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Magazin der SRG Deutschschweiz Ausgabe 1/2012 Service-public-Debatte lanciert Seite 6 SRG Zürich Schaffhausen 12 Medien auf allen Kanälen: Eine Chance für Behörden Ombudsstelle 16 Mörgeli und Rechsteiner bei «Schawinski» SRG SSR 9 HD: Bessere Bildqualität für die SRG-Programme Bild: Keystone (Montage)

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Magazin der SRG DeutschschweizAusgabe 1/2012

Service-public-Debatte lanciert Seite 6

SRG Zürich Schaffhausen 12Medien auf allen Kanälen: Eine Chance für Behörden

Ombudsstelle 16Mörgeli und Rechsteiner bei «Schawinski»

SRG SSR 9HD: Bessere Bildqualität für die SRG-Programme

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Die Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes steht an. Im Vorfeld spalten sich die Meinungen zur Zukunft des Service public. «Edito+Klartext»-Chefredaktor Philipp Cueni macht in seinem Gastbeitrag eine Auslegeordnung und bezieht selber Position.

«Die SRG muss den Dialog suchen»

Wie geht es mit dem Service public der Srg SSr weiter?

«Die Service-public-Debatte als Reflexion über die aktuelle Programmstrategie: Die SRG kann nur gewinnen, wenn sie den Dialog offensiv angeht.» (Philipp Cueni)

«Man sollte den Service public und den Auftrag der SRG einmal grundsätzlich dis-kutieren.» Diese Aufforderung hört man aus Kreisen von Politik und Medien da und dort – und oft wird sie als «Drohung» gegen die SRG verstanden.

Tatsächlich gibt es unter dem Stichwort «Service-public-Debatte» auch Vorschläge, die grundsätzliche Kritik an der SRG üben, die die Strukturen grundlegend ändern, den Programmauftrag einschränken oder sogar die SRG massiv schwächen wollen.Trotzdem wäre es falsch, wenn die SRG diese Debatte abwehren würde. Im Gegen-teil: Die SRG ist dazu verpflichtet, dauernd zu reflektieren, was es heisst, einen Service- public-Auftrag im Bereich der elektroni-schen Medien umzusetzen. Und die Service-

public-Debatte ist eine Chance für die SRG, im Dialog mit dem Gesetzgeber und dem Publikum ihren Kurs dauernd zu überprüfen.

Keine SRG, Mittel beschränken ...?

Die Debatte zum Service public wird aus sehr unterschiedlicher Optik geführt wer-den. Hier ein Überblick der Positionen:

«Am besten keine SRG»: Diese Hal-tung vertritt zum Beispiel Gerhard Schwarz, der Direktor von Avenir Suisse: «Die konsequenteste Lösung wäre, auf eine öffentliche Fernsehanstalt ganz zu verzichten, die SRG also zu einem rein privaten Unternehmen zu machen.» Ohne öffentlichen Service geht es aber offenbar auch bei Gerhard Schwarz

nicht, denn er will «das, was man als Service public gerne dem Volk bieten möchte, bei privaten Produzenten bestellen» – und es durch den Staat bezahlen lassen.

«Die Mittel der SRG radikal be-schränken»: Diese Haltung vertritt zum Beispiel SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Durch eine massive Reduktion der Ge-bühren und der Werbemöglichkeiten soll die SRG auf ein minimales Angebot von Sendern und Programmen reduziert werden. Der Rest soll vom Markt kom-merziell angeboten werden.

«Die SRG auf einen engen Pro-grammauftrag reduzieren»: Die Be-reiche Unterhaltung und Sport sollen

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«Die Service-public-Debatte als Reflexion über die aktuelle Programmstrategie: Die SRG kann nur gewinnen, wenn sie den Dialog offensiv angeht.» (Philipp Cueni)

vom Programmauftrag abgekoppelt und kommerziell ausgeschrieben werden.

«Die SRG auf die Rolle des Pro-grammverwalters reduzieren»: Nach diesem Modell produziert die SRG allen-falls noch Nachrichten- und Infosendun-gen selbst, andere Teile des Programms würden aber ausgeschrieben und von anderen Produktionsfirmen hergestellt, durch Gebührengelder finanziert und auf den Sendern der SRG ausgestrahlt.

«Quoten-Drohung»: Falls die SRG-Pro-gramme unter eine bestimmte Einschalt-quote fallen, sei der Service public nicht mehr erfüllt und entsprechend soll die SRG dann auch weniger Gebühren er-halten.

«Konsequenteres Umsetzen der Service-public-Idee»: Diese Haltung verlangt, dass noch mehr in Programme von sehr hoher Qualität investiert werde (Information, Hintergrund, Kultur), dass auch im Unterhaltungsbereich vermehrt eigene Qualitätsformate entwickelt (statt banale ausländische Formate übernom-men) werden und dass auf extrem kom-

merzielle Programm elemente (wie z. B. Formel 1) ganz ver-zichtet werde.

Nur Angebote, die nicht vermarktbar sind?

Aus all diesen verschiedenen Positionen schält sich für die Debatte eine zentrale Frage heraus: Soll oder darf die SRG nur jene Leistungen anbieten, die nicht von kommerziellen Medienunternehmen angeboten werden? Dazu drei Thesen:

Der Markt ist ein unsicherer Wert: Was kom-merzielle Stationen an Leistungen erbrin-gen wollen, hängt einzig vom wirtschaftli-chen Erfolg ab – und ist deshalb auf Dauer nicht verlässlich. Was nicht rentiert, wird nicht produziert. Und unklar ist, was in der kleinen, viersprachigen Schweiz überhaupt durch den Markt finanziert werden kann.

Breites Programm: Ein Sender, der eine de-mokratiefördernde und gesellschaftspoliti-sche Aufgabe haben soll, muss beim Publi-kum eine breite Akzeptanz erreichen, sonst wird er zur unbeachteten Nische. Zu einem solchen Sender gehören deshalb auch populäre Programme, mit denen sich breite Publikumsschichten identifizie-ren können, also Unterhaltung und Sport.

Unterhaltung gehört zum Service public: Die Auseinandersetzung mit gesellschaft-lich relevanten Fragen findet nicht nur bei der Information, sondern auch im Unter-haltungsbereich statt. Gerade deshalb muss der Service public in diesem Be-reich zeigen, was ihn von kommerziellen Angeboten unterscheidet.

Programme fürs Publikum, aber nicht nur quotenorientiert

Nicht vergessen werden soll, dass das heu-tige Modell mehr oder weniger von einem breiten politischen Konsens getragen wird. Dies mit guten Gründen: Der Service pub-lic ist nicht dem Gewinn, nicht dem Kom-merz, sondern dem Auftrag der Bundesver-fassung verpflichtet. Dieser ist zugunsten

Politische Entscheide zum Service public Im Jahr 2012 werden verschiedene politische Vorlagen die Debatte um den Service public ankurbeln.

Medienministerin Doris Leuthard wünscht sich grundsätzlich eine breite Diskussion über den Service public im Medienbe-reich. Der Bundesrat wird im Frühling 2012 eine Vorlage zur Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) in die Vernehmlassung bringen, auf Ende Jahr wird eine entsprechende Vorlage dann ans Parlament zur Beratung überwiesen.

Im Parlament sind bereits einige Motionen im Zusammenhang mit dem Service public der SRG hängig. Vermutlich werden diese in die Diskussion um die RTVG-Re-vision einfliessen. Die Motion von Natio-nalrat Filippo Leutenegger (FDP) ver-langt, dass der Bundesrat die «unabding-baren Leistungen des Service public definiert» und abgrenze von Angeboten, die der Markt erbringen könne.

Zusätzlich animiert wird die Debatte durch das Auslandsangebot sowie über die Online-Frage: Auf Ende Frühling sieht der Bundesrat die Behandlung der Leis-tungsvereinbarung zwischen dem Bund und der SRG über das Programmangebot fürs Ausland vor. Falls sich die Verleger und die SRG nicht bis zum Frühling über das Engagement im Online-Bereich eini-gen können, wird das UVEK-Departement einen Entscheid fällen.

Die SRG selbst wird eine neue Programm-strategie vorlegen. Das hat zwar nichts mit Gesetzen oder Verordnungen zu tun. Weil diese Grundsätze zum Programm eine Interpretation und Umsetzung des Auftrags darstellen, steht damit aber auch hier der Service public zur Debatte.

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der gesellschaftlich und demokratiepoli-tisch notwendigen Leistungen formuliert – letztlich zugunsten des Publikums und der Bürgerinnen und Bürger. Was aber nicht heisst, einfach nur den Mainstream zu bedienen und sich an Quoten zu orien-tieren. Anders formuliert: Der in der Bun-desverfassung verankerte Auftrag will in den elektronischen Medien für alle Sprachregionen ein Angebot garantieren, das für die demokratische Debatte und die kulturelle Lebendigkeit der Schweiz notwendig ist, aber kommerziell nicht zu finanzieren wäre – schon gar nicht im kleinen, viersprachigen Markt der Schweiz.

Diskurs auch über die Trägerschaft führen

Die Service-public-Debatte als Reflexion über die aktuelle Programmstrategie: Die SRG kann nur ge winnen, wenn sie diesen Dialog offensiv angeht – warum nicht auch direkt im Programm? Wichtig ist auf jeden Fall, dass dieser Diskurs nicht nur mit Gremien und der Politik gefühlt wird, sondern auch mit dem Publikum – unter anderem über die Trägerschaften.

Selbstverständlich geht es nicht nur um den Dia-

log, sondern auch um den Tatbeweis.

Mit dem Pro-gramm muss die SRG belegen, warum viele Angebote nur über einen ge-

bührenfinanzier-ten Service pub-

lic möglich sind und vom Publikum

als Mehrwert geschätzt werden. Die SRG könnte

ihre Programmpolitik in diese Richtung akzentuieren und noch stärker mit speziellen, herausragenden Service-public-Leistungen auffallen. Sie könnte und sollte sich damit noch deutlicher von (ausländischen) Kommerzsendern abhe-ben, die mit ethisch fragwürdigen Forma-

ten, boulevardesken Formen, dünnen Informationsleistungen und «Marktschrei-ereien» zugegebenermassen ein grosses Publikum erreichen.

«Der Service public kann erfolg-reich sein, wenn er seine eige-nen Stärken ausspielt. Er sollte auf Qualität und hohe ethische Standards setzen und trotzdem originell und attraktiv sein.»

Wer nur Quoten vergleicht und behauptet, der Service public der SRG ziele an den Bedürfnissen des Publikums vorbei, setzt den Massstab falsch an. Beurteilt werden muss, ob die Programme der SRG gesell-schaftlich relevante Themen aufgreifen. Was etwas spröde tönt, kann auch attraktiv umgesetzt werden: Was die Menschen existenziell bewegt und gesellschaftlich relevant ist, darf durchaus auch unterhal-tend und im besten und intelligenten Sinne populär abgehandelt werden. Und es muss keineswegs bedeuten, auf Publi-kumserfolg zu verzichten. Dazu eine kleine Geschichte.

Im Jahre 2002 war Reality-TV wie «Big Brother» bei ausländischen Privatsendern der grosse Renner. Jede Woche oberfläch-licher Voyeurismus live. Da machten Filmemacher aus der Romandie dem SRG- Fernsehen einen Vorschlag: Es sollten 13 Jugendliche aus der Schweiz vom zwölften bis zum achtzehnten Geburtstag filmisch begleitet werden. Das Westschwei-zer Fernsehen ging das Risiko ein: Trotz ungewissem Ausgang des Projekts wurden auf Jahre Gelder gebunden. Und um nicht in die Falle der «Reality» zu tappen, wur-den während der ganzen Projektphase keine aktuellen Bilder gesendet.

Schliesslich wurden vier Filme zwischen 82 und 103 Minuten produziert. Das ganze Konzept widerspricht eigentlich den gängigen Fernsehformaten. Mutiges Fern-sehen mit hohen Qualitätsansprüchen? Ja! Langweilige Produktionen, die kaum je-manden interessieren? Nein! Die vier

Filme erreichten höchste Einschaltquoten.Das Beispiel zeigt, dass der Service public erfolgreich sein kann, wenn er seine eige-nen Stärken ausspielt. Er sollte auf Qualität und hohe ethische Standards setzen und trotzdem originell und attraktiv sein. Er hat die Chance, sich auf jene Leistungen zu konzentrieren, die den kommerziellen Sendern zu wenig Quote, zu viel Risiko und zu wenig Gewinn bringen.

Verteidigung des Service public wichtig

Der Service public hat in der Schweiz eine starke Tradition und eine gute Veranke-rung. Unabhängig davon, ob die Quoten einige Prozentpunkte höher oder tiefer sind, gilt es Sorge zum öffentlichen Rund-funk zu tragen. Denn abgeschafft oder aus-gehöhlt ist er schnell, und das dann meist definitiv. Aber die Alternative «Markt» ist ein unzuverlässiger Wert.

Trotzdem darf die Verteidigung des Ser-vice public nicht zum Selbstzweck, son-dern muss an Kriterien und Standards begründet werden. Für die SRG könnten das Werte sein wie gesellschaftlicher Mehrwert, Relevanz, Transparenz, Offenheit der Debatte, Fairness, Zuverlässigkeit, Un-abhängigkeit, schweizerische Perspektive, Glaubwürdigkeit, und bei allem hohe Qualität.

Philipp Cueni

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