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Sind Begabung und Intelligenz erblich? Workshop 8. Forum Unterricht «musik.berührt» Pädagogische Hochschule Kärnten Klagenfurt 8. März 2018 Prof. Dr. phil. nat. Willi Stadelmann 1 Referat

Sind Begabung und Intelligenz erblich? Workshop · Michael K. Skinner; Spektrum Juli 2015, 20 30 Referat. Eineiige (homozygote) Zwillinge Liegen am Anfang ihres Lebens auch epigenetisch

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Sind Begabung und Intelligenz erblich?Workshop

8. Forum Unterricht «musik.berührt»

Pädagogische Hochschule KärntenKlagenfurt

8. März 2018

Prof. Dr. phil. nat. Willi Stadelmann

1 Referat

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Jedes Kind ist hoch begabt.

Buchtitel: Hüther, G.; Hauser, U. (2012)

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3 Referat

Jedes Kind wird als kleiner Mozart geboren.

Immer wieder gehörte Behauptung

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„Musizieren gehört zu den schwierigsten menschlichen Leistungen.

Gehörsinn, Motorik, Körperwahrnehmung und Hirnzentren, die Emotionen verarbeiten, werden gleichzeitig beansprucht. Und dabei ist eine wahre Herkulesarbeit zu leisten.“

Eckart Altenmüller, 2000

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1. Sind Begabung und Intelligenz erblich?

Meine Ausführungen betreffen die «Erblichkeit» von kognitiven (Hirn-)Eigenschaften und nicht die «Erblichkeit» von Krankheiten (z.B. angeborene Herzmuskelschwäche).Das Gehirn zeichnet sich gegenüber anderen Organen durch seine Plastizität aus.

Vor nicht allzu langer Zeit glaubten viele Wissesnchaftlernoch, das Gehirn werde von genetischen Programmen zusammengebaut. Dieses Weltbild aus dem Maschinenzeitalter spukt leider noch immer in vielen Köpfen herum. 5 Referat

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1.1 Verwirrende Begrifflichkeit

Zur Erblichkeit von Intelligenz gibt es eine verwirrende Vielfalt wissenschaftlicher Aussagen mit zum Teil eklatanten Widersprüchen.Der Gebrauch von «Begabung», «Hochbegabung», «Talent», «Leistungsexzellenz», «Intelligenz» ist zum Teil uneinheitlich und widersprüchlich. Die Begriffe werden oft «ohne weitere Erklärung wie Synonyme behandelt.»

vgl. Hoyer,T.; Weigand, G.; Müller-Oppliger, V. : Begabung. Eine Einführung. WBG Darmstadt (2013) S. 11

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«Den Menschen ist ihre Intelligenz in die Wiege gelegt, doch sie können sie nicht von Anfang an zeigen. Man schreibt Kindern deshalb eine relative, aber keine absolute Intelligenz zu. Sie verfügen über ein geistiges Potenzial, das sich erst noch entwickeln muss.»

Neubauer/Stern (2007), S. 31

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Zitate als Diskussionsgrundlage:

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«Intelligenzunterschiede werden durch die Gene in hohem Masse determiniert. Dem ist so, ob es uns passt oder nicht. Aber Intelligenz ist ein Merkmal, das eine grosse Reaktionsnorm hat. Das heisst, es braucht eine Umwelt, damit die Gene sich entfalten können.»

Elsbeth Stern, ETH Zürich, NZZ 29.7.2017 S. 14

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«Intelligenz: Sie bezeichnet Begabung in kognitiven Bereichen…»Stern/Neubauer (2013) S.48

«Intelligenz, wie sie ein Intelligenztest misst, ist also eine erstaunlich umfassende Begabung.»Jochen Paulus; NZZ Folio (2015)

«Menschliche Leistungen sind nur teilweise von Intelligenz bzw. Begabungen abhängig. Vor allem Motivation und Interesse sind (…) wesentliche Determinanten menschlicher Leistungen, insbesondere dann, wenn es um Höchstleistungen geht.»

Neubauer/Stern (2007) S.11513 Referat

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Frage: Was gehört denn alles zu Intelligenz?

Ausdauer? Durchhaltewillen? Sensibilität? Motivation? Emotionalität? Optimismus? Mut? Leidenschaft? Kreativität? Konzentrationsfähigkeit? Zuverlässigkeit? Genauigkeit? Eigenständiges Handeln und Urteilen? Entscheidungsfähigkeit? Teamfähigkeit? Konfliktfähigkeit? Verantwortungsgefühl? Feinmotorische Fähigkeiten; Bewegungskoordination? Musikalität?….

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«Denn, so viel steht fest, Begabung ist weder ein Gegenstand der Erfahrungswelt, den man wie eine Sache beschreiben könnte, noch eine psychische, endogene Substanz, sondern vielmehr eine mehr oder weniger gut begründete Hypothese, mit der üblicherweise Aussagen über Fähigkeitsgrade, Lern- und Leistungsvoraussetzungen oder Dispositionen gemacht werden. So wie wir das Wort verstehen, bezeichnet Begabung ein soziales Konstrukt von durchaus uneinheitlicher Bedeutung.»

Hoyer/Weigand/Müller-Oppliger (2013) S. 715 Referat

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«… dass sich der Begriff «Intelligenz» einer monopolisierbaren Definition entzieht. Verschiedene Kulturen, Milieus, Wissenschaftsbereiche und Generationen können ganz eigene Vorstellungen davon haben, was unter «Intelligenz» zu verstehen ist.»

Fischbach, K-F.; Niggeschmidt, M. Erblichkeit der Intelligenz. Eine Klarstellung aus biologischer Sicht. Springer VS, Wiesbaden (2016) 7

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Problem: «Begabung» und «Intelligenz» sind nicht klar wissenschaftlich definierbar. Und: Definierbarkeit wäre Voraussetzung für Messbarkeit.«Intelligenz ist kein reales, beobachtbares Persönlichkeitsmerkmal, sondern völlig abstrakt. Sie wird aus beobachteten, einzelnen Messdaten in unterschiedlicher Komplexität erst geschlossen.»

«Intelligenz ist, streng gesehen, nicht definierbar, weil es keinen zwingenden Grund gibt für eindeutige Abgrenzungen von intelligenten und nicht intelligenten Leistungen des Zentralnervensystems.»

Carsten Niemitz: Die Problematik von Umwelteinflüssen und Erbanlagen im Spiegel der Intelligenzforschung. In: Carsten Niemitz (Hrsg.) Erbe und Umwelt. Suhrkamp wissenschaft 646, Frankfurt am Main (1987) 281 ff.

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1.2 Angeboren? Erblich?

Immer wieder hört und liest man, die kognitive Entwicklung und damit die Hirnentwicklung eines Menschen, seine Begabung und Intelligenz seien zu 50-80% erblich.

Dies suggeriert, der Anteil der sozialen Umwelt an der kognitiven Entwicklung liege nur bei 20-50%.

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Begriffsklärung:

In der genetischen Fachsprache ist «angeboren»kein Synonym für «erblich».

«Angeboren» sind Merkmale, deren Ausprägung bereits bei der Geburt vorhanden ist und deren Herausbildung genetisch fest programmiert und durch Umweltfaktoren normalerweise nicht zu beeinflussen ist (Atmung, Greifreflex, Saugreflex…).

«Erblich» wird im Sinne von «genotypischer Varianzanteil» (= genotypischer Anteil an der phänotypischen Varianz innerhalb einer Gruppe) verwendet.

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In den letzten 40’000 Jahren hat sich das Gehirn in seinen Bauprinzipien, Funktionsprinzipien und seiner Leistungsfähigkeit nicht weiterentwickelt. Wir leben im 21. Jahrhundert mit dem Gehirn von Mammutjägern.

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1.2.1 Die DNA- Begeisterung: Die Doppelhelix von Watson and Crick und der genetische Code

James D. Watson und Francis Crick 1953.Nobelpreis für Medizin 1962

J.D. Watson; F.H.C. Crick: Molecular structure of nucleic acid: a structure for desoxiribonucleic acid. Nature 171 (1953), S. 737-738

J.D Watson: Die Doppelhelix. Ein persönlicher Bericht über die Entdeckung der DNS-Struktur. Reinbek (1973)

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Francis CrickJames Watson 1953 22 Referat

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AdeninGuaninThymin Cytosin

= Basen

A - TG - C

= «Basen-Paare

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Es bestand die Idee einer vorgegebenen und kodierten Information, die einen Ablauf steuert und ihn zu einem bekannten Ende führt.Also die Idee eines genetischen Programms, nach welchem wir uns entwickeln.

Beispiel einer extremen Meinung:Intelligenz ist «ein wissenschaftlicher Begriff, genauso wie Gravitation, Masse oder Wärme. (…) Der Begriff Intelligenz kann als generelle, kognitive, angeborene Fähigkeit definiert werden…Die ist angeboren, weil der Intelligenzgrad einer Einzelperson genetisch festgelegt wird.»

Eysenck, H.J. (1980), Intelligenz: Struktur und Messung. Springer Berlin, Heidelberg, New York

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«And now the announcement of Watson and Crick about DNA. This is for me the real proof of the existence of God.»

Salvador Dalì, zitiert in Fischer (2017) S. 13

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«Göttliche oder schicksalhafte Gene, wohin man schaut, bedeutungsträchtige DNA- Moleküle, wohin man hört.»

Gene werden beispielsweise verantwortlich gemacht für Blutkrankheiten, Krebs, Aggression, Neugierde, Untreue, Sprache, Intelligenz, Haarfarbe, Leseschwäche, Alkoholismus, Homosexualität, Musikalität, Schizophrenie, Langlebigkeit, Mordlust, Altruismus, Egoismus, Glücksfähigkeit: Glücksgen,Talentgen, Intelligenzgen….

Fischer (2017) 15

Aber: Monogenetische Krankheiten. Ein Gen löst die Krankheit aus. Z.B. «angeborene Herzschwäche» (hypertrophe Kardiomyopathie). 26 Referat

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1.2.2 Epigenetik

epi = «nach», «darüber»

Das, was nach der Genetik kommt und über sie hinaus geht.

«… dass die äusseren Umstände, die zu einem Leben gehören und auf die Menschen reagieren, sich im tiefsten Inneren ihrer Zellen niederschlagen können, und zwar unter anderem in Form der Methylgruppen, die Bausteinen der DNA angeheftet werden.»

Solche Änderungen können bei der Weitergabe zur nächsten Generation erhalten bleiben.

E.P. Fischer (2017), S. 189/19027 Referat

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Im Erbgut gibt es «Schalter», die dafür sorgen, ob Erbfaktoren an- oder abgeschaltet werden. Dies ist ein Bindeglied zwischen der Aussenwelt und der Welt der Erbfaktoren.

Methylierung.

Soziale Faktoren wirken auf unsere Erbanlagen ein.

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SpektrumJuli 2015 18

Methylgruppe

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So lassen sich ganze Gruppen von Genen effizientein- oder ausschalten.

Gemeinsam beeinflussen diese epigenetischen Faktoren die Genaktivität auf eine komplexe, von der DNA-Sequenz unabhängige Weise. Genom und Epigenom kooperieren dynamisch.

Michael K. Skinner; Spektrum Juli 2015, 20

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Eineiige (homozygote) Zwillinge

Liegen am Anfang ihres Lebens auch epigenetisch dicht beieinander, verlieren aber diese Übereinstimmung im Lauf ihres Lebens immer mehr. Das Muster der DNA- Methylierung ändert sich mit zunehmendem Alter.

«Die verschiedenen individuellen Lebenserfahrungen wirken sich unterschiedlich auf das Genmaterial jedes Einzelnen aus, und identische Zwillinge werden im Lauf ihres Lebens, wie wir alle, immer individueller.»

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Insbesondere Lebenserfahrungen in jungen Jahren hinterlassen epigenetische Spuren.

Es scheint so zu sein, dass epigenetische gespeicherte Einflüsse der Umwelt auf die Aktivität von Genen einen stärkeren Einfluss haben als die DNA- Sequenzen selbst.

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Fazit aus heutiger genetischer Sicht:

DNA- Sequenzen einer Zelle können niemals allein bestimmen, welche Charakteristiken einen Organismus letztendlich auszeichnen. Das gilt insbesondere auch für die Entwicklung des plastischen Gehirns und damit für die Entwicklung von Begabung und Intelligenz.Erbanlagen gehen mannigfaltige Wechselwirkungen unter sich und mit der Umgebung ein, aus der sich der Organismus entwickelt.

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Es gibt gar keine Gene, es gibt nur Abschnitte auf der Doppelhelix, die verschieden kombiniert werden und einer Zelle ständig neue Möglichkeiten eröffnen.«Gene» sind nicht einfach, «Gene» können werden, «und zwar dauernd und immer wieder neu», je nach Umwelt- und Inwelt- Einflüssen. Wir sprechen heute von Genen als «bewegte Beweger».

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«Abschied vom Determinismus der Gene».

Die Idee des «genetischen Programms» muss verlassen werden.Ernst Peter Fischer (2017) 11/203

Es muss ein entscheidender Perspektivwechsel «vom Gen-als-Ding zum Gen-als-Prozess» vollzogen werden.Kirsten Schmidt (2014) S. 311

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«…dass die Annahme, die Kenntnis einer spezifischen DNA-Sequenz erlaube gezielte Vorhersagen über den zukünftigen Verlauf der Entwicklung eines Lebewesens, auch aus empirischer Sicht nicht haltbar ist.»

«Insgesamt kann man damit sagen, dass die Kenntnis der genomischen Sequenz eines Individuums nur sehr eingeschränkt gezielte Vorhersagen über den zukünftigen Phänotyp erlaubt.»

Kirsten Schmidt (2014), 138, 139

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Es geht nicht um «Erblichkeit» sondern um den

«genotypischen Varianzanteil»

Vgl. Fischbach/Niggeschmidt. «essentials» Springer, Wiesbaden (2016) S.2

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«Phänotypische Varianz» von Kindern in einer Gruppe (z.B. Schul-Klasse):

V = V + Vphän. gen. Umwelt

(«Umwelt-Faktoren»)

Aktiv erlebte Umwelt, individuell rezipierte Umwelt basierend auf der bisherigen Lernbiografie!

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Ein genotypischer Varianzanteil von 100% für Begabung und Intelligenz eines Individuums würde bedeuten, «dass die für Eigenschaft relevanten Umweltwirkungen in der untersuchten Stichprobe für alle Individuen gleich sind –nicht unbedingt, dass sie optimal sind. Wären die Umweltwirkungen gleich hemmend, läge der genotypische Varianzanteil ebenfalls bei 100%.»

Fischbach/Niggeschmidt (2016) 15

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Sicher ist:

Ohne Gene funktioniert gar nichts. Gen-Wirkungen sind keine Konstante (Epigenetik).

Aber:

Gene sind Potenziale eines Menschen. Sie sind Grundlagen für die kognitiven Entwicklungs-Möglichkeiten eines Menschen.Ob die Möglichkeiten angepasst und «ausgeschöpft» werden, hängt von der Umwelt ab.

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Wie Gene sich ausprägen, wird zum Grossteil von der Umwelt, also von den Lebensbedingungen des Kindes bestimmt.

Dabei gibt es offensichtlich «sensible Phasen» in der frühkindlichen Biografie, «in denen verschiedene Kompetenzen besonders leicht [und nachhaltig] «erworben werden».

Manche grundlegenden Fähigkeiten entwickeln sich tatsächlich nur in engen Zeitfenstern, wenn bestimmte Erfahrungen gemacht werden, später dagegen nicht mehr oder nur noch unvollständig.»

Beispiele: Hör- und Seh- Sinn in den ersten Lebens-jahren.

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Der Mensch ist kein durch die Gene programmierter Automat, der sich kognitiv mit Hilfe eines Autopiloten entwickelt.

Wir sind nicht die Sklaven unserer Gene!

Vgl. Bauer (2007) S.17

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Was fördert die kognitive Entwicklung eines Kleinkinds?

• Emotionelle Nähe, Wärme, Geborgenheit• Sichere Bindung• Wertschätzung• Anregende Umgebung (insbesondere sozial:

anregende Kommunikation und spielerische Interaktion mit den Eltern und Bezugspersonen).

«Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ein Kind durch frühes, strukturiertes Lernen klüger wird.» «Frühe Förderung heisst nicht frühkindlicher Schulunterricht.» Renz-Poster, H (2014). Die Kindheit ist unantastbar. Weinheim: Beltz

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Es kommt darauf an, in welche Familie ein Kind hineingeboren wird, in welcher Umgebung es aufwächst, ob es zuhause einen Hund hat, in welche Schulen es geht, welche Lehrerinnen und Lehrer, welche Freunde es hat, in welchen Vereinen es mitwirkt, ob es ein Musikinstrument spielt, ob es Sport treibt…

Die Lernbiografie prägt den Menschen zum Individuum, zum Unikat.

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Fazit:

«Früh geübt ist halb gewonnen: Erfahrungen in den ersten Lebensjahren bestimmen mit darüber, wie erfolgreich man das Leben meistert. Eine frühe Förderung sei daher wichtig, erklären führende Wissenschaftler.»

Nele Langosch G&G 5 (2015), S. 32-36

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Begabung und Intelligenz aus Sicht der genetischen und neuropsychologischen Erkenntnisse

Vortrag vom 9. März 2018

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