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WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND DEZEMBER 2019 EXTRA Sixt, Celonis und Zeiss: Drei Revolutionsführer der deutschen Wirtschaft

Sixt, Celonis und Zeiss: Drei Revolutionsführer der ...€¦ · wenn der Wandel schnell kommt – ein Besuch bei früheren Preisträgern. 10 SIXT ... vom Start-up zum Quasimonopolis-ten

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Page 1: Sixt, Celonis und Zeiss: Drei Revolutionsführer der ...€¦ · wenn der Wandel schnell kommt – ein Besuch bei früheren Preisträgern. 10 SIXT ... vom Start-up zum Quasimonopolis-ten

WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND DEZEMBER 2019

E X T R A

Sixt, Celonis und Zeiss: Drei Revolutionsführerder deutschen Wirtschaft

Page 2: Sixt, Celonis und Zeiss: Drei Revolutionsführer der ...€¦ · wenn der Wandel schnell kommt – ein Besuch bei früheren Preisträgern. 10 SIXT ... vom Start-up zum Quasimonopolis-ten

4 DIGI TA L E GEW I N N E RWorauf es ankommt, wenn der Wandel schnellkommt – ein Besuch bei früheren Preisträgern.

1 0 SI X TWarum der Autovermieter ex-zellente Chancen im Geschäftmit der neuen Mobilität hat.

14 C A R L Z E I S SWie das Stiftungsunternehmenmit viel Geld und viel Gedulddie Halbleiterindustrie revolu-tioniert hat.

1 8 C E L ON I SWas die Gründer des Münchener Softwareunterneh-mens anders machen als diemeisten digitalen Start-ups.

2 2 I N T E RV I EWCVC-Deutschland-Chef Alexander Dibelius sagt, welcheGame-Changing-Qualitäten Private Equity hat – und wassich die Branche nicht zutraut.

26 M E T HODI KRegeln und Auswahlprozessbeim Game Changer Award.

Anschrift des VerlagsEricusspitze 1, 20457 HamburgTelefon: (040) 30 07-25 51Fax: (040) 30 07-22 47Chefredakteure: Martin Noé (V. i. S. d. P.),Sven ClausenRedaktion: Michael Freitag, Claus Gorgs(frei), Christina Kyriasoglou, Eva MüllerGestaltung: Darius WakilzadehBildredaktion: Martin RichterSchlussredaktion: Bettina Storm-Rother(Ltg.); Simone Boldt, Klaus WirtzDokumentation: Torsten Biendarra(Ltg.); Dennis Barg, Fritzi Becker

IMPRESSUM

INHALT

Dass  Digitalisierung  genausowenig  „Gedöns“  (GerhardSchröder)  ist  wie  Familien-oder Frauenpolitik, hat sich

herumgesprochen.  Jedes  Unternehmenversucht  sich  inzwischen  daran  oderspricht zumindest darüber. Doch so not-wendig die anpassung an den wirtschaft-lichen Zeitgeist sein mag, so wenig garan-tiert sie den Erfolg. 

Was es wirklich braucht, um ganz vorndas Spiel neu zu eröffnen, ist Substanz undErnsthaftigkeit. Das zeigen die Preisträgerdes  diesjährigen  Wettbewerbs  „GameChanger“, den die UnternehmensberatungBain & Company und manager magazin ge-meinsam ausrichten. Der autovermieterSixt traut sich ins Geschäft mit der neuenMobilität,  weil  er  seine  Kunden  besser versteht  als  die  Konkurrenz.  Zeiss  hat 20  Jahre  lang  geduldig  geforscht,  um die Halbleiterindustrie auf ein neues Levelzu heben. Und die Münchener Gründervon Celonis verzichteten auf Ego-Marke-ting und bieten stattdessen eine Softwarean, die ganz  einfach Effizienzreserven inUnternehmen hebt. 

So entstehen wahre Werte.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr

M A R T I N N O É Chefredakteur

Wahre Werte

EDITORIAL

3Extra   manager magazin

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Kommunismus und Ka-pitalismus liegen in der Berliner Karl-Lieb-knecht-Straße nah bei-

einander. Vor dem Gebäude der Stasi-Unterlagenbehörde grüßt dieBronzestatue eines sozialistischenArbeiters. Nur ein Haus weiter resi-diert ein Unternehmen, das es fer-tiggebracht hat, sich in Rekordzeitvom Start-up zum Quasimonopolis-ten aufzuschwingen.

Liebknecht und FlixBus – mehrGegensatz geht eigentlich nicht.Während der KPD-Mitgründer vormehr als hundert Jahren Verstaatli-chung predigte, hat der Fernbusan-bieter eine kapitalistische Erfolgs-geschichte geschrieben (und ganznebenbei den Staatsbetrieb Deut-sche Bahn vorgeführt). FlixMobility,wie das Unternehmen inzwischenheißt, bringt es heute auf mehr als1000 Mitarbeiter und rund 580 Mil-lionen Euro Umsatz. Das entsprichteiner durchschnittlichen Wachs-tumsrate von 172 Prozent – pro Jahr.Der Firmenwert wird auf mehr alszwei Milliarden Euro taxiert (siehetabelle Seite 6).

Mit seinen giftgrünen Bussenund Niedrigpreisen hat FlixBus dasReiseverhalten vieler Menschen ver-ändert und die Spielregeln einerganzen Branche neu definiert. Ähn-liches zu tun schickt sich geradedas Berliner Start-up Auto1 an, das Onlineplattformen für den Ge-

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D E U T S C H E S P I E L M AC H E R

Es gibt sie, die digitalen Gewinner aus Deutschland. Viele Preisträgerdes Game Changer Awards haben sich rasant weiterentwickelt.

Ein Blick auf ihre Rezepte verrät, wie sich heimische Unternehmenaufstellen müssen, um im digitalen Zeitalter zu bestehen. 2

Maß der Dinge

VON 0 AUF 95 Sechs Jahre nachseiner Gründungist das Fernbus-unternehmen

FlixBus Markt -führer in Europa –

und beherrschtden deutschen

Markt mit einemAnteil von rund

95 Prozent

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anbietern zu werden. DerMarktanteil bei Fernbussenliegt in Deutschland bei etwa95 Prozent, vor wenigen Wo-chen füllten Finanzinvestoren,darunter Permira, tCV undBlackRock, erneut mehr als eine halbe Milliarde Euro Wag-niskapital in den tank. Mitdem Geld soll die noch jungeZugsparte Flixtrain aus- undder Carsharingdienst FlixCaraufgebaut werden.

Zudem fließen Millionen indie internationale Expansion.Den USA-Markt hatte Flixbusbereits im vergangenen Jahr inAngriff genommen, nun sollenSüdamerika und Asien folgen.

Mobilität als NaturgesetzDas Herzstück des Unterneh-mens ist ein Algorithmus, derdie Fahrpläne errechnet, dieStreckenführung plant und diePreisgestaltung vorgibt – alsogewissermaßen das Gehirn dergrünen Flotte. Daniel Krausshat ihn entwickelt.

Anfangs zählten sie dieFahrgäste, die in einen ICEein- und ausstiegen, besorgtensich Daten von Mitfahrzentra-len und tippten alles in eineExcel-tabelle. „Damit habenwir unsere ersten Fahrplänemodelliert.“

Heute durchkämmen selbstentwickelte Crawler das Netzund analysieren Konkurrenz-angebote; die Busse auf dentäglich mehr als 300.000 Ver-bindungen melden in EchtzeitAuslastung und Umsteige -verhalten; GPS-Sensoren er-fassen Geschwindigkeit undVerkehrsdichte, sodass Lang -zeitbaustellen und Stau-schwerpunkte in die Fahrpläneeinfließen können. „Wir haben

jede jemals getätigte Such -anfrage in der Cloud gespei-chert“, sagt Krauss, „das sindmehrere terabyte an Daten.“

Inzwischen brauchen die250 hauseigenen It-Spezialis-ten nur die Größe von Städten,die wichtigsten Verkehrswegeund die Zahl der Pendler zukennen, um präzise Vorhersa-gen über die Reisetätigkeit derMenschen zu machen – das giltselbst für Länder, in denen zu-vor noch nie ein Flixbus gefah-ren ist. „Verkehr ist wie Gra -vitation“, erklärt Krauss. „Esgibt eine Konstante, die über-all auf der Welt gleich ist.“

Mithilfe von Big Data passtdas Unternehmen Strecken-planung und taktung an dieBedürfnisse der Kunden anund sorgt gleichzeitig für einehohe Auslastung, was wichtigfür die Profitabilität ist. „Flix-Bus hat es geschafft, eine über-legene Kundenorientierungmit einer spannenden Wachs-tumsgeschichte zu verbin-den“, lobt Bain-Experte Sinn.

Während junge Unterneh-men wie FlixBus oder Auto1ihre Angebote ganz auf die gewünschte Zielgruppe zu-schneiden können, bedeutetdie Anpassung an das digi-

6 manager magazin E x t R A

brauchtwagenhandel betreibt. DemChiphersteller Infineon gelang es,mit der intelligenten Vernetzungseiner Fabriken die Produktionsme-thoden in der Halbleiterindustriezu revolutionieren. Und das Druck-und Verlagshaus Axel Springer bautesich selbst zum digitalen Dienst -leister um und legte damit eine Ge-winn- und Aktienkursentwicklunghin, die in der Medienbranche ihres-gleichen sucht.

Die genannten Firmen haben außer einer sehr gedeihlichen wirt-schaftlichen Entwicklung noch et-was gemeinsam: Sie gehören zu denbislang 15 Unternehmen, die denGame Changer Award erhielten, dendie Unternehmensberatung Bain &Company und manager magazin2015 ins Leben gerufen haben. Da-mit werden Unternehmen gewür-digt, die das digitale Zeitalter selbstgestalten, statt sich nur irgendwieanzupassen. Es ist eine Auszeich-nung, für die man sich nicht bewer-ben kann. Die Preisträger werdenausgewählt (siehe Kasten Seite 26).

In diesem Jahr geht der Award anden Autovermieter Sixt, den tech-nologiekonzern Carl Zeiss und denSoftwareanbieter Celonis (sieheBeiträge ab Seite 10). Doch nach fünfJahren lohnt auch ein konzentrierterBlick auf die Entwicklung der bishe-rigen titelträger, der mehr offenbartals individuelle Exzellenz. Es wer-den Muster erkennbar, wie sich Er-folg unter rasant veränderten Bedin-gungen erreichen lässt.

Kunden, Klicks und KapitalDie zentralen Weichenstellungen,die es Adidas ermöglicht haben, beider Marge an den ewigen Rivalen Nike heranzukommen, sind diesel-ben, die FlixBus befähigen, einenAuslandsmarkt nach dem anderenin Angriff zu nehmen, nebenbei insBahngeschäft einzusteigen und da-bei auch noch Gewinne zu erzielen.„Die Fähigkeit, digital zu denken,ist ganz entscheidend“, sagt WalterSinn, Deutschland-Chef von Bain &Company und seit fünf Jahren Mit-glied der Game-Changer-Jury (siehe

Kasten Seite 8/9). „Darüber hinausbraucht es eine klare Kundenorien-tierung und den Zugang zu aus -reichend Kapital.“ Wo diese Fakto-ren zusammenkommen, könnenErfolgsgeschichten entstehen.

Dass aus ihm einmal ein Bus -unternehmer werden würde, wäre Daniel Krauss (36) nicht im traumeingefallen. Der ehemalige Micro-soft-Manager ist ein techie durchund durch. Gedruckte Visitenkar-ten hat er nicht, statt Post-its als Gedächtnisstützen zu schreiben,schickt er sich Erinnerungsmails.Gemeinsam mit seinen Mitgrün-dern André Schwämmlein (38) undJochen Engert (38) war er 2011 aufder Suche nach einer Geschäftsidee.Etwas Neues, Wegweisendes solltees sein, nicht nur einfach die nächsteApp. „Eines tages erzählte André,dass in Deutschland das Verbot vonFernbussen fällt. Da haben wir ge-sagt: ,Gut, dann eben Busse.‘“

Sechs Jahre später sind die dreiGründer auf dem Sprung, zum Glo-bal Player unter den Mobilitäts -

GAME CHANGER

Unternehmen Award Umsatz Zahl Wachs- Gewinn Gewinn- Marge Firmen- Wertent-erhalten 2018, der Mit- tumsrate1 (Ebitda) 2018, wachstum2 (Ebitda) wert3 wicklg. in %

in Mio. € arbeiter in % in Mio. € in % 2018, in % in Mrd. € seit 2015

Adidas 2017 21.915 49.563 9,0 2762 25,8 12,6 56,15 122,4Auto1 2017 2900 4000 55,8 k. A. k. A. k. A. 2,90 k. A.Axel Springer 2015 3181 16.350 -1,2 709 13,2 22,3 6,91 36,6BASF 2018 62.675 119.178 -3,8 8523 -6,9 13,6 60,65 0,1 BMW 2015 97.480 134.682 1,9 12.583 -0,5 12,9 43,41 1,7EOS 2015 345 1000 9,2 34 -1,4 9,9 k. A. k. A.FlixMobility 2016 5804 1000 171,5 k. A. k. A. k. A. 2,00 100,05

Infineon 2016 7794 41.020 7,8 2140 15,0 27,5 20,29 47,5Motel One 2018 487 2600 12,8 150 2,3 30,8 1,50 k. A.SAP 2016 24.707 96.498 5,9 6773 3,2 27,4 141,69 75,4Siemens 2017 12.932 78.000 9,0 2586 15,4 20,0 k. A. k. A.Digital FactoryZalando 2018 5388 14.802 22,1 173 15,7 3,2 10,50 77,2

1| Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate seit 2015 (CAGR); 2| durchschnittliches Ebitda-Wachstum seit 2015 (CAGR);3| Börsenwert am 21.10.2019; nicht börsennotierte Gesellschaften geschätzt; 4| geschätzt; 5| bezogen auf 2016, geschätzt.k. A. = keine Angabe Quelle: Bain & Company, Reuters, mm-Recherche

ERFOLGREICHE DEUTSCHE REGELBRECHERDie Performance der bisherigen Preisträger des Game Changer Awards

FABRIKENFOR FUTUREMit seinerSpeedfactorygilt Adidas alsVorreiter derindividuellenFertigungdurch 3-D-Druck (o.). Infineon hatmit der Automatisie-rung und Vernetzungseiner WerkeMaßstäbe gesetzt (r.).

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tale Zeitalter für Großkonzerne einegewaltige Kraftanstrengung.

Dass es möglich ist, auch als eta -blierter Anbieter die Spielregeln zuverändern, beweisen die Dax-Kon-zerne Infineon und Adidas. Seit derKonzern mit den drei Streifen 2017den Game Changer Award gewann,hat er sowohl beim Umsatz als auchbei der Marge deutlich zugelegt. Inden vergangenen fünf Jahren schaff-te der Sportartikelhersteller eindurchschnittliches Gewinnwachs-tum von knapp 26 Prozent. „Adidashat bei der operativen Exzellenz einen deutlichen Schritt nach vorngemacht“, sagt Andreas Dullweber,Partner bei Bain & Company. „DasUnternehmen hat viele Investitio-nen in Richtung Digitalisierung undKundenerlebnis verschoben. Da istrichtig viel passiert.“

Für James Carnes (45) ist eszweit rangig, ob die Onlineumsätzeder Branche von heute rund 25 dem-nächst auf 40 bis 50 Prozent steigen,wie Experten erwarten. „In fünf

Jahren wird kein Mensch mehr vonDigi talisierung reden“, sagt der US- Amerikaner, der bei Adidas für die weltweite Markenstrategie verant-wortlich ist. „Es wird einfach normalsein. Es fragt ja auch keiner mehr, obeine Fabrik elektrischen Strom hat.“

Scannen, ausdrucken, fertigDer Konzern muss allerdings gleichmehrere Wettkämpfe zeitgleich be-streiten. Zum einen ändert sich dasKundenverhalten rasant. Der neues-te Hype auf Instagram, der Wunschnach mehr Nachhaltigkeit, lokale,nationale und weltweite trends – al-les passiert gleichzeitig. „Wir erle-ben eine völlig neue Dynamik“, sagtCarnes. „Heute braucht die Ent-wicklung eines neuen Produkts etwa18 Monate Vorlauf. Das wird sichdeutlich beschleunigen.“

Mindestens ebenso schnell wiedie Kundenwünsche verändern sichProdukte und Herstellungsverfah-ren. Laufshirts, die die Herzfre-quenz messen, Schuhe, die Daten

direkt an die Smartwatch senden,die daraus trainingstipps ableitet –alles machbar. Vor zwei Jahrennahm Adidas die Speedfactory in Be-trieb, in der individuelle Sportschu-he im 3-D-Druckverfahren herge-stellt werden. In drei bis vier Jahren,verspricht Konzernchef Kasper Ror -sted, sollen solche Drucker in dengroßen Flagship-Stores stehen. Fußscannen, Schuh ausdrucken, fertig.

Schon heute sei Adidas der welt-größte Hersteller von Produkten ausdem 3-D-Drucker, so Carnes. Lang-fristig sei es auch denkbar, sich denonline bestellten Schuh direkt zuHause auszudrucken. „Davon sinddie aktuellen 3-D-Drucker aber nochdrei bis vier Generationen entfernt.“

Wenn sich Kundenverhalten undProdukte gleichermaßen verändern,gilt es, erst einmal genau zuzuhö-ren.  „Alle reden über Daten undnoch mehr Daten. Viel wichtiger istdie Frage, welche Daten wirklich re-levant sind und was sie aussagen“,so Carnes. So sei es zwar hilfreich zu

GAME CHANGER

wissen, dass sich ein bestimmtesModell in Russland gut verkaufe.Entscheidender sei jedoch: warum?

Um das herauszufinden, nutztAdidas aktuelle Verkaufszahlen, dasNutzungsverhalten von Instagram-Accounts, Daten der Website Adi-das.com sowie Informationen ausKundenbefragungen und lässt, un-terstützt von künstlicher Intelligenz(KI), Marktanalysten ihre Schlüssedaraus ziehen. Im Januar starteteAdidas eine Kooperation mit demfranzösischen Start-up-InkubatorStation F, die neue Ideen und Impul-se bringen soll. Gleich ganze Daten-analysefirmen zu kaufen, wie Nikees vormacht, ist derzeit in Herzo-genaurach nicht geplant. Ausschlie-ßen will man es jedoch auch nicht.

„Wir müssen uns jeden tag aufsNeue fragen, wie wir für den Kundenrelevant bleiben“, sagt Carnes. DieFrage, ob sich der Konzern ange-sichts einer schwächelnden Welt-konjunktur eher auf weitere Um-satz- oder Gewinnsteigerungen

konzentrieren wolle, quittiert derStrategiechef mit einem Lächeln.Adidas will beides schaffen.

Radar unter der MotorhaubeRund 200 Kilometer südlich vonHerzogenaurach plant man ähnlichoptimistisch. Mehr als 100 überwie-gend junge Leute wuseln an einemverregneten Oktober-tag durch die Infineon-Zentrale und präsen-tieren ihre neuesten Entwicklungen.Make athon heißt diese hausinterneInnovationsschau. Dem bestenteam winkt, mit etwas Glück, dieUmsetzung seiner Produktidee.

„Das Entscheidende in unseremGeschäft ist, die langfristigen trendsvorherzusehen“, sagt Helmut Gassel(55). Der Chefstratege des Chipher-stellers sitzt in seinem Vorstands -büro ein Stockwerk über dem Ge-tümmel. Anders als seine Kollegenbei Adidas muss er nicht auf kurz-fristige Moden reagieren, auch re-gionale Besonderheiten spielen imglobalen Halbleitergeschäft eherkeine Rolle. „Wir müssen unsereKernmärkte mit einer Perspektivevon zehn Jahren und länger auswäh-len. Das bedeutet, wir müssen unse-re Kräfte bündeln und uns auf dierichtigen Felder konzentrieren.“

Den trend zu mehr passiver Si-cherheit und elektronischen Assis-tenzsystemen in Autos sahen dieSteuerungsexperten bereits zu Be-ginn des Jahrtausends kommen undentwickelten die dazu passendenAbstandssensoren und Radarsyste-

me auf Halbleiterbasis. So wurde diebis dahin klobige Ortungstechnikklein genug, um unter eine Motor-haube zu passen. Sie gilt auch alsSchlüsseltechnologie für das auto-nome Fahren, was damals noch nie-mand ahnte. Mit der vor wenigenMonaten verkündeten Übernahmedes Wettbewerbers Cypress steigtInfineon nun zum größten Chiplie-feranten der Autoindustrie auf.

„Infineon hat die wichtigen Zu-kunftsthemen gut besetzt und sichstark auf Wachstumsbereiche fokus-siert“, lobt Bain-Partner Hans Joa-chim Heider. „Der Kauf von Cypresseröffnet zudem die Chance, beim In-ternet der Dinge eine wichtige Rollezu spielen.“ Bei der Vernetzung dereigenen Fabriken ist das Unterneh-men bereits seit Jahren das Maß derDinge in der Branche, nun geht esdarum, auch die Kunden in diesesSystem einzubinden und die dafürnötige technik selbst anzubieten.

Nah am Kunden sein und die neu-en digitalen Möglichkeiten voll aus-schöpfen: Unternehmen, denen dasgelingt, haben gute Chancen, selbstdie neuen Spielregeln zu gestalten.Die Preisträger des Game-Changer-Wettbewerbs zeigen, dass es inDeutschland an Ideen und tatkraftnicht mangelt. Und dass FlixBus undAuto1 zuletzt je dreistellige Millio-nensummen, Axel Springer 2,9 Mil-liarden Euro an Beteiligungskapitalan Land ziehen konnten, belegt,dass  die Botschaft angekommenist. „Deutschland ist als Investment-standort für uns hochattraktiv“,sagt Christian Ollig, Deutschland-Chef des Private-Equity-Hauses und neuen Springer-Großaktionärs KKR.„Die Kombination aus Stabilität, ei-nem guten Innovationsökosystemund einem starken Mittelstand bie-tet einzig artige Chancen.“

Was dazu wohl Karl Liebknechtgesagt hätte? 1 Claus Gorgs

9E x t R A manager magazin

GAME CHANGER

ANDREAS VONBECHTOLSHEIM Der Mitgründer

von Sun Microsystemszählte zu denersten Investo-ren bei Google.Heute ist er eingefragter Beraterund Kapitalgeberim Silicon Valleysowie Chairmanund Chefent-wickler des

Netzwerkausrüs-ters Arista.

DELIA FISCHER

2011 startete sie gemeinsammit vier Co-Gründern dasOnlineeinrich-tungsportal

Westwing, dasseit gut einemJahr börsenno-tiert ist. Die Ex-Journalistin zähltzu den bekann-testen Frauender deutschenStart-up-Szene.

PHILIPP JUSTUS

Seit 2013 ist der Google-

Manager für dieGeschäfte inDeutschland,Österreich undder Schweiz zu-ständig. Zuvorleitete er unteranderem das

Europa-Geschäft bei EBay und

später das Global Markets Teambei PayPal.

JOE KAESER

Sein ganzes Berufsleben hat

er bei der Siemens AG ver-bracht, seit 2013ist er Vorstands-chef – und hat

gerade den größ-ten Umbau derUnternehmens-geschichte ange-stoßen. Zuvorwar er Finanz-vorstand desDax-Konzerns.

HARALD KRÜGER

Der Diplom- Ingenieur bautefür BMW das

erste US-Werk inSpartanburg mitauf, wurde 2008 in den Vorstanddes Autobauersberufen und

2015 zum CEOernannt. Im

August gab er dasAmt an seinenNachfolger

Oliver Zipse ab.

MARTIN NOÉ

Als Chefredak-teur des manager

magazinsbe gleitet er engden rasanten

Wandel, den diegesamte deut-sche Industriegerade durch-läuft. Der

Historiker warvor dem Wechselnach Hamburg

Chefreporter des „Handelsblatts“.

WALTER SINN

Der Betriebswirtleitet das

Deutschland-Ge-schäft der Strate-gieberatung Bain& Company.

Er gilt als intimerKenner der

deutschen Wirt-schaft und hat

sich vor allem alsBerater in der Finanzbrancheeinen Namen gemacht.

DIE JURYDiese siebenWirtschafts-experten entschiedenüber diediesjährigenPreisträgerdes GameChangerAwards vonmanager magazin undBain & Company.

„DEUTSCHLAND IST ALSINVESTMENT-

STANDORT FÜR UNS HOCHATTRAKTIV.“

Christian Ollig,KKR-Deutschland-Chef

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Eigentlich stand alles fest.BMWs Carsharing-toch-ter DriveNow würde  inden  USa  durchstarten.

Der Konzernvorstand in Münchenhatte zugestimmt, auch jenseits desatlantiks sollten Minis und kleineBMWs  zur  Kurzzeitmiete  bereit -stehen. In San Francisco hatte manzwei Jahre lang getestet, zwei Städtesollten  nun  pro  Quartal  dazu -kommen.  Der  mit  50  Prozent  anDriveNow  beteiligte  autovermie-ter Sixt sollte auch in den USa da-bei sein, DriveNow-Geschäftsführer Nico  Gabriel  (42)  plante  schon seinen Umzug.

Indes, es kam nicht so; und zwarweil die Sixt SE sich dann doch an-ders  entschieden  hat.  angekün -digt  hatte  sich  der  Bruch  in  derDriveNow-Partnerschaft mit boh-renden Fragen von alexander Sixt(40), einem der beiden Söhne derBranchenlegenden Erich (75) undregine (76) und im Vorstand für dieStrategie verantwortlich. Bei einerletzten Besprechung stellte er noch

einmal  das  komplette  Geschäfts -modell für die USa infrage – undsagte am Ende Nein. Die DriveNow- Expansion in die USa war ihm zuriskant; er sah in den meisten Me-tropolen kaum aussicht auf Gewinn.

Das war anfang 2015. Und es warder Einstieg in den ausstieg. Ende2016 starteten die damaligen Vor-standsvorsitzenden Dieter Zetsche(66; Daimler) und Harald Krüger(54; BMW) Gespräche über die Fu-sion ihrer Mobilitätstöchter. Für Sixtwar da kein Platz mehr; nach zähenVerhandlungen und gegen gut 200Millionen  Euro  abstandszahlungstieg der autovermieter im Frühjahr2018 bei DriveNow aus.

Herausgedrängt, abgefunden, ei-ner gewaltigen Chance beraubt. Soschien es.

aber so war es nicht. Der Stärkerewar ausgestiegen. Die Entscheidungsteht beispielhaft für die Erfolge unddas Selbstbewusstsein der Sixt SE;eines Unternehmens, das die Bran-che der autovermieter seit vielenJahren outperformt – und das sich

jetzt sogar anschickt, der scheinbarübermächtigen  autoindustrie  dieGrenzen im Geschäft mit der Mobi-lität aufzuzeigen.

Die Münchener waren schon im-mer so etwas wie das freie radikalihrer Branche. Seit 1969 von ErichSixt mit mutigen Entscheidungenund extremer Kundenorientierunggroß gemacht und 1986 an die Börsegebracht, dann im team mit Ehefrauregine und heute auch den Söhnenalexander und Konstantin (36; Ver-triebsvorstand) gesteuert. 

In den vergangenen zehn Jahrenverzweieinhalbfachte sich der Ge-winn  und  verzehnfachte  sich  derBörsenwert (siehe Grafiken „Jahredes Wachstums“ Seite 13). Die Um-satzrendite liegt teils deutlich überder  Konkurrenz.  Während  einstüberlegene rivalen wie Hertz undEuropcar von den autoherstellernFord und Volkswagen übernommenwurden,  stieg  Sixt  in  Europa  zurNummer eins auf. 

Nun geht die Firma den nächstenSchritt:  „Wir  wollen  Sixt  zum

GAME CHANGER CUSTOMER EXPERIENCE

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Regelmäßig übertrumpft der Vermieter seine Konkurrenten. Jetzt schickt sich die Familie an, die Autokonzerne im Geschäft

mit der neuen Mobilität abzuhängen.

2

Klein, stark, schnell

DER STRATEGECarsharing?

Ist nur eine Artder Autovermie-tung. Alexander

Sixt denkt die Mobilitätsweltanders als die

Autohersteller –und hält Sixt an der Spitze.

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bieter in einer app zusammenund böte natürlich zuallererstZugang zu den eigenen Miet-wagen; nur jetzt einfacher.

auf den ersten Blick wirktdas Projekt wie Größenwahn.Ein angriff auf die großen au-tohersteller, aber auch auf dieMobilitätsgiganten Uber, Lyftund  Didi  und  ihre  mit  den Milliarden der Investoren ge-füllten Kassen; wie sollte dasgut gehen?

Die  Logik  liegt  im  Ver -borgenen: Carsharing by Sixterfordert deutlich weniger Ka-pitaleinsatz  als  bei Daimler,BMW oder VW. Zumindest inder  anfangsphase  benötigtder Vermieter kaum zusätzli-che autos, muss seine Flottenur  technisch  so  aufrüsten,dass  sich  die  Fahrzeuge  perSmartphone öffnen lassen. 

Carsharing wird vor allemam Wochenende nachgefragt,autovermietung meist inner-halb der Woche; das ergänztsich. Die Mietwagen müssennur von den Parkplätzen derSixt-Stationen an die Straßegefahren werden, schon stehensie für Sharing-Kunden bereit.

Mobilität komplettEtwa eine Million Euro zusätz-lichen Umsatz pro tag bräch-ten die Buchungen über  dieapp  bereits,  sagt  alexanderSixt. Dabei starte man vorsich-tig und beschränke sich beimCarsharing zunächst auf Ham-burg,  München  und  Berlin.2020 soll es dann auch ins aus-land gehen. 

Und der angriff auf Uber?Ist nicht wirklich als angriffgemeint.  ride-Hailing,  alsodas taxiähnliche abholen derKunden von einem Mobilitäts-

dienstleister, sei für Sixt „wieder Schokoriegel an der Kasse,den  man  im  Supermarktschnell noch in den Einkaufs-wagen legt“, erklärt alexander.am  ride-Hailing  selbst  ver -diene Sixt „so gut wie nichts“,sagt der Stratege, „das ist nichtunser Geschäft“.

Doch Sixt will den Kundeneben auch taxen und Lyft-au-tos und später vielleicht mehrbieten, damit sie nicht zu eineranderen app wechseln. am En-de ist die app ein Katalysator.alexander Sixt will weiter vorallem autos vermieten. So ha-ben sein Bruder Konstantin under es von den Eltern gelernt. 

Dazu bietet  er  „Mobilitätkomplett“ an, wie Bain-auto-chef ralf Kalmbach die Strate-gie lobt. „Die Sixts waren im-mer schon flexibler als andere,sie hatten früh die bessere It,und sie haben ihr Geschäft vonjeher mit einem sehr starkenMarketing gepusht.“

Kalmbach  kenntErich  Sixt  schonseit gut 30 Jahren,

er hat ihn erlebt als „echtenUnternehmer“, als jemanden,der „Chancen sieht, wo anderekeine  sehen;  und  der  dieseChancen  dann  konsequentdurchdenkt und umsetzt“. Sixtsei früh der Premiumanbietergewesen, am Flughafen bekamman zuverlässig die  besten au-tos und den besten Service. 

Der Kunde zuerst, das istErich Sixts Philosophie. DerGründer ist mit 75 nicht nurdem  Namen  nach,  sondernauch de facto der Vorstands-chef.  „Erich  ist  weiter  derChef, ohne ihn geht es nicht“,sagt einer, der die Familie gutkennt, „die Söhne haben na-türlichen respekt  vor  ihm.“Und seine Leidenschaft bringtder  Gründer  insbesonderedort  immer  wieder  ein,  woder Weg zur app begann:  inden USa.

Knapp 400 Millionen Eurohat Sixt dort 2018 umgesetzt,2019 sollen daraus etwa 500Millionen Euro werden; mit-telfristiges Ziel ist eine Steige-rung auf eine Milliarde Euro.Der  Markt  ist  extrem  um-kämpft,  die  Digitalisierungdort noch wichtiger, ein Erfolgin  der  Heimat  der  autover -mietung wäre so etwas wie derletzte  Beweis  für  die  eigeneStärke.

Damit das funktioniert, hatSixt ausgerechnet den Mann indie USa geschickt, der dort ei-gentlich DriveNow erfolgreichmachen sollte: Nico Gabriel.

Sein Mindestziel: besser seinals  die  ehemaligen Kollegenvon BMW. Die haben sich seit

2016 stärker in den USaversucht. als reachNow.Ohne Sixt. Und ohne Er-folg. 1 Michael Freitag

profitabelsten anbieter von Mobili-tätsdienstleistungen machen“, sagtalexander Sixt, bei „allem, was sichselbst fahren lässt“.

als Game Changing, also spiel-verändernd, bewertete die Jury derBeratung Bain Consulting und desmanager magazins die Leistungendes autovermieters in den vergan-genen Jahren. als „global führenderPremiumautovermieter“ biete Sixtindividuelle Mobilitätslösungen undoutperforme die Branche konstantauch dank exzellenter Kundenorien-tierung. Ex-BMW-Chef und  Jury-mitglied Harald Krüger lobt insbe-sondere den „starken It-Backboneund  die  Bereitschaft, mutig  nachvorn zu gehen“. 

als richtig erwies sich auch derausstieg  bei  DriveNow.  Sixt  warnoch nicht draußen, der ausstieg beidem Carsharing-Projekt noch nichtoffiziell verkündet, da meldeten sich

neue Interessenten. Volkswagen et-wa wollte Sixt als Partner gewinnen.Der größte autohersteller der Welthatte sich mit seinen Versuchen alsMobilitätsdienstleister verzettelt;Sixt, das hatte sich in der Szene he-rumgesprochen, hatte bei BMW fürdeutlich bessere Zahlen gesorgt, alsDaimler sie mit dem Partner Europ-car bei seinem Carsharing-DienstCar2Go erzielt hatte.

Diverse Formen der Zusammen-arbeit wurden diskutiert; doch die

Forderungen der Sixt-Familie emp-fand man in Wolfsburg als „unver-froren“.  Von  milliardenschwerenEinstiegszahlungen in ein möglichesGemeinschaftsprojekt und von mas-siven rabatten soll die rede gewe-sen sein. „Wir hatten das Gefühl, diewollen uns ausrauben“, sagt einerder Beteiligten.

Inzwischen weiß er, worauf diestarke  Verhandlungsposition  derMünchener beruhte – und warumSixt es bei einer kleineren Koopera-tion mit audi beließ. 

Die  Münchener  spielten  ihrenMobilitätsvorteil im alleingang aus.Im Februar 2019 präsentierten dieBrüder alexander und Konstantinihren Plan lautstark-aggressiv derÖffentlichkeit:  die  Sixt-app.  Sixtwürde auf eigene art ins Carsharingeinsteigen, Sixt würde Fahrten imtaxi und bei ride-Hailern wie Lyftanbieten, schlösse künftig 1500 an-

DEEPLDas Onlineübersetzungs-tool basiert auf künstlicherIntelligenz und erzielt da -mit Ergebnisse, die der gesprochenen Sprachenäher kommen als jedeandere maschinelle Über-setzung. Das vom früherenGoogle-Mitarbeiter GereonFrahling gegründete Unter-nehmen ist seit Jahrenprofitabel – dank der Wer-beerlöse seines Online -wörterbuchs Linguee.DeepL beherrscht aktuellneun Sprachen. Zu denKapitalgebern gehören dieInvestoren Benchmark Capital und BTOV Partnerssowie Konstantin Sixt.

DM Deutschlands beliebtesterDrogeriemarkt verbindetgünstige Preise mit einemhohen Serviceniveau. Seit2014 wächst das Familien-unternehmen im Schnittum 7 Prozent pro Jahr unddamit schneller als derMarkt. dm, 1973 von GötzWerner gegründet, verfolgteine ganzheitliche Philo -sophie, die Kunden undMitarbeiter gleichermaßenin den Mittelpunkt stelltund damit hohe Zufrieden-heitswerte erreicht. Mit10,7 Milliarden Euro Um-satz (2018) und 62.000Mitarbeitern ist dm Markt-führer in Europa.

ENGELBERT STRAUSSDer Textilhersteller hat sichals führende Marke für Ar-beitsbekleidung etabliert –und durch die Verbindungvon Qualität, Funktionalitätund Lifestyle eine Nischegeschaffen, die weit überdie ursprüngliche Ziel-gruppe hinausgeht. DasLabel Engelbert Strausssteht für Stolz und Spaßbei der Arbeit und wirdmittlerweile auch in derFreizeit getragen, sogareine Kinderkollektion gibtes. Das Familienunterneh-men wächst seit Jahrenzweistellig und erreichte2018 einen Umsatz vonrund einer Milliarde Euro.

WÜRTHDas Familienunternehmengehört zu den weltweitführenden Produzentenvon Schrauben und Werk-zeug im Profisegment. Mitmehr als 400 Tochterfirmensetzt es rund 13,6 Milliar-den Euro um. Würth istdabei nicht nur Hersteller,sondern übernimmt fürseine Kunden das gesamteMaterialmanagement. Auto -matisierte Lagersystemesorgen für mehr Trans -parenz und eine bessere Nutzung von Lagerflächen,was Bestände und Kostendeutlich reduziert. An derSpitze steht seit 2005 CEO Robert Friedmann.

CUSTOMER EXPERIENCE: DIE FINALISTEN

DIE CHEFSOhne Regine und ErichSixt geht weiterhin nichts bei dem MünchenerAutovermieter

„WIR WOLLEN SIXT ZUM PROFITABELSTEN

ANBIETER VON MOBILITÄTSDIENST -

LEISTUNGEN MACHEN.“Alexander Sixt

J A H R E D E S W A C H S -T U M S

Quelle: Unter-nehmenGrafik: mm

Umsatz Sixt,in Mrd. Euro

Ebit Sixt,in Mio. Euro

2009 2018

2009 2018

1,6

67

373

2,9

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Die Perspektiven des Di-gitalen  entstehen  im Silicon Valley, in Seouloder Shanghai – und ei-

ne Bummelzugstunde von Ulm ent-fernt.  Eine  technologie  der  CarlZeiss aG lässt autonome autos fah-ren, künstliche Intelligenz Schlüsseziehen und roboterfabriken wer-keln. tief im Schwäbischen entstehtdas Herzstück für die Produktionder  nächsten  Chipgenerationen:Halbleiter mit Strukturen von einpaar Dutzend atomen Dicke.

Nur derart winzige transistorenkönnen die Datenmengen, die beimSelbstfahren oder Maschinenlernenentstehen, auch künftig schnell ge-nug für den digitalen Fortschritt ver-arbeiten. Im Städtchen Oberkochen(8360  Einwohner)  tüftelte  Zeiss(weltweit 30.000 Mitarbeiter) 20Jahre  an  diesem  technologischen

Sprung. rund eine Milliarde Eurohat das Stiftungsunternehmen mitseinen Partnern aSML und trumpfin  die  Eroberung  einer  weiterenHalbleiterdimension investiert. 

Jetzt  kann  Vorstandschef  Mi -chael Kaschke (62) den Erfolg „un-serer  NaSa-Mission“  feiern.  Dieneue technologie namens EUV wirdbereits in der Serienfertigung vonChips eingesetzt. Die ersten 50 der120 Millionen Euro teuren Wafer-Scanner sind vom MaschinenbaueraSML an Chiphersteller wie Sam-sung,  aMD  oder  apple-LieferanttSMC ausgeliefert. Seit Septemberdieses Jahres werden iPhones mitEUV-belichteten Chips verkauft. 

Gefragt ist diese technik, weil esder  konventionellen  Lithografienicht mehr gelingt, diese unvorstell-bar kleinen Elemente zu erzeugen.Das mooresche Gesetz, nach dem

sich die Kapazität  von Chips  allezwei Jahre verdoppelt, schien nochbis  vor  Kurzem  physikalisch  am Ende  – und  der  technische  Fort-schritt in Gefahr. 

Das revolutionäre an der Zeiss-Entwicklung: Statt wie bisher ultra-violettes Licht nutzt sie sogenannteExtrem-UV-Strahlung (EUV) für dieBelichtung der Wafer. Deren Wel-lenlänge ist mit 13,5 Nanometern ummehr als den Faktor zehn kürzer alsdie bisherige Lichtquelle. Damit las-sen  sich  auch  zehnmal  kleinereStrukturen in den Fotolack brennen.„Wir haben die Grenze des Mach -baren verschoben“, erklärt Kaschke.Das seit Jahrzehnten gewohnte hohetempo der Leistungssteigerung derSiliziumelektronik  bleibe  damit„über 2030 hinaus“ erhalten. 

Die bahnbrechende Innovationbegeisterte die Game-Changer-

GAME CHANGER PRODUCT & SERVICE INNOVATION

C A R L Z E I S S

Das Traditionsunternehmen katapultiert die Chipproduktion in die nächste Galaxie. Nach 20 Jahren Forschung und einer

Milliarde Euro Investitionen schafft eine neuartige Optik aus Oberkochen bisher undenkbar winzige Strukturen.

2

Die nach den Sternen greifen

MONDFAHRT-PROGRAMMMission erfüllt:Die EUV-Chip-technologie wardas wichtigsteZukunftsprojektvon Zeiss-CEO MichaelKaschke. DiePunktlandungwird nun ausgezeichnet.

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15Extra   manager magazin

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GAME CHANGER PRODUCT & SERVICE INNOVATION

Im Geschäftsjahr 2018/19 wird derKonzernumsatz  laut  Kaschke  aufrund 6,4 Milliarden Euro steigen. DerCEO  jedenfalls  erwartet  ein  sehr gutes Ergebnis, das sich aus einemüber dem Markt liegenden Wachs-tum in allen vier Sparten ergebe. 

Game Changer für alle„Wir haben uns vom technologie-führer zu einem Unternehmen ent-wickelt, das die Märkte der Zukunftgestaltet“, fasst Kaschke den Erfolgzusammen. In all dem schwäbischenUnderstatement,  das  der  gebür -tige  thüringer  routiniert  pflegt,schwingt abschiedsstimmung mit.Der tech veteran verlängert nach fast20 Jahren im Zeiss-Vorstand seinenVertrag nicht mehr. Im april 2020übernimmt Karl Lamprecht (55). 

Der Physiker hat als für die Halb-leiterei  zuständiger  Vorstand  dieGoldgrube EUV ausgehoben. Nun

soll er auch die anderen drei Zeiss-Bereiche auf Game-Changer-Kursbringen. recht gut funktioniert derGestaltungsanspruch schon in derMedizintechnik. Die bis 2010 vonKaschke geführte Meditec residiertseit  der  schmerzensreichen  Zu -sammenführung  der  west-  und ostdeutschen  Zeiss-teile  in  den1990ern in Jena. Sie hat in der au-genheilkunde mit einer laserbasier-

ten technologie die Diagnose undBehandlung von grauem Star revo-lutioniert. Neu artige Operations-technologien  für  Neurochirurgieoder Zahnmedizin gewinnen schnellKunden. Die Medizintechnik wuchszuletzt um 8 Prozent. 

Die Industriesparte mit Messge-räten und Mikroskopen sowie dasKonsumergeschäft mit Brillenglä-sern wuchsen 2018/19 wieder spürbar,doch da muss Lamprecht noch weg-weisende Neuerungen identifizieren.Geld genug für die Entwicklung vonInnovationen steht ihm  jedenfallszur Verfügung. Von den Gewinnenfließt nur ein teil an die Zeiss-Stif-tung,  in  Förderprojekte  und Mit -arbeiterbeteiligungen. Mehr als 70Prozent  des  Jahresüberschusseskann der CEO gewöhnlich in tech-entwicklungen investieren – davonkönnen börsennotierte Unterneh-men nur träumen. 1 Eva Müller

MUNICH RE Der Konzern definiert seinKerngeschäft um. Zusätz-lich zur Reassekuranzbaut CEO Joachim Wen-ning (54) eine digitalePlattform für Versiche-rungsdienste, um den bei50 Milliarden Euro stag -nierenden Umsatz zu pu shen. So offeriert Mu-nich Re Digital Partner ein Ökosystem für die Ent-wicklung neuartiger Ver -sicherungsprodukte oderübernimmt Prozesse fürFintechs. Zudem stößtdas Unternehmen in neueFelder vor wie das Versi-chern von Cyberrisikenoder Pan demien.

RÜGENWALDERViele Vegetarier mögenzwar den Geschmack von Fleisch, wollen aberaus ethischen Gründenkeine Tiere essen. DerWurst fabrikant entwickeltedaher ab 2014 aus Eiern, Weizen, Soja und Erbsentäuschend ähnliche Schinken-Spicker oder Frikadellen. Mit den Ersatzproduktentraf Geschäftsführer GodoRöben (50) den Nerv derKunden: 2018 war mit 210Millionen Euro Umsatz dasbeste Geschäftsjahr desMittelständlers. Der Be-reich Fleischsubstitutewächst um 33 Prozent.

SARTORIUSJedes dritte neue Medikament stammt ausder Biotechnologie. Die passende Laboraus-stattung liefern die Göt - tinger als spezialisiertesEinmalprodukt für jedesErzeugnis. Mit einer Platt-form für diese Individual -anfertigungen hat CEOJoachim Kreuzburg (54)das Unternehmen mit1,6 Milliarden EuroUmsatz auf profita blesWachstum geeicht. DieEbitda-Marge stieg auf26 Prozent. 2025 will derBörsenliebling einen Um-satz von vier MilliardenEuro Umsatz generieren.

TEAMVIEWERTausende PC aus der Servicezentrale updaten, eine Fabrikhalle per Tabletüberwachen – mit kosten-sparender und praktischerWartungssoftware über-zeugen die Schwabenimmer mehr Unternehmen.90 Prozent der „Fortune500“ verlassen sich bereitsauf die Cloud-Lösung von TeamViewer. Der Börsenneuling stei-gerte den Umsatz mit seiner Plattform zuletzt um 30 Prozent. CEO OliverSteil (47) verspricht seinen Aktionären eineEbitda-Marge von mehr als 55 Prozent.

PRODUCT & SERVICE INNOVATION: DIE FINALISTEN

„MIT UNSEREN INNOVATIONEN WOLLEN

WIR NICHT NUR TECHNISCH FÜHREN,

SONDERN NEUE MÄRKTE SCHAFFEN.“

Zeiss-CEO Michael Kaschke

17Extra   manager magazin

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16 manager magazin Extra

Jury und führte zur auszeich-nung  in der Kategorie „Pro-duct & Service  Innovation“.„Damit  hat  sich  Zeiss  eineweltweite  alleinstellung  ge-schaffen“,  begründet  Bain-Partner Klaus Neuhaus. 

Die  Konkurrenten  Nikonund Canon sind schon vor Jah-ren aus der Erforschung derneuartigen technik ausgestie-gen – zu komplex in der Kon-struktion, zu aufwendig in derProduktion. alternative Me-thoden  sind  entweder  nichtfür den Massenmarkt geeignetoder noch weit von der Serien-reife  entfernt.  Derzeit  kanneinzig Zeiss die globale Chip-industrie mit EUV-Lithografiebeliefern.  „Mit  aSML  undtrumpf“, beeilt sich Kaschke,die Partnerschaft beim Bau derEUV-anlagen zu betonen.  

Hightech im MischwaldNur  dank  „hochgradig  ab -gestimmter  Prozesse“  seidie  Montage  der  17  tonnenschweren Wafer-Scanner mitrund  450.000  Einzelteilenüberhaupt  möglich.  trumpfliefert die superstarken Laser-kanonen. Sie verwandeln mit50.000 Impulsen pro Sekundejeweils einen tropfen Zinn inPlasma,  das  EUV  emittiert.Der niederländische Maschi-nenbauer  aSML  beherrschtdie Wafer-technik und fügt diehochsensiblen  Bestandteile,die nur im Vakuum funktionie-ren, zum Komplettsystem zu-sammen. Damit die Symbiosereibungslos funktioniert, sindständig  gut  100  Mitarbeitervon aSML und 30 von trumpfin Oberkochen. Die Vorstands-chefs treffen sich alle zwei Mo-nate zur abstimmung. 

Der  innovative  Kern  dertechnik stammt aus der Zeiss-tradition. Der MiteigentümerErnst  abbe  formulierte  denphysikalischen  Zusammen-hang  zwischen  Wellenlängedes  Lichts  und  auflösungs -vermögen, auf dem auch dieEUV-Lithografie beruht. DiePräzisionsbesessenheit  desMechanikers Carl Zeiss schufdie  Grundlage  für  die  Pro -duktionskompetenz, von der Nobelpreisträger schwärmen.„Die Schwierigkeiten der Her-stellung sind so groß, dass ge-genwärtig nur Zeiss so was ma-chen kann“, lobte schon 1925albert Einstein.

Heute lassen sich die Fähig-keiten  der  Zeiss-technikerzwischen Pferdeweiden  undMischwald besichtigen. In neu -en Fabrikhallen, in denen kon-stant 22 Grad und 45 ProzentLuftfeuchtigkeit herrschen, ste-hen  Vakuumkessel  mit  fünfMeter  Durchmesser.  Darinschleifen roboter aus mehrerenHundert Kilo schweren Spe -

zialglasblöcken in rund 40 ar-beitsschritten die metergro-ßen Parabolspiegel. Die reflek-toren bündeln den geringenanteil des EUV-Lichts aus demPlasmaschimmern und lenkenes konzentriert auf die Wafer. 

Damit die Lithografie funk-tioniert, müssen die Spiegelden  Spezifikationen  aufden Nanometer entsprechen.Schleifanlagen  eliminiereneinzelne Moleküle mit Ionen-strahlen.  „Umgerechnet  aufdie Größe Deutschlands be-trägt die höchste Erhebung ei-nen halben Millimeter“, illus-triert Kaschke die akkuratesse. 

Ein durchaus als  stolz zu interpretierendes Lächeln um-spielt die Lippen des promo-vierten Physikers, als er die Ka-librierungstechnik beschreibt.Die regle die insgesamt achtSpiegel der zentralen Optik,die  frei  auf  Magnetfeldernschweben, so präzise, dass sieauch „eine CD auf dem Mond“punktgenau treffen würde. 

Die  technologieführer-schaft zahlt sich bereits aus.Im  Geschäftsjahr 2017/18 (zum30.  September)  sprang  derUmsatz der Halbleitersparteum 26 Prozent auf 1,53 Milliar-den Euro. Die Nachfrage nachder  EUV-technologie  steigt rasant weiter. „Sie sichert unsdas  Wachstum,  auch  wenn die  Konjunktur  uns  keinen rückenwind mehr gibt“, sagtder  Vorstandschef.  Für  dienächsten zehn Jahre sorge dieInnovation  für Dynamik beiZeiss. Zu bestechend seien dieVorteile: mehr als 20 Prozenthöhere  Dichte  der  transis -toren und bis zu 20 Prozentweniger  Energieverbrauchdes Chips. 

HERZ AUS GLASEine Optik aus hoch -

reflektierenden Spiegelnbildet den Kern der

EUV-Chiptechnologie

CHIP, CHIP,H U R R A !Die Halbleiter-sparte pusht den Zeiss-Umsatz, in Mrd. Euro

Alle Werte gerundet,Geschäftsjahr zum 30.9.Quelle: Unter-nehmenGrafik: mm

16/17 17/18

1,1

1,4

1,5

1,2

1,1

1,5

1,5

1,5

5,35,8

HalbleiterMessgeräte &MikroskopeMedizintechnikBrillengläser &Foto-Optik

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Die aktion, die sein Un-ternehmerdasein  ver-ändern  sollte,  startetalexander  rinke  (30)

aus einer Laune heraus. Bei einemKunden in Frankfurt erfährt er voneinem Neujahrsempfang mit SaP-Gründer  Hasso  Plattner  (75)  amgleichen abend in Potsdam. rinke,der ursprünglich aus Berlin-Wann-see kommt, ruft zu Hause an undverkündet einen spontanen Fami -lienbesuch. Sein Ziel: Er will Plattnerabfangen. Gute sechs Stunden spä-ter hört er den Unternehmer reden,und als sich der Milliardär danacheinen Moment  aus  der  VIP-Zone herauswagt, prescht rinke vor. „Ichhabe ihm Screenshots von unsererSoftware gezeigt, und er hat sofortverstanden, was wir machen.“ 

Der ausflug im Februar 2013 mar-kiert  den  Beginn  für  das  rasanteWachstum des Start-ups Celonis,das rinke mit seinen Studienfreun-den Bastian Nominacher (34) undMartin Klenk (32) gegründet hat –

und das Investoren heute mit einerMilliarde US-Dollar bewerten. Platt-ner stellt die ersten Kontakte zu SaPher, zweieinhalb Jahre später ver-kauft der Weltkonzern die Softwareder  Münchener  Firma  über  diePreisliste an seine Kunden. 

Denn Celonis  hat,  was  anderegern hätten: den Überblick über dieProzesse  in  einem Unternehmenper Mausklick – und damit Einblickin alles, was schiefläuft und unnötigGeld kostet. Zu den Kunden zählenSiemens und airbus  genauso wieBMW, L’Oréal oder Unicredit. alsdie  SaP-Partnerschaft  im  Herbst2015 geschlossen wurde, arbeitetengerade mal 60 Mitarbeiter für dasStart-up, heute sind es mehr als 800.In den USa hat Celonis einen zwei-ten Hauptsitz in New York eröffnetund Niederlassungen etwa in Lon-don, Zürich oder tokio.

In der deutschen Start-up-Bran-che ist Celonis ein ungewöhnlicherFall. Meist richten sich die Gründeran  Konsumenten  aus  und  wach -

sen schnell mit viel Wagniskapital. Celonis dagegen fand für sein Un-ternehmenskundengeschäft langeZeit  keine  Investoren  („zu  jungeGründer“, „zu umfangreiche Soft-ware“) und musste sich selbst finan-zieren. Daher blieb den Gründernnur, von anfang an Profite zu schrei-ben. anderen Start-ups mit Milliar-denbewertung wie  der  Bank N26oder der Lieferplattform DeliveryHero gelingt das auch viele Jahrenach der Gründung noch nicht. 

Die typischen aufsteiger der Sze-ne positionieren sich als angreifer(N26: „Eat the rich“); werben damit,ganze Branchen umzuwälzen. „DieCelonis-Gründer  aber  sind  keineklassischen Disrupter. Sie haben sicheinem Problem ihrer Kunden gewid-met“, sagt Daniel Milleg, Partner beider Unternehmensberatung Bain,der selbst mit der Software arbeitet.Prozessoptimierung klinge für einStart-up vielleicht erst einmal un-cool. „aber das Problem, abläufe inUnternehmen richtig zu verste-

GAME CHANGER OPERATIONS OF THE FUTURE

C E L O N I S

Die Münchener Gründer haben einen ganz neuen Softwaremarkt erschlossen. Ihr Programm hilft

Weltkonzernen, effizienter zu werden.

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Trio Bravo

DIE DATEN-SPÜRHUNDE

Vom Studenten-projekt zumStart-up mitMilliarden -bewertung:

die Celonis-Gründer MartinKlenk, Alexan-der Rinke undBastian Nomi-nacher (v. l.)

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GAME CHANGER OPERATIONS OF THE FUTURE

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21Extra   manager magazin

beschlossen. Mit dem starkenWachstum stießen erst 2016Wagniskapitalgeber dazu. 

Heute wertet Celonis allemöglichen Prozesse aus. ausUnternehmenssoftware  wieSaP, Salesforce oder Microsoftzieht die technologie Daten,die dann in der Celonis-Cloudgenutzt werden. abläufe wer-den  visualisiert;  damit  kön-nen  Firmen  Probleme  fin-den. Sie können Änderungensi mulieren, um zu sehen, obsie   tatsächlich  den  Prozessverbessern.  Die  sogenannteaction-Engine  soll  konkreteHinweise an Mitarbeiter sen-den, damit der alltag läuft.

Börsengang im BlickDie Lufthansa etwa nutzt dieSoftware für die Bodenabferti-gung ihrer City Line. Passagie-re steigen aus und wieder ein,es wird getankt, geputzt undgecatert. Klappt  nur  ein ar-beitsschritt nicht, setzen sichdie Verspätungen oft über denganzen tag fort, da die Maschi-nen auf den Kurzstrecken enggetaktet fliegen. Man habe diePünktlichkeit  der  Flüge mitCelonis um 17 Prozent gestei-gert, so die Lufthansa. 

Ein Beispiel: Ist der tank-wagen nicht rechtzeitig auf Po-sition, kann per action-Engineveranlasst  werden,  dass  einFeuerwehrwagen  zum  Flug-zeug fährt. Denn steht der vorOrt, dürfen Passagiere wäh-rend des tankens boarden, wasnormalerweise  verboten  ist.Die airline will die Softwarenun auf alle Flüge ausweiten.

So gern Celonis über seineBeispielkunden  spricht,  soschweigsam wird das Start-upbei den eigenen Zahlen. Seit

2016  wurde  kein  Jahresab-schluss mehr eingereicht. Zu-letzt  gab  das  Unternehmen bekannt, dass der Umsatz imGeschäftsjahr 2016/17 bei etwa20 Millionen Euro lag; ein Jahrspäter war er dreimal so hoch.Danach  änderte  Celonis  dieMetrik  und  kommunizierteden Wert der neuen aufträge.In  den  zwölf  Monaten  bis Ende Mai 2019 betrug er mehrals 100 Millionen Dollar.

Womöglich  will  Celonis,das  seit  Jahren  dreistelligeWachstumsraten verzeichnet,erst beim Börsengang mit demGesamtbild auftrumpfen. 2017hieß  es  vom  Managementnoch, der IPO werde 2020 an-gestrebt. Jetzt sagen die Grün-der, sie hätten es nicht eilig –das timing hänge vom Marktab. Die Investoren – 83Northund accel  – werden  irgend-wann ihre anteile versilbernwollen. Da die Gründer aller-dings rund 70 Prozent  ihresStart-ups halten, kontrollierensie die nächsten Schritte. 

Es  gibt  noch  viel  zu  tun: Kooperationen mit Universi-täten sollen helfen, die Soft-

ware  weiter  zu  verbessern.als Nächstes will Celonis vorallem weiter an selbstlernen-den anwendungen arbeiten.Damit verbessern sich idealer-weise automatisch die Prozes-se in Unternehmen. Ein Bei-spiel für eine app, die Kundenin der Celonis-Cloud nutzenkönnen:  text  Mining.  Dietextanalyse findet rechnun-gen, die doppelt bezahlt wur-den.  Bei  treffern  wird  dieBuchhaltung  gewarnt. „In je-dem Unternehmen, wo wir dasbisher  angewendet   haben,konnten wir sechs- bis sieben-stellige Beträge sparen“, wirbtrinke. 

Es läuft gut für Celonis, undgerade deshalb muss sich vie-les ändern. Um das immer grö-ßer werdende Unternehmenzu managen,  haben  sich  dieGründer bereits Hilfe von au-ßen geholt. Vor Kurzem stie-ßen Marcell Vollmer und HalaZeine zur höchsten Celonis-Führungsriege. Sie kamen mitsehr guten Insiderkenntnissenzu Celonis. Beide waren vor-her bei Hasso Plattners SaP. 1 Christina Kyriasoglou

20 manager magazin Extra

hen,  gibt  es  seit  vielen  Jahren.“ Celonis habe da einen ganz neuenMarkt geschaffen.

Dabei sah das Ganze gar nichtgroß aus, als es losging. rinke, Klenkund Nominacher trafen sich 2008 inder studentischen Unternehmens-beratung academy Consult in Mün-chen. rinke studierte Mathematik,Klenk Informatik, Nominacher Fi-nance  and  Information  Manage-ment. Ihr erstes Projekt kam vomIt-Leiter  des  Bayerischen  rund-funks (Br), der die Zeit verkürzenwollte, in der Fehlermeldungen etwafür defekte Drucker bearbeitet wur-den.  Im  Schnitt  brauchte  es  fünf tage pro ticket. „Wir führten klas-sische Beraterinterviews, aber wirkamen den Gründen nicht auf dieSpur“, sagt Nominacher. 

Die Idee kam auf, dass alle nö -tigen Informationen, um die Pro -bleme zu verstehen, bereits digital

 vorhanden sind. „Wir mussten es irgendwie schaffen, sie herauszuzie-hen“,  sagt Klenk, der heute nochden technischen teil verantwortet. Dieses sogenannte Process-Miningkannten die Studenten aus der Leh-re: Der Informatikprofessor Wil vander aalst hatte die theorie erdacht. 

Über Wochen bastelten die Stu-denten bis in die frühen Morgen-stunden an ihrem Programm. Etwadrei Monate später gab es eine ersteVersion. Stundenlang mussten Da-

ten vorformatiert werden, und esdauerte eine Stunde, bis ein Schau-bild errechnet war. Das aber zeigtedie abläufe im It-Service des Br –und das größte Problem: Die Fehler-meldung wanderte von abteilung zuabteilung und fraß unnötig Zeit. 

„Wir hatten eigentlich alle dreinicht vor, ein Unternehmen zu grün-den“, sagt Nominacher. Er wollte zuMcKinsey in die Beratung, MartinKlenk zu Google in die Softwareent-wicklung und alexander rinke wei-ter Mathe studieren. Über den Ba -yerischen  rundfunk  aber  kamenKontakte  zu  weiteren  Unterneh-men,  die  schon  das  rudimentäretool nützlich fanden. 

also  entwickelte  das  trio  ausdem Werkzeug ein Produkt, um It-Services zu optimieren. als sie 2011in einem Elektromarkt standen und1500 Euro für den ersten Server zu-sammenlegten, war die Gründung

RITTALMit rund 10.000 Mitar -beitern ist Rittal das bekannteste und größteUnternehmen der Friedhelm Loh Group, diejährlich 2,6 MilliardenEuro umsetzt. Die Hessen stellen Schaltschränkeund -anlagen, Gehäuseund Klimalösungen her. Miteinander vernetzt zueiner Systemplattform,ermög lichen die Produktevon Rittal zum Beispiel die Steuerung verschie -dener Produktions- und Logistikstätten. Auchauf diese Weise kommtdie  Industrie 4.0 in die Fabriken.

SICK Ob für autonome Trans-portvehikel oder automati-sierte Produktion – Sickfertigt mehr als 40.000 verschiedene Sensorenund gilt als führender Anbieter weltweit. DasFamilien unternehmen ausWaldkirch wächst seit1988 organisch und er-reichte zuletzt einen Um-satz von 1,6 MilliardenEuro. Industrie-4.0-Anwen-dungen nutzt Sick auch in der eigenen Produktion;damit können selbst kleinere Chargen verschie-dener Sensortypen für Nischenmärkte produziertwerden.

TRUMPFMit seinen smarten Fabrik-lösungen für kleine undmittelgroße Unternehmenerreichte Trumpf einenWachstumssprung auf zu-letzt 3,6 Milliarden EuroUmsatz und bessere Mar-gen als die Konkurrenz (15 Prozent). Das Familien-unternehmen entwickeltneben Maschinen fürIndustrie laser und dieMetall verarbeitung auchSoftwarelösungen für dieIndustrieprozesse und er-weitert sein Hardwareport-folio um neue Segmente.Trumpf war etwa ein früher Anwender des 3-D-Drucks von Metallteilen.

ZF FRIEDRICHSHAFENDer Automobilzuliefererhat rasante Jahre hintersich: Seit 2014 verdop-pelte ZF Friedrichshafenseinen Umsatz auf 36,9Milliarden Euro und istdamit einer der Topzuliefe-rer weltweit. Dabei spieltengroße Übernahmen einezentrale Rolle. Das Stif-tungsunternehmen hat dadurch gerade die Berei-che Elekt ronik und Brem-sen vorangebracht. Inzwischen hat ZF etwadie Beschaffungsprozesseweltweit digitalisiert, standardisiert und von vier Plattformen auf eine einzige gebracht.

OPERATIONS OF THE FUTURE: DIE FINALISTEN

CELONIS IN

ZAHLENUmsatz undWachstum1

circa

200Prozent

Wachstum2017/182

circa

60Mio. EuroUmsatz 2017/182

mehr als

100Mio.

US-DollarAuftrags -eingang2018/192

„WIR HATTEN EIGENTLICH ALLE DREI

NICHT VOR, EIN UNTERNEHMEN

ZU GRÜNDEN.“Bastian Nominacher

ON TIMEBei der Bodenabfertigung kommt

es schnell zu Verspätungen. Celonis hilft, schneller zu reagieren.

1| Jeweils gerundet;

2| Geschäftsjahr.Quelle:

Unternehmen

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Als  Deutschland-Chefvon  Goldman  Sachswar alexander Dibelius(59) meist eine verwe-

gene Idee schneller als seine Kon-kurrenten.  Sein  Lohn,  neben  be-trächtlichem Salär: Legendenstatusunter  den  Fusionsberatern  der republik.  In  seiner  neuen  rolleals Deutschland-Chef des Private-Equity-Hauses  CVC  ist  seine  Bi-lanz  noch  offen.  Bislang  geht  er vergleichsweise behutsam vor, wasauch daran liegen mag, dass er privatpraktisch  immer mitinvestiert. Ge-kauft hat er bislang unter anderem

den Wettanbieter tipico, die Uhren-marke  Breitling  oder  die  Verpa-ckungssparte  von  Bosch.  Die  be-kannteste Firma in seinem Portfolio,zugleich auch sein Sorgenkind, istdie Parfümeriekette Douglas. ZumGespräch mit mm in Berlin, seinemWohnsitz, kommt er in aufgeräum-ter Stimmung. Es soll schließlich umdas große Ganze  gehen.

MM Herzlichen Glückwunsch.ALEXANDER DIBELIUS Vielen Dank, aberwozu genau?Zum ersten Mal in Ihrem Lebenarbeiten Sie in einer Branche,

die sich steigender Beliebtheits-werte erfreut. Politiker sehenSie  nicht mehr als feindselige„Heuschrecke“, Unternehmerund Vorstände empfangen Sie mitoffenen Armen. Es scheint fast:Wer irgendwie kann, verkauftsich an einen Finanzinvestor.Ganz so ist es nicht. aber wir ha-ben momentan keinen Mangel an Kaufoptionen, und auf grundsätz -liche  Vorurteile  stoßen wir  wirk -lich praktisch gar nicht mehr, dasstimmt schon.Wie hat Ihre Branche das ge-schafft?

INTERVIEW

23Extra   manager magazin

ALEXANDER DIBELIUS

Der Deutschland-Chef des Finanzinvestors CVC über Game-Changing-Qualität von Private Equity – und deren Grenzen.

2

KNOTENPUNKTAlexander

Dibelius kenntfast alle. Ob sich

das am Endefür seinen Ar -

beit geber CVCund ihn selbst

auszahlt? Er ar beitet dran. „Wir machen

einfach. Ende, aus.“

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INTERVIEW

25Extra   manager magazin

KNAPPESKAPITALPrivate-Equity-Investitions-volumen in Deutschland,in Mrd. Euro

Anzahl derfinanziertenUnternehmen

Quelle: BVKGrafik: mm

20182015

13351222

6,6 6,8

11,7

9,6

20182015

neue Märkte und Wettbewerber ein-stellen oder Änderungen sogar zumeigenen Vorteil nutzen kann.Deswegen nimmt Mathias Döpf-ner, Game Changer des Jahres2015, den Springer-Verlag auchvon der Börse. Er will Ruhe haben, um das Unternehmenschneller umbauen zu können.So habe ich das auch verstanden. Fürunternehmerisch motivierte Mana-ger ist Private Equity perfekt.Das heißt dann doch auch, dassdie Börse als Verkaufskanal fürihre Firmen unattraktiver wird.

tendenziell ja. andererseits gibt esnicht für alle Unternehmen den ei-nen logischen strategischen Inves-tor – und es gibt auch Investoren, deren renditeanforderungen undrisikobereitschaft nicht zu PrivateEquity passen, wohl aber zu Publi-kumsgesellschaften. Es kommt alsoimmer auf den Einzelfall an. Undgrundsätzlich gibt es sowieso keinenGrund für Mitleid: Für gute Firmengibt es immer Käufer, egal ob aufBörsenmärkten  oder  in  privatentransaktionen. Warum investieren sie dann wei-ter konventionell, man könnteauch sagen: hasenfüßig? EineKonzernabspaltung hier, ein un-terentwickeltes Familienunter-nehmen dort. Game-Changing-Momente, große konzeptionelleWürfe vermissen wir aus IhrerBranche. Dabei besteht ja keinMangel an Selbstbewusstsein.an risikobewusstsein und respektvor unternehmerischen aufgabenaber eben auch nicht. Erstens inves-tieren wir auch immer eigenes Geld.Das verlieren wir äußerst ungern.Zweitens behandeln wir das Geldunserer Investoren genauso, und wirbekämen keine Mittel mehr von In-vestoren, wenn wir mit deren Geldriskante Wetten eingehen würden.Dazu zählt auch, im Vergleich zurFondsgröße zu große Einzelinvest-ments einzugehen. Es gibt kaum Pri-vate-Equity-Investments, bei denenein Fonds allein mehr als eine bis1,5 Milliarden Euro Eigenkapital proDeal investiert. Nichtsdestowenigerhat PE natürlich den Ehrgeiz, auchunabhängig von den großen Würfenselbst Game Changer zu sein. Oft-mals kann man Gutes noch bessermachen und wenn Sie so wollen, istdie PE-Eigentümerschaft an sich derGame-Changing-Moment. Von Ihnen ist also keine Lösungfür einen der größten Sorgen-

24 manager magazin Extra

Es gab viele Jahre sicherlich eine gewisse Unkenntnis des-sen, was Private Equity eigent-lich macht, es gab aber auchwirklich Unfälle und Übertrei-bungen – Unternehmen, diemit Schulden überladen undso um ihre Chancen gebrachtwurden. Das haben meine Kol-legen  und  ich  zuletzt  zumGlück vermieden,  allerdingshalf uns dabei natürlich auchdie stabile Konjunktur. Zudemwissen inzwischen alle, woransie bei Private Equity sind. Wirkommen  mit  einem  klarenPlan in ein Unternehmen, umdessen Wert zu steigern. Undden  ziehen wir dann konse-quent durch ...... man kann auch sagen: ohne Rücksicht auf Verlus-te. Sie haben zum Beispielkeine Geduld mit IhremSpitzenpersonal bei derParfümeriekette Douglas.Wenn die  Zahlen  nicht  pas-sen,  müssen  auch  mal  Ma -nager  ausgetauscht  werden,ohne  Verbesserungen  lässtsich  der  Wert  eines  Unter -nehmens nicht steigern. Das wissen  die  Manager  in  denPortfolio unternehmen  vonPrivate-Equity-Fonds. Sie kön-nen  aber  auch, wenn  es  gutläuft,  direkt  und  ordentlich 

an  der  Wertsteigerung  par -tizipieren.Im Grunde betreiben SieShareholder-Value in Rein-form. Der Zeitgeist entwi-ckelt sich aber gerade in dieumgekehrte Richtung. ImAugust haben rund 200 Top -manager in den USA ein Ma-nifest des „Business Round-table“ unterschrieben. ImKern: Die Fokus sierung nurauf den Eigentümer istschädlich, das Managementmuss allen Beteiligten glei-chermaßen dienen. Mir ist das zu verbrämt. Unse-re Geldgeber und wir achtenselbstverständlich sehr darauf,dass unsere Investments auchnach Governance-, Sozial- undUmwelt-Gesichtspunkten sau-ber und professionell geführtwerden. Für mich ist der Share -holder-Value-Gedanke  dafüraber  der  logische ausgangs-punkt. Und kein Widerspruch.Wir schaffen keinen nachhal-tigen  Wert,  wenn  anliegenwichtiger Interessengruppenunberücksichtigt  bleiben  –wenn  ich  Umweltschützer, arbeitnehmervertreter,  diePo litik oder gar die   gesamte Öffentlichkeit gegen mich ha-be, schafft man höchstwahr-scheinlich keine Wertsteige-

rung. Private Equity hat in die-sem Spannungsfeld allerdingseinen großen Vorteil.Lassen Sie uns raten: Siekönnen das alles mit sichausmachen.Ungefähr richtig, zumindest ineinem  aspekt:  Wir  müssennicht im Quartalstakt rechen-schaft  ablegen  und  rundum diese Quartalszahlen das professionelle Ökosystem ausanalysten, Stimmrechtsbera-tern, aktionärsvereinigungen,Medienvertretern  et  cetera bedienen, wie dies für börsen -notierte Unternehmen unab-dingbar ist. Wir machen ein-fach,  was  aus  unserer  Sichtden  Unternehmenswert  er-höht. Ende, aus.So argumentiert die Kom-munistische Partei Chinasauch. Das  ist  doch Quatsch. auchPrivate Equity kommuniziertnatürlich mit allen wichtigenBeteiligten, so ist der Dialogmit den Fondsinvestoren aus-gesprochen  intensiv und di-rekt. Das können wir abseitsder breiten Öffentlichkeit vieleffizienter und direkter kana-lisieren. Mir sagen doch heuteviele Vorstände börsennotier-ter Unternehmen, dass sie in-zwischen gar nicht mehr dazukommen, sich um ihr eigent -liches Geschäft zu kümmern,weil  immer  ein  Stake holderein Gespräch verlangt oder lautund  öffentlichkeitswirksamklagt, dass seine anliegennichtausreichend  berück sichtigtwerden.  Das  bringt  per ma -nente ablenkung. Für Game-Changing-Wertsteigerungs-programme ist es in Summegefährlich, weil man sich nichtschnell und radikal genug auf

INTERVIEW

2

SPRUNGBEREITWann immer sichin Deutschlandein lukrativerDeal auftut –Alexander Dibelius ist dabei.Bei Douglaswürde er dagegengern rasch wiederaussteigen.

„WENN DIE ZAHLENNICHT PASSEN,

MÜSSEN AUCH MAL MANAGER AUSGETAUSCHT WERDEN.“

Alexander Dibelius

„DEUTSCHLAND TUT SICH

MIT TECHNOLOGIE -BRÜCHEN

UNGLAUBLICH SCHWER.“

Alexander Dibelius

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26 manager magazin E x T R A

fälle der deutschen Wirtschaftzu  erwarten: die Strukturkriseder Autozulieferer. Sie könntenbeispielsweise die Gunst derStunde nutzen, aus den vielenschlingernden Anbietern einenneuen großen Zulieferer zu bau-en mit entsprechender Verhand-lungsmacht gegenüber den Auto-herstellern. Das ist zu unwägbar, zu risikoreich.Abgesehen davon weiß ich nicht,ob Ihre Investmentthese hier wirk-lich hält, vom Kartellamt ganz zuschweigen. Das Feld ist, wie sich zu-letzt gezeigt hat, von zum Teil erra-tischen politischen Entscheidungenabhängig. Und egal, ob es künftigeher in Richtung Diesel, Elektro-oder Wasserstoffantrieb oder wasauch immer geht: Die Branchewird hohe Technologieinvestitionenbrauchen. Damit tut sich das tradi-tionelle Large-Cap-Private-Equity-Geschäft etwas schwerer.Wenn Sie sich am Technologie-standort Deutschland gegenTechnologieinvestitionen ent-scheiden, ist das nicht gerade ermutigend. Es passt einfach nicht zum Risiko-appetit und dann doch zeitlich be-grenztem Anlagehorizont des klas-sischen PE-Geschäfts. Dafür gibt eserfolgreiche Venture-Capital-Finan-zierungsplattformen. Aber Sie ha-ben recht: Dieser Investorenklassefehlt es leider in Deutschland anBreite und Tiefe. Es gibt mittlerwei-le eine relativ erfolgreiche Wagnis-kapitalszene für Start-ups, aber esfehlen uns die Investoren dazwi-schen, die eine junge Firma mit hoff-nungsvollen Produkten bis zurnachhaltigen Profitabilität beglei-ten, es gibt keinen echt liquiden Sekundärmarkt für Wachstums -unternehmen. In den USA überneh-men diese Rolle reiche Einzelinves-toren, Family Offices, dezidierte

Growth Fonds oder spezielleBörsenseg mente. Vielfach werdensolche hoffnungsvollen, aber ebennicht ganz risikoarmen deutschenFirmen dann aus diesen Gründen indie USA verkauft oder von dort ausweiter fi nanziert. Sie sitzen auch im globalen Investment-Committee von CVC,bekommen also mit, was welt-weit so an Firmen verkauftwird.  Kommen die wirklich heißen Sachen inzwischen nochaus Deutschland, oder wird derStandort zum Industriemuseum?Das wäre mir zu krass. Der indus-trielle Kern, zum Beispiel die mecha-tronische Kompetenz im Maschi-nenbau, ist in Deutschland schonweiter außerordentlich und in derBreite beispiellos. Ebenso gilt wei-terhin: Reife Firmen planvoll undsukzessive weiterzuentwickeln oderauch umzubauen, das können deut-sche Ingenieure und Manager sehrgut und verlässlich – obwohl ich mirmanchmal ein höheres Tempo wün-schen würde. Was Sie aber merken:Deutschland tut sich mit Techno -logiebrüchen unglaublich schwer.Und ich fürchte, das wird auchnicht besser.Der Eindruck ist eben: Es läuftauch so noch ganz gut, trotz allerDisrupt-yourself-Alarmsirenen.Und wenn man im politischen Hin-tergrund die Vergesellschaftungs-fantasien von Juso-Chef Kevin Kühnert wahrnimmt oder mancheUmverteilungsabsurditäten, dannglaube ich schon, dass Deutschlandnicht nur technologisch vor erheb-lichen Herausforderungen steht,sondern auch die gesellschaftlicheKonsenskalibrierung mal wieder einige Game-Changing-Initiativengebrauchen könnte. 1

INTERVIEW

Das Interview führte mm-Redakteur Sven Clausen.

DIE AUSZEICHNUNGMit dem Game Changer Awardküren manager magazin und dieStrategieberatung Bain & Com-pany jährlich mutige deutscheUnternehmen, die mit einem dis-ruptiven Ansatz die Spielregelnihrer Branche verändert haben.Der Preis wird in drei Kategorienverliehen: Customer Experience,Product & Service Innovationsowie Operations of the Future.

DIE AUSWAHLUnternehmen können sich nichtbewerben, sie werden ausge-wählt. Die Nominierung erfolgtanhand von Kriterien wie Um-satzwachstum, Nachhaltigkeitund Innovationspotenzial, auf diemehr als 60.000 in Deutschlandansässige Unternehmen abge-klopft werden. Daraus entstehteine Liste von 100 Firmen proKategorie, die einer gründlichenbetriebswirtschaftlichen Analyse(Due Diligence) unterzogen und nach einem Punktesystembewertet werden.

DIE AUSERWÄHLTENDie fünf Punktbesten je Kategorieschaffen es auf die Shortlist undwerden von einer Jury erfahrenerWirtschaftsexperten durchleuch-tet: Wie erfolgversprechend ist das Geschäftsmodell? Wie disruptiv ist die Technologie? In einer abschließenden Diskus-sion der Jurymitglieder fällt die Entscheidung für die drei GameChanger des Jahres. Die feier-liche Preisverleihung fand am 21. November 2019 in Berlin statt.

KLARE REGELN Wie die Preisträger desGame Changer Awardsermittelt werden.

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Disruptive Geschäftsmodelle verändern ganze Branchen und das Zusammenwachsen der physischen und der virtuellen Welt treibt diese Entwicklung immer stärker voran. Mit dem Game Changer Award – initiiert von Bain & Company und manager magazin – werden Unternehmen ausgezeichnet, denen es gelungen ist, die Spielregeln für sich und ihre Branche zu verändern.

Auch in diesem Jahr wurden Unternehmen auf Basis einer detaillier-ten Due Diligence sowie der Bewertung durch eine hochkarätige Jury darauf hin betrachtet, ob sie als Leuchttürme im digitalen Zeitalter gelten können. Die Preisträger wurden in drei Kategorien prämiert: „Customer Experience“, dem vorbildlichen Gestalten des Kunden- erlebnisses, „Product & Service Innovation“, der Einführung von bahnbrechenden Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, sowie „Operations of the Future“, dem Umsetzen innovativer Produktions- und Backoffice-Lösungen. Wir gratulieren den Unternehmen SIXT SE, Carl Zeiss AG und Celonis zu ihrer Auszeichnung. Die Preise wurden im Rahmen einer Galaveranstaltung am 21. November 2019 in Berlin verliehen.

REVOLUTIONÄRE DER WIRTSCHAFT

CUSTOMER EXPERIENCE

SIXT SE SIXT ist einer der international füh-renden Anbieter hochwertiger Mo-bilitätsdienstleistungen und steht seit über 100 Jahren für Innovationskul-tur mit starker Technologiekompe-tenz. Das Unternehmen bietet sei-nen Kunden in nur einer App ein einzigartiges integriertes Mobilitäts-angebot in den Bereichen Autover-mietung, Carsharing und Fahrdiens-te. Kennzeichen des Unternehmens ist die konsequente Kundenorientie-rung, der hohe Anteil an Premium-fahrzeugen und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. So zählt SIXT zu den profitabelsten Mobilitäts- unternehmen weltweit.

PRODUCT & SERVICE INNOVATION

Carl Zeiss AG ZEISS ist ein weltweit führendes Optik-Unternehmen, das innovative Lösungen unter anderem für die Halbleiterindustrie, die industrielle Messtechnik und Qualitätssiche-rung, Mikroskopie und Medizintech-nik entwickelt, fertigt und vertreibt. Mit der Halbleiter-Sparte setzt ZEISS 2019 technologische Maßstäbe. Die EUV-Lithographie, gemeinsam mit dem Laserspezialisten Trumpf und dem langjährigen Systempart-ner ASML entwickelt, erlaubt Chip-herstellern eine wesentlich bessere Auflösung, um die Miniaturisierung der Chipstrukturen über das nächste Jahrzehnt hinaus fortzusetzen.

OPERATIONS OF THE FUTURE

Celonis Celonis ist der Weltmarktführer im Process Mining und eines der inter-national erfolgreichsten deutschen Start-ups. Das Kernprodukt, eine automatisierte Lösung zur Visualisie-rung und Optimierung von Ge-schäftsprozessen, wird bereits bei 600 Unternehmen in 20 verschiede-nen Industrien eingesetzt, um Pro-zesse zu optimieren. Celonis befä-higt Kunden, signifikante Kosten- und Effizienzverbesserungen zu rea-lisieren. Im Jahr 2011 von TU-Mün-chen-Absolventen gegründet, zählt das Unternehmen seit 2018 zum kleinen Kreis der deutschen Einhör-ner und wächst weiterhin rasant.

Bain & Company ist eine der weltweit führenden Managementberatungen. Wir unterstützen unsere Kunden auch darin, digitale Pole-Positionen zu erreichen. Weitere Informationen: www.bain.de und www.bain.de/vector

Eine Initiative von manager magazin und Bain & Company