

Diese l~bersicht, die durchaus nicht alle Erkrankungen und alle wertvollen serodiagnostischen Untersuchungen ent- h/ilt, zeigt, wie groB und kompliziert das Gebiet geworden ist und dab sich heute nut ein Durehschnitt dutch zum Teil noch in der Entwicklung Begriffenes geben liiBt. Auch muB, wie schon betont, die Serodiagnostik in innigster Ftihlungnahme mit den Laboratoriumsmethoden bleiben und sich der Klinik stets unterordnen.

Zwei Dinge seien zum Schlusse noch gesagt. Eine er- sprieBliche Serodiagnostik kann sich nur entwickeln, wenn Kliniker und Untersucher stets im Kontakte bleiben und sich gegenseitig zu f6rdern streben. Nur dann kann eine Ein- seitigkeit vermieden werden. Notwendig ist aber auch, dab der Untersucher fiber den weiteren klinischen Verlauf des Falles unterrichtet wird; nut dann kann er Erfahrungen sammeln und beh~lt das lebendige Interesse ftir die Praxis.

Meine Zusammenstellung m6ge gezeigt haben, dab auch die Serodiagnostik als wissenschaftlich und praktisch gleich wichtiges Teilgebiet der Medizin sich ungehindert entwickeln muB, und das kann sie nur, wenn die Kliniker ihr mi t Interesse und objektiver ]3eurteilung entgegentreten. Jede l)ber- und Untersch~tzung wird ihr und damit der Klinik Schaden bringen.

REFERATENTEIL. DIE BEDEUTUNG DES RETICULOENDOTHELIAL-

SYSTEMS FOR. DAS STREPTOKOKKEN- SEPSISPROBLEM*.

V o n

Pr iva tdozen t Dr. N. LOUROS, Leiter der Wissenscbaftlichen Abteilung der Staatl. Frauenklinik Dresden

(Direktor: Prof. Dr. K. WARNEKROS).

Es ist noch Ilicht lange her, seitdem ASCHOFF und LANDAU eine Gruppe yon Zellen als ein System charakterisiert haben, Zellen, die mehr oder weniger flberall im K6rper vorkomlnen und die infolge

*Nach einem Vortrag, gehalten in der Berliner Gyn~ikol. Ges. am Io. Dezember i927.

ihrer gemeinsalnen Herkunft und Eigentiilnlichkeiten die gle!chen Funktionen auszuiiben scheinen. Diese Zellen hat man Reticulo- endothelialsystem (R.E.S.) genannt.

Ich kanI1 natiirlich hier nur in /iuBerster Ktirze daran erinnern, dab die Reticuloendothelien ]3indegewebszellen sind, die aus dem Mesenchym stammen, die aber bier die InnenflAche der Gef/~Be aus- kleiden, also endothelialen Charakter besitzen, dort als Zellen des Stt~tzger~stes der Organe aufgefunden werden. Es ist nun durch die grundlegenden Untersuchungen yon ASCHOFF, SCHITTENHELM, GOLDMANN, I{IJONO, I~UCZYNSKI, SIGMUND, DIETRICH, STANDIgNATI-I

u. a. festgestellt worden, dab die Reticuloendothelien einen regen Anteil an den Stoffwechselprozessen nehlnen und dab sie eng Init den Irnmunit~ttsverhSltnissen verbunden sind. In erster Linie f~llt