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1GLASIngenieur 5 • 2013
Fachberichte
Eine neue Glasschmelzwanne bautman nicht alle Tage. Und wenn, dannselten in der kurzen Zeit von nur 100Tagen von der Auftragsvergabe biszum ersten Antempern. Nur gut einDrittel der sonst üblichen Zeit war dieVorgabe der Barberini GmbH, nach-dem sich das Management für eineErweiterung der Produktionskapazitätentschieden hat, um die gestiegeneNachfrage schnell decken zu können.Das in Grünenplan bei Hannover sit-zende Unternehmen ist die deutscheNiederlassung der Barberini S.p.A.
(Silvi/Italien), eines renommiertenHerstellers hochwertiger optischerBrillengläser in diversen Qualitäten,Farben und Formen. Die Italiener ha-ben 2010 die Brillenglassparte derSchott AG in Grünenplan übernom-men und ihre Marktposition ausge-baut. Sie nutzen seither neben derTechnologie auch verschiedene Ser-vice-Dienstleistungen des früherenInhabers. Darunter die Gemengezu-bereitung sowie Service für Wartungund Instandhaltung der Produktions-anlagen.
Für den elektrotechnischen Teil beiSchott in Grünenplan ist Lars Bothe-Linke verantwortlich, der die Anla-gen und Anforderungen auch beiBarberini bestens kennt und deshalbdamit betraut wurde, eine einfachbedienbare, zuverlässige und kosten-effiziente Automatisierungslösung füreine neue, fünfte Schmelzwanne zufinden. Eine zeitgemäße, auf gängi-gen Standards basierende Lösung soll-te es sein, für die es auch in 15 oder 20Jahren noch Ersatzteile und Supportgeben wird. Schotts Leiter Elektro-technik baute auf seine Erfahrungenmit Automatisierungstechnik von Sie-mens und auf die Zusammenarbeitmit der On/Off Engineering GmbHaus Wunstorf bei Hannover. Das Un-ternehmen gehört zur ersten Genera-tion der Siemens Solution Partner
Automation in Deutschland und istunter anderem „Certified Specialist“für das Prozessleitsystem SimaticPCS7, auch in Safety-Anwendungen.
In Abstimmung mit Rainer Adebahr,dem Technischen Leiter der BarberiniGmbH, wurde das Pflichtenheft er-stellt und der Systemintegrator mitder Umsetzung einer in Teilen redun-danten Automatisierung und Prozess-führung für die neue Schmelzwanneund des vorhandenen Kühlofens be-auftragt. „Unser Kunde wollte vonder Auslegung bis zur Inbetriebnah-me alles aus einer Hand, Prozess-leittechnik, sämtliche Software, dazudie Niederspannungsverteilung,Schaltgeräte, Wechselstromstellerund den Schaltwandbau“, umreißtJürgen Flütter, Vertriebsingenieur vonOn/Off, den Projektumfang.
Bewährter Prozess unterneuer Führung
Mit der Kapazitätserweiterung kannder Hersteller die steigende Nachfra-ge nach hochwertigen Spezialgläserninsbesondere für phototrope (sich andie Lichtverhältnisse anpassende)oder optische (korrigierende) Sonnen-brillen und auch Glasformen zur Her-stellung von Kunststoff-„Gläsern“schneller, flexibler und in hoher Qua-lität abdecken.
Hauptaufgaben der neuen, anlagen-weiten Automatisierung sind die Steu-erung bzw. Regelung sowie das Be-dienen und Beobachten des an sichunveränderten thermischen Prozesses.Beginnend bei der Gemengeübernah-me in die Schmelzwanne, über daskontrollierte Aufschmelzen, Läutern
Siemens AG, Division Industry Automation, Karlsruhe
Thermoprozess „glasklar"
Mit neuester Prozessführung zu hoher Verfügbarkeit, Transparenz und Effizienz
beim Schmelzen und Kühlen von Brillenglas
Ein etabliertes Prozessleitsystem in redundanter Ausführung sorgt an einer
neuen Schmelzwanne und am zugehörigen Kühlofen für höchste Verfügbar-
keit, „glasklare“ Prozessführung sowie einfachste Bedienung – und so für
konstant hohe Qualität von Brillenglasrohlingen. Gemeinschaftlich haben
Betreiber, Service-Dienstleister und Systemintegrator in rund 100 Tagen eine
auch auf künftige Projekte übertragbare Lösung realisiert.
Die Barberini GmbH fertigt inGrünenplan unter anderemRohlinge für hochwertigeoptische Sonnenbrillengläser indiversen Qualitäten, Farben undFormen für die Weiterverarbei-tung bei der italienischenMutter. Bild: Siemens AG
GLASIngenieur 5 • 20132
Fachberichte
Glasproduktion, Formgebung. Bild: Siemens AG
Transparenz vom Gemenge bis zum Rohling: Das Prozessleitsystem Simatic PCS7 führt undvisualisiert den thermischen Prozess beim Schmelzen und Kühlen (Ansicht Operator-Station imSchaltraum). Bild: Siemens AG
und Rühren des Glases bei kontinu-ierlicher Füllstandsmessung, bis zurÜbergabe in die Formpresse. Hinzukommen die Temperaturführung imKühlofen nach dem Pressen und dieSteuerung der Ölabsaugung.
Redundanz sichertVerfügbarkeit
Herzstück der Automatisierungs-lösung ist das ProzessleitsystemSimatic PCS7 von Siemens. Dessenzwei CPUs (S7-414H) sind überLichtwellenleiter miteinander verbun-den und gleichen sich zur Laufzeitständig untereinander ab. Sollte eineCPU ausfallen, übernimmt automa-tisch die jeweils andere den Betrieb.Die defekte Einheit kann im laufen-den Betrieb ausgetauscht werden, sodass ein dauerhaft störungsfreierSchmelzprozess gewährleistet ist.
3GLASIngenieur 5 • 2013
Fachberichte
„Diese Redundanz hat uns letztendlichdazu ermutigt, auf die im Haus be-kannte und ursprünglich auch vorge-sehene Not-Handbedienebene ganzzu verzichten“, so Rainer Adebahr.„Dadurch haben wir den Aufwandwohl annähernd halbiert, sehr vielZeit und natürlich erhebliche Kosteneingespart.“
Statt bisher oft mehrfach vorhande-ner Hardware-Regler gibt es in derneuen Anlage nur noch wenig Mess-technik, im Wesentlichen zur Erfas-sung von Temperaturen, deren Signa-le von der performanten Simatic-Steu-erung redundant und zuverlässig ver-arbeitet werden. Dazu sind jeweilszwei Sensoren über zwei verschiede-ne Ein-/Ausgabekarten in zwei ver-schiedenen Ein-/Ausgabebaugruppenan die Steuerung angebunden (kanal-granulare Redundanz). Die Steuerungverarbeitet die jeweils zwei physika-lischen Messwerte als einen logischen,passt bei Bedarf die Temperatur-führung über Heizungen bzw. Lüfteran und sorgt für konstante Prozess-bedingungen, also Glasqualität.
Auch die Integration vorhandenerHeizungen und Transduktoren, so-wie bestehender Anlagenteile in dasneue Prozessleitsystem war ohne Pro-bleme möglich. Erneuert und in dieneue Automatisierungslösung einge-bunden wurde zudem die Steuerungdes vorhandenen Kühlofens. Ganz imSinne von Totally Integrated Auto-mation (TIA), dem durchgängigenAutomatisierungsansatz von Siemens.Dabei konnte in PCS 7 ein deutlicheffizienteres Spitzenlastmanagementrealisiert werden. Durch kluge Auf-teilung der Heizzonen und ein neuesAufheizprogramm ließ sich die maxi-male Energieaufnahme in diesemBereich von 500 kW auf rund 120 kWreduzieren.
Die Kommunikation im Feld ist red-undant ausgeführt, über Profibus undgedoppelte Anschaltbaugruppen ausdem ET200M-Spektrum. Auf der
ziertes Bedien- und Beobachtungs-konzept, das den Anlagenführern nurdie Informationen und Eingriffs-möglichkeiten gibt, die sie tatsäch-lich tagtäglich brauchen. So entstandeine Visualisierung mit vier großenTouchdisplays, von denen jedes nurdie wichtigsten Prozessparameter ei-nes bestimmten Anlagenteils anzeigt.Anhand des zeitlichen Verlaufs derelementaren Parameter des Schmelz-ofens in Kurvenform erkennt derBediener auf einen Blick, ob der Pro-zess in den vorgegebenen Bahnenverläuft. Die PCS7-Spezialisten vonOn/Off haben dazu neben der Stan-dard-Bedienoberfläche zusätzlich dievier Anlagenbereiche auf je einer Sei-te verdichtet und weiter vereinfacht,um unnötiges Blättern und auch Fehl-bedienungen zu verhindern.
Die Service-Dienstleister von Schottprofitieren davon, dass sie dank zen-traler Bündelung aller Parameter imneuen Leitsystem immer auf der Höhedes Prozesses sind und sich Abwei-chungen im Prozess schnell lokalisie-ren lassen. So können sie mit ver-gleichsweise wenig Aufwand Servicein hoher Qualität leisten und zur ho-hen Verfügbarkeit der neuen Lösungbeitragen.
In nur 100 Tagen gemeinsam zur hochverfügbaren, transparentenAutomatisierung mit Simatic PCS 7, v. l.: Jürgen Flütter(Vertriebsingenieur On/Off Engineering GmbH), Rainer Adebahr(Technischer Leiter Barberini GmbH) und Lars Bothe-Linke (LeiterElektrotechnik Schott AG). Bild: Siemens AG
überlagerten Anlagen- und der Termi-nalebene sorgen redundante Ring-topologien für zuverlässige Datenü-bertragung via Industrial-Ethernet.Die Prozessdaten werden auf zweiredundanten Servern (Simatic Indus-trie-PCs 547D) gespeichert und vondort über OPC (OLE for ProcessControl) und Lichtwellenleiter an dasvorhandene Qualitätssicherungs-system auf dem zentralen Hütten-rechner von Schott und Barberini über-geben.
Einfach effizient bedienenund beobachten
Die gesamte Automatisierung ist ineinem klimatisierten Schaltraum un-tergebracht, der wesentlich wenigerPlatz beansprucht als die Systeme deranderen vier Wannen. Im Schaltraumgibt es eine Operator- und Enginee-ring-Station, vorwiegend für Service-Aufgaben. Daran können autorisierteNutzer über die eingeschränkteBedienerebene hinaus gehende Para-meter verändern und tiefer in denSchmelzprozess eingreifen.
Dringlichster Wunsch von RainerAdebahr war jedoch ein einfaches,auf das wirklich Notwendige redu-
GLASIngenieur 5 • 20134
Fachberichte
Zukunftssicherheiteingebaut
Ein nicht unerheblicher Grund für dendurchgängigen Einsatz standardisier-ter Hard- und Software-Komponen-ten von Siemens ist für den Betreiber,dass diese in praktisch allen Industri-en weit verbreitet sind und somit aucheine entsprechende Anzahl vonDienstleistern zur Verfügung steht.Bei großen Anbietern wie Siemens istauch die Ersatzteilversorgung überdie lange Laufzeit der neuen Wannegesichert bzw. eine Migration aufkommende Systeme gewährleistet.
Weitere Projekte im Fokus
Die rasche, reibungslose Umsetzungund der seit über einem Jahr störungs-freie Betrieb der neuen Automatisie-rungslösung haben die Verantwortli-chen von Barberini und von Schottüberzeugt. Auch die Bediener habendie für sie ungewohnte Bedienung
per Touchscreen schnell angenom-men und als sehr einfach und komfor-tabel schätzen gelernt. Die Not-Hand-bedienebene wurde bislang noch nichtvermisst.So denkt man auf beiden Seitendarüber nach, vorhandene und neuhinzu kommende Schmelzwannennach dem bewährten Muster mitSimatic-Steuerungen und dem Pro-zessleitsystem Simatic PCS 7 auf demneuesten Stand der Technik zu auto-matisieren. Hierbei könnte die part-nerschaftliche Zusammenarbeit zwi-schen Barberini, Schott und On/Offweitergeführt werden.
Weitere Informationen:www.siemens.de/glas;www.onoff-group.de,www.barberiniglass.de, www.schott.com
Autor des Beitrages ist Dipl.-Kffr. (Univ.)Nadine Haufe, PromotionmanagerTotally Integrated Automation, SiemensAG, IndustrySector, Division IndustryAutomation.
Einfach effizient per Touch – dem Betreiberwunsch entsprechendhat die On/Off Engineering GmbH ein auf das Wesentlichereduziertes Bedien- und Beobachtungssystem für dieAnlagenführer entwickelt. Bild: Siemens AG
Individuelle Lösungenvon der Idee bis zumSupport
Die On/Off Engineering GmbH,eines von vier Unternehmen derOn/Off Group, wurde 1988 alsprodukt- und systemunabhängigesIngenieurbüro für Automatisie-rungstechnik in Hannover gegrün-det und hat sich zu einem führen-den Dienstleister im Bereich derProzessautomatisierung entwi-ckelt. Das Unternehmen beschäf-tigt inzwischen über 140 Mitarbei-ter und ist mit mehreren Niederlas-sungen in Deutschland nah amKunden. Das Leistungsspektrumumfasst alle Aufgaben auf denGebieten Prozessautomation,Raum-/ Prozess-Monitoring, Com-puter/Validierung, MES-Lösun-gen, MSR-Management,Schaltschrankbau, Montage sowieBauleitung. On/Off entwickelt in-dividuelle Konzepte nach kunden-spezifischen Anforderungen undbietet alles aus einer Hand: Vonder Systemberatung und Analyse,über die Projektierung und Reali-sierung schlüsselfertiger Gesamt-lösungen, bis hin zu Service undWartung. Zu den Kunden zählenmittlere und große Unternehmenaus verschiedenen Branchen.
Die On/Off Group ist zertifizierter„Siemens Solution Partner Auto-mation“ der ersten Stunde, auch inden Kategorien „Specialist“ und„Industry“. Als solcher hat das Un-ternehmen seine Lösungskompe-tenz basierend auf Produkten undSystemen von Siemens in zahlrei-chen Projekten in unterschiedlichenBranchen unter Beweis gestellt.