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BUFM 56, Saile, Siedlungsarchäologische Untersuchungen zum Frühneolithikum, 43-53 43 Thomas Saile Siedlungsarchäologische Untersuchungen zum Frühneolithikum im südlichen Niedersachsen Besiedlungsgeschichte Das Weser-Harz-Gebiet war in bandkeramischer Zeit Teil der dicht besiedelten Mittelelberegion. Gleichwohl sind in diesem Raum nur wenige großflächig ausgegrabene und hinreichend ausgewertete altneolithische Siedlungen be- kannt. Die Forschungslandschaft ist vielmehr durch eine Reihe von Teilgrabungen gekennzeichnet, deren abschlie- ßende Auswertung zudem noch aussteht (z. B. Esbeck, Grone, Rössing, Rosdorf). Ebenso fehlen Überblicksdar- stellungen. Die Erarbeitung einer regionalen Periodisierung ist daher eines der großen Desiderate. Insofern kann hier bisher nur eine allgemeine zeitliche Gliederung zur Anwen- dung kommen, die lediglich zwischen früher, mittlerer und später LBK unterscheidet (Lüning 2005). Danach ent- spricht der frühen Bandkeramik die Stufe I (älteste LBK) nach W. Meier-Arendt und der mittleren die Stufe II (Flom- born, Ačkový, Zofipole); die späte LBK umfasst die Stufen III–V. Die frühe Bandkeramik dauerte von etwa 5500 bis um 5300 v. Chr., die mittlere bis 5150/5125 und die späte bis 4975/4950. Die Karten Abb. 1–2 zeigen die räumliche Verteilung der früh- sowie der mittel- bis spätbandkeramischen Sied- lungen im Weser-Harz-Raum. Bei ihrer Interpretation ist zu bedenken: Nicht alle einstigen Siedlungen sind heute be- kannt und nicht alle bekannten bestanden in den gewähl- ten Kartierungszeiträumen gleichzeitig. Insofern spiegeln die Karten die einstige Besiedlungsdynamik nur unvollstän- dig wider. Zudem lässt sich auf regionaler Skalenebene nicht entscheiden, ob altneolithische Siedlungen vorwie- gend von Zuwanderern gegründet oder hauptsächlich von Mesolithikern angelegt wurden, die das neolithische Kultur- paket bereits übernommen hatten. Die Weser-Harz-Region konnte von der bandkerami- schen Kultur auf zwei Wegen erreicht werden: das west- liche Nordharzvorland aus dem Osten über die Lössland- schaften Mitteldeutschlands, der Leinegraben aus dem Süden über die verkehrsleitende Hessische Senke. Dabei kann die Ausbreitung in die mittlere Elbregion über Mähren und Böhmen oder über den ostbayerischen Dungau erfolgt sein. Die Besiedlung der Hessischen Senke dürfte von den bandkeramischen Verbänden an Donau, Neckar und Main angeregt worden sein. Die am weitesten nach Nordwesten vorgeschobene bandkeramische Siedlungsgruppe in der Hildesheimer Börde lässt sich aus dem Leinegraben oder dem Braunschweiger Land herleiten; möglicherweise tra- fen hier auch beide Kulturströme aufeinander. Die genannten Verbreitungskarten zeigen auffällige Un- terschiede zwischen frühbandkeramischer und späterer Besiedlung. Der frühbandkeramische Grenzsaum – Hessi- sche Senke, Leinegraben und Nordharzvorland – wurde in mittelbandkeramischer Zeit noch einmal deutlich um etwa 50 km in nordwestliche Richtung vorgeschoben. Die Aus- weitung des Siedlungsgebietes ging mit einer regional ver- schiedenartig ausgeprägten inneren Kolonisation einher, die sich im Kartenbild als Verdichtung des Siedlungsnetzes zu erkennen gibt. Sie wurde von den seit frühbandkerami- scher Zeit bestehenden Pioniersiedlungen als nunmehr sekundären Neolithisierungszentren getragen (Filiations- prinzip). Während – bei unterschiedlicher Dauer der vergli- chenen Zeitscheiben – im westlichen Nordharzvorland ein Verhältnis zwischen früh- und mittel- bis spätbandkerami- schen Plätzen von etwa 1:4 festgestellt wurde (Steinmetz 2003), sind aus der nördlichen Hessischen Senke und dem Leinegraben frühbandkeramische Siedlungen nur verein- zelt, mittel- bis späterbandkeramische Plätze aber in gro- ßer Zahl bekannt. Das Zahlenverhältnis liegt hier bei etwa 1:68 (Saile 2007, 186 Tab. 1). Neben dem weitgehend einheitlichen Erscheinungsbild der frühen Bandkeramik (Cladders 2001) deuten insbeson- dere Übereinstimmungen hinsichtlich der Tonware zwi- schen Fundstellen des Nordharzvorlandes (Eilsleben, Eit- zum) und der Wetterau (Nieder-Mörlen) sowie frühen transdanubischen Inventaren auf einen schnellen Aufsied- lungsvorgang und das Fortbestehen enger Beziehungen. Die verhältnismäßig dichte frühbandkeramische Besied- lung in Mitteldeutschland (Kaufmann 1981; 1989) könnte dort auf zeitigen Beginn und lange Dauer dieser Phase hinweisen. Dies gilt vor allem für das Nordharzvorland, dessen frühbandkeramische Inventare einen besonders al- ten Eindruck machen, während die thüringischen Funde mehrheitlich einem jüngeren Abschnitt anzugehören schei- nen (Kaufmann 1981).

Siedlungsarchäologische Untersuchungen zum Frühneolithikum ... · Einsatz dieser Methode in der archäologischen Feldfor-schung erst nach deutlichen Verbesserungen in den Berei-chen

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BUFM 56, Saile, Siedlungsarchäologische Untersuchungen zum Frühneolithikum, 43-53 43

Thomas Saile

Siedlungsarchäologische Untersuchungen zum Frühneolithikum im südlichen Niedersachsen

Besiedlungsgeschichte Das Weser-Harz-Gebiet war in bandkeramischer Zeit Teil der dicht besiedelten Mittelelberegion. Gleichwohl sind in diesem Raum nur wenige großflächig ausgegrabene und hinreichend ausgewertete altneolithische Siedlungen be-kannt. Die Forschungslandschaft ist vielmehr durch eine Reihe von Teilgrabungen gekennzeichnet, deren abschlie-ßende Auswertung zudem noch aussteht (z. B. Esbeck, Grone, Rössing, Rosdorf). Ebenso fehlen Überblicksdar-stellungen. Die Erarbeitung einer regionalen Periodisierung ist daher eines der großen Desiderate. Insofern kann hier bisher nur eine allgemeine zeitliche Gliederung zur Anwen-dung kommen, die lediglich zwischen früher, mittlerer und später LBK unterscheidet (Lüning 2005). Danach ent-spricht der frühen Bandkeramik die Stufe I (älteste LBK) nach W. Meier-Arendt und der mittleren die Stufe II (Flom-born, Ačkový, Zofipole); die späte LBK umfasst die Stufen III–V. Die frühe Bandkeramik dauerte von etwa 5500 bis um 5300 v. Chr., die mittlere bis 5150/5125 und die späte bis 4975/4950.

Die Karten Abb. 1–2 zeigen die räumliche Verteilung der früh- sowie der mittel- bis spätbandkeramischen Sied-lungen im Weser-Harz-Raum. Bei ihrer Interpretation ist zu bedenken: Nicht alle einstigen Siedlungen sind heute be-kannt und nicht alle bekannten bestanden in den gewähl-ten Kartierungszeiträumen gleichzeitig. Insofern spiegeln die Karten die einstige Besiedlungsdynamik nur unvollstän-dig wider. Zudem lässt sich auf regionaler Skalenebene nicht entscheiden, ob altneolithische Siedlungen vorwie-gend von Zuwanderern gegründet oder hauptsächlich von Mesolithikern angelegt wurden, die das neolithische Kultur-paket bereits übernommen hatten.

Die Weser-Harz-Region konnte von der bandkerami-schen Kultur auf zwei Wegen erreicht werden: das west-liche Nordharzvorland aus dem Osten über die Lössland-schaften Mitteldeutschlands, der Leinegraben aus dem Süden über die verkehrsleitende Hessische Senke. Dabei kann die Ausbreitung in die mittlere Elbregion über Mähren und Böhmen oder über den ostbayerischen Dungau erfolgt sein. Die Besiedlung der Hessischen Senke dürfte von den

bandkeramischen Verbänden an Donau, Neckar und Main angeregt worden sein. Die am weitesten nach Nordwesten vorgeschobene bandkeramische Siedlungsgruppe in der Hildesheimer Börde lässt sich aus dem Leinegraben oder dem Braunschweiger Land herleiten; möglicherweise tra-fen hier auch beide Kulturströme aufeinander.

Die genannten Verbreitungskarten zeigen auffällige Un-terschiede zwischen frühbandkeramischer und späterer Besiedlung. Der frühbandkeramische Grenzsaum – Hessi-sche Senke, Leinegraben und Nordharzvorland – wurde in mittelbandkeramischer Zeit noch einmal deutlich um etwa 50 km in nordwestliche Richtung vorgeschoben. Die Aus-weitung des Siedlungsgebietes ging mit einer regional ver-schiedenartig ausgeprägten inneren Kolonisation einher, die sich im Kartenbild als Verdichtung des Siedlungsnetzes zu erkennen gibt. Sie wurde von den seit frühbandkerami-scher Zeit bestehenden Pioniersiedlungen als nunmehr sekundären Neolithisierungszentren getragen (Filiations-prinzip). Während – bei unterschiedlicher Dauer der vergli-chenen Zeitscheiben – im westlichen Nordharzvorland ein Verhältnis zwischen früh- und mittel- bis spätbandkerami-schen Plätzen von etwa 1:4 festgestellt wurde (Steinmetz 2003), sind aus der nördlichen Hessischen Senke und dem Leinegraben frühbandkeramische Siedlungen nur verein-zelt, mittel- bis späterbandkeramische Plätze aber in gro-ßer Zahl bekannt. Das Zahlenverhältnis liegt hier bei etwa 1:68 (Saile 2007, 186 Tab. 1).

Neben dem weitgehend einheitlichen Erscheinungsbild der frühen Bandkeramik (Cladders 2001) deuten insbeson-dere Übereinstimmungen hinsichtlich der Tonware zwi-schen Fundstellen des Nordharzvorlandes (Eilsleben, Eit-zum) und der Wetterau (Nieder-Mörlen) sowie frühen transdanubischen Inventaren auf einen schnellen Aufsied-lungsvorgang und das Fortbestehen enger Beziehungen. Die verhältnismäßig dichte frühbandkeramische Besied-lung in Mitteldeutschland (Kaufmann 1981; 1989) könnte dort auf zeitigen Beginn und lange Dauer dieser Phase hinweisen. Dies gilt vor allem für das Nordharzvorland, dessen frühbandkeramische Inventare einen besonders al-ten Eindruck machen, während die thüringischen Funde mehrheitlich einem jüngeren Abschnitt anzugehören schei-nen (Kaufmann 1981).

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Abb. 1: Siedlungen der frühen Linearbandkeramik und Lössverbreitung in der Weser-Harz-Region. Kartengrundlage abge-leitet aus: Bodenübersichtskarte der Bundesrepublik Deutschland 1:1.000.000 (BÜK 1000) und Digitaler Topographischer Karte 1:500.000 (DTK 500).

Aus der Hessischen Senke und dem angrenzenden Leinegraben sind bisher nur drei frühbandkeramische Siedlungen bekannt. Vermutlich setzte die bandkerami-sche Kulturentwicklung hier später als in Mitteldeutschland ein. Gleichzeitig geben Radiokohlenstoffdatierungen aus Rosdorf Hinweise auf einen frühen Beginn der mittleren Bandkeramik (Stäuble 2005). Auch wenn im Leinegraben der Übergang von der frühen zur mittleren Bandkeramik in absolutchronologischer Hinsicht noch nicht befriedigend gelöst ist, sollte man gleichwohl mit einer regional differen-zierten Ungleichzeitigkeit des Gleichartigen rechnen. Zu-

mindest en détail werden isochrone Entwicklungsmodelle dadurch in Frage gestellt.

Die enge räumliche Beziehung zwischen bandkerami-scher Siedlung und Löss ist seit der bekannten Arbeit von A. Schliz eine allgemein anerkannte Regel des altneolithi-schen Siedlungsmusters. Ihre Überprüfung auf Grundlage inzwischen erheblich verbesserter und erweiterter Geo- und Archäodaten lässt regionale Besonderheiten erkennen (Saile/Lorz 2003; 2005). Auch im Weser-Harz-Raum kam die weitere Ausbreitung der bäuerlichen Lebensweise an der agro-ökologischen Barriere der Lössgrenze zunächst

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Abb. 2: Siedlungen der mittleren bis späten Linearbandkeramik und Lössverbreitung in der Weser-Harz-Region. 1 Diemar-den 1/Klein Lengden 6, 2 Gladebeck 2, 3 Dassensen 1, 4 Dassensen 5, 5 Ebergötzen 1, 6 Gieboldehausen 1. Karten-grundlage abgeleitet aus: BÜK 1000 und DTK 500.

zum Erliegen. Auffällig ist aber, dass nicht alle verfügbaren Lössgebiete an der nördlichen Peripherie der bandkerami-schen Ökumene auch altneolithische Funde erbrachten. So klafft im lössbedeckten Nordharzvorland zwischen der Oker bei Braunschweig und der Innerste bei Hildesheim ei-ne Lücke von etwa 30 km im bandkeramischen Siedlungs-netz. In den westlich der Leine gelegenen Gebieten Nie-dersachsens (Calenberger Land) hat sich bislang keine bandkeramische Siedlungsstelle nachweisen lassen (Gehrt u. a. 2002). Bei der hinlänglichen bodendenkmalpflegeri-schen Betreuung des Gesamtraumes liegen kulturge-schichtliche Ursachen für diese Beobachtungen nahe.

Die Bewohner bandkeramischer Siedlungen besaßen sicherlich konkrete Vorstellungen über die Lage benach-barter Wohnplätze und noch unbesetzte potentielle Sied-lungskammern. Die Siedlungsleere in großen zusammen-hängenden Lössarealen könnte daher eine Erklärung in der Erschöpfung bandkeramischer Expansionskraft finden. Möglicherweise war die Bevölkerungszahl zu gering, die Kommunikation zwischen den Gruppen gestört, die meso-lithische Ablehnung des landwirtschaftlichen Kulturpaketes regional zu groß oder die Merkmalskombination der Natur-raumparameter in den unbesetzten Lösslandschaften zu ungünstig. Zudem boten kleinere Lössinseln für den Fort-

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bestand bandkeramischer Siedlungsverbände keinen aus-reichenden Wirtschaftsraum. Denn erst in Gruppen von et-wa 500 Personen sind genügend potentielle Heiratspartner vorhanden, um den Fortbestand einer Gemeinschaft zu gewährleisten (Wobst 1976; de Grooth/van de Velde 2005).

Will man in Mitteleuropa nicht menschenleere Wald-landschaften rekonstruieren, müssen frühbäuerliche Ge-meinschaften mit spätmesolithischen Gruppen am äußeren Rand der bandkeramischen Ökumene, aber auch in den Grenzsäumen der landwirtschaftlich geprägten Siedlungs-kammern in Berührung gekommen sein. Dieses vorauszu-setzende Nebeneinander in größtenteils unterschiedlich geprägten Biotopen lässt sich aber nur schwer nachwei-sen. Mutmaßliche Kontaktfunde werden kontrovers disku-tiert; die Verbreitung mesolithischer Stationen und band-keramischer Siedlungen schließt sich weitgehend aus. Insofern erscheint es problematisch, dem Netz bandkera-mischer Erdwerke vornehmlich eine Schutzfunktion gegen-über mesolithischen Gruppen beizumessen (Cahen u. a. 1990; Christensen 2004; Schmidt 2004). Ein erheblicher Teil der altneolithischen Einhegungen diente wohl eher als Orte der Selbstvergewisserung bandkeramischer Gemein-schaften und erfüllte damit auch eine bedeutende Funktion im Prozess der Neolithisierung, indem er zur Perpetuie-rung der bandkeramischen Kultur beitrug. Gerade in Zeiten verstärkter Regionalisierungstendenzen, wie sie in den Ke-ramikstilen der entwickelten Bandkeramik zu beobachten sind, kommt den teilweise normierten Erdwerksbauten eine verbindende Funktion zu.

Magnetprospektionen

Zur großflächigen und zerstörungsfreien Erkundung archä-ologischer Bodendenkmäler ist die magnetische Pros-pektion seit Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts etabliert (Posselt u. a. 2007). Obwohl schon seit den vierziger Jahren bekannt, erfolgte ein breiterer Einsatz dieser Methode in der archäologischen Feldfor-schung erst nach deutlichen Verbesserungen in den Berei-chen Messgerätetechnik (Auflösungsvermögen, Messfort-schritt), elektronische Datenverarbeitung und grafische Darstellungsmöglichkeiten. Die Magnetik eignet sich insbe-sondere zur Prospektion von Holz-Erde-Strukturen. Ihre Grundlage ist die Suszeptibilität (Magnetisierbarkeit) ar-chäologischer Überreste; Voraussetzung ist die Ausbildung eines Kontrastes zwischen archäologischer Struktur und umgebendem ungestörtem Boden. Archäologisch bedingte Anomalien des Erdmagnetfeldes sind lokal eng begrenzt und sehr schwach. Diese geringen Intensitätsstörungen liegen meist in einem Bereich von 0,1 bis 100 nT (Nano-tesla) und werden in möglichst engem Messpunktraster aufgezeichnet. Zur Eliminierung äußerer Störungen, deren Amplituden die gesuchten archäologischen Anomalien völ-

lig überdecken, bedient man sich einer Differentialmes-sung zweier Sensoren in vertikaler Anordnung.

In den letzten Jahren konnten Magnetprospektionen auf fünf bandkeramischen Siedlungsstellen im Süden Nie-dersachsens durchgeführt werden. Insgesamt wurden 49 ha prospektiert (Tab. 1). Bei den Geländearbeiten erwie-sen sich die Kleinteiligkeit der Parzellen und die teilweise stark eingeschränkte Zugänglichkeit der Flächen als hin-derlich. Zudem zeigte sich, dass die im Magnetbild festge-stellten Siedlungsstrukturen zuweilen erheblich über die durch Lesefunde bekannten Areale hinausreichen. Gleich-zeitig wurden Flächen unmittelbar jenseits der Siedlungs-grenzen gemessen, um den Kontrast zwischen archäolo-gischer Struktur und anstehendem Bodensubstrat deutlich werden zu lassen.

Auf den einander benachbarten Fundstellen Diemar-den 1 und Klein Lengden 6 konnten zwei Erdwerke und ei-ne große Anzahl (> 60) sehr gut erhaltener Hausgrundrisse festgestellt werden, die zahlreiche bautechnische Details erkennen lassen (Abb. 3). Auch sind mehrere Bereiche dichter Besiedlung mit einander überlagernden Haus-grundrissen von Zonen schwächerer Nutzung deutlich zu trennen. Ebenso zeigen sich erodierte Standorte und Ak-kumulationsareale. Eine detaillierte Darstellung der Be-fundsituation erfolgte bereits in verschiedenen Publika-tionen (Posselt/Saile 2003a; 2003b; Saile/Posselt 2002; 2003; 2004b).

In Gladebeck 2 wurde ein trapezoides Erdwerk charak-teristischer Form detektiert, das große Ähnlichkeit mit An-lagen im Rheinland, in Südwestdeutschland und in Mähren aufweist (Saile/Posselt 2004a; 2004b). Das Erdwerk um-schließt eine Zone stärkster Anomalien, die auf ein Schad-feuer hinzuweisen scheinen; eine Vermutung, die durch den Charakter des umfangreichen Lesefundmaterials ge-stützt wird. Die Siedlungsstrukturen setzen sich nach Wes-ten über die prospektierte Fläche hinaus fort (Abb. 4).

In Dassensen 1 konnte auf einem bandkeramischen Siedlungsareal ebenfalls ein Grabenwerk ermittelt werden. Der Graben wurde bei einer Sondagegrabung als zweipha-sig erkannt. Das Erdwerk scheint den bandkeramischen Siedlungsbereich als Dorfgraben zu umschließen. Die Ge-staltung der Eingangsbereiche und die Innenbebauung sind offenbar aufeinander bezogen (Abb. 5). Eine in Di-mension und mutmaßlicher Funktion ähnliche Grabenan-lage konnte bei den großflächigen Ausgrabungen in Vai-hingen an der Enz beobachtet werden (Krause 2003).

Die Magnetprospektion auf dem unweit nordöstlich ge-legenen und seit vielen Jahren ehrenamtlich betreuten bandkeramischen Siedlungsgelände Dassensen 5 er-brachte ein ausweislich der 14C-Daten rössenzeitliches Grabenwerk (Abb. 6). Eine mittelneolithische Siedlung be-findet sich im Nordosten der prospektierten Fläche.

In Ebergötzen 1 wurde jüngst der westliche Randbe-reich der bandkeramischen Siedlungsstelle prospektiert. Mehrere Hausgrundrisse konnten beobachtet werden. Das Magnetbild wurde noch nicht abschließend ausgewertet.

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Fundstelle Größe Magnetprospektion [ha] gemessen

[ha] vorgesehen

[ha]

Diemarden 1/Klein Lengden 6 25 24 9

Gladebeck 2 17 9 12

Dassensen 1 9 7 6

Dassensen 5 12 7 10

Ebergötzen 1 11 2 14

Gieboldehausen 1 10 0 13

Gesamt 84 49 64 Tab. 1: Ausdehnung bandkeramischer Siedlungsstellen sowie magnetisch prospektierte Areale und noch zu untersuchende Flächen. Die Ausdehnung des in unmittelbarer Nachbarschaft zum Pollenprofil Luttersee gelegenen Platzes ist durch die Ge-ländearbeiten von K. Grote (1999) gut bekannt. In der Gol-denen Mark (Unteres Eichsfeld), einem Lössgefilde östlich von Göttingen, lassen sich der Ablauf des Neolithisierungs-prozesses und die Reaktionen der bis dahin vom Men-schen unberührten Pflanzendecke exemplarisch verfolgen (Beug 1992). Die Dauer der Siedlungszeiten (SZ) in Pol-lenzone VI lässt sich gut mit den Vorstellungen zur zeit-lichen Dauer der bandkeramischen Siedlungsperioden ver-binden: Danach begann die Besiedlung des Raumes in der mittleren Bandkeramik (Flomborn). Nach etwa einem Jahr-hundert erreichten die Werte der Siedlungszeiger in Sied-lungszeit 1c einen Höhepunkt (Dauer der SZ 1a–1c etwa 150–180 Jahre). Die Maßzahlen der späten Bandkeramik sind rückläufig, verharren aber noch auf relativ hohem Niveau (SZ 1d, Dauer etwa 160–165 Jahre). Am Übergang zum Mittelneolithikum (SZ 1e) ist ein deutlicher Einbruch der Werte zu verzeichnen. Die Getreidepollen erreichen in der mittleren Bandkeramik Maximalwerte von bis zu 4 %. Die nähere Umgebung des Luttersees war dicht besiedelt, auf den gerodeten Flächen wurde intensiver Ackerbau be-trieben. Die NBP-Anteile stiegen entsprechend von 3–5 % vor Beginn der anthropogenen Eingriffe auf über 20 %. In bandkeramischer Zeit wurden hauptsächlich Weizenarten und Gerste angebaut. Auffällig sind die deutlich wech-selnden Verhältnisse zwischen diesen beiden Getreide-gattungen. Zunächst dominierten Emmer und Einkorn, et-wa vier Generationen später trat – unter weitgehendem Fortfall des Einkorns – die Gerste hinzu. Entsprechend liegt das Untersuchungsgebiet in der durch Emmer-, Ein-korn- und Gerstenanbau charakterisierten Anbauzone 2 nach J. Lüning (2000).

Ausgrabungen und quartärgeologisch-bodenkundliche Untersuchungen

Die erfolgreichen Magnetprospektionen wurden von einem Grabungsprogramm begleitet; dadurch konnte der volle Informationsgehalt der Magnetogramme ausgeschöpft werden. Es konnten von allen detektierten Erdwerken Querprofile der Gräben gewonnen werden, die aufschluss-reiche Erkenntnisse über die Struktur der Einhegungen er-brachten. Gemeinsam ist allen Gräben, dass die unteren Partien durch Versturzverfüllungen gekennzeichnet sind, während die oberen Grabenbereiche eine langsame kollu-viale Verfüllungsgeschichte zeigen. Ansonsten lassen sich mehrphasige von einperiodigen Gräben und Spitz- von Sohlgräben trennen. Die wenigen Funde sowie die 14C-Datierungen verweisen die Gräben – mit Ausnahme von Dassensen 5 – in die mittlere und späte LBK. In Klein-Lengden 6 konnte zudem ein sich über 14 m erstrecken-des Längsprofil dokumentiert werden. Die Beobachtung einer gleichförmigen horizontalen Schichtung der Einfüll-straten leistet einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um Verbreitung und Bedeutung der sogenannten Gruben-werke (Schmidt 2004). In Diemarden 1 wurden außerdem zwei Dreierpfostenriegel des Hausgrundrisses 3 unter-sucht, um den Erhaltungszustand der zahlreichen Pfosten-spuren auf dem Magnetbild besser einschätzen zu können. Die Pfosten maßen im Durchmesser bis 0,5 m, die Pfos-tengruben bis 1,5 m; sie besaßen eine Tiefe unter Ge-ländeoberfläche von bis zu 1,3 m.

Die parallel zu den Grabungsarbeiten durchgeführten pedologischen Untersuchungen – v. a. detaillierte Profilbe-schreibungen der archäologischen Befunde und des um-gebenden anstehenden Bodens (Leitprofile) – dienen zur Evaluierung der auf den Magnetbildern dokumentierten geogenen und anthropogenen Strukturen (vgl. exempla-risch den Beitrag von C. Lorz, H. Thiemeyer, T. Saile und

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Abb. 3: Diemarden 1/Klein Lengden 6. Magnetogramm. Fluxgate-Gradiometer Förster Ferex 4.032, vierkanalig, Basis-abstand 0,65 m, Dynamik der Messwerte -4 nT (schwarz) / +4 nT (weiß), 256 Graustufen (linear), Empfindlichkeit 0,1 nT, Raster 0,2 m / 0,5 m.

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Abb. 4: Gladebeck 2. Magnetogramm. Fluxgate-Gradiometer Förster Ferex 4.032, vierkanalig, Basisabstand 0,65 m, Dyna-mik der Messwerte -4 nT (schwarz) / +4 nT (weiß), 256 Graustufen (linear), Empfindlichkeit 0,1 nT, Raster 0,2 m / 0,5 m.

Abb. 5: Dassensen 1. Magnetogramm. Fluxgate-Gradiometer Förster Ferex 4.032, vierkanalig, Basisabstand 0,65 m, Dyna-mik der Messwerte -3 nT (schwarz) / +3 nT (weiß), 256 Graustufen (linear), Empfindlichkeit 0,1 nT, Raster 0,2 m / 0,5 m.

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Abb. 6: Dassensen 5. Magnetogramm. Fluxgate-Gradiometer Förster Ferex 4.032, vierkanalig, Basisabstand 0,65 m, Dyna-mik der Messwerte -3 nT (schwarz) / +3 nT (weiß), 256 Graustufen (linear), Empfindlichkeit 0,1 nT, Raster 0,2 m / 0,5 m. R. Dambeck in: Saile/Posselt 2004a, 71 ff. Abb. 7–8). Die quartärgeologisch-bodenkundlichen Arbeiten ermöglichen insbesondere eine kleinräumig differenzierte Abschätzung von postdepositionalen Prozessen auf den Untersuchungs-stellen (Erosionsbilanzierung, Bodengenese). Ein Ver-gleich mit südostpolnischen Fundstellen der Bandkeramik zeigt, dass die stärksten Bodenabträge offenbar während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit erfolgten und nur in geringerem Maße auf die gegenwärtige inten-sive landwirtschaftliche Nutzung der Flächen zurückzu-führen ist (Saile u. a. 2008). Ausblick – Ziele künftiger Arbeiten

Im Rahmen eines vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen geförderten Projektes sind in den Jahren 2009–2011 Magnetprospektionen auf den Fundstellen Diemarden 1/Klein Lengden 6, Gladebeck 2, Dassensen 1, Dassensen 5, Ebergötzen 1 und Giebol-dehausen 1 vorgesehen. Die Untersuchungen werden in bewährter Kooperation mit der Posselt & Zickgraf Prospek-tionen GbR fortgesetzt. Ziel ist jeweils die vollständige Darstellung der Plätze in Magnetogrammen und interpre-tativen Umzeichnungen (Dorfpläne). Die bislang durchge-führten Prospektionsarbeiten sind auf den vorgenannten

bandkeramischen Siedlungen unterschiedlich weit fortge-schritten. Tab. 1 zeigt die Größe der Plätze, den aktuellen Stand der Arbeiten sowie die Ausdehnung der noch zu prospektierenden Flächen. Ferner sind im Projektzeitraum in Gladebeck 2, Ebergötzen 1 und Gieboldehausen 1 Aus-grabungen geplant, die zur Validierung und Eichung der Magnetbilder dienen werden. Mit kleinflächigen Gelände-untersuchungen kann die Aussagekraft eines Magnet-bildes deutlich erhöht werden, wenn sich bestimmte Grup-pen unklarer Anomalien nachfolgend eindeutig inter-pretieren lassen. Zudem wird durch die Grabungen datier-bares Material (Fundobjekte, Probenmaterial für naturwis-senschaftliche Altersbestimmungen) gewonnen.

Als übergeordnete Zielsetzung wird auf einer mittleren Maßstabsebene die Struktur der o. g. sechs größeren Siedlungskomplexe der frühen Jungsteinzeit, die von mo-dernen Störungen weitgehend unberührt sind, exempla-risch erforscht. Erst das vollständige Magnetbild eines Platzes ermöglicht die sichere Interpretation der detektier-ten geogenen und anthropogenen Strukturen. Damit kommt auch den Randbereichen der Fundstreuungen eine erhebliche Bedeutung zu.

Mit der vollständigen Prospektion der Siedlungen wer-den folgende Teilziele des Projektes erreicht: ♦ sichere Bestimmung der jeweiligen Siedlungsgröße

(Flächenausdehnung),

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♦ Charakterisierung der Besiedlungsintensität (Bebau-ungsdichte, Befundkonzentrationen),

♦ Ermittlung der Häuseranzahl pro Siedlung (insgesamt und – soweit möglich – bezogen auf Zeitscheiben),

♦ Feststellung der Nutzungsdauer der Plätze (Beginn und Ende der Besiedlungsaktivitäten),

♦ Darstellung der Besiedlungsdynamik (z. B. über die räumliche Verteilung der Lesefunde).

Diese Parameter ermöglichen auf einer allgemeineren Be-trachtungsebene Rückschlüsse auf das einstige Besied-lungsmuster: ♦ Hierarchieebenen des Siedlungssystems, ♦ Schätzungen zur Bevölkerungsdichte, ♦ Konzepte der Raumnutzung.

Besondere Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass die bislang erst teiluntersuchten Plätze im Leinegraben jeweils auch durch Grabenwerke charakterisiert sind. Die Häufig-keit dieser Gemeinschaftsbauten im Zusammenhang mit größeren Siedlungen dürfte kaum zufällig festgestellt wor-den sein. Gleichwohl waren die Funktionen dieser Sonder-bauten offensichtlich nicht einheitlich: Gibt es doch nicht nur Parallelen zwischen den detektierten Anlagen im südli-chen Niedersachsen und Dorfgräben in Baden-Württem-berg sondern auch mit Grabenringen im Rheinland und in Mähren, die nach einem weiträumig bekannten Schema angelegt wurden. Für die Beurteilung ihrer Zweckbe-stimmung sind vollständige Siedlungspläne erforderlich, die insbesondere das weitere Umfeld der Grabenwerke und ihre mögliche Eingebundenheit in den Siedlungs-kontext detailgenau abbilden. Dadurch lässt sich der mit ethnologischen Parallelbefunden und induktiven Argu-menten geführte wissenschaftliche Diskurs auf eine fun-dierte Grundlage stellen.

Schließlich wird das Verhältnis der frühbäuerlichen Siedlungen zu ihrer einstigen Umwelt (Paläoenvironment) analysiert. Hier verspricht insbesondere die naturräumlich abgeschlossene Siedlungskammer von Diemarden 1/Klein Lengden 6 interessante Ergebnisse. Aber auch die Plätze in unmittelbarer Nachbarschaft des hoch ausgezählten und zeitlich hoch aufgelösten Pollenprofils Luttersee (Eber-götzen 1 und Gieboldehausen 1) lassen tiefe Einblicke in den frühneolithischen Besiedlungsablauf erwarten. Zwar spiegeln sich die Aktivitäten auf diesen Niederlassungen und in ihrem Umfeld im Pollenprofil, dennoch ist die innere Struktur der Siedlungen bislang weitgehend unbekannt geblieben.

Da Großgrabungen aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommen, soll auf einer etwas geringeren Genau-igkeitsebene ein Einblick in die Gliederung dieser Plätze gewonnen werden. Es sei nicht verschwiegen, dass Mag-netogramme Ausgrabungen nicht ersetzen können. Ihr Einsatz scheint aber derzeit der einzig gangbare Weg zu

sein, um mit überschaubarem Mitteleinsatz und in vertret-barem zeitlichem Rahmen eine mittelmaßstäbige Analyse des Besiedlungsmusters zu erreichen. Analogiebildungen zu Grabungsergebnissen aus besser erforschten Regionen bieten bei Bedarf Interpretationshilfen. Das Fehlen einer regionalen Feinchronologie stellt bei der gewählten Be-trachtungsskale kein unüberwindbares Hindernis dar. Die Beschränkung auf Großsiedlungen erfolgt bewusst, auch wenn die kleineren Plätze ein integraler Bestandteil des einstigen Siedlungsmusters waren. Sie sind aber deutlich schwerer zu entdecken und zu prospektieren. Derzeit wer-den sie im Rahmen von Flurbegehungen erkundet, wo-durch sich das Besiedlungsmuster im Unteren Eichsfeld bereits merklich verdichten ließ.

Zusammenfassung

Der Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise gehört zu den folgenreichsten und inte-ressantesten Abschnitten der Menschheitsgeschichte. Im südlichen Niedersachsen setzte dieser Prozess um 5500 v. Chr. ein und ist mit der bandkeramischen Kultur verbun-den. Aus Niedersachsen – an der nordwestlichen Periphe-rie dieses Kulturraumes gelegen – sind 141 Siedlungen bekannt, die sich auf den Lössarealen im Süden des Lan-des konzentrieren.

Der archäologische Kenntnisstand über diese Sied-lungsplätze ist unzureichend; insbesondere im Vergleich mit besser erforschten Regionen der bandkeramischen Ökumene. Die Ursache für diese unbefriedigende Situation liegt vor allem im Fehlen großflächiger Ausgrabungen, wie sie beispielsweise im Rheinland oder in Böhmen stattge-funden haben. Da in Niedersachsen auch zukünftig nicht mit der Durchführung sehr kostenintensiver und zeitauf-wändiger Großuntersuchungen zu rechnen ist, soll ein in-novativer Weg verfolgt werden, der bei überschaubarem Kostenaufwand einen erheblichen Erkenntniszugewinn im Bereich der neolithischen Siedlungsarchäologie erwarten lässt.

So ist es in den letzten Jahren gelungen, auf fünf band-keramischen Siedlungen im südlichen Niedersachsen Magnetprospektionen durchzuführen. Diese Messungen kleinster Unterschiede des Erdmagnetfeldes führten zu de-tailreichen Ausschnittsplänen altneolithischer Siedlungen. Zugleich wurden im Rahmen dieser Arbeiten fünf Graben-werke entdeckt, die das südliche Niedersachen zu einem der Verbreitungsschwerpunkte dieser Monumentalbauten der ersten Bauernkultur Mitteleuropas werden ließen. Ge-plant ist, bei vier teilprospektierten bandkeramischen Großsiedlungen im Leinegraben sowie bei zwei Plätzen im unteren Eichsfeld, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem hoch ausgezählten und zeitlich hoch aufgelösten Pollenprofil liegen, die jeweilige Flächenerstreckung, die Anzahl der Häuser und die Dichte der Bebauung sowie die

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Datierung (Beginn und Ende der Besiedlungsaktivitäten) zu ermitteln. Aus diesen Parametern lässt sich auf einer allgemeineren Betrachtungsebene auf das einstige Besied-lungsmuster (Hierarchieebenen des Siedlungssystems, Bevölkerungsdichte, Raumnutzung) schließen. Durch die exemplarische Erkundung bandkeramischer Besiedlungs-strukturen wird ein wesentlicher Beitrag zum übergeord-neten Forschungsfeld der Mensch-Umwelt-Beziehungen geleistet.

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Anschrift: PD Dr. Thomas Saile Seminar für Ur- und Frühgeschichte Georg-August-Universität Nikolausberger Weg 15 37073 Göttingen [email protected]