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1 Sportwissenschaft x · 2014 | Hauptbeiträge „Männlicher“ Sport, „weiblicher“ Sport… Verschiedene Studien haben immer wie- der darauf hingewiesen, dass sich die sportiven Wünsche und Bedürfnisse von Mädchen und Jungen unterschei- den. In diesem Zusammenhang werden geschlechterspezifische Sportartenpräfe- renzen, unterschiedliche Sportkonzepte und divergierende Sportmotive angeführt (Baur, 2007; Berndt & Menze, 1996; Boyle, Marshall, & Robeson, 2003; Gramespa- cher, 2008a; Karsten, 2003; Koivula, 1995; Opper, 1996; Schmidt, 2008; Tietjens, Ha- gemann, & Stracke, 2010). Jungen wür- den demnach einen kraft- und körperbe- tonten, harten, kompetitiven und risiko- reichen Sport bevorzugen, der ihren Vor- stellungen von Maskulinität entspricht. Sie präferieren vor allem zweikampfin- tensive Ballsportarten, insbesondere Fuß- ball. Mädchen hätten im Gegensatz dazu Vorlieben für weniger wettbewerbs- und leistungsorientierte Sportaktivitäten, die einen dosierten, weniger robusten Kör- pereinsatz verlangen und stärker Motive nach Ästhetik, Entspannung, Gesundheit oder Körperformung ansprechen. Die von Mädchen ausgeübten Sportarten sind breiter gefächert als die der Jungen und schließen gymnastisch-tänzerische Be- wegungsformen deutlich stärker mit ein. Untersuchungen zeigen, dass Sportarten entlang dieser Kriterien häufig als typisch feminin oder typisch maskulin klassifiziert werden (Baur, 2007; Klomsten, Marsh, & Skaalvik, 2005). Es lässt sich freilich überzeugend argu- mentieren, dass es sich bei diesen in der Kindheit und im Jugendalter (noch stär- ker) sichtbaren und messbaren Differen- zen in den Sportkonzepten und -motiven zwischen Jungen und Mädchen wesent- lich um sozial konstruierte Unterschie- de handelt, die von vorgelagerten Soziali- sationserfahrungen mitdefiniert werden. Darauf wurde bereits vielfach hingewie- sen (Hartmann-Tews, 2003; Hunger, 2014; Mrazek, 2006; Pfister, 2010). Nichtsdesto- trotz sind diese Geschlechterunterschie- de de facto vorhanden und strukturie- ren wiederum, welche sportlichen Akti- vitäten, Engagementformen und Kontex- te männliche und weibliche Heranwach- sende als für sich angemessen und geeig- net erachten. Die unterschiedlichen sportlichen Be- dürfnisse und Vorlieben, die Mädchen und Jungen an den Sport richten, dürf- ten nun auch in Form von Wünschen und Erwartungen zum Ausdruck kom- men, die an den schulischen Sportunter- richt adressiert werden. Allerdings weisen verschiedene Arbeiten darauf hin, dass der Sportunterricht in der Schule diese unterschiedlichen, geschlechtertypischen Erwartungen nicht gleichberechtigt auf- greift, sondern stärker die sportlichen Wünsche der Jungen als die der Mädchen bedient (Bräutigam, 2011; Kleindienst- Cachay, Kastrup, & Cachay, 2008). Trifft diese Diagnose zu, was wir im Folgenden noch genauer erörtern werden, könnten Mädchen dadurch systematisch Nachtei- le erfahren, z. B. den Sportunterricht ne- gativer erleben, weniger Selbstbestätigung erhalten und möglicherweise auch in der Benotung Nachteile erfahren. Das skizzierte Argument dürfte insbe- sondere für den koedukativen Sportunter- richt zutreffend sein. Werden Sportstun- den dagegen geschlechtergetrennt unter- richtet, dürfte die Argumentation im We- sentlichen ins Leere greifen. Denn gerade eine Trennung der Geschlechter dient ja (auch) dem Zweck, die sportlichen Wün- sche und Erwartungen der Mädchen be- wusst aufzugreifen. Im geschlechterdiffe- renzierten Unterricht dürften deshalb ge- rade Schülerinnen mehr Gelegenheiten haben, ihre sportlichen Wünsche und In- teressen einzubringen, sportliche Selbst- wirksamkeitserfahrungen zu machen und sich als sportlich kompetent zu erleben. Der Beitrag legt einen Vergleich zwi- schen koedukativem und geschlechter- getrenntem Sportunterricht vor, der fol- gende untersuchungsleitende Frage zu er- schließen hilft: Sind Mädchen im koedu- kativen Sportunterricht systematisch be- nachteiligt? Sind sie dort, nicht aber im geschlechtergetrennten Sportunterricht, weniger zufrieden mit dem Unterricht, erleben sie sich dort seltener als sportlich kompetent und erhalten sie dort womög- lich auch systematisch schlechtere Schul- noten? Die Befunde sind vor dem Hinter- grund der schon seit Jahrzehnten erhobe- nen Forderung nach reflexiver Koeduka- Michael Mutz 1 · Ulrike Burrmann 2 1 Institut für Sportwissenschaften, Georg August Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland 2 Institut für Sport und Sportwissenschaft, Technische Universität Dortmund, Dortmund, Deutschland Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt? Neue Befunde zu einer alten Debatte Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0328-x Eingegangen: 21. Oktober 2013 Angenommen: 26. Februar 2014 Online publiziert: [OnlineDate] © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt?; Does coeducational physical education systematically discriminate against girls?;

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Page 1: Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt?; Does coeducational physical education systematically discriminate against girls?;

1Sportwissenschaft x · 2014 |

Hauptbeiträge

„Männlicher“ Sport, „weiblicher“ Sport…

Verschiedene Studien haben immer wie-der darauf hingewiesen, dass sich die sportiven Wünsche und Bedürfnisse von Mädchen und Jungen unterschei-den. In diesem Zusammenhang werden geschlechterspezifische Sportartenpräfe-renzen, unterschiedliche Sportkonzepte und divergierende Sportmotive angeführt (Baur, 2007; Berndt & Menze, 1996; Boyle, Marshall, & Robeson, 2003; Gramespa-cher, 2008a; Karsten, 2003; Koivula, 1995; Opper, 1996; Schmidt, 2008; Tietjens, Ha-gemann, & Stracke, 2010). Jungen wür-den demnach einen kraft- und körperbe-tonten, harten, kompetitiven und risiko-reichen Sport bevorzugen, der ihren Vor-stellungen von Maskulinität entspricht. Sie präferieren vor allem zweikampfin-tensive Ballsportarten, insbesondere Fuß-ball. Mädchen hätten im Gegensatz dazu Vorlieben für weniger wettbewerbs- und leistungsorientierte Sportaktivitäten, die einen dosierten, weniger robusten Kör-pereinsatz verlangen und stärker Motive nach Ästhetik, Entspannung, Gesundheit oder Körperformung ansprechen. Die von Mädchen ausgeübten Sportarten sind breiter gefächert als die der Jungen und schließen gymnastisch-tänzerische Be-wegungsformen deutlich stärker mit ein. Untersuchungen zeigen, dass Sportarten entlang dieser Kriterien häufig als typisch feminin oder typisch maskulin klassifiziert

werden (Baur, 2007; Klomsten, Marsh, & Skaalvik, 2005).

Es lässt sich freilich überzeugend argu-mentieren, dass es sich bei diesen in der Kindheit und im Jugendalter (noch stär-ker) sichtbaren und messbaren Differen-zen in den Sportkonzepten und -motiven zwischen Jungen und Mädchen wesent-lich um sozial konstruierte Unterschie-de handelt, die von vorgelagerten Soziali-sationserfahrungen mitdefiniert werden. Darauf wurde bereits vielfach hingewie-sen (Hartmann-Tews, 2003; Hunger, 2014; Mrazek, 2006; Pfister, 2010). Nichtsdesto-trotz sind diese Geschlechterunterschie-de de facto vorhanden und strukturie-ren wiederum, welche sportlichen Akti-vitäten, Engagementformen und Kontex-te männliche und weibliche Heranwach-sende als für sich angemessen und geeig-net erachten.

Die unterschiedlichen sportlichen Be-dürfnisse und Vorlieben, die Mädchen und Jungen an den Sport richten, dürf-ten nun auch in Form von Wünschen und Erwartungen zum Ausdruck kom-men, die an den schulischen Sportunter-richt adressiert werden. Allerdings weisen verschiedene Arbeiten darauf hin, dass der Sportunterricht in der Schule diese unterschiedlichen, geschlechtertypischen Erwartungen nicht gleichberechtigt auf-greift, sondern stärker die sportlichen Wünsche der Jungen als die der Mädchen bedient (Bräutigam, 2011; Kleindienst-Cachay, Kastrup, & Cachay, 2008). Trifft diese Diagnose zu, was wir im Folgenden

noch genauer erörtern werden, könnten Mädchen dadurch systematisch Nachtei-le erfahren, z. B. den Sportunterricht ne-gativer erleben, weniger Selbstbestätigung erhalten und möglicherweise auch in der Benotung Nachteile erfahren.

Das skizzierte Argument dürfte insbe-sondere für den koedukativen Sportunter-richt zutreffend sein. Werden Sportstun-den dagegen geschlechtergetrennt unter-richtet, dürfte die Argumentation im We-sentlichen ins Leere greifen. Denn gerade eine Trennung der Geschlechter dient ja (auch) dem Zweck, die sportlichen Wün-sche und Erwartungen der Mädchen be-wusst aufzugreifen. Im geschlechterdiffe-renzierten Unterricht dürften deshalb ge-rade Schülerinnen mehr Gelegenheiten haben, ihre sportlichen Wünsche und In-teressen einzubringen, sportliche Selbst-wirksamkeitserfahrungen zu machen und sich als sportlich kompetent zu erleben.

Der Beitrag legt einen Vergleich zwi-schen koedukativem und geschlechter-getrenntem Sportunterricht vor, der fol-gende untersuchungsleitende Frage zu er-schließen hilft: Sind Mädchen im koedu-kativen Sportunterricht systematisch be-nachteiligt? Sind sie dort, nicht aber im geschlechtergetrennten Sportunterricht, weniger zufrieden mit dem Unterricht, erleben sie sich dort seltener als sportlich kompetent und erhalten sie dort womög-lich auch systematisch schlechtere Schul-noten? Die Befunde sind vor dem Hinter-grund der schon seit Jahrzehnten erhobe-nen Forderung nach reflexiver Koeduka-

Michael Mutz1 · Ulrike Burrmann2

1Institut für Sportwissenschaften, Georg August Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland2Institut für Sport und Sportwissenschaft, Technische Universität Dortmund, Dortmund, Deutschland

Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt?

Neue Befunde zu einer alten Debatte

Sportwiss 2014DOI 10.1007/s12662-014-0328-xEingegangen: 21. Oktober 2013Angenommen: 26. Februar 2014Online publiziert: [OnlineDate]© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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Hauptbeiträge

tion und geschlechtssensiblem Unterrich-ten sowie der aktuellen Diskussion um in-klusiven Unterricht von hoher Relevanz.

Gemeinsam oder getrennt?

Normative Positionen

Die Koedukationsdebatte wird seit Jahr-zehnten geführt, nicht nur in Bezug auf Sportunterricht, sondern auch mit Blick auf Schule insgesamt. Dabei steht außer Frage, dass Unterricht geschlechtergerecht ausgestaltet sein soll. Dieser soll u. a. „ten-denziell unterschiedliche (…) Neigun-gen von Mädchen und Jungen“ einbezie-hen und „zur Beseitigung von bestehen-den geschlechtstypischen Nachteilen von Mädchen und Jungen“ beitragen (Minis-terium für Schule NRW, 2013). Während Koedukation grundsätzlich als Norm in den Schulgesetzen der Bundesländer ver-ankert ist, wird eine temporäre oder so-gar permanente Trennung der Geschlech-ter v. a. im Sport- und Sexualkundeunter-richt, zum Teil aber auch in den naturwis-senschaftlichen Fächern als sinnvoll und legitim angesehen.

Viele Beiträge und Übersichtsartikel haben den Stand zur Koedukationsdebat-te umfassend aufgearbeitet (Bigler & Sig-norella, 2011; Faulstich-Wieland, 1999; Heller, 1992; Holz-Ebeling, Grätz-Tüm-mers, & Schwarz, 2000; Ludwig, 2003; Mael, 1998), so dass wir hier nur die zen-tralen Argumente resümieren. Koeduka-tiver Unterricht entspricht der Norm der Gleichberechtigung und garantiert glei-che Bildungsinhalte für Mädchen und Jungen. Interaktionen zwischen Män-nern und Frauen gehören in allen gesell-schaftlichen Handlungsfeldern zur Nor-malität. Angesichts dessen bedarf Ko-edukation keiner besonderen Legitima-tion. Dennoch wird auf zahlreiche Vor-teile gemischtgeschlechtlicher Gruppen verwiesen: Koedukation trainiere Inter-aktionen mit dem anderen Geschlecht und biete Gelegenheiten, Stereotypisie-rungen zu überwinden und Vorurteile ab-zubauen. Dies kann einerseits durch die häufigeren Kontakte zum anderen Ge-schlecht bewirkt werden, wodurch eine differenziertere und weniger klischeebe-haftete Wahrnehmung gefördert werde. Zum anderen können die Gleichberechti-

gung der Geschlechter und die Anerken-nung von Differenzen auch Maximen sein, an denen sich pädagogisches Han-deln orientiert und die bewusst im ko-edukativen Unterricht vermittelt werden könnten. Mädchen könnten sich, so ein weiterer Vorteil, im koedukativen Unter-richt idealerweise als „maskulin“ bewer-tete Eigenschaften wie Ehrgeiz, Durchset-zungsvermögen oder Wettbewerbsorien-tierung stärker aneignen, die ihnen in be-ruflichen Kontexten nützen, während die Jungen in Gegenwart von Mädchen ihre sozialen Kompetenzen schulen und sich disziplinierter verhalten würden.

Dem stehen aber auch skeptische Ein-schätzungen koedukativen Unterrichts gegenüber (Lee & Bryk, 1986; im Über-blick wiederum Mael, 1998): In der US-amerikanischen Debatte wird häufig an-gemerkt, Geschlechtertrennung wür-de dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler (v. a. ab der Sekundarstufe 1) auf-merksamer und ablenkungsfreier lernen könnten. Die Gegenwart von Gleichalt-rigen des anderen Geschlechts würde da-zu führen, dass Schülerinnen und Schü-ler dem Zwang ausgesetzt seien, sich stän-dig als attraktiv in Szene setzen zu müs-sen und andere als auch sich selbst in Ka-tegorien von Attraktivität und Beliebt-heit zu bewerten. Darüber hinaus hät-te geschlechtergetrennter Unterricht vor allem Vorteile für Schülerinnen: Im ko-edukativen Unterricht würden Jungen häufiger das Unterrichtsgeschehen do-minieren, mehr Aufmerksamkeit von den Lehrkräften erhalten, ihre Interessen öf-ter durchsetzen und eher Führungsrollen einnehmen. Ein nach Geschlecht getrenn-ter Unterricht würde deshalb gerade den Mädchen mehr Gelegenheiten zur Mit-arbeit, Interessensartikulation und Ver-antwortungsübernahme bieten und sei daher im Sinne affirmativer Mädchen-arbeit der Koedukation vorzuziehen. Dies wird vor allem für jene Schulfächer rekla-miert, die traditionell als „männliche Do-mäne“ gelten, wie Mathematik und Na-turwissenschaften (Kessels, Hannover, & Janetzke, 2002; Shapka & Keating, 2003). Allerdings konnten viele dieser vermute-ten Vorteile von Monoedukation bislang nicht überzeugend belegt werden (Hay-es, Pahlke, & Bigler, 2011; Ludwig, 2003;

Mael, Alonso, Gibson, Rogers, & Smith, 2005; Rost & Pruisken, 2000).

Koedukationsdebatte im Schulsport

Ähnlich umfangreich ist die Literaturla-ge mit Blick auf den Schulsport (im Über-blick u. a. Alfermann, 1992; Gieß-Stüber, 2001; Kugelmann, 1996; Kugelmann, Rö-ger, & Weigelt, 2008; Wolters, 2002). Da der Sportunterricht im Gegensatz zu al-len anderen Schulfächern wesentlich auf körperlichen Voraussetzungen basiert, treten Geschlechterunterschiede hier be-sonders offenkundig zum Vorschein. Zu-dem haben sich Schülerinnen und Schü-ler bei Schuleintritt bereits spezifische männliche und weibliche Rollenvorstel-lungen angeeignet, die ihre Erwartungen an den Schulsport prägen und „ein unvor-eingenommenes Miteinander von Jungen und Mädchen erschweren“ können (Püh-se, 1990, S. 197).

Gerade weil im Sport Geschlechter-unterschiede deutlicher als in anderen Handlungsfeldern zum Vorschein kom-men, wird der Schulsport als besonders wichtiges Handlungsfeld angesehen, um Sozialisationslücken auszugleichen und eine Sport- und Bewegungspraxis jenseits klassischer Geschlechterzuweisungen zu vermitteln (Kugelmann et al., 2008; Tiet-jens & Potthoff, 2006). Damit könnte der (Schul-)Sport im besten Fall traditionelle Geschlechterrollen verändern, Mädchen und Jungen zu geschlechtsrolleninkon-gruentem Verhalten ermuntern und bei der Dekonstruktion von Geschlechterty-pisierungen mitwirken. Mädchen könn-ten im Schulsport beispielsweise Erfah-rungen mit Sport- und Spielformen sam-meln, die Härte, Kraft und Durchset-zungsvermögen schulen, während die Jungen ihr Bewegungsrepertoire durch Tanz und Gymnastik erweitern könnten. Die Wahrnehmung, Anerkennung und Wertschätzung der jeweils „anderen“ ge-schlechtsspezifischen Sportkultur wird als Ziel koedukativen Unterrichtens ausgege-ben (Kugelmann et al., 2008). Dabei wird zugleich auf die hohen Anforderungen hingewiesen, die dies an die Unterrichts-gestaltung und die Kompetenz der Lehr-kräfte stellt (McCaughtry, 2006).

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Zahlreiche Beiträge (Bräutigam, 2011; Gramespacher, 2008a; Kleindienst-Ca-chay et al., 2008; Martial, 1987; Scheffel, 1996) weisen allerdings darauf hin, dass koedukativer Sportunterricht, zumindest immer dann, wenn die anspruchsvollen methodisch-didaktischen Voraussetzun-gen nicht erfüllt sind, die ungerechten Ge-schlechterverhältnisse eher vertieft als ab-baut. „Die Hoffnung auf Chancengleich-heit der Geschlechter, die sich in den 1960er Jahren mit der Koedukation ver-knüpft, stellt sich auch im Schulsport als trügerisch heraus“ (Gramespacher, 2006, S. 192). Im Schulsport dominiere der Leis-tungs- und Wettbewerbsgedanke, der dem Sportverständnis der Jungen stärker entspricht als dem der Mädchen. Durch eine einseitige Auswahl der Bewegungs-formen, Sportarten und Sportspiele sowie einer auf Leistungserbringung und Wett-bewerb ausgelegten Unterrichtsgestaltung dürften Mädchen systematisch benachtei-ligt werden. Im Gegensatz zu den Jungen, die sich in diesen Sportarten, Sportspie-len und Wettbewerbsformen aufgrund physischer Vorteile häufiger durchsetzen und als das dominante Geschlecht wahr-nehmen können, könnten sich Mädchen seltener als sportlich kompetent erleben. Geschlechtertrennung im Sport hätte des-halb vor allem für die Mädchen Vortei-le: Sie könnten sich von männlichen Leis-tungs- und Wertmaßstäben lösen und ihre eigenen Interessen im Hinblick auf Spiel- und Sportformen durchsetzen. Zu-dem könne ein geschlechtshomogenes Umfeld für den Aufbau von Selbstvertrau- en und Selbstwirksamkeit von Vorteil sein (Biskup, Pfister, & Röbke, 1998).

Geschlechterspezifische Erwartungen im Sportunterricht

Die eingangs geäußerte Vermutung, der Schulsport könnte einseitig an den sport-lichen Präferenzen der Jungen orientiert sein, lässt sich mit einigen empirischen Daten unterfüttern (Bräutigam, 2011): Die im Schulsport ausgeübten Sportar-ten entsprechen stärker den Präferenzen der Jungen als denen der Mädchen. Die Befunde der SPRINT-Studie zeigen, dass kleine Spiele, Basketball, Turnen, Fußball oder auch Handball zu den am häufigsten im Sportunterricht ausgeübten Sportar-

ten gehören (Gerlach, Kussin, Brandl-Bre-denbeck, & Brettschneider, 2005a). Es gibt eine Häufung kampf- und körperbetonter Sportspiele, die den Sportvorlieben der Jungen entgegenkommen dürften. Fragt man die Jungen nach ihren Wunschsport-arten im Schulsport, werden eben diese kampf- und körperbetonten Ballspiele ge-nannt: Fußball, Basketball, Handball oder auch Hockey. Bei den Mädchen stehen da-gegen weniger zweikampfbetonte Sport-spiele wie Volleyball, Individualsportar-ten wie Schwimmen, Badminton und In-lineskaten, aber auch gymnastisch-tänze-

rische sowie akrobatische Bewegungsfor-men deutlich höher im Kurs (Gerlach et al., 2005a; Gramespacher, 2008a; Opper, 1996; Wydra, 2001). Diese Sportarten wer-den insgesamt aber deutlich seltener im Unterricht durchgeführt, was nicht zuletzt auch Interviews mit Sportlehrkräften na-helegen (Kleindienst-Cachay et al., 2008). Ergänzend zu diesen Befunden kann Gra-mespacher (2008b) in einer baden-würt-tembergischen Studie zeigen, dass Sport-lehrerinnen und -lehrer über geschlechts-typische eigene Sportbiographien und Sportartenpräferenzen verfügen: Die Leh-

Zusammenfassung · Abstract

Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0328-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Mutz · U. Burrmann

Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt? Neue Befunde zu einer alten Debatte

ZusammenfassungVor dem Hintergrund der lange und kontro-vers geführten Koedukationsdebatte analy-siert der Beitrag empirisch, ob Schülerinnen im koedukativen Sportunterricht systemati-sche Nachteile erfahren. Gestützt auf die vor-liegende Literatur zum Schulsport wird ange-nommen, dass der koedukative Sportunter-richt, so wie er bisher praktiziert wird, eher den sportbezogenen Erwartungen der Jun-gen als denen der Mädchen entspricht. Basie-rend auf den umfangreichen SPRINT-Daten wird untersucht, ob Mädchen den koeduka-tiven Sportunterricht negativer empfinden, sich dort seltener sportlich kompetent erle-ben sowie schlechtere Sportnoten erhalten. Bei diesen Analysen dienen jene Mädchen, die geschlechtergetrennt im Sport unterrich-

tet werden, als Kontrollgruppe. Die Befun-de bestätigen alle unsere Vermutungen: Ko-edukation geht damit einher, dass Schülerin-nen a) den Schulsport negativer empfinden, b) ein negativeres Selbstkonzept ihrer sport-lichen Fähigkeiten berichten und c) systema-tisch schlechter benotet werden. Im Sport-unterricht hat Koedukation damit messba-re Nachteile für Schülerinnen. Dieser Befund gewinnt in Anbetracht künftiger Herausfor-derungen wie einer zunehmend heterogener werdenden Schülerschaft und des inklusiven Unterrichtens nochmals an Bedeutung.

SchlüsselwörterSchulsport · Notengebung · Koedukation · Gender · Diskriminierung

Does coeducational physical education systematically discriminate against girls? New evidence on an old debate

AbstractAgainst the background of the long-debat-ed, controversial issue of mixed-sex vs. single-sex education, this paper empirically analyses whether or not female students are put at a disadvantage by coeducational physical edu-cation (P.E.) classes. Drawn on the existing lit-erature on school sport, it is assumed that co-educational P.E. classes, at least as current-ly practiced, rather conform to the sports-related expectations of boys than of girls. Based on the SPRINT data-set, it is investigat-ed whether coeducation in P.E. is accompa-nied by more negative affective states, more negative self-ratings of athletic competence as well as poorer grades among female stu-dents. Girls in single-sex P.E. classes serve as a

control group in these analyses. The findings confirm all of our hypotheses: Girls in coedu-cational P.E. classes (a) experience more neg-ative affects prior to school sport, (b) have a more negative self-concept of their athlet-ic abilities and (c) achieve significantly low-er grades. In P.E., coeducation thus signifies measurable disadvantages for female stu-dents. In light of future challenges, like in-creasing diversity among students and the rising demand for inclusive education, these findings once more gain in importance.

KeywordsPhysical education · Grading · Coeducation · Gender · Discrimination

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Hauptbeiträge

rer favorisierten Spielsportarten, die Leh-rerinnen eher Geräteturnen, Gymnastik und Tanz. Viel wichtiger ist aber, dass sie diese Vorlieben auch in die Gestaltung des eigenen Sportunterrichts einfließen lassen und auf diese Weise Geschlechterstereoty-pe reproduzieren.

Darüber hinaus unterscheiden sich aber auch Motive und Beweggründe für sportliche Aktivitäten zwischen den Ge-schlechtern: Für Jungen stehen stärker als für Mädchen Leistungsaspekte im Fokus. Sie präferieren im Schulsport ebenso wie im außerschulischen Sport eher konkur-renzorientierte und wettbewerbsförmi-ge Spiel- und Sportformen, die sich zur Demonstration von Leistung und Können eignen (Baur, 2007; Berndt & Menze, 1996; Wydra, 2001). Opper (1996) kann zudem zeigen, dass für Jungen der Leistungsver-gleich mit Mitschülern ein zentrales Motiv im Sportunterricht ist, nicht aber für Mäd-chen. Für Mädchen besitzen stattdessen Motive wie Fitness, Gesundheit, Körper-formung oder Ausgleich eine weitaus grö-ßere Bedeutung. Ein genuin auf Fitness, Gesundheit oder Körperformung bezoge-ner Sport ist aber in der Schule ebenfalls kaum vorgesehen. Gerlach et al. (2005a, S. 146) kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Bedürfnisse der Jungen „im Sport-unterricht (…) auf der Ziel- und Inhalts-ebene mehr Berücksichtigung“ finden. Mit dieser Diagnose sind sie nicht allein: Klein-dienst-Cachay et al. (2008) stellen gleich-falls ein „männliches Profil“ des Sport-unterrichts in der Sekundarstufe fest. Der Unterricht drohe „zum Refugium einer männlichen Sportpraxis zu verkümmern mit der Folge, dass [sich] viele Schülerin-nen, aber auch Schüler, die sich diesem Sportverständnis weniger oder gar nicht verpflichtet fühlen, vom Sport abwenden“ (Kleindienst-Cachay et al., 2008, S. 104). Deutschland ist hier keineswegs ein Ein-zelfall, denn Ähnliches wird in vielen inter-nationalen Studien diagnostiziert (Flintoff & Scraton, 2001; Koca, 2009; McCaughtry, 2006; With-Nielsen & Pfister, 2011).

Die einseitig an den sportlichen Vorlie-ben der Jungen orientierte Ausgestaltung des Sports bleibt für die Einstellungen zum und Verhaltensmuster im Sport-unterricht nicht ohne Folgen: Die Ana-lysen von Opper (1996) legen nahe, dass Mädchen den Sportunterricht eher als

Jungen als „Pflicht“ empfinden und die-sen häufiger mit „Angst“ assoziieren. US-amerikanische Studien können zeigen, dass sich Schülerinnen im koedukativen Unterricht passiver verhalten und zum Teil regelrecht exkludiert werden. Han-non und Ratliffe (2007) können am Bei-spiel von drei Teamsportarten (Fußball, Flag Football, Ultimate Frisbee) zeigen, dass im koedukativen Sportunterricht Mädchen signifikant weniger Spielantei-le haben, also weniger stark ins Spiel ein-bezogen werden, wie im geschlechterge-trennten Unterricht. Gestützt auf Unter-richtsaufzeichnungen lässt sich belegen, dass Schülerinnen im geschlechterge-trennten Sportunterricht fast doppelt so viel Zeit mit sportlicher Aktivität verbrin-gen als im koedukativen Unterricht (Der-ry & Phillips, 2004). Qualitative Studien (Flintoff & Scraton, 2001; Hills & Cros-ton, 2012; With-Nielsen & Pfister, 2011) legen nahe, dass Mädchen die für sie de-motivierende Erfahrung machen, dass sie in den Mannschaftsspielen seltener „auf Augenhöhe“ einbezogen werden. Zudem achten sie in Gegenwart von Jungen mehr auf ihr Aussehen und Auftreten, empfin-den das Beobachtetwerden beim Sport als unangenehm und machen sich grö-ßere Sorgen, sich zu blamieren. Schließ-lich legen qualitative als auch quantitati-ve Forschungsbefunde von Gieß-Stüber (1993) nahe, dass vor allem jene Mäd-chen, die sportlich weniger talentiert sind, von einem geschlechtergetrennt durchge-führten Sportunterricht profitieren. Sie berichten von größerem Unbehagen im koedukativen Unterricht und von gestie-genem Selbstvertrauen, dass sie auf die Geschlechtertrennung im Sportunterricht zurückführen. Zugleich berichten die-se Mädchen, im monoedukativen Sport-unterricht mehr zu lernen und sich gera-de dort, „richtig auspowern“ zu können.

Van Acker, Carreiro da Costa, De Bourdeaudhuij, Cardon und Haerens (2010) können in einem Unterrichtsver-such zeigen, dass es durch die Wahl der Sportart (Korfball), die geschlechtersensi-ble Art ihrer Vermittlung und durch spe-zifische Regeländerungen gelingen kann, die sportlich-aktiven Anteile am Unter-richtsgeschehen gerade bei den Mäd-chen zu steigern. Hieran wird deutlich, dass Lehrerinnen und Lehrern eine mit-

entscheidende Rolle zukommt: Sie kön-nen durch die Ausgestaltung des Sport-unterrichts sowohl zur Reproduktion als auch zum Abbau geschlechtertypischer Ungleichheiten im Schulsport beitragen. Eine bewusste Ausgestaltung des Schul-sports kann also eine gleichberechtigte Partizipation im koedukativen Sportun- terricht fördern. Solange dies aber nicht gewährleistet ist, dürften Mädchen die be-schriebenen Nachteile haben.

Diese Nachteile können sich nicht nur auf die Freude und Motivation im Sport-unterricht und auf die dort gemachten Erfolgserlebnisse und Könnenserfahrun-gen niederschlagen, sondern auch in der Sportnote widerspiegeln. Empirisch kann gezeigt werden, dass Schülerinnen im Sport leicht schlechtere Noten als Schü-ler erhalten (Gerlach et al., 2005a; Op-per, 1996; Wydra, 2001). Da die unter-schiedlichen physischen Voraussetzun-gen von Jungen und Mädchen durch ge-schlechterdifferenzierte Bewertungsnor-men ausgeglichen werden, überrascht es zunächst, dass Mädchen schlechter im Sport abschneiden als Jungen. Im Durch-schnitt fällt die Note der Jungen aber um zwei bis drei Zehntel besser aus als die der Mädchen. Deshalb liegt die Vermu-tung nahe, dass die schlechtere Benotung der Mädchen mit den im Sportunterricht dominierenden „männlichen“ Sportarten und Sportvorstellungen zusammenhängt. Schülerinnen könnten dann ihre sporti-ven Interessen und ihre sportlichen Stär-ken weniger gut in den Unterricht ein-bringen, was letztlich auch zu schlechte-ren Noten führen kann. Allerdings dürf-te diese Feststellung nur für den koedu-kativen Unterricht gelten. Gieß-Stüber (1993) kann in einem Unterrichtsversuch an einer Gesamtschule zeigen, dass Mäd-chen, sobald sie mono- statt koedukativ unterrichtet werden, auch bessere Zeug-nisnoten erhalten, wobei die Verbesse-rung bei leistungsschwächeren Schülerin-nen am größten ausfiel. Dabei lassen sich unterschiedliche Vermutungen darüber anstellen, worauf genau diese Verbesse-rung zurückzuführen ist: Einerseits könn-te die Motivation der Mädchen im Sport-unterricht angesichts anderer Unterrichts-inhalte angestiegen sein und die besseren Leistungen respektive Noten bedingen. Andererseits wäre es möglich, dass Sport-

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lehrkräfte im koedukativen Unterricht bei vielen Bewertungen (z. B. in Sportspielen) eben doch das Leistungsniveau der Jungen unbewusst als Bezugsgröße für die Noten-gebung mit heranziehen und deshalb die Leistung der Mädchen systematisch etwas schlechter bewerten.1

Untersuchungsleitende Hypothesen

Der Forschungsstand legt insgesamt na-he, dass der koedukative Sportunterricht in der Schule de facto stärker die sport-lichen Wünsche der Jungen als die der Mädchen widerspiegelt. Grundsätzlich nehmen wir deshalb an, dass Mädchen hierdurch systematische Nachteile erfah-ren. Im geschlechtergetrennten Sport-unterricht können „maskuline“ und „fe-minine“ Sportkonzepte und Sportinte-ressen weniger leicht in Konflikt gera-ten. Im geschlechtergetrennten Unter-richt dürften Mädchen damit Vorteile haben gegenüber jenen Mädchen, die ko-edukativ im Sport unterrichtet werden.2 Ein Vergleich von koedukativem und ge-schlechtergetrenntem Sportunterricht kann also höchst aufschlussreich sein. Drei Annahmen stehen bei diesem Ver-gleich im Mittelpunkt.

Erstens ist zu vermuten, dass koedu-kativ unterrichtete Mädchen den schu-lischen Sportunterricht grundsätzlich negativer empfinden, weil ihnen der „männliche“ Sport aufgenötigt wird, sie

1 Entsprechende Bezugsgruppeneffekte bei der Benotung könnten prinzipiell auch dann auftreten, wenn der Sportunterricht monoe-dukativ durchgeführt wird, die einzelnen Lehr-kräfte aber sowohl männliche als auch weibli-che Gruppen unterrichten. Es kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass Lehrkräfte ihre Vorstellungen von der Ausführung einer Bewe-gungs- oder Sportform und ihre Maßstäbe für die Benotung in einer Gruppe entwickeln und festlegen und diese dann auf andere Gruppen übertragen.2 Dieses Argument setzt voraus, dass die Geschlechtertrennung auf inhaltlichen Erwä-gungen fußt, dass also geschlechtergetrennter Unterricht tatsächlich die sportlichen Vorlieben von Jungen, vor allem aber von Mädchen stär-ker aufgreift. Das muss allerdings nicht immer der Fall sein. Es ist zumindest nicht ausgeschlos-sen, dass die Entscheidung für Monoedukation auch aus organisatorischen und nicht aus päda-gogischen Gründen erfolgt.

eher glauben, die Leistungsanforderun-gen nicht erfüllen zu können und sie das Beobachtetwerden durch Jungen unter Umständen auch als unangenehm emp-finden. Wir nehmen daher an, dass Mäd-chen, die koedukativ unterrichtet werden, größere Sorgen vor den Sportstunden äu-ßern a) als Jungen, die koedukativ unter-richtet werden, und b) als Mädchen, die geschlechtergetrennt unterrichtet werden (Hypothesen 1a und 1b).

Zweitens wäre anzunehmen, dass Mädchen im koedukativen Unterricht aufgrund der Sportartenauswahl weniger Gelegenheiten erhalten, sich als sport-lich kompetent zu erleben. Sie würden sich, auch im direkten Vergleich mit Jun-gen, häufiger als das „unterlegene“ Ge-schlecht wahrnehmen. Auf ihr sportli-ches Fähigkeitskonzept, dass sich in ho-hem Maße über Erfolgserlebnisse und so-ziale Vergleichsprozesse entwickelt, dürf-te sich dies negativ auswirken. Wir ver-muten deshalb, dass Mädchen im koedu-kativen Unterricht ein negativeres sport-liches Fähigkeitskonzept aufweisen a) als Jungen, die koedukativ unterrichtet wer-den, und b) als Mädchen, die geschlechter-getrennt unterrichtet werden (Hypothesen 2a und 2b).

Drittens blicken wir auf die Noten: Wenn im koedukativen Schulsport die von Jungen favorisierten Sport- und Be-wegungsformen dominieren, sollte das nicht ohne Folgen für die Sportnote blei-ben. Jungen sollten dann im Durchschnitt bessere Zensuren als Mädchen bekom-men. Womöglich verschieben sich auch für Lehrkräfte die Bezugsnormen in der Notengebung, sodass Mädchen unbe-wusst eben doch am Leistungsniveau der Jungen gemessen und daran beurteilt wer-den. Zu vermuten ist also, dass Mädchen im koedukativen Unterricht schlechtere No-ten erhalten a) als Jungen, die koedukativ unterrichtet werden, und b) als Mädchen, die geschlechtergetrennt unterrichtet wer-den (Hypothesen 3a und 3b).

Um diese Annahmen zu prüfen, wer-den multiple Regressionsanalysen berech-net, in denen Unterschiede, die sich aus dem Alter, der Schulform, der familiären Sozialisation zum Sport und aus sportli-chen Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler ergeben, statistisch kontrol-liert werden.

Methodik

Datengrundlage

Für die folgenden Analysen werden die Daten der SPRINT-Studie 2004 herange-zogen (Heim, Brettschneider, Hofmann, & Kussin, 2005). Für diese Studie wur-den Schüler/-innen in 219 Schulen, de-ren Eltern, Lehrer/-innen und Schullei-ter/-innen befragt. Die Studie wurde in sieben deutschen Bundesländern durch-geführt. Alle Schulformen mit Ausnah-me von Sonder- und Privatschulen sind im Sample repräsentiert. Wir betrachten im Folgenden nur die Schüler/-innen der 7. und 9. Klassenstufe, wobei zwei Ein-schränkungen gelten: Zum einen berück-sichtigen wir nur diejenigen, bei denen die Elternangaben vollständig vorliegen. Insgesamt haben 49 % der Schüler/-innen einen Elternfragebogen ausgefüllt zurück-gegeben (Heim et al., 2005). Dieser liegt bei Schülerinnen und Schülern, die ein Gymnasium besuchen, überproportional häufig vor, während Heranwachsende auf Hauptschulen leicht unterrepräsen-tiert sind. Unsere hier verwendete Stich-probe ist insofern leicht im Vergleich zur gesamten Schülerstichprobe verzerrt. Für die Analysen ist dies allerdings nicht re-levant, weil keine expliziten Vergleiche nach Schulformen vorgenommen werden bzw. die Schulform in den Modellen als Kontrollvariable mit berücksichtigt wird. Zum anderen beziehen wir nur jene Schü-ler/-innen ein, die angegeben haben, dass der Sportunterricht immer koedukativ oder immer geschlechtergetrennt durch-geführt wird. Ein vergleichsweise kleiner Anteil der Befragten hat angegeben, dass der Sportunterricht „mal getrennt, mal gemeinsam“ durchgeführt wird. Diese Schülerinnen und Schüler werden nicht berücksichtigt, da die Fallzahlen keine be-lastbaren Aussagen zulassen. Die Analyse basiert nach dieser Bereinigung auf einer Stichprobe von N = 2989 Befragten, wo-runter 1487 Schülerinnen (49,7 %) und 1502 Schüler (50,3 %) sind. 1065 der Be-fragten gaben an, dass ihr Sportunter-richt immer koedukativ durchgeführt wird (35,6 %). Die restlichen 1924 Befrag-ten werden immer geschlechtergetrennt unterrichtet (64,4 %).

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Hauptbeiträge

Indikatoren

Für die Prüfung der aufgestellten Hypo-thesen sind die SPRINT-Daten aus meh-reren Gründen hervorragend geeignet: Es liegen Angaben zur Wahrnehmung des Sportunterrichts aus Schülerperspek-

tive vor, und es wurden sportliche Fähig-keitskonzepte sowie Sportnoten erfragt. Die Durchführung des Sportunterrichts entweder in geschlechtergemischten oder in geschlechtergetrennten Gruppen wur-de ebenso erhoben wie zahlreiche Anga-ben zum Elternhaus und zum Sporttrei-

ben außerhalb der Schule (. Tab. 1). Wei-terführende Angaben zu Items und Ska-len können der Skalendokumentation zur SPRINT-Studie entnommen werden (Gerlach, Wilsmann, Kehne, Oesterreich, & Stucke, 2005b): 5 Sorgen vor dem Sportunterricht wer-den deutlich, wenn die Befragten Be-fürchtungen, Ängste und quälende Gedanken angeben, die im Unterricht verlangten Leistungsnormen nicht er-füllen zu können (Schwarzer & Jeru-salem, 1999). Drei Items bringen die-se Besorgnis zum Ausdruck und wur-den für die Skalenbildung herangezo-gen (z. B.: „Wenn ich an den nächsten Sportunterricht denke, mache ich mir Sorgen, ob ich auch alles schaffe“). Die Antwortvorgaben reichten von (1) „stimmt nicht“ bis (4) „stimmt ge-nau“. Die Skala basiert auf dem Mit-telwert der drei Antworten (α = 0,80).3 5 Das Fähigkeitskonzept im Schul-sport wird über sechs Items gemes-sen, die an die Selbstkonzeptska-len von Harter (1988) und Marsh (1988) angelehnt sind (z. B.: „Ich ler-ne sehr schnell neue Übungen im Sportunterricht“). Die Formulierun-gen wurden hier allerdings auf den Sportunterricht der Schule bezo-gen. Die Befragten konnten ihre Ant-worten wiederum von (1) „stimmt nicht“ bis (4) „stimmt genau“ abstu-fen. Für die Skala wurde der Mittel-wert der sechs Antworten berechnet (α = 0,84). Die Skala hat sich in frühe-ren Arbeiten bewährt (Brettschneider & Brandl-Bredenbeck, 1997; Brett-schneider & Gerlach, 2004). 5 Die Schülerinnen und Schüler wur-den schließlich nach der Sportnote auf dem letzten Schulzeugnis gefragt.

3 In der SPRINT-Studie wurde zusätzlich zu den hier verwendeten Items zur Besorgtheit auch die Erregtheits-Komponente der Zustands-angst erhoben, z. B. ob Schülerinnen und Schü-ler vor den Sportstunden „aufgeregt sind“ oder „Herzklopfen“ haben. Diese Angaben haben wir nicht mit einbezogen, da sich in verschiedenen Untersuchungen vor allem die kognitive Angst-komponente, also Besorgtheit, als leistungsmin-dernd erwiesen hat (vgl. Pekrun & Götz, 2006). Die nicht berücksichtigten Items geben auch keine Auskunft über die Valenz der Affekte. Es ist also unklar, ob bzw. inwieweit Aufgeregtheit überhaupt als negativ empfunden wird.

Tab. 1 Überblick über die Variablen und ihre Operationalisierung

Variable Items, Re-Codierungen

Sorgen vor dem Sportunterricht

Mittelwert aus 3 Angaben: „Was fühlst du, wenn du an deinen nächsten Sportunterricht denkst?a) …mache ich mir Sorgen, ob ich auch alles schaffe;b) …frage ich mich, ob meine Leistung ausreicht;c) …denke ich daran, was passiert, wenn ich schlecht abschneide.“Antwortvorgaben: (1) „stimmt nicht“ bis (4) „stimmt genau“Wertebereich der Skala: 1–4; M = 1,71; SD = 0,78; Cronbach’s α = 0,80

Fähigkeitskonzept im Schulsport

Mittelwert aus 6 Angaben: „Versuche, dich bei den folgenden Aussagen einzuschätzen“a) Ich lerne sehr schnell neue Übungen im Sportunterrichb) Es fällt mir schwer, im Sportunterricht etwas Neues zu lernen (invertiert)c) Ich bin sehr gut im Sportunterrichtd) Ich lerne im Sportunterricht schneller als anderee) Ich bin im Sportunterricht besser als die anderen in meiner Klassef) Ich bin im Sportunterricht einfach nicht gut (invertiert).Antwortvorgaben von (1) „stimmt nicht“ bis (4) „stimmt genau“Wertebereich der Skala: 1–4; M = 2,85; SD = 0,62; Cronbach’s α = 0,84

Sportnote „Welche Note hattest du auf dem letzten Zeugnis in Sport?“Originalwerte (1–6); M = 2,18; SD = 0,85

Durchführung des Sportunterrichts

„Wie wird bei euch der Sportunterricht durchgeführt?“Re-Codierung: (1) immer koedukativ, (0) immer geschlechtergetrennt

Alter „Wie alt bist du?“; Originalwerte (11–18); M = 13,9; SD = 1,22

Schulform Als Schulformen wurden unterschieden: Hauptschule, Realschule, Sekun-dar-/Mittelschule (nur Sachsen und Sachsen-Anhalt), Integrierte Gesamt-schule und Gymnasium. Es wurden 2 Dummy-Variablen für a) Gymnasias-ten/innen und b) Hauptschüler/innen gebildet. Alle anderen Schulformen bilden gemeinsam die Referenzkategorie.

Sportpraxis der Elterna

Mittelwert der Elternangaben: „Bitte geben Sie an, inwieweit Sie sich selbst sportlich betätigen!“Antwortvorgaben: (0) kein Sport, (1) ein- bis zweimal pro Woche, (2) min-destens dreimal pro Woche, (3) LeistungssportWertebereich: 0–3; M = 0,86; SD = 0,65

Sportgeräte im El-ternhausa

Additiver Index aus 9 Angaben: „Bitte geben Sie an, welche Sportgeräte und Sportartikel in Ihrem Haushalt Ihrem Kind zur Verfügung stehen: a) Fahrrad, b) Ski-/Snowboard-Ausrüstung, c) Ausrüstung für Tennis/Squash, d) spezielle Sportbekleidung, e) Fitnessgeräte, f ) Inlineskater/Skateboard, g) Surfbrett, h) Fußball/Basketball/Volleyball, i) spezielle Sport-schuhe.“Wertebereich: 0–9; M = 4,72; SD = 1,67

Sportbezogene Fa-milienaktivitätena

Mittelwert aus 3 Items: „Es gibt viele Dinge, die Eltern gemeinsam mit Ihren Kindern tun können. Geben Sie bitte an, wie oft Sie folgende Aktivitäten durchführen: a) Sportveranstaltungen besuchen, b) gemeinsam Sport trei-ben, c) über Sport reden.“Wertebereich: 1–7; M = 3,48; SD = 1,42; Cronbach’s α = 0,64

Eigene sportliche Vorerfahrungen

Zeitumfänge für Sportaktivitäten außerhalb der Schule (in Stunden) ad-diert über alle Wochentage: „Wie viel Sport außerhalb der Schule betreibst du in einer normalen Woche? Bitte gib uns die Zeit in Stunden pro Wochen-tag an, die du im und außerhalb des Vereins sportlich aktiv bist!“Wertebereich: 0–43; M = 7,3; SD = 6,4

aAngaben aus Elternfragebogen

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Die Antworten entsprechen hier dem schulischen Notenspektrum und rei-chen folglich von (1) „sehr gut“ bis (6) „ungenügend“. 5 Die Durchführung des Sportunter-richts wurde direkt erfragt, wobei drei Antworten zur Auswahl standen: 1) „Mädchen und Jungen gemein-sam“, 2) „Mädchen und Jungen ge-trennt“ und 3) „mal getrennt, mal ge-meinsam“. In die Analysen werden nur Befragte einbezogen, die immer koedukativ oder immer geschlechterge-trennt unterrichtet werden. 5 Als Kontrollvariablen berücksichtigen wir das Alter und die Schulform. Da-rüber hinaus beziehen wir Angaben zur familiären Sportsozialisation mit ein: die Sportpraxis der Eltern, sport-bezogene Familienaktivitäten und die Verfügbarkeit von Sportgeräten im Haushalt. Schließlich kontrollieren wir für die eigenen sportlichen Vor-erfahrungen, die über den Zeitum-fang abgebildet werden, in dem die Befragten Sport außerhalb der Schu-le treiben. Die Variablen und ihre ge-naue Operationalisierungen sind in . Tab. 1 dokumentiert.

Befunde

Deskriptive Befunde

Die drei abhängigen Merkmale korrelie-ren miteinander, was nicht anders zu er-warten war. Es zeigt sich eine moderate positive Korrelation zwischen den Sorgen vor dem Sportunterricht und der Sport-note auf dem letzten Zeugnis (r = 0,30; p < 0,001) sowie eine negative Korrela-tion zwischen den Sorgen vor dem Sport-unterricht und dem Selbstkonzept im Schulsport (r = − 0,36; p < 0,001). Ein ne-

gativer Zusammenhang von beachtli-cher Stärke liegt zwischen dem Selbst-konzept im Schulsport und der Sportnote vor (r = − 0,60; p < 0,001). Trotz dieser we-nig überraschenden Zusammenhänge ist es allerdings denkbar, dass koedukativer Unterricht die drei abhängigen Merkmale unterschiedlich stark beeinflusst, weshalb die Betrachtung und Gegenüberstellung dieser drei Merkmale in den folgenden Analysen instruktiv ist. In . Tab. 2 wird ein Überblick über die Mittelwerte und Standardabweichungen der drei abhän-gigen Merkmale für Schülerinnen und Schüler, aufgeschlüsselt nach der Unter-richtsform (koedukativ oder geschlech-tergetrennt) im Sportunterricht, wieder-gegeben. Wir beschränken unsere Kom-mentierungen allerdings auf die folgen-den multiplen Regressionsanalysen, die besser geeignet sind, unsere Hypothesen zur Benachteiligung von Mädchen im ko-edukativen Unterricht zu überprüfen.

Multiple Regressionsmodelle

Die Befunde multipler Regressionsanaly-sen werden in . Tab. 3 angegeben. Hier-bei sollen Unterschiede in den drei ab-hängigen Merkmalen auf die Kombina-tion von Geschlecht (männlich, weiblich) und Unterrichtsdurchführung (koeduka-tiv, geschlechtergetrennt) zurückgeführt werden. Die koedukativ unterrichteten Jungen dienen als Referenzgruppe. Die Regressionsgewichte geben also jeweils den Unterschied zu Jungen im koedukati-ven Sportunterricht an. Zusätzlich haben wir in jedem Modell mit Hilfe von t-Tests geprüft, ob der Unterschied zwischen den koedukativ unterrichteten Mädchen und den geschlechtergetrennt unterrichteten Mädchen signifikant ausfällt. Dabei wer-den das Alter und die Schulform, die fa-

miliäre Sozialisation zum Sport und die eigenen sportlichen Vorerfahrungen kon-trolliert.

Die Sorge vor dem Sportunterricht ist im multiplen Regressionsmodell bei den Jungen insgesamt niedriger als bei den Mädchen. Für die Jungen macht es kei-nen Unterschied ob sie geschlechterge-trennt statt koedukativ unterrichtet wer-den (b = 0,01; p > 0,10). Werden die Mäd-chen geschlechtergetrennt unterrichtet, sind ihre Sorgen vor den Sportstunden verglichen mit den Jungen um 0,11 Ska-lenpunkte höher (p < 0,05). Im koedukati-ven Sportunterricht fällt der Unterschied mit 0,22 Punkten sogar höchst signifikant aus (p < 0,001). Der Effekt bei koedukativ unterrichteten Mädchen fällt signifikant stärker negativ aus als bei geschlechterge-trennt unterrichteten Mädchen (p < 0,05). Mädchen, die koedukativ unterrichtet werden, äußern vor dem Sportunterricht also nicht nur mehr Sorgen als Jungen, sondern auch mehr Sorgen als Mädchen, die nach Geschlechtern getrennt unter-richtet werden.

Das Selbstkonzept im Sportunterricht ist ebenfalls am positivsten bei Jungen ausgeprägt, die koedukativ unterrichtet werden. Etwas weniger positiv schätzen jene Jungen ihre sportliche Fähigkeit ein, die geschlechtergetrennt unterrichtet wer-den (b = − 0,11; p < 0,001). Mädchen im ge-schlechtergetrennten Sportunterricht lie-gen nur 0,06 Skalenpunkte unterhalb des Referenzwertes der koedukativ unterrich-teten Jungen. Dieser Unterschied verfehlt knapp die Signifikanzgrenze (p = 0,06). Ein deutlich negativeres Bild ihrer sport-lichen Fähigkeiten lässt sich für die Mäd-chen im koedukativen Schulsport erken-nen. Sie liegen auch unter Kontrolle von sportlichen Vorkenntnissen und fami-liären Voraussetzungen mit 0,18 Skalen-punkten höchst signifikant unterhalb des Werts der koedukativ unterrichteten Jun-gen (p < 0,001). Koedukativ unterrichte-te Mädchen haben wiederum ein weniger positives Selbstkonzept im Sportunter-richt als geschlechtergetrennt unterrich-tete Mädchen. Die entsprechende Diffe- renz fällt höchst signifikant aus (p < 0,001). Damit findet unsere Annahme auch hier Bestätigung: Wird der Sportunterricht koedukativ durchgeführt, zeigen sich un-günstigere Werte für das sportliche Selbst-

Tab. 2 Geschlechterunterschiede im Sportunterricht. Deskriptive Befunde

Sorgen vor Sportunterricht

Selbstkonzept im Sportunterricht

Sportnote auf letztem Zeugnis

Koedukation

– Jungen 1,62 (0,72) 2,99 (0,61) 2,12 (0,83)

– Mädchen 1,86 (0,86) 2,69 (0,57) 2,37 (0,81)

Geschlechtertrennung

– Jungen 1,61 (0,72) 2,90 (0,63) 2,14 (0,90)

– Mädchen 1,77 (0,79) 2,80 (0,63) 2,11 (0,84)

SPRINT-Studie 2004. Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen (in Klammern)

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Hauptbeiträge

konzept der Mädchen, sowohl im Ver-gleich mit den Jungen als auch im Ver-gleich mit geschlechtergetrennt unterrich-teten Mädchen.

Die Sportnote ist nun der vielleicht wichtigste und „härteste“ Test für die Fra-ge der Benachteiligung von Mädchen. Für die Jungen macht es hier wiederum kei-nen Unterschied ob sie geschlechterge-trennt oder koedukativ unterrichtet wer-den. Es gibt keinen signifikanten Unter-schied zwischen den Gruppen (b = 0,03; p > 0,10). Bei den Mädchen stellt sich das wesentlich anders dar: Die geschlechter-getrennt unterrichteten Mädchen werden sogar besser benotet als Jungen (b = − 0,16; p < 0,001). Die Sportnoten der koeduka-tiv unterrichteten Mädchen fallen da-gegen durchschnittlich schlechter aus als die ihrer männlichen Klassenkameraden (b = 0,13; p < 0,05). Koedukativ unterrich-tete Mädchen werden nicht nur schlech-ter als Jungen, sondern auch schlechter als geschlechtergetrennt unterrichtete Mäd-chen bewertet. Der Notenunterschied zwischen Mädchen im koedukativen und jenen im getrennten Unterricht liegt bei

fast drei Zehnteln und erweist sich als höchst signifikant (p < 0,001).

Die untersuchungsleitenden Annah-men finden damit ausnahmslos Unter-stützung: Koedukativ unterrichtete Mäd-chen beurteilen den Sportunterricht ne-gativer, äußern negativere Ansichten über ihre sportlichen Fähigkeiten und werden schlechter benotet. Dies fällt nicht nur im Vergleich zu den Jungen auf, sondern ge-rade auch im Vergleich mit jenen Mäd-chen, die geschlechtergetrennt unterrich-tet werden. Während die Unterschiede zwischen mono- und koedukativ unter-richteten Mädchen bei den berichteten Sorgen vor den Sportstunden und beim sportlichen Fähigkeitskonzept zwar si-gnifikant, aber eher von geringer Stärke sind, zeigt sich gerade bei dem wichtigen Thema der Benotung eine erhebliche und praktisch sehr bedeutsame Differenz: Drei Zehntel Unterschied in der durchschnitt-lichen Sportnote lassen sich demnach al-lein auf die vier Gruppen, d. h. die Kombi-nationen aus Geschlecht und Edukations-form, zurückführen. Insgesamt hängen die Unterschiede in den Sorgen vor dem Sportunterricht und im Selbstkonzept im

Schulsport zu 1 %, die Unterschiede in den Sportnoten zu 2 % allein mit der Zugehö-rigkeit zu diesen vier Gruppen zusammen.

Fazit

Die Tatsache, dass in Deutschland der Sportunterricht an einigen Schulen ko-edukativ und an anderen geschlech-tergetrennt durchgeführt wird, erlaubt einen systematischen Vergleich von Schülerinnen und Schülern aus beiden Unterrichtsformen. Drei Hypothesen zur Benachteiligung von Schülerinnen wur-den in diesem Beitrag empirisch über-prüft. Dabei standen die empfundenen Sorgen vor den Sportstunden, die Selbst-einschätzung der Fähigkeiten im Schul-sport und die Sportnote im Fokus. Die Analysen weisen auf messbare Nachtei-le für Mädchen im koedukativen Sport-unterricht bei allen drei Kriterien hin. Dies legt nicht nur der Vergleich mit den Jungen nahe, sondern vor allem der Ver-gleich zu den Mädchen, die im Rahmen der Monoedukation unterrichtet wer-den. Insbesondere die schlechtere Beno-tung der Leistungen kann als Hinweis für eine systematische (jedoch nicht für eine absichtliche) Benachteiligung der Mäd-chen im koedukativen Kontext aufge-fasst werden.Die multiplen Regressionsanalysen, auf die wir diese Schlussfolgerung stützen, kontrollieren für Alter, Schultyp, ver-schiedene Aspekte der familiären Sozia-lisation zum Sport und für die Teilnah-me am außerschulischen Sport, d. h. für die sportlichen Vorerfahrungen, über die Schülerinnen und Schüler verfügen, wenn sie am Schulsport teilnehmen. Pro-bleme der Eingangsselektivität, d. h. der nicht zufälligen Verteilung von Schüle-rinnen und Schülern auf die zwei Unter-richtsbedingungen, werden durch die-se statistischen Kontrollen minimiert. Zu-gleich lassen die dokumentierten Zu-sammenhänge (ungeachtet der Tatsa-che, dass es sich nur um Querschnitts-daten handelt) kaum Zweifel an der zeit-lichen Lagerung der zentralen Merkma-le und damit an der Wirkungsrichtung: Es ist höchst plausibel, dass die Unter-richtsform die als abhängig betrachte-ten Merkmale beeinflusst (also Sorgen, Selbstkonzept und die Sportnote), und

Tab. 3 Geschlechterunterschiede im Sportunterricht. Multiple Regressionsmodelle

Sorgen vor Sportunterricht

Selbstkonzept im Sportunterricht

Sportnote auf letztem Zeugnis

b β b β b β

Mädchen + Koedukationa

0,22b*** 0,11 − 0,18b*** − 0,12 0,13b* 0,06

Mädchen + Monoedukationa

0,11* 0,06 − 0,06 − 0,05 − 0,16*** − 0,09

Jungen + Monoedukationa

0,01 0,01 − 0,11*** − 0,08 0,03 0,02

Alter − 0,06*** − 0,09 0,02** 0,04 − 0,02 − 0,03

Gymnasium − 0,11*** − 0,07 0,01 0,00 − 0,13*** − 0,08

Hauptschule 0,10* 0,04 0,13*** 0,07 0,01 0,00

Sportaktivität Eltern − 0,08*** − 0,06 0,00 0,00 − 0,01 − 0,01

Sportgeräte Familie − 0,06*** − 0,14 0,06*** 0,17 − 0,08*** − 0,15

Sportbezogene Familienaktivität

− 0,02 − 0,04 0,08*** 0,17 − 0,09*** − 0,15

Sportbeteiligung in Freizeit

− 0,00 − 0,03 0,02*** 0,21 − 0,02*** − 0,16

R2 0,07 0,17 0,13

ΔR2 für Unterrichts-gruppen

0,01 0,01 0,02

SPRINT-Studie 2004. Angegeben sind unstandardisierte (b) und standardisierte Regressionskoeffizienten (β)aAls Referenzkategorie dienen die koedukativ unterrichteten JungenbSignifikanter Unterschied (p < 0,05) zwischen mono- und koedukativ unterrichteten Mädchen. ΔR2 gibt den Anstieg der Modellgüte an, wenn die Unterrichtsgruppen (Geschlecht + Edukationsform) zusätzlich in das Mo-dell aufgenommen werden, nachdem zuvor bereits alle Kontrollvariablen berücksichtigt wurden*p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

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dass dieser Einfluss wiederum durch das Geschlecht moderiert wird. Die umge-kehrte Wirkungsrichtung anzunehmen, dass also die „abhängigen“ Variablen der Unterrichtsform oder dem Geschlecht einer Person kausal vorgelagert sind, ist wenig plausibel oder sogar praktisch ausgeschlossen.4

Die Befunde ergänzen damit die wissen-schaftliche Debatte, sie implizieren zu-gleich aber auch praktische Konsequen-zen für den Sportunterricht. Insgesamt können zwei unterschiedliche Schluss-folgerungen für den Schulsport abgelei-tet werden: Erstens legen die Befunde na-he, dass Koedukation mit systematischen Nachteilen für Schülerinnen verbun-den ist. Monoedukation geht im Gegen-zug mit erheblichen Vorteilen für Schüle-rinnen einher: Sie machen sich weniger Sorgen, berichten von einem positive-ren sportlichen Selbstkonzept und wer-den besser bewertet. Für Jungen ändert sich dagegen auf den drei betrachteten Kriterien wenig. Lediglich das sportliche Selbstkonzept männlicher Schüler ist im geschlechtergemischten Unterricht posi-tiver ausgeprägt, vermutlich weil sich die Jungen als Gruppe als sportlich leistungs-stärker im Vergleich zu den Mädchen er-leben können. Bei Monoedukation fällt diese Bezugsgruppe weg und die Ein-schätzung der eigenen Fähigkeiten fällt etwas niedriger aus. Unterm Strich stär-ken die Befunde aber die Position derer, die sich für Monoedukation bzw. zumin-dest für eine „Teilzeit-Trennung“ (Gieß-Stüber, 1993) im Schulsport aussprechen. Zweitens weisen die Analysen darauf hin, wie voraussetzungsvoll gleichberechtig-ter koedukativer Sportunterricht in der Schule ist. Dies betrifft die im Unterricht dominierenden Sportauffassungen und Sportarten, die immer wieder als „männ-lich“ charakterisiert wurden, aber auch die Kompetenz der Lehrenden, gender-

4 Ist die zeitliche Lagerung der betrachte-ten Merkmale eindeutig, geht also die ver-meintliche Ursache der vermeintlichen Wir-kung unzweideutig zeitlich voraus, und werden zugleich relevante Drittvariableneffekte statis-tisch kontrolliert, können die so nachgewiese-nen Zusammenhänge nach Auffassung vieler Autoren als „kausal“ interpretiert werden (vgl. klassisch Lazarsfeld, 1955; im Überblick Gold-thorpe, 2000, S. 137 ff).

sensibel zu unterrichten. Dabei sind die Forderungen nach reflexiver Koeduka-tion, demokratischen Geschlechterver-hältnissen und geschlechtersensiblem Unterrichten keineswegs neu (Alfermann, 1992; Kugelmann, 1996). Will man aber die pädagogischen Potenziale, die der koedukative Rahmen im Prinzip bietet, ausschöpfen, muss der Sportunterricht offenkundig in einer anderen Art und Weise arrangiert werden. Entsprechende Konsequenzen, z. B. die Entwicklung ge-eigneter fachdidaktischer Konzepte, eine Anpassung der Lehrpläne oder die Aus- und Weiterbildung der Sportlehrkräf-te, wurden schon vor Jahren abgeleitet und entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Offensichtlich haben diese Maßnahmen aber noch nicht durchgän-gig gefruchtet.In Anbetracht künftiger Herausforderun-gen, wie einer zunehmend heterogener werdenden Schülerschaft und des inklu-siven Unterrichtens, gewinnt dies noch-mals an Brisanz. So wünschenswert in-klusiver Sportunterricht auf einer nor-mativen Ebene ist, so schwierig gestal-tet sich die konkrete Umsetzung in der Unterrichtspraxis. Nicht erst unsere Ana-lyse weist darauf hin, wie sehr diese Ge-staltung des Sportunterrichts an Bedin-gungen geknüpft ist, damit sie für Schü-lerinnen und Schüler mit unterschiedli-chen Voraussetzungen gleichsam attrak-tiv und motivierend ist und möglichst al-len Beteiligten Erfolgs- und Könnenser-fahrungen vermittelt. Zwar gibt es zahl-reiche methodisch-didaktische Anregun-gen, wie Lehrkräfte ihren Unterricht ar-rangieren können, um mit einer hete-rogener werdenden Schülerschaft er-folgreich umzugehen (Fediuk, 2008; Tie-mann, 2009; Weichert, 2000). Ob bzw. in-wieweit der tatsächliche Unterricht die-sen Ansprüchen gerecht wird, ist aber eine offene Frage. In diesem Zusammen-hang wird es nicht nur darum gehen können, Genderkompetenz oder inter-kulturelle Kompetenz von Sportlehrkräf-ten einzufordern, zumal dies mit Verun-sicherungen der Sportlehrkräfte verbun-den sein dürfte (Gieß-Stüber, 1997; Frohn & Grimminger, 2011). Darüber hinaus-gehende Veränderungen sind vor allem auch auf institutioneller Ebene notwen-dig (Gramespacher, 2006, 2008a).

Schließlich könnte man in diesem Zu-sammenhang einwenden, dass die SPRINT-Daten bereits vor fast 10 Jahren erhoben wurden und sich mittlerweile eine ganz andere Generation an Sport-lehrkräften im Schulsystem befindet, die sich vermutlich schon in ihrer Ausbildung stärker mit Gender-Themen auseinan-der gesetzt hat und einen koedukativen Sportunterricht deshalb gendersensi-bler und reflektierter gestalten kann. In-wieweit diese optimistische Vermutung zutrifft, lässt sich allerdings nicht sicher einschätzen. Eine Replikation der Analy-se mit aktuelleren Daten wäre deshalb grundsätzlich sehr wünschenswert.

Korrespondenzadresse

Jun.-Prof. Dr. M. MutzInstitut für SportwissenschaftenGeorg August Universität Göttingen Sprangerweg 2, 37075 Gö[email protected]

Danksagung. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Wolf-Dietrich Brettschneider und Erin Ger-lach, die uns freundlicherweise den Datensatz der SPRINT-Studie für die Analyse zur Verfügung gestellt haben.

Interessenkonflikt. M. Mutz und U. Burrmann geben an, dass kein Interessenskonflikt besteht.

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Berndt, I., & Menze, A. (1996). Distanz und Nähe – Mädchen treiben ihren eigenen Sport. In D. Kurz, H.-G. Sack, & K.-P. Brinkhoff (Hrsg.), Kindheit, Ju-gend und Sport in Nordrhein-Westfalen. Der Sportverein und seine Leistungen (S. 361–430). Düsseldorf: Moll.

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Hauptbeiträge

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