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Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm? „Wissenschaftsjournalisten sind umsichtig und gut informiert. Aber wenn das Publikum drängende Fragen hat, sind sie nicht immer mit Antworten zur Stelle“ Dr. Alexander Mäder, Leiter Wissenschaftsressort Stuttgarter Zeitung, WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm? · Björn Schwentker, ... Dr. Klaus Dartmann, DW-TV, WPK-Vorstand. Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm? "Ich lese viel zu häufig ein 'Ja,

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Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wissenschaftsjournalisten sind umsichtig und gut informiert.

Aber wenn das Publikum drängende Fragen hat, sind sie nicht immer mit

Antworten zur Stelle“

Dr. Alexander Mäder, Leiter Wissenschaftsressort Stuttgarter Zeitung, WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Ja, da wo neue Studien unkommentiert als neues Wissen dargestellt werden, wo selbst

offensichtliche Fragen zur Methode nicht aufgeworfen werden und wo die abweichende

Meinung nicht einmal eingeholt, das abweichende Ergebnis einfach übergangen wird. Kontrollinstanz können und sollen wir nicht sein, kritisch und gut

informiert schon.“

Kai Kupferschmidt, freier Wissenschaftsjournalist, redaktionelle Mitarbeit Der Tagesspiegel

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Die Zeit ist vorbei, in der Reporter brav wiedergaben, was Herr Professor entdeckt hatte. Längst wird in Redaktionen verlangt, Neues kritisch einzuordnen. Oft vertrauen

Wissenschaftsjournalisten allerdings reflexhaft großen Namen wie Harvard,

Charité oder Nature. Weniger Respekt vor Promis täte auch uns gut.“

Nicole Heißmann, Wissenschaftsredakteurin Stern

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Bei aller Liebe zur Wissenschaft: Journalisten sollten endlich aufhören,

sich als Schoßhündchen der Forscher zu verstehen. Schoßhündchen beißen nicht. Mehr Biss ist aber genau das, was dem

Wissenschaftsjournalismus in Deutschland fehlt.“

Alexander Stirn, freier Wissenschaftsjournalist, München

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Alle Wissenschaftsjournalisten sind unzahm! Nur sind die meisten so genannten meistens gar keine. Sondern Popularisierer,

die sich mit der Sache der Wissenschaft gemein machen. Das mag eine wichtige

Arbeit sein. Aber sie ist zahm und zahnlos wie Wackelpudding.“

Björn Schwentker, freier Wissenschaftsjournalist

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wissenschaftsjournalisten sollten aufhören, PR für die Wissenschaft zu betreiben, weil da

draußen im Internet inzwischen Millionen Fact-Checker leben. Wie sagte Horst Stern

einmal: "ein Journalist sollte die Dinge, die er sorgfältig recherchiert hat und die er für wahr

befunden hat, auch aussprechen."

Volker Stollorz, freier Journalist

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wissenschaftsjournalisten sind nicht unbedingt zu zahm. Wichtig ist in jedem Fall

ein möglichst fundierter fachlicher Hintergrund zu den Dingen, über die man

berichtet. Er schafft automatisch Distanz und eine gesunde Skepsis und befähigt den

Journalisten die neuen Sachverhalte korrekt einzuschätzen."

Dr. Rüdiger Schacht, freier Journalist

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Viele Wissenschaftsjournalisten verstehen sich noch zu sehr als

Übersetzer der Wissenschaftler. Etwas mehr kritische Einordnung würde vielen

Beiträgen gut tun“

Claudia Ruby, freie Journalistin, WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Lasst Euch nicht zähmen! Als Zoologe sage ich Euch: Zeichen der

Domestizierung sind Hängeohren, rückgebildete Gebisse und die Abnahme der Gehirnmasse um zwanzig Prozent“

Jacob Vicari, freier Wissenschaftsjournalist aus Hamburg

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wie kritisch Wissenschaftsjournalisten mit einem Thema umgehen können, hängt auch von den Arbeitsumständen ab. Zeitdruck und

knappe Finanzen sind nicht die besten Voraussetzungen“

Dr. Arndt Reuning, freier Journalist, WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wenn Wissenschaftsjournalisten die Wissenschaft kritisch beobachten

würden, wären sie echte Journalisten. Aber diese Tradition ist in Deutschland

nicht sehr ausgeprägt “

Winfried Göpfert, Journalist, em. Professor für Wissenschaftsjournalismus an der FU Berlin

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

"Die Frage ist gar nicht, ob die Wissenschaftsjournalisten bissiger sein wollen,

sondern ob sie es können! Von wenigen Spezialisten abgesehen, sind leider die wenigsten

in der Lage, aktuelle Forschungsergebnisse der unterschiedlichen Disziplinen wirklich fachlich einzuschätzen – und das ist die Voraussetzung

für kompetente Bissigkeit.“

Christoph Drösser, Redakteur, Ressort Wissen ZEIT Hamburg

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Ja, viel zu oft. Es fehlt: - die kritische Distanz gegenüber den

Experten und Institutionen- die selbstbewusste, journalistische

Beurteilung zur Relevanz eines Themas

- die kreativ-freche Umsetzung (die Wissenschaftlern nicht gefallen muss)“

Peter Ehmer, Redaktionsleiter „Leonardo“, WDR

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

"Wachsames Begleiten der Wissenschaft bedeutet nicht nur tiefgründige

Recherche, sondern auch (mehr) Mut zur strikten Auswahl. Denn Qualität zeigt sich auch darin, manches bewusst /nicht/ zu

bringen. Auch bzw. vor allem wenn intensive PR-Arbeit einen verlockend leicht gemachten Artikel verheißt."

Antje Findeklee, Online-Redakteurin Spektrum der Wissenschaft

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Manchen Wissenschaftsjournalisten fehlt der Biss. Sie wollen Wissenschaft erklären

und dafür von Wissenschaftlern gelobt werden. Aber kritischer Journalismus ist nicht

ihr Ding“

Dr. Klaus Dartmann, DW-TV, WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

"Ich lese viel zu häufig ein 'Ja, aber...'. Wissenschaftsjournalisten brauchen

einen unabhängigen Geist und sollten klipp und klar 'Ja.' oder 'Nein.' sagen

können."

Dr. Veronika Hackenbroch, Redakteurin Ressort Wissenschaft & Technik SPIEGEL

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Lange Jahre wurde Wissenschaftsjournalisten nicht zu unrecht mangelnde Distanz zum Gegenstand ihrer

Berichterstattung vorgeworfen. Heute ist der Wissenschaftsjournalismus in Deutschland auf einem guten Weg, zu einem ‚normalen‘

Journalismus zu werden.“

Martin Schneider, Stellv. Redaktionsleiter der TV-Wissenschaftsredaktion des Südwestrundfunks,

WPK-Vorstand

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Nein, ich denke nicht, dass Wissenschaftsjournalisten zu zahm sind.

Schwierig wird es, wenn sie sich bei kontroversen Themen in einem Spannungsfeld zwischen

öffentlicher Meinung und unabhängiger Bewertung von Forschung befinden. Da kommt es meiner Meinung nach darauf an, sich unabhängig

zu entscheiden und wenn nötig, das Konfliktpotenzial klar zu benennen.“

Eva Opitz, PressesprecherinAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

"Ein paar Fragen zur Sache und der Beitrag steht, das ist die Regel. Kritische Fragen und der Blick

von außen auf die Forschung müssen aber durch die Journalisten kommen. Das ist aufwändig, aber unbedingt nötig. Sonst machen sich Journalisten

überflüssig, denn reine Erklärstückchen schreiben die Pressestellen ja schon selber ganz gut."

Dr. Antonia Rötger, Kommunikation & Medien Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher

Forschungszentren, Journalistin

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

“Zahm” oder “wild” sind nicht die Kriterien für guten Wissenschaftsjournalismus, eher

„mutig“, “kenntnisreich“, „denk- und sprechfähig“. Dann wird der Diskurs mit den PR-Abteilungen umso fruchtbarer, je besser

die sind.

Prof. Joachim Treusch, Präsident der Jacobs University Bremen,

WPK-Kuratorium

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

Rückfrage: Was heißt „zu zahm“? Zu unkritisch? Oder mehr an der Sache orientiert und weniger darauf aus, kontroverse Debatten zu befeuern?

„Zahm“, im Sinne von gezähmt oder gar domestiziert ist ein Attribut, das zum Journalismus generell nicht recht passt. Faire, kritische Auseinandersetzung mit

der Sache allerdings gehört zu einem verantwortungsvollen Journalismus. Und: In einer

Zeit, in der immer weniger Zeit für Recherchen bleibt, ist der Sachverstand von

Wissenschaftsjournalisten umso wichtiger

Christiane Götz-Sobel, Redaktionsleiterin ‚Abenteuer Forschung‘, ZDF, WPK-Beirat

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Watchdog? Kuscheltier? -Wissenschaftsjournalisten sind

Journalisten. Also müssen sie kritisch sein – unbedingt. Aber genauso auch

sorgfältig, fair und verantwortungsvoll –unbedingt.“

Reiner Korbmann, Science&Media, Chefredakteur "Medizin&Wissenschaftsjournalist"

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Viele Wissenschaftsjournalisten machen einen guten Job. Vor allem, wenn es um die Berichterstattung von

Forschungsergebnissen geht. Ein bisschen unterbelichtet sind m.E. Themen aus der

Wissenschaftspolitik. Zuweilen können das Wissenschaftssystem und die verantwortlichen

Politiker nahezu unbeobachtet von der Presse schalten und walten; Gelder vergeben oder nicht vergeben oder Dinge umorganisieren. Ich denke, für solche Prozesse

sollten sich Journalisten etwas mehr interessieren“

Ina Helms, Kommunikation Helmholtz Zentrum Berlin

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wissenschaftsjournalisten entwickeln sich zunehmend zu handzahmen Stubentigern. Adrett

und freundlich erklären sie die naturwissenschaftlich erklärbare Welt ohne wirklich

anzuecken - Ausnahmen bestätigen die Regel. Verheerend ist zudem, dass die vermeintliche

Objektivität wissenschaftsjournalistischer Beiträge auch von denen genutzt wird, die es zu kritisieren

gilt. Mehr Biss, mehr Meinung täte uns gut!“

Mirko Smiljanic, freier Journalist, Köln

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

"Gegenfrage: Auf welcher Wissenschaftsseite gibt es eine

Kommentarspalte? Und: Welches Medium außer BILD setzt sich satirisch mit

Wissenschaft auseinander?"

Thomas Reintjes, freier Journalist, Köln

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Ja, sie sind häufig zu zahm. Aber wer will es ihnen vorwerfen? Sie sind überarbeitete Multitasker, die es

gerade so schaffen, Forschungsergebnisse journalistisch (im Sinne von: lesbar) aufzubereiten. Für

kritischen Journalismus bräuchten sie dagegen Zeit, Luft zum Atmen, weniger Existenzkampf. Der Appell, kritischer zu sein, geht also eigentlich an die, welche die Bedingungen journalistischer Arbeit schaffen: die

Verlage – und die Gesellschaft.“

Annette Leßmöllmann, Professorin für Journalistik mit dem Schwerpunkt

Wissenschaftsjournalismus an der Hochschule Darmstadt

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Die Berufsentscheidung geht meist mit einer positiven Einstellung zu Wissenschaft und ihren

Protagonisten einher. Viele Wissenschafts-journalisten sollten versuchen, kritischer, mutiger, journalistischer zu werden. Das funktioniert mit einer guten – journalistischen - Ausbildung und

fachlicher Kompetenz. Ohne wird es schnell peinlich. Und frech, konfrontativ, aber doof - so

kann das Ziel jedenfalls nicht heißen."

Richard Friebe, freier Journalist

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Wissenschaftsjournalisten haben die Aufgabe, intensiv zu recherchieren und

wissenschaftspolitische Fragen zu bewerten. Der Wissenschaft tut es gut, wenn sie kritisch begleitet wird. Davon

kann sie nun profitieren."Ich hoffe, Sie können es noch zum Einsatz

bringen"

Prof. Jörg Hacker, Präsident Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

Sind Wissenschaftsjournalisten zu zahm?

„Manchmal sind Wissenschaftsjournalisten zahm –

nicht aus Mangel an Mut, sondern aus Mangel an Zeit und Energie. Wer über

ein Thema nicht wirklich Bescheid weiß, kann es auch kaum kritisch

hinterfragen."

Iris Lehmann, Pressesprecherin Max Rubner-Institut