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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Karlheinz Hug Theoretische Grundlagen Skript Bachelor-Studiengang Medien- und Kommunikationsinformatik Fachbereich Informatik Hochschule Reutlingen

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004

Karlheinz Hug

Theoretische Grundlagen

Skript

Bachelor-StudiengangMedien- und Kommunikationsinformatik

Fachbereich Informatik

Hochschule Reutlingen

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Warenzeichen BlackBox und Component Pascal sind eingetragene Warenzeichen von Oberon micro-systems.

Java ist ein eingetragenes Warenzeichen von Sun Microsystems.

Ada, BON, C, C++, C#, Eiffel, Modula, Oberon, OCL, Pascal, Prolog, UML sind mög-licherweise eingetragene Warenzeichen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. indiesem Skript berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetze als frei zubetrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Garantieverzichts-erklärung

Alle in diesem Skript enthaltenen Informationen wie Text, Abbildungen, Programmeund Verfahren wurden nach bestem Wissen erstellt und mit größter Sorgfalt geprüft. DaFehler trotzdem nicht ganz auszuschließen sind, ist der Inhalt des Skripts mit keinerVerpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Der Autor übernimmt füreventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristischeVerantwortung noch irgendeine Haftung für Schäden, die in Zusammenhang mit derVerwendung dieses Skripts, der darin dargestellten Methoden und Programme, oderTeilen davon entstehen.

Missbrauchsverbot Die durch dieses Skript vermittelten Informationen wie Prinzipien, Konzepte, Metho-den, Verfahren und Techniken dürfen nicht für militärische oder völkerrechtswidrigeZwecke missbraucht werden.

Anschrift des Autors Prof. Dr. Karlheinz Hug

Hochschule Reutlingen - Reutlingen UniversityFachbereich InformatikStudiengang Medien- und Kommunikationsinformatik

Alteburgstraße 15072762 Reutlingen

Bundesrepublik Deutschland - Germany

Gebäude-Raum 4-211

Telefon +49/7121/271-616

E-Mail [email protected]

WWW http://www-mki.fh-reutlingen.de

Online-Dienst http://userserv.fh-reutlingen.de/~hug

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... iii

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... ix

Aufgabenverzeichnis .................................................................................................. xi

Beispielverzeichnis .................................................................................................. xvii

Leitlinienverzeichnis ................................................................................................ xix

Verzeichnis mathematischer Aussagen .................................................................. xxi

Programmverzeichnis ............................................................................................ xxix

Tabellenverzeichnis ................................................................................................ xxxi

1 Mengen

1.1 Grundbegriffe .................................................................................................1

1.1.1 Beschreibungen von Mengen .............................................................2

1.1.2 Russellsche Antinomie .......................................................................3

1.2 Beispiele für Mengen ......................................................................................4

1.3 Beziehungen zwischen Mengen .....................................................................6

1.4 Operationen mit Mengen ................................................................................8

1.4.1 Rechenregeln ......................................................................................9

1.4.2 Mengen in Programmiersprachen ....................................................13

1.5 Mengensysteme ............................................................................................14

1.6 Produktmengen .............................................................................................16

1.7 Zweistellige Relationen ................................................................................18

1.8 Abbildungen .................................................................................................20

1.8.1 Besondere Abbildungen ...................................................................21

1.8.2 Indizierungen ....................................................................................26

1.9 Operationen mit indizierten Mengen ............................................................26

1.9.1 Rekursive Definition von Produktmengen .......................................28

1.9.2 Produktmengen und Datenstrukturen ...............................................30

1.10 Strukturen .....................................................................................................31

1.11 Darstellungen von Größen ............................................................................33

1.12 Literaturhinweise ..........................................................................................35

1.13 Übungen ........................................................................................................36

2 Logik

2.1 Aussagenlogik ................................................................................................1

2.1.1 Einführung ..........................................................................................12.1.2 Alphabet der Aussagenlogik ..............................................................3

2.1.3 Syntax der Aussagenlogik ..................................................................52.1.4 Semantik der Aussagenlogik ..............................................................7

2.1.4.1 Operationen ............................................................................72.1.4.2 Bindung ..................................................................................8

2.1.4.3 Belegungen und Interpretationen ...........................................8

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iv Inhaltsverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

2.1.5 Erläuterungen ...................................................................................102.1.5.1 Aussagenlogische und umgangssprachliche Operationen ....13

2.1.5.2 Klammerung und Vorrangregeln ..........................................172.1.6 Aussagefunktionen ...........................................................................17

2.1.7 Eigenschaften von Aussagen ............................................................192.1.8 Aussagenlogische Rechenregeln ......................................................22

2.1.9 Aussagen in Programmiersprachen ..................................................292.1.10 Aussagenlogische Basen ..................................................................31

2.1.11 Normalformen von Aussagen ...........................................................34

2.2 Prädikatenlogik .............................................................................................43

2.2.1 Einführung ........................................................................................43

2.2.2 Prädikate und Quantoren ..................................................................442.2.3 Alphabet der Prädikatenlogik ...........................................................47

2.2.4 Syntax der Prädikatenlogik ..............................................................482.2.4.1 Klammerung und Vorrangregeln ..........................................50

2.2.4.2 Syntaktische Eigenschaften von Variablen und Formeln .....502.2.5 Semantik der Prädikatenlogik ..........................................................52

2.2.5.1 Bindung ................................................................................522.2.5.2 Belegungen und Interpretationen .........................................52

2.2.5.3 Erläuterungen .......................................................................552.2.6 Prädikatenlogische Formeln in Programmiersprachen ....................55

2.2.7 Eigenschaften prädikatenlogischer Formeln ....................................562.2.8 Prädikatenlogische Rechenregeln ....................................................59

2.2.9 Prädikatenlogische Basen .................................................................612.2.10 Normalformen prädikatenlogischer Formeln ...................................61

2.3 Literaturhinweise ..........................................................................................63

2.4 Übungen ........................................................................................................63

3 Methodik

3.1 Axiomatik und Deduktion ..............................................................................1

3.2 Definitionsmethoden ......................................................................................3

3.2.1 Mathematische Definition ..................................................................43.2.2 Rekursive und induktive Definition ...................................................4

3.3 Beweismethoden .............................................................................................5

3.3.1 Direkter Beweis ..................................................................................63.3.1.1 Gegenbeispiel .........................................................................7

3.3.1.2 Äquivalenzbeweis ..................................................................83.3.1.3 Ringschlussbeweis .................................................................8

3.3.2 Indirekter Beweis ...............................................................................83.3.2.1 Kontrapositionsbeweis ...........................................................8

3.3.2.2 Widerspruchsbeweis ...............................................................93.3.3 Induktiver Beweis ............................................................................12

3.4 Literaturhinweise ..........................................................................................12

3.5 Übungen ........................................................................................................12

4 Relationale Strukturen

4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen .............................................1

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Inhaltsverzeichnis v

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

4.1.1 Zugeordnete Relationen .....................................................................14.1.2 Bereiche von Relationen ....................................................................3

4.1.3 Eigenschaften von Relationen ............................................................44.1.4 Zugeordnete Abbildungen ..................................................................6

4.1.5 Bilder und Urbilder von Abbildungen ...............................................64.1.6 Eigenschaften von Abbildungen ........................................................9

4.1.7 Operationen mit Relationen .............................................................104.1.8 Komposition von Relationen ............................................................12

4.1.9 Komposition von Abbildungen ........................................................154.1.10 Kartesisches Produkt von Relationen und Abbildungen ..................19

4.2 Homogene zweistellige Relationen ..............................................................21

4.2.1 Intervalle ...........................................................................................264.2.2 Abbildungen zwischen relationalen Strukturen ...............................27

4.3 Äquivalenzrelationen ....................................................................................29

4.3.1 Faktorisierung von Abbildungen ......................................................354.3.2 Von Präordnungen zu Halbordnungen .............................................37

4.4 Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen ........................................39

4.4.1 Kardinalzahlen .................................................................................39

4.4.2 Ordinalzahlen ...................................................................................414.4.3 Algorithmen zu Mengen ...................................................................44

4.5 Ordnungsrelationen ......................................................................................44

4.5.1 Zugeordnete Relationen ...................................................................464.5.2 Nachbarrelationen ............................................................................48

4.5.3 Bereiche und Intervalle ....................................................................494.5.4 Ketten und Antiketten ......................................................................50

4.5.5 Kleinste und größte Elemente ..........................................................504.5.6 Minimale und maximale Elemente ..................................................52

4.5.7 Schranken und Grenzen ...................................................................584.5.8 Ordnungsmorphismen und sortierte Familien ..................................60

4.5.9 Wohlordnungen ................................................................................62

4.6 Ordnung der natürlichen Zahlen ...................................................................64

4.6.1 Ordnung der Ordinalzahlen ..............................................................64

4.6.2 Ordnung der Kardinalzahlen ............................................................65

4.7 Anwendungen von Ordnungen .....................................................................68

4.7.1 Sortierte Folgen ................................................................................684.7.2 Ordnungen auf Produktmengen .......................................................70

4.8 Hüllen von Relationen ..................................................................................70

4.9 Übungen ........................................................................................................75

5 Zahlen

5.1 Natürliche Zahlen ...........................................................................................1

5.1.1 Peanosche Axiome .............................................................................1

5.1.2 Arithmetische Operationen ................................................................15.1.3 Ordnungsrelationen ............................................................................1

5.1.4 Rekursionstheoreme ...........................................................................15.1.5 Archimedische Eigenschaft ................................................................1

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vi Inhaltsverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

5.2 Ganze Zahlen ..................................................................................................1

5.2.1 Standardfunktionen ............................................................................1

5.2.2 Division mit Rest ................................................................................25.2.3 Teilbarkeit ...........................................................................................5

5.2.4 Kongruenzrechnung ...........................................................................85.2.5 Primzahlen ..........................................................................................8

5.3 Rationale Zahlen .............................................................................................9

5.4 Reelle Zahlen ..................................................................................................9

5.4.1 Konstruktion .......................................................................................95.4.2 Axiome .............................................................................................10

5.4.3 Unterstrukturen .................................................................................125.4.4 Mächtigkeit .......................................................................................12

5.4.5 Standardfunktionen ..........................................................................135.4.6 Operationen mit reellen Funktionen .................................................14

5.4.7 Größenordnung reeller Funktionen ..................................................15

5.5 Komplexe Zahlen .........................................................................................18

5.5.1 Konstruktion .....................................................................................185.5.2 Bemerkungen ...................................................................................19

5.6 Zahlendarstellungen ......................................................................................19

5.6.1 Stellenwertsysteme ...........................................................................195.6.2 Festpunktzahlen ................................................................................19

5.6.3 Gleitpunktzahlen ..............................................................................205.6.3.1 Darstellungen von Gleitpunktzahlen ....................................21

5.6.3.2 IEEE Standard 754 ...............................................................225.6.3.3 Maschinendarstellung reeller Zahlen ...................................23

5.6.3.4 Fehlerquellen beim Rechnen mit Gleitpunktzahlen .............245.6.3.5 Gleitpunktzahlenarithmetik ..................................................25

5.7 Übungen ........................................................................................................27

6 Algebraische Strukturen

6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation .................................................1

6.1.1 Vom Gruppoid zum Monoid ..............................................................1

6.1.2 Kürzbarkeit und Lösbarkeit ................................................................36.1.3 Mit Invertierbarkeit zur Gruppe .........................................................6

6.1.4 Unterstrukturen und umfassende Strukturen ....................................106.1.5 Mengenoperationen und Hüllen .......................................................11

6.1.6 Homomorphismen ............................................................................136.1.7 Komplexprodukt und Komplexinverse ............................................14

6.1.8 Potenzen ...........................................................................................156.1.9 Verträgliche Relationen ....................................................................18

6.1.10 Produktstrukturen .............................................................................186.1.11 Faktorstrukturen ...............................................................................18

6.1.12 Worthalbgruppen und -monoide .......................................................196.1.12.1 Zeichen ...............................................................................19

6.1.12.2 Wörter .................................................................................20

6.2 Strukturen mit zwei zweistelligen Operationen ............................................23

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Inhaltsverzeichnis vii

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6.2.1 Ringe ................................................................................................236.2.2 Körper ...............................................................................................23

6.2.3 Boolesche Algebren .........................................................................236.2.4 Verbände ...........................................................................................23

6.2.5 Boolesche Verbände .........................................................................236.2.5.1 Boolesche Algebra der Logik ...............................................23

6.2.5.2 Mengenalgebra .....................................................................236.2.5.3 Schaltalgebra ........................................................................23

6.3 Vektorräume ..................................................................................................23

6.4 Übungen ........................................................................................................23

A ISO 8859-1 Zeichencode Latin1

B Literaturverzeichnis

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viii Inhaltsverzeichnis

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 ix

Abbildungsverzeichnis

1 Mengen

Bild 1.1 Mengenbeziehungen ..................................................................................6

Bild 1.2 Mengenoperationen ...................................................................................8

Bild 1.3 Komplement ...............................................................................................9

Bild 1.4 Disjunkt oder nicht? .................................................................................14

Bild 1.5 Kartesische Ebene ....................................................................................17

Bild 1.6 Relation auf einer kartesischen Ebene .....................................................19

Bild 1.7 Relation als gerichteter Graph .................................................................19

Bild 1.8 Graphen von Abschnitten der Sinusfunktion und einer Fourier-Reihe ...21

Bild 1.9 Konstante Abbildung ...............................................................................22

Bild 1.10 Identische Abbildung .............................................................................22

Bild 1.11 Funktion als technisches Bauelement ....................................................25

Bild 1.12 n-Tupel als Reihung ...............................................................................30

Bild 1.13 n-Tupel als Liste ....................................................................................30

Bild 1.14 Analog dargestellte stetige Größe ..........................................................33

Bild 1.15 Analoge Darstellungen ..........................................................................33

Bild 1.16 Diskretisierte analoge Darstellungen .....................................................34

Bild 1.17 Digitalisierte Darstellungen ...................................................................34

Bild 1.18 Funktionen als digitale Bauelemente .....................................................34

2 Logik

Bild 2.1 Wahrheitsfelder ........................................................................................13

Bild 2.2 Beziehungen zwischen Aussagefunktionen, Wahrheitstabellen undAussagen ................................................................................................................19

Bild 2.3 Klassifikation von Aussagen ...................................................................20

Bild 2.4 Transformation der Formen von Aussagen ..............................................43

Bild 2.5 Transformation der Formen prädikatenlogischer Formeln ......................62

3 Methodik

4 Relationale Strukturen

Bild 4.1 Einschränkung und Teilrelation .................................................................2

Bild 4.2 Komplementäre Relation ...........................................................................2

Bild 4.3 Umkehrrelation ..........................................................................................2

Bild 4.4 Nach- und Vorbereich ................................................................................3

Bild 4.5 Bild und Urbild ..........................................................................................7

Bild 4.6 Komposition von Relationen ...................................................................12

Bild 4.7 Assoziativität der Komposition ...............................................................13

Bild 4.8 Umkehrrelation der Komposition ............................................................13

Bild 4.9 Schaltbild oder Datenflussdiagramm .......................................................15

Bild 4.10 Mengendiagramm mit Abbildungen ......................................................16

Bild 4.11 Abbildungsdiagramm .............................................................................16

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x Abbildungsverzeichnis

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Bild 4.12 Kommutierendes Abbildungsdiagramm ................................................16

Bild 4.13 Eigenschaften von Relationen ...............................................................21

Bild 4.14 Intervall ..................................................................................................26

Bild 4.15 Äquivalenzklassen .................................................................................31

Bild 4.16 Äquivalenzrelationen in einer kartesischen Ebene ................................32

Bild 4.17 Faktorisierungsdiagramm ......................................................................35

Bild 4.18 Zerlegung eines Homomorphismus .......................................................36

Bild 4.19 Übertragung eines Homomorphismus ...................................................36

Bild 4.20 Klassifikation von Ordnungen ...............................................................45

Bild 4.21 Ordnungsdiagramme ..............................................................................48

Bild 4.22 Beziehungen zwischen ausgezeichneten Elementen .............................60

5 Zahlen

6 Algebraische Strukturen

Bild 6.1 Homomorphiediagramm ..........................................................................13

Bild 6.2 Endliche zyklische Halbgruppe ...............................................................18

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Aufgabenverzeichnis

1 Mengen

Aufgabe 1.1 Namen von Zeichenfolgen ...............................................................36

Aufgabe 1.2 .........................................................................................................36

Aufgabe 1.3 Mengen beschreiben .........................................................................37

Aufgabe 1.4 Semantische Antinomien ..................................................................37

Aufgabe 1.5 .........................................................................................................37

Aufgabe 1.6 Beziehungen zwischen Mengen .......................................................37

Aufgabe 1.7 .........................................................................................................37

Aufgabe 1.8 Potenzmenge .....................................................................................37

Aufgabe 1.9 .........................................................................................................37

Aufgabe 1.10 .......................................................................................................37

Aufgabe 1.11 .......................................................................................................37

Aufgabe 1.12 .......................................................................................................37

Aufgabe 1.13 .......................................................................................................37

Aufgabe 1.14 Dreiecke ..........................................................................................37

Aufgabe 1.15 Schaltjahre [8] ................................................................................37

Aufgabe 1.16 Mengenoperationen [16] ................................................................38

Aufgabe 1.17 Mengenausdrücke vereinfachen .....................................................38

Aufgabe 1.18 Wann sind zwei Mengen gleich? ....................................................38

Aufgabe 1.19 .......................................................................................................38

Aufgabe 1.20 Mengen bestimmen [16] .................................................................38

Aufgabe 1.21 .......................................................................................................38

Aufgabe 1.22 Zerlegungen ....................................................................................38

Aufgabe 1.23 Potenzmengen [16] .........................................................................39

Aufgabe 1.24 .......................................................................................................39

Aufgabe 1.25 Relationen .......................................................................................39

Aufgabe 1.26 Relationen und Funktionen .............................................................39

Aufgabe 1.27 .......................................................................................................39

Aufgabe 1.28 Rekursive Definition ......................................................................39

2 Logik

Aufgabe 2.1 Jüdischer Witz, frei nach S. Landmann ............................................63

Aufgabe 2.2 Wer kann’s? ......................................................................................63

Aufgabe 2.3 Lebensgeheimnis [21] ......................................................................63

Aufgabe 2.4 Aussagen zerlegen ............................................................................63

Aufgabe 2.5 Syntax von Mengentermen und Mengenformeln .............................64

Aufgabe 2.6 Dreiecke ............................................................................................64

Aufgabe 2.7 Interpretationen .................................................................................64

Aufgabe 2.8 Wahrheitstabellen .............................................................................64

Aufgabe 2.9 Bedeutung umgangssprachlicher Operationen .................................64

Aufgabe 2.10 Notwendig und hinreichend ...........................................................64

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xii Aufgabenverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Aufgabe 2.11 Aussage finden [21] ........................................................................64

Aufgabe 2.12 Kriminalfall ....................................................................................65

Aufgabe 2.13 Lügengeschichte .............................................................................65

Aufgabe 2.14 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.15 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.16 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.17 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.18 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.19 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.20 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.21 Aussagen negieren ..........................................................................65

Aufgabe 2.22 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.23 Aussagen vereinfachen ...................................................................65

Aufgabe 2.24 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.25 Erfüllbarkeit ....................................................................................65

Aufgabe 2.26 .......................................................................................................65

Aufgabe 2.27 Implikation .....................................................................................65

Aufgabe 2.28 .......................................................................................................66

Aufgabe 2.29 Schlussfolgerung ............................................................................66

Aufgabe 2.30 .......................................................................................................66

Aufgabe 2.31 .......................................................................................................66

Aufgabe 2.32 .......................................................................................................66

Aufgabe 2.33 Logik der sozialen Marktwirtschaft ................................................66

Aufgabe 2.34 Logik der Finanzwirtschaft [33] .....................................................66

Aufgabe 2.35 Eine Logelei von Zweistein [DIE ZEIT Nr. 12, 15. März 2001] ...67

Aufgabe 2.36 Noch eine Logelei von Zweistein[DIE ZEIT Nr. 22, 22. Mai 2003] ..........................................................................67

Aufgabe 2.37 .......................................................................................................67

Aufgabe 2.38 .......................................................................................................67

Aufgabe 2.39 Nand und Nor .................................................................................67

Aufgabe 2.40 Aussagenlogische Basis ..................................................................67

Aufgabe 2.41 .......................................................................................................67

Aufgabe 2.42 Normalformen ................................................................................67

Aufgabe 2.43 Minimale DNF ................................................................................68

Aufgabe 2.44 Normalformen ................................................................................68

Aufgabe 2.45 Paritätsfunktion [6] .........................................................................68

Aufgabe 2.46 Abstimmungsfunktion [16] ............................................................68

Aufgabe 2.47 .......................................................................................................68

Aufgabe 2.48 Prädikate formulieren [33] .............................................................68

Aufgabe 2.49 Formeln verbalisieren .....................................................................68

Aufgabe 2.50 Formeln zerlegen ............................................................................68

Aufgabe 2.51 Freie und gebundene Variablen, quantorenfreie und geschlosseneFormeln ..................................................................................................................69

Aufgabe 2.52 Formel verbalisieren .......................................................................69

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Aufgabenverzeichnis xiii

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 2.53 Sprachgebilde formalisieren ...........................................................69

Aufgabe 2.54 Astronomie .....................................................................................69

Aufgabe 2.55 Formel quantifizieren .....................................................................70

Aufgabe 2.56 Formel interpretieren [21] ..............................................................70

Aufgabe 2.57 .......................................................................................................70

Aufgabe 2.58 .......................................................................................................70

Aufgabe 2.59 Negation .........................................................................................70

Aufgabe 2.60 .......................................................................................................70

Aufgabe 2.61 .......................................................................................................70

Aufgabe 2.62 .......................................................................................................70

Aufgabe 2.63 Eigenschaften von Formeln ............................................................70

Aufgabe 2.64 Formeln transformieren ..................................................................70

Aufgabe 2.65 Epimenides .....................................................................................71

Aufgabe 2.66 Ecos foucaltsches Pendel ................................................................71

Aufgabe 2.67 Unabhängige Formeln [21] .............................................................71

3 Methodik

Aufgabe 3.1 Definitionen ......................................................................................12

Aufgabe 3.2 Direkter Beweis ................................................................................13

Aufgabe 3.3 Descartes’ Methode ..........................................................................13

4 Relationale Strukturen

Aufgabe 4.1 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.2 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.3 Bijektion ...........................................................................................75

Aufgabe 4.4 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.5 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.6 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.7 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.8 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.9 .........................................................................................................75

Aufgabe 4.10 .......................................................................................................75

Aufgabe 4.11 .......................................................................................................75

Aufgabe 4.12 Alternative Beweise ........................................................................75

Aufgabe 4.13 Reflexive, symmetrische und transitive Relationen [16] ...............75

Aufgabe 4.14 Falsches Argument [28] ..................................................................75

Aufgabe 4.15 Verlorene Eigenschaften .................................................................75

Aufgabe 4.16 Eigenschaften von Relationen ........................................................76

Aufgabe 4.17 Eigenschaften der Komposition von Relationen ............................76

Aufgabe 4.18 .......................................................................................................76

Aufgabe 4.19 Bilder von zugeordneten Relationen und Bereichen ......................76

Aufgabe 4.20 .......................................................................................................76

Aufgabe 4.21 .......................................................................................................76

Aufgabe 4.22 Eigenschaften des kartesischen Produkts von Relationen ..............76

Aufgabe 4.23 Gleicher Durchschnitt [16] .............................................................77

Aufgabe 4.24 .......................................................................................................77

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xiv Aufgabenverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Aufgabe 4.25 Durchschnitt von Äquivalenzrelationen [28] .................................77

Aufgabe 4.26 Gröbere Äquivalenzrelation [29] ....................................................77

Aufgabe 4.27 Urbild einer Äquivalenzrelation .....................................................77

Aufgabe 4.28 Überdeckung [28] ...........................................................................77

Aufgabe 4.29 .......................................................................................................77

Aufgabe 4.30 .......................................................................................................77

Aufgabe 4.31 Kleinste und größte Elemente ........................................................78

Aufgabe 4.32 Ordnungsdiagramme ......................................................................78

Aufgabe 4.33 Ordnungsdiagramme zu Zerlegungen ............................................78

Aufgabe 4.34 Endliche Ketten ..............................................................................78

Aufgabe 4.35 Satz von Dilworth ...........................................................................78

Aufgabe 4.36 Lexikografische Ordnung ...............................................................78

Aufgabe 4.37 Hüllenoperatoren ............................................................................78

Aufgabe 4.38 .......................................................................................................78

Aufgabe 4.39 .......................................................................................................78

Aufgabe 4.40 .......................................................................................................78

Aufgabe 4.41 Hüllen einer Relation [16] ..............................................................78

Aufgabe 4.42 Eigenschaften von Hüllen ...............................................................78

Aufgabe 4.43 Eigenschaften von Hüllenoperatoren .............................................78

Aufgabe 4.44 .......................................................................................................78

Aufgabe 4.45 Gröbste antisymmetrische Relation [29] ........................................79

5 Zahlen

Aufgabe 5.1 Konvertierung ...................................................................................19

Aufgabe 5.2 Einer- und Zweierkomplement .........................................................19

Aufgabe 5.3 Rundungsfehler .................................................................................20

Aufgabe 5.4 IEEE Standard 754 ...........................................................................23

Aufgabe 5.5 Mächtigkeiten endlicher Mengen .....................................................27

Aufgabe 5.6 .........................................................................................................27

Aufgabe 5.7 .........................................................................................................27

Aufgabe 5.8 Vollständige Induktion ......................................................................27

Aufgabe 5.9 Vollständige Induktion bei Summenformeln ....................................27

Aufgabe 5.10 Vollständige Induktion in der Kombinatorik ..................................28

Aufgabe 5.11 Binomialkoeffizienten ....................................................................29

Aufgabe 5.12 Geburtstag von Studierenden ..........................................................30

Aufgabe 5.13 Von neumannsche natürliche Zahlen ..............................................30

Aufgabe 5.14 Rekursionstheorem .........................................................................31

Aufgabe 5.15 Anzahlen von Relationen ...............................................................31

Aufgabe 5.16 Russische Bauernmultiplikation .....................................................31

Aufgabe 5.17 „Russische Bauernpotenzierung“ ...................................................32

Aufgabe 5.18 Ackermannfunktion ........................................................................32

Aufgabe 5.19 Division mit Rest in Programmiersprachen ...................................32

Aufgabe 5.20 Division mit Rest ............................................................................32

Aufgabe 5.21 Induktive Definition .......................................................................32

Aufgabe 5.22 .......................................................................................................32

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Aufgabenverzeichnis xv

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 5.23 Teiltrelation .....................................................................................32

Aufgabe 5.24 Teilbarkeit und vollständige Induktion ...........................................32

Aufgabe 5.25 .......................................................................................................32

Aufgabe 5.26 ggT und kgV ...................................................................................32

Aufgabe 5.27 .......................................................................................................33

Aufgabe 5.28 Restklassen .....................................................................................33

Aufgabe 5.29 Zählmengen ....................................................................................33

Aufgabe 5.30 Reelle und rationale Zahlen ............................................................33

Aufgabe 5.31 Verallgemeinerte Dreiecksungleichung ..........................................33

Aufgabe 5.32 Zahlendarstellungen .......................................................................33

Aufgabe 5.33 Gleitpunktzahlen .............................................................................33

6 Algebraische Strukturen

Aufgabe 6.1 Gruppoide .........................................................................................23

Aufgabe 6.2 Untermonoid und Unterhalbgruppe ..................................................23

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xvi Aufgabenverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

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Beispielverzeichnis

1 Mengen2 Logik

Beispiel 2.1 Interpretationen einer Aussage mit der Wahrheits-tabellenmethode .10

Beispiel 2.2 Interpretationen einer Aussage mit der Wahrheitsfeldermethode .....13

Beispiel 2.3 Konstruktion von Normalformen mit algebraischen Umformungen 37

Beispiel 2.4 Konstruktion einer KNF mittels einer DNF ......................................39

Beispiel 2.5 Konstruktion kanonischer Normalformen mit derBelegungsmethode .................................................................................................42

Beispiel 2.6 Belegung und Interpretation ..............................................................53

3 Methodik

Beispiel 3.1 Pythagoreische Zahlentripel ................................................................7

Beispiel 3.2 Prim und teilerfremd ............................................................................7

Beispiel 3.3 Gerade und ungerade Zahlen und Quadrate ........................................8

Beispiel 3.4 Unendlichkeit der Primzahlmenge ....................................................10

Beispiel 3.5 Irrationalität von Wurzel aus 2 ..........................................................11

4 Relationale Strukturen

Beispiel 4.1 Diskretisierung ...................................................................................34

Beispiel 4.2 Studierende Aufgaben Punkte ...........................................................37

Beispiel 4.3 Zerlegungen .......................................................................................51

Beispiel 4.4 Teilmengen und charakteristische Funktionen ..................................60

5 Zahlen

Beispiel 5.1 Binäres Suchen in sortierter Reihung ................................................16

Beispiel 5.2 Sortieren einer Liste durch Auswählen .............................................17

6 Algebraische Strukturen

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xviii Beispielverzeichnis

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Leitlinienverzeichnis

1 Mengen

Leitlinie 1.1 Mengenbildung ...................................................................................3

2 Logik

Leitlinie 2.1 Binäre Logik .....................................................................................22

3 Methodik

Leitlinie 3.1 Prinzip der Dekomposition und Komposition ....................................6

Leitlinie 3.2 Keine unechten Widerspruchsbeweise .............................................12

4 Relationale Strukturen5 Zahlen6 Algebraische Strukturen

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xx Leitlinienverzeichnis

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 xxi

Verzeichnis mathematischer Aussagen

1 Mengen

Definition 1.1 Menge Element Elementrelation .....................................................1

Definition 1.2 Gleichheit von Mengen ....................................................................1

Korollar 1.3 ...........................................................................................................2

Definition 1.4 Endliche Menge ...............................................................................2

Definition 1.5 Gleichheit von Elementen ................................................................3

Definition 1.6 Teilmenge .........................................................................................6

Korollar 1.7 ...........................................................................................................7

Definition 1.8 Potenzmenge ....................................................................................7

Korollar 1.9 ...........................................................................................................7

Definition 1.10 Durchschnitt Vereinigung Differenz symmetrische Differenz ......8

Definition 1.11 Komplement ...................................................................................8

Definition 1.12 Disjunktheit ....................................................................................9

Satz 1.13 Inklusion Durchschnitt Vereinigung ........................................................9

Satz 1.14 Durchschnitt Vereinigung ........................................................................9

Satz 1.15 Differenz ................................................................................................10

Satz 1.16 Komplement ..........................................................................................11

Satz 1.17 Symmetrische Differenz ........................................................................12

Definition 1.18 Durchschnitt Vereinigung ............................................................14

Satz 1.19 Rechenregeln für Mengensysteme .........................................................15

Definition 1.20 Zerlegung Überdeckung ..............................................................16

Korollar 1.21 .......................................................................................................16

Definition 1.22 Kartesisches Produkt ....................................................................16

Satz 1.23 Rechenregeln für zweistellige Produktmengen .....................................18

Definition 1.24 Relation ........................................................................................18

Definition 1.25 Umkehrrelation ............................................................................19

Definition 1.26 Abbildung ....................................................................................20

Definition 1.27 Bijektion Umkehrabbildung ........................................................21

Definition 1.28 Indizierung ...................................................................................26

Definition 1.29 Produktmenge ..............................................................................27

Satz 1.30 Rechenregeln für Produktmengen .........................................................28

Definition 1.31 n-stelliges kartesisches Produkt ...................................................29

Definition 1.32 Relation ........................................................................................31

Definition 1.33 Operation .....................................................................................31

Definition 1.34 Struktur ........................................................................................32

Theorem 1.35 Digitalisierung ...............................................................................35

2 Logik

Definition 2.1 Alphabet der Aussagenlogik ............................................................5

Definition 2.2 Aussagenkalkül, Aussagenlogischer Ausdruck ...............................6

Satz 2.3 Eindeutigkeit der Syntaxdefinition ............................................................7

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xxii Verzeichnis mathematischer Aussagen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Definition 2.4 Belegung ..........................................................................................8

Definition 2.5 Interpretation ....................................................................................9

Definition 2.6 Allgemeingültigkeit Erfüllbarkeit ..................................................20

Korollar 2.7 .........................................................................................................20

Satz 2.8 Substitution einer Variablen in einer Tautologie durch einen Ausdruck .21

Definition 2.9 Logische Äquivalenz .....................................................................21

Korollar 2.10 .......................................................................................................21

Satz 2.11 Substitution einer Variablen in äquivalenten Aussagen durch einenAusdruck ................................................................................................................21

Satz 2.12 Substitution eines Teilausdrucks durch einen äquivalenten Ausdruck ..22

Satz 2.13 Negation .................................................................................................22

Satz 2.14 Negation, Konjunktion und Disjunktion ...............................................22

Definition 2.15 Duale Aussage .............................................................................23

Theorem 2.16 Dualitätstheorem der Aussagenlogik .............................................23

Satz 2.17 Konjunktion und Disjunktion ................................................................24

Satz 2.18 Verallgemeinerte Rechenregeln .............................................................25

Satz 2.19 Implikation Grundregeln .......................................................................25

Satz 2.20 Implikation Schlussregeln .....................................................................26

Satz 2.21 Äquivalenz .............................................................................................27

Korollar 2.22 .......................................................................................................27

Satz 2.23 Antivalenz ..............................................................................................28

Satz 2.24 Shannonsche Erweiterung .....................................................................28

Satz 2.25 Nand und Nor ........................................................................................33

Satz 2.26 Anzahl der Aussagefunktionen ..............................................................33

Definition 2.27 Aussagenlogische Basis ...............................................................33

Satz 2.28 Basen .....................................................................................................34

Definition 2.29 Faktor Term Normalform .............................................................35

Satz 2.30 Normalformen zu Aussagen ..................................................................36

Korollar 2.31 .......................................................................................................36

Satz 2.32 Dualität der Normalformen ...................................................................39

Satz 2.33 Eindeutige Belegung zu Min- und Maxterm .........................................40

Satz 2.34 Min- und Maxterme zu Belegung ..........................................................40

Satz 2.35 Anzahl der Min- und Maxterme ............................................................41

Satz 2.36 Eindeutige Belegungen zu KDNFen und KKNFen ...............................41

Satz 2.37 KDNFen und KKNFen zu Belegungen .................................................41

Satz 2.38 Anzahl der KDNFen und KKNFen .......................................................42

Theorem 2.39 Normalformen zu Aussagefunktionen ...........................................42

Korollar 2.40 .......................................................................................................43

Satz 2.41 Allgemeingültige und widersprüchliche Normalformen .......................43

Definition 2.42 Prädikat ........................................................................................44

Definition 2.43 Alphabet der Prädikatenlogik ......................................................47

Definition 2.44 Termkalkül, Prädikatenlogischer Term ........................................48

Definition 2.45 Formelkalkül, Prädikatenlogische Formel ...................................49

Satz 2.46 Eindeutigkeit der Syntaxdefinition ........................................................50

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Verzeichnis mathematischer Aussagen xxiii

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 2.47 Binden freier Variablen ..........................................................................51

Definition 2.48 Belegung ......................................................................................52

Definition 2.49 Interpretation ................................................................................54

Definition 2.50 Modell Allgemeingültigkeit Erfüllbarkeit ...................................57

Satz 2.51 Abschlüsse Allgemeingültigkeit Erfüllbarkeit ......................................58

Definition 2.52 Logische Äquivalenz ...................................................................58

Satz 2.53 Substitutionslemma ...............................................................................58

Satz 2.54 Gebundene Umbenennung ....................................................................58

Satz 2.55 Bereinigte Form .....................................................................................59

Satz 2.56 Negation .................................................................................................59

Definition 2.57 Duale Formel ...............................................................................59

Theorem 2.58 Dualitätstheorem der Prädikatenlogik ...........................................60

Satz 2.59 Quantoren tauschen, entfernen, einführen .............................................60

Satz 2.60 Quantoren vereinen, trennen ..................................................................61

Satz 2.61 Quantoren verschieben ..........................................................................61

Definition 2.62 Prädikatenlogische Basis .............................................................61

Satz 2.63 Basen .....................................................................................................61

Satz 2.64 Normalformen quantorfreier Formeln ...................................................61

Definition 2.65 Pränexform ...................................................................................62

Satz 2.66 Pränexe Normalform zu Formeln ..........................................................62

3 Methodik4 Relationale Strukturen

Satz 4.1 Umkehrrelation ..........................................................................................3

Definition 4.2 Nach- und Vorbereich ......................................................................3

Satz 4.3 Bereiche und Mengenoperationen .............................................................4

Definition 4.4 Eigenschaften zweistelliger Relationen ...........................................4

Satz 4.5 Eigenschaften und Bereiche ......................................................................6

Definition 4.6 Bild und Urbild ................................................................................7

Satz 4.7 Bilder und Mengenoperationen .................................................................8

Satz 4.8 Urbilder und Mengenoperationen ..............................................................8

Definition 4.9 Eigenschaften von Abbildungen ......................................................9

Satz 4.10 Eigenschaften, Bilder und Urbilder .........................................................9

Satz 4.11 Mengenoperationen und Umkehrrelation ..............................................11

Satz 4.12 Mengenoperationen und Bereiche .........................................................11

Satz 4.13 Mengenoperationen und Eigenschaften .................................................12

Satz 4.14 Zusammensetzen von Abbildungen .......................................................12

Definition 4.15 Komposition zweistelliger Relationen .........................................12

Satz 4.16 Eigenschaften der Komposition .............................................................13

Satz 4.17 Eigenschaften und Kompositionen ........................................................15

Korollar 4.18 .......................................................................................................15

Definition 4.19 Komposition von Abbildungen ....................................................16

Satz 4.20 Eigenschaften der Komposition .............................................................17

Satz 4.21 Eigenschaften von Inversen ...................................................................17

Satz 4.22 Kriterium für Inverse .............................................................................18

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xxiv Verzeichnis mathematischer Aussagen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Satz 4.23 Eigenschaften und Kompositionen ........................................................18

Korollar 4.24 .......................................................................................................18

Definition 4.25 Links- und Rechtsinverse .............................................................18

Korollar 4.26 .......................................................................................................19

Definition 4.27 Kartesisches Produkt von Relationen und Abbildungen .............19

Definition 4.28 Eigenschaften zweistelliger homogener Relationen ....................21

Korollar 4.29 Eigenschaften zugeordneter Relationen .........................................23

Satz 4.30 Beziehungen zwischen Eigenschaften ...................................................23

Satz 4.31 Eigenschaften und Bereiche ..................................................................24

Definition 4.32 Kompositionsprodukt homogener zweistelliger Relationen ........25

Satz 4.33 Eigenschaften und Operationen .............................................................25

Satz 4.34 Operationen und Eigenschaften .............................................................26

Definition 4.35 Intervall ........................................................................................26

Satz 4.36 Eigenschaften und Intervalle .................................................................27

Definition 4.37 Bild und Urbild von Relationen ...................................................27

Satz 4.38 Bilder von Relationen ............................................................................27

Satz 4.39 Urbilder von Relationen ........................................................................28

Definition 4.40 Relationale Morphismen Isomorphie ...........................................28

Korollar 4.41 Bilder, Urbilder und Morphismen ..................................................29

Definition 4.42 Äquivalenzklasse Quotientenmenge ............................................30

Satz 4.43 Eigenschaften von Äquivalenzrelationen ..............................................32

Theorem 4.44 Äquivalenzrelationen und Zerlegungen ........................................33

Definition 4.45 Repräsentantensystem ..................................................................34

Satz 4.46 Charakterisierung von Äquivalenzrelationen ........................................34

Satz 4.47 Faktorisierung einer Abbildung .............................................................35

Satz 4.48 Zerlegung eines Homomorphismus .......................................................36

Satz 4.49 Übertragung eines Homomorphismus ...................................................36

Satz 4.50 Homomorphismen von Äquivalenzrelationen .......................................36

Satz 4.51 Äquivalenzrelation und Halbordnung zu einer Präordnung ..................39

Definition 4.52 Cantorsche Gleichmächtigkeits-definition ..................................39

Definition 4.53 Dedekindsche Endlichkeitsdefinition ..........................................40

Satz 4.54 Gleichmächtigkeit als Äquivalenzrelation .............................................40

Satz 4.55 Isomorphie als Äquivalenzrelation ........................................................40

Definition 4.56 Mächtigkeit ..................................................................................41

Definition 4.57 Natürliche Ordinalzahl .................................................................42

Definition 4.58 Natürliche Kardinalzahl ...............................................................42

Satz 4.59 Endlichkeit ist Natürlichkeit ..................................................................42

Korollar 4.60 .......................................................................................................43

Definition 4.61 Abzählbare und überabzählbare Menge ......................................43

Theorem 4.62 Dualitätsprinzip der Ordnungstheorie ...........................................46

Satz 4.63 Rechenregeln für Ordnungen .................................................................47

Definition 4.64 Nachbarrelation ............................................................................48

Korollar 4.65 .......................................................................................................48

Satz 4.66 Ordnungen und Bereiche .......................................................................49

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Verzeichnis mathematischer Aussagen xxv

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 4.67 Abgeschlossenes und offenes Intervall ........................................49

Definition 4.68 Kette und Antikette ......................................................................50

Definition 4.69 Kleinstes und größtes Element ....................................................50

Satz 4.70 Eindeutigkeit des kleinsten und größten Elements ................................51

Korollar 4.71 .......................................................................................................51

Definition 4.72 Extrema ........................................................................................52

Satz 4.73 Extrema ..................................................................................................53

Satz 4.74 Extrema von Vereinigung ......................................................................54

Definition 4.75 Schranken Grenzen Infimum Supremum ....................................58

Satz 4.76 Beziehungen zwischen ausgezeichneten Elementen .............................59

Definition 4.77 Isotone und antitone Morphismen Isomorphie ............................60

Satz 4.78 Ordnung und Ordnungsdiagramm .........................................................61

Satz 4.79 Ordnungsisomorphie primitiver Vor- und Nachbereiche ......................61

Definition 4.80 Sortierte Familie ..........................................................................62

Satz 4.81 Vollordnung, kleinste und minimale Elemente ......................................62

Definition 4.82 Wohlordnung ................................................................................63

Satz 4.83 Nachfolgerfunktion einer Wohlordnung ................................................63

Theorem 4.84 Wohlordnungssatz Zermelosches AuswahlaxiomZornsches Lemma Kettenaxiom ............................................................................63

Definition 4.85 Ordnung der Ordinalzahlen .........................................................64

Satz 4.86 Wohlordnung der Ordinalzahlen ............................................................64

Definition 4.87 Mächtigerrelation .........................................................................65

Satz 4.88 Mächtigerrelation als Präordnung .........................................................65

Satz 4.89 Bernsteinscher Äquivalenzsatz ..............................................................66

Theorem 4.90 Wohlordnung der Kardinalzahlen ..................................................66

Korollar 4.91 .......................................................................................................66

Satz 4.92 Ordnungsregeln für Kardinalzahlen ......................................................67

Korollar 4.93 Sortierte Folge ................................................................................68

Definition 4.94 M-Hülle .......................................................................................71

Definition 4.95 Durchschnittsstabilität .................................................................71

Korollar 4.96 Durchschnittsstabilität und M-Hülle ..............................................72

Definition 4.97 Hüllenoperator .............................................................................72

Satz 4.98 M-Hülle und Hüllenoperator .................................................................72

Korollar 4.99 Durchschnittsstabilität und Hüllenoperator ....................................72

Satz 4.100 Hüllenoperator und Durchschnittsstabilität .........................................73

Korollar 4.101 M-Hülle und Durchschnittsstabilität ............................................73

Definition 4.102 Hüllen von Relationen ...............................................................73

Satz 4.103 Hüllen von Relationen .........................................................................74

Satz 4.104 Hüllen azyklischer Relationen .............................................................74

Korollar 4.105 .....................................................................................................75

5 Zahlen

Satz 5.23 Keine maximale natürliche Zahl ..............................................................1

Korollar 5.24 Archimedisches Axiom ....................................................................1

Satz 5.25 Abzählbarkeit der ganzen Zahlen ............................................................1

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xxvi Verzeichnis mathematischer Aussagen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Satz 5.26 Division mit Rest .....................................................................................2

Definition 5.27 Teiler Vielfaches Teiltrelation ........................................................5

Satz 5.28 Rechenregeln zur Teiltrelation .................................................................5

Satz 5.29 Ordnungseigenschaften ...........................................................................5

Satz 5.30 Teilt und Kleinergleich ............................................................................5

Satz 5.31 Existenz und Eindeutigkeit von ggT und kgV .........................................7

Definition 5.32 Größter gemeinsamer Teiler Kleinstes gemeinsames Vielfaches ..7

Satz 5.33 Rechenregeln zum ggT ............................................................................7

Satz 5.34 Kongruenz modulo n ...............................................................................8

Definition 5.35 Primzahl .........................................................................................8

Lemma 5.36 Existenz eines Primteilers ..................................................................8

Satz 5.37 Satz von Euklid ........................................................................................8

Satz 5.38 Abzählbarkeit der rationalen Zahlen .......................................................9

Axiom 5.39 Reelle Zahlen .....................................................................................11

Satz 5.40 Eindeutigkeit der reellen Zahlen ............................................................12

Satz 5.41 Überabzählbarkeit der reellen Zahlen ....................................................13

Definition 5.42 Operationen mit reellen Funktionen ............................................14

Definition 5.43 Größenordnung Groß-O-Notation ...............................................15

Satz 5.44 Rechenregeln zu Größenordnungen ......................................................16

Satz 5.45 Markante Größenordnungen ..................................................................16

6 Algebraische Strukturen

Definition 6.1 Gruppoid ..........................................................................................1

Definition 6.2 Assoziativität Kommutativität Halbgruppe .....................................1

Definition 6.3 Verknüpfung mehrerer Elemente .....................................................2

Satz 6.4 Klammerverzicht bei Assoziativität ..........................................................2

Satz 6.5 Umordnung bei Kommutativität ................................................................2

Definition 6.6 Neutrales Element Eins Monoid ......................................................2

Definition 6.7 Null ..................................................................................................3

Definition 6.8 Idempotentes Element ......................................................................3

Definition 6.9 Gleichung Lösung ............................................................................3

Definition 6.10 Teiler Teilbarkeit ............................................................................3

Definition 6.11 Kürzbarkeit .....................................................................................4

Korollar 6.12 Kürzbarkeit .......................................................................................4

Lemma 6.13 Kürzbarkeit ........................................................................................4

Definition 6.14 Lösbarkeit Quasigruppe .................................................................5

Korollar 6.15 Lösbarkeit .........................................................................................5

Korollar 6.16 Endlichkeit, Kürzbarkeit und Lösbarkei ..........................................5

Satz 6.17 Endlichkeit und Lösbarkeit ......................................................................5

Satz 6.18 Kürzbarkeit und Lösbarkeit .....................................................................6

Satz 6.19 Lösbarkeit und Eins .................................................................................6

Definition 6.20 Inverses Element Invertierbarkeit Gruppe .....................................6

Satz 6.21 Inverse Elemente .....................................................................................7

Satz 6.22 Charakterisierung von Gruppen ...............................................................9

Satz 6.23 Charakterisierung endlicher Gruppen ....................................................10

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Verzeichnis mathematischer Aussagen xxvii

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 6.24 Abgeschlossenheit Unterstruktur .................................................10

Satz 6.25 Durchschnittsstrukturen .........................................................................11

Definition 6.26 Erzeugte Struktur Erzeugendensystem ........................................12

Definition 6.27 Verbindung ...................................................................................12

Definition 6.28 Morphismen Isomorphie ..............................................................13

Satz 6.29 Bijektive Homomorphismen ..................................................................13

Satz 6.30 Injektion eines Untergruppoids ..............................................................14

Definition 6.31 Komplexprodukt ..........................................................................14

Definition 6.32 Komplexinverse ...........................................................................14

Satz 6.33 Rechenregeln für Komplexprodukt und Komplexinverse .....................15

Satz 6.34 Charakterisierung von Untergruppen ....................................................15

Definition 6.35 Potenz eines Elements .................................................................15

Satz 6.36 Rechenregeln für Potenzen eines Elements ...........................................16

Definition 6.37 Potenz einer Menge .....................................................................16

Korollar 6.38 Charakterisierung von Untergruppoiden ........................................16

Satz 6.39 Rechenregeln für Potenzen einer Menge ...............................................17

Satz 6.40 Hüllen und Potenzen ..............................................................................17

Definition 6.41 Verträgliche Relation Kongruenz Geordnete Struktur .................18

Satz 6.42 Verträglichkeit .......................................................................................18

Satz 6.43 Produktgruppoid ....................................................................................18

Lemma 6.44 Induzierte Kongruenz ......................................................................19

Satz 6.45 Faktorgruppoid ......................................................................................19

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xxviii Verzeichnis mathematischer Aussagen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 xxix

Programmverzeichnis

1 Mengen2 Logik3 Methodik4 Relationale Strukturen

Programm 4.1 Gleichmächtigkeit von Mengen ...................................................39

Programm 4.2 Mächtigkeit einer Menge ..............................................................44

Programm 4.3 Element mit Eigenschaft ..............................................................44

Programm 4.4 Struktogramm: Minimum von zwei Elementen ...........................54

Programm 4.5 Minimum von zwei Elementen ....................................................55

Programm 4.6 Struktogramm: Minimum von drei Elementen ............................55

Programm 4.7 Struktogramm: Minimum einer Kette ..........................................56

Programm 4.8 Minimum einer Kette ...................................................................56

Programm 4.9 Minimum einer Kette, verbesserte Variante .................................56

Programm 4.10 Minima einer halbgeordneten Menge .........................................57

Programm 4.11 Struktogramm: Sortiertsein einer Folge .....................................69

Programm 4.12 Sortiertsein einer Folge ..............................................................69

Programm 4.13 Sortiertsein einer Folge verbesserte Version ..............................69

5 Zahlen

Programm 5.1 Binäres Suchen .............................................................................16

Programm 5.2 Sortieren durch Auswählen ..........................................................17

6 Algebraische Strukturen

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xxx Programmverzeichnis

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 xxxi

Tabellenverzeichnis

1 Mengen

Tabelle 1.1 Mengen und Datentypen .......................................................................5

Tabelle 1.2 Variablen Vereinbarungen Vergleiche ...................................................5

Tabelle 1.3 Menge und Datentyp SET ..................................................................13

Tabelle 1.4 Relation als Tabellen ...........................................................................19

Tabelle 1.5 Wertetabelle der Zweierpotenzfunktion .............................................21

Tabelle 1.6 Verknüpfungstabelle kleines Einmaleins ............................................23

Tabelle 1.7 Mathematische und programmiersprachliche Funktionen .................25

Tabelle 1.8 Kartesisches Produkt und strukturierte Datentypen ...........................31

Tabelle 1.9 Strukturen ...........................................................................................32

2 Logik

Tabelle 2.1 Aussagen und Befehle ..........................................................................2

Tabelle 2.2 Wahrheitswerte und boolesche Datentypen ..........................................4

Tabelle 2.3 Variablen Vereinbarungen .....................................................................4

Tabelle 2.4 Logische Operationen ...........................................................................5

Tabelle 2.5 Wahrheitstabellen der logischen Operationen ......................................7

Tabelle 2.6 Zusammengefasste Wahrheitstabelle ..................................................10

Tabelle 2.7 Wahrheitstabelle zu einer Aussage .....................................................11

Tabelle 2.8 Kompakte Wahrheitstabelle zu einer Aussage ...................................11

Tabelle 2.9 Allgemeine Wahrheitstabelle ..............................................................12

Tabelle 2.10 Wahrheitstabelle - Beispiel ...............................................................16

Tabelle 2.11 Wahrheitstabelle einer dreistelligen Aussagefunktion ......................19

Tabelle 2.12 Aussagen in Programmiersprachen ..................................................29

Tabelle 2.13 Wahrheitstabelle für lange Auswertung ............................................30

Tabelle 2.14 Wahrheitstabelle für kurze Auswertung ...........................................30

Tabelle 2.15 Einstellige aussagenlogische Operationen ........................................32

Tabelle 2.16 Zweistellige aussagenlogische Operationen .....................................32

Tabelle 2.17 Kanonische Normalformen zweistelliger Aussagefunktionen .........37

Tabelle 2.18 Kompakte Wahrheitstabelle ..............................................................37

3 Methodik4 Relationale Strukturen

Tabelle 4.1 Spezielle kartesische Produkte von Relationen und Abbildungen .....20

5 Zahlen

Tabelle 5.1 Beispiel für nichtnegativen Rest ...........................................................4

Tabelle 5.2 Beispiel für vorzeichenbehafteten Rest ................................................4

Tabelle 5.3 Exemplarische Näherungswerte markanter Wachstumsfunktionen ...16

Tabelle 5.4 Realtypen in Component Pascal .........................................................20

Tabelle 5.5 Reelle Zahlen und Gleitpunktzahlen ..................................................20

6 Algebraische Strukturen

Tabelle 6.1 Verknüpfungstabelle eines Gruppoids ..................................................1

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xxxii Tabellenverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Tabelle 6.2 Verknüpfungstabelle der Linksnullhalbgruppe mit drei Elementen .....7

A ISO 8859-1 Zeichencode Latin1

Tabelle A.1 Spaltenform ..........................................................................................1

Tabelle A.2 Matrixform ...........................................................................................3

B Literaturverzeichnis

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 1 - Seite 1 von 40

1 Mengen

Aufgabe 1Beispiel 1Bild 1 (1) Leitlinie 1MathAussagen 1Programm 1 Tabelle 1Wir starten mit der Mengenlehre (set theory), die zusammen mit der Logik die Grund-lage der Mathematik und der theoretischen Informatik bildet. Mengen kennt jeder: eineMenge FreundInnen, eine Menge Glück, eine Menge Äpfel, Mengen von Ameisen,Autos, Büroklammern, Notizzetteln und Handynummern.

1.1 GrundbegriffeUnter einer „Menge“ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten,wohlunterschiedenen Objecten unserer Anschauung oder unseres Denkens (welchedie „Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen.

Georg Cantor1

Es gibt also Objekte, die in einer Teil-Ganzes-Beziehung zueinander stehen können.

Definition 1.1MengeElementElementrelation

Beispielsweise ist die LeserIn dieses Satzes ein Element der Menge der Studierendender Hochschule Reutlingen - oder nicht? Eigentlich wäre zunächst zu klären, was Aus-sagen sind, bevor wir uns mit Beziehungen zwischen und Aussagen über Mengenbefassen. Aussagen sind Gegenstand der Aussagenlogik, die wir in Kapitel 2 behandeln- doch nutzen wir dort den Begriff Menge zum Definieren des Begriffs Aussage. In die-sem Kapitel verwenden wir die Logik intuitiv.

Definition 1.2Gleichheit von Mengen

1 Georg Cantor (1845 - 1918), deutscher Mathematiker, begründete die Mengenlehre, Zitat aus[30] zitiert nach [6].

Wir schreiben

x ∈ M

und nennen das Objekt M eine Menge (set), das Objekt x ein Element von M, und„∈ “ die Elementrelation. „x ∈ M“ lesen wir als x ist Element der Menge M, xgehört zu M, x ist in M enthalten oder M enthält x. „x ∈ M“ ist eine Aussage (strenggenommen eine Aussageform), die wahr oder falsch sein kann. Das Gegenteil davonist:

x ∉ M x ist nicht in M enthalten.

Die umgekehrten Relationen lauten:

M ∋ x M enthält x.

M /∋ x M enthält x nicht.a

a Der Schrägstrich „/“ sollte „∋ “ durchstreichen, doch leider fehlt dieses Zeichen im Zeichen-satz unseres Textsystems.

Die Mengen M und N heißen

gleich (identisch, equal), M = N, wenn sie dieselben Elemente enthalten, d.h. wennfür jedes x gilt:

x ∈ M genau dann, wenn x ∈ N;

ungleich (unequal), M ≠ N, wenn sie nicht gleich sind, also sich in mindestens einemElement unterscheiden.

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1 - 2 1 Mengen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Korollar 1.3

Definition 1.4Endliche Menge

1.1.1 Beschreibungen von Mengen

Wie beschreiben wir eine Menge? Auf zwei Arten:

� extensional, wenn die Menge endlich ist, indem wir ihre Elemente aufzählen; z.B.beschreibt

M = {1, 2, 3}

die Menge der ersten drei natürlichen Zahlen;

� intensional, indem wir die Elemente der Menge charakterisieren, also eine definie-rende Eigenschaft, Aussage oder Bedingung angeben; z.B. beschreibt

M = {x | x ist eine Primzahl}

die Menge der Primzahlen, gelesen als „M ist die Menge aller x mit der Eigenschaft:x ist Primzahl.“. Das Beispiel zeigt, dass man auch unendliche Mengen intensionalbeschreiben kann.

Welche Zeichen benutzen wir dazu und was bedeuten sie? Zwei Arten:

Namen � Namen, wobei wir zwei Arten unterscheiden:

■ In {1, 2} sind 1 und 2 Namen für Elemente; hier handelt es sich um literaleKonstanten, d.h. feste Namen für bestimmte Werte. Literal, d.h. buchstäblichbedeutet: 1 bezeichnet den Zahlenwert 1, gesprochen „eins“.

■ In M = N sind M und N Namen für Mengen; hier handelt es sich um Variablen,d.h. frei wählbare Namen für unbestimmte Mengen. In {x | x ist gerade} ist x einfrei wählbarer Name für die Elemente, ein Platzhalter für die Werte 2, 4, 6,.., diezur Menge gehören. Meist verwenden wir für Mengen kursive GroßbuchstabenL, M, N,.., für Elemente kursive Kleinbuchstaben x, y, z,... als Variablennamen.

Kombinationszeichen � Kombinationszeichen wie die geschweiften Klammern „{“ und „}“, die die Ele-mente einer Menge umfassen, das Komma „ , “, das die Elemente trennt, der senk-rechte Strich „|“, den wir als „mit der Eigenschaft“ lesen, das „∈ “, das ein Elementund eine Menge zu einer Aussage kombiniert, und das Gleichheitszeichen „=“, daszwei Mengen zu einer Aussage kombiniert.

Nach Definition 1.2 kann ein Element nur einmal in einer Menge vorkommen (auchwenn es mehrfach hingeschrieben ist). Die Anordnung der Elemente ist belanglos:

1 ∈ {1, 3, 5} = {1, 3, 1, 3, 5, 3} = {5, 3, 5, 1, 5, 3, 5} ≠ {4, 5, 6} /∋ 1.

Abkürzungen Beziehungsketten wie diese nutzen eine abkürzende Schreibweise, z.B. ist

x ∈ M = N zu lesen als x ∈ M und M = N,x ∈ M, y ∈ N zu lesen als x ∈ M und y ∈ N,x, y ∈ M zu lesen als x ∈ M, y ∈ M.

Einelementige Mengen sind von ihrem Element zu unterscheiden:

x ≠ {x} ≠ {{x}}, aber x ∈ {x} ∈ {{x}}.

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M = M. Reflexivität

(2) M = N genau dann, wenn N = M. Symmetrie

(3) M ≠ N genau dann, wenn N ≠ M. Symmetrie

(4) Aus L = M und M = N folgt L = N. Transitivität

Eine Menge heißt endlich (finite), wenn sie nur endlich viele Elemente hat, sonstunendlich (infinite). Eine exakte Definition folgt in Kapitel 4.

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1.1 Grundbegriffe 1 - 3

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Nur endliche Mengen lassen sich extensional exakt beschreiben. Aufzählungen mitPunkten sind ungenau, aber hoffentlich intuitiv zu erfassen:

{0, 1, 2,.., 9}, {0, 2, 4, 6,...}, {2, 3, 5, 7,...}.

Eine abkürzende Schreibweise bei intensional beschriebenen Mengen ist

{x ∈ M | E(x)} := {x | x ∈ M und E(x)},

Definierende Gleichheit wobei E(x) für eine informal oder formal angegebene Eigenschaft von x steht. DasSymbol „:=“ liest sich „ist definitionsgemäß gleich“, es bedeutet definierende Gleich-heit: Die rechte, bekannte Seite definiert die linke, neue Seite.

Die Gleichheit von Elementen lässt sich analog zur Gleichheit von Mengen definieren.

Definition 1.5Gleichheit vonElementen

Mit intensionaler Mengenbeschreibung ergibt sich:

x = y genau dann, wenn x und y jede Eigenschaft gemeinsam haben.

Diese auf Leibniz1 zurückgehende Definition der Gleichheit setzt freilich voraus, dassder Begriff „Eigenschaft eines Objekts“ geklärt ist.

1.1.2 Russellsche Antinomie

Auf Cantors Definition von Mengen basiert die naive Mengenlehre, die durchaus Tük-ken birgt. Betrachten wir z.B. die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten:

� R = {M | M ∉ M}.

Aus R ∈ R folgt R ∉ R. Aus R ∉ R folgt R ∈ R. Also gilt R ∈ R genau dann, wennR ∉ R. Das ist offenbar ein Widerspruch! Die Überlegung ist als russellsche Antinomie

bekannt.2 Sprachliche Antinomien wie

� „Dieser Satz ist falsch.“,

die schon der Kreter Epimenides um 600 v.u.Z. kannte, treten auf, wenn man Aussagenüber Dinge und Aussagen über Aussagen vermischt. Ähnliche Probleme entstehen inder Informatik, wenn sich Datenobjekte auf sich selbst beziehen. Um mengentheoreti-sche Antinomien auszuschließen, entwickelten Mathematiker Anfang des 20. Jahrhun-derts die axiomatische Mengenlehre. Wir gehen nicht darauf ein, sondern begnügen unsmit einer Leitlinie.

Leitlinie 1.1Mengenbildung

Die Elemente x und y heißen

gleich, x = y, wenn sie zu denselben Mengen gehören, d.h. wenn für jede Menge Mgilt:

x ∈ M genau dann, wenn y ∈ M;

ungleich, x ≠ y, wenn sie nicht gleich sind.

1 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716), deutscher Philosoph, Mathematiker, Universalge-lehrter, begründete die mathematische Logik und die Infinitesimalrechnung, entwickelte einefunktionsfähige Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten, entdeckte das Dualsystem.2 Bertrand (Earl of) Russell (1872 - 1970), britischer Mathematiker, Philosoph, Schriftsteller,Pazifist, Nobelpreisträger.

Sei vorsichtig bei Mengenbildungen der Art „Die Menge aller Mengen mit der Eigen-schaft...“!

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1 - 4 1 Mengen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

1.2 Beispiele für MengenLeere Menge Nach Definition 1.2 kann es nur eine Menge geben, die kein Element enthält; sie heißt

leere Menge (empty set) und wird mit ∅ oder {} bezeichnet.

Alphabete In der Informatik sind Zeichenmengen besonders wichtig. Ein Zeichen (character) istein zur Darstellung von Information vereinbartes Objekt. Ein Alphabet oder Zeichen-satz (Zeichenvorrat, character set) ist eine endliche Menge von Zeichen. Ein Zeichen,dem wir eine Bedeutung beimessen, nennen wir Symbol.

Menge = Alphabet Elemente = Zeichen

{a, b, c,.., z, A, B, C,.., Z} lateinische Buchstaben

{α, β, χ,.., ζ, Α, Β, Χ,.., Ζ} griechische Buchstaben

{0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9} Dezimalziffern

{0,.., 9, A, B, C, D, E, F} Hexadezimalziffern

{0, 1} Binärzeichen, Dualziffern, Wahrheitswerte

{∈ , ∉ , ∋ , /∋ , =, ≠, ⊆ , ⊂ , /⊆ , ⊄ , ⊇ , ⊃ } Relationen der Mengenlehre

{+, −, ∗ , /} arithmetische Operationen

Ein numerisches (numeric) Zeichen gehört zu einem Alphabet von Ziffern und Son-derzeichen zur Darstellung von Zahlen. Ein alphanumerisches (alphanumeric) Zei-chen gehört zu einem Alphabet, das mindestens die Buchstaben und Dezimalziffernenthält. Ein Binärzeichen (binary element) oder Bit (binary digit) ist ein Zeichen auseinem beliebigen Alphabet von zwei Zeichen, Binäralphabet genannt.

Zahlenmengen Gängige Zahlenmengen bezeichnen wir in diesem Skript wie üblich mit doppelt gestri-chenen Großbuchstaben so:

Menge = Zahlenmenge Elemente = Zahlen

lB = {0, 1} boolesche Werte, Wahrheitswerte

lP = {2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19,...} Primzahlen

lN = {1, 2, 3,...} natürliche Zahlen

lN0 = {0, 1, 2, 3,...} lN mit 0, nichtnegative ganze Zahlen

� = {..., −2, −1, 0, 1, 2,...} ganze Zahlen

� = {p / q | p ∈ �, q ∈ lN} rationale Zahlen

� reelle Zahlen

� = {x + i ∗ y | x, y ∈ �} komplexe Zahlen, i := √−1

Namen Betrachten wir noch einmal die Frage der Namen:

x ∈ {a,.., z}

bedeutet: x ist eine literale Konstante, nämlich der Wert x aus der Menge der Klein-buchstaben. Als Name für eine Buchstabenvariable (d.h. eine Variable, die Werte auseiner Menge von Buchstaben annehmen kann) können wir keinen Buchstaben, sondernmüssen ein anderes Zeichen wählen, z.B. einen griechischen Buchstaben:

α ∈ {a,.., z}.

Allgemein gilt: Der Name einer Variablen, die ein Element einer Menge bezeichnet,darf nicht mit einem Namen eines Werts dieser Menge übereinstimmen. Zudem müssensich Wertenamen und Variablennamen von Kombinationszeichen unterscheiden.

x ∈ �

bedeutet: x ist eine reelle (Zahlen-)variable, ihr Wert ist eine beliebige, unbestimmtereelle Zahl.

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1.2 Beispiele für Mengen 1 - 5

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Kapitel 5 befasst sich ausführlich mit Zahlen. Hier genüge der Hinweis, dass den Zah-lenmengen der Mathematik in vielen Programmiersprachen Zahlen-Datentypen ent-sprechen, die jedoch stets nur endliche Wertebereiche haben. Programmiersprachenbieten auch Datentypen, deren Wertebereiche die Zeichen eines bestimmten Zeichen-satzes sind. Meist lösen sie das Problem, literale Zeichenkonstanten von Variablenna-men zu unterscheiden, indem sie Zeichenkonstanten mit Hochkommas klammern.

Tabelle 1.1Mengen undDatentypen

Pascal* und C* Wir weisen gelegentlich auf weitere Entsprechungen zwischen mathematischen undprogrammiersprachlichen Begriffen hin. Dabei beschränken wir uns auf zwei Familienimperativer, d.h. anweisungsorientierter Programmiersprachen: Pascal* steht für Spra-

chen im Entwicklungsbaum von Pascal1 wie Modula, Oberon2, Component Pascal,

Ada3, Eiffel4; C* für Sprachen im Entwicklungsbaum von C wie C++, Java, C#.

Sowohl in der Mathematik als auch in Programmen sind alle Objekte zu vereinbaren,bevor man über sie Aussagen treffen oder sie in Ausdrücken oder Anweisungen benut-zen darf. Die folgende Tabelle zeigt Entsprechungen; auf die Unterschiede zwischendem mathematischen und dem programmiersprachlichen Variablenbegriff gehen wirhier nicht ein.

Tabelle 1.2VariablenVereinbarungenVergleiche

Mathematik Programmiersprachen

Menge Elemente Operationen Datentyp Werte Operationen

Zeichen-satz

a,.., z,0,.., 9,...

= ≠ < > ≤ ≥ CHAR,unsigned char

’a’,.., ’z’,’0’,.., ’9’,...

= # < > <= >=

lN0 0, 1, 2,... + − ∗ / modulo= ≠ < > ≤ ≥

NATURAL,unsigned int

0, 1, 2,... + - * DIV MOD= # < > <= >=

� 0, ±1, ±2,... INTEGER, int ..., -1, 0, 1,...

� 1/2, −3/4,... + − ∗ /= ≠ < > ≤ ≥ REAL, float

0.5, -0.75,... + - * /= # < > <= >=� 5,678∗109 5.678E9

1 Blaise Pascal (1623 - 1662), französischer Philosoph, Mathematiker, entwickelte als einer derErsten eine Rechenmaschine für Addition und Subtraktion, begründete die Wahrscheinlichkeits-rechnung.2 Oberon, Herrscher der Geister, Gatte der Feenkönigin Titania in William Shakespeares „EinSommernachtstraum“; ein Mond des Uranus, in den 80er Jahren von einer Voyager-Sonde pas-siert.3 Augusta Ada (Countess of) Lovelace, geb. Byron (1815 - 1852), britische Mathematikerin,Mitarbeiterin des Rechnerpioniers Charles Babbage, erste Programmiererin.4 Gustave Eiffel (1832 - 1923), französischer Ingenieur, konstruierte Bahnhöfe, Brücken undden Eiffelturm.

Begriff MathematikProgrammiersprachen

Pascal* C*

Variable n, x n, x

Vereinbarung Sei n ∈ lN0, x ∈ �. VAR n : NATURAL; x : REAL; unsigned int n; float x;

Gleichheit x = y x = y x == y

Ungleichheit x ≠ y x # y, x /= y, x <> y x != y

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1 - 6 1 Mengen

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1.3 Beziehungen zwischen MengenDefinition 1.6Teilmenge

Beispiele Beispielsweise gilt {1, 2} ⊆ {1, 2}, {1, 2} ⊂ {1, 2, 3}, {1, 2} /⊆ {1, 3}, {1, 2} ⊄ {3},{1, 2, 3} ⊇ {1, 2}, {1, 2, 3} ⊃ {2}.

∈ , ⊆ und ⊂ sind scharf zu unterscheiden. Es ist zwar 1 ∈ {1, 2}, aber weder 1 ⊆ {1, 2}noch 1 ⊂ {1, 2}, wohl aber {1} ⊆ {1, 2} und {1} ⊂ {1, 2}.

Euler-Venn-Diagramm Um Mengen zu veranschaulichen, kann man sie grafisch durch Mengen-, Euler- oder

Venn-Diagramme1 darstellen: als geschlossene Kurven, die die ggf. durch Punkte dar-gestellten Elemente umschließen. Man nennt deshalb Elemente auch gern Punkte.Mengen können verschieden zueinander liegen:

Bild 1.1Mengenbeziehungen

Wir definieren Teilmengenrelationen für Mengen M, N. „⊆ “ heißt Inklusion, „⊂ “

strikte Inklusion.a M heißt eine Teilmenge (Untermenge, subset) von N, N heißt eineObermenge (superset) von M, N umfasst (includes) M,

M ⊆ N genau dann, wenn jedes Element von M auch Element von N ist,

d.h. genau dann, wenn für jedes x gilt: aus x ∈ M folgt x ∈ N.

M heißt eine echte Teilmenge (proper subset) von N, N heißt eine echte Obermenge(proper superset) von M,

M ⊂ N genau dann, wenn M ⊆ N und M ≠ N.

Die negierten Relationen lauten:

M /⊆ N genau dann, wenn nicht M ⊆ N.b

M ⊄ N genau dann, wenn nicht M ⊂ N.

Die umgekehrten Relationen lauten:

M ⊇ N genau dann, wenn N ⊆ M.

M ⊃ N genau dann, wenn N ⊂ M.

a In der Literatur dient „⊂ “ auch als Symbol für die nicht strikte Inklusion; für die strikte Inklu-sion ist dann eine Kombination aus „⊂ “ und „≠“ zu verwenden, die es im Zeichensatz unseresTextsystems nicht gibt.b Der Schrägstrich „/“ sollte „⊆ “ durchstreichen, leider fehlt dieses Zeichen im Zeichensatz.

1 Leonhard Euler (1707 - 1783), schweizer Mathematiker, Physiker, begründete die Graphen-theorie und die Variationsrechnung.

John Venn (1834 - 1923), britischer Logiker, Philosoph.

M

N

N

MNM

N

M

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1.3 Beziehungen zwischen Mengen 1 - 7

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Korollar 1.7

Die Antisymmetrie verwendet man oft, um die Gleichheit von Mengen zu zeigen - manzeigt, dass beide Inklusionen gelten. Aufgrund von (7) könnte man die Gleichheit mit-tels der Inklusion definieren.

Beachte, dass aus M /⊆ N nicht folgt N ⊆ M!

Für die Zahlenmengen gilt die Inklusionskette:

lN ⊂ lN0 ⊂ � ⊂ � ⊂ � ⊂ �.

Auch Mengen lassen sich zu Mengen zusammenfassen, man erhält so Mengensysteme.

Definition 1.8Potenzmenge

Warnt nicht Leitlinie 1.1 vor der Potenzmengenbildung? Nein, sie ist ungefährlich:Wenn eine Menge widerspruchsfrei ist, so ist es auch die Menge ihrer Teilmengen.

Beispiele P(∅ ) = {∅ }.

P({1}) = {∅, {1} }.

P({1, 2}) = {∅, {1}, {2}, {1, 2} }.

P({1, 2, 3}) = {∅, {1}, {2}, {3}, {1, 2}, {1, 3}, {2, 3}, {1, 2, 3} }.

Korollar 1.9

Abkürzungen Wir schreiben auch

P{1, 2, 3} statt P({1, 2, 3}).

Allgemein lassen wir äußere runde Klammern dann weg, wenn das durch sie Geklam-merte selbst geklammert ist und dadurch keine Mehrdeutigkeiten entstehen:

f(...) statt f((...)),f[...] statt f([...]),f{...} statt f({...}).

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M ⊆ N genau dann, wenn M ⊂ N oder M = N.

(2) ∅ ⊆ M.

(3) Aus M ≠ ∅ folgt ∅ ⊂ M.

(4) M ⊆ M. Reflexivität

(5) M ⊄ M. Irreflexivität

(6) Aus M ⊆ N und N ⊆ M folgt M = N. Antisymmetrie, Identitivität

(7) M ⊆ N und N ⊆ M genau dann, wenn M = N.

(8) Aus M ⊂ N folgt N ⊄ M. Asymmetrie

(9) Aus L ⊆ M und M ⊆ N folgt L ⊆ N. TransitivitätAus L ⊂ M und M ⊂ N folgt L ⊂ N.

Die Potenzmenge (power set) einer Menge M ist die Menge aller Teilmengen von M:

P(M) := {N | N ⊆ M}.

Für Mengen M, N gilt:

Aus N ⊆ M folgt P(N) ⊆ P(M). MonotonieAus N ⊂ M folgt P(N) ⊂ P(M).

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1 - 8 1 Mengen

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1.4 Operationen mit MengenDefinition 1.10DurchschnittVereinigungDifferenzsymmetrischeDifferenz

Die runden Klammern „(“ und „)“ steuern die Reihenfolge der Operationen: von innennach außen.

Beispiele {1, 2, 3} ∩ {3, 4} = {3}.

{1, 2, 3} ∪ {3, 4} = {1, 2, 3, 4}.

{1, 2, 3} \ {3, 4} = {1, 2}.

{3, 4} \ {1, 2, 3} = {4}.

{1, 2, 3} ∆ {3, 4} = {1, 2, 4}.

Bild 1.2Mengenoperationen

Definition 1.11Komplement

Seien M, N Mengen. Der Durchschnitt (intersection) von M und N ist die Menge derElemente, die sowohl in M als auch in N enthalten sind:

M ∩ N := {x | x ∈ M und x ∈ N}, M geschnitten N.

Die Vereinigung (union) von M und N ist die Menge der Elemente, die in M oder inN (einschließlich in beiden Mengen) enthalten sind:

M ∪ N := {x | x ∈ M oder x ∈ N}, M vereinigt N.

Die Differenz (difference) von M und N ist die Menge der Elemente, die in M, abernicht in N enthalten sind:

M \ N := {x | x ∈ M und x ∉ N}, M ohne N.

Die symmetrische Differenz (symmetric difference) von M und N ist die Menge derElemente, die in genau einer der beiden Mengen enthalten sind:

M ∆ N := (M \ N) ∪ (N \ M), M Delta N.

M

N

M ∩ N

M ∪ NM

N

M \ NM

N

M ∆ NM

N

Sind M, G Mengen mit M ⊆ G, so heißt

MG := G \ M

das Komplement (complement) von M in G. Ist G als Grundmenge (universal set,universe) festgelegt, so heißt

M := Mc := MG

einfach das Komplement von M.a

a Die Notation Mc benötigen wir bei doppeltem Komplement, da das Textsystem nicht doppeltüberstreichen kann.

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1.4 Operationen mit Mengen 1 - 9

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Bild 1.3Komplement

Definition 1.12Disjunktheit

1.4.1 Rechenregeln

Der Teil der Mengenlehre, der sich mit den Mengenoperationen befasst, heißt Men-genalgebra. Dass die folgenden Rechenregeln gelten, überlegt man sich leicht anhandvon Mengendiagrammen oder schon bewiesener Regeln.

Satz 1.13InklusionDurchschnittVereinigung

Aufgrund von (2) könnte man die Inklusion mittels der Gleichheit und des Durch-schnitts oder der Vereinigung definieren.

Satz 1.14DurchschnittVereinigung

M

G MG

Die Mengen M und N heißen disjunkt (elementfremd, disjoint), wenn sie keinegemeinsamen Elemente enthalten, also wenn ihr Durchschnitt leer ist:

M ∩ N = ∅ .

Nicht disjunkte Mengen schneiden (überlappen) sich, sie enthalten gemeinsame Ele-mente:

M ∩ N ≠ ∅ .

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M ∩ N ⊆ M. SimplifikationM ⊆ M ∪ N.

(2) M ∩ N = M genau dann, wenn M ⊆ N.M ∪ N = N genau dann, wenn M ⊆ N.

(3) M ∪ N ⊆ M ∩ N genau dann, wenn M = N.

(4) Aus L ⊆ M folgt L ∩ N ⊆ M ∩ N. MonotonieAus L ⊆ M folgt L ∪ N ⊆ M ∪ N.

(5) L ⊆ M und L ⊆ N genau dann, wenn L ⊆ M ∩ N. InfimumL ⊆ N und M ⊆ N genau dann, wenn L ∪ M ⊆ N. Supremum

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M ∩ M = M. IdempotenzM ∪ M = M.

(2) M ∩ ∅ = ∅ . Operation mit leerer MengeM ∪ ∅ = M.

(3) M ∩ N = N ∩ M. KommutativitätM ∪ N = N ∪ M.

(4) (L ∩ M) ∩ N = L ∩ (M ∩ N). Assoziativität(L ∪ M) ∪ N = L ∪ (M ∪ N).

(5) L ∩ (M ∪ N) = (L ∩ M) ∪ (L ∩ N). DistributivitätL ∪ (M ∩ N) = (L ∪ M) ∩ (L ∪ N).

(6) M ∩ (M ∪ N) = M. Absorption, Adjunktivität,M ∪ (M ∩ N) = M. Verschmelzung

(7) M ⊆ N und M ∩ N = ∅ genau dann, wenn M = ∅ .

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1 - 10 1 Mengen

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Beweis. Exemplarisch beweisen wir die erste Regel von (5). Für jedes x gilt:

x ∈ L ∩ (M ∪ N) genau dann, wennx ∈ L und x ∈ M ∪ N genau dann, wennx ∈ L und (x ∈ M oder x ∈ N) genau dann, wenn(x ∈ L und x ∈ M) oder (x ∈ L und x ∈ N) genau dann, wennx ∈ L ∩ M oder x ∈ L ∩ N genau dann, wennx ∈ (L ∩ M) ∪ (L ∩ N).

Die Distributivregel für Mengen basiert auf der Distributivregel der Aussagenlogik, diewir in Kapitel 2 kennen lernen. �

Aufgrund der Assoziativität können wir Klammern sparen und definieren:

L ∩ M ∩ N := (L ∩ M) ∩ N.L ∪ M ∪ N := (L ∪ M) ∪ N.

Aus der Kommutativität und der linksseitigen Distributivität (5) folgt die rechtsseitige,also beidseitige Distributivität.

Satz 1.15Differenz

Aufgrund von (13) lässt sich der Durchschnitt mittels Differenz ausdrücken. Aufgrundvon (14) lässt sich die Differenz mittels Durchschnitt und Komplement ausdrücken.

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M \ N ⊆ M.

(2) M \ N = M genau dann, wenn M ∩ N = ∅ .

(3) M \ N = ∅ genau dann, wenn M ⊆ N.

(4) M \ M = ∅ . Operation mit sich selbst

(5) M \ ∅ = M. Operation mit leerer Menge∅ \ M = ∅ .

(6) M = (M ∩ N) ∪ (M \ N). disjunkte VereinigungM ∪ N = (M \ N) ∪ N = (M \ N) ∪ (M ∩ N) ∪ (N \ M).

(7) Aus L ⊆ M folgt L \ N ⊆ M \ N. Monotonie

(8) Aus L ⊆ M folgt N \ M ⊆ N \ L. Antitonie

(9) (L ∩ M) \ N = (L \ N) ∩ (M \ N) = (L \ N) ∩ M. rechtsseitige Distributivität(L ∪ M) \ N = (L \ N) ∪ (M \ N).

(10) L \ (M ∩ N) = (L \ M) ∪ (L \ N). Regeln von de Morgana

L \ (M ∪ N) = (L \ M) ∩ (L \ N).

(11) (L \ M) \ N = L \ (M ∪ N).L \ (M \ N) = (L \ M) ∪ (L ∩ N).

(12) (L \ M) ∪ N = (L ∪ N) \ (M \ N).

(13) M \ (M \ N) = M ∩ N.

Sind M, N Teilmengen der Grundmenge G, so gilt:

(14) M \ N = M ∩ N.

a Augustus de Morgan (1806 - 1871), britischer Logiker, Mathematiker.

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1.4 Operationen mit Mengen 1 - 11

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 1.16Komplement

Dualität Aufgrund der Regeln von de Morgan lässt sich der Durchschnitt mittels Komplementund Vereinigung, die Vereinigung mittels Komplement und Durchschnitt ausdrücken.Aufmerksames Studieren der Sätze 1.14, 1.15 und 1.16 offenbart, dass die Regeln dualsind, d.h. die Vertauschungen

⊆ ↔ ⊇ ,∩ ↔ ∪ ,∅ ↔ G

überführen eine gültige mengentheoretische Regel in eine weitere gültige mengentheo-retische Regel.

Sind L, M, N Teilmengen der Grundmenge G, so gilt:

(1) M ∩ G = M. Operation mit GrundmengeM ∪ G = G.

(2) M ∩ M = ∅ . Operation mit KomplementM ∪ M = G.

(3) M = (M ∩ N) ∪ (M ∩ N). disjunkte Vereinigung

(4) (Mc)c = M. doppeltes Komplement, Involution

(5) G = ∅ .∅ = G.

(6) M ∩ N = M ∪ N. Regeln von de MorganM ∪ N = M ∩ N.

(7) M ⊆ N genau dann, wenn N ⊆ M. AntitonieM ⊂ N genau dann, wenn N ⊂ M.

(8) M ⊆ N genau dann, wenn M ∩ N = ∅ .M ⊆ N genau dann, wenn M ∪ N = G.

(9) L ∩ M ⊆ N genau dann, wenn L ⊆ M ∪ N.L ⊆ M ∪ N genau dann, wenn L ∩ M ⊆ N.

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Satz 1.17SymmetrischeDifferenz

Aufgrund der Assoziativität (9) können wir Klammern sparen und definieren:

L ∆ M ∆ N := (L ∆ M) ∆ N.

Auf Regel (10) basieren einfache symmetrische Verfahren zur Datenverschlüsselung,wobei M die Rolle des Klartexts, N die des Schlüssels und M ∆ N die des verschlüssel-ten Texts spielt. Bei zufälligem Schlüssel N heißt das Verfahren Vernam-Chiffrierung

(Schlüsselblock, one-time pad). Erfunden haben es Gilbert S. Vernam1 und MajorJoseph O. Mauborgne 1917 bei AT&T, wo sie ein erstes dieses Verfahren nutzendesGerät für telegrafische Zwecke bauten.

Für beliebige Mengen L, M, N gilt:

(1) M ∆ N = (M ∪ N) \ (M ∩ N).

(2) M ∆ N = N ∆ M. Kommutativität

(3) M ∆ M = ∅ . Operation mit sich selbst

(4) M ∆ ∅ = ∅ ∆ M = M. Operation mit leerer Menge

(5) M ∪ N = (M ∩ N) ∪ (M ∆ N). disjunkte Vereinigung

(6) M ∪ N = M ∆ N genau dann, wenn M ∩ N = ∅ .

(7) M = N genau dann, wenn M ∆ N = ∅ .M ≠ N genau dann, wenn M ∆ N ≠ ∅ .

(8) Aus M ⊆ N folgt M ∆ N = N \ M.

(9) (L ∆ M) ∆ N = L ∆ (M ∆ N) = Assoziativität(L ∩ M ∩ N) ∪ (L \ (M ∪ N)) ∪ (M \ (L ∪ N)) ∪ (N \ (L ∪ M)).

(10) (M ∆ N) ∆ N = M.

(11) Es gibt eine Menge O mit M = O ∆ N.

(12) L ∆ M = N genau dann, wenn L = M ∆ N.

(13) (L ∆ M) ∩ N = (L ∩ N) ∆ (M ∩ N). Distributivität

Sind L, M, N Teilmengen der Grundmenge G, so gilt:

(14) M ∆ G = M. Operation mit Grundmenge

(15) M ∆ M = G. Operation mit Komplement

(16) L ∆ M ∆ N = (L ∩ M ∩ N) ∪ (L ∩ M ∩ N) ∪ (L ∩ M ∩ N) ∪ (L ∩ M ∩ N).

(17) M ∆ N = M ∆ N.

(18) M ∆ N = (M ∪ N) ∩ (M ∪ N) = (M ∩ N) ∪ (M ∩ N).

1 Gilbert S. Vernam (1890 - 1960), amerikanischer Ingenieur.

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1.4 Operationen mit Mengen 1 - 13

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1.4.2 Mengen in Programmiersprachen

Manche Programmiersprachen bieten einen einfachen Datentyp für spezielle Potenz-

mengen; die Grundmenge ist oft eine Teilmenge von�, z.B. {0,.., 2k−1} mit k = 5 oderk = 8. Tabelle 1.3 zeigt die Entsprechung mathematischer und programmiersprachlicherBegriffe an einem Beispiel.

Tabelle 1.3Menge undDatentyp SET

Darüber hinaus kann man in so genannten objektorientierten Programmiersprachenbeliebige Mengen als Klassen definieren, wobei es drei Stufen gibt:

� Eine einfache Klasse für Mengen mit Elementen eines festen Typs; siehe dazu alsBeispiele die Module ContainersSetsOfChar und ContainersSetsOfString in [11] S. 241und S. 327 und [33].

� Eine polymorphe Klasse für Mengen mit Elementen, deren Typen Erweiterungeneines Basistyps sind; siehe dazu als Beispiel das Modul ContainersSetsOfComparable

in [11] S. 355 und [33].

� Eine generische Klasse für Mengen mit Elementen, deren Typ bei der Vereinbarungeines Mengenobjekts festgelegt ist; dies erlauben nicht alle Sprachen, aber z.B. C++und Eiffel. Programmiersprachen mit Generizität können auch auf einfache WeiseMengensysteme ausdrücken.

Freilich muss der Programmierer solcher Klassen beachten, dass sie alle Rechenregelnder Mengenalgebra erfüllen (d.h. eines zugrunde liegenden Axiomensystems; dazumehr in folgenden Kapiteln).

Begriff Mathematik Component Pascal

Grundmenge G = {0,.., 31} {0 .. 31}

leere Menge ∅ {}

Potenzmenge - Datentyp P(G) SET

Vereinbarung einer Menge Sei M ∈ P(G). VAR M : SET;

Vereinbarung eines Elements Sei x ∈ G. VAR x : INTEGER;

Elementrelation x ∈ M x IN M

Gleichheit M = N M = N

Ungleichheit M ≠ N M # N

Komplement M -M

Durchschnitt M ∩ N M * N

Vereinigung M ∪ N M + N

Differenz M \ N M - N

symmetrische Differenz M ∆ N M / N

Inklusion M ⊆ N M = M * N

Element hinzufügen Ersetze M durch M ∪ {x}. INCL (M, x);

Element entfernen Ersetze M durch M \ {x}. EXCL (M, x);

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1.5 MengensystemeMengen, deren Elemente selbst Mengen sind, nennen wir Mengensysteme undbezeichnen sie i.A. mit Skriptbuchstaben M, N,... Durchschnitt und Vereinigung lassensich verallgemeinern.

Definition 1.18DurchschnittVereinigung

Beispiel Der Durchschnitt paarweise disjunkter Mengen ist leer. Die Umkehrung gilt nicht, wiedas Beispiel zeigt:

L = {1, 2, 4}, M = {1, 3, 5}, N = {2, 3, 6},L ∩ M = {1}, L ∩ N = {2}, M ∩ N = {3}, L ∩ M ∩ N = ∅ .

Bild 1.4Disjunkt oder nicht?

Sei M ein Mengensystem. Der Durchschnitt der Mengen von M ist die Menge derElemente, die zu allen Mengen vonM gehören:

:= {x | x ∈ M für alle M ∈ M}.

Die Vereinigung der Mengen von M ist die Menge der Elemente, die zu wenigstenseiner der Mengen von M gehören:

:= {x | es gibt ein M ∈ M mit x ∈ M}.

Die Mengen von M heißen paarweise disjunkt (pairwise disjoint), wenn

aus M, N ∈ M und M ≠ N folgt M ∩ N = ∅ .

MM M∈∩

MM M∈∪

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1.5 Mengensysteme 1 - 15

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Satz 1.19Rechenregeln fürMengensysteme

Beachte die Voraussetzung M ≠ ∅ im zweiten Teil von (6). Wegen (1) und (2) liegt fürM = ∅ eine „Anomalie des leeren Mengensystems“ vor:

.

(1) Sind alle vorkommenden Mengen Teilmengen einer Grundmenge G, so gilt

= G.

(2) = ∅ .

(3) Ist M eine Menge und N ein Mengensystem, so gelten die Infimum- und Supre-mumregeln:

M ⊆ N für alle N ∈ N genau dann, wenn ,

N ⊆ M für alle N ∈ N genau dann, wenn .

(4) Ist M eine Menge und N ein Mengensystem, so gelten die Distributivregeln:

,

.

(5) Ist M ein System von Teilmengen einer Grundmenge G, so gelten die Regelnvon de Morgan:

,

.

(6) Für Mengensysteme M, N mit M ⊆ N gilt

und .

Falls M ≠ ∅ gilt zudem

.

MM ∅∈∩

MM ∅∈∪

M NN N∈∩⊆

NN N∈∪ M⊆

M NN N∈∪

� �� �� �

∩ M N∩( )N N∈∪=

M NN N∈∩

� �� �� �

∪ M N∪( )N N∈∩=

MM M∈∩

� �� �� � c

Mc

M M∈∪=

MM M∈∪

� �� �� � c

Mc

M M∈∩=

NN N∈∩ M

M M∈∩⊆ M

M M∈∪ N

N N∈∪⊆

MM M∈∩ M

M M∈∪⊆

MM ∅∈∩ M

M ∅∈∪⊇

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1 - 16 1 Mengen

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Definition 1.20ZerlegungÜberdeckung

Beispiele Für M ⊆ G ist {M, M} eine Zerlegung von G.

Die echten Zerlegungen von {1, 2, 3} sind

{{1}, {2}, {3}}, {{1}, {2, 3}}, {{2}, {1, 3}}, {{3}, {1, 2}}, {{1, 2, 3}}.

Eine Überdeckung von {1, 2, 3} ist z.B. {{1, 2}, {2, 3, 4}}.

Z ist eine Zerlegung von M genau dann, wenn es zu jedem x ∈ M genau ein Z ∈ Z gibtmit x ∈ Z.

Korollar 1.21

1.6 ProduktmengenProduktmengen kombinieren zwei oder mehr Mengen, indem sie die Elemente dieserMengen zu Paaren .h. Folgen anordnen. Beispielsweise kann man aus StudentInnenund Lehrveranstaltungen Paare der Art (StudentIn, Lehrveranstaltung) bilden. Produkt-mengen sind Grundmengen für Relationen und Abbildungen, die zu den fundamentalenBegriffen der Mathematik und der Informatik gehören. Relationen bilden die Basis desRelationenmodells für die weit verbreiteten relationalen Datenbanksysteme. Hier stel-len wir Grundlagen vor, die wir in Kapitel 2 brauchen. Kapitel 4 befasst sich ausführli-cher mit Relationen und Abbildungen. Zunächst betrachten wir das Produkt von zweiMengen.

Definition 1.22Kartesisches Produkt

Seien M ein Mengensystem und N eine Menge. M heißt

eine Zerlegung (partition) von N, wenn die Mengen von M paarweise disjunkt sindund

= N;

eine echte Zerlegung (Klasseneinteilung) von N, wennM eine Zerlegung ist und alleMengen von M, die dann Klassen heißen, nicht leer sind:

∅ ∉ M;

eine Überdeckung von N, wenn

N ⊆ .

MM M∈∪

MM M∈∪

Ist Z eine Zerlegung der Menge G und M ⊆ G, so gilt

.M Z M∩( )Z Z∈∪=

Das (kartesischea) Produkt (Kreuzprodukt, Cartesian product, cross product) derMengen M und N ist die Menge der geordneten Paare (ordered pair)

(x, y)

mit x ∈ M und y ∈ N:

M × N := {(x, y) | x ∈ M und y ∈ N}, M Kreuz N.

M, N heißen erste bzw. zweite Komponentenmenge von M × N. x heißt erste, yzweite Komponente (Koordinate) von (x, y).

a René Descartes, lat. Cartesius (1596 - 1650), französischer Mathematiker, Philosoph, begrün-dete die analytische Geometrie.

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1.6 Produktmengen 1 - 17

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Gleichheit Die Gleichheit von Paaren ist komponentenweise definiert:

(x, y) = (v, w) genau dann, wenn x = v und y = w.

Intuitiv ist klar, dass „geordnetes Paar (x, y)“ meint:

Für x ≠ y ist (x, y) ≠ (y, x) d.h.aus (x, y) = (y, x) folgt x = y.

Es ist also (x, y) ≠ {x, y}, d.h. die Anordnung ist wesentlich. Doch streng genommenmüssen wir alles Neue durch Bekanntes definieren, also hier die neue Klammerschreib-weise mittels Mengen ausdrücken. Dieser Denkweise der MathematikerIn entsprichtdie Denkweise der InformatikerIn, der neu spezifizierte Programme mittels bekannterProgramme implementieren muss, um sie auf einem Rechner ausführbar zu machen.Dabei werden abstrakte Konzepte höherer Programmiersprachen in die konkreteMaschinensprache des Rechners übersetzt. Die Maschinensprache wiederum ist durchelektronische Schaltungen implementiert. Softwarearchitekturen basieren auf Rech-nern, mathematische Gebäude auf der Mengenlehre. Definieren wir ein geordnetesPaar geeignet durch eine Menge, z.B. durch

(x, y) := {x, {y}},

so gilt für x ≠ y:

(x, y) = {x, {y}} ≠ {y, {x}} = (y, x),

d.h. die Gleichheit von Paaren wird nicht definiert, sondern auf die Gleichheit vonMengen zurückgeführt.

Beispiel Ein Beispiel für ein kartesisches Produkt ist

M × N = {a, b, c} × {1, 2} = {(a, 1), (a, 2), (b, 1), (b, 2), (c, 1), (c, 2)}.

Um ein kartesisches Produkt zu veranschaulichen, kann man es grafisch in einer karte-sischen Ebene (kartesisches Koordinatensystem) darstellen: Von zwei senkrecht auf-einander stehenden Linien nimmt die waagrechte die Elemente der ersten, die senk-rechte die der zweiten Komponente auf. Die Elemente des Produkts erscheinen dannals Gitterpunkte in der Ebene.

Bild 1.5Kartesische Ebene

Beachte, dass die Produktoperation nicht assoziativ ist:

(L × M) × N ≠ L × (M × N), da (x, (y, z)) ≠ ((x, y), z).

Treten ×, ∩, ∪ , \ und ∆ zusammen auf, so bindet × stärker als die anderen Operationen.Es gelten folgende Rechenregeln.

N1 �

2 �

M

M × N

� (a, 1)

� (a, 2)

� (b, 1)

� (b, 2)

� (c, 1)

� (c, 2)

a�

b�

c

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1 - 18 1 Mengen

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Satz 1.23Rechenregeln fürzweistelligeProduktmengen

(6) enthält (3) als Spezialfälle.

1.7 Zweistellige RelationenRelationen stellen Beziehungen zwischen Elementen einer oder mehrerer Mengen dar.Wir beschränken uns hier auf zwei Mengen. Beispielsweise kann man in der Produkt-menge aus StudentInnen und Lehrveranstaltungen die Relation „besucht“ betrachten:

StudentIn besucht Lehrveranstaltung: Lea besucht Englisch.

Die zwei Mengen können gleich sein. So gibt es etwa auf einer Menge von Modulendie Relation „importiert“ oder „benutzt“:

Modul importiert Modul: Würfelspiel benutzt Würfel.

Definition 1.24Relation

Gleichheit Zur exakten Angabe einer Relation gehören die Komponentenmengen dazu. ZweiRelationen R ⊆ M × N, R´ ⊆ M´ × N´ sind gleich, wenn alle ihre Bestandteile gleichsind, d.h. wenn gilt

M = M´ und N = N´ und R = R´.

Beispiele Wir kennen schon einige Relationen. Ist M eine Menge, so ist die (hier neu bezeich-nete) Elementrelation ∈ eine Relation in M × P(M):

∈ ⊆ M × P(M).

Für x ∈ M und N ∈ P(M) bedeutet (x, N) ∈ ∈ so viel wie x ∈ N.

Ist M eine Menge, so sind =, ≠, ⊆ , ⊂ , /⊆ , ⊄ , ⊇ , ⊃ Relationen in P(M) × P(M) oder kurzauf P(M).

Grafisch veranschaulichen lässt sich eine Relation in einer kartesischen Ebene als Teil-menge der Gitterpunkte. Jede Schwarz-Weiß-Grafik entspricht einer Relation.

Für beliebige Mengen L, M, N, O gilt:

(1) M × N = ∅ genau dann, wenn M = ∅ oder N = ∅ .

(2) L ⊆ M, O ⊆ N genau dann, wenn L × O ⊆ M × N. Isotonie

(3) (L ∩ M) × N = L × N ∩ M × N. DistributivitätL × (M ∩ N) = L × M ∩ L × N.

(4) (L ∪ M) × N = L × N ∪ M × N. DistributivitätL × (M ∪ N) = L × M ∪ L × N.

(5) (L \ M) × N = L × N \ M × N. DistributivitätL × (M \ N) = L × M \ L × N.

(6) (L ∩ M) × (N ∩ O) = L × N ∩ M × O = L × O ∩ M × N.

(7) Aus L ⊆ M, O ⊆ N folgt L × N ∩ M × O = L × O.

(8) L × M \ N × O = (L \ N) × M ∪ L × (M \ O).

(9) Aus L ⊆ M, O ⊆ N folgt L × OM×N = LM × N ∪ M × ON.

Eine Relation ist eine Teilmenge einer Produktmenge. Genauer: Sind M, N Mengenund R ⊆ M × N, so heißt R eine (zweistellige, binäre, binary, dyadic) Relation inM × N (oder zwischen M und N). Ist M = N, so heißt R auch eine Relation auf M.Statt (x, y) ∈ R benutzen wir auch die Infixschreibweise

x R y.

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1.7 Zweistellige Relationen 1 - 19

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Bild 1.6Relation auf einerkartesischen Ebene

Eine Relation mit wenig Paaren kann man mit einem Mengendiagramm veranschauli-chen, das mit Pfeilen zwischen Elementen angereichert ist, einem so genannten gerich-teten Graph (Pfeildiagramm). Mit der Graphentheorie befasst sich Kapitel 11.

Bild 1.7Relation alsgerichteter Graph

Üblich für übersichtliche Darstellungen von Relationen sind auch Tabellen.

Tabelle 1.4Relation als Tabellen

Die erste Tabelle sieht für jede StudentIn genau eine Zeile vor. Die Zellen in der SpalteLehrveranstaltung müssen dann Mengen oder Listen von Lehrveranstaltungen aufneh-men können.

Die zweite Tabelle - eine Matrix - sieht für jede StudentIn genau eine Zeile, für jedeLehrveranstaltung genau eine Spalte vor. Die Zellen für die Paare müssen nur ein Bitaufnehmen. Hier sind genau die zur Relation gehörenden Paare mit x markiert. Hat eineRelation große Komponentenmengen, aber selbst nur wenige Paare, so ist ihre Matrixdünn besetzt.

Definition 1.25Umkehrrelation

x

y

Ali

Udo

Eva

Ina

TG1

I1

MT1

AK

E1

M := R := besucht N :=Menge der StudentInnen Menge der Lehrveranstaltungen

besuchtbesucht

Lehrveranstaltung

StudentIn Lehrveranstaltung TG1 I1 MT1 AK E1

Ali I1Stu-den-tIn

Ali x

Eva I1, MT1 Eva x x

Ina I1, MT1, AK, E1 Ina x x x x

Udo Udo

Zu jeder Relation R ⊆ M × N heißt die durch

R−1 := {(y, x) | (x, y) ∈ R} ⊆ N × M

definierte Relation R−1 in N × M die Umkehrrelation (inverse Relation) zu R. Es giltalso

y R−1 x genau dann, wenn x R y.

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1 - 20 1 Mengen

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Beispiele Im obigen Beispiel kehrt sich die Relation „besucht“ um zu „wird besucht von“. ImGraph dreht sich die Pfeilrichtung um. In der ersten Tabelle werden die beiden Spaltenvertauscht, für jede Lehrveranstaltung wird eine Zeile vorgesehen. In der zweitenTabelle werden Zeilen und Spalten vertauscht.

∋ , ⊇ und ⊃ sind die Umkehrrelationen zu ∈ , ⊆ bzw. ⊂ .

1.8 AbbildungenAbbildungen sind spezielle, besonders wichtige Relationen. Ist beispielsweise M dieMenge der StudentInnen der Hochschule Reutlingen und N die Menge der höchstenssechsstelligen Dezimalzahlen, so ist die Relation „x hat die Matrikelnummer y“ inM × N eine Abbildung, da jede StudentIn genau eine Matrikelnummer hat. Die Rela-tion „StudentIn besucht Lehrveranstaltung“ ist keine Abbildung, da eine StudentInmehrere Lehrveranstaltungen besuchen kann. Die Umkehrrelation „wird besucht von“ist auch keine Abbildung, da eine Lehrveranstaltung von mehreren StudentInnenbesucht werden kann.

Definition 1.26Abbildung

Die Funktionsschreibweise f(x) ist die am meisten verwendete, aber nicht die einzige.Es gibt auch Schreibweisen ohne Klammern mit vor- (Präfix), nach- (Postfix), hoch-oder tiefgestelltem f oder spezielle Notationen wie Klammern, Überstriche usw.:

fx, xf, xf, xf, (fx), [x], |x|, x usw.

Beachte den Unterschied zwischen f und f(x): f bezeichnet die Abbildung als Ganzes,f(x) das Bild des Arguments x unter der Abbildung f. Man sagt auch: f(x) ist der Wertvon f an der Stelle x.

Graph Historisch bedingt heißt f als Relation auch Graph der Abbildung:

graph(f) = {(x, f(x)) | x ∈ M} ⊆ M × N.

Die Sicht einer Abbildung als

f = �M, N, graph(f)� mit graph(f) ⊆ M × N

vereinfachen wir meist zu

Sind M, N Mengen und f eine Relation in M × N mit der Eigenschaft

zu jedem x ∈ M gibt es genau ein y ∈ N mit (x, y) ∈ f,

so heißt f eine Abbildung (mapping) von M nach N. M heißt Definitionsbereich(domain), N Wertebereich (range) von f. Statt Abbildung sagt man auch Funktion(function), vor allem, wenn der Wertebereich eine Zahlenmenge ist. Statt (x, y) ∈ foder x f y benutzen wir hier die Funktionsschreibweise (Präfix mit Klammern)

f(x) = y.

Statt f ⊆ M × N, (x, y) ∈ f ist bei Abbildungen die prägnante Schreibweise

f : M → N, x |→ f(x) = y

üblich.

� f ist der Name der Abbildung,

� M → N drückt die gerichtete Beziehung zwischen den Mengen aus,

� x |→ f(x) die Beziehung zwischen den Elementen:

Dem Urbild (Argument) x ∈ M wird das eindeutige Bild (Funktionswert) f(x) ∈ Nzugeordnet. Die Abbildungsvorschrift x |→ f(x) ist oft durch einen Ausdruck dar-stellbar, z.B.

f(x) = x2 + 2x − 3.

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1.8 Abbildungen 1 - 21

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

�M, N, f� mit f ⊆ M × N

in der Schreibweise

f : M → N.

Gleichheit Zur exakten Angabe einer Abbildung gehören der Definitionsbereich, der Wertebereichund der Graph der Abbildung. Die Gleichheit von Abbildungen ist durch die Gleichheitvon Relationen definiert, d.h. zwei Abbildungen f : M → N, f´ : M´ → N´ sind gleich,f = f´, wenn gilt

M = M´ und N = N´ und graph(f) = graph(f´), d.h. für alle x ∈ M ist f(x) = f´(x).

Eine Abbildung zwischen Zahlenmengen lässt sich grafisch in einem kartesischenKoordinatensystem veranschaulichen. Die waagrechte x-Achse entspricht üblicher-weise dem Definitionsbereich, die senkrechte y-Achse dem Wertebereich. Die Funkti-onseigenschaft bedeutet, dass jede Senkrechte genau einen Funktionswert enthält. DerGraph einer stetigen Funktion ist eine durchgezogene Kurve.

Bild 1.8Graphen vonAbschnitten derSinusfunktionund einer

Fourier-Reihe1

Eine Abbildung mit endlichem Definitionsbereich lässt sich auch durch eine Werteta-belle darstellen.

Tabelle 1.5Wertetabelle derZweierpotenzfunktion

1.8.1 Besondere Abbildungen

Die Umkehrrelation einer Abbildung ist i.A. keine Abbildung, wie man an f(x) = sin xsieht.

Definition 1.27BijektionUmkehrabbildung

Für die Abbildung mit leerem Definitionsbereich f : ∅ → M gilt

graph(f) = {(x, f(x)) | x ∈ ∅ } = ∅ ;

daher nennen wir sie leere Abbildung, f = ∅ .

1 (Baron) Jean-Baptiste-Joseph de Fourier (1768 - 1830), französischer Mathematiker, Physiker, Präfekt.

x

y

x

y

n 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

f(n) = 2n 1 2 4 8 16 32 64 128 256 512 1024

Eine Abbildung f : M → N heißt bijektiv (Bijektion, umkehrbar eindeutig), wenn gilt

zu jedem y ∈ N gibt es genau ein x ∈ M mit f(x) = y.

Ist f : M → N bijektiv, so ist durch

f−1 : N → M, y |→ f−1(y) := x genau dann, wenn f(x) = y

eine Abbildung definiert; sie heißt die Umkehrabbildung (inverse Abbildung) zu f.

f−1 ist bijektiv. f, f−1 heißen invers zueinander. Ist f = f−1, so heißt f invers zu sichselbst.

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1 - 22 1 Mengen

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f : M → N mit f(x) = f(y) für alle x, y ∈ M heißt konstante Abbildung. In einem karte-sischen Koordinatensystem entsprechen den konstanten Abbildungen die Parallelen zurx-Achse.

Bild 1.9Konstante Abbildung

Die Abbildung

idM : M → M, x |→ idM(x) := x,

die jedes x ∈ M auf sich selbst abbildet, heißt identische Abbildung (Identität) auf M.idM ist bijektiv und invers zu sich selbst. In einem kartesischen Koordinatensystem ent-

spricht ihr die Winkelhalbierende zwischen den beiden gleich gerichteten Achsen; beibeschränktem Definitionsbereich M die Diagonale im Quadrat M × M.

Bild 1.10Identische Abbildung

Ist f : M → N und L ⊆ M, so heißt die durch

f|L : L → N, x |→ f(x), f eingeschränkt auf L

definierte Abbildung die Einschränkung (Restriktion) von f auf L. Es gilt

graph(f|L) = graph(f) ∩ L × N.

g : L → N heißt Fortsetzung von f : M → N auf L, wenn M ⊆ L und g|M = f.

OperationVerknüpfung

Operationen ordnen einem Element oder Elementepaar einer Menge M ein Elementderselben Menge zu. Eine Abbildung f : M → M (von M nach sich) heißt einstellige(unary) Operation auf M. Eine Abbildung f : M × M → M heißt zweistellige Opera-tion (Verknüpfung) auf M. Operationen bezeichnet man oft mit speziellen Operations-symbolen (Operator). Bei einstelligen Operationen ist Präfix- oder Postfixschreib-weise oder Hochstellung

� : M → M, x |→ �x oder � : M → M, x |→ x�,

bei zweistelligen Operationen Infixschreibweise

� : M × M → M, (x, y) |→ x � y

üblich. Eine algebraische Struktur ist eine Menge M zusammen mit einer Operationoder mehreren Operationen auf M: �M, �1, �2,...�. Mit algebraischen Strukturen befas-

sen sich die Kapitel 6 und 10.

Beispiele Beispiele für einstellige Operationen sind das einstellige Minus „−“ auf Zahlenmengenund das Komplement auf Potenzmengen (G sei eine Grundmenge):

: P(G) → P(G), M |→ M,

beide Operationen sind bijektiv und invers zu sich selbst.

x

yf = konstant

x

y id�

M

M

idM

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1.8 Abbildungen 1 - 23

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Beispiele für zweistellige Operationen sind +, −, ∗ , / auf Zahlenmengen sowie moduloauf lN und �. Ist G eine Grundmenge, so sind Durchschnitt, Vereinigung, Differenzund symmetrische Differenz zweistellige Operationen auf P(G), z.B.

∩ : P(G) × P(G) → P(G), (M, N) |→ M ∩ N.

Zweistellige Operationen verknüpfen also je zwei Elemente x, y so miteinander, dassein weiteres Element derselben Menge erreicht wird. Zweistellige Operationen mitendlichem Definitionsbereich lassen sich mit Verknüpfungstabellen darstellen, wiewir sie aus der Schule kennen.

Tabelle 1.6Verknüpfungstabellekleines Einmaleins

Projektion Ist M × N eine Produktmenge, so heißen die Abbildungen

π1 : M × N → M, (x, y) |→ π1(x, y) := x,

π2 : M × N → N, (x, y) |→ π2(x, y) := y

die Projektionen auf die erste bzw. zweite Komponente.

Ausdruck Durch ein- oder mehrfaches Anwenden einer oder mehrerer Operationen auf einerMenge M entstehen Ausdrücke, z.B.

�1 (x �2 y) �3 z.

In einem Ausdruck (expression) können

� konstante und variable Elemente aus M,

� Operationssymbole, und

� Klammern

vorkommen. Im obigen Beispiel sind x, y, z ∈ M Variablen. �1 ist eine einstellige, �2

und �3 sind zweistellige Operationen. Das Klammernpaar „(“, „)“ steuert die Reihen-

folge der Berechnung des Ausdrucks von innen nach außen. Um Klammern zu sparenkönnen Vorrangregeln festgelegt sein, z.B. einstellige vor zweistelligen Operationen.Die Argumente der Operationen heißen Operanden. Ein Operand ist zugleich Teilaus-druck (subexpression) des Ausdrucks. Im obigen Beispiel gilt:

(1) x und y sind Teilausdrücke und Operanden der Operation �2.

(2) (x �2 y) ist Teilausdruck und Operand der Operation �1.

(3) �1 (x �2 y) und z sind Teilausdrücke und Operanden der Operation �3.

(4) �1 (x �2 y) �3 z ist Teilausdruck und Ausdruck zugleich.

Die Reihenfolge der Berechnung ist (1), (2), (3), (4).

In allgemeineren Ausdrücken können Elemente mehrerer Mengen und beliebige Abbil-dungen und Relationen mit beliebigen Schreibweisen vorkommen, z.B.

card(M ∩ N) ≤ | sin(2πx) + √3! |y.

∗ 1 2 ... 9 10

1 1 2 ... 9 10

2 2 4 ... 18 20

... ... ... ... ... ...

9 9 18 ... 81 90

10 10 20 ... 90 100

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1 - 24 1 Mengen

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Dabei sind diese Aspekte zu beachten:

(1) Die Zeichen des Ausdrucks sind nach festgelegten Regeln angeordnet.

(2) Die Anwendung jeder Abbildung ist wohldefiniert, indem ihre Argumente zuihrem Definitionsbereich gehören.

(3) Setzt man für die im Ausdruck vorkommenden Variablen Werte ein, so kannman den Wert des Ausdrucks berechnen.

Ausdrücke spielen in der Mathematik und der Informatik eine wichtige Rolle. In Pro-grammiersprachen betrachtet man den Aspekt (1) unter dem Begriff Syntax, denAspekt (2) unter dem Begriff Typbindung als Teil der statischen Semantik, und denAspekt (3) unter dem Begriff Auswertung als Teil der dynamischen Semantik.

Bindung Den auf S. 4 diskutierten Zusammenhang zwischen Variablennamen und Variablenkönnen wir mit einer Abbildung ausdrücken. Ist V eine Menge von Variablennamen,z.B. V = {a, b,.., z, a0, a1,.., z0, z1,...}, und W ein System von Wertemengen, z.B.

W = P(�), so ist eine Bindung (binding) der Variablennamen an die Wertemengen eineAbbildung

bind : V →W, α |→ bind(α),

die jedem Variablennamen α ∈ V eine Wertemenge bind(α) ∈ W zuordnet, sodass αeine Variable mit Werten in bind(α) bezeichnet. Ordnet z.B. bind der literalen Kon-stante a ∈ V die Wertemenge bind(a) = � ∈ W zu, so bezeichnet a ∈ � eine reelleVariable, d.h. a tauscht unter der Bindung seine Rollen von einer Konstante derNamenmenge zu einer Variablen der Wertemenge.

Typbindung In (typisierten) Programmiersprachen spricht man von Typbindung: Jede Variable istan einen Typ gebunden. Dieser Typ wird (bei statischer Typbindung) bei der Vereinba-rung der Variablen angegeben. Die einfachen Zahlentypen entsprechen nicht nur wie inTabelle 1.1 dargestellt den Zahlenmengen, sondern den algebraischen Zahlenstruktu-ren: Zu einem Typ gehört stets ein Wertebereich zusammen mit den darauf definiertenOperationen. So ist festgelegt, welche Operationen mit welchen Variablen erlaubt sind.

Programmiersprachen bieten auch Konstrukte, die Abbildungen entsprechen; sie hei-ßen meist Funktionen oder Funktionsprozeduren (function procedure). In so genann-ten funktionalen Programmiersprachen bilden Funktionen das Grundkonzept desgesamten Aufbaus der Sprache, während in den in Tabelle 1.7 betrachteten imperativenProgrammiersprachen Funktionen neben anderen, imperativen Sprachkonstrukten ste-hen. Nicht nur in Implementationssprachen, auch in Spezifikationssprachen, die inTabelle 1.7 durch Cleo vertreten sind, spielen Funktionen eine wichtige Rolle.

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1.8 Abbildungen 1 - 25

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Tabelle 1.7Mathematischeund programmier-sprachlicheFunktionen

Funktionen sind auch technisch interpretierbar und realisierbar. Wir nennen den Defini-tionsbereich einer Funktion f Eingabebereich E, den Wertebereich Ausgabebereich A,und sagen: f berechnet zu jeder Eingabe e ∈ E eine Ausgabe f(e) = a ∈ A. Die Funk-tion stellen wir als rechteckiges Bauelement dar, das links einen Eingang für die Ein-gabe und rechts einen Ausgang für die Ausgabe hat:

Bild 1.11Funktion alstechnischesBauelement

EVA-ModellBlack-Box

Dies ist das so genannte EVA-Modell für Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe. Die Funk-tion ist eine so genannte Black-Box: Sie ist durch ihr von außen beobachtbares Ein-/Ausgabe-Verhalten charakterisiert, während die Art und Weise ihrer Berechnung inihrem Inneren verborgen ist.

Begriff MathematikProgrammiersprachen

Pascal* C*

Vereinbarung einerAbbildung

f : M → N, x |→ f(x) PROCEDUREf (x : M) : N;

N f (M x);

Definition einerFunktion

Beispiel: Reelle Funktion

f : �→ �, x |→ x2 + 1

Component Pascal:

PROCEDUREf (x : REAL) : REAL;

BEGINRETURN x * x + 1

END f;

float f (float x);{

return x * x + 1;};

Eiffel:

f (x : REAL) : REAL isdo

Result := x * x + 1end

Cleo:

QUERIESf (IN x : REAL) : REAL

POSTresult = x * x + 1

END

Benutzung/Aufrufder Funktion

Beispiel: Reeller Ausdruck

f(3x) − 4 f(3 * x) - 4

Eingabe

E

VerarbeitungBerechnung

f : E → AAusgabe

A

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1 - 26 1 Mengen

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1.8.2 Indizierungen

Indizierte Größen x1, x2,... sind Bilder unter einer Abbildung.

Definition 1.28Indizierung

Verschiedene Glieder xi, xk sind solche mit verschiedenen Indices i, k; dabei können xi,

xk als Elemente von M gleich sein. Beachte, dass

(xi)i∈ I

die Darstellung einer Abbildung von I nach M ist und nicht mit der Bildmenge

{xi | i ∈ I} ⊆ M

zu verwechseln ist, die Teilmenge von M ist. In (xi)i∈ I kommt es auf die Anordnung

und Anzahl der Werte xi an, in {xi | i ∈ I} nicht. Beispielsweise ist

{1, 2} = {1, 2, 2} ≠ (1, 2, 2) ≠ (2, 1, 1) ≠ {2, 1, 1} = {1, 2}.

Gleichheit Die Gleichheit von Familien ist durch die Gleichheit von Abbildungen definiert: ZweiFamilien sind gleich, wenn alle Glieder mit gleichem Index gleich sind, d.h.

(xi)i∈ I = (yi)i∈ I genau dann, wenn xi = yi für alle i ∈ I.

Ist I = lN, so schreibt man auch

(xi)i∈ lN = (xi)i=1, 2,... = (x1, x2,...) mit xi ∈ M für alle i = 1, 2,...

und nennt dies eine unendliche Folge (infinite sequence).

Ist I = {1,.., n}, so schreibt man auch

(xi)i∈ {1,.., n} = (xi)i=1,.., n = (x1,.., xn) mit xi ∈ M für alle i = 1,.., n

und nennt das eine endliche Folge (finite sequence) oder geordnetes n-Tupel (n-tuple,Paar für n = 2, Tripel für n = 3, Quadrupel für n = 4, Quintupel für n = 5).

Analog indiziert man Mengen statt Elemente, indem der Wertebereich der Indizierungein Mengensystem M statt einer Menge M ist. (Mi)i∈ I bezeichnet eine Mengenfamilie,{Mi | i ∈ I} das Mengensystem der indizierten Mengen. Die geschweiften Klammern

lassen wir meist weg und schreiben einfach Mi, i ∈ I.

1.9 Operationen mit indizierten MengenIst I eine beliebige Indexmenge, (Mi)i∈ I eine Mengenfamilie und M := {Mi | i ∈ I} das

zugehörige Mengensystem, so schreiben wir Durchschnitt und Vereinigung auch so:

= {x | x ∈ Mi für alle i ∈ I},

= {x | x ∈ Mi für wenigstens ein i ∈ I}.

Sind I, M Mengen und

x : I → M, i |→ xi

eine Abbildung, bei der man für die Bilder statt der Klammerschreibweise x(i) dieIndexschreibweise xi benutzt und die man als

(xi)i∈ I oder (xi | i ∈ I) oder kurz (xi), wenn I bekannt ist

darstellt, so heißt diese Abbildung Indizierung (indizierende Abbildung), I Index-menge, i Index (Mehrzahl Indices), (xi)i∈ I Familie von Elementen aus M, und xi

Familienmitglied oder kurz Glied zum Index i.

MM M∈∩ Mi

i I∈∩=

MM M∈∪ Mi

i I∈∪=

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1.9 Operationen mit indizierten Mengen 1 - 27

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Ist I = lN, so schreiben wir auch

= {x | x ∈ Mi für alle i = 1, 2,...},

= {x | x ∈ Mi für wenigstens ein i = 1, 2,...}.

Ist I = {1,.., n}, so schreiben wir auch

= {x | x ∈ Mi für alle i = 1,.., n},

= {x | x ∈ Mi für wenigstens ein i = 1,.., n}.

Definition 1.29Produktmenge

Projektion Die für jedes k ∈ I definierte Abbildung

πk : → Mk, (xi) |→ πk((xi)) := xk,

die jedem (xi) die k-te Komponente xk zuordnet, heißt die Projektion von

auf Mk.

Ist I = lN, so schreiben wir auch

= {(x1, x2,...) | xi ∈ Mi für alle i = 1, 2,...}.

Ist I = {1,.., n}, so schreiben wir auch

= {(x1,.., xn) | xi ∈ Mi für alle i = 1,.., n}.

heißt n-stelliges (kartesisches) Produkt.

Beim nullstelligen Produkt existiert als Indizierung nur die leere Abbildung:

= {(xi)i∈∅ | xi ∈ Mi für alle i ∈ ∅ } = {∅ }.

Sind alle Mi gleich, Mi = M für alle i ∈ I, so schreiben wir

MI := = {(xi)i∈ I | xi ∈ M für alle i ∈ I},

d.h. MI ist die Menge aller Abbildungen von I nach M (die I-te Potenz von M).

Mii I∈∩ Mi

i 1 2 …, ,=∩=

Mii I∈∪ Mi

i 1 2 …, ,=∪=

Mii I∈∩ Mi

i 1 … n, ,=∩=

Mii I∈∪ Mi

i 1 … n, ,=∪=

Seien I eine Indexmenge und Mi, i ∈ I Mengen. Das (kartesische) Produkt der Mi,i ∈ I ist die Menge aller Indizierungen

I → , i |→ xi ∈ Mi,

:= {(xi)i∈ I | xi ∈ Mi für alle i ∈ I}.

Mi heißt die i-te Komponentenmenge (Koordinatenmenge) von , xi i-te

Komponente (Koordinate) von (xi).

Mii I∈∪

Mii I∈∏

Mii I∈∏

Mii I∈∏

Mii I∈∏

Mii I∈∏ Mii 1 2 …, ,=

∏=

Mii I∈∏ Mii 1 … n, ,=

∏=

Mii 1 … n, ,=∏

Mii ∅∈∏

Mi I∈

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1 - 28 1 Mengen

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Ist I = {1,.., n}, so schreiben wir

Mn := M{1,.., n} = = {(x1,.., xn) | x1,.., xn ∈ M}.

Mn heißt n-faches (kartesisches) Produkt von M (n-te Potenz von M).

Für n = 0 definieren wir

M0 := = {∅ } und () := {} = ∅ , sodass gilt M0 = {()},

d.h. M0 enthält nur das leere Tupel ().

Beispiel Sei G eine Grundmenge. Ist M ⊆ G, so heißt die durch

χM : G → {0, 1}, x |→ χM(x) :=

definierte Funktion charakteristische Funktion von M. Umgekehrt lässt sich zu einerFunktion f : G → {0, 1} die Menge

Mf := {x ∈ G | f(x) = 1} ⊆ G

definieren. Die Abbildungen

P(G) → {0, 1}G, M |→ χM und {0, 1}G → P(G), f |→ Mf

sind bijektiv und invers zueinander, d.h. für M ⊆ G ist = M und für f : G → {0, 1}

ist = f. Auf endliche Mengen beschränkt bedeutet das: Mengen mit n Elementen

lassen sich durch n-Tupel aus 0en und 1en darstellen. Darauf beruht die Implementa-tion des einfachen Datentyps SET in manchen Programmiersprachen.

Manche von Satz 1.23 bekannte Rechenregeln für zweistellige Produktmengen lassensich auf beliebige Produktmengen verallgemeinern.

Satz 1.30Rechenregeln fürProduktmengen

1.9.1 Rekursive Definition von ProduktmengenRekursion Das n-stellige Produkt von M1,.., Mn lässt sich auch rekursiv definieren, indem man es

auf das bekannte zweistellige Produkt einer Komponentenmenge mit einem (n−1)-stel-

ligen Produkt zurückführt.1 Rekursion (recursion) ist eine wichtige Methode in derMathematik und der Informatik. Die Idee ist, ein Problem der Größe n zu lösen, indem

� es auf ein Problem der Größe n − 1 reduziert und

� zusätzlich das Problem der Größe 1 gelöst wird.

Mi 1 … n, ,=

Mi ∅∈

0 falls x M∉1 falls x M∈

MχM

χMf

Für Mengen I und Mi, Ni für i ∈ I gilt:

(1) = ∅ genau dann, wenn es ein k ∈ I gibt mit Mk = ∅ .

(2) Mi ⊆ Ni für alle i ∈ I genau dann, wenn ⊆ . Isotonie

(3) . Distributivität

(4) .

Mii I∈∏

Mii I∈∏ Nii I∈

Mii I∈∏ Nii I∈

∏∩ Mi Ni∩( )i I∈

∏=

Mii I∈∏ Nii I∈

∏∪ Mi Ni∪( )i I∈

∏⊆

1 Lateinisch recurrare = zurücklaufen.

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1.9 Operationen mit indizierten Mengen 1 - 29

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Damit ist das Problem für beliebige n ∈ lN gelöst. Wir nutzen das kartesische Produkt,um die Methode der rekursiven Definition kennen zu lernen; sie ist ein spezieller Fallvon intensionaler Mengenbeschreibung (siehe 1.1.1).

Definition 1.31n-stelligeskartesischesProdukt

Wir haben nun drei Definitionen des kartesischen Produkts:

� ×E für das Produkt von zwei Mengen,

� ×I mittels Indizierung für das Produkt beliebig vieler Mengen, was ×E voraussetzt,

� ×R für das Produkt endlich vieler Mengen.

In der Informatik gibt es oft zu einer Programmspezifikation PS mehrere Implementa-tionen PI1, PI2,... Diese sind dann auf ihre Vor- und Nachteile bezüglich gewisser Krite-

rien zu untersuchen, um die für einen gewissen Zweck optimale Implementation zuwählen. Ähnlich untersuchen wir im Folgenden die Gemeinsamkeiten und Unter-schiede der Produktdefinitionen.

Zunächst ist das indizierte Produkt ×I allgemeiner als das rekursive Produkt ×R, denn ×I

gilt für beliebig viele Komponentenmengen. Die Indexmenge I kann auch unendlichsein - allerdings müssen wir dann das mengentheoretische Auswahlaxiom voraussetzen,worauf wir nicht eingehen. ×R gilt dagegen nur für endlich viele Komponentenmengen.

Betrachten wir den Fall endlich vieler Komponentenmengen M1,.., Mn mit n ∈ lN0.Dann sind ×I und ×R zwar i.A. nicht identisch, leisten aber dasselbe, wie die Bijektion

→ , (x1,.., xn)I |→ (x1,.., xn)R

zeigt. Nun führen wir die n-Tupel (x1,.., xn)I und (x1,.., xn)R auf ihre Definition als Men-

gen zurück. Für n = 0 ist ×I = ×R per Definition. Für n = 1 ist

(x1)I = {(1, x1)E} = {{1, {x1}}} und

(x1)R = {x1}, also

(x1)I ≠ (x1)R.

Für n = 2 ist

(x1, x2)I = {(1, x1)E, (2, x2)E} = {{1, {x1}}, {2, {x2}}} und

Zu beliebigen, endlich vielen Mengen M1,.., Mn definieren wir das n-stellige (karte-sische) Produkt rekursiv so:

Für n = 1 definieren wir

(x1) := {x1} für x1 ∈ M1, := {(x1) | x1 ∈ M1}.

Für n > 1 definieren wir

(x1,.., xn) := {x1, (x2,.., xn)} für x1 ∈ M1, (x2,.., xn) ∈ ,

:= M1 ×

:= {(x1,.., xn) | x1 ∈ M1, (x2,.., xn) ∈ }.

und Mn für n ∈ lN0 definieren wir wie in Definition 1.29.

Mii 1=∏

Mii 2 … n, ,=∏

Mii 1 … n, ,=∏ Mii 2 … n, ,=

∏Mii 2 … n, ,=

Mii 1 … 0, ,=∏

Mii 1 … n, ,=

I

∏ Mii 1 … n, ,=

R

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1 - 30 1 Mengen

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(x1, x2)R = {x1, (x2)R} = {x1, {x2}} = (x1, x2)E, also

(x1, x2)I ≠ (x1, x2)R.

×R ist mit ×E verträglich. Für n = 3 ist

(x1, x2, x3)I = {(1, x1)E, (2, x2)E, (3, x3)E} = {{1, {x1}}, {2, {x2}}, {3, {x3}}} und

(x1, x2, x3)R = {x1, (x2, x3)R} = {x1, {x2, (x3)R}} = {x1, {x2, {x3}}}, also

(x1, x2, x3)I ≠ (x1, x2, x3)R.

Wir erkennen, dass für n > 3 erst recht

(x1,.., xn)I ≠ (x1,.., xn)R

ist. Aus den Überlegungen lernen wir Mehreres. Erstens erleichtert uns die Tupel-schreibweise, mit der Abstraktion „geordnetes n-Tupel“, „Folge“ oder „Familie“ umzu-gehen. Dagegen sind die Mengenschreibweise und die konkreten Mengen, auf die sichdie Tupelschreibweise bezieht, zu elementar, um die Abstraktion angemessen auszu-drücken - schon bei Tripeln wird es komplex. Dies zeigt, wie wichtig es ist, fürAbstraktionen geeignete Schreibweisen zu finden.

Zweitens entsprechen den beiden Definitionen ×I und ×R unterschiedliche Datenstruk-

turen in der Informatik.

1.9.2 Produktmengen und Datenstrukturen

Die auf Indizierung basierenden Tupel entsprechen programmiersprachlichen Verbun-den und Reihungen, mit denen sich Indizierungen und kartesische Produkte gut aus-drücken lassen. Eine Reihung lässt sich ähnlich wie eine Wertetabelle veranschauli-chen.

Bild 1.12n-Tupel als Reihung

Beide Darstellungen entsprechen (x1,.., xn)I = {{1, {x1}},.., {n, {xn}}}; sie unterschei-den sich unwesentlich:

� In der Mathematik wird meist mit 1, in der Informatik oft mit 0 beginnend indiziert.Bei gleicher Anzahl n ist der Indexbereich 1,.., n oder 0,.., n − 1.

� Programmiersprachen kennen keine Tiefstellung, weshalb sie statt der Index- eineKlammerschreibweise verwenden, oft mit eckigen Klammern „[“, „]“.

Die auf Rekursion basierenden Tupel entsprechen programmiersprachlichen Listen, dassind rekursive Datenstrukturen, die sich grafisch so veranschaulichen lassen:

Bild 1.13n-Tupel als Liste

Die Kästchen stehen für Datenobjekte, die Pfeile für Bezüge auf Datenobjekte. In(x1,.., xn)R = {x1, {x2, {...{xn}...}}} enthält jede vorkommende Menge zwei Elemente,von denen das zweite Element wieder eine Menge ist; nur die innerste Menge hat nurdas Element xn. Den Mengen in (x1,.., xn)R entsprechen die Datenobjekte, auf die waag-

Mathematik Programmiersprachen

n-Tupel x = (x1,.., xn)I n-elementige Reihung x

Index 1 2 ... n Index 0 1 ... n - 1

Glied x1 x2 ... xn Element x[0] x[1] ... x[n-1]

x1 x2 xn

...

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1.10 Strukturen 1 - 31

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

rechte Pfeile zeigen, den Elementen x1,.., xn die Datenobjekte, auf die senkrechte Pfeilezeigen. Das erste Datenobjekt ist der Anker der Liste, es bezieht sich auf die Liste,indem es sich auf ihr erstes Element bezieht. Das letzte Datenobjekt enthält neben demBezug auf xn einen leeren Bezug. Das Studium mathematischer Strukturen kann alsodurchaus nützlich für das Studium informatischer Strukturen sein.

Viele Programmiersprachen bieten strukturierte Datentypen für kartesische Produkte.In objektorientierten Programmiersprachen umfasst das mächtigere Konstrukt Klassediese Datentypen.

Tabelle 1.8Kartesisches Produktund strukturierteDatentypen

1.10 StrukturenMit Produkten beliebig vieler Mengen können wir die Begriffe Relation und Operationverallgemeinern. Damit bereiten wir eine Basis der in Kapitel 2 behandelten Prädika-tenlogik vor. Wie in Definition 1.24 ist eine Relation eine Teilmenge einer Produkt-menge.

Definition 1.32Relation

Für n = 0 gibt es wegen M0 = {∅ } nur die Relationen ∅ und {∅ }.

Definition 1.33Operation

MathematikProgrammiersprachen

Pascal* C, C++

Produkt verschiedener Mengen Mi Verbund (record, struct)

Definition:

P := ,

xi ∈ Mi für alle i = 1,.., n.

TYPE P =RECORD

x1 : M1;...xn : Mn;

END;

typedefstruct {

M1 x1;...Mn xn;

} P;

Vereinbarung: Sei x ∈ P. VAR x : P; P x;

Benutzung:erste, letzte Komponente x1, xn

x.x1 ... x.xn x.x1 ... x.xn

Produkt gleicher Mengen M Reihung (array)

Definition: P := Mn. TYPE P = ARRAY n OF M; typedef M P [n];

Vereinbarung: Sei x ∈ P. VAR x : P; P x;

Benutzung:erste, i-te, letzte Komponente xi

x[0] ... x[i] ... x[n-1] x[0] ... x[i] ... x[n-1]

Mii 1 … n, ,=∏

Sind Mi, i = 1,.., n (n ∈ lN0) Mengen und

R ⊆ ,

so heißt R eine n-stellige Relation in . Statt (x1,.., xn) ∈ R schreiben

wir auch

R(x1,.., xn).

Sind alle Mi gleich, d.h. M = Mi für alle i = 1,.., n, so heißt R ⊆ Mn auch eine n-stel-lige Relation auf M.

Mii 1 … n, ,=∏

Mii 1 … n, ,=∏

Ist M eine Menge und n ∈ lN0, so heißt eine Abbildung f : Mn → M eine n-stelligeOperation auf M.

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1 - 32 1 Mengen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Für n = 0 reduziert sich f wegen M0 = {∅ } auf die Zuordnung ∅ |→ f(∅ ) ∈ M, d.h. fbildet das einzige Argument auf einen einzigen Wert ab. Daher identifizieren wir dieBegriffe nullstellige Operation und Konstante.

Definition 1.34Struktur

In einer algebraischen Struktur lassen sich oft mittels der Operationen Relationen defi-nieren, sodass auch eine relationale Struktur entsteht.

Beispiele Ist M eine Menge, so ist

�P(M), M, ∅ , , ∩, ∪ , =, ⊆ �

eine Struktur mit der Trägermenge P(M), den nullstelligen Operationen M, ∅ , der ein-stelligen Operation , den zweistelligen Operationen ∩ , ∪ , und den zweistelligen Rela-tionen =, ⊆ . Es genügt, mit der Struktur �P(M), M, ∅ , , ∩, =� zu starten, da sich ∪ mit

und ∩ definieren lässt (→ Satz 1.16 (6)), ⊆ mit ∩ und = (→ Satz 1.13 (2)).

Auf den natürlichen Zahlen ist

�lN0, 0, 1, +, ∗ , div, mod, Prim, =, ≤�

eine Struktur mit der Trägermenge lN0, den nullstelligen Operationen 0, 1, den zwei-

stelligen Operationen +, ∗ , div, mod, der einstelligen Relation Prim ⊆ lN0, die die Teil-

menge der Primzahlen darstellt, und den zweistelligen Relationen =, ≤.

Mit mathematischen Strukturen lassen sich informatische Strukturen theoretisch fun-dieren. Betrachten wir etwa abstrakte Datenstrukturen, die in modularen Programmier-sprachen im Konstrukt Modul, oder abstrakte Datentypen, die in objektorientiertenProgrammiersprachen im Konstrukt Klasse erscheinen, und gliedern ihre Schnittstelle -die Menge ihrer Dienste - wie in Eiffel oder Cleo in Abfragen und Aktionen, so könnenwir grob folgende Entsprechungen identifizieren.

Tabelle 1.9Strukturen

Ähnlich wie eine Operation ihre Argumente auf ein Bild abbildet, liefert ein Abfragen-aufruf ein von den Parameterwerten abhängiges Ergebnis. Dagegen bewirkt eineAktion eine Änderung des Zustands der Datenstruktur, die sich durch den Zustand vorund den Zustand nach einem Aktionsaufruf beschreiben lässt. Solche Zustandspaareentsprechen Relationen mathematischer Strukturen.

Eine (mathematische) Struktur �M, f1,.., fm, R1,.., Rn� ist gegeben durch

� eine Menge M,

� Operationen f1,.., fm auf M, m ∈ lN0,

� Relationen R1,.., Rn auf M, n ∈ lN0.

M heißt Trägermenge (Individuenmenge), die Elemente x ∈ M heißen Individuender Struktur. Ist m = 0, d.h. die Menge der Operationen leer, so handelt es sich umeine (rein) relationale Struktur. Ist n = 0, d.h. die Menge der Relationen leer, so han-delt es sich um eine (rein) algebraische Struktur.

Mathematische Struktur Abstrakte Datenstruktur / Datentyp

Trägermenge Wertebereich

Operationen Abfragen

Relationen Aktionen

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1.11 Darstellungen von Größen 1 - 33

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

1.11 Darstellungen von GrößenZum Schluss des Kapitels blicken wir kurz in die Realität, die Disziplinen wie Physik,Chemie, Ökonomie usw. zu erfassen versuchen. Wir haben es dort mit physikalischen,chemischen, ökonomischen usw. Größen zu tun. Die Unterscheidung zwischen

� zählen und

� messen

lässt sich bis in die Urgeschichte des Rechnens zurückverfolgen. Offenbar gibt es in derRealität Größen, die sich aus Einheiten zusammensetzen, die man zählen kann: 1, 2,3,... Bei anderen Größen lässt sich jede mögliche Zerlegungseinheit weiter zerlegen,sodass es keine augenscheinliche Einheit für das Zählen gibt - man muss eine künstli-che Einheit schaffen und die Größe daran messen. Freilich gibt es auch viele Dinge, dieweder zählbar noch messbar sind.

Diskret oder stetig? Eine diskrete (discrete) Größe kann nur endlich viele unterscheidbare Werte anneh-men. Eine stetige (continuous) Größe kann unendlich viele Werte annehmen, die sichbeliebig wenig unterscheiden können.

Analog oder digital? Diskrete und stetige Größen lassen sich auf zwei Arten darstellen:

� Eine Darstellung einer Größe heißt analog (analogous), wenn die Größe direkt aufeine andere (geometrische oder physikalische) Größe abgebildet wird, z.B. aufLänge, Winkel, Stromstärke, Spannung, Druck.

Bild 1.14Analog dargestelltestetige Größe

� Eine Darstellung einer Größe heißt digital, wenn die Größe durch endlich viele Zei-

chen oder Zahlen dargestellt wird.1 Eine digitale Darstellung ist eine symbolischeBeschreibung der dargestellten Größe.

Diskrete Größen lassen sich leicht digital darstellen, z.B.

{Januar, Februar,.., Dezember} → {1, 2,.., 12}.

Bei stetigen Größen liegt oft eine analoge Darstellung nahe.

Bild 1.15Analoge

Darstellungen2

Unter Diskretisierung oder Rasterung verstehen wir eine Abbildung eines unendli-chen Wertebereichs in einen endlichen Wertebereich. Durch Diskretisierung erhält man

1 Digital = ziffernhaft; lateinisch digitus = Finger; englisch digit = Ziffer.

Eingabe E

GewichtWaage

Ausgabe A

Winkel

AE

2 Quelle des Bärenbilds: http://www.bear.org vom 10. 5. 2003.

x

y

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1 - 34 1 Mengen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

aus einer analogen Darstellung einer (stetigen) Größe eine diskretisierte analoge Dar-stellung.

Diskretisierung bewirkt theoretisch immer einen Informationsverlust, der umso größerist, je gröber die Rasterung ist. Andererseits kann man das Raster so verfeinern, dassdas menschliche Auge oder Ohr praktisch keine Informationslücken wahrnimmt. (DieDarstellungen in Bild 1.15 sind tatsächlich auch diskretisiert.)

Bild 1.16Diskretisierte analogeDarstellungen

Unter Digitalisierung verstehen wir eine Abbildung von einem endlichen Wertebe-reich nach einem endlichen Zahlenbereich. Durch Digitalisierung erhält man aus einerdiskretisierten analogen Darstellung einer (stetigen) Größe eine digitale Darstellung.Je feiner das Raster ist, desto mehr Zahlenwerte benötigt die Darstellung. Praktischbedeutet das: Je besser die Qualität einer dargestellten Größe (Funktion, Bild, gespro-chene Sprache, Musik), desto mehr Speicher-, Übertragungs- und Verarbeitungskapazi-tät benötigt ihre Darstellung und desto teurer ist sie. Qualität hat ihren Preis. Daher istein wichtiges Problem informatischer Anwendungen, Größen mit möglichst geringemInformationsverlust und möglichst wenig Werten zu diskretisieren und digitalisieren.

Bild 1.17DigitalisierteDarstellungen

Die Konstruktion von Rechnern basiert auf der Digitaltechnik. Sie realisiert Funktionenmit elektronischen Schaltkreisen, die mit binären Signalen arbeiten. An jedem Ein- undAusgang liegt eines der Signale 0 oder 1 an. Ein einfacher Schaltkreis entspricht damiteiner Funktion f : {0, 1} → {0, 1}. Komplexere Funktionen realisiert man mittels meh-

rerer Ein- und Ausgänge. Ein Bauelement für eine Funktion f : {0, 1}m → {0, 1}n hat mEingänge und n Ausgänge.

Bild 1.18Funktionen als digitaleBauelemente

x

y

x y = f(x)

0 -0.24537402758066371 -0.38558775762675752 -0.59590835269589843 -0.73612208274199184 -0.80622894776503865 -0.87633581278808556 -0.94644267781113237 -0.87633581278808558 -0.80622894776503869 -0.7361220827419918...

FF FF FF FF FF FF FF FFFF FF FF FF FF FF FF FFFF FF FF 00 00 00 00 0000 00 00 00 00 00 00 0000 00 00 00 00 00 00 FFFF FF FF FF 00 00 00 0000 00 FF FF FF FF FF FFFF FF FF FF FF FF FF FFFF FF FF FF FF FF FF FFFF FF FF FF FF 00 00 0000 00 00 FF FF FF FF FF...

FF FF FF FF FF 00 40 2020 40 20 20 40 40 40 4040 40 40 80 60 80 80 6040 40 40 40 60 60 40 4040 00 00 00 40 20 20 4040 40 40 40 40 40 40 4080 A0 80 40 A0 80 40 C0A0 40 A0 80 40 A0 80 40A0 80 40 60 40 00 00 0040 20 20 00 00 00 00 0000 40 20 20 40 20 20 40...

Eingabe

Ef

Ausgabe

A

Eingabe Ee1

f

Ausgabe Aa1

e2 a2... ...

em−1 an−1em an

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1.12 Literaturhinweise 1 - 35

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Auf diesen Prinzipien beruht die folgende Aussage, deren Bedeutung wir täglich erfah-ren, wenn wir telefonieren, CDs hören, DVDs anschauen, im Web surfen oder E-Mailsversenden.

Theorem 1.35Digitalisierung

1.12 LiteraturhinweiseMengen Die Grundzüge der Mengenlehre präsentiert fast jedes einführende Mathematik-Lehr-

buch, da heute alle Gebiete der Mathematik einheitlich mit den Begriffen der Mengen-lehre arbeiten: Moderne Mathematik ist Mengenlehre. Dieses Kapitel nimmt Anregun-gen aus [6], [8], [13], [16], [19], [23] und [27] auf.

Georg Cantor (1845 - 1918) ist der Begründer der Mengenlehre, doch reichen einzelneIdeen weiter zurück. Schon der französische Mathematiker und Astronom Joseph DiazGergonne (1771 - 1859) untersuchte Beziehungen zwischen geometrischen Punktmen-gen. Grundlagen der Mengenalgebra schuf - eng verknüpft mit Grundlagen der alge-braischen Logik - der irische Mathematiker und Logiker George Boole (1815 - 1864).Cantor legte ab 1874 die intuitive Basis für erste Theorien der Mengenlehre. Er analy-sierte Begriffe wie Gleichmächtigkeit, Kardinalzahl, Unendlichkeit, Ordnung, die wirin Kapitel 4 behandeln. Cantor fand selbst um 1895 Widersprüche in gewissen Men-genbildungen. Bertrand Russell (1872 - 1970) beschrieb die nach ihm benannte Antino-mie 1902 in einem Brief an den Logiker Gottlob Frege (1848 - 1925), von dem dieintensionale Beschreibung von Mengen stammt. Paradoxien und Antinomien der Men-genlehre wurden um 1900 bekannt und diskutiert; sie gaben Anlass, eine solide Basisfür die Mengenlehre zu suchen, die Antinomien ausschloss.

Cantors Schüler Ernst Zermelo (1871 - 1953) legte 1908 ein erstes brauchbares Axio-mensystem für die Mengenlehre vor, auf dem die heute üblichen Axiomensysteme derMengenlehre basieren. Dabei wird nicht definiert, was eine Menge ist, sondern dieEigenschaften der durch ∈ dargestellten Relation werden durch einige (bei Zermelosieben) Axiome festgelegt. Der Mathematiker Adolf Fraenkel (1891 - 1965), der sichauch mit dem Problem des Auswahlaxioms befasste, lieferte ein weiteres Axiomensy-stem. Zu offenen Problemen gehörten die Widerspruchsfreiheit der Axiomensystemeund die Kontinuumshypothese. Der Logiker Kurt Gödel (1906 - 1978) zeigte, dass dieentwickelten Standardtheorien der Mengenlehre relativ konsistent sind.

Die Unterschiede zwischen den heutigen Axiomensystemen beziehen sich auf unendli-che Mengen und sind für praktische Anwendungen kaum relevant. Es gibt z.B. Men-genlehren mit und ohne Auswahlaxiom, mit und ohne Kontinuumshypothese. Einenguten Überblick über die Geschichte der Mengenlehre bietet Meschkowski [15].

Variable Schon einzelne Mathematiker und Logiker der griechischen Antike benutzten gelegent-lich Variablen. Systematisch begann man im 17. Jahrhundert - vor allem durch denfranzösischen Mathematiker François Viète, lat. Vieta (1540 - 1603) beeinflusst -Variablen in mathematischen Überlegungen zu verwenden. Seit René Descartes (1596 -1650) bezeichnet man unbekannte Größen in Gleichungen mit x, y und z, bekannte mit

a, b und c. Auch die Standardnotation xn für die n-te Potenz von x ist Descartes zu ver-danken. Die moderne Mathematik ist ohne Variablen undenkbar.

Jede zählbare oder messbare Größe lässt sich

� diskretisieren,

� digitalisieren und

� binär codiert darstellen

und damit

� maschinell verarbeiten.

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1 - 36 1 Mengen

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Relation Erste Theorien der Relationen entwickelten Augustus de Morgan (1806 - 1871) und deramerikanische Logiker Charles Sanders Peirce (1839 - 1914). Der Mathematiker undLogiker Ernst Schröder (1841 - 1902) erweiterte ihr Werk systematisch.

Funktion Der Fachbegriff Funktion stammt von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716); erklärte im Briefwechsel mit dem schweizer Mathematiker Johann I Bernoulli (1667 -1748) Begriffe wie Funktion, Konstante, Variable, Koordinate, Parameter, und führtedie Indexschreibweise ein. Bernoulli benutzte die Präfixschreibweise fx, sein SchülerLeonhard Euler (1707 - 1783) die Funktionsschreibweise f(x). Vertrat Bernoulli nochdie enge Auffassung einer Funktion als einer „Größe, die auf irgendeine Weise auseiner veränderlichen Größe und Konstanten zusammengesetzt ist“, so fand schon Eulerzum Verständnis einer Funktion als Zuordnung zweier Zahlenmengen.

Die klare Unterscheidung zwischen stetig und analog sowie zwischen diskret und digi-tal empfiehlt Rechenberg [17].

1.13 ÜbungenAufgabe 1.1Namen vonZeichenfolgen

Zeichenfolgen, über die wir etwas aussagen, müssen benannt sein. Eine Möglichkeit siezu benennen besteht darin, sie in Anführungszeichen zu setzen. Dies gilt auch für Zei-chenfolgen, die selbst Namen sind. Geben Sie an, welche der folgenden Zeichenfolgendurch korrektes Verwenden von Anführungszeichen korrekte Sätze sind!

(1) Alice ist glücklich.

(2) Bob besteht aus drei Buchstaben.

(3) „Cleo“ ist ein Name.

(4) Cleo ist eine Spezifikationssprache.

(5) 0 ist eine Zahl.

(6) 0 gleicht einem großen O.

(7) „0“ ist eine Zahl.

(8) „0“ gleicht „O“.

(9) 0 ∈ �.

(10) „0“ ∈ �.

(11) „∈ “ ist das Symbol der Elementrelation.

(12) x ∈ M ist eine Aussage.

(13) 1 + 1 = 2.

(14) „1 + 1“ = „2“.

(15) „1“ + „1“ = „11“.

(16) x + y = y + x.

(17) „x + y“ = „y + x“.

(18) „He said: \„Don’t worry!\““ ist eine Zeichenfolge, die mit dem Symbol „\“ mar-kierte Anführungszeichen enthält, um diese von den die Zeichenfolge benennen-den Anführungszeichen zu unterscheiden.

Suchen Sie Sätze in diesem Skript, in denen die Anführungszeichenregel nicht korrektangewendet ist! Welche andere Regel wird oft verwendet?

Aufgabe 1.2 Beweisen Sie Korollar 1.3 S. 2!

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1.13 Übungen 1 - 37

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 1.3Mengen beschreiben

Geben Sie möglichst einfache Beschreibungen folgender Mengen an!

(1) {(−1)3n | n ∈ lN0}

(2) {x ∈ � | x2 + 3x + 2 = 0}

(3) {x ∈ � | x2 − 2x + 3 = 0}

(4) {2m + 3n | m, n ∈ �}

Aufgabe 1.4SemantischeAntinomien

Untersuchen Sie folgende Situationen!

(1) L sei das Literaturverzeichnis, das alle Werke verzeichnet, die sich nicht selbstverzeichnen. Verzeichnet L sich selbst?

(2) Proklos (um 450 v.u.Z.) [19]: Protagoras lehrt einen Schüler die Rechte undstundet ihm die Studienkosten, bis der Schüler seinen ersten Prozess gewonnenhat. Da der Schüler nach Abschluss des Studiums keine Prozesse übernimmt,verklagt ihn Protagoras schließlich auf Zahlung der Studienkosten. Muss derSchüler zahlen?

(3) Grelling (1908) [19]: Man zerlegt die Menge der deutschen Adjektive in zweiKlassen. Ein Adjektiv ist autologisch, wenn es das ist, was es bedeutet, z.B. daskurze Adjektiv „kurz“, das deutsche Adjektiv „deutsch“, das dreisilbige Adjektiv„dreisilbig“; sonst ist es heterologisch, z.B. das kurze Adjektiv „lang“, das deut-sche Adjektiv „englisch“, das dreisilbige Adjektiv „zweisilbig“. Zu welcherKlasse gehört heterologisch?

Aufgabe 1.5 Beweisen Sie Korollar 1.7 S. 7!

Aufgabe 1.6Beziehungen zwischenMengen

Geben Sie möglichst viele Beziehungen zwischen folgenden Mengen an!

G = {2n | n ∈ lN0}, U = {2n + 1 | n ∈ lN0},

GpG = {g + h | g, h ∈ G}, GpU = {g + u | g ∈ G, u ∈ U},

UpU = {u + v | u, v ∈ U}, GmG = {g ∗ h | g, h ∈ G},

GmU = {g ∗ u | g ∈ G, u ∈ U}, UmU = {u ∗ v | u, v ∈ U},

Gq = {g2 | g ∈ G}, qG = {n ∈ lN0 | n2 ∈ G}.

Aufgabe 1.7 Beweisen Sie Korollar 1.9 S. 7!

Aufgabe 1.8Potenzmenge

Geben Sie die Potenzmenge von {1, 2, 3, 4} an! Wieviele Elemente hat sie?

Aufgabe 1.9 Beweisen Sie Satz 1.13 S. 9!

Aufgabe 1.10 Beweisen Sie Satz 1.14 S. 9!

Aufgabe 1.11 Beweisen Sie Satz 1.15 S. 10!

Aufgabe 1.12 Beweisen Sie Satz 1.16 S. 11!

Aufgabe 1.13 Beweisen Sie Satz 1.17 S. 12!

Aufgabe 1.14Dreiecke

Es seien D die Menge aller Dreiecke, K die Menge aller gleichschenkligen Dreiecke, Sdie Menge aller gleichseitigen Dreiecke, W die Menge aller gleichwinkligen Dreiecke,R die Menge aller rechtwinkligen Dreiecke, P die Menge aller spitzwinkligen Dreieckeund T die Menge aller stumpfwinkligen Dreiecke. Zeichnen Sie ein Mengendiagrammund geben Sie alle Beziehungen zwischen diesen Mengen an!

Aufgabe 1.15Schaltjahre [8]

Ein Schaltjahr ist ein Jahr, das durch 4, aber nicht durch 100, wohl aber durch 400 teil-bar ist. (2000 war ein Schaltjahr, 1900 keins.) Stellen Sie die Menge S der Schaltjahremit den Mengen

L = {n ∈ lN | 4 teilt n}, M = {n ∈ lN | 100 teilt n}, N = {n ∈ lN | 400 teilt n}

dar!

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1 - 38 1 Mengen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Aufgabe 1.16Mengenoperationen[16]

Stellen Sie mit den Teilmengen L, M, N der Grundmenge G die Menge der Elementevon G dar, die

(1) zu mindestens einer der drei Mengen L, M, N,

(2) zu genau einer der drei Mengen,

(3) zu mindestens zwei der drei Mengen,

(4) zu genau zwei der drei Mengen,

(5) zu allen drei Mengen,

(6) zu keiner der drei Mengen,

(7) nur zu L

gehören!

Aufgabe 1.17Mengenausdrückevereinfachen

Vereinfachen Sie folgende Mengenausdrücke! Die Grundmenge sei G.

(1) (M ∩ M) ∪ (M ∩ ∅ )

(2) (∅ ∪ M) ∩ (M ∪ (M ∩ N) ∪ N)

(3) (L ∩ M) ∪ (M ∩ O) ∪ (N ∩ L) ∪ (O ∩ N)

(4) ((L \ M) ∩ (M \ N) ∩ (M \ ∅ )) ∪ ((L \ M) ∩ (L \ N))

(5) ((L ∩ Mc) ∪ N)c ∩ (Lc ∪ (M ∩ Nc)c)

(6) (L ∪ N) ∆ ((M \ (N \ M)) ∪ ((L \ M) \ L)) ∆ (L \ N)

Aufgabe 1.18Wann sind zweiMengen gleich?

Zeigen Sie durch Gegenbeispiele, dass

(1) aus L ∩ M = L ∩ N nicht M = N folgt;

(2) aus L ∪ M = L ∪ N nicht M = N folgt!

Beweisen Sie, dass

(3) aus L ∩ M = L ∩ N und L ∪ M = L ∪ N folgt M = N;

(4) aus L ∪ M = L ∪ N und L ∪ M = L ∪ N folgt M = N!

Aufgabe 1.19 Beweisen Sie Satz 1.19 S. 15!

Aufgabe 1.20Mengen bestimmen[16]

Für n ∈ lN0 sind die Mengen

Mn := {i ∈ lN | i ≤ n}, Nn := {i ∈ lN | i ≥ n}

gegeben. Bestimmen Sie für m, n ∈ lN0 die folgenden Mengen!

(1) Mm ∆ Mn

(2) Nm ∆ Nn

(3)

(4)

(5)

(6)

Aufgabe 1.21 Beweisen Sie Korollar 1.21 S. 16!

Aufgabe 1.22Zerlegungen

Geben Sie alle echten Zerlegungen von {1, 2, 3, 4} an! Wieviele gibt es?

Mii 1 … n, ,=

Mii 1 … n, ,=

Nii 1 … n, ,=

Nii 1 … n, ,=

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1.13 Übungen 1 - 39

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 1.23Potenzmengen [16]

Beweisen Sie, dass für beliebige Mengen M, N die Inklusionskette

P(M ∩ N) = P(M) ∩ P(N) ⊆ P(M) ∪ P(N) ⊆ P(M ∪ N)

gilt!

Aufgabe 1.24 Beweisen Sie Satz 1.23 S. 18!

Aufgabe 1.25Relationen

Gegeben sind folgende Relationen:

M1 = {(x, y) ∈ �2 | x ≥ 0}, N1 = {(x, y) ∈ �2 | x + y ≤ 1},

M2 = {(x, y) ∈ �2 | y ≥ 0}, N2 = {(x, y) ∈ �2 | y − x ≤ 1},

M3 = {(x, y) ∈ �2 | x ≤ 0}, N3 = {(x, y) ∈ �2 | −x − y ≤ 1},

M4 = {(x, y) ∈ �2 | y ≤ 0}, N4 = {(x, y) ∈ �2 | x − y ≤ 1}.

(1) Skizzieren Sie die Relationen in einer kartesischen Ebene!

(2) Stellen Sie die Komplemente der Mengen in intensionaler Form dar!

(3) Zeichnen Sie folgende Mengen in eine kartesische Ebene und beschreiben Siesie verbal!

M1 ∩ M2, M1 ∩ M3,

M2 \ M3, N1 ∩ N3,

M1 ∩ N1 ∩ N2, M3 ∪ M4 ∪ N3,

N1 ∩ N2 ∩ N3 ∩ N4, M3 ∩ N1 ∩ N4.

(4) Welche der folgenden Aussagen sind wahr, welche falsch?

M4 ⊆ N1 ∆ N4, M2 \ M1 ⊆ M2 ∩ M3,

N1 ∩ N3 = ∅ , N1 \ M1 ⊆ N3 ∩ M4.

Aufgabe 1.26Relationen undFunktionen

Die folgenden Formeln definieren Relationen

R := {(x, y) | x und y erfüllen die Formel} und R−1.

Welche dieser Relationen stellen Funktionen mit geeigneten Definitions- und Wertebe-reichen dar?

(1) 2x + 3y = 4.

(2) x − 5 < y + 5.

(3) 6x − 7y = 8x2 + 9y2.

(4) x ist Mutter von y.

(5) x ist Tochter von y.

(6) x sendet E-Mails an y.

Aufgabe 1.27 Beweisen Sie Satz 1.30 S. 28!

Aufgabe 1.28Rekursive Definition

Geben Sie eine rekursive Definition des Durchschnitts endlich vieler Mengen an!

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1 - 40 1 Mengen

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 2 - Seite 1 von 72

2 Logik

Aufgabe 2Beispiel 2Bild 2 (2) Leitlinie 2MathAussagen 2Programm 2 Tabelle 2In Kapitel 1 haben wir schon einige mathematische Aussagen (streng genommen Aus-sageformen) kennen gelernt:

x ∈ M, M ≠ N, M ⊆ N.

Wir haben die Aussagen miteinander logisch verknüpft - mit „und“, „oder“, „aus ...folgt“ und „genau dann, wenn“, wobei wir Anordnung und Bedeutung dieser Verknüp-fungen informal eingeführt haben. Fast unbemerkt haben wir auch Formulierungen wie„für alle x“ und „es gibt ein x“ verwendet. Nun stellen wir die intuitiv benutzte Logikauf eine solidere Basis, indem wir sie formalisieren.

2.1 AussagenlogikLogik ist die Wissenschaft des schlüssigen, folgerichtigen Denkens. Da unser Denkeneng mit unserer Sprache zusammenhängt, betrachten wir zunächst sprachliche Aspekte.

2.1.1 EinführungSatzart Unsere Umgangssprache kennt verschiedene Arten von Sätzen. Dazu gehören:

(1) Aussagesätze wie „Informatik macht Spaß.“.

(2) Fragesätze wie „Macht Informatik Spaß?“.

(3) Befehlssätze wie „Lerne Informatik!“.

Man erkennt die Satzart oft am Schlusszeichen: „.“, „?“ oder „!“. Diese Unterscheidungist auch für die Mathematik und die Informatik wichtig - wir müssen nur bewusst damitumgehen.

Aussage und Frage Aussagen beschreiben Sachverhalte. Fragen unterscheiden sich davon nicht so starkwie es scheinen mag, denn jede Aussage lässt sich in eine entsprechende Frage umfor-mulieren. (Umgekehrt gibt es nicht zu jeder Frage eine eindeutige Aussage - nämlichnicht zu Fragen, die mit Fragewörtern wie Wer, Was, Wo, Warum beginnen.) Es ist einrhetorischer Trick, eine Frage zu stellen, wenn man der Gefahr ausweichen will, Fal-sches zu behaupten. Sagen wir z.B.

„Der Präsident ist ein Dummkopf, ein Verbrecher oder ein Psychopath.“,

so droht eine Anzeige wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts. Fragen wir dagegen

„Ist der Präsident ein Dummkopf, ein Verbrecher oder ein Psychopath?“,

so kann nichts passieren, denn schließlich darf man wohl noch fragen, oder?

Bewertung undAntwort

Entscheidend an Aussagen ist, dass man sie bewerten, an Fragen, dass man sie beant-worten kann. Eine Bewertung von Aussage (1) kann sein: „Das ist wahr.“, eine Antwortauf Frage (2): „Ja“. Freilich sind diese Kommentare subjektiv. Ein Anderer kann „Dasist falsch.“ bzw. „Nein“ äußern. Mögliche Bewertungen beschränken sich aber nichtauf „wahr“ oder „falsch“, Antworten nicht auf „ja“ oder „nein“. Wir können differen-ziert kommentieren: „Naja, mir macht Informatik meist Spaß, aber für manche ist esmanchmal hartes Brot.“ Oder: „Spaß? Nee! Vielleicht früher mal ein bisschen Freude.“

Alltagslogik Die Umgangssprache bietet viele Möglichkeiten, Aussagen differenziert zu bewerten,Fragen differenziert zu beantworten. Subjektive Empfindung („für mich“), intersubjek-tive Einschätzung („für wenige“, „für viele“), Wissensstand („vielleicht“), Intensität(„wenig“, „viel“), Häufigkeit („selten“, „oft“) und Zeitpunkt des Auftretens („heute“,„am 9.8.04“) usw. sind Teil der vielwertigen Alltagslogik.

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2 - 2 2 Logik

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Aussagenlogik Dagegen befassen sich Mathematik und Informatik vor allem mit Aussagen, die nurmit „wahr“ oder „falsch“ zu bewerten sind, d.h. sie verwenden eine zweiwertige, binäreLogik. Die Aussagenlogik (propositional logic) ist der Zweig der mathematischen, for-malen Logik, der diese zweiwertige Logik begründet. Sie geht aus von einer Mengevon Aussagen (proposition), die sich mit Operationen zu weiteren Aussagen verknüp-fen lassen, der Menge der Wahrheitswerte (truth value) {falsch, wahr} und Bewer-tungsfunktionen (evaluation function) oder Interpretationen I, die den Aussagen AWahrheitswerte I(A) ∈ {falsch, wahr} zuordnen. Dabei kann I(A) unbekannt oder nichtberechenbar sein. Durch diese Einschränkung (gegenüber der Alltagslogik) auf diebinäre Logik gewinnen wir ein mächtiges Werkzeug, das wir in der Informatik an vie-len Stellen brauchen, z.B. in der Softwareentwicklung beim Analysieren von Anforde-rungen, Spezifizieren von Schnittstellen, Implementieren von Algorithmen und Suchenvon Fehlern.

Andere Logiken Weitere Zweige der formalen Logik formalisieren andere Aspekte der Alltagslogik.Beispielsweise liegen der unscharfen Logik (fuzzy logic) Bewertungsfunktionen in dasreelle Intervall [0, 1] zugrunde. Die temporale Logik befasst sich mit dem Aspekt deszeitlichen Auftretens. Diese Logiken bauen auf der Aussagenlogik auf und setzen derenKenntnis voraus.

Befehl Zurück zum Start, Satzart (3): Welche Rolle spielen Befehlssätze? Die Mathematikbefasst sich nur mit Problemen (Fragen) und ihren Lösungen (Aussagen), sie kenntkeine Befehle. Dagegen spielen Befehle, Kommandos, Anweisungen, Instruktionen inder Informatik eine wesentliche Rolle: Man setzt Rechner und Programme ein, um Pro-bleme zu lösen. Dazu erteilt man Rechnern Befehle, d.h. schreibt sie in Programme.

Effekt Was charakterisiert Befehle? Befehle kann man nicht wie Aussagen bewerten oder wieFragen beantworten. Jeder Befehl richtet sich an einen Akteur (ein Lebewesen odereine Maschine). Jeder Akteur ist zu Aktionen fähig, die Situationen verändern. EinBefehl ist eine Aufforderung an den Akteur, aus einer Situation heraus eine andereSituation zu schaffen. Der Akteur kann einen erhaltenen Befehl akzeptieren und aus-führen oder ablehnen und nichts tun. Ein Befehl soll einen Effekt bewirken.

Vor- undNachbedingung

Wie verhalten sich Aussagen und Befehle zueinander? Situationen lassen sich durchAussagen beschreiben. Der Effekt eines Befehls lässt sich durch ein Paar von Aussagenbeschreiben: Die Vorbedingung beschreibt die Situation vor der Befehlsausführung, dieNachbedingung die Situation danach.

Tabelle 2.1Aussagen und Befehle

Um ein gutes Verständnis von Befehlen und ihren Effekten zu erhalten ist es also sinn-voll, sich zuerst intensiv mit der Logik von Aussagen zu befassen.

Formale Sprache Dazu abstrahieren wir völlig vom Inhalt möglicher Aussagen und konstruieren dieAussagenlogik als eine formale Sprache. Mit formalen Sprachen befassen wir uns infolgenden Kapiteln - die Aussagenlogik dient hier dazu, an dieses Gebiet heran zu füh-ren. Eine formale Sprache (formal language) wird beschrieben durch

Zeitgeschichte CP-Programm

VorbedingungAussage, beschreibt Situation Es ist Krieg. M = {}

Befehlgerichtet an Akteur,beschreibt Aktion

Herr Präsident,beenden Sie den Krieg! INCL (M, 1);

NachbedingungAussage, beschreibt Situation Der Krieg ist beendet. M = {1}

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2.1 Aussagenlogik 2 - 3

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(1) ein Alphabet, aus dessen Zeichen Wörter, d.h. Zeichenfolgen gebildet werden;

(2) die Syntax, die festlegt, welche mit den Zeichen des Alphabets gebildeten Wör-ter zur Sprache gehören;

(3) die Semantik, die den Wörtern der Sprache eine Bedeutung zuordnet.

Zahlenrechnen Wir gehen ähnlich vor wie beim Lernen des Zahlenrechnens - nur formaler. Bei Zahlenstarten wir mit literalen Konstanten

1, 2, 3,..,

verknüpfen sie zu einfachen konstanten Ausdrücken

1 + 2, 3 ∗ 4,..,

lernen diese zu berechnen

2 + 2 = 4, 5 ∗ 6 = 30,..,

führen Variablen

x, y, z,...

ein, bilden damit komplexere Ausdrücke

(x + 7) ∗ y, ((a − 1) ∗ (2b + 3)) / ((4c − 5) ∗ (6d + 7)),..,

aber nicht etwa

) ) a + ∗ j d d 22 111 v ( − ( / / x v 345 g r ∗ m n + ∗ 987,

üben das „Buchstabenrechnen“

8x − 16y = 8 ∗ (x − 2y),..,

setzen für Variablen Werte ein

x = 12 und y = 10

und berechnen damit Ausdrücke

5x / y = (5 ∗ 12) / 10 = 60 / 10 = 6.

Beim Zahlenrechnen ist es egal, in welchem Kontext der Ausdruck 7 + 8 ∗ 9 steht undob 7 und 9 Äpfel oder Autos zählen, das Ergebnis ist unabhängig davon stets 79. Fürdas Aussagenrechnen, die Aussagenlogik ergeben sich die Unterschiede:

Aussagenrechnen � Statt unendlich vieler Zahlen kommen nur zwei Wahrheitswerte vor.

� Dadurch ist das logische kleine Einmaleins viel kleiner als das arithmetische.

� An die Stelle der arithmetischen Operationen +, −, ∗ , / treten logische Operationen.

2.1.2 Alphabet der AussagenlogikKonstante Die zwei Wahrheitswerte sind die logischen Konstanten der Aussagenlogik. Je nach

Anwendungsbereich sind verschiedene Symbole üblich. Die Literatur zur Logik bieteteine Vielfalt an Symbolen, wobei die in der Algebra verbreiteten Symbole 0 und 1 fürneutrale Elemente beliebt sind, ohne dass hier Verwechslungen mit den natürlichenZahlen 0 und 1 zu befürchten sind. In der Digitaltechnik, in Maschinensprachen undmaschinennahen Programmiersprachen herrschen 0 und 1 vor. Höhere Programmier-sprachen, die Wert auf Typsicherheit legen, bevorzugen false und true, um Konflikte mitZahlen zu vermeiden.

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2 - 4 2 Logik

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Tabelle 2.2Wahrheitswerte und

boolesche1 Datentypen

Unsere Menge der Konstanten ist

lB := {0, 1}

mit 0 für falsch und 1 für wahr. Analog zu den Variablen auf S. 1-2ff führen wir logi-sche Variablen ein:

Variable a ∈ lB

bedeutet: a ist eine logische Variable, deren Wert 0 oder 1 sein kann. In der Digitaltech-nik und in Programmiersprachen spricht man auch von booleschen Konstanten undbooleschen Variablen.

Tabelle 2.3VariablenVereinbarungen

Unsere Menge der Variablennamen ist die Menge der kursiven Kleinbuchstaben, dieauch indiziert sein können, damit die Anzahl der Variablen nicht beschränkt bleibt:

Va := {a, b, c,.., z, a0, a1, a2,.., z0, z1, z2,...}.

Die Bindung (→ S. 1-24)

bind : Va → {lB}, α |→ bind(α) := lB

der Variablennamen α ∈ Va an lB, sodass sie logische Variablen α ∈ lB bezeichnen, istTeil der Semantik (→ 2.1.4.2). Gelegentlich sprechen wir einfach von Variablen α ∈ Vastatt von Variablennamen.

Konkrete Aussage Man darf sich vorstellen, dass Variablen konkrete Aussagen bezeichnen, die mehr oderweniger formalisiert sind, z.B.

a := „Heute ist Vollmond.“

b := „Einmal ist keinmal.“

c := „1 + 1 = 3.“

d := „3 ist eine Primzahl.“

e := „5 ∈ {x | x ist Primzahl}.“

1 George Boole (1815 - 1864), irischer Mathematiker, Logiker, begründete die algebraische Logik.

Wahrheitswerte Datentyp

Aussagenlogik

falsum, verum

⊥ (bottom), T (top)

falsch, wahr

f/F, w/W

f/F, t/T

Aussagenlogik, boolesche Algebra,Schaltalgebra

O, L

0, 1

Programmiersprachen

C 0, 1 char

Pascal* FALSE, TRUEBOOLEAN

Eiffelfalse, true

C* bool

Begriff LogikProgrammiersprachen

Pascal* C*

Variable a a

Vereinbarung Sei a ∈ lB. VAR a : BOOLEAN; bool a;

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2.1 Aussagenlogik 2 - 5

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Im Folgenden abstrahieren wir jedoch vom Inhalt der Aussagen und betrachten nur ihreBezeichnungen.

Tabelle 2.4LogischeOperationen

Auch für die logischen oder booleschen Operationen (Verknüpfung, Operator, Funk-tor, Junktor) sind verschiedene Symbole üblich. Wir nutzen die Gelegenheit, um dieNamen der Operationen einzuführen. A, B stehen für logische Ausdrücke, die wir untendefinieren.

Unsere Menge der Operationssymbole oder kurz Operationen ist

Op := {¬ , ∧ , ∨ , �, ⇔, <≠>}.

Klammer Außerdem brauchen wir ein Paar Klammern (parenthesis):

Kl := {(, )}.

Definition 2.1Alphabet derAussagenlogik

2.1.3 Syntax der Aussagenlogik

Die Sprache A der Aussagenlogik ist eine Menge von Wörtern aus Zeichen desAlphabets Al. Die Wörter bezeichnen wir mit kursiven Großbuchstaben: A, B,... Wirmüssen nun die Syntax dieser Sprache, d.h. die Anordnung der Zeichen in den Wör-tern, definieren - und zwar so genau, dass wir bei jedem Wort A aus Zeichen von Al ent-scheiden können, ob

A ∈ A oder A ∉ A

Induktion gilt. Dazu wenden wir die Methode der induktiven Definition an, die mit Rekursion(→ 1.9.1) verwandt und genauso wichtig ist, aber umgekehrt vorgeht. Die Idee bei derInduktion ist, ein Problem zu lösen, indem man

� einfache, nicht weiter zerlegbare Teilprobleme löst;

� die Lösungen von aus Teilproblemen zusammengesetzten Problemen konstruiert,indem man sie aus Lösungen der schon gelösten Teilprobleme zusammensetzt.

Begriff Gesprochen LogikSchalt-algebra

Programmiersprachen

Pascal* Eiffel C*

Negation nicht A¬A∼ A

A NOT A~A

not A !A

Konjunktion A und B A ∧ BA ∗ B

ABA AND B

A & BA and B A && B

DisjunktionAdjunktion

A oder B A ∨ B A + B A OR B A or B A || B

ImplikationSubjunktion

aus A folgt Bwenn A dann BA impliziert B

A � BA → B

NOT A OR B~A OR B

A implies B !A || B

ÄquivalenzBijunktion

A genau dann, wenn BA äquivalent zu B

A ⇔ BA ↔ B

A = B A = B A == B

Antivalenzexklusives Oder

entweder A oder BA antivalent zu B

A <≠> Ba A XOR B A # B A /= B A != B

a Das korrekte Symbol, der durchgestrichene Äquivalenzdoppelpfeil, fehlt im Zeichensatz.

Das Alphabet der Aussagenlogik ist die Vereinigung der vier paarweise disjunktenMengen:

Al := lB ∪ Va ∪ Op ∪ Kl.

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2 - 6 2 Logik

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Syntaxregel Eine induktive Definition der Syntax einer Sprache ist eine Anleitung zum Konstruie-ren der Wörter der Sprache, ein so genannter Kalkül, der aus einer Reihe von Syntax-regeln besteht. Viele Konstrukte von Programmiersprachen wie Ausdrücke, Anweisun-gen, Datentypen und Klassen sind induktiv definiert.

Definition 2.2Aussagenkalkül,AussagenlogischerAusdruck

Regel (3) entnehmen wir, dass die Negation eine einstellige Operation ist, die anderenOperationen sind zweistellig.

A, B,... sind Variablen der Menge A, daher ist {A, B,...} /⊆ A. „A“, „B“,... sind Namen für Aus-sagen. a, b,... sind Konstanten von A, die Variablen(namen) heißen, d.h. {a, b,...} ⊆ A.„a“, „b“,... sind Namen für so genannte Aussagevariablen.

Beispiele Nach den Syntaxregeln können wir Aussagen konstruieren - man sagt: aus dem Aussa-genkalkül ableiten -, z.B.:

0, 1, a, b, c,.., ¬a, ¬ b, ¬ c,..,

(a ∧ b), (a ∨ b), (a � b), (a ⇔ b), (a <≠> b), (¬ a ∧ b), (a ∨ ¬ b), (¬ a � ¬ b),..,

(a ⇔ 0), (b <≠> ¬c),.., (¬ a ⇔ (b � ¬ c)),..,

((a ∧ b) � (a ∨ b)), ((a � b) ∧ (a ⇔ b)),

((a � ¬ b) ∨ (¬ c ∧ d)), ((a ∨ ¬ b) ⇔ (¬ c � ¬ 1)),

((a ⇔ c) <≠> (b <≠> ¬¬ 1)), ¬ (¬ (a <≠> 0) � ¬ (¬a ∧ b)).

Jede Aussage kann Teilausdruck anderer, zusammengesetzter Aussagen sein. Das isteine bemerkenswerte Eigenschaft, deren Analogon uns von arithmetischen und Men-genausdrücken bekannt ist: Ersetzt man in einem Ausdruck einen Teilausdruck durcheinen anderen Ausdruck, so erhält man wieder einen Ausdruck. Die Großbuchstaben A,B,... sind Namen für so gebildete Ausdrücke, z.B.

A = 0,

B = (a ∧ b),

C = ((a � ¬ b) ∨ (¬ c ∧ d)),

D = ((A ∨ B) ∧ C) = ((0 ∨ (a ∧ b)) ∧ ((a � ¬ b) ∨ (¬c ∧ d))).

Diese Aussagen sind freilich inhaltsleer. Wir können sie mit Inhalt füllen, indem wirdie Variablen wie auf S. 4 skizziert durch mathematische, z.B. mengentheoretischeAussagen (streng genommen Aussageformen) wie x ∈ M, M ≠ N, M ⊆ N oder arithme-

tische Aussagen wie y ≤ x2 + 1 ersetzen. So erhalten wir Aussagen wie

Die Syntax von A ist durch folgende induktive Regeln bestimmt, d.h. genau die Wör-ter gehören zu A, die durch endlichmaliges Anwenden der Regeln (1) bis (3) bildbarsind:

(1) Die Konstanten sind Wörter von A:

lB ⊆ A.

(2) Die Variablen sind Wörter von A:

Va ⊆ A.

(3) Aus schon in A enthaltenen Wörtern A, B werden mit den Operationen undKlammern neue Wörter von A gebildet: Sind A, B ∈ A, dann sind auch

¬A, (A ∧ B), (A ∨ B), (A � B), (A ⇔ B), (A <≠> B) ∈ A.

A, B heißen Operanden.

Ein Wort A ∈ A heißt Aussage oder aussagenlogischer Ausdruck (aussagenlogi-sche Formel, boolescher Ausdruck, propositional expression, formula). Konstantenund Variablen heißen auch atomare Aussagen (Atom), die nach Regel (3) gebildetenAussagen heißen zusammengesetzt. Die Operanden zusammengesetzter Aussagenheißen auch Teilausdrücke (subexpression).

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2.1 Aussagenlogik 2 - 7

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(((x ∈ M ∧ M ≠ N) ∨ (M ⊆ N)) � y ≤ x2 + 1).

Legen wir nun noch die Bedeutung der logischen Operationen fest, sind wir am Ziel.Zuvor müssen wir sicherstellen, dass wir Aussagen eindeutig in die Operanden undOperationen zerlegen können, aus denen sie gebildet wurden. Das ist weniger trivial alses scheint! Beispielsweise lässt sich aus dem Alphabet {|, ||} das Wort ||| bilden und aufdie drei Arten | + | + |, | + ||, || + | zerlegen.

Satz 2.3Eindeutigkeit derSyntaxdefinition

Der Satz beruht darauf, dass sich kein Zeichen von Al aus anderen Zeichen von Alzusammensetzt und zusammengesetzte Aussagen ordentlich geklammert sind. OhneKlammern wäre z.B. die Aussage ¬ a ∧ b nicht eindeutig zerlegbar: sie könnte sowohlvon der Form ¬A als auch von der Form A ∧ B sein.

2.1.4 Semantik der Aussagenlogik

Die Semantik der Aussagenlogik ordnet den Wörtern der Sprache, also den AussagenA ∈ A, eine Bedeutung zu. Hier kommen

� die Bedeutungen der Operationen � ∈ Op,

� die Bindungen der Variablen α ∈ Va, und

� die möglichen Interpretationen I : A → lB, A |→ I(A) der Aussagen

ins Spiel. Eine Bedeutung oder Interpretation einer Aussage ist ihr Wahrheitswert. Wieaber sollen wir für jede der unendlich vielen Aussagen A ∈ A einen Wahrheitswert fest-legen? Satz 2.3 erlaubt uns, die Operationen und die Interpretationen jeweils induktivüber den Aufbau der Aussagen - also entlang der Syntaxregeln - zu definieren. Wirüben also induktives Definieren.

2.1.4.1 Operationen

Wir definieren zunächst die logischen Operationen auf der Menge der Konstanten.Dann erweitern wir die Definition auf Variablen und zusammengesetzte Aussagen.

(1) Konstanten

lB = {0, 1} wird zu einer algebraischen Struktur �lB, ¬ , ∧ , ∨ , �, ⇔, <≠>�, indemwir die einstellige Operation ¬ und die zweistelligen Operationen ∧ , ∨ , �, ⇔,<≠> durch Verknüpfungstabellen, hier Wahrheitstabellen genannt, definieren.

Tabelle 2.5Wahrheitstabellen derlogischen Operationen

� Mit den Wahrheitstabellen ist das Wesentliche geleistet - sie sind das kleine Einmaleinsder Aussagenlogik, der Rest ist Formalisieren der folgenden Idee.

Jede Aussage ist entweder eine Konstante oder eine Variable oder von genau einerder Formen

¬A, (A ∧ B), (A ∨ B), (A � B), (A ⇔ B), (A <≠> B) ∈ A.

A 0 1∧

B∨

B

¬A 1 0 0 1 0 1

A0 0 0

A0 0 1

1 0 1 1 1 1

�B

⇔B

<≠>B

0 1 0 1 0 1

A0 1 1

A0 1 0

A0 0 1

1 0 1 1 0 1 1 1 0

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2 - 8 2 Logik

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(2) und (3) Variablen und zusammengesetzte Aussagen

Die Wahrheitstabellen zeigen nicht nur, wie die Operationen auf die Konstanten0 und 1, sondern auch auf Variablen A = α, B = β ∈ Va und andere AussagenA, B ∈ A anzuwenden sind. Wegen Va ⊆ A ist jede Variable auch eine Aussage,sodass es genügt, beliebige Aussagen zu betrachten. Jede Aussage kann einender Werte 0, 1 annehmen. Bei einer Aussage gibt es 2 mögliche Werte, bei zweiAussagen 2 ∗ 2 = 4 mögliche Wertepaare (so genannte Belegungen oder Inter-pretationen). Die Anwendung einer Operation auf Operanden ist durch ihreAnwendung auf alle möglichen Belegungen der Operanden definiert. Das Ergeb-nis einer Operation ist wieder einer der Werte 0, 1. Abstrahieren wir von denWerten, so erscheinen Aussagen als Gebilde mit möglichen, unbestimmten Wer-ten in lB.

Die eilige, an Formalismen weniger interessierte LeserIn überspringt die folgenden Ausführun-gen bis 2.1.5.

2.1.4.2 Bindung

Auf S. 1-24 und S. 4 haben wir Bindungen von Variablennamen an Wertebereicheerklärt. Hier definieren wir die Bindung von Aussagen:

bind(A) := lB für jedes A ∈ A.

Unter der Bindung tauscht eine Aussage ihre Rollen. Während A ∈ A ein Wort aus Zei-chen von Al ist, ist A ∈ lB ein Gebilde, das einen Wert aus lB annimmt. Für die Kon-stanten 0 und 1 ist das trivial, für Variablen a, b, c,... stimmt es mit dem auf S. 4 Gesag-ten überein.

Typbindung In (typisierten) Programmiersprachen spricht man von der Typbindung von Ausdrük-ken: Jeder Ausdruck ist an einen Typ gebunden, der bestimmt ist durch die Typen derVariablen und die Operationen, die in dem Ausdruck vorkommen. AussagenlogischeAusdrücke bilden einen Spezialfall, in dem nur der Typ lB vorkommt. Den allgemeinenFall erhalten wir, wenn wir die logischen Variablen durch mathematische Aussagenersetzen, d.h. durch Ausdrücke, in denen z.B. Zahlenvariablen vorkommen.

2.1.4.3 Belegungen und InterpretationenDefinition 2.4Belegung

Nun interessieren nicht die Werte beliebiger Variablen, sondern nur derjenigen, die inder gerade vorliegenden Aussage vorkommen. Die Abbildung

Variablen einerAussage

A → P(Va), A |→ VA,

die jeder Aussage A ∈ A die Menge VA der in A vorkommenden Variablen zuordnet,ist induktiv so definiert:

(1) Konstanten

V0 := V1 := ∅ .

(2) Variablen

Für α ∈ Va ist Vα := {α}.

(3) zusammengesetzte Aussagen

Für A, B ∈ A und � ∈ {∧ , ∨ , �, ⇔, <≠>} ist

V¬ A := VA und VA�B := VA ∪ VB.

Eine Belegung zu einer Variablenmenge V ⊆ Va ist eine Abbildung

beleg : V → lB,

die jedem Variablennamen α ∈ V einen Wahrheitswert beleg(α) ∈ lB zuordnet.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 9

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Wegen der induktiven Konstruktion von A ist VA stets endlich.

Sei B ⊆ A eine Teilmenge von Aussagen. Die Menge der in allen A ∈ B vorkommen-den Variablen ist

VB := .

Eine Belegung

belegB : VB → lB

heißt passend zu B. Für B = {A} heißt belegA := belegB passend zu A.

Für A ∈ A ordnet belegA jeder in A vorkommenden Variablen einen Wahrheitswert zu.

Untersuchen wir belegA:

(1) Konstanten

Ist A = 0 oder A = 1, so ist VA = ∅ und es gibt nur die leere Belegung

beleg0 := beleg1 := ∅ .

(2) Variablen

Ist A = α ∈ Va, so gibt es zwei Belegungen

belegα0(α) := 0 und belegα1(α) := 1.

(3) zusammengesetzte Aussagen

Mit n in A vorkommenden Variablen gibt es 2n verschiedene Belegungen zu A.

Für B ⊆ A sei

AB := {B ∈ A | VB ⊆ VB}

die Menge aller Aussagen, die mit den Variablen, die in wenigstens einem A ∈ B vor-kommen, konstruierbar sind.

Definition 2.5Interpretation

Klammern Untersuchen wir die Rolle der Klammern in dieser Definition: Wie aus der Arithmetikgewohnt steuern die Klammern die Reihenfolge der Interpretation. Die Aussagen wer-den von innen nach außen interpretiert. Außerdem gilt die Vorrangregel einstelligeOperationen vor zweistelligen, d.h. z.B. in (¬ A ∧ B) wird erst A interpretiert, dannnegiert und B interpretiert, dann ¬ A und B konjunktiv verknüpft.

VAA B∈∪

Ist beleg = belegB eine zu B ⊆ A passende Belegung, so ist die Interpretation(Bewertungsfunktion) I = Ibeleg von B zu beleg die Abbildung

I : AB → lB,

die induktiv so definiert ist:

(1) Konstanten

I|lB := idlB,

d.h. I(0) := 0 und I(1) := 1.

(2) Variablen

I|VB := beleg,

d.h. für α ∈ VB ist I(α) := beleg(α).

(3) zusammengesetzte Aussagen

Für A, B ∈ AB und � ∈ {∧ , ∨ ,�, ⇔, <≠>} ist

I(¬ A) := ¬I(A) und I((A � B)) := (I(A) � I(B)).

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2 - 10 2 Logik

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Eine Interpretation ordnet also Aussagen Wahrheitswerte zu. Eine Konstante wirddurch sich selbst interpretiert, eine Variable durch ihre Belegung. Eine zusammenge-setzte Aussage wird interpretiert, indem alle in ihr vorkommenden Variablen belegtwerden und der Ausdruck der Klammerung folgend von innen nach außen mittels derWahrheitstabellen berechnet wird.

Auswertung In Programmiersprachen spricht man von der Auswertung (evaluation) von Ausdrük-ken: Jeder Ausdruck hat (zur Laufzeit des Programms) einen Wert aus dem Wertebe-reich seines Typs (der durch die Typbindung bestimmt ist). Dieser Wert wird durch dieAusführung des Programms ermittelt, indem die vorkommenden Operationen auf dieWerte der Operanden (Konstanten, Variablen, Teilausdrücke) angewendet werden.

2.1.5 Erläuterungen

Das Interpretieren von Aussagen lässt sich so auffassen: Die Interpretation atomarerAussagen in A ist klar. Für schon in A enthaltene Aussagen A, B sei die Interpretationschon festgelegt, d.h. I(A) und I(B) sind definiert. Nun ist die Interpretation der neuen,mit den Operationen und Klammern gebildeten Aussagen von A zu definieren, also

I(¬ A), I((A ∧ B)), I((A ∨ B)), I((A� B)), I((A ⇔ B)), I((A <≠> B)).

Alle Interpretationen stehen in der zusammengefassten Wahrheitstabelle. In der Kopf-zeile stehen die Argumente eines I, in den Zeilen darunter die möglichen Belegungs-und Interpretationswerte. Links stehen die Operanden (Eingangsgrößen) A, B mit ihrenBelegungen, rechts davon die zusammengesetzten Aussagen (Ausgangsgrößen) mitihren Interpretationen.

Tabelle 2.6ZusammengefassteWahrheitstabelle

Die Definitionen der logischen Operationen sind so wichtig, dass wir sie auch verbalbeschreiben:

� Negation: ¬A (nicht A) ist genau dann wahr, wenn A falsch ist.

� Konjunktion: (A ∧ B) (A und B) ist genau dann wahr, wenn sowohl A als auch Bwahr sind.

� Disjunktion: (A ∨ B) (A oder B) ist genau dann falsch, wenn sowohl A als auch Bfalsch sind.

� Implikation: (A� B) (aus A folgt B, wenn A dann B, A impliziert B) ist genau dannfalsch, wenn A wahr und B falsch ist.

� Äquivalenz: (A ⇔ B) (A genau dann, wenn B; A äquivalent B) ist genau dann wahr,wenn A und B denselben Wahrheitswert haben.

� Antivalenz: (A <≠> B) (entweder A oder B, A antivalent B) ist genau dann wahr,wenn A und B verschiedene Wahrheitswerte haben.

Beispiel 2.1Interpretationen einerAussage mit derWahrheits-tabellenmethode

Wir zeigen eine allgemeine Vorgehensweise anhand eines Beispiels. Um die Aussage

(((a ∧ b)� (¬b ∨ c)) ⇔ 0)

zu interpretieren,

(1) zerlegen wir sie in ihre Variablen und Operanden,

(2) stellen eine Tabelle auf, in der jeder Variablen und jedem Operanden sowie derAussage selbst eine Spalte entspricht,

A ¬ A A B (A ∧ B) (A ∨ B) (A� B) (A ⇔ B) (A <≠> B)

0 1 0 0 0 0 1 1 0

1 0 0 1 0 1 1 0 1

1 0 0 1 0 0 1

1 1 1 1 1 1 0

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2.1 Aussagenlogik 2 - 11

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(3) belegen darin die Variablen mit allen möglichen Wertekombinationen, wobeijeder Belegung eine Zeile entspricht und wir systematisch vorgehen, um keineKombination zu vergessen (z.B. von rechts nach links erst 0, dann 1 ergibt dieBelegungen in lexikografischer Ordnung oder als Dualzahlen aufsteigend geord-net), und

(4) berechnen mittels Tabelle 2.5 oder Tabelle 2.6 sukzessive die Interpretationender Operanden und tragen sie ein -

fertig ist die Wahrheitstabelle, in deren letzter Spalte die Interpretationswerte der Aus-

sage stehen. Kommen in der Aussage n Variablen vor, so hat die Wahrheitstabelle 2n

Zeilen (unter der Kopfzeile).

Tabelle 2.7 Wahrheitstabelle zu einer Aussage

Für umfangreiche Aussagen empfiehlt sich eine platzsparende Tabellenvariante, bei derman auf die Zerlegung der Aussage verzichtet und die Werte direkt unter die Operan-den und Operationen der Aussage schreibt.

Tabelle 2.8KompakteWahrheitstabelle zueiner Aussage

Die Fußzeile nummeriert die Schritte, in denen die Spalten nacheinander auszufüllensind. Die Spalten mit den Eingangsvariablen erhalten die Schrittnummer 1; sie sindzuerst so zu füllen, dass die Zeilen alle Belegungen erfassen. Bei Spalten mit gleicherNummer ist die Reihenfolge des Ausfüllens beliebig. Die größte Schrittnummer kommtnur einmal vor, und zwar in der Spalte der zuletzt auszuführenden Operation. DieseSpalte enthält die Werte der Ausgangsgröße, der Aussage. �

Verallgemeinern wir das Beispiel: Ist A ∈ A eine Aussage, in der die Variablen a1,.., an

vorkommen, so hat ihre Wahrheitstabelle folgende Gestalt.

a b c ¬ b (a ∧ b) (¬b ∨ c) ((a ∧ b)� (¬b ∨ c)) (((a ∧ b)� (¬b ∨ c)) ⇔ 0)

0 0 0 1 0 1 1 0

0 0 1 1 0 1 1 0

0 1 0 0 0 0 1 0

0 1 1 0 0 1 1 0

1 0 0 1 0 1 1 0

1 0 1 1 0 1 1 0

1 1 0 0 1 0 0 1

1 1 1 0 1 1 1 0

(((a ∧ b) � (¬ b ∨ c)) ⇔ 0)

0 0 0 1 1 1 0 0 0

0 0 0 1 1 1 1 0 0

0 0 1 1 0 0 0 0 0

0 0 1 1 0 1 1 0 0

1 0 0 1 1 1 0 0 0

1 0 0 1 1 1 1 0 0

1 1 1 0 0 0 0 1 0

1 1 1 1 0 1 1 0 0

1 2 1 4 2 3 1 5 1

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2 - 12 2 Logik

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Tabelle 2.9AllgemeineWahrheitstabelle

Im linken Teil stehen die Belegungen der Variablen, ganz rechts die Interpretations-werte der Aussage. Dazwischen können Spalten für Teilausdrücke stehen.

Wahrheits-tabellenmethode

Die Wahrheitstabellenmethode lässt sich zu einem Algorithmus verfeinern, der Inter-

pretationswerte von Aussagen berechnet. Da die Funktion n |→ 2n aber sehr schnell -exponentiell - wächst, wächst der Rechenaufwand mit n so extrem, dass er Höchstlei-stungsrechner überfordert.

Wahrheits-feldermethode

Eine grafische Methode zum Bestimmen der Interpretationswerte von Aussagen ist dieWahrheitsfeldermethode. Jeder Aussage A lässt sich nämlich die Menge

MA := {x | x ist eine Situation, in der A zutrifft}

zuordnen und durch ein Mengendiagramm darstellen, das Wahrheitsfeld heißt. Wirordnen den Variablen a1,.., an Wahrheitsfelder ,.., zu, die sich nach allen

Möglichkeiten schneiden. Für n = 3 gibt es 8, für n = 4 16 Möglichkeiten; daher ist dieMethode nur für n ≤ 3 handhabbar. Die Mengen MA sind induktiv über den Aufbau von

Aussagen definiert:

M0 := ∅ ,

M1 := G (Grundmenge),

M¬ A := MA,

M(A∧ B) := MA ∩ MB,

M(A∨ B) := MA ∪ MB,

M(A�B) := MA ∪ MB,

M(A⇔B) := (MA ∩ MB) ∪ (MA ∩ MB),

M(A<≠>B) := MA ∆ MB.

Wir markieren sie im Wahrheitsfeld durch einen Punkt �. Hat die Aussage mehr alsdrei Variablen oder ist sie komplex, so gibt es zwei Wege:

(1) Falls möglich, zerlegen wir die Aussage in Teilausdrücke, die konjunktiv ver-knüpft die Aussage ergeben. Jedem Teilausdruck sowie der Aussage ordnen wirein Wahrheitsfeld zu. Wir markieren die Wahrheitsfelder der Teilausdrücke. ImWahrheitsfeld der Aussage markieren wir diejenigen Mengen, die in allen Wahr-heitsfeldern der Teilausdrücke markiert sind.

(2) Wir ordnen der Aussage einen Mengenausdruck zu, den wir nach seiner indukti-ven Definition und den Regeln der Mengenalgebra vereinfachen, bis Weg (1)gangbar ist oder die Lösung vorliegt.

a1 a2 ... an−1 an A

beleg1 0 0 ... 0 0

Spalten fürTeilausdrücke von

A

I1(A)

beleg2 0 0 ... 0 1 I2(A)

... ... ... ... ... ... ...beleg 1 1 ... 1 0 I (A)

beleg 1 1 ... 1 1 I (A)

2n

1– 2n

1–

2n

2n

Ma1Man

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2.1 Aussagenlogik 2 - 13

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Beispiel 2.2Interpretationen einerAussage mit derWahrheitsfel-dermethode

Wir zeigen die Wahrheitsfeldermethode an der Aussage

(((a ∧ b)� (¬b ∨ c)) ⇔ 0)

von Beispiel 2.1. Da die Aussage komplex ist, wählen wir Weg (2), ordnen ihr denMengenausdruck

M(((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ⇔ 0)

zu und formen diesen um:

M(((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ⇔ 0) =

(M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ∩ M0) ∪ (M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ∩ M0) =

(M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ∩ ∅ ) ∪ (M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ∩ ∅ ) =

∅ ∪ (M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ∩ G) =

M((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) =

(M(a ∧ b) ∪ M(¬ b ∨ c))c =

M(a ∧ b) ∩ M(¬ b ∨ c),

bis ein Durchschnitt von Mengen einfacher Teilausdrücke vorliegt. Nun konstruierenwir die Wahrheitsfelder:

Bild 2.1Wahrheitsfelder

Dem Wahrheitsfeld der Aussage entnehmen wir, dass das markierte Feld der MengeM(a ∧ b ∧ ¬ c) entspricht, also der Aussage (a ∧ b ∧ ¬ c). Der kontrollierende Blick in die

Wahrheits-Tabelle 2.7 zeigt, dass die Aussage (((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ⇔ 0) nur für dieBelegung a = b = 1, c = 0 als wahr interpretiert wird. �

2.1.5.1 Aussagenlogische und umgangssprachliche OperationenExtensionalitätsprinzip In der Aussagenlogik gilt das Prinzip, dass der Wahrheitswert einer zusammengesetz-

ten Aussage durch die Wahrheitswerte ihrer Bestandteile und die Operationen festge-legt ist. Das entspricht der Arithmetik, wo der Wert eines Ausdrucks durch seineZusammensetzung aus Operationen und Operanden und deren Werte bestimmt ist -unabhängig davon, wo der Ausdruck steht (z.B. links oder rechts in einer Gleichung),wie man die Operationen interpretiert (z.B. Addition als horizontale oder vertikale Ver-schiebung), und was die Operanden bedeuten (z.B. €, $ oder km/h). Der Wert von arith-metischen und aussagenlogischen Ausdrücken ist neutral gegenüber Inhalten undAnwendungen.

Operationen, für die der Wahrheitswert zusammengesetzter Aussagen nur von denWahrheitswerten der Teilaussagen abhängt, nennt man extensional. Die aussagenlogi-schen Operationen sind also extensional definiert. Dagegen werden umgangssprachli-che Operationen - vor allem „und“ und „oder“, aber auch „wenn ... dann ...“ - oft nichtextensional benutzt. Zu welchen Missverständnissen das führen kann, zeigen folgendeBeispiele.

Und Der König stirbt und es ist Krieg.

Es ist Krieg und der König stirbt.

a

b c

M(a ∧ b)

a

b c

M(((a ∧ b)� (¬ b ∨ c)) ⇔ 0)

a

b c

M(¬ b ∨ c)

��� �

��

� � a

b c

M(¬ b ∨ c)

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2 - 14 2 Logik

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In der Aussagenlogik bedeuten beide Aussagen dasselbe, sie haben denselben Wahr-heitswert, da man bei der Konjunktion die Operanden vertauschen darf. In der Alltags-logik könnte man die erste Aussage so verstehen: Der König hat zu seinen LebzeitenFrieden bewahrt, doch nach seinem Tod brechen gewaltsame Konflikte auf. Dagegenkönnte man aus der zweiten Aussage herauslesen: Der König hat in einer Schlacht hel-denhaft gekämpft und fällt. Die Bedeutung solcher umgangssprachlicher Aussagenhängt von der Reihenfolge und der Bedeutung der Teilaussagen ab. Das umgangs-sprachliche Und wird inhaltsbezogen - intensional - benutzt, um einen Ursache-Wir-kungs-Zusammenhang zu suggerieren.

Oder Gold brennt gut oder Reutlingen liegt im Schwabenland.

Diese aussagenlogisch wahre Aussage erscheint im Alltag kaum sinnvoll, da die ersteTeilaussage sicher falsch ist und kein inhaltlicher Bezug zur zweiten Teilaussageerkennbar ist. Das umgangssprachliche Oder verknüpft oft nur inhaltlich zusammen-hängende Aussagen, die zudem sicher nicht falsch sind. Psychologische Aspekte wieder Grad des Wissens können mitspielen:

Ich weiß nicht, ob ich ins Kino gehe oder im Bett bleibe.

Sagt er

„Ich muss arbeiten oder gehe mit dir aus.“

wohl wissend, dass er nicht arbeiten muss, so schwindelt er sogar, um einer verbindli-chen Verabredung auszuweichen. Im Gegensatz dazu sind aussagenlogische Operatio-nen frei von subjektiven Einschätzungen und psychologischen Momenten.

Ich gehe ins Kino oder ich bleibe im Bett.

Hier wird das umgangssprachliche Oder als exklusives Oder für zukünftige Alternati-ven verwendet: Ich kann ja nicht gleichzeitig ins Kino gehen und im Bett bleiben, beideFälle schließen sich physisch gegenseitig aus. Genauso gut könnte ich sagen:

Ich gehe genau dann nicht ins Kino, wenn ich im Bett bleibe.

Dagegen ist das aussagenlogische Oder nicht exklusiv, es schließt stets den Fall, dassbeide Operanden logisch wahr sind, ein:

x ≥ 0 oder x ≤ 0, d.h.(x ≥ 0 ∨ x ≤ 0) bedeutet so viel wie x ist beliebig,

während

nicht x ≥ 0 genau dann, wenn x ≤ 0, d.h.(¬ x ≥ 0 ⇔ x ≤ 0) so viel wie x ≠ 0

bedeutet, also etwas Anderes!

Exklusives Oder Für das ausschließende Entweder-Oder hat die Aussagenlogik als eigene Operation dieAntivalenz oder das exklusive Oder. Die umgangssprachliche Aussage

entweder x ≥ 0 oder x < 0

schreibt sich aussagenlogisch als

(x ≥ 0 <≠> x < 0);

sie bedeutet in beiden Logiken, dass x beliebig ist.

Und oder Oder? Weitere Missverständnisse ergeben sich daraus, dass das umgangssprachliche Undauch im Sinne der Addition (1 und 1 ist 2), im Sinne des logischen Oder (Rauchen, Lär-men und Schwarzfahren verboten), oder im Sinne der Vereinigung benutzt wird. Wirsagen z.B.

StudentInnen sind Studenten und Studentinnen,

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2.1 Aussagenlogik 2 - 15

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da wir bei

StudentInnen sind Studenten oder Studentinnen

das exklusive Oder unterstellen; ohne jedoch

Jede StudentIn ist ein Student und eine Studentin

zu meinen, wohl aber

Jede StudentIn ist ein Student oder eine Studentin.

Drücken wir die Aussagen als Mengen aus:

Studenten ⊆ StudentInnen und Studentinnen ⊆ StudentInnen

oder

StudentInnen = Studenten ∪ Studentinnen= {x | x ∈ Studenten oder x ∈ Studentinnen},

so erkennen wir darin das logische Oder.

Um das umgangssprachliche Und vom logischen Und und vom exklusiven Oder zuunterscheiden, verwendet man gelegentlich „und/oder“:

Sie sollten in Mathe, Deutsch und/oder Englisch eine gute Note haben.

Wenn... dann... Das umgangssprachliche „Wenn... dann...“ meint oft eine zeitliche Reihenfolge:

Wenn sie kommt, dann gehen wir ins Kino.

Dagegen kennen aussagenlogische Ausdrücke keine Zeit, kein vorher oder nachher; siebeschreiben zeitlose Situationen, in denen zeitlose Beziehungen gelten. Dies gilt insbe-sondere für die Implikation, die mancher StudentIn Kopfzerbrechen bereitet.

Implikation Wenn heute Montag ist, dann ist morgen Sonntag.

In der Alltagslogik mögen wir diese Aussage mit falsch bewerten, wenn wir nur an dieReihenfolge der Wochentage denken, das „heute“ dabei vergessen und herauslesen:

Auf Montag folgt Sonntag.

Diese Aussage ist sicher falsch - aber nicht gleich der vorigen Aussage! Zur aussagen-logischen Analyse der Aussage digitalisieren wir die konstanten Wochentage:

{Montag, Dienstag,.., Sonntag} → {1, 2,.., 7},

wodurch wir die Reihenfolge der Wochentage festlegen, binden die Variablen heuteund morgen an die Wochentage:

heute, morgen ∈ {1, 2,.., 7},

definieren

morgen := heute modulo 7 + 1

(7 modulo 7 = 0, also folgt auf Sonntag Montag), ersetzen „wenn... dann...“ durch denImplikationspfeil und erhalten

heute = 1� morgen = 7 d.h.heute = 1� heute + 1 = 7 d.h.heute = 1� heute = 6.

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2 - 16 2 Logik

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Tabelle 2.10Wahrheitstabelle -Beispiel

Die Wahrheitstabelle zeigt, dass die Aussage meistens wahr ist, nur wenn heute Mon-tag ist, ist sie falsch! Die Implikation erlaubt, dass aus Falschem Falsches folgt - nuraus Wahrem darf nicht Falsches folgen. Betrachten wir die wundersame Brotvermeh-rung: Wenn 0 = 1 ist, mache ich aus einem Brot tausend Brote:

0 = 1� 1 = 1000.

Beweis. Aus 0 = 1 folgt 0 + 1 = 1 + 1, also 1 = 2 = 2 + 0 = 2 + 1 = 3 = 3 + 0 = 3 + 1 = ...= 1000 = ... = 1000000 = ..., d.h. alle Zahlen sind gleich, es gibt nur eine Zahl. �

Voraussetzung undSchlussfolgerung

Bei der Implikation A � B heißt A Voraussetzung (Prämisse), B Schlussfolgerung(Konklusion). Aus einer falschen Voraussetzung lässt sich Beliebiges schlussfolgern.

Hinreichend undnotwendig

In A� B heißt A auch eine hinreichende Bedingung oder kurz hinreichend für B undB eine notwendige Bedingung oder kurz notwendig für A. Eine durch 4 teilbare Zahlist notwendigerweise auch durch 2 teilbar:

Für beliebige n ∈ lN gilt:

4 teilt n� 2 teilt n.

Die Teilbarkeit durch 2 ist aber nicht hinreichend für die Teilbarkeit durch 4, sie reichtnicht aus:

Nicht für beliebige n ∈ lN, sondern nur für manche gilt:

2 teilt n� 4 teilt n.

Dass mit A � B nicht auch die umgekehrte (konverse) Aussage B � A gelten muss,unterschlägt mancher Demagoge:

� Wer gesund ist, ist auch arbeitsfähig. Deshalb sollen zwecks Verbesserung derVolksgesundheit alle arbeiten.

Fehlende Klammerung Mehrere Verknüpfungen führen besonders leicht zu Mehrdeutigkeiten:

Es ist nicht groß und stark.

Bedeutet das

(Es ist nicht groß) und (es ist stark),

oder

Es gilt nicht: (es ist groß und es ist stark)?

Also

Es ist nicht groß, aber stark,

oder

Es ist nicht sowohl groß als auch stark,

oder vielleicht sogar

Es ist weder groß noch stark?

heute heute = 1 heute = 6 heute = 1� heute = 6

1 1 0 0

2 0 0 1

3 0 0 1

4 0 0 1

5 0 0 1

6 0 1 1

7 0 0 1

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2.1 Aussagenlogik 2 - 17

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In exakten Wissenschaften wie Mathematik und Informatik sind solche Mehrdeutigkei-ten fehl am Platz. Hier hilft die Aussagenlogik mit ihren eindeutigen logischen Opera-tionen.

2.1.5.2 Klammerung und Vorrangregeln

Nach der in 2.1.3 gegebenen Syntaxdefinition sind Aussagen fast vollständig geklam-mert. Das vereinfacht die Syntaxdefinition, erschwert aber das Lesen von Aussagen,wie Beispiel 2.1 zeigt. Um Aussagen lesbarer zu machen, liberalisieren wir im Folgen-den die formal definierte Schreibweise von Aussagen etwas hinsichtlich der Klam-mern.

� Außenklammern lassen wir weg (wie oben schon geschehen), da sie für uns nichtwesentlich sind (wohl aber bei maschineller Verarbeitung, da sie Anfang und Endeeiner zusammengesetzten Aussage eindeutig markieren).

� Wie wir bald sehen sind die Konjunktion und die Disjunktion assoziativ, sodass wirz.B. für (A ∧ B) ∧ C kurz A ∧ B ∧ C schreiben können.

Vorrangregel Um weitere Klammern zu sparen kann man Vorrangregeln für die zweistelligen Opera-tionen vereinbaren (wie Punkt-vor-Strich in der Arithmetik), z.B. die Reihenfolge ¬ , ∧ ,∨ , �, ⇔, <≠> von starker zu schwacher Bindung. Andererseits - wer kann sich sechsPrioritätsstufen merken? Falls es sie gibt, sollte man im Zweifel lieber zu viel als zuwenig klammern. Wir beschränken uns deshalb auf die drei Stufen

Priorität ¬ , {∧ , ∨ ,�}, {⇔, <≠>}.

Damit hat ¬ die höchste Priorität (Bindungsstärke) und wird zuerst angewendet. ∧ , ∨ ,� haben gleiche Priorität und wir müssen klammern, wenn sie gemischt vorkommen.⇔, <≠> haben die niedrigste Priorität und werden zuletzt angewendet. Falls - was meistzutrifft - nur eine Operation davon einmal vorkommt, brauchen wir ihre Operandennicht zu klammern. Beispielsweise schreiben wir für die Aussage von Beispiel 2.1 statt

(((a ∧ b)� (¬b ∨ c)) ⇔ 0) kurz (a ∧ b)� (¬b ∨ c) ⇔ 0.

Diese Regeln sind pragmatisch und mit vielen Programmiersprachen verträglich,obwohl diese sehr verschiedene Vorrangregeln von vier bis über 15 Stufen kennen. Wirkönnten die Vorrangregeln in die induktive Syntaxdefinition einbauen, doch würdendie Syntaxregeln dadurch komplizierter, was wir hier vermeiden wollen. Mit solchenSyntaxfragen befassen wir uns ausführlich in Kapitel 7.

2.1.6 Aussagefunktionen

In 2.1.3 haben wir Aussagen A ∈ A syntaktisch als Ausdrücke aus Konstanten, Varia-blen, Operationen und Klammern eingeführt. Von einem anderen Standpunkt, der densemantischen Aspekt einschließt, betrachten wir die Operationen als Abbildungen

¬ : lB → lB, a |→ ¬ a,

∧ : lB2 → lB, (a, b) |→ a ∧ b,

∨ : lB2 → lB, (a, b) |→ a ∨ b,

� : lB2 → lB, (a, b) |→ a� b,

⇔ : lB2 → lB, (a, b) |→ a ⇔ b,

<≠> : lB2 → lB, (a, b) |→ a <≠> b,

also als Operationen auf lB im Sinne der Definition auf S. 1-22 und Definition 1.33 S.1-31. Mehrfaches Anwenden von Operationen führt zu zusammengesetzten Ausdrük-ken, z.B.

(a ∧ ¬ b)� c.

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2 - 18 2 Logik

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Schreiben wir dafür

A := A(a, b, c) := (a ∧ ¬ b)� c,

so erscheint die Aussage A als Aussagefunktion

A : lB3 → lB, (a, b, c) |→ A(a, b, c) := (a ∧ ¬ b)� c

mit den Argumenten a, b, c ∈ lB. Dies auf n ∈ lN0 Argumente verallgemeinernd erhal-

ten wir n-stellige Aussagefunktionen oder boolesche Funktionen

Aussagefunktion A : lBn → lB, (a1,.., an) |→ A(a1,.., an).

A = A(a1,.., an) beschreibt eine Aussage als Aussagefunktion der an lB gebundenen

Variablen a1,.., an. {a1,.., an} enthält alle in A = A(a1,.., an) vorkommenden Variablen,doch müssen nicht alle a1,.., an in A vorkommen. Erlaubt ist z.B.

A(a, b, c, d, e) := (a ∧ c)� (¬a ∨ e).

BelegungInterpretation

Setzt man für a1,.., an Werte aus lB = {0, 1} ein (d.h. belegt man die Variablen), so

erhält man den Wert A(beleg(a1),.., beleg(an)) von A für die Argumente beleg(a1),..,

beleg(an) (d.h. eine Interpretation I(A) von A). Mit obigem Beispiel ist etwa

A(1, 1, 0, 1, 0) = (1 ∧ 0)� (¬ 1 ∨ 0) = 0� (0 ∨ 0) = 0� 0 = 1.

Unter einer Belegung der Variablen a1,.., an ∈ lB verstehen wir also einen Wert

(x1,.., xn) ∈ lBn und unter der Interpretation der n-stelligen Aussagefunktion

A = A(a1,.., an) zur Belegung (x1,.., xn) den Funktionswert A(x1,.., xn). Damit sind die

Begriffe Belegung und Interpretation konsistent zu ihrer Bedeutung bei AussagenA ∈ A definiert.

Jede Aussage A ∈ A lässt sich als n-stellige Aussagefunktion auffassen. Es bezeichne

AFn := mit n ∈ lN0

die Menge der n-stelligen Aussagefunktionen,

AF :=

die Menge aller Aussagefunktionen. Die Relation

ρ := {(A, F) ∈ A ×AF | A lässt sich als F auffassen}

ist in keiner Richtung eindeutig, da es

� zu einer Aussage A ∈ A mit m Variablen beliebig viele „passende“ Aussagefunktio-nen F ∈ AF mit n ≥ m Variablen gibt (bei denen es auf n − m zusätzliche Variablen„nicht ankommt“);

� zu einer Aussagefunktion F ∈ AF beliebig viele „passende“, nämlich „logisch äqui-valente“ Aussagen gibt, wie wir in 2.1.8 und 2.1.11 sehen;

� bei den Aussagefunktionen F ∈ AF nicht auf die Namen der Variablen ankommt,z.B. F(a, b, c) und F(x, y, z) nicht unterscheidbar sind.

Der Vorbereich von AF zu ρ ist - wie wir gesehen haben - gleich A:

ρAF := {A ∈ A | es gibt ein F ∈ AF mit A ρ F} =A.

Der Nachbereich von A zu ρ ist zunächst eine Teilmenge von AF:

Aρ := {F ∈ AF | es gibt ein A ∈ A mit A ρ F} ⊆ AF.

BBn( )

AFnn N0∈∪ B

Bn( )

n N0∈∪=

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2.1 Aussagenlogik 2 - 19

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Dass auch die umgekehrte Inklusion und damit Gleichheit gilt, also beide Auffassun-gen von Aussagen „im Wesentlichen“ übereinstimmen, zeigt sich in Korollar 2.40.

Schaltfunktion Aussagefunktionen sind diskrete Funktionen, d.h. sie haben einen endlichen Definiti-

onsbereich (mit 2n Elementen) und einen endlichen Wertebereich (mit 2 Elementen).Daher lässt sich jede Aussagefunktion durch eine Wertetabelle, d.h. Wahrheitstabelledarstellen oder definieren (→ Tabelle 1.5 S. 1-21) und als digitales Schaltnetz realisie-ren (→ Bild 1.11 S. 1-25, Bild 1.18 S. 1-34). In der Digitaltechnik heißen Aussagefunk-tionen daher auch Schaltfunktionen.

Tabelle 2.11Wahrheitstabelle einerdreistelligenAussagefunktion

Spezifikation undImplementation

Die Darstellung einer Aussagefunktion durch eine Wahrheitstabelle liegt eine Abstrak-tionsebene höher als die Darstellung durch einen aussagenlogischen Ausdruck, da dieWahrheitstabelle nur festlegt, was die Funktion berechnet, während der Ausdruck auchfestlegt, wie das Was zu berechnen ist. Die Wahrheitstabelle entspricht einer Spezifika-tion oder einer Black-Box, die das Ein-/Ausgabe-Verhalten bestimmt. Der Ausdruckentspricht einer Implementation oder einem digitalen Schaltnetz, das sich in der Black-Box verbirgt.

Bild 2.2Beziehungen zwischenAussagefunktionen,Wahrheitstabellen undAussagen

Prinzip derfunktionalenAbstraktion

Man kann Aussagefunktionen abstrakt betrachten, ohne über konkrete Details von Aus-drücken oder Schaltnetzen nachdenken zu müssen. Durch funktionale Abstraktionlösen sich wesentliche semantische Ideen von syntaktischen oder technischen Formen.

2.1.7 Eigenschaften von Aussagen

Wir definieren jetzt Eigenschaften von Aussagen. Indem wir Aussagen über Aussagenformulieren, betreten wir eine Metaebene. Da gilt es aufzupassen, um die Ebene derAussagen nicht mit der Metaebene der Aussagen über Aussagen zu verwechseln.

Die folgenden Eigenschaften lassen sich nicht nur für Aussagen A ∈ A, sondern gleichermaßenfür Aussagefunktionen F ∈ AF formulieren. Der Einfachheit halber verzichten wir darauf.

a b c A = A(a, b, c)

0 0 0 1

0 0 1 0

0 1 0 0

0 1 1 1

1 0 0 1

1 0 1 0

1 1 0 0

1 1 1 0

Aussagefunktion

definiert

Wahrheitstabelle

implementiert

Aussage

spezifiziert/interpretiertSpezifikation

Implementation

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2 - 20 2 Logik

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Definition 2.6AllgemeingültigkeitErfüllbarkeit

Eine Aussage ist genau dann allgemeingültig, wenn in ihrer Spalte in der Wahrheitsta-belle nur 1en vorkommen. Eine Aussage ist genau dann erfüllbar, wenn in ihrer Spaltein der Wahrheitstabelle wenigstens eine 1 vorkommt. Jede allgemeingültige Aussageist erfüllbar. Eine Aussage ist genau dann widersprüchlich, wenn in ihrer Spalte in derWahrheitstabelle nur 0en vorkommen.

Bild 2.3Klassifikation vonAussagen

Jede der drei Eigenschaften lässt sich mittels jeder anderen ausdrücken.

Korollar 2.7

Allgemeingültige Aussagen heißen auch Sätze. Mathematische Sätze sind allgemein-gültig. Die Erfüllbarkeit von Aussagen findet ein Analogon in der Lösbarkeit arithmeti-scher Gleichungen. Beispielsweise ist die Gleichung 2x + 3 = 0 lösbar, da sie für dieLösung x = −3/2 wahr ist. Unlösbare Gleichungen entsprechen widersprüchlichen Aus-sagen. Freilich sind diese nicht allgemein interessant.

Ersetzungsregel Durch Anwenden von Ersetzungsregeln lassen sich Aussagen umformen, ohne dass sieihre Eigenschaften verlieren. Aus einer allgemeingültigen Aussage A erhält man eineweitere allgemeingültige Aussage As, indem man jedes Vorkommen der Variablen a inA durch eine beliebige Aussage B ersetzt. Um diese und weitere wichtige Ersetzungsre-geln zu formalisieren, schreiben wir Aussagen als Aussagefunktionen.

Eine Aussage A ∈ A heißt

allgemeingültig oder Tautologie (gültig, tautologisch), wenn sie für jede Interpreta-tion (d.h. im Fall einer nicht konstanten Aussage: für jede Belegung ihrer Variablen)wahr ist;

erfüllbar, wenn sie für mindestens eine Interpretation wahr ist;

widersprüchlich oder Widerspruch (widerspruchsvoll, unerfüllbar, kontradikto-risch, Kontradiktion), wenn sie für keine Interpretation wahr ist.

Aussage

allgemeingültige

erfüllbare

Mengendiagramm Klassendiagramm

widersprüchlicheAussage Aussage

Aussage

allgemeingültig

erfüllbar

widersprüchlich

Für Aussagen A ∈ A gilt:

(1) A ist allgemeingültig genau dann, wenn ¬ A widersprüchlich ist.

(2) A ist allgemeingültig genau dann, wenn ¬ A nicht erfüllbar ist.

(3) A ist erfüllbar genau dann, wenn ¬ A nicht allgemeingültig ist.

(4) A ist erfüllbar genau dann, wenn A nicht widersprüchlich ist.

(5) A ist widersprüchlich genau dann, wenn A nicht erfüllbar ist.

(6) A ist widersprüchlich genau dann, wenn ¬ A allgemeingültig ist.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 21

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Satz 2.8Substitution einerVariablen in einerTautologie durch einenAusdruck

Beispiel Mit A = a ∨ ¬ a, B = b� c ergibt sich As = B ∨ ¬ B = (b� c) ∨ ¬ (b� c) . Nach Satz2.14 (1) ist A allgemeingültig, also nach Satz 2.8 auch As.

Definition 2.9Logische Äquivalenz

„≡“ ist ein Symbol der Metaebene. A ≡ B gilt genau dann, wenn A ⇔ B für jede Inter-pretation wahr ist, also genau dann, wenn A und B für jede Interpretation denselbenWert haben. Mit anderen Worten: A und B sind genau dann logisch äquivalent, wennihre Spalten in der Wahrheitstabelle übereinstimmen, sie also dieselbe Aussagefunktiondefinieren. Dagegen können A und B in A ⇔ B auch verschiedene Werte haben, d.h.A ⇔ B kann falsch sein. Wenn in mathematischen Sätzen trotzdem oft „⇔“ anstellevon „≡“ steht, dann ist damit gemeint, dass diese Äquivalenz allgemeingültig ist. Soschreiben wir z.B. (→ Korollar 1.3 S. 1-2):

Für beliebige Mengen M, N gilt: M = N ⇔ N = M.

DefinierendeÄquivalenz

Das Symbol „:⇔“ liest sich „gilt definitionsgemäß genau dann wenn“, es bedeutet defi-nierende Äquivalenz: In

A :⇔ B

definiert die rechte, bekannte Seite B die linke, neue Seite A. „:⇔“ ist auch ein Symbolder Metaebene, und da hier A, B stets beide wahr oder beide falsch sind, könnte(sollte?) man im Einklang mit Definition 2.9

A :≡ B

schreiben.

Korollar 2.10

Die zweite Ersetzungsregel dient dazu, aus logisch äquivalenten Aussagen weiterelogisch äquivalente Aussagen zu gewinnen.

Satz 2.11Substitution einerVariablen inäquivalenten Aussagendurch einen Ausdruck

Beispiel Aus A = a ∧ b ≡ b ∧ a = B (→ Satz 2.17 (5)) und C = c ∨ d folgta ∧ (c ∨ d) ≡ (c ∨ d) ∧ a.

Ist

A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN

eine allgemeingültige, B eine beliebige Aussage, und i ∈ {1,.., n}, so ist

As = A(a1,.., ai−1, B, ai+1,.., an)

eine allgemeingültige Aussage.

Zwei Aussagen A, B ∈ A heißen logisch (semantisch) äquivalent, wenn die Äquiva-lenz A ⇔ B allgemeingültig ist:

A ≡ B :⇔ A ⇔ B ist allgemeingültig.

Für Aussagen A, B ∈ A gilt:

(1) A ist allgemeingültig genau dann, wenn A ≡ 1.

(2) A ist widersprüchlich genau dann, wenn A ≡ 0.

(3) A ≡ B genau dann, wenn ¬ A ≡ ¬B.

Sind A = A(a1,.., an) und B = B(a1,.., an) mit n ∈ lN logisch äquivalente Aussagen, C

eine beliebige Aussage, und i ∈ {1,.., n}, so sind A(a1,.., ai−1, C, ai+1,.., an) und

B(a1,.., ai−1, C, ai+1,.., an) logisch äquivalent, d.h.

aus A ≡ B folgt A(a1,.., ai−1, C, ai+1,.., an) ≡ B(a1,.., ai−1, C, ai+1,.., an).

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2 - 22 2 Logik

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Die dritte Ersetzungsregel ermöglicht es, aus einer Aussage durch Ersetzen von Teil-ausdrücken durch äquivalente Ausdrücke äquivalente Aussagen zu erhalten. Dabeibedeute A = A(.., B,..), dass B ein in A (möglicherweise mehrfach) vorkommender Teil-ausdruck ist und A(.., B |→ C,..) die Aussage, die aus A durch Ersetzen von beliebig vie-len Vorkommen von B durch C entsteht.

Satz 2.12Substitution einesTeilausdrucks durcheinen äquivalentenAusdruck

Beispiel Aus A = (a ∧ (b ∨ c))� ((b ∨ c) ∧ d) und B = b ∨ c ≡ c ∨ b = C (→ Satz 2.17 (5)) folgtA ≡ (a ∧ (c ∨ b))� ((c ∨ b) ∧ d).

Die drei Ersetzungsregeln sowie die in Korollar 2.22 (1), (2), (3) gezeigte Reflexivität,Symmetrie und Transitivität der logischen Äquivalenz sind beim Beweisen der folgen-den Rechenregeln nützlich.

2.1.8 Aussagenlogische Rechenregeln

Die Algebra der Aussagenlogik befasst sich mit Rechenregeln aussagenlogischer Ope-rationen. Die folgenden Rechenregeln sind allgemeingültig und enthalten logisch äqui-valente Aussagen. Logische Äquivalenzen A ≡ B sind wichtig, da A nach Satz 2.12überall, wo es vorkommt, durch B ersetzbar ist.

Die Darstellung vereinfachen wir verglichen mit einem streng formalen Aufbau der Aussagen-logik: Während man dort z.B. zwischen Subjunktion, Implikation, syntaktischer und semanti-scher Folgerungsbeziehung und Konklusion unterscheidet, fassen wir all dies in der Implikationzusammen.

Man kann die Regeln auf zwei Arten beweisen:

� direkt durch Aufstellen von Wahrheitstabellen, was immer funktioniert, aber inFleißarbeit ausarten kann;

� algebraisch durch Anwenden schon bewiesener Regeln, was von recht einfach bisziemlich schwierig sein kann.

Satz 2.13Negation

Satz 2.14Negation, Konjunktionund Disjunktion

Exkurs. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist wesentlich für die zweiwertige Logik, diein Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik sehr nützlich ist. Dennoch ist ihrAnwendungsbereich begrenzt, etwa in Alltag, Psychologie, Politik ist sie unangemessen. Es istz.B. unvernünftig, die Menschheit in „Gute“ und „Böse“, „Willige“ und „Unwillige“, „Gottes-fürchtige“ und „Schurken“ einzuteilen.

Leitlinie 2.1Binäre Logik

Sind A, B, C Aussagen, B ein Teilausdruck von A, B logisch äquivalent zu C, und As

die Aussage, die aus A durch Ersetzen von beliebig vielen Vorkommen von B durch Centsteht, so ist A logisch äquivalent zu As, d.h.

aus B ≡ C folgt A(.., B,..) ≡ A(.., B |→ C,..).

Für eine beliebige Aussage A gilt:

¬¬ A ≡ A. doppelte Negation, Involution

Für beliebige Aussagen A, B gilt:

(1) A ∨ ¬ A. ausgeschlossenes Drittes, tertium non datur

(2) ¬ (A ∧ ¬ A). ausgeschlossener Widerspruch

(3) ¬ (A ∧ B) ≡ ¬A ∨ ¬ B. Regeln von de Morgan¬ (A ∨ B) ≡ ¬A ∧ ¬ B.

Verwende die binäre Logik nur in angemessenen Situationen sinnvoll zu humanenZwecken!

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2.1 Aussagenlogik 2 - 23

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgrund der Sätze von de Morgan lässt sich die Konjunktion mittels Negation undDisjunktion, die Disjunktion mittels Negation und Konjunktion ausdrücken.

Definition 2.15Duale Aussage

A∗ entsteht aus A durch Negieren jeder Variablen, und umgekehrt.

Beispiel Beispielsweise sind

(A ∧ ¬ B) ∨ (C ∧ 0),

(¬ A ∨ B) ∧ (¬ C ∨ 1)

strikt dual zueinander,

(A ∧ ¬ B) ∨ (C ∧ 0),

(A ∨ ¬ B) ∧ (C ∨ 1)

sind dual zueinander.

Aus Satz 2.19 (1) bzw. (7), Satz 2.21 (7) bzw. (8) und Satz 2.23 (8) bzw. (9) folgt, dasses zu jeder Aussage eine logisch äquivalente Aussage gibt, in der nur ¬ , ∧ und ∨ vor-kommen. Die Voraussetzung von Definition 2.15 und des folgenden Dualitätstheoremsschränkt daher nicht echt ein.

Theorem 2.16Dualitätstheorem derAussagenlogik

Beweis. (1) Sei A wie vorausgesetzt. Mit Satz 2.13 und der Symmetrie von ≡ giltA ≡ ¬¬ A. Durch wiederholtes Anwenden der Regeln von de Morgan Satz 2.14 (3) undder Ersetzungsregel Satz 2.12 wandert ¬ nach innen vor die Atome und ∧ und ∨ tau-schen sich aus. (Ein ausführlicher Beweis verfährt induktiv über die Syntaxregeln vonA.) Damit gilt ¬¬ A ≡ ¬A. Mit der Transitivität von ≡ folgt die Behauptung.

(2) Seien A, B wie vorausgesetzt mit A ≡ B. Nach Korollar 2.10 (3) gilt ¬ A ≡ ¬B. Nach(1) gilt ¬ A ≡ A und ¬ B ≡ B. Zweimaliges Ersetzen nach Satz 2.12 liefert A ≡ ¬B und

A ≡ B. Die Umkehrung folgt aus (A) ≡ A, (B) ≡ B.1

(3) Seien A, B wie vorausgesetzt mit A ≡ B. Nach (2) gilt A ≡ B. Negieren jeder Varia-

blen in A und B bedeutet wiederholtes Anwenden von Satz 2.11. Daher gilt A∗ ≡ B∗ .

Die Umkehrung folgt aus (A∗ )∗ ≡ A, (B∗ )∗ ≡ B. �

(1) bedeutet, dass striktes Dualisieren einer Aussage dasselbe bewirkt wie Negieren.

Ist A eine Aussage, in der nur die Operationen ¬ , ∧ und ∨ vorkommen, dann entsteht

die zu A strikt duale Aussage A durch Negieren aller Atome und gegenseitiges Aus-tauschen von ∧ und ∨ ;

die zu A duale Aussage A∗ durch gegenseitiges Austauschen von 0 und 1 und von ∧und ∨ .

Für Aussagen A, B, in denen nur die Operationen ¬ , ∧ und ∨ vorkommen, gilt

(1) A ≡ ¬A.¬A ≡ A.

(2) A ≡ B genau dann, wenn A ≡ B.

(3) A ≡ B genau dann, wenn A∗ ≡ B∗ .

1 Gemeint ist zweimaliges striktes Dualisieren. Das Textsystem kann nicht doppelt überstrei-chen.

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2 - 24 2 Logik

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Beispiel Wir schreiben den Satz vom ausgeschlossenen Dritten als logische Äquivalenz:

A ∨ ¬ A ≡ 1.

Dualisieren ergibt

A ∧ ¬ A ≡ 0,

woraus mit Korollar 2.10 (3)

¬ (A ∧ ¬ A) ≡ 1,

also der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch folgt.

Das Dualitätstheorem reduziert den Aufwand zum Beweisen der folgenden Sätze aufdie Hälfte, da es genügt, von jedem Paar dualer Aussagen nur eine zu beweisen.

Satz 2.17Konjunktion undDisjunktion

Aufgrund der Assoziativität können wir weitere Klammern sparen und definieren:

A ∧ B ∧ C :⇔ (A ∧ B) ∧ C.A ∨ B ∨ C :⇔ (A ∨ B) ∨ C.

Werden n ∈ lN0 Aussagen konjunktiv oder disjunktiv verknüpft, so schreiben wir

≡ A1 ∧ ... ∧ An bzw. ≡ A1 ∨ ... ∨ An,

≡ ≡ A1 für n = 1,

≡ 1, ≡ 0 für n = 0.

Die leere Konjunktion ist allgemeingültig. Die leere Disjunktion ist widersprüchlich.

Aus der Kommutativität und der linksseitigen Distributivität (6) folgt die rechtsseitige,also beidseitige Distributivität.

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A ∧ 0 ≡ 0. Operation mit 0,A ∨ 0 ≡ A. Widerspruchsregeln

(2) A ∧ 1 ≡ A. Operation mit 1,A ∨ 1 ≡ 1. Tautologieregeln

(3) A ∧ A ≡ A. IdempotenzA ∨ A ≡ A.

(4) (A ∧ B) ∧ C ≡ A ∧ (B ∧ C). Assoziativität(A ∨ B) ∨ C ≡ A ∨ (B ∨ C).

(5) A ∧ B ≡ B ∧ A. KommutativitätA ∨ B ≡ B ∨ A.

(6) A ∧ (B ∨ C) ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ C). DistributivitätA ∨ (B ∧ C) ≡ (A ∨ B) ∧ (A ∨ C).

(7) A ∧ (A ∨ B) ≡ A. Absorption, AdjunktivitätA ∨ (A ∧ B) ≡ A.

(8) A ≡ (A ∧ B) ∨ (A ∧ ¬ B) ≡ (A ∨ B) ∧ (A ∨ ¬ B).

∧i 1=

nAi ∨

i 1=

nAi

∧i 1=

nAi ∨

i 1=

nAi

∧i 1=

nAi ∨

i 1=

nAi

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2.1 Aussagenlogik 2 - 25

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Satz 2.18VerallgemeinerteRechenregeln

Aus Regeln mit der Implikation erhält man Schlussregeln, mit denen man von wahrenAussagen auf andere wahre Aussagen schließen kann. Logische Kalküle bestehen ausSchlussregeln. Der Aussagenkalkül ist wichtig, da man mit ihm mathematische Sätzebeweisen kann.

Satz 2.19ImplikationGrundregeln

Beweis. Exemplarisch beweisen wir die Transitivität (5).((A� B) ∧ (B� C))� (A� C) ≡ (1)¬ ((¬ A ∨ B) ∧ (¬ B ∨ C)) ∨ (¬ A ∨ C) ≡ Satz 2.14 (3), Satz 2.17 (4)¬ (¬A ∨ B) ∨ ¬ (¬ B ∨ C) ∨ ¬ A ∨ C ≡ Satz 2.14 (3)(¬¬ A ∧ ¬ B) ∨ (¬¬ B ∧ ¬ C) ∨ ¬ A ∨ C ≡ Satz 2.13(A ∧ ¬ B) ∨ (B ∧ ¬ C) ∨ ¬ A ∨ C ≡ Satz 2.17 (5)(A ∧ ¬ B) ∨ ¬ A ∨ (B ∧ ¬ C) ∨ C ≡ Satz 2.17 (4), Satz 2.17 (6)((A ∨ ¬ A) ∧ (¬ B ∨ ¬ A)) ∨ ((B ∨ C) ∧ (¬C ∨ C)) ≡ Satz 2.14 (1), Satz 2.17 (5)(1 ∧ (¬B ∨ ¬ A)) ∨ ((B ∨ C) ∧ 1) ≡ Satz 2.17 (2), Satz 2.17 (5)(¬ B ∨ ¬ A) ∨ (B ∨ C) ≡ Satz 2.17 (4), Satz 2.17 (5)B ∨ ¬ B ∨ ¬ A ∨ C ≡ Satz 2.14 (1)1 ∨ ¬ A ∨ C ≡ Satz 2.17 (2)1. �

Aufgrund von (1) könnte man die Implikation mittels der Negation und der Disjunktiondefinieren. Die Antisymmetrie (6) verwendet man oft, um die Äquivalenz von Aussa-

Für m, n ∈ lN0 und Aussagen A1,.., Am, B1,.., Bn gilt:

(1) ¬ ( Ai) ≡ ¬Ai. Regeln von de Morgan

¬ ( Ai) ≡ ¬Ai.

(2) ( Ai) ∨ ( Bk) ≡ (Ai ∨ Bk). Distributivität

( Ai) ∧ ( Bk) ≡ (Ai ∧ Bk).

∧m

i 1=∨

i 1=

m

∨i 1=

m∧m

i 1=

∧m

i 1=∧

k 1=

n∧m

i 1=∧

k 1=

n

∨i 1=

m∨

k 1=

n∨

i 1=

m∨

k 1=

n

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A� B ≡ ¬A ∨ B.

(2) 0� A. Entfernen des FalsumAus Falschem lässt sich Beliebiges folgern (ex falso sequitur quodlibet).

(3) A� 1. Einführen des VerumWahres folgt aus Beliebigem (verum sequitur ex quodlibet).

(4) A� A. Reflexivität

(5) ((A� B) ∧ (B� C))� (A� C). Transitivität, Kettenschluss,Syllogismus, modus barbara

(6) (A� B) ∧ (B� A) ≡ A ⇔ B. Antisymmetrie

(7) A� B ≡ ¬(A ∧ ¬ B). indirekter Schluss

(8) A� B ≡ ¬B� ¬ A. KontrapositionA� ¬B ≡ B� ¬ A.

(9) A ∧ B ≡ ¬ (A� ¬ B) ≡ ¬ (B� ¬A).

(10) A ∨ B ≡ ¬A� B ≡ ¬B� A ≡ (A� B)� B ≡ (B� A)� A.

(11) A� (B ∧ C) ≡ (A� B) ∧ (A� C). linksseitige DistributivitätA� (B ∨ C) ≡ (A� B) ∨ (A� C).A� (B� C) ≡ (A� B)� (A� C).A� (B ⇔ C) ≡ (A� B) ⇔ (A� C).

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2 - 26 2 Logik

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gen zu zeigen - man zeigt, dass beide Implikationen gelten. Aufgrund von (6) könnteman die Äquivalenz mittels der Implikation und der Konjunktion definieren; aufgrundvon (9) und (10) die Konjunktion und die Disjunktion mittels der Negation und derImplikation. Zu (11): Die linksseitige Distributivität von � bzgl. <≠> gilt nicht. Dierechtsseitigen Distributivitäten von� bzgl. ∧ , ∨ ,�, ⇔, <≠> gelten nicht.

Satz 2.20ImplikationSchlussregeln

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A ≡ (¬ A� B) ∧ (¬A� ¬ B).A ≡ (B� A) ∧ (¬ B� A). Alternativschluss, Dilemma

(2) (A ∧ B)� A. Entfernen der Konjunktion

(3) A� (A ∨ B). Einführen der Disjunktion

(4) (A ∧ (A� B))� B. Entfernen der Implikation, Abtrennung, modus ponens

(5) ((A� B) ∧ ¬ B)� ¬A. Widerlegung, modus tollens

(6) (A ∧ ¬ A)� 0. Entfernen der Negation

(7) (A� 0)� ¬ A. Einführen der Negation: Die Negation einer Aussage istgerechtfertigt, wenn ihre Annahme zu einem Widerspruch führt.

(8) (¬ A� 0)� A. Widerspruchsbeweis, reductio ad absurdum

(9) (A� ¬ A)� ¬ A.

(¬ A� A)� A. claviussches Gesetza

(10) A� (B� A). Wahres folgt aus Beliebigem.

(11) ¬A� (A� B). Aus Falschem folgt Beliebiges.

(12) (A� B) ∨ (B� C).¬ (A� B)� (B� C).

(13) (A� B) ∨ (B� A). Mindestens eine von zwei¬ (A� B)� (B� A). Aussagen impliziert die andere.

(14) (A� B)� ((A ∧ C)� (B ∧ C)). Monotonie(A� B)� ((A ∨ C)� (B ∨ C)).

(15) (A ∧ B)� C ≡ A� (¬ B ∨ C) ≡ (A ∧ ¬ C)� ¬B. Kontraposition

(16) A� (B ∨ C) ≡ (A ∧ ¬ B)� C.

(17) A� (B� C) ≡ (A ∧ B)� C. Prämissenverbindung, Im-/Exportation

(18) A� (B� C) ≡ B� (A� C). Prämissenvertauschung

(19) A� (A� B) ≡ A� B. Prämissenverschmelzung

(20) (A ∧ B)� C ≡ (A� C) ∨ (B� C). Prämissenaufspaltung(A ∨ B)� C ≡ (A� C) ∧ (B� C).

(21) ((A ∨ B) ∧ (A� C) ∧ (B� C))� C. Fallunterscheidung

(22) ((A� B)� A)� A. Wahrheitskriterium von Peirceb

(23) (A� (A� B))� (A� B).

(24) (A� B)� ((B� C)� (A� C)).

(25) (A� B)� ((B� A)� (A ⇔ B)).

(26) A� ((A� B)� ((A� B)� B)).

(27) A� ((A� B)� B).

a Christoph Clavius (1537 - 1612), fand einen dieser Regel entsprechenden Schluss in EuklidsElementen.b Charles Sanders Peirce (sprich „pöhrß“, nicht „pierß“!) (1839 - 1914), amerikanischer Logiker,Mathematiker, Philosoph.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 27

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Logikkalkül Satz 2.19 und Satz 2.20 enthalten u.a. Regeln für natürliches Schließen. GebräuchlicheSchlussregeln des Aussagenkalküls sind z.B. Satz 2.19 (5) bis (8), Satz 2.20 (1) bis (5)und (21). Um Logikkalküle axiomatisch zu fundieren, wählt man die Syntaxregeln derAussagen als Axiome, gewisse Schlussregeln formuliert man als Ableitungsregeln. Auseiner Aussage A eine Aussage B ableiten heißt dann, in A durch endlichmaligesAnwenden von Ableitungsregeln Teilaussagen so zu ersetzen, dass sich schließlich Bergibt. Ableiten ist also rein syntaktisches Umformen, ohne Bezug auf die Semantik derAussagen, Wahrheitstabellen oder Interpretationen. Daher eignen sich Logikkalküle fürlogische Programmierung; logische Programmiersprachen wie Prolog basieren aufLogikkalkülen, die sie algorithmisch implementieren.

Klassische undintuitionistische Logik

Die Regeln Satz 2.19 (2), (3), Satz 2.20 (2), (3), (4), (6), (7), (10) und (21) sind sogenannte intuitionistische Schlussregeln. Sie bleiben oft korrekt, wenn man Interpreta-tionen mit mehr als zwei Wahrheitswerten, also eine mehrwertige Logik, zugrunde legt.Sind nur diese Regeln zugelassen, so spricht man von intuitionistischer Logik. Sindneben den intuitionistischen Schlussregeln auch Satz 2.13, Satz 2.14 (1) und Satz 2.20(8) zugelassen, so spricht man von zweiwertiger oder klassischer Logik. Das Wahr-heitskriterium von Peirce Satz 2.20 (22) spielt in Axiomatisierungen der Aussagenlogik

eine Rolle. Die Schlussregeln Satz 2.20 (23), (24) und (25) verwendete Frege1 in einemAxiomensystem der Aussagenlogik.

Satz 2.21Äquivalenz

Aufgrund von (11) könnte man die Implikation mittels der Äquivalenz und der Kon-junktion oder der Disjunktion definieren.

Korollar 2.22

Beweis folgt aus Satz 2.21 (2), (3), (4). �

1 Gottlob Frege (1848 - 1925), deutscher Mathematiker, Logiker, Philosoph, lieferte das ersteAxiomensystem der formalen Logik.

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A ⇔ 0 ≡ ¬A. Operation mit 0 und 1A ⇔ 1 ≡ A.

(2) A ⇔ A. Reflexivität

(3) A ⇔ B ≡ B ⇔ A. Symmetrie

(4) ((A ⇔ B) ∧ (B ⇔ C))� (A ⇔ C). Transitivität

(5) (A ⇔ B) ⇔ C ≡ A ⇔ (B ⇔ C). Assoziativität

(6) A ⇔ B ≡ ¬A ⇔ ¬ B.

(7) A ⇔ B ≡ (A ∨ ¬ B) ∧ (¬A ∨ B) ≡ (A� B) ∧ (¬ A� ¬B).

(8) A ⇔ B ≡ (A ∧ B) ∨ (¬ A ∧ ¬ B) ≡ (A ∨ B)� (A ∧ B).

(9) A ∧ B ≡ A� B ⇔ A ≡ B� A ⇔ B ≡ (A ⇔ B) ∧ A ≡ (A ⇔ B) ∧ B.

(10) A ∨ B ≡ A� B ⇔ B ≡ B� A ⇔ A.

(11) A� B ≡ A ∧ B ⇔ A ≡ A ∨ B ⇔ B ≡ (A ⇔ B) ∨ B.

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A ≡ A. Reflexivität

(2) A ≡ B genau dann, wenn B ≡ A. Symmetrie

(3) Aus A ≡ B und B ≡ C folgt A ≡ C. Transitivität

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2 - 28 2 Logik

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Satz 2.23Antivalenz

Aussagenlogische Ausdrücke sollen nicht unnötig kompliziert, sondern möglichstkompakt formuliert sein. Zum Vereinfachen einer Aussage kann man sie mittels obigerRechenregeln wiederholt solange äquivalent umformen, bis keine Regel mehr anwend-bar ist. Die wichtigsten Regeln seien hier noch einmal zusammengestellt:

Regeln zumVereinfachen vonAussagen

� Berechnen eines einfach zusammengesetzten Ausdrucks mit wenigstens einem kon-stanten Operanden mittels Tabelle 2.6 oder nach Satz 2.17 (1), (2), Satz 2.19 (2),(3), Satz 2.21 (1), Satz 2.23 (2). Dadurch verschwindet die Konstante oder dasErgebnis ist eine Konstante:

¬ 0 ≡ 1. ¬1 ≡ 0.

A ∧ 0 ≡ 0. A ∧ 1 ≡ A.

A ∨ 0 ≡ A. A ∨ 1 ≡ 1.

A� 0 ≡ ¬A. A� 1 ≡ 1.

0� A ≡ 1. 1� A ≡ A.

A ⇔ 0 ≡ ¬A. A ⇔ 1 ≡ A.

A <≠> 0 ≡ A. A <≠> 1 ≡ ¬A.

� Entfernen doppelter Negationen nach Satz 2.13.

� Einführen von Konstanten nach Satz 2.14 (1), (2):

A ∨ ¬ A ≡ 1. A ∧ ¬ A ≡ 0.

� Anwenden der de morganschen, Idempotenz-, Assoziativ-, Kommutativ-, Distribu-tiv- und Absorptions-Regeln nach Satz 2.14 und Satz 2.17.

Regeln zumVereinfachen vonAussagefunktionen

Die genannten Rechenregeln lassen sich auf beliebige Aussagefunktionen verallgemei-nern. Als Beispiel geben wir eine Verallgemeinerung von Satz 2.17 (8) an, die nach

Shannon1 benannt ist, obwohl schon Boole sie kannte.

Satz 2.24ShannonscheErweiterung

Durch Abspalten einer Variablen verringert sich die Anzahl der Variablen der Aussage-funktion, sodass sie leichter zu berechnen ist.

Für beliebige Aussagen A, B, C gilt:

(1) A <≠> B ≡ ¬ (A ⇔ B).

(2) A <≠> 0 ≡ A. Operation mit 0 und 1A <≠> 1 ≡ ¬A.

(3) A <≠> ¬A.

(4) ¬ (A <≠> A). Irreflexivität

(5) A <≠> B ≡ B <≠> A. Symmetrie

(6) (A <≠> B) <≠> C ≡ A <≠> (B <≠> C). Assoziativität

(7) A <≠> B ≡ ¬A <≠> ¬B.

(8) A <≠> B ≡ (A ∧ ¬ B) ∨ (¬ A ∧ B) ≡ ¬A ⇔ B ≡ A ⇔ ¬ B.

(9) A <≠> B ≡ (A ∨ B) ∧ (¬A ∨ ¬ B).

(10) (A <≠> B) <≠> B ≡ A.

(11) (A <≠> B) ∧ C ≡ (A ∧ C) <≠> (B ∧ C). Distributivität

1 Claude Elwood Shannon (1916 - 2001), amerikanischer Mathematiker, begründete die Infor-mationstheorie.

Ist A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN eine Aussagefunktion und i ∈ {1,.., n}, so gilt:

A(a1,.., an) ≡ (A(a1,.., ai−1, 1, ai+1,.., an) ∧ ai) ∨ (A(a1,.., ai−1, 0, ai+1,.., an) ∧ ¬ ai).

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2.1 Aussagenlogik 2 - 29

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2.1.9 Aussagen in Programmiersprachen

In Programmiersprachen heißen Aussagen oder aussagenlogische Ausdrücke oft boole-sche Ausdrücke (boolean expression). Sie kommen in mehreren Konstrukten vor; bei-spielsweise dienen sie der Spezifikation von Klassen, Diensten und Algorithmen, derstrukturierten Implementation von Algorithmen sowie der Formulierung von Synchro-nisationsbedingungen.

Tabelle 2.12Aussagen inProgrammiersprachen

Dreiwertige Logik Allerdings mutiert das theoretische Ideal der zweiwertigen Logik in der programmier-praktischen Realität zu einer dreiwertigen Logik: Als dritter Wahrheitswert ergänzt„undefiniert“ die Wahrheitswerte „falsch“ und „wahr“.

Mathematik Wo kommt der Wert „undefiniert“ vor? Beispielsweise ist der arithmetische Ausdruck1/0 wegen der Division durch 0 undefiniert. Steht 1/0 in einem mathematischen Text,so ist dem Autor ein schwerer Fehler unterlaufen. Die LeserIn kann entweder den Textals unbrauchbar verwerfen oder den Fehler korrigieren; in beiden Fällen verschwindetdas „undefiniert“. Kommt die Funktion f(x) = 1/x in einem mathematischen Text vor, soist sie - auch ohne dass ihr Definitionsbereich explizit angegeben ist - für x = 0 undefi-niert, d.h. gemeint ist die Funktion � \ {0} → �, x |→ 1/x. Auch hier verschwindet das„undefiniert“. Allgemein erscheint „undefiniert“ in mathematischen Texten nur alsFehler, nicht als Gegenstand des Texts.

Programme Wie verhält es sich damit in Quellprogrammtexten? Den Ausdruck 1/0 kann ein Über-setzer als undefiniert, also fehlerhaft erkennen; damit enthält das Quellprogramm einenÜbersetzungszeitfehler, ist nicht übersetzbar und daher nicht ausführbar. Für den Aus-druck 1/x gilt das nicht: Ob die Variable x stets einen von 0 verschiedenen Wert hat, istdurch keinen Übersetzer, sondern erst zur Laufzeit feststellbar, da x erst dann Wertezugewiesen werden. Es kann also vorkommen, dass x = 0 und 1/x auszuwerten ist. Ver-nünftigerweise stellt der Programmablauf dann einen Laufzeitfehler fest und bricht ent-wder mit der Fehlermeldung „Division durch 0 bei 1/x“ ab, oder übergibt die Kontrolle aneine Ausnahmebehandlung, denn ein Weiterrechnen mit falschen Zahlenwerten würdedas Problem sinnlos vergrößern.

Programmiersprachen liefern weitere Beispiele für undefinierte Ausdrücke. Nebenarithmetischen Fehlern kommen Fehler bei indizierten Variablen und Zeigervariablenvor. Undefinierte Ausdrücke können Teilausdrücke von Aussagen sein, die dann auchundefiniert sind. Programmiersprachen müssen daher die Semantik von Aussagen für

Aussage als... Component Pascal Eiffel C*

allgemeine Zusicherung A ASSERT (A) check A end assert(A);

Vorbedingung A require A

Nachbedingung A ensure A

Klasseninvariante A invariant A

Auswahlbedingungen A, Bin ein-, zwei- undmehrseitigenAuswahlanweisungen

IF A THEN ...ELSIF B THEN ...ELSE ...END

if A then ...elseif B then ...else ...end

if (A) { ... }else if (B) { ... }else { ... }

Schleifeninvariante I,Fortsetzungsbedingung Aoder Abbruchbedingung B inWiederholungsanweisungen

WHILE A DO ... END

REPEAT ... UNTIL B

from ...invariant Iuntil Bloop ...end

while (A) { ... }

do { ... } while (A)

for (..., A,...) { ... }

Warte- undFortsetzungsbedingungen inSynchronisationskonstrukten

- - -

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2 - 30 2 Logik

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die drei Wahrheitswerte falsch (0), wahr (1) und undefiniert (�) festlegen. Prinzipiellgibt es zwei Ansätze, Aussagen zu interpretieren: die lange und die kurze Auswertung.

(1) Die lange Auswertung übernimmt von der Aussagenlogik die Semantik derOperatoren von Tabelle 2.6. Als zusätzliche Regel ist ein Ausdruck undefiniert,wenn wenigstens ein Teilausdruck undefiniert ist.

Tabelle 2.13Wahrheitstabelle fürlange Auswertung

Lange oder vollständige Auswertung bedeutet, jeden Operanden bei einer Ope-ration vollständig auszuwerten und dann (falls kein Operand undefiniert ist) dasErgebnis gemäß Tabelle 2.13 zu bestimmen. Nach diesem Ansatz sind Konjunk-tion, Disjunktion, Äquivalenz und Antivalenz wie gewohnt kommutativ, d.h. dieOperanden sind vertauschbar, ohne dass sich der Wert der Aussage ändert.

Die Reihenfolge der Auswertung der Operanden einer Operation ist nicht durchdie Programmiersprache festgelegt, sondern bleibt der Implementation des Über-setzers überlassen.

(2) Die kurze Auswertung definiert für die Konjunktion, die Disjunktion und dieImplikation eine andere Semantik:

Tabelle 2.14Wahrheitstabelle fürkurze Auswertung

Bei kurzer oder bedingter Auswertung werden die Operanden von links nachrechts ausgewertet, wobei die Auswertung abgebrochen wird, sobald das Ergeb-nis nach Tabelle 2.14 feststeht, d.h. der rechte Operand wird ggf. nicht ausgewer-tet. Der rechte Operand muss also nicht unbedingt definiert sein: Der Ausdruckkann definiert sein, obwohl sein rechter Operand undefiniert ist. Mit diesemAnsatz sind die Konjunktion und die Disjunktion nicht kommutativ, bei derImplikation ist Kontrapositionsregel verletzt, d.h. die textuelle Reihenfolge derOperanden spielt eine Rolle.

A ¬ A A B (A ∧ B) (A ∨ B) (A� B) (A ⇔ B) (A <≠> B)

0 1 0 0 0 0 1 1 0

1 0 0 1 0 1 1 0 1

� � 0 � � � � � �

1 0 0 1 0 0 1

1 1 1 1 1 1 0

1 � � � � � �

� 0 � � � � �

� 1 � � � � �

� � � � � � �

A ¬ A A B (A ∧ B) (A ∨ B) (A� B) (A ⇔ B) (A <≠> B)

0 1 0 0 0 0 1 1 0

1 0 0 1 0 1 1 0 1

� � 0 � 0 � 1 � �

1 0 0 1 0 0 1

1 1 1 1 1 1 0

1 � � 1 � � �

� 0 � � � � �

� 1 � � � � �

� � � � � � �

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2.1 Aussagenlogik 2 - 31

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Nur die Reihenfolge der Auswertung der Operanden bei der Konjunktion, derDisjunktion und der Implikation ist durch die Sprache festgelegt; über die Aus-wertungsreihenfolge bei anderen Operatoren entscheidet trotzdem der Überset-zerbauer!

Interaktive Lernhilfen Die unter [33] bereit gestellten interaktiven Lernhilfen zeigen, wie unterschiedlich sichlange und kurze Auswertung auf die Rechenregeln der dreiwertigen Aussagenlogikauswirken.

Kurze Auswertung inCleo undComponent Pascal

Die in der begleitenden Lehrveranstaltung Informatik 1 vorgestellte Spezifikationsspra-che Cleo und die Implementationssprache Component Pascal werten Aussagen gene-rell kurz aus. Kurze Auswertung nützt nicht nur dabei, Vor- und Nachbedingungen undInvarianten kompakt zu formulieren, sondern auch bei Prüfungen, die sonst mitgeschachtelten IF-Anweisungen zu lösen wären:

Beispiel IF x > 0 THENIF y / x < 1 THEN

z := x + yEND

END

ist reduzierbar auf

IF (x > 0) & (y / x < 1) THENz := x + y

END

Im Fall x = 0 ist y/x undefiniert und führt zu einem Laufzeitfehler. Die zweite Formulie-rung der Anweisung ist also bei langer Auswertung fehlerhaft und kann zum Abbruchdes Programmablaufs führen, während sie bei kurzer Auswertung immer korrekt funk-tioniert. Die erste Formulierung ist in beiden Fällen korrekt, aber aufwändiger.

Sicherheit und Effizienz Kurze Auswertung führt zu kürzeren und trotzdem sicheren Programmen. Bei Pro-grammiersprachen, die die Art der Auswertung nicht festlegen, hängt die Semantikeines Programms hingegen vom Übersetzer ab und die ProgrammiererIn muss zwi-schen Sicherheit mit Aufwand und Effizienz mit Portierbarkeitsproblemen wählen.

2.1.10 Aussagenlogische Basen

Nachdem wir Beziehungen zwischen den Operationen ¬ , ∧ , ∨ , �, ⇔, <≠> genauerbetrachtet haben, stellen sich die Fragen:

� Welche weiteren aussagenlogischen Operationen und Aussagefunktionen gibt es?

� Wieviele sind es?

� Welche Operationen sind für welche Zwecke besonders geeignet?

� Gibt es kleine Mengen von Operationen, mit denen sich alle Aussagefunktionendarstellen lassen?

Nullstellige Operationen A : {∅ } → lB, ∅ |→ A(∅ ) gibt es zwei, nämlich die Konstan-ten 0, 1 ∈ lB.

Einstellige Operationen A : lB → lB, a |→ A(a) gibt es vier, denn zu den zwei möglichenBelegungen von a gibt es je zwei mögliche Ergebnisse. Von diesen ist die Negation aminteressantesten.

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2 - 32 2 Logik

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Tabelle 2.15EinstelligeaussagenlogischeOperationen

Zweistellige Operationen A : lB2 → lB, (a, b) |→ A(a, b) gibt es 16, denn zu den 2 ∗ 2 =4 möglichen Belegungen von a und b gibt es je zwei, also insgesamt 24 = 16 möglicheErgebnisse.

Tabelle 2.16ZweistelligeaussagenlogischeOperationen

Den Tabellen entnehmen wir mit Satz 2.19 (1), Satz 2.21 (7) und Satz 2.23 (8), dasssich alle ein- und zweistelligen Operationen mittels Negation, Konjunktion und Dis-junktion darstellen lassen. Mit ¬ , ∧ , ∨ , �, ⇔, <≠> haben wir die für die Mathematikund die Softwaretechnik interessanten Operationen kennen gelernt. Zwei weitere Ope-rationen sind:

� Nand-Operation, Antikonjunktion, Sheffer-Funktion1: A ↑ B (A nicht-und B, wederA noch B) ist genau dann falsch, wenn sowohl A als auch B wahr sind. Als Operati-onssymbole dienen auch der Sheffer-Strich | und das überstrichene Und-Symbol ∧ .

a 0 1 Schreibweisen Bezeichnung

A1(a) 0 0 0(a) = 0 Konstante, Widerspruch

A2(a) 0 1 idlB(a) = a Identität

A3(a) 1 0 ¬ a Negation, NOT

A4(a) 1 1 1(a) = 1 Konstante, Tautologie

a 0 0 1 1Schreibweisen Bezeichnung

b 0 1 0 1

A1(a, b) 0 0 0 0 0(a) = 0 Konstante, Widerspruch

A2(a, b) 0 0 0 1 a ∧ b Konjunktion, AND

A3(a, b) 0 0 1 0 ¬ (a� b) ≡ a ∧ ¬ b Negation der Implikation, Inhibition

A4(a, b) 0 0 1 1 π1(a, b) = a Projektion auf 1. Komponente

A5(a, b) 0 1 0 0 ¬ (b� a) ≡ ¬a ∧ b Negation der Implikation

A6(a, b) 0 1 0 1 π2(a, b) = b Projektion auf 2. Komponente

A7(a, b) 0 1 1 0a <≠> b ≡(a ∧ ¬ b) ∨ (¬ a ∧ b)

Antivalenz, XOR

A8(a, b) 0 1 1 1 a ∨ b Disjunktion, OR

A9(a, b) 1 0 0 0 a ↓ b := ¬(a ∨ b) Nicht-Oder, NOR, Weder-Noch

A10(a, b) 1 0 0 1a ⇔ b ≡(a ∨ ¬ b) ∧ (¬ a ∨ b)

Äquivalenz

A11(a, b) 1 0 1 0 ¬b Negation der 2. Komponente

A12(a, b) 1 0 1 1 b� a ≡ a ∨ ¬ b Implikation, Konversion

A13(a, b) 1 1 0 0 ¬a Negation der 1. Komponente

A14(a, b) 1 1 0 1 a� b ≡ ¬a ∨ b Implikation

A15(a, b) 1 1 1 0 a ↑ b := ¬ (a ∧ b) Nicht-Und, NAND

A16(a, b) 1 1 1 1 1(a) = 1 Konstante, Tautologie

1 Henry Maurice Sheffer (1883 - 1972), amerikanischer Mathematiker, Logiker.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 33

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� Nor-Operation, Antidisjunktion, Peirce-Funktion, Nicod-Funktion1: A ↓ B(A nicht-oder B) ist genau dann wahr, wenn sowohl A als auch B falsch sind. AlsOperationssymbol dient neben dem Peirce-Pfeil ↓ auch das überstrichene Oder-Symbol ∨ .

Satz 2.25Nand und Nor

Der leicht mit Wahrheitstabellen zu beweisende Satz zeigt, dass sich die bekanntenOperationen nur mit Nand und nur mit Nor ausdrücken lassen. Allerdings werdenNand- und Nor-Ausdrücke recht komplex und es ist schwer, mit ihnen zu rechnen. DieBedeutung von Nand und Nor liegt vor allem in der Digitaltechnik, da sich beliebigeSchaltfunktionen nur mit Nand- oder Nor-Gattern realisieren lassen und die Massen-produktion von nur einer Gatterart ökonomisch interessant ist.

Satz 2.26Anzahl derAussagefunktionen

Beweis. lBn hat 2n Elemente. Das entspricht der Anzahl der Zeilen in einer Wahrheits-

tabelle zu einer Aussage mit n Variablen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkei-ten, die Spalte dieser Aussage mit 0en und 1en auszufüllen. Verschiedene Spalten ent-sprechen verschiedenen Aussagefunktionen. �

Es gibt also 28 = 256 dreistellige und 216 = 65536 vierstellige Aussagefunktionen. Die

Funktion n |→ wächst extrem. Wie lassen sich die vielen n-stelligen Aussage-funktionen darstellen? Wir beantworten die Frage zunächst für Aussagen A ∈ A.

Definition 2.27AussagenlogischeBasis

1 Jean Nicod (1893 - 1924), französischer Philosoph, Mathematiker, Logiker.

Für beliebige Aussagen A, B gilt:

(1) ¬A ≡ A ↑ A ≡ A ↓ A.

(2) A ∧ B ≡ (A ↑ B) ↑ (A ↑ B) ≡ (A ↓ A) ↓ (B ↓ B).

(3) A ∨ B ≡ (A ↑ A) ↑ (B ↑ B) ≡ (A ↓ B) ↓ (A ↓ B).

(4) A� B ≡ A ↑ (A ↑ B) ≡ (B ↓ (A ↓ B)) ↓ (B ↓ (A ↓ B)).

(5) A ⇔ B ≡ (A ↑ B) ↑ ((A ↑ A) ↑ (B ↑ B)) ≡ (A ↓ (B ↓ B)) ↓ ((A ↓ A) ↓ B).

(6) A <≠> B ≡ (A ↑ (B ↑ B)) ↑ ((A ↑ A) ↑ B) ≡ (A ↓ B) ↓ ((A ↓ A) ↓ (B ↓ B)).

Zu n ∈ lN0 gibt es verschiedene n-stellige Aussagefunktionen

A : lBn → lB, (a1,.., an) |→ A(a1,.., an),

d.h. AFn = hat Elemente.

22

n( )

lBlB

n( )2

2n( )

22

n( )

22

n( )

Eine Menge OB logischer Operationen heißt (aussagenlogische) Basis (vollständig),wenn es zu jeder Aussage A eine logisch äquivalente Aussage B gibt, die nur Opera-tionen aus OB enthält. Eine Basis heißt minimal, wenn keine ihrer echten Teilmen-gen eine Basis ist.

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2 - 34 2 Logik

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Satz 2.28Basen

Beweis. (1) ergibt sich aus Tabelle 2.16. (2) und (3) folgen aus (1) und den de morgan-schen Regeln in der Form

A ∨ B ≡ ¬ (¬ A ∧ ¬ B), A ∧ B ≡ ¬ (¬ A ∨ ¬ B).

(4) folgt aus (3) und Satz 2.19 (1). (5) und (6) ergeben sich aus (1) und Satz 2.25. �

Damit wissen wir, dass sich alle Aussagen A ∈ A mittels der Basen logisch äquivalent

darstellen lassen - aber noch nicht, ob sich auch alle Aussagefunktionen A : lBn → lB

mittels der Basen darstellen lassen.

2.1.11 Normalformen von Aussagen

Aus der Analysis ist bekannt, dass sich Polynome oder ganze rationale Funktionen alsSumme von Produkten und als Produkt von Summen darstellen lassen, z.B.

f(x) = x2 − x + 2 = (x + 1) ∗ (x − 2).

Ähnlich „normal“ lassen sich logische Funktionen als Disjunktion von Konjunktionenund als Konjunktion von Disjunktionen darstellen. Solche Normalformen sind nützlichzur Analyse und Synthese von Aussagen:

� Eine einheitliche Darstellungsform für Aussagen dient der Lesbarkeit und Verständ-lichkeit.

� Eine normal dargestellte Aussage lässt ihre Wahrheitswerte erkennen, ohne dassman ihre Wahrheitstabelle aufstellen muss.

� Normal dargestellte Aussagen werden in nur zwei Stufen berechnet. Dies ist einwichtiges Kriterium in der Digitaltechnik: Da die Signale höchstens zwei Gatterdurchlaufen, ergeben sich kurze Schaltzeiten.

� Normal dargestellte Aussagen sind leichter vergleichbar.

� Eigenschaften von Aussagen lassen sich oft leichter anhand ihrer Normaldarstellun-gen zeigen.

� Zu einer durch eine Wahrheitstabelle gegebenen Aussagefunktion kann man leichtnormal dargestellte Aussagen konstruieren.

Zur Vorbereitung der Normalformen benötigen wir einige Definitionen, die wir wie diefolgenden Sätze in den dualen Formen angeben. Bei den Beweisen können wir uns auf-grund des Dualitätstheorems auf eine Form beschränken.

Die folgenden Mengen logischer Operationen bilden aussagenlogische Basen:

(1) {¬ , ∧ , ∨ }. Boole-Basis

(2) {¬ , ∧ }. de Morgan-Basis

(3) {¬ , ∨ }. de Morgan-Basis

(4) {¬ ,�}. Frege-Basis

(5) {↑}. Sheffer-Basis, Nand-Basis

(6) {↓}. Peirce-Basis, Nor-Basis

Die Basen (2) bis (6) sind minimal.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 35

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Definition 2.29FaktorTermNormalform

BemerkungenBeispiele

In den folgenden Beispielen sei n = 3, die Variablen seien a, b, c. K- und D-Terme, diekeine Min- bzw. Maxterme sind, können 0en, 1en und Variablen mehrfach als Faktorenenthalten:

a ∧ b ∧ ¬ a ∧ 0 K-Term, kein Minterm

a ∨ ¬ b ∨ ¬ a ∨ 0 ∨ c ∨ a D-Term, kein Maxterm

Gemäß den Vereinfachungsregeln von S. 28 gilt im Sinne logischer Äquivalenz: Ein K-Term mit einem Faktor 0 ist 0. Ein D-Term mit einem Faktor 1 ist 1. In K-Termen kannman 1en, in D-Termen 0en als Faktoren weglassen (oder hinzufügen). In Termen kannman jeden Faktor nur einmal vorkommen lassen; Faktoren kann man vertauschen,umordnen. Damit vereinfachen sich obige Terme zu:

0 K-Term, kein Minterm

a ∨ ¬ b ∨ ¬ a ∨ c D-Term, kein Maxterm

Der D-Term vereinfacht sich mit der Regel des ausgeschlossenen Dritten weiter zu 1.

Für m = 0 ist ein K-Term 1, ein D-Term 0. Für n = 0 ist ein Minterm 1, ein Maxterm 0.

Eine Aussage A = A(a1,.., an) ∈ A mit n ∈ lN0 heißt

ein Faktor (Literal), wenn A ein Atom oder negiertes Atom ist, also von einer derFormen

0, 1, ai, ¬ ai mit i = 1,.., n;

ein K-Term (Konjunktionsterm), wenn A eine Konjunktion von Faktoren ist, also vonder Form

A = F1 ∧ ... ∧ Fm mit Faktoren F1,.., Fm, m ∈ lN0;

ein D-Term (Disjunktionsterm), wenn A eine Disjunktion von Faktoren ist, also vonder Form

A = F1 ∨ ... ∨ Fm mit Faktoren F1,.., Fm, m ∈ lN0;

ein Term, wenn A ein K-Term oder D-Term ist;

ein Minterm (Elementarkonjunktion), wenn A ein K-Term ist, in dem keine Kon-stante und jede Variable a1,.., an genau einmal vorkommt;

ein Maxterm (Elementardisjunktion), wenn A ein D-Term ist, in dem keine Kon-stante und jede Variable a1,.., an genau einmal vorkommt;

eine disjunktive Normalform, DNF, wenn A eine Disjunktion von K-Termen ist,also von der Form

A = K1 ∨ ... ∨ Kl mit K-Termen K1,.., Kl, l ∈ lN0;

eine konjunktive Normalform, KNF, wenn A eine Konjunktion von D-Termen ist,also von der Form

A = D1 ∧ ... ∧ Dl mit D-Termen D1,.., Dl, l ∈ lN0;

eine Normalform, wenn A eine DNF oder KNF ist;

eine kanonische (vollständige) disjunktive Normalform, KDNF, wenn A eine Dis-junktion von paarweise nicht logisch äquivalenten Mintermen ist;

eine kanonische (vollständige) konjunktive Normalform, KKNF, wenn A eineKonjunktion von paarweise nicht logisch äquivalenten Maxtermen ist;

eine kanonische Normalform, wenn A eine KDNF oder KKNF ist.

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2 - 36 2 Logik

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Eine DNF ist eine Disjunktion von Konjunktionen. Eine KNF ist eine Konjunktion vonDisjunktionen. DNFen und KNFen können 0en und 1en als Terme und logisch äquiva-lente Terme enthalten:

(a ∧ b) ∨ (b ∧ ¬ c) ∨ (b ∧ a) DNF, keine KDNF

(a ∨ ¬ b) ∧ (a ∨ ¬ b ∨ c) ∧ 1 KNF, keine KKNF

In DNFen kann man 0en, in KNFen 1en als Terme weglassen. Eine DNF mit einemTerm 1 ist 1. Eine KNF mit einem Term 0 ist 0. In Normalformen kann man vonlogisch äquivalenten Termen nur einen vorkommen lassen; Terme kann man umord-nen. Damit vereinfachen sich obige Normalformen zu:

(a ∧ b) ∨ (b ∧ ¬ c) DNF, keine KDNF

(a ∨ ¬ b) ∧ (a ∨ ¬ b ∨ c) KNF, keine KKNF

Die KNF vereinfacht sich mit der Absorptionsregel weiter zu a ∨ ¬ b.

Für l = 0 ist eine DNF 0, eine KNF 1.

Die Reihenfolge der Variablen in Min- und Maxtermen ist nicht festgelegt, daher gibtes logisch äquivalente Min- bzw. Maxterme:

a ∧ b ∧ ¬ c Minterm¬ c ∧ a ∧ b logisch äquivalenter Minterm

¬ c ∨ b ∨ a Maxterm

Die Reihenfolge der Min- und Maxterme in KDNFen bzw. KKNFen ist nicht festge-legt, auch deshalb gibt es logisch äquivalente KDNFen bzw. KKNFen:

(a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ a ∧ ¬ b ∧ c) KDNF(¬ a ∧ c ∧ ¬ b) ∨ (b ∧ ¬ c ∧ a) logisch äquivalente KDNF

(¬ c ∨ b ∨ a) ∧ (¬ b ∨ c ∨ ¬ a) KKNF

Der Lesbarkeit halber empfiehlt sich, in allen Termen dieselbe Reihenfolge der Varia-blen einzuhalten.

Satz 2.30Normalformen zuAussagen

Beweis. Nach Satz 2.28 gibt es zu A ∈ A ein logisch äquivalentes B ∈ A, in dem nur ¬ ,∧ und ∨ vorkommen. Aus B erhält man die gewünschte Normalform durch geeignetesUmformen, indem man die Regeln zum Vereinfachen von Aussagen, S. 28 ggf. wieder-holt anwendet und dabei insbesondere Negationen vor Klammern mittels der de mor-ganschen Regeln nach innen treibt. (Ein ausführlicher Beweis verfährt induktiv überden Aufbau der Aussagen.) �

Korollar 2.31

Für Aussagen mit nur zwei Variablen, also zweistellige Aussagefunktionen, ist Satz2.30 unmittelbar einzusehen. Wir stellen alle 16 zweistelligen KDNFen und KKNFenzusammen.

Zu jeder Aussage A ∈ A gibt es logisch äquivalente DNFen, KNFen, KDNFen undKKNFen.

Zwei Aussagen sind genau dann logisch äquivalent, wenn sie dieselbe KDNF oderKKNF (bis auf Umordnungen der Faktoren und Terme) besitzen.

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2.1 Aussagenlogik 2 - 37

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Tabelle 2.17 Kanonische Normalformen zweistelliger Aussagefunktionen

Beispiel 2.3Konstruktion vonNormalformen mitalgebraischenUmformungen

Wir zeigen die im Beweis zu Satz 2.30 skizzierte Methode anhand der Aussage

(a ∧ b ∧ 1)� (¬ b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c ∨ 0.

Gesucht ist zunächst eine logisch äquivalente Aussage auf Boole-Basis. Schon vorErsetzen der Implikation und der Äquivalenz vereinfachen wir möglichst weit gehend:

(a ∧ b ∧ 1)� (¬ b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c ∨ 0 ≡ Satz 2.17

Konstantenfreie Form (a ∧ b)� (¬ b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c.

Zur konstantenfreien Form stellen wir die Wahrheitstabelle auf (nicht um sie hier, son-dern auf S. 42 zu benutzen):

Tabelle 2.18KompakteWahrheitstabelle

a 0 0 1 1 Kurz-form

KDNF KKNFb 0 1 0 1

A1(a, b) 0 0 0 0 0 0(a ∨ b) ∧ (a ∨ ¬ b) ∧ (¬ a ∨ b) ∧(¬a ∨ ¬ b)

A2(a, b) 0 0 0 1 a ∧ b a ∧ b (a ∨ b) ∧ (a ∨ ¬ b) ∧ (¬a ∨ b)

A3(a, b) 0 0 1 0 ¬ (a� b) a ∧ ¬ b (a ∨ b) ∧ (a ∨ ¬ b) ∧ (¬a ∨ ¬ b)

A4(a, b) 0 0 1 1 a (a ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ b) (a ∨ b) ∧ (a ∨ ¬ b)

A5(a, b) 0 1 0 0 ¬ (b� a) ¬ a ∧ b (a ∨ b) ∧ (¬a ∨ b) ∧ (¬a ∨ ¬ b)

A6(a, b) 0 1 0 1 b (a ∧ b) ∨ (¬ a ∧ b) (a ∨ b) ∧ (¬a ∨ b)

A7(a, b) 0 1 1 0 a <≠> b (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ b) (a ∨ b) ∧ (¬a ∨ ¬ b)

A8(a, b) 0 1 1 1 a ∨ b (a ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ b) a ∨ b

A9(a, b) 1 0 0 0 a ↓ b ¬ a ∧ ¬ b (a ∨ ¬ b) ∧ (¬ a ∨ b) ∧ (¬ a ∨ ¬ b)

A10(a, b) 1 0 0 1 a ⇔ b (a ∧ b) ∨ (¬ a ∧ ¬ b) (a ∨ ¬ b) ∧ (¬ a ∨ b)

A11(a, b) 1 0 1 0 ¬b (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ ¬ b) (a ∨ ¬ b) ∧ (¬ a ∨ ¬ b)

A12(a, b) 1 0 1 1 b� a (a ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ ¬ b) a ∨ ¬ b

A13(a, b) 1 1 0 0 ¬a (¬a ∧ b) ∨ (¬a ∧ ¬ b) (¬a ∨ b) ∧ (¬ a ∨ ¬ b)

A14(a, b) 1 1 0 1 a� b (a ∧ b) ∨ (¬ a ∧ b) ∨ (¬a ∧ ¬ b) ¬ a ∨ b

A15(a, b) 1 1 1 0 a ↑ b (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ b) ∨ (¬a ∧ ¬ b) ¬ a ∨ ¬ b

A16(a, b) 1 1 1 1 1(a ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ b) ∨ (¬a ∧ b) ∨(¬a ∧ ¬ b)

1

(a ∧ b) � (¬b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c

0 0 0 1 1 1 0 1 0 1 1

0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0

0 0 1 1 0 0 0 1 1 1 1

0 0 1 1 0 1 1 1 1 1 0

1 0 0 1 1 1 0 1 0 1 1

1 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0

1 1 1 0 0 0 0 0 1 1 1

1 1 1 1 0 1 1 1 1 1 0

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2 - 38 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Nun ersetzen wir in der konstantenfreien Form� und ⇔:

(a ∧ b)� (¬ b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c ≡ Satz 2.19¬ (a ∧ b) ∨ (¬ b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c ≡ Satz 2.14(¬ a ∨ ¬ b) ∨ (¬b ∨ c) ⇔ b ∨ ¬ c ≡ Satz 2.17¬ a ∨ ¬ b ∨ c ⇔ b ∨ ¬ c ≡ Satz 2.19((¬a ∨ ¬ b ∨ c)� (b ∨ ¬ c)) ∧ (( b ∨ ¬ c)� (¬ a ∨ ¬ b ∨ c)) ≡ Satz 2.19

Boole-basierte Form (¬(¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ∨ (b ∨ ¬ c)) ∧ (¬( b ∨ ¬ c) ∨ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c)).

Gesucht ist nun eine logisch äquivalente DNF; dazu vereinfachen wir weiter:

(¬(¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ∨ (b ∨ ¬ c)) ∧ (¬( b ∨ ¬ c) ∨ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c)) ≡ Satz 2.14((¬¬ a ∧ ¬¬ b ∧ ¬ c) ∨ b ∨ ¬ c) ∧ ((¬ b ∧ ¬¬ c) ∨ ¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.13((a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ b ∨ ¬ c) ∧ ((¬ b ∧ c) ∨ ¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.17

KNF (b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c).

Wir haben eine Konjunktion von zwei Disjunktionen, also eine KNF gefunden - das istzwar nicht das Gesuchte, aber auch nicht schlecht. Durch Anwenden einer Distributiv-regel („Ausmultiplizieren“) erhalten wir:

(b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.17(b ∧ ¬ a) ∨ (b ∧ ¬ b) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬c ∧ ¬ a) ∨ (¬c ∧ ¬ b) ∨ (¬c ∧ c) ≡ Satz 2.14(b ∧ ¬ a) ∨ 0 ∨ (b ∧ c) ∨ (¬ c ∧ ¬ a) ∨ (¬ c ∧ ¬ b) ∨ 0 ≡ Satz 2.17(b ∧ ¬ a) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬c ∧ ¬ a) ∨ (¬c ∧ ¬ b) ≡ Satz 2.17

DNF (¬ a ∧ b) ∨ (¬ a ∧ ¬ c) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬b ∧ ¬ c).

Dies ist eine gesuchte DNF aus vier K-Termen. Von dieser ausgehend konstruieren wireine KDNF:

(¬ a ∧ b) ∨ (¬ a ∧ ¬ c) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬b ∧ ¬ c) ≡ Satz 2.17(¬ a ∧ b ∧ 1) ∨ (¬ a ∧ 1 ∧ ¬ c) ∨ (1 ∧ b ∧ c) ∨ (1 ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ≡ Satz 2.14

(¬ a ∧ b ∧ (c ∨ ¬ c)) ∨ (¬a ∧ (b ∨ ¬ b) ∧ ¬ c) ∨ ((a ∨ ¬ a) ∧ b ∧ c) ∨((a ∨ ¬ a) ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ≡ Satz 2.17

(¬ a ∧ b ∧ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ∨(a ∧ b ∧ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ≡ Satz 2.17

(¬ a ∧ b ∧ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ∨ (a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ≡KDNF (a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ∨ (¬a ∧ b ∧ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬a ∧ ¬ b ∧ ¬ c).

Die KDNF hat fünf Minterme. Die jetzt noch gesuchte logisch äquivalente KKNF ent-wickeln wir entsprechend aus der KNF:

(b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.17(0 ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.14((a ∧ ¬ a) ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ≡ Satz 2.17

KKNF (a ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c).

Die KKNF hat drei Maxterme. Soll die Aussage mittels einer kanonischen Normalformberechnet werden, so ist offenbar die KKNF, die fünf einstellige und acht zweistelligeOperationen benötigt, günstiger als die KDNF mit acht einstelligen und 14 zweistelli-gen. Auch bei den Normalformen ist die KNF günstiger als die obige DNF. Diese DNFist allerdings nicht die einfachste. Die DNFen

Minimale DNF (¬ a ∧ b) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬b ∧ ¬ c),

(¬ a ∧ ¬ c) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬b ∧ ¬ c)

sind äquivalent, aber einfacher, kürzer. �

Minimale Aussage Eine Aussage oder Normalform heißt minimal bzgl. einer Operationenmenge OM,wenn es keine logisch äquivalente Aussage bzw. Normalform mit weniger Operationenaus OM gibt. Minimale Aussagen und Normalformen bieten minimalen Aufwand zu

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2.1 Aussagenlogik 2 - 39

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

ihrer Implementation und Interpretation. Der Implementationsaufwand entspricht inder Digitaltechnik der Anzahl der Gatter, also den Kosten der Bauelemente, in der Pro-grammierung dem Umfang des Programmcodes, also dem Speicherplatzbedarf. DerAufwand zur Interpretation oder Berechnung entspricht in der Digitaltechnik derSchaltzeit des Schaltkreises, in der Programmierung der Auswertungszeit des Aus-drucks.

Wie findet man minimale Aussagen? Es gibt theoretisch fundierte Minimierungsver-fahren, mit denen man z.B. aus kanonischen Normalformen minimale Normalformengewinnt, siehe z.B. [6], [25]. Solche Verfahren sind in der Digitaltechnik wichtig, dahier komplexe Schaltfunktionen möglichst effizient zu realisieren sind. Dagegenbraucht man sie beim Programmieren selten, da die hier vorkommenden booleschenAusdrücke meist überschaubar bleiben, sodass sie sich intuitiv minimieren lassen.

Für A ∈ A bezeichne

dnf(A) eine zu A logisch äquivalente DNF,knf(A) eine zu A logisch äquivalente KNF.

Satz 2.32Dualität derNormalformen

Beweis folgt direkt aus Theorem 2.16, Dualitätstheorem der Aussagenlogik. Ausführ-lich: (1) Negiert man dnf(A) doppelt und wendet die de morganschen Regeln auf dieinnere Negation an, so erhält man ¬ knf(¬ A). (2) ist eine Umformulierung von (1). �

Man kann also eine KNF konstruieren, indem man eine DNF der negierten Aussagekonstruiert und diese dann negiert, d.h. strikt dualisiert.

Beispiel 2.4Konstruktion einer KNFmittels einer DNF

Wir zeigen diese Methode anhand der in Beispiel 2.3 verwendeten Aussage

A := (¬ a ∧ b) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬ b ∧ ¬ c).

Die negierte Aussage ist

¬ A = ¬((¬a ∧ b) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬ b ∧ ¬ c)).

Gesucht ist zunächst eine dazu logisch äquivalente DNF:

¬ ((¬ a ∧ b) ∨ (b ∧ c) ∨ (¬b ∧ ¬ c)) ≡ Satz 2.14¬ (¬a ∧ b) ∧ ¬ (b ∧ c) ∧ ¬ (¬b ∧ ¬ c) ≡ Satz 2.14(¬¬ a ∨ ¬ b) ∧ (¬ b ∨ ¬ c) ∧ (¬¬ b ∨ ¬¬ c) ≡ Satz 2.13

knf(¬ A) (a ∨ ¬ b) ∧ (¬ b ∨ ¬ c) ∧ (b ∨ c) ≡ Satz 2.17

(a ∧ ¬ b ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ c ∧ b) ∨ (a ∧ ¬ c ∧ c) ∨(¬ b ∧ ¬ b ∧ b) ∨ (¬ b ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (¬ b ∧ ¬ c ∧ b) ∨ (¬b ∧ ¬ c ∧ c) ≡ Satz 2.17

(a ∧ 0) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ c ∧ b) ∨ (a ∧ 0) ∨0 ∨ (¬b ∧ c) ∨ (¬ b ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ b ∧ 0 ) ≡ Satz 2.17

0 ∨ (a ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ c ∧ b) ∨ 0 ∨ 0 ∨ (¬b ∧ c) ∨ (0 ∧ ¬ c) ∨ 0 ≡ Satz 2.17

(a ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬b ∧ c) ≡ Satz 2.14

dnf(¬ A) (a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ b ∧ c).

Nochmal Negieren ergibt

¬ dnf(¬ A) ¬ ((a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬b ∧ c)) ≡ Satz 2.14

¬ (a ∧ b ∧ ¬ c) ∧ ¬ (¬ b ∧ c) ≡ Satz 2.14

(¬ a ∨ ¬ b ∨ ¬¬ c) ∧ (¬¬ b ∨ ¬ c) ≡ Satz 2.14

knf(A) (¬ a ∨ ¬ b ∨ c) ∧ (b ∨ ¬ c).

Für jede Aussage A ∈ A gilt:

(1) dnf(A) ≡ ¬knf(¬ A) ≡ knf(¬ A).

(2) knf(A) ≡ ¬dnf(¬ A) ≡ dnf(¬ A).

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2 - 40 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Diese KNF ist logisch äquivalent zur KNF in Beispiel 2.3. Wir haben das Umformenvon ¬ dnf(¬ A) zu knf(A) ausführlich gezeigt. Offenbar erhält man knf(A) schnellerdurch striktes Dualisieren von dnf(¬ A). �

Die im Beweis zu Satz 2.30 skizzierte Methode des algebraischen Umformens kannmühsam sein (wie in Beispiel 2.3). Deshalb demonstrieren wir eine Methode, die aufBelegungen und Wahrheitstabellen basiert. Sie ist sowohl einfacher als auch allgemei-ner, da sie auf beliebige Aussagefunktionen anwendbar ist.

Die folgenden Beispiele verwenden wieder die Variablen a, b, c. Belegungen stellenwir als Tripel (beleg(a), beleg(b), beleg(c)) dar, z.B. (1, 0, 1).

Satz 2.33Eindeutige Belegungzu Min- und Maxterm

Beweis direkt durch Nachdenken. �

Beispiele Der Minterm a ∧ ¬ b ∧ c ist genau für die Belegung (1, 0, 1) wahr.

Der Maxterm ¬ a ∨ ¬ b ∨ c ist genau für die Belegung (1, 1, 0) falsch.

Satz 2.34Min- und Maxterme zuBelegung

Beweis. Der Minterm Kbeleg ist offenbar für die Belegung beleg wahr. Nach Satz 2.33ist er nur für beleg wahr. Daher ist er logisch äquivalent zu A. �

Beispiele Ist die Aussagefunktion A : lB3 → lB durch

A(a, b, c) :=

gegeben, so ist A ≡ a ∧ b ∧ ¬ c.

Ist K = K(a1,.., an) = F1 ∧ ... ∧ Fn mit n ∈ lN ein Minterm, so gibt es genau eine Bele-gung belegK der Variablen a1,.., an, für die K wahr ist, nämlich

belegK(ai) := für i = 1,.., n.

Ist D = D(a1,.., an) = F1 ∨ ... ∨ Fn mit n ∈ lN ein Maxterm, so gibt es genau eine Bele-

gung belegD der Variablen a1,.., an, für die D falsch ist, nämlich

belegD(ai) := für i = 1,.., n.

0 falls Fi ai¬=

1 falls Fi ai=�

0 falls Fi ai=

1 falls Fi ai¬=�

Ist die Aussagefunktion A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN für genau eine Belegung beleg der

Variablen a1,.., an wahr, so ist A logisch äquivalent zu dem Minterm

Kbeleg := F1 ∧ ... ∧ Fn mit Fi := für i = 1,.., n.

Ist A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN für genau eine Belegung beleg der Variablen a1,.., an

falsch, so ist A logisch äquivalent zu dem Maxterm

Dbeleg := F1 ∨ ... ∨ Fn mit Fi := für i = 1,.., n.

ai falls beleg ai( ) 1=

a¬ i falls beleg ai( ) 0=�

ai falls beleg ai( ) 0=

a¬ i falls beleg ai( ) 1=�

1 falls a b 1, c 0= = =0 sonst�

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2.1 Aussagenlogik 2 - 41

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Ist die Aussagefunktion A : lB3 → lB durch

A(a, b, c) :=

gegeben, so ist A ≡ ¬a ∨ b ∨ ¬ c.

Nach Satz 2.33 und Satz 2.34 gibt es bijektive Beziehungen zwischen

� Mintermen und so genannten Wahr-Belegungen und

� Maxtermen und so genannten Falsch-Belegungen der Wahrheitstabellen.

Minterme entsprechen n-Tupeln aus 0en und 1en mit ai ↔ 1, ¬ ai ↔ 0.

Maxterme entsprechen n-Tupeln aus 0en und 1en mit ai ↔ 0, ¬ai ↔ 1.

Satz 2.35Anzahl der Min- undMaxterme

Beweis. Kurz: Es gibt genau so viele Minterme wie n-Tupel aus 0en und 1en. Ausführ-lich: Jede der Variablen a1,.., an hat zwei Möglichkeiten, in einem Minterm vorzukom-

men: negiert oder nicht negiert. Damit ergeben sich 2n Möglichkeiten für Minterme,ohne die Anordnung der Variablen zu berücksichtigen. Jeder Minterm ist für genau eineBelegung wahr. Diese Belegungen sind paarweise verschieden. Also sind die Mintermepaarweise nicht logisch äquivalent. �

Satz 2.36Eindeutige Belegungenzu KDNFen undKKNFen

Beweis. Für j = 1,.., l gilt: Für belegKj ist Kj wahr, also auch A. Für alle anderen Bele-

gungen sind alle K1,.., Kl falsch, also auch A. �

Beispiele Die KDNF aus Beispiel 2.3

(a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ ¬ c) ∨ (¬a ∧ b ∧ c)) ∨ (¬a ∧ b ∧ ¬ c) ∨ (¬ a ∧ ¬ b ∧ ¬ c)

ist genau für die Belegungen (1, 1, 1), (1, 0, 0), (0, 1, 1), (0, 1, 0), (0, 0, 0) wahr.

Die KKNF aus Beispiel 2.3

(a ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬ a ∨ ¬ b ∨ c).

ist genau für die Belegungen (0, 0, 1), (1, 0, 1), (1, 1, 0) falsch.

Satz 2.37KDNFen und KKNFenzu Belegungen

0 falls a c 1, b 0= = =1 sonst�

Zu den Variablen a1,.., an mit n ∈ lN0 gibt es 2n paarweise nicht logisch äquivalente

Minterme und 2n paarweise nicht logisch äquivalente Maxterme.

Ist A = A(a1,.., an) = K1 ∨ ... ∨ Kl mit n ∈ lN eine KDNF mit den Mintermen K1,.., Kl,

so gibt es genau l Belegungen der Variablen a1,.., an, für die A wahr ist, nämlich dieBelegungen belegKj zu den Mintermen Kj gemäß Satz 2.33.

Ist A = A(a1,.., an) = D1 ∧ ... ∧ Dl mit n ∈ lN eine KKNF mit den MaxtermenD1,.., Dl, so gibt es genau l Belegungen der Variablen a1,.., an, für die A falsch ist,

nämlich die Belegungen belegDj zu den Maxtermen Dj gemäß Satz 2.33.

Ist die Aussagefunktion A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN für genau die Belegungen

beleg1,.., belegl der Variablen a1,.., an wahr und sind Kj := Kbelegj für j = 1,.., l dieMinterme zu diesen Belegungen gemäß Satz 2.34, so ist A logisch äquivalent zu derKDNF K1 ∨ ... ∨ Kl.

Ist die Aussagefunktion A = A(a1,.., an) mit n ∈ lN für genau die Belegungenbeleg1,.., belegl der Variablen a1,.., an falsch und sind Dj := Dbelegj für j = 1,.., l die

Maxterme zu diesen Belegungen gemäß Satz 2.34, so ist A logisch äquivalent zu derKKNF D1 ∧ ... ∧ Dl.

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2 - 42 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Beweis. A und K1 ∨ ... ∨ Kl sind für genau dieselben Belegungen belegKj, j = 1,.., l,wahr. �

Beispiel 2.5KonstruktionkanonischerNormalformen mit derBelegungsmethode

Ist die Aussagefunktion A : lB3 → lB durch

A(a, b, c) :=

gegeben, so ist A ≡ (a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ b ∧ ¬ c).

Ist die Aussagefunktion A : lB3 → lB durch

A(a, b, c) :=

gegeben, so ist A ≡ (¬ a ∨ b ∨ ¬ c) ∧ (¬a ∨ ¬ b ∨ ¬ c). �

KDNF oder KKNF? Ist eine Aussagefunktion für höchstens die Hälfte aller Belegungen wahr, so ist ihreDarstellung als KDNF günstiger: Bilde zu allen Wahr-Belegungen die Minterme undverknüpfe diese disjunktiv.

Ist eine Aussagefunktion für höchstens die Hälfte aller Belegungen falsch, so ist ihreDarstellung als KKNF günstiger: Bilde zu allen Falsch-Belegungen die Maxterme undverknüpfe diese konjunktiv.

Wenden wir diese Methode auf die Wahrheits-Tabelle 2.18 der in Beispiel 2.3 gegebe-nen Aussage an, so erhalten wir dieselbe KDNF und dieselbe KKNF wie mit der alge-braischen Methode - aber schneller. Daher ist die Belegungsmethode in der Digital-technik für die Logiksynthese wichtig, um zu einer Schaltfunktion schnell einimplementierendes Schaltnetz zu konstruieren.

Satz 2.38Anzahl der KDNFenund KKNFen

Beweis. Da es nach Satz 2.26 verschiedene Aussagefunktionen gibt und nach

Satz 2.37 zu jeder Aussagefunktion eine logisch äquivalente KDNF, muss espaarweise nicht logisch äquivalente KDNFen geben. �

Die Ergebnisse fassen wir in einem Theorem zusammen.

Theorem 2.39Normalformen zuAussagefunktionen

Damit ist gezeigt - wie in 2.1.6 angedacht -, dass sich jede Aussagefunktion durcheinen induktiv definierten aussagenlogischen Ausdruck darstellen und durch ein digita-les Schaltnetz implementieren lässt.

1 falls a b 1, c= = beliebig

0 sonst�

0 falls a c 1, b= = beliebig

1 sonst�

Zu den Variablen a1,.., an mit n ∈ lN0 gibt es paarweise nicht logisch äquiva-

lente KDNFen und paarweise nicht logisch äquivalente KKNFen.

22

n( )

22

n( )

22

n( )

22

n( )

Zu jeder Aussagefunktion A : lBn → lB mit n ∈ lN0 gibt es eine logisch äquivalente

(1) DNF;

(2) KNF;

(3) KDNF, die bis auf die Reihenfolge der Minterme und der Faktoren in den Min-termen eindeutig bestimmt ist;

(4) KKNF, die bis auf die Reihenfolge der Maxterme und der Faktoren in denMaxtermen eindeutig bestimmt ist.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 43

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Korollar 2.40

Der folgende Satz stellt Spezialfälle zusammen.

Satz 2.41Allgemeingültige undwidersprüchlicheNormalformen

Nutzt man Normalformen zur Analyse von Aussagen, so gilt: Wegen Satz 2.41 (1) und(4) eignen sich DNFen gut, um Widersprüche zu erkennen. Wegen Satz 2.41 (2) und (5)eignen sich KNFen gut, um Tautologien zu erkennen.

Zum Abschluss des Abschnitts über die Aussagenlogik stellen wir die diskutiertenBeziehungen und Methoden der Transformation zwischen den verschiedenen Formenvon Aussagen zusammen.

Bild 2.4Transformation derFormen von Aussagen

2.2 PrädikatenlogikDie Prädikatenlogik ist eine Erweiterung der Aussagenlogik. Während die Aussagenlo-gik Aussagen als Ganzes betrachtet, zerlegt die Prädikatenlogik Aussagen in Bestand-teile: Subjekte, Prädikate und quantifizierende Teile. Dadurch ist die Prädikatenlogikbeschreibungsmächtiger als die Aussagenlogik. In der Mathematik und der Informatikist die Prädikatenlogik unentbehrlich.

2.2.1 Einführung

Den Begriff „Aussage“ haben wir bisher lasch an Stellen benutzt, wo korrekterweise„Aussageform“ stehen müsste. Worin unterscheiden sich Aussagen und Aussagefor-men?

Zu jeder Aussagefunktion A : lBn → lB mit n ∈ lN0 gibt es eine logisch äquivalente

Aussage B ∈ A.

(1) Eine DNF ist widersprüchlich genau dann, wenn in jedem K-Term wenigstenseine Variable negiert und unnegiert, oder 0 vorkommt.

(2) Eine KNF ist allgemeingültig genau dann, wenn in jedem D-Term wenigstenseine Variable negiert und unnegiert, oder 1 vorkommt.

(3) Eine KDNF ist allgemeingültig genau dann, wenn alle 2n Minterme in ihr vor-kommen.

(4) Eine KDNF ist widersprüchlich genau dann, wenn sie eine leere Disjunktionvon Mintermen ist.

(5) Eine KKNF ist allgemeingültig genau dann, wenn sie eine leere Konjunktionvon Maxtermen ist.

(6) Eine KKNF ist widersprüchlich genau dann, wenn alle 2n Maxterme in ihr vor-kommen.

Wahrheitstabelle

interpretieren

Aussage mit

Min-/Maxterme bilden

W-/F-Belegungen bilden

kanonische Normalform

erweitern

algebraisch umformen

vereinfachen

Normalformbeliebigen Operationen

interpretieren

algebraischumformen

Wahrheitstabelle

Aussage mitbeliebigen Operationen

Belegungsmethode

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2 - 44 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Aussage 1 ∈ {1, 2}

ist eine Aussage, der wir eindeutig den Wahrheitswert wahr zuordnen können, da darinals Operanden nur ein konstantes Element und eine konstante Menge vorkommen.Dagegen ist

Aussageform x ∈ Μkeine Aussage, da wir weder über den Wert der Elementvariablen x noch die Elementeder Mengenvariablen M etwas wissen. Es handelt sich um eine Aussageform; die darinvorkommenden Variablen heißen freie Variablen. Dem Gebilde

Für x = 1 und M = {1, 2} gilt: x ∈ Μkönnen wir den Wahrheitswert wahr zuordnen. Es handelt sich um eine Aussage; diedarin vorkommenden Variablen sind durch die Gleichungen x = 1 und M = {1, 2}gebunden. Fortan unterscheiden wir freie und gebundene Variablen. Wir stellen fest:

� Eine Aussageform entspricht einer Eigenschaft gewisser Objekte.

� Eine Aussageform enthält mindestens eine freie Variable.

� Aus einer Aussageform erhält man eine Aussage, indem man z.B. alle frei in ihrvorkommenden Variablen mit einem Wert belegt.

Damit entspricht die Unterscheidung zwischen Aussageform und Aussage der zwi-schen einer Relation R und einem Element x ∈ R oder auch der zwischen einer Abbil-dung f und einem Bild f(x). Als Beispiel formalisieren wir die Aussageform

x ist eine Primzahl,

indem wir

prim(x) oder prim(.)

schreiben. Bezeichnen wir die Menge der Primzahlen mit Prim, so gilt

Prim = {x | x ist Primzahl} = {x | prim(x)}

sowie

Für alle x gilt: (x ∈ Prim ⇔ prim(x)).

Das Beispiel zeigt, dass sich Aussageformen mit genau einer freien Variablen und ein-stellige Relationen, also Teilmengen, bijektiv einander zuordnen lassen. Ähnlich gehenwir bei Aussageformen mit mehreren freien Variablen vor, z.B.

Teilt := {(x, y) | teilt(x, y)} := {(x, y) | x teilt y};

Für alle x, y gilt: ((x, y) ∈ Teilt ⇔ teilt(x, y)).

Wir nutzen hier Groß-/Kleinschreibung, um zwischen der Relation und der Aussage-form zu unterscheiden. Die Relation ist eine Menge, die Aussageform entspricht dercharakteristischen Funktion dieser Menge (→ Beispiel S. 1-28). Zur Vereinfachungverzichten wir auf diese Unterscheidung: Wir identifizieren Relationen mit den ihnenzugeordneten Aussageformen, also den charakteristischen Funktionen der Relationen,und nennen sie Prädikate.

2.2.2 Prädikate und QuantorenDefinition 2.42Prädikat

Belegung Aus Prädikaten entstehen Aussagen, indem wir alle Variablen mit Werten belegen, z.B.

prim(2), teilt(3, 4),

Ein Prädikat (Aussageform, predicate) P ist eine n-stellige Relation auf einer Indivi-duenmenge M. Statt (x1,.., xn) ∈ P schreiben wir bevorzugt P(x1,.., xn) (→ Definition

1.32 S. 1-31). Ein einstelliges Prädikat heißt auch Eigenschaft.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 45

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Quantifizierung oder indem wir sie quantifizieren. Die Umgangssprache bietet dazu viele Möglichkei-ten. Auf die Frage

Für wieviele x gilt prim(x)?

sind mögliche Antworten:

Für kein x, ein x, mindestens ein x, höchstens ein x, zwei x, tausend x, wenige x,gewisse x, ein paar x, manche x, einige x, viele x, fast alle x, alle x bis auf..., alle x,beliebige x, jedes x, usw.

Quantor Diese sprachlichen Gebilde sind Quantoren. Der klassischen Logik genügen zweiQuantoren:

� der Allquantor (Generalisator) „für alle“, „für jedes“, als Symbol ∀ oder ∧ ;

� der Existenzquantor (Partikularisator) „es existiert ein“, „es gibt ein“, „für minde-

stens ein“, als Symbol ∃ oder ∨ .

Schreibweisen Jeder Quantor bindet eine Individuenvariable. Die Symbole für die Quantoren erlaubenes, Ausdrücke kompakt zu notieren. Drei gleich bedeutende Schreibweisen sind z.B.:

(1) Für alle x gilt: teilt(x, y).

∀ x : teilt(x, y).

teilt(x, y).

(2) Es gibt ein x, sodass für alle y gilt: teilt(x, y).

∃ x ∀ y : teilt(x, y).

teilt(x, y).

Freie und gebundeneVariable

Der Unterschied zwischen freien und gebundenen Variablen sei hier verdeutlicht. In

teilt(x, y)

sind x und y frei, in

{(x, y) | teilt(x, y)}

durch den Mengenkonstruktor „die Menge aller (x, y) mit der Eigenschaft“ gebunden.In (1) ist x durch den Allquantor gebunden, y ist frei. In (2) ist x durch den Existenz-quantor, y durch den Allquantor gebunden.

Klassifikation vonAussagen

Die Rolle der Quantoren wird klar, wenn wir Aussagen klassifizieren.

1 + 1 = 2

ist eine singuläre Aussage.

x = x

ist eine generelle, allgemeingültige Aussageform, da sie für alle x gilt; ausgedrücktdurch

∀ x : x = x.

Dagegen ist

y = x + 1

eine existenzielle, erfüllbare Aussageform, da sie nur für gewisse x, y gilt; ausgedrücktdurch die Aussageformen

∃ x : y = x + 1,∃ y : y = x + 1

oder Aussagen wie

∧x

∨x

∧y

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2 - 46 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

∃ x ∃ y : y = x + 1,∀ x ∃ y : y = x + 1.

Schließlich ist

x = x + 1

eine widersprüchliche, unerfüllbare Aussageform, da sie für kein x gilt; ausgedrücktdurch ihr generelles Gegenteil

¬∃ x : x = x + 1,∀ x : ¬x = x + 1, oder∀ x : x ≠ x + 1.

Aussageformen, die Variablen enthalten, werden also nur zusammen mit Quantoren zuAussagen. Anders formuliert: Mathematische Sätze ohne Quantoren können keineVariablen enthalten, sie bleiben auf singuläre Aussagen beschränkt.

Quantorsymbole Die Symbole ∀ und ∃ , ein vertikal gespiegeltes A für den Allquantor und ein horizontalgespiegeltes E für den Existenzquantor, ermöglichen die lineare Notation auf einer

Zeile. Die Symbole ∧ und ∨ , die den aussagenlogischen Operationssymbolen ∧ und ∨gleichen, verdeutlichen wie eng der Allquantor „für alle“ mit der Konjunktion„und...und...und...“, der Existenzquantor „für mindestens ein“ mit der Disjunktion

„oder...oder...oder...“ zusammenhängt. Gewissermassen sind ∧ und ∨ Abkürzungen

für Konjunktionen bzw. Disjunktionen mit ggf. unendlich vielen Faktoren, ähnlich wiedas Symbol eine Abkürzung für Summen mit vielen Summanden darstellt:

= x1 + ... + xn, .

Ai = A1 ∧ ... ∧ An, P(x), ∀ x ∈ M : P(x).

Ai = A1 ∨ ... ∨ An, P(x), ∃ x ∈ M : P(x).

∧ , ∨ sind zwar suggestiver als ∀ , ∃ , aber nur in zweidimensionaler Notation gut lesbar. Da diesemit unserem Textsystem relativ aufwändig zu schreiben ist, bevorzugen wir in diesem Skriptrein pragmatisch die lineare Notation mit ∀ , ∃ .

Abkürzungen Oft nutzen wir abkürzende Schreibweisen, die quantifizierten Variablen gleichzeitigeine Individuenmenge zuordnen. So ist

∀ x ∈ M : P(x) zu lesen als ∀ x : (x ∈ M � P(x)),∃ x ∈ M : P(x) zu lesen als ∃ x : (x ∈ M ∧ P(x)),∀ x ∈ M, y ∈ N zu lesen als ∀ x ∈ M ∀ y ∈ N,∃ x ∈ M, y ∈ N zu lesen als ∃ x ∈ M ∃ y ∈ N,∀ x, y ∈ M zu lesen als ∀ x ∈ M, y ∈ M,∃ x, y ∈ M zu lesen als ∃ x ∈ M, y ∈ M.

Damit formalisieren wir einige bekannte Definitionen:

Definition 1.2 M = N :⇔ ∀ x : (x ∈ M ⇔ x ∈ N).

Definition 1.10 := {x | x ∈ M} = {x | ∀ M ∈ M : x ∈ M}.

Definition 1.26 f heißt Abbildung von M in N :⇔∀ x ∈ M : (∃ y ∈ N : (x, y) ∈ f ∧ ∀ y, z ∈ N : ((x, y), (x, z) ∈ f � y = z)).

Eine Abbildung ordnet jedem Urbild genau ein Bild zu. Der Existenzquantor drücktnur „es gibt mindestens ein“ aus. Wie bei der Abbildung ist oft „es gibt genau ein“ aus-

xii 1=

n

� xii I∈�

∧i 1 … n, ,{ }∈

∧x M∈

∨i 1 … n, ,{ }∈

∨x M∈

MM M∈∩ ∧

M M∈

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 47

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

zudrücken. „Genau ein“ ist äquivalent zu „mindestens ein“ und „höchstens ein“. DenSachverhalt „es gibt höchstens ein x mit der Eigenschaft P(x)“ beschreibt

Höchstens ein ∀ x, y : ((P(x) ∧ P(y)) � x = y)

relativ komplex. Deshalb verwendet man gern die Abkürzung

Genau ein ∃ 1x : P(x) für ∃ x : P(x) ∧ ∀ x, y : ((P(x) ∧ P(y)) � x = y).

Die Definition einer Abbildung lautet damit:

Definition 1.26 f heißt Abbildung von M in N :⇔ ∀ x ∈ M ∃ 1y ∈ N : (x, y) ∈ f.

Nach dieser informalen Einführung konstruieren wir die Prädikatenlogik als formaleSprache. Wie in 2.1 bei der Aussagenlogik legen wir das Alphabet, die Syntax und dieSemantik der Prädikatenlogik fest.

2.2.3 Alphabet der Prädikatenlogik

Wir betrachten die Variante der Prädikatenlogik erster Stufe mit Gleichheit undFunktionsnamen.

� Prädikatenlogik bedeutet, Formeln aus Quantoren und Prädikaten zu bilden.

� Erster Stufe bedeutet, nur Prädikate von Individuen zuzulassen. (Höhere Stufenbetrachten auch Prädikate von Prädikaten.)

� Mit Gleichheit bedeutet, die durch das Gleichheitszeichen „=“ dargestellte Relationals logische Grundrelation auf beliebigen Mengen aufzufassen und dazuzunehmen.(Die Definition 1.5 S. 1-3 setzt den Begriff „für alle Eigenschaften“ und damit diePrädikatenlogik zweiter Stufe voraus!)

� Mit Funktionsnamen bedeutet, zusätzlich zu Prädikaten auch Funktionen einzufüh-ren. Da Funktionen spezielle Relationen sind, gewinnt man keine Substanz, redu-ziert aber den Schreibaufwand und verbessert die Notation und Verständlichkeit derFormeln. „=“ erlaubt es, aus Funktionsnamen gebildete Terme zu vergleichen. Glei-chungen reichern die Formelmenge an.

Definition 2.43Alphabet derPrädikatenlogik

Gelegentlich sagen wir kurz Individuenvariable statt Individuenvariablenname odernoch kürzer Variable.

An die Stelle der Individuenkonstantennamen könnten nullstellige Funktionsnamen treten. Daswäre formal einfacher, aber Formeln wären schwerer lesbar.

Das Alphabet der Prädikatenlogik besteht aus

� Namen für Individuenkonstanten, für die wir ggf. indizierte Kleinbuchstabenvom Alphabetanfang verwenden: a, b, c, a1, a2,...;

� Namen für Individuenvariablen, für die wir ggf. indizierte Kleinbuchstaben vomAlphabetende verwenden: x, y, z, x1, x2,...;

� Namen für n-stellige Funktionen mit n ∈ lN, für die wir ggf. indizierte Klein-buchstaben ab f verwenden: f, g, h, f1, f2,...;

� Namen für n-stellige Prädikate mit n ∈ lN0, für die wir ggf. indizierte Großbuch-staben ab P verwenden: P, Q, R, P1, P2,...;

� dem Gleichheitszeichen =;

� den Konstanten 0, 1 der Aussagenlogik;

� den Operationssymbolen ¬ , ∧ , ∨ ,�, ⇔, <≠> der Aussagenlogik;

� den Quantorsymbolen ∀ (Allquantor, „für alle“) und ∃ (Existenzquantor, „esgibt ein“);

� den Klammern „(“ und „)“ und dem Doppelpunkt „:“.

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2 - 48 2 Logik

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Die Namen a, b, c,... für Konstanten und x, y, z,... für Variablen führte Descartes ein.

2.2.4 Syntax der Prädikatenlogik

Die Sprache der Prädikatenlogik ist eine Menge von Wörtern über dem Alphabet derPrädikatenlogik. Wie bei der Aussagenlogik konstruieren wir die Syntax dieser Spra-che induktiv.

Definition 2.44Termkalkül,PrädikatenlogischerTerm

Beispiele Nach den Syntaxregeln können wir prädikatenlogische Terme bilden, d.h. aus demTermkalkül ableiten, z.B.

a, konstanter atomarer Term

x, variabler atomarer Term

f(a), f(x), f(a, b), f(a, x), f(x, y), Funktionstermef(x, g(y, z)), f(g(a, x), h(b, y), z),f(f(f(x))), f(g(h(x), y), i(z)).

Die Teilterme des letzten Terms sind

f(g(h(x), y), i(z)),g(h(x), y),h(x),x,y,i(z),z.

Die Menge der prädikatenlogischen Terme ist genau durch endlichmaliges Anwen-den folgender Regeln gegeben:

(1) atomare Terme

Jeder Individuenkonstantenname a, b, c, a1, a2,... und jeder Individuenvaria-

blenname x, y, z, x1, x2,... ist ein prädikatenlogischer Term.

(2) Funktionsterme

Ist f ein n-stelliger Funktionsname und sind t1,.., tn prädikatenlogische Terme,so ist auch f(t1,.., tn) ein prädikatenlogischer Term.

Ein prädikatenlogischer Term t, der Teil eines prädikatenlogischen Terms s ist, heißtTeilterm von s.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 49

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 2.45Formelkalkül,PrädikatenlogischeFormel

Beispiele Nach den Syntaxregeln können wir prädikatenlogische Formeln bilden, d.h. aus demFormelkalkül ableiten, z.B. die atomaren Formeln

x = a, f(x, y) = g(z), Gleichungen

P(a), P(a, x), P(x, f(y, z)), Prädikatformeln

0 atomare aussagenlogische Formel

und die zusammengesetzten Formeln

¬ x = a, zusammengesetzte aussagenlogische Formeln(f(a, x) = g(y) ∧ P(b, z)),

(∀ x : f(x) = a ∨ ¬ P(y, g(y))), quantifizierte Formeln∃ x : (∀ y : f(x) = y� ∃ z : P(x, z)).

Die echten Teilformeln der letzten Formel sind

∀ y : f(x) = y� ∃ z : P(x, z),∀ y : f(x) = y,f(x) = y,∃ z : P(x, z),P(x, z).

Die Menge der prädikatenlogischen Formeln ist genau durch endlichmaligesAnwenden folgender Regeln gegeben:

atomare Formeln

(1) Gleichungen

Sind t und t´ prädikatenlogische Terme, so ist

t = t´

eine prädikatenlogische Formel.

(2) Prädikatformeln

Sind P ein n-stelliger Prädikatname und t1,.., tn prädikatenlogische Terme, so

ist

P(t1,.., tn)

eine prädikatenlogische Formel.

aussagenlogische Formeln

(3) atomare aussagenlogische Formeln

0 und 1

sind prädikatenlogische Formeln.

(4) zusammengesetzte aussagenlogische Formeln

Sind ϕ und η prädikatenlogische Formeln, so sind auch

¬ϕ , (ϕ ∧ η ), (ϕ ∨ η ), (ϕ � η), (ϕ ⇔ η ), (ϕ <≠> η)

prädikatenlogische Formeln.

quantifizierte Formeln

(5) Sind x ein Individuenvariablenname und ϕ eine prädikatenlogische Formel, sosind

∀ x : ϕ und ∃ x : ϕprädikatenlogische Formeln.

Eine prädikatenlogische Formel ϕ, die Teil einer prädikatenlogischen Formel η ist,heißt Teilformel von η.

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2 - 50 2 Logik

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Diese Formeln sind inhaltsleer. Sie füllen sich mit Inhalt durch Festlegungen ihrerSemantik, indem ihnen Individuenmengen und konkrete Funktionen und Prädikatezugeordnet werden (→ 2.2.5).

Wie bei der Aussagenlogik ist sicherzustellen, dass Formeln eindeutig zerlegbar sind.

Satz 2.46Eindeutigkeit derSyntaxdefinition

Der Satz beruht auf der Klammerung von Teilformeln. Die Syntax ist redundant. DerDoppelpunkt „:“ ist für die Eindeutigkeit nicht notwendig, er soll als syntaktischerZucker die Lesbarkeit verbessern; er liest sich als „gilt“.

2.2.4.1 Klammerung und Vorrangregeln

Die Syntax definiert die Prioritätsstufen

=, {∀ , ∃ , ¬}, {∧ , ∨ ,�, ⇔, <≠>}.

von hoch nach niedrig. Wir ergänzen sie (konsistent mit 2.1.5.2) zu

Vorrangregeln =, {∀ , ∃ , ¬}, {∧ , ∨ ,�}, {⇔, <≠>}.

von hoch nach niedrig, um Klammern zu sparen. Außerdem lassen wir

� Außenklammern,

� überflüssige Klammern bei assoziativen Operationen, und

� Doppelpunkte vor Quantoren

weg. Aus

Beispiele (∀ x : (∃ y : ((ϕ ∧ η ) ∧ κ )� ∀ z : λ) ∨ µ )

ergibt sich durch Entfernen der Außen- und Assoziativklammern

∀ x : (∃ y : (ϕ ∧ η ∧ κ )� ∀ z : λ) ∨ µ .

Man erkennt, dass die „:“ redundant sind. Aus

∃ x : ∀ y : ϕ

ergibt sich

∃ x ∀ y : ϕ.

2.2.4.2 Syntaktische Eigenschaften von Variablen und FormelnWirkungsbereich In einer quantifizierten Formel

∀ x : ϕ oder ∃ x : ϕ

heißt ϕ der Wirkungsbereich des Quantors ∀ bzw. ∃ .

Freie und gebundeneVariable

Der Zustand einer Variablen ist induktiv über den Aufbau der Formeln definiert: In ato-maren Formeln sind alle darin vorkommenden Variablen frei, keine ist gebunden.Aussagenlogische Operationen belassen den Zustand der Variablen. Ist q ∈ {∀ , ∃ }, soist x (durch q) gebunden (quantifiziert) und nicht frei in qx : ϕ.

Quantorenfreie undgeschlossene Formel

Eine Formel heißt quantorenfrei (offen), wenn sie keine Quantoren; geschlossen,wenn sie keine freien Variablen enthält.

Beispiele (a = b) ∧ 0 quantorenfrei, geschlossen

P(x, y) x, y frei, quantorenfrei, nicht geschlossen

∀ x ∃ y : P(x, y) x, y gebunden, nicht quantorenfrei, geschlossen

∀ x : P(y) x gebunden, y frei, nicht quantorenfrei, nicht geschlossen

Jede prädikatenlogische Formel lässt sich auf genau eine Weise aus atomarenBestandteilen konstruieren.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 51

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Geschlossene Formeln entsprechen Aussagen, sie können falsch oder wahr sein. Nichtgeschlossene Formeln entsprechen Prädikaten ihrer freien Variablen. Allgemein gilt:

Satz 2.47Binden freier Variablen

Beispiel Die Eigenschaft natürlicher Zahlen, Primzahl zu sein, lässt sich so definieren:

prim(x) := x ∈ lN ∧ x ≠ 1 ∧ ∀ y ∈ lN : (teilt(y, x)� (y = 1 ∨ y = x)).

Die Formel ist nicht geschlossen, da x frei vorkommt.

Abschlüsse einerFormel

Sind ϕ eine prädikatenlogische Formel und x1,.., xn die freien Variablen in ϕ, so heißen

∀ x1 ... ∀ xn : ϕ universeller Abschluss und

∃ x1 ... ∃ xn : ϕ existenzieller Abschluss

von ϕ.

Bereinigte Formel Eine Variable kann in einer Formel sowohl frei als auch gebunden - ja sogar mehrfachgebunden - vorkommen. Solche Formeln sind weniger verständlich als bereinigte For-meln. Dabei heißt eine prädikatenlogische Formel ϕ bereinigt, wenn jede Variable in ϕentweder frei oder einfach gebunden vorkommt, d.h. alle gebundenen Variablen vonden freien Variablen verschieden sind und keine Variable durch mehrere Quantorengebunden ist.

Beispiele ∃ x ∀ y : (P(x, y) ∧ ∃ z : Q(y, z)) bereinigt

P(x, y) ∧ ∀ x : (Q(x) ∧ ∃ y ∀ z : (R(y, z) ∧ ∃ x : S(x, z))) nicht bereinigt

Die letzte Formel wirft das Problem auf, welches der drei x in S(x, z) und welches derzwei y in R(y, z) gemeint ist. Die vernünftige Regel lautet:

Bindungsregel Kommt eine Variable x in einer Formel in mehreren Zuständen vor, so ist an jederStelle der Zustand wirksam, der durch den nächsten Quantor bewirkt ist, falls xgebunden ist, sonst ist x frei.

Damit ist in S(x, z) das an ∃ x gebundene x, in R(y, z) das an ∃ y gebundene y wirksam.

Um eine Formel verständlicher zu machen - zu bereinigen -, kann man gebundeneVariablen geeignet umbenennen. Dabei darf sich die Bedeutung einer Formel nichtändern. Deshalb ist zuvor die Semantik von Formeln zu klären.

Sind ϕ = ϕ(x1,.., xn) eine prädikatenlogische Formel und x1,.., xn mit n ∈ lN die freien

Variablen in ϕ, so sind für i = 1,.., n

∀ x : ϕ(x1,.., xi−1, x, xi+1,.., xn) und

∃ x : ϕ(x1,.., xi−1, x, xi+1,.., xn)

prädikatenlogische Formeln mit den freien Variablen x1,.., xi−1, xi+1,.., xn und der

gebundenen Variablen x.

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2 - 52 2 Logik

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2.2.5 Semantik der Prädikatenlogik

Die Semantik der Prädikatenlogik definieren wir analog zur Semantik der Aussagenlo-gik über Bindungen und Belegungen der Namen und Interpretationen der Formeln, diewir induktiv über den Aufbau der Formeln konstruieren.

Individuenmenge Zuerst ist eine nicht leere Individuenmenge (Universum) M zu wählen.

2.2.5.1 Bindung

Die Bindung zu M ordnet allen Namen, Termen und Formeln Mengen zu.

� Alle Individuenkonstantennamen werden an M gebunden:

a, b, c, a1, a2,... ∈ M.

� Alle Individuenvariablennamen werden an M gebunden:

x, y, z, x1, x2,... ∈ M.

� Alle n-stelligen Funktionsnamen werden an gebunden, d.h.

f, g, h, f1, f2,... stellen Funktionen Mn → M dar.

� Alle n-stelligen Prädikatnamen werden an P(Mn) gebunden, d.h.

P, Q, R, P1, P2,... stellen Prädikate auf M dar.

Als Folge davon gilt:

� Alle Funktionsterme werden an M gebunden, z.B.

f(t1,.., tn) ∈ M.

� Alle prädikatenlogischen Formeln ϕ werden an lB = {0, 1} gebunden, d.h.

ϕ ∈ lB.

2.2.5.2 Belegungen und InterpretationenDefinition 2.48Belegung

Passende Belegung Interessant sind nur Belegungen, die zu einer gegebenen Menge F von prädikatenlogi-schen Formeln passen. Eine Belegung beleg heißt passend zu F, wenn gilt:

für alle ϕ ∈ F und alle in ϕ vorkommenden Namen ist beleg definiert.

Es ist belanglos, wie beleg für nicht in F vorkommende Namen definiert ist.

Belegung und Struktur Die Wahl einer Individuenmenge M und einer passenden Strukturierung bestimmt einemathematische Struktur

�M, a1,.., ak, f1,.., fm, R1,.., Rn�

(→ Definition 1.34 S. 1-32). Die Anwendung einer Strukturierung auf die Individuen-konstanten-, Funktions- und Prädikatnamen einer prädikatenlogischen Formel lieferteine Strukturformel. Die Syntax der Prädikatenlogik prägt die Syntax der Strukturfor-meln, doch gelten für Strukturen oft auch andere Syntaxregeln, z.B. Infix- oder Postfix-

MM

n( )

Eine Belegung beleg = belegM = (strukt, wert)M ordnet Namen Werte zu; sie setzt

sich aus zwei Teilen zusammen: Die Strukturierung strukt = struktM ordnet

� dem Individuenkonstantennamen a einen Wert strukt(a) ∈ M,

� dem n-stelligen Funktionsnamen f eine konkrete Funktion strukt(f) : Mn → M,

� dem n-stelligen Prädikatnamen P ein konkretes Prädikat strukt(P) ⊆ Mn

zu, die Variablenbelegung wert = wertM

� dem freien Individuenvariablennamen x einen Wert wert(x) ∈ M.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 53

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

statt Funktionsschreibweise. Bei der Interpretation prädikatenlogischer Formeln wan-delt man diese in entsprechende Formeln der Struktur.

Beispiel 2.6Belegung undInterpretation

Als Individuenmenge wählen wir P(lN). Die Strukturierung

strukt(f) = ∩ (Durchschnittsoperation, zweistellig),

strukt(P) = ⊆ (Teilmengenrelation, zweistellig)

bestimmt die Struktur �P(lN), ∩, ⊆ �. Damit wandelt sich die prädikatenlogische Formel

P(f(x, y), y)

zur Strukturformel in Funktionsschreibweise

⊆ (∩(x, y), y)

und in der üblichen Infixschreibweise zu

x ∩ y ⊆ y.

Die Variablenbelegung wert(x) = {1, 2}, wert(y) = {2, 3, 4} liefert die Aussage

{1, 2} ∩ {2, 3, 4} ⊆ {2, 3, 4},

die wir als wahr interpretieren. Aus der prädikatenlogischen Formel

∀ x ∀ y : P(f(x, y), y)

ergibt sich die Strukturformel

∀ x ∀ y : x ∩ y ⊆ y,

mit der Bindung der Variablen an die Individuenmenge

∀ x ∈ P(lN) ∀ y ∈ P(lN) : x ∩ y ⊆ y,

vereinfacht

∀ x, y ∈ P(lN) : x ∩ y ⊆ y,

∀ x, y ⊆ lN : x ∩ y ⊆ y,

mit an die bei Mengen üblichen Großbuchstaben angepassten Namen

∀ M, N ⊆ lN : M ∩ N ⊆ N,

also die auf Teilmengen von lN spezialisierte Formel von Satz 1.13 (1) S. 1-9. Belegenwir M, N mit beliebigen Mengen, so ist die Inklusion M ∩ N ⊆ N stets wahr. Die For-mel ist also wahr und damit ein Satz. Wählen wir statt lN eine beliebige Menge G, soergibt sich mit der Individuenmenge P(G) der allgemeine Satz. �

Wie in der Aussagenlogik beschränken wir uns auf Interpretationen, die zu einer gege-benen Formelmenge F passen.

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2 - 54 2 Logik

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Definition 2.49Interpretation

Eine Interpretation ordnet also prädikatenlogischen Termen Werte der Individuen-menge und prädikatenlogischen Formeln Wahrheitswerte zu. Die Klammern sorgenwieder dafür, dass Formeln von innen nach außen interpretiert werden. Alle in einerFormel vorkommenden Konstanten und Variablen werden belegt, Teilterme und -for-meln werden der Klammerung folgend berechnet.

Aussagenlogik undPrädikatenlogik

Aus syntaktischer Sicht erweitert die Prädikatenlogik die Aussagenlogik. Schränkt mandie Prädikatenlogik ein, indem man keine

� Individuenkonstanten,

� Individuenvariablen,

� Funktionen,

Sind F eine Menge prädikatenlogischer Formeln und beleg = belegM eine zu F pas-sende Belegung, so ist die Interpretation I = IM, beleg von F zu M und beleg induktiv

für die Formeln definiert, die mit den in allen ϕ ∈ F vorkommenden Namen konstru-ierbar sind:

(1) atomare Terme

I(a) := beleg(a) für Individuenkonstantennamen a,

I(x) := beleg(x) für Individuenvariablennamen x.

(2) Funktionsterme

I(f(t1,.., tn)) := beleg(f)(I(t1),.., I(tn))für n-stellige Funktionsnamen f und prädikatenlogische Terme t1,.., tn.

(3) Gleichungen

I(t = t´) :=

für prädikatenlogische Terme t, t´.

(4) Prädikatformeln

I(P(t1,.., tn)) :=

für n-stellige Prädikatnamen P und prädikatenlogische Terme t1,.., tn.

(5) aussagenlogische Formeln

werden wie in der Aussagenlogik interpretiert (→ Definition 2.5).

(6) quantifizierte Formeln

Es sei x ein Individuenvariablenname und ϕ eine prädikatenlogische Formel.Zu w ∈ M sei beleg[x→w] die Belegung, die mit beleg an allen Stellen bis aufhöchstens x übereinstimmt, aber an der Stelle x den Wert w annimmt:

beleg[x→w](y) := für Individuenvariablennamen y.

I[x→w] sei die Interpretation zu beleg[x→w]. Damit definieren wir:

I(∀ x : ϕ) := ,

I(∃ x : ϕ) := .

1 falls I t( ) I t′( )=

0 sonst�

1 falls I t1( ) … I tn( ), ,( ) beleg P( )∈

0 sonst�

w falls y x=beleg y( ) sonst

1 falls für alle w M∈ gilt: I x w→[ ] ϕ( ) 1=0 sonst

1 falls es ein w M∈ gibt, sodass I x w→[ ] ϕ( ) 1=0 sonst

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 55

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

� n-stelligen Prädikate mit n > 0, und

� Quantoren

zulässt, so erhält man die Aussagenlogik. Die nullstelligen Prädikate entsprechen dannden Aussagevariablen; die Belegung ∅ entspricht 0, die Belegung {∅ } entspricht 1(→ S. 1-31).

Aus semantischer Sicht spezialisiert die Prädikatenlogik die Aussagenlogik, denn zuInterpretationen gehören nicht nur Abbildungen in {0, 1}, sondern auch Zuordnungenvon Strukturen aus Individuenmengen, Funktionen und Relationen. Die Prädikatenlo-gik spezialisiert sich auf Strukturen und formalisiert für diese tiefer gehende Aussagenals es die Aussagenlogik vermag.

2.2.5.3 Erläuterungen

Wozu befassen wir uns mit der Prädikatenlogik? Sie dient uns dazu, mathematischeund informatische Strukturen zu analysieren und zu konstruieren. InformatikerInnenstoßen in Literatur, Sprachen und Systemen immer wieder auf prädikatenlogische Ele-mente, die sie lesen und verstehen können müssen. InformatikerInnen müssen Sachver-halte prägnant und exakt beschreiben können, z.B. dass eine Liste von Dateinamen sor-tiert ist. Die Prädikatenlogik ist dabei ein nützliches, ja unverzichtbares Mittel. Es gehtalso um praktisches Anwenden der Prädikatenlogik, nicht um das Formalisieren derLogik als Selbstzweck. Da auf einem Rechner laufende Programme stets mathemati-sche, formale Konstrukte sind, muss die InformatikerIn zwei Fähigkeiten besitzen:

� informal beschriebene Sachverhalte formalisieren und daraus Programme konstru-ieren,

� in Programmen formalisierte Sachverhalte verbalisieren, um sie sich und anderenverständlich zu machen.

Das Formalisieren mittels der Prädikatenlogik ist eine gute Denkschule. In den folgen-den Kapiteln dieses Skripts nutzen wir prädikatenlogische Formeln, um andere Gebieteder Mathematik und theoretischen Informatik formalisiert darzustellen. Dabei sind wir,was den Formalismus betrifft, nicht allzu streng und kombinieren formale und infor-male Elemente. Andererseits erweitern wir unsere formal definierte Prädikatenlogikpragmatisch:

� Wir benutzen direkt Namen und Notationen des jeweiligen Gebiets in Strukturfor-meln, sodass wir keine Belegungen angeben müssen.

� Statt mit einer Individuenmenge M haben wir es oft mit mehreren Individuenmen-gen M1,.., Mn zu tun.

� Daher sind die betrachteten Strukturen nicht homogen, sondern heterogen. Funktio-nen und Relationen sind nicht auf n-fachen Produkten von M, sondern auf gemisch-ten Produkten von M1,.., Mn definiert.

Die Eigenschaften und Rechenregeln prädikatenlogischer Formeln lassen sich pragma-tisch leicht auf diese Erweiterungen übertragen; der Aufwand, dies zu formalisieren,wäre eher technischer Art und unangemessen.

2.2.6 Prädikatenlogische Formeln in Programmiersprachen

Prädikatenlogische Konstrukte finden sich in logikbasierten Programmiersprachen wieProlog, aber auch Spezifikationssprachen wie Z. Beispielsweise bietet Prolog Möglich-keiten, die bis zur Prädikatenlogik zweiter Stufe reichen.

Beispiel Im Folgenden betrachten wir drei Sprachen. Ihre Ausdrucksmächtigkeit zeigen wir bei-spielhaft anhand der geschlossenen Formel

sorted :⇔ ∀ i, k ∈ {1,.., count} ⊆ lN : (i ≤ k � item(i) ≤ item(k))

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2 - 56 2 Logik

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mit der Konstanten count ∈ lN und der Funktion item : {1,.., count} → M für eine end-liche Folge (Reihung, Liste). Die Formel drückt aus, dass die Folge sortiert ist. Litera-turhinweise zu den Sprachen gibt [32].

Eiffel Eiffel ist eine objektorientierte Spezifikations- und Implementationssprache, die auf derMethode der Spezifikation durch Vertrag basiert. Die Aussagenlogik, um spezielleKonstrukte erweitert, erscheint in Klasseninvarianten, Vor- und Nachbedingungen,Schleifeninvarianten, allgemeinen Zusicherungen und algorithmischen Steuerkonstruk-ten. Prädikatenlogische Formeln ermöglicht das mächtige Konstrukt Agenten, das u.a.Quantoren modellieren kann. Ausdrücke mit einem Quantor sind gut lesbar; unser Bei-spiel, bei dem zwei Inline-Agenten die beiden Allquantoren implementieren, liest sichwegen seiner Länge weniger leicht:

sorted : BOOLEAN is-- Are the elements in the list totally ordered?

ensureResult = (1 |..| count).for_all (i : INTEGER |

(1 |..| count).for_all (k : INTEGER | i <= k implies item (i) <= item (k)))

BON Die Business Object Notation (BON) kombiniert eine objektorientierte Analyse- undEntwurfsmethode mit einer Modellierungssprache. BON konzentriert sich darauf,Klassenarchitekturen zu modellieren und das Verhalten der Klassen zu spezifizieren.Dabei ist die Vertragsmethode zentral, BON erweitert sie zu einer Analysemethode. InKooperation mit Eiffel ermöglicht BON einen nahtlosen, reversiblen, werkzeuggestütz-ten Entwicklungsprozess von der Analyse über die Implementierung bis zum Betrieb.Die textuelle Vertragssprache ähnelt der Eiffel-Vertragssprache. Darüber hinaus inte-griert BON Elemente der Mengenlehre und der Prädikatenlogik erster Stufe in einerForm, die der üblichen mathematischen Notation nahe kommt und ihrer Semantik ent-spricht. Unser Beispiel ist in grafischer BON-Vertragssprache elegant formuliert:

sorted : BOOLEAN|!| Result = ∀ i, k ∈ {1 .. count} � (i ≤ k → item (i) ≤ item (k))

BON kann mittels der Prädikatenlogik alle Arten von Beziehungen zwischen Klassen -Assoziation, Komposition, Aggregation - einschließlich Kardinalitäten ausdrücken,ohne dazu weitere Modellierungskonstrukte zu benötigen.

OCL Die Object Constraint Language (OCL) ist die Vertragssprache der Unified ModelingLanguage (UML) in der von der Object Management Group (OMG) 1997 standardi-sierten Version 1.1. OCL soll eine formale Sprache sein, die für Menschen ohne mathe-matischen Hintergrund verständlich und benutzbar ist. Deshalb ähnelt die Syntax vonOCL mehr der einer Programmiersprache als der mathematischen Notation. Formulie-ren wir unser Beispiel mit OCL:

SortableList::sorted () : Booleanpost: result = Integer.allInstances->forAll (i, k |

1 <= i and i <= k and k <= count implies item (i) <= item (k))

Die eher schwerfällig wirkende Form lässt offen, was leichter lernbar ist: die Prädika-tenlogik oder OCL?

2.2.7 Eigenschaften prädikatenlogischer Formeln

Die in 2.1.7 eingeführten Eigenschaften von Aussagen lassen sich analog für prädika-tenlogische Formeln definieren. Bild 2.3 und Korollar 2.7 gelten analog. DifferenzierteEigenschaften ermöglicht der Modellbegriff. Wir geben die Definitionen in verschiede-nen Formulierungen an.

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 57

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 2.50ModellAllgemeingültigkeitErfüllbarkeit

Beispiel Seien

ϕ = ∃ y : x = f(y, y) und

strukt(f) = + (Addition).

Mit M = lN ergibt der Interpretationsteil IlN, + die �lN, +�-Strukturformel

∃ y ∈ lN : x = y + y.

Da es (zu x = 1) kein y ∈ lN gibt mit 1 = y + y, ist ϕ nicht gültig in �lN, +�. Da es zujedem geraden x ∈ lN (also x = 2z mit z ∈ lN) ein y ∈ lN gibt mit x = y + y, ist ϕ erfüllbarin �lN, +�. Es gibt also Variablenbelegungen wert, für die die Interpretationen IlN, +, wert

�lN, +�-Modelle für ϕ sind.

Mit M = � ergibt der Interpretationsteil I�, + die ��, +�-Strukturformel

∃ y ∈ � : x = y + y.

Da es zu jedem x ∈ � ein y ∈ � gibt mit x = y + y (nämlich y = x/2), ist ϕ gültig in��, +�. Für alle Variablenbelegungen wert sind die Interpretationen I�, +, wert ��, +�-Modelle für ϕ.

Damit ist ϕ ist erfüllbar, aber nicht allgemeingültig.

F sei eine Menge prädikatenlogischer Formeln.

Ist I = IM, strukt, wert eine Interpretation von F zu M und belegM = (strukt, wert)M mitI(ϕ) = 1 für alle ϕ ∈ F, so heißt I ein �M, strukt�-Modell oder kurz Modell für F, undF gilt in I.

F heißt gültig in der Struktur �M, strukt�,wenn für jede passende Variablenbelegung wert die Interpretation IM, strukt, wert ein�M, strukt�-Modell für F ist,d.h. wenn für jede passende Variablenbelegung wert und jedes ϕ ∈ F gilt:IM, strukt, wert(ϕ) = 1.

F heißt erfüllbar in der Struktur �M, strukt�,wenn es ein �M, strukt�-Modell für F gibt,d.h. wenn für wenigstens eine passende Variablenbelegung wert und jedes ϕ ∈ F gilt:IM, strukt, wert(ϕ) = 1.

F heißt allgemeingültig, wenn F in jeder Interpretation gilt,d.h. wenn F in jeder Struktur �M, strukt� gültig ist,d.h. wenn jede Interpretation von F ein Modell für F ist,d.h. wenn für jede Interpretation I = IM, strukt, wert und jedes ϕ ∈ F gilt: I(ϕ) = 1.

F heißt erfüllbar, wenn es eine Interpretation gibt, in der F gilt,d.h. wenn es eine Struktur �M, strukt� gibt, in der F erfüllbar ist,d.h. wenn es ein Modell für F gibt,d.h. wenn für wenigstens eine Interpretation I = IM, strukt, wert und jedes ϕ ∈ F gilt:

I(ϕ) = 1.

F heißt widersprüchlich, wenn F in keiner Interpretation gilt.

Falls F = {ϕ}, so hat ϕ die Eigenschaften von F.

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2 - 58 2 Logik

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Satz 2.51AbschlüsseAllgemeingültigkeitErfüllbarkeit

Definition 2.52Logische Äquivalenz

Ersetzungsregeln Korollar 2.10 gilt ebenso analog wie die Ersetzungsregeln Satz 2.8, Satz 2.11 und Satz2.12. Durch den Allquantor gebundene Variablen darf man durch Werte ersetzen undden Allquantor weglassen (→ Satz 2.59 (4)).

Beispiel Aus

∀ x ∈ � ∃ y ∈ � : x + y = 0

ergibt sich z.B.

∃ y ∈ � : 1 + y = 0.

Zusätzlich darf man freie Variablen durch geeignete Terme ersetzen, muss aber dabeiauf gebundene Variablen achten. Wir führen eine Notation für die Ersetzung (Substitu-tion) ein:

ϕ[x |→ t]

bezeichnet die Formel, die aus der Formel ϕ entsteht, indem jedes freie Vorkommender Variablen x durch den Term t ersetzt wird.

Satz 2.53Substitutionslemma

Durch Ersetzen einer freien Variablen durch einen Term wird eine Formel spezieller, dabeim Belegen der Variablen an der Ersetzungsstelle nur noch spezielle Werte auftreten.

Beispiel In

∃ x ∈ � : x + y = 0

darf man y durch z2 + 1 ersetzen:

∃ x ∈ � : x + (z2 + 1) = 0,

aber nicht durch x2 + 1:

� ∃ x ∈ � : x + (x2 + 1) = 0,

da x gebunden ist und dadurch eine falsche Formel entsteht. Ebenso wenig darf man

das gebundene x durch z2 + 1 ersetzen:

� ∃ x ∈ � : z2 + 1 + y = 0.

Man darf jedoch gebundene Variablen umbenennen, falls dadurch keine freie Variableentfällt.

Satz 2.54GebundeneUmbenennung

Sind ϕ eine prädikatenlogische Formel und x1,.., xn die freien Variablen in ϕ, so gilt:

(1) ϕ ist allgemeingültig genau dann, wenn ihr universeller Abschluss∀ x1 ... ∀ xn : ϕ allgemeingültig ist.

(2) ϕ ist erfüllbar genau dann, wenn ihr existenzieller Abschluss ∃ x1 ... ∃ xn : ϕerfüllbar ist.

Zwei prädikatenlogische Formeln ϕ, η heißen logisch äquivalent, wenn die Äquiva-lenz ϕ ⇔ η allgemeingültig ist:

ϕ ≡ η :⇔ ϕ ⇔ η ist allgemeingültig.

Für jede prädikatenlogische Formel ϕ, jede in ϕ freie Variable x und jeden Term t, derkeine in ϕ gebundene Variable enthält, sagt ϕ dasselbe über x aus wie ϕ[x |→ t] über t.

Für jede prädikatenlogische Formel ϕ, in der die Variable y nicht vorkommt, gilt:

(1) ∀ x : ϕ ≡ ∀ y : ϕ[x |→ y]

(2) ∃ x : ϕ ≡ ∃ y : ϕ[x |→ y]

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 59

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Beweis mittels Substitutionslemma Satz 2.53. �

Durch systematisches gebundenes Umbenennen mit noch nicht vorkommenden Varia-blen kann man Formeln bereinigen.

Satz 2.55Bereinigte Form

Beispiele ∀ x : P(x, y)

ist in

∀ z : P(z, y)

umbenennbar, aber nicht in

� ∀ y : P(y, y),

da das zuvor freie y jetzt gebunden ist. In

∀ x : P(x, y) ∧ Q(x)

kommt x in P(x, y) durch ∀ gebunden und in Q(x) frei vor. Durch Umbenennen wirddie Formel bereinigt und verständlicher:

∀ z : P(z, y) ∧ Q(x).

Programmiersprachen Zwischen freien und gebundenen Variablen in Formeln und globalen Variablen undformalen Parametern von Prozeduren und Funktionen in Programmiersprachen beste-hen Ähnlichkeiten. Formale Parameter kann man ohne Auswirkung auf die Umgebungder Prozedur umbenennen, während sich das Umbenennen einer globalen Variablenweit reichend auswirken kann.

2.2.8 Prädikatenlogische Rechenregeln

Die in 2.1.8 betrachteten aussagenlogischen Rechenregeln bleiben in der Prädikatenlo-gik gültig, sodass wir uns auf Regeln mit quantifizierten Formeln beschränken können.Die folgenden Rechenregeln für prädikatenlogische Formeln sind allgemeingültig undenthalten logisch äquivalente Formeln.

Satz 2.56Negation

Aufgrund dieser Negierungssätze lässt sich der Allquantor mittels Negation und Exi-stenzquantor, der Existenzquantor mittels Negation und Allquantor ausdrücken.

Beispiel Alle MKI-StudentInnen haben eine eigene Webseite. Negiert: Es gibt eine MKI-Stu-dentIn, die keine eigene Webseite hat.

Analog zur Aussagenlogik gilt auch in der Prädikatenlogik ein Dualitätsprinzip.

Definition 2.57Duale Formel

Zu jeder prädikatenlogischen Formel gibt es eine logisch äquivalente bereinigte For-mel.

Für beliebige Variablen x und prädikatenlogische Formeln ϕ gilt:

(1) ¬∀ x : ϕ ≡ ∃ x : ¬ϕ . Regeln von de Morgan

(2) ¬∀ x : ¬ϕ ≡ ∃ x : ϕ.

(3) ¬∃ x : ϕ ≡ ∀ x : ¬ϕ .

(4) ¬∃ x : ¬ϕ ≡ ∀ x : ϕ.

Ist ϕ eine prädikatenlogische Formel, in der nur die Operationen ¬ , ∧ , ∨ und Quanto-ren vorkommen, dann entsteht

die zu ϕ strikt duale Formel ϕ durch Negieren aller atomaren Teilformeln undgegenseitiges Austauschen von 0 und 1, von ∧ und ∨ , sowie von ∀ und ∃ ;

die zu ϕ duale Formel ϕ∗ durch gegenseitiges Austauschen von 0 und 1, von ∧ und∨ , sowie von ∀ und ∃ .

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2 - 60 2 Logik

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ϕ∗ entsteht aus ϕ durch Negieren jeder atomaren Teilformel, und umgekehrt.

Beispiel ∀ x ∃ y : (f(x) = g(y) ∧ P(x, y)) ∨ 0,

∃ x ∀ y : (¬ f(x) = g(y) ∨ ¬ P(x, y)) ∧ 1

sind strikt dual zueinander,

∀ x ∃ y : (f(x) = g(y) ∧ P(x, y)) ∨ 0,

∃ x ∀ y : (f(x) = g(y) ∨ P(x, y)) ∧ 1

sind dual zueinander.

Wegen Satz 2.28 (1) schränkt die Voraussetzung von Definition 2.57 und des folgendenDualitätstheorems nicht echt ein.

Theorem 2.58Dualitätstheorem derPrädikatenlogik

Beweis. (1) Sei ϕ wie vorausgesetzt. Durch wiederholtes Anwenden der Regeln von deMorgan Satz 2.14 (3) und Satz 2.56 wandert ¬ vor zusammengesetzten Teilformelnnach innen und ∧ und ∨ tauschen sich aus, vor Quantoren wandert ¬ nach innen und ∀und ∃ tauschen sich aus. (Ein ausführlicher Beweis verfährt induktiv über den Aufbauvon Formeln.)

(2) und (3) analog zu Theorem 2.16 (2) und (3). �

(1) bedeutet, dass striktes Dualisieren einer Formel dasselbe bewirkt wie Negieren. DasDualitätstheorem reduziert den Aufwand zum Beweisen der folgenden Sätze.

Satz 2.59Quantoren tauschen,entfernen, einführen

Aufgrund der Vertauschbarkeit gleichartiger Quantoren sind die auf S. 46 eingeführtenAbkürzungen gerechtfertigt.

� Man beachte, dass die Umkehrung von (3), ∀ x ∃ y : ϕ � ∃ y ∀ x : ϕ, nicht gilt!

Beispiel Jeder Mensch hat einen Vater (von gentechnischen Experimenten sehen wir ab). Es gibtaber keinen Vater aller Menschen (von religiösen Vorstellungen sehen wir ab).

Für prädikatenlogische Formeln ϕ, η, in denen nur die Operationen ¬ , ∧ , ∨ undQuantoren vorkommen, gilt:

(1) ϕ ≡ ¬ϕ .

(2) ϕ ≡ η genau dann, wenn ϕ ≡ η.

(3) ϕ ≡ η genau dann, wenn ϕ∗ ≡ η∗ .

Für beliebige Variablen x, y, prädikatenlogische Formeln ϕ und Prädikate P gilt:

(1) ∀ x ∀ y : ϕ ≡ ∀ y ∀ x : ϕ.

(2) ∃ x ∃ y : ϕ ≡ ∃ y ∃ x : ϕ.

(3) ∃ x ∀ y : ϕ � ∀ y ∃ x : ϕ.

(4) ∀ x : P(x) � P(y).

(5) P(x) � ∃ y : P(y).

(6) ∀ x ∀ y : P(x, y) � ∀ x : P(x, x).

(7) ∃ x ∀ y : P(x, y) � ∃ x : P(x, x).

(8) ∃ x : P(x, x) � ∃ x ∃ y : P(x, y).

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2.2 Prädikatenlogik 2 - 61

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Satz 2.60Quantoren vereinen,trennen

� Man beachte, dass die Umkehrungen von (2), (4) und (6) nicht gelten!

Beispiel Angenommen, Alice besitzt einen Apple und Bob einen PC. Daraus folgt nicht, dassjemand sowohl einen Apple als auch einen PC besitzt.

Satz 2.61Quantoren verschieben

2.2.9 Prädikatenlogische Basen

Auch den Begriff der Basis können wir analog zur Aussagenlogik definieren.

Definition 2.62PrädikatenlogischeBasis

Satz 2.63Basen

Beweis folgt aus Satz 2.28 und Satz 2.56. �

2.2.10 Normalformen prädikatenlogischer Formeln

Analog zur Aussagenlogik suchen wir Normalformen für prädikatenlogische Formeln.

Satz 2.64Normalformenquantorfreier Formeln

Für beliebige Variablen x und prädikatenlogische Formeln ϕ, η gilt:

(1) ∀ x : ϕ ∧ ∀ x : η ≡ ∀ x : (ϕ ∧ η ).

(2) (∃ x : (ϕ ∧ η )) � (∃ x : ϕ ∧ ∃ x : η).

(3) ∃ x : ϕ ∨ ∃ x : η ≡ ∃ x : (ϕ ∨ η ).

(4) (∀ x : ϕ ∨ ∀ x : η) � (∀ x : (ϕ ∨ η )).

(5) ∀ x : ϕ � ∃ x : η ≡ ∃ x : (ϕ � η).

(6) (∃ x : ϕ � ∀ x : η) � (∀ x : (ϕ � η)).

Für beliebige Variablen x und prädikatenlogische Formeln ϕ, η gilt, falls x in η nichtfrei vorkommt:

(1) ∀ x : ϕ ∧ η ≡ ∀ x : (ϕ ∧ η ).

(2) ∃ x : ϕ ∧ η ≡ ∃ x : (ϕ ∧ η ).

(3) ∀ x : ϕ ∨ η ≡ ∀ x : (ϕ ∨ η ).

(4) ∃ x : ϕ ∨ η ≡ ∃ x : (ϕ ∨ η ).

(5) ∀ x : ϕ � η ≡ ∃ x : (ϕ � η).

(6) ∃ x : ϕ � η ≡ ∀ x : (ϕ � η).

(7) η � ∀ x : ϕ ≡ ∀ x : (η � ϕ).

(8) η � ∃ x : ϕ ≡ ∃ x : (η � ϕ).

Eine Menge QOB logischer Quantoren und Operationen heißt (prädikatenlogische)Basis, wenn es zu jeder prädikatenlogischen Formel eine logisch äquivalente Formelgibt, die nur Quantoren und Operationen aus QOB enthält. Eine Basis heißt minimal,wenn keine ihrer echten Teilmengen eine Basis ist.

Minimale prädikatenlogische Basen sind:

(1) {∀ , ¬ , ∧ }.

(2) {∃ , ¬ , ∨ }.

(3) {∀ , ¬ , ∨ }.

(4) {∃ , ¬ , ∧ }.

Zu jeder quantorfreien prädikatenlogischen Formel gibt es logisch äquivalenteDNFen und KNFen, deren Faktoren atomare Teilformeln sind.

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2 - 62 2 Logik

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Definition 2.65Pränexform

Pränexformen können für Menschen schwer verständlich sein, eignen sich aber gut fürautomatische Beweisverfahren.

Satz 2.66Pränexe Normalformzu Formeln

Beweis. Sei ϕ eine prädikatenlogische Formel. Nach Satz 2.55 gibt es eine logischäquivalente bereinigte Formel η. Nach Satz 2.63 gibt es eine logisch äquivalente For-mel κ, in der nur die Operationen ¬ , ∧ , ∨ vorkommen. In κ treibt man durch wiederhol-tes Anwenden der de morganschen Regeln Satz 2.56 sowie Satz 2.61 die Quantorennach außen, bis die Pränexform λ vorliegt. Die Matrix von λ lässt sich nach Satz 2.64in eine DNF oder KNF umformen. �

Beispiel P(x, y) ∨ ∀ x : (Q(x) ∧ ∃ y ∀ z : (R(y, z) � ∃ x : S(x, z))) ≡ bereinigen

η P(x, y) ∨ ∀ u : (Q(u) ∧ ∃ v ∀ z : (R(v, z) � ∃ w : S(w, z))) ≡ Operatoren ersetzen

κ P(x, y) ∨ ∀ u : (Q(u) ∧ ∃ v ∀ z : (¬ R(v, z) ∨ ∃ w : S(w, z))) ≡ Satz 2.61

P(x, y) ∨ ∀ u : (Q(u) ∧ ∃ v ∀ z ∃ w : (¬ R(v, z) ∨ S(w, z))) ≡ 3mal Satz 2.61

P(x, y) ∨ ∀ u ∃ v ∀ z ∃ w : (Q(u) ∧ (¬ R(v, z) ∨ S(w, z))) ≡ 4mal Satz 2.61

λ ∀ u ∃ v ∀ z ∃ w : (P(x, y) ∨ (Q(u) ∧ (¬ R(v, z) ∨ S(w, z)))) ≡λ mit DNF ∀ u ∃ v ∀ z ∃ w : (P(x, y) ∨ (Q(u) ∧ ¬ R(v, z)) ∨ (Q(u) ∧ S(w, z))).

Den Abschluss des Abschnitts über die Prädikatenlogik bildet eine Übersicht über syn-taktische Eigenschaften und logisch äquivalente Umformungen prädikatenlogischerFormeln.

Bild 2.5 Transformation der Formen prädikatenlogischer Formeln

Sind q1,.., qn ∈ {∀ , ∃ } Quantoren, x1,.., xn mit n ∈ lN0 Variablen und ϕ, η prädikaten-logische Formeln mit

ϕ = q1x1 ... qnxn : η,

so heißt q1x1 ... qnxn Präfix von ϕ. Ist zudem η quantorenfrei, so heißt η Matrix vonϕ und ϕ befindet sich in Pränexform.

Zu jeder prädikatenlogischen Formel gibt es eine logisch äquivalente Formel in berei-nigter Pränexform.

Die Matrix der Pränexform kann eine DNF oder KNF sein.

Quantoren

Matrix

nicht bereinigtbeliebige Operationen

nicht bereinigtOperationen ¬ , ∧ , ∨

bereinigtbeliebige Operationen

bereinigtOperationen ¬ , ∧ , ∨

bereinigtPränexform

beliebige Operationen

bereinigtPränexform

Operationen ¬ , ∧ , ∨

bereinigtPränexform

Matrix in [D|K]NF

Operationen

bereinigen

bereinigenverschieben

tauschen

normalisierenMatrix

denormalisieren

Operationentauschen

Operationentauschen

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2.3 Literaturhinweise 2 - 63

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2.3 LiteraturhinweiseGrundzüge der Logik findet man in vielen „Mathematik-für-Informatiker“-Lehrbü-chern. Dieses Kapitel plündert Ideen aus [3], [5], [6], [8], [9], [12], [13], [16], [18],[19], [21], [23], [25] und [27].

Anfänge der Logik reichen in die griechische Antike zurück. Erste Formen der Aussa-genlogik finden sich in Schriften der Stoiker. Bedeutende Grundlagen schuf der grie-chische Philosoph Aristoteles (384 - 322 v.u.Z.) mit seinem logischen Werk.

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) begründete die mathematische Logik, ohnedie weitere Entwicklung stark zu beeinflussen. Erst George Boole (1815 - 1864) lie-ferte mit seinem Hauptwerk An Investigation of the Laws of Thought (London 1854)die erste Algebra der Aussagenlogik. Die Methode des Interpretierens von Aussagenmittels Wahrheitstabellen führte Charles Sanders Peirce (1839 - 1914) ein.

Peirce trug auch wesentlich dazu bei, die Rolle der Quantoren und Variablen in mathe-matischen Sätzen zu erkennen. Gottlob Frege (1848 - 1925) stellte in seiner Begriffs-schrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens(Halle 1879) den ersten leistungsfähigen Kalkül der Prädikatenlogik vor, die ersteumfassende formale Sprache der Logik. Die heutigen formalen Logiksprachen gehenwesentlich auf den italienischen Mathematiker und Logiker Guiseppe Peano (1858 -1932) zurück.

Die englischen Logiker Bertrand Russell (1872 - 1970) und Alfred North Whitehead(1861 - 1947) stellten die neue Logik in ihrem epochalen Werk Principia Mathematica(Cambridge 1910 - 1913) umfassend dar. Der polnische Logiker Jan Lukasiewicz(1878 - 1956) gab dem Aussagenkalkül eine besonders einfache und präzise Form.

2.4 ÜbungenAufgabe 2.1Jüdischer Witz, freinach S. Landmann

Talmudschüler: Ist Gott allmächtig?

Rabbi: Gott ist allmächtig!

Talmudschüler: Ist Gott wirklich allmächtig??

Rabbi: Gott ist allmächtig!!

Talmudschüler: Wenn Gott ist allmächtig, kann er auch machen a Stein so groß, dass erihn nicht aufheben kann?

Aufgabe 2.2Wer kann’s?

(a) Wer einen PC anschalten kann, kann programmieren.

(b) Keiner ist ein echter Programmierer, wenn er keine eigene Webseite hat.

(c) Keiner, der keinen PC anschalten kann, hat eine eigene Webseite.

(d) Nur echte Programmierer können 10000-Zeilen-Programme schreiben.

Welche Eigenschaften muss jemand besitzen, der ein 10000-Zeilen-Programmgeschrieben hat?

Aufgabe 2.3Lebensgeheimnis [21]

Befragt „Was ist das Geheimnis ihres langen Lebens?“ antwortet der Hundertjährige:„Ich befolge strikt meine Diätregeln: Wenn ich zu einer Mahlzeit keinen Wein trinke,dann esse ich immer Spätzle. Immer wenn ich sowohl Spätzle als auch Wein habe, ver-zichte ich auf Pudding. Falls ich Pudding esse oder Wein meide, rühre ich keine Spätzlean.“ Können Sie seine verwirrende Altersweisheit vereinfachen?

Aufgabe 2.4Aussagen zerlegen

Geben Sie zu folgenden Aussagen alle Teilausdrücke an! Welche sind Atome?

(1) (a ∧ b)� (¬ b ∨ c)

(2) ¬ (¬ a ∨ ¬ (¬b� c))

(3) a� (b ⇔ (c <≠> a))

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2 - 64 2 Logik

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Aufgabe 2.5Syntax vonMengentermen undMengenformeln

Stellen Sie Syntaxregeln auf für mengentheoretische

(1) Ausdrücke (Terme), die mit der Konstanten ∅ , geeigneten Variablen und denOperationen , ∩ , ∪ , \, ∆;

(2) Prädikate (Formeln), die mit geeigneten Elementvariablen, mengentheoretischenAusdrücken gemäß (1) und den Relationen ∈ , ∉ , =, ≠, ⊆ , ⊂ , /⊆ , ⊄

gebildet werden!

Aufgabe 2.6Dreiecke

Geben Sie Beziehungen zwischen den Eigenschaften gleichschenklig, gleichseitig,gleichwinklig, rechtwinklig, spitzwinklig und stumpfwinklig von Dreiecken in Form

(1) einer Reihe von Implikationen,

(2) eines Klassendiagramms

an (→ Aufgabe 1.14)!

Aufgabe 2.7Interpretationen

Berechnen Sie die Wahrheitswerte der Aussagen

(1) (a ∧ b)� (¬ b ∨ c)

(2) ¬ (¬ a ∨ ¬ (¬b� c))

(3) a� (b ⇔ (c <≠> a))

(a) für die Belegung a = c = 0, b = 1;

(b) für folgende Zuordnung konkreter Aussagen:

a := „2 ∗ 3 ∗ 5 ∗ 7 ∗ 11 + 1 ist eine Primzahl.“

b := „123456789 ist durch 3 teilbar.“

c := „Heute habe ich Geburtstag.“

Aufgabe 2.8Wahrheitstabellen

Stellen Sie die Wahrheitstabellen zu folgenden Aussagen auf!

(1) (a ∧ b)� (¬ b ∨ c)

(2) ¬ (¬ a ∨ ¬ (¬b� c))

(3) a� (b ⇔ (c <≠> a))

Aufgabe 2.9BedeutungumgangssprachlicherOperationen

Was bedeuten Und, Oder, Wenn... Dann in folgenden Sätzen?

(1) Mir tut der Zahn weh und der Zahnarzt bohrt rein.

(2) Der Zahnarzt bohrt in meinen Zahn und er tut mir weh.

(3) Jetzt oder nie schaffe ich die Logik-Prüfung.

(4) Wenn ich den Bachelor-Abschluss habe, dann verdiene ich viel Geld.

Aufgabe 2.10Notwendig undhinreichend

Formulieren Sie folgende Aussagen als normale Bedingungssätze!

(1) Zum Bestehen der Prüfung ist es notwendig, während der Prüfung persönlich amPrüfungsort anwesend zu sein.

(2) Vorausgesetzt, Sie erscheinen zur Prüfung, so ist es eine hinreichende Bedingungzum Bestehen der Prüfung, dass Sie wenigstens 60 Punkte erreichen.

(3) Weniger als 60 Punkte reichen nicht hin, um die Prüfung zu bestehen, aber fallsSie bestehen, so haben Sie notwendigerweise mindestens 60 Punkte erzielt.

Sind 30 Punkte notwendig oder hinreichend zum Bestehen der Prüfung?

Aufgabe 2.11Aussage finden [21]

Finden Sie eine Aussage A = A(a, b, c) mit der Eigenschaft: Für je zwei Belegungen derVariablen a, b, c, die sich an genau einer Stelle unterscheiden, hat A verschiedeneWerte! Beispiel: A(0, 0, 0) ≠ A(0, 0, 1), während A(0, 0, 0) = A(0, 1, 1) erlaubt ist.

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2.4 Übungen 2 - 65

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 2.12Kriminalfall

Der Kommissar weiß über drei Tatverdächtige A, B, C:

(a) Wenn sich B oder C als Täter herausstellen, dann ist A unschuldig.

(b) Ist A oder C unschuldig, dann muss B der Täter sein.

(c) Ist C schuldig, dann ist A Mittäter.

Wer ist der Täter?

Aufgabe 2.13Lügengeschichte

Die Personen A, B, C behaupten über sich:

(a) A: „Wenn B lügt, dann sagt C die Wahrheit.“

(b) B: „C lügt.“

(c) C: „A lügt.“

Wer lügt, wer sagt die Wahrheit?

Aufgabe 2.14 Begründen Sie Korollar 2.7 S. 20!

Aufgabe 2.15 Geben Sie eine plausible Erklärung für Satz 2.8 S. 21!

Aufgabe 2.16 Beweisen Sie Korollar 2.10 S. 21!

Aufgabe 2.17 Geben Sie eine plausible Erklärung für Satz 2.11 S. 21!

Aufgabe 2.18 Geben Sie eine plausible Erklärung für Satz 2.12 S. 22!

Aufgabe 2.19 Beweisen Sie Satz 2.13 S. 22!

Aufgabe 2.20 Beweisen Sie Satz 2.14 S. 22!

Aufgabe 2.21Aussagen negieren

Negieren Sie folgende Aussagen durch Anwenden von Dualitäts-Theorem 2.16 S. 23!

(1) (a ∨ ¬ (b ∧ a)) ∧ (c ∨ (d ∧ c))

(2) (a ∧ (b ∨ c) ∧ (b ∨ ¬ c)) ∨ (a ∧ b ∧ (a ∨ c))

Aufgabe 2.22 Beweisen Sie Satz 2.17 S. 24!

Aufgabe 2.23Aussagen vereinfachen

Vereinfachen Sie folgende Aussagen mittels algebraischer Umformungen!

(1) (a ∨ ¬ (b ∧ a)) ∧ (c ∨ (d ∧ c))

(2) Wenn ich Zeit habe, dann rufe ich dich an, falls mein Handy funktioniert, und,sofern mein Handy funktioniert, rufe ich dich an, wenn die Sonne scheint.

(3) (a ∧ (b ∨ c) ∧ (b ∨ ¬ c)) ∨ (a ∧ b ∧ (a ∨ c))

(4) ((a ∧ (b� c)) ∨ (b ⇔ ¬ c)) <≠> ((¬ a ∧ b)� (a ∨ c))

Aufgabe 2.24 Beweisen Sie Satz 2.18 S. 25 für m = 2 und n = 3!

Aufgabe 2.25Erfüllbarkeit

Ist die Aussage

(a1 ∨ a2) ∧ (¬ a2 ∨ ¬ a3) ∧ (a3 ∨ a4) ∧ ... ∧ (a2n−1 ∨ a2n) ∧ (¬a2n ∨ ¬ a2n+1)

für n ∈ lN, n > 1 erfüllbar?

Aufgabe 2.26 Beweisen Sie Satz 2.19 S. 25!

Aufgabe 2.27Implikation

In welcher Beziehung stehen folgende Varianten der Implikation zueinander?

(1) a� b

(2) ¬ b� ¬a kontraponierte Aussage

(3) b� a konverse Aussage

(4) ¬ a� ¬b konträre Aussage

(5) a� ¬ b

(6) b� ¬ a

(7) ¬ a� b

(8) ¬ b� a

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2 - 66 2 Logik

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Aufgabe 2.28 Beweisen Sie Satz 2.20 S. 26!

Aufgabe 2.29Schlussfolgerung

Folgt aus den Aussagen

„Wenn ich MKI studiere, dann studiere ich auch Logik und Webdesign.“

„Logik studiere ich nicht.“

„Ich studiere MKI oder Logik oder Webdesign.“

die Aussage

„Ich studiere Webdesign.“?

Aufgabe 2.30 Beweisen Sie Satz 2.21 S. 27!

Aufgabe 2.31 Beweisen Sie Korollar 2.22 S. 27!

Aufgabe 2.32 Beweisen Sie Satz 2.23 S. 28!

Aufgabe 2.33Logik der sozialenMarktwirtschaft

(a) Wenn die Löhne hoch sind, dann gibt es viele Arbeitslose oder die Unternehmerzocken ab.

(b) Die Unternehmer zocken ab oder die Löhne sind nicht hoch oder es gibt vieleArbeitslose.

(c) Wenn es wenig Arbeitslose gibt, dann zocken die Unternehmer ab oder dieLöhne sind nicht hoch.

(d) Wenn die Unternehmer nicht abzocken, dann gibt es viele Arbeitslose oder dieLöhne sind nicht hoch.

(e) Wenn es viele Arbeitslose gibt, dann sind die Löhne hoch und die Unternehmerzocken ab.

(f) Die Löhne sind hoch und die Unternehmer zocken ab und es gibt viele Arbeits-lose.

Wenn Aussage (a) wahr ist, was gilt dann für die anderen Aussagen? Was ist, wenn alleAussagen zutreffen?

Aufgabe 2.34Logik derFinanzwirtschaft [33]

Wirtschaftsexperte A behauptet:

(a) Wenn die Kredite steigen oder die Zinsen sinken, dann fallen die Aktien oder eswerden keine Steuern erhöht.

(b) Die Aktien gehen genau dann in den Keller, wenn sowohl die Kredite als auchdie Steuern wachsen.

(c) Gehen die Zinsen runter, so passiert mit den Aktienwerten nicht dasselbe.

(d) Deshalb werden die Steuern hinaufgeschraubt, oder die Aktien fallen und dieZinsen schrumpfen.

Wirtschaftsexperte B verfeinert die Theorie von A zu dieser:

(e) Wenn die Kredite steigen oder die Zinsen sinken, dann fallen entweder dieAktien oder es werden keine Steuern erhöht.

(f) Die Aktien gehen genau dann in den Keller, wenn sowohl die Kredite als auchdie Steuern wachsen.

(g) Gehen die Zinsen runter, so passiert mit den Aktienwerten nicht dasselbe, oderaber die Kredite steigen.

(h) Deshalb werden entweder die Steuern hinaufgeschraubt, oder die Aktien fallenund die Zinsen schrumpfen.

Was meinen die beiden Experten eigentlich kurz und bündig? (Lösung: [33].)

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2.4 Übungen 2 - 67

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 2.35Eine Logelei vonZweistein[DIE ZEIT Nr. 12,15. März 2001]

Wenn der Knull nicht gepramelt hat, dann hat entweder das Fipi oder die Gluka geurzt.Wenn der Knull nicht gedixt hat, dann hat, falls das Dapi nicht gelüllt hat, die Glukagepramelt. Wenn der Akru nicht geurzt hat, dann hat das Fipi entweder gepramelt odergewatzelt. Wenn weder der Knull noch das Dapi gedixt haben, dann hat die Glukageurzt. Wenn das Dapi nicht gewatzelt hat, dann hat, falls der Knull nicht geurzt hat,das Fipi gelüllt.

Jeder hat etwas getan, keine zwei taten dasselbe, wer hat was getan? (Lösung: [33].)

Aufgabe 2.36Noch eine Logelei vonZweistein[DIE ZEIT Nr. 22,22. Mai 2003]

Der Ethnologe schreibt aus dem fernen Knusiland:

„Bekanntlich leben hier drei Stämme, die Abianer, die immer die Wahrheit sagen, dieBebianer, die stets lügen, und die Cebianer, deren Aussagen abwechselnd wahr undfalsch sind. Freilich weiß man am Anfang eines Gesprächs mit einem Cebianer nicht,in welcher Phase er gerade ist, ob er mit einer Lüge oder einer Wahrheit beginnt.

Neulich stellte mir Herr Akenknus, ein Abianer, vier Freundinnen vor, eine Abianerin,eine Bebianerin und zwei Cebianerinnen. Eine hieß mit Vornamen Knusine, eine Knu-setta, eine Knuselotte und eine Knusmarie.

Akenknus erklärte: ,Drei der Damen sind verheiratet. Die Ehemänner heißen mit Nach-namen Knalk, Knilp und Knolz.’

Jede der Damen gab drei Erklärungen ab, die ich notierte. Knusine: ,Das Alter einervon uns ist eine Primzahl. Eine der beiden Cebianerinnen ist ein Jahr älter als dieandere. Eine der Cebianerinnen ist mit Knolz verheiratet.’

Knusetta: ,Frau Knolzens Alter ist eine gerade Zahl. Ich bin eine Cebianerin. FrauKnalk ist die Älteste von uns.’

Knuselotte: ,Die Bebianerin unter uns ist um 20 Prozent älter als eine der Cebianerin-nen. Der Altersunterschied zwischen mir und Knusetta beträgt zehn Jahre. KnusinesAlter ist durch vier teilbar.’

Knusmarie: ,Das Alter einer der beiden Cebianerinnen ist um ein Drittel höher als dasder Abianerin. Die Abianerin ist unverheiratet. Knusetta ist jünger als ich.’

Akenknus raunte mir zu: ,Keine der vier Frauen ist jünger als 15 oder älter als 30 Jahre.Keine zwei von ihnen sind gleich alt. Die Altersangaben sind wie üblich in vollen Jah-ren. Je jünger die Dame, desto mehr von ihren drei Erklärungen sind wahr.’

Nun wüsste ich gern, welche Dame von welchem Stamm, wie alt, und gegebenenfallsmit welchem Herrn verheiratet ist.“

Helfen Sie dem Ethnologen?

Aufgabe 2.37 Beweisen Sie Satz 2.24 S. 28!

Aufgabe 2.38 Beweisen Sie Satz 2.25 S. 33!

Aufgabe 2.39Nand und Nor

Zeigen Sie, dass die Nand- und die Nor-Operation kommutativ, aber nicht assoziativsind!

Aufgabe 2.40AussagenlogischeBasis

Ist {¬ , ⇔} eine aussagenlogische Basis?

Aufgabe 2.41 Beweisen Sie Korollar 2.31 S. 36!

Aufgabe 2.42Normalformen

Geben Sie zu folgenden Aussagen äquivalente DNFen, KNFen, KDNFen und KKNFenan!

(1) (a ∨ ¬ (b ∧ a)) ∧ (c ∨ (d ∧ c))

(2) (a ∧ (b ∨ c) ∧ (b ∨ ¬ c)) ∨ (a ∧ b ∧ (a ∨ c))

(3) ((a ∧ (b� c)) ∨ (b ⇔ ¬ c)) <≠> ((¬ a ∧ b)� (a ∨ c))

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2 - 68 2 Logik

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Aufgabe 2.43Minimale DNF

Geben Sie zur KDNF

(a ∧ b ∧ c) ∨ (a ∧ ¬ b ∧ c) ∨ (¬ a ∧ b ∧ c) ∨ (¬a ∧ b ∧ ¬ c)

eine logisch äquivalente minimale DNF an!

Aufgabe 2.44Normalformen

Geben Sie zur Aussage

(a ∧ b) ∨ (a <≠> c)

die Wahrheitstabelle, die kanonischen Normalformen, eine minimale KNF und zweiminimale DNFen an!

Aufgabe 2.45Paritätsfunktion [6]

Die Paritätsfunktion (parity function) Par ist eine n-stellige Aussagefunktion mitn ∈ lN, die einer Belegung genau dann 1 zuordnet, wenn sie eine ungerade Anzahl von1en enthält.

(1) Stellen Sie Wahrheitstabelle zu Par für n = 3 auf und konstruieren Sie die kano-nischen Normalformen!

(2) Geben Sie eine rekursive Definition von Par für beliebige n an!

Die Paritätsfunktion dient der Fehlererkennung bei Codes zur Datenübertragung.

Aufgabe 2.46Abstimmungsfunktion[16]

Die Abstimmungsfunktion (majority function) Maj ist eine n-stellige Aussagefunk-tion mit ungeradem n = 2k − 1, k ∈ lN, die einer Belegung genau dann 1 zuordnet, wennsie mehr 1en als 0en enthält.

(1) Stellen Sie Wahrheitstabelle zu Maj für n = 3 auf und konstruieren Sie die kano-nischen Normalformen!

(2) Geben Sie eine rekursive Definition der Anzahl der 1en in den Variablen a1,.., an

an und definieren Sie damit Maj!

Die Abstimmungsfunktion wird in fehlertoleranten Systemen mit redundanten, mehr-fach vorhandenen Komponenten eingesetzt.

Aufgabe 2.47 Beweisen Sie Satz 2.41 S. 43!

Aufgabe 2.48Prädikate formulieren[33]

(1) Der griechische Mathematiker und Ordensführer Pythagoras von Samos (um 580v.u.Z. - um 500 v.u.Z.) ist durch einen Satz über rechtwinklige Dreiecke bekannt,der schon in der mesopotamischen Mathematik nachgewiesen ist. Ein pythagore-isches Zahlentripel besteht aus drei aufsteigend geordneten natürlichen Zahlen,sodass die Summe der Quadrate der ersten beiden Zahlen das Quadrat der drittenZahl ergibt (→ Beispiel 3.1 S. 7). Zusätzlich verlangen wir hier, dass die Zahlenteilerfremd sind. (ggT(p, q) ist der größte gemeinsame Teiler der ganzen Zahlenp und q.)

(2) Der Sollwert einer physikalischen Größe ist s > 0, der Istwert x weicht höchstensein Promille davon ab.

Formulieren Sie diese Sachverhalte als Prädikate! (Lösung: [33].)

Aufgabe 2.49Formeln verbalisieren

Lesen Sie die folgenden prädikatenlogischen Formeln in Umgangssprache laut vor!

(1) ∀ x : (P(x)� (Q(f(x), x) ∧ ∃ y : (R(y) ∧ S(y, x))))

(2) ∀ x : P(x)� (Q(f(y), x) ∧ ∃ y : (R(y) ∧ S(y, x)))

(3) ∀ x : (P(x)� Q(f(y), x)) ∧ R(y) ∧ ∃ z : S(y, z)

(4) ∀ x ∃ y : (P(x)� Q(f(y), x)) ∧ R(y) ∧ ∃ x : S(y, x)

Aufgabe 2.50Formeln zerlegen

Geben Sie zu folgenden prädikatenlogischen Formeln alle Teilformeln und -termesowie die syntaktischen Eigenschaften der Variablen (frei, gebunden) und Formeln(quantorenfrei, geschlossen, bereinigt) an!

(1) ∀ x : (P(x)� (Q(f(x), x) ∧ ∃ y : (R(y) ∧ S(y, x))))

(2) ∀ x : P(x)� (Q(f(y), x) ∧ ∃ y : (R(y) ∧ S(y, x)))

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2.4 Übungen 2 - 69

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(3) ∀ x : (P(x)� Q(f(y), x)) ∧ R(y) ∧ ∃ z : S(y, z)

(4) ∀ x ∃ y : (P(x)� Q(f(y), x)) ∧ R(y) ∧ ∃ x : S(y, x)

Aufgabe 2.51Freie und gebundeneVariablen,quantorenfreie undgeschlossene Formeln

Zu einem prädikatenlogischen Term t und einer prädikatenlogischen Formel ϕ seien

(1) Vt die Menge aller in t vorkommenden Variablen;

(2) Frei(ϕ) die Menge aller freien Variablen in ϕ;

(3) Gebunden(ϕ) die Menge aller gebundenen Variablen in ϕ;

(4) offen(ϕ) die Eigenschaft von ϕ, quantorenfrei zu sein;

(5) geschlossen(ϕ) die Eigenschaft von ϕ, geschlossen zu sein.

Definieren Sie die Mengen Vt, Frei(ϕ) und Gebunden(ϕ) induktiv über den Aufbau derFormeln! Welche Definitionen bieten sich für die Prädikate offen(ϕ) und geschlos-sen(ϕ) an?

Aufgabe 2.52Formel verbalisieren

Welche Teile der prädikatenlogischen Formel

∀ x : (ist_Vorlesung(x)� (liest(Dozent(x), x) ∧ ∃ y : (studiert(y) ∧ hört(y, x))))

sind Variablen, Funktionen und Prädikate? Was bedeuten sie wohl? Beschreiben Sieverbal den möglichen Sinn der Formel!

Aufgabe 2.53Sprachgebildeformalisieren

Welche der folgenden sprachlichen Gebilde entsprechen Aussagen, prädikatenlogi-schen Termen und Formeln?

(1) Orangen und Äpfel.

(2) Birnen sind süß.

(3) x ist größer als y.

(4) a2 + b2.

(5) a2 + b2 = c2.

(6) Alle Menschen sind gleichberechtigt.

(7) Es gibt ein Leben vor dem Tod.

(8) Du hast keine Chance, aber nutze sie!

(9) Jede Gitarre hat sechs Saiten.

(10) Manche Gitarren sind verstimmt.

(11) Katzen fangen Mäuse.

(12) Jeder ist seines Glückes Schmied.

Formalisieren Sie die prädikatenlogischen Formeln, indem Sie geeignete Funktionenund Prädikate definieren!

Aufgabe 2.54Astronomie

Beschreiben Sie folgende Sätze mit jeweils passenden Ausdrucksmitteln der Mengen-lehre wie Mengen und Relationen, der Logik wie Aussagen und prädikatenlogischenFormeln, sowie Klassendiagrammen!

(1) Die Erde ist der blaue Planet.

(2) Steht der Mond zwischen Erde und Sonne, dann gibt es eine Sonnenfinsternis.

(3) Die Erde ist ein Planet der Sonne.

(4) Die Sonne scheint auf die Erde.

(5) Die Erde dreht sich um die Sonne.

(6) Erde, Mars und Venus sind Planeten.

(7) Sonnen, Planeten und Monde sind Himmelskörper.

(8) Ein Sonnensystem besteht aus einer Sonne und ihren Planeten.

(9) Zu jedem Planeten gehört eine Sonne, um die er sich dreht.

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2 - 70 2 Logik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

(10) Zu jedem Mond gehört ein Planet, um den er sich dreht.

(11) Es gibt einen Planeten, der belebt ist.

(12) Alle Sonnen sind unbelebt.

(13) Alle Monde sind unbelebt.

(14) Alle Himmelskörper, die Sonnen oder Monde sind, sind unbelebt.

(15) Ist ein Himmelskörper belebt, so ist es ein Planet.

Aufgabe 2.55Formel quantifizieren

(1) Formulieren Sie alle zehn Möglichkeiten, das Prädikat P(x, y) zu quantifizieren!

(2) Die Individuenmenge M sei die Menge aller Menschen, die jemals gelebt haben.Interpretieren Sie das Prädikat P(x, y) als

x ist Mutter von y

und untersuchen Sie für alle Formeln aus (1), ob sie in dieser Struktur gültig,erfüllbar oder nicht erfüllbar sind! Handelt es sich um Aussagen?

Aufgabe 2.56Formel interpretieren[21]

Nennen Sie zur prädikatenlogischen Formel

ϕ = ∀ x ∃ y : P(x, y, f(z))

(1) eine Struktur �Mg, struktg�, in der ϕ gültig, und

(2) eine Struktur �Me, strukte�, in der ϕ erfüllbar, aber nicht gültig ist!

Aufgabe 2.57 Beweisen Sie Satz 2.51 S. 58!

Aufgabe 2.58 Beweisen Sie Satz 2.56 S. 59!

Aufgabe 2.59Negation

Welche der folgenden Aussagen sind logisch äquivalent, welche sind Negationen wel-cher anderen? Wieviele wesentlich verschiedene Aussagen sind darunter?

(a) Alle deutschen Autos sind schlecht gebaut.

(b) Alle deutschen Autos sind nicht schlecht gebaut.

(c) Alle nicht deutschen Autos sind schlecht gebaut.

(d) Alle nicht deutschen Autos sind nicht schlecht gebaut.

(e) Einige deutsche Autos sind schlecht gebaut.

(f) Einige deutsche Autos sind nicht schlecht gebaut.

(g) Einige nicht deutsche Autos sind schlecht gebaut.

(h) Einige nicht deutsche Autos sind nicht schlecht gebaut.

Aufgabe 2.60 Beweisen Sie Satz 2.59 S. 60!

Aufgabe 2.61 Beweisen Sie Satz 2.60 S. 61!

Aufgabe 2.62 Beweisen Sie Satz 2.61 S. 61!

Aufgabe 2.63Eigenschaften vonFormeln

Welche der folgenden Formeln sind allgemeingültig, gültig (in welcher Struktur?),erfüllbar (für welche Interpretation?), widersprüchlich?

(1) ∀ x ∀ y : (P(x, y) ∧ ¬ P(y, x))

(2) ∀ x : P(x) ∨ ∃ x : ¬ P(x)

(3) ∀ x ∀ y : (P(x) ∨ Q(y)) ∧ ∃ x ∃ y : (¬ P(x) ∧ ¬ Q(y))

(4) ∀ x : (¬P(x, x) ∧ ∃ y : (P(x, y) ∧ ¬ P(y, x)))

Aufgabe 2.64Formeln transformieren

Transformieren Sie die folgenden prädikatenlogischen Formeln in jede der in Bild 2.5S. 62 zusammengestellten Formen!

(1) ∀ x : (P(x) � (Q(f(x), x) ∧ ∃ y : (R(y) ∨ S(y, x))))

(2) ∀ x : P(x) � (Q(f(y), x) ∨ ∃ y : (R(y) ⇔ S(y, x)))

(3) (∀ x : (P(x) � Q(f(y), x)) ∧ R(y)) ∨ ∃ z : S(y, z)

(4) ∀ x ∃ y : (P(x) ⇔ Q(f(y), x)) ∨ R(y) <≠> ∃ x : S(y, x)

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2.4 Übungen 2 - 71

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 2.65Epimenides

Der Kreter Epimenides sagt: „Alle Kreter lügen.“

Folgern Sie daraus Aussagen über das Lügen von Epimenides und anderer Kreter!

Aufgabe 2.66Ecos foucaltschesPendel

Formalisieren Sie die Aussagen der folgenden Zitate aus Umberto Ecos Roman DasFoucaultsche Pendel (München/Wien 1989)!

(1) „[Der Dumme] ist der Typ, der sagt, alle Hunde sind Haustiere, und alle Hundebellen, aber auch Katzen sind Haustiere, und folglich bellen sie.“

(2) „Alle großen Menschenaffen stammen von niederen Formen des Lebens ab, dieMenschen stammen von niederen Formen des Lebens ab, also sind die Men-schen große Affen.“

(3) „Einige von denen, die nicht glauben, dass Gott die Welt in sieben Tagengeschaffen hat, sind keine Fundamentalisten, aber einige Fundamentalisten glau-ben, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat - also ist keiner, der nichtglaubt, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat, ein Fundamentalist. Istdas jetzt dumm oder nicht?“

Aufgabe 2.67Unabhängige Formeln[21]

Die Formeln

(a) ∀ x : P(x, x)

(b) ∀ x ∀ y : (P(x, y) � P(y, x))

(c) ∀ x ∀ y ∀ z : ((P(x, y) ∧ P(y, z)) � P(x, z))

drücken die Reflexivität, Symmetrie und Transitivität des Prädikats P aus.

Zeigen Sie, dass keine dieser Formeln aus den anderen beiden folgt, indem Sie fürjedes Formelpaar ein Modell angeben, das kein Modell für die jeweils dritte Formel ist!

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2 - 72 2 Logik

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 3 - Seite 1 von 14

3 Methodik

Aufgabe 3Beispiel 3Bild 3 (3) Leitlinie 3MathAussagen 3Programm 3 Tabelle 3Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Methoden der Mathematik, die auch fürdie Informatik wichig sind.

3.1 Axiomatik und DeduktionAbstraktion Vergleichen wir die algebraischen Strukturen der Mengenlehre in Kapitel 1 und der

Aussagenlogik in Kapitel 2, so erkennen wir ähnliche Regeln, z.B. Idempotenz, Asso-ziativität, Kommutativität, Distributivität, de Morgan. Eine wichtige Fähigkeit vonMathematikerInnen und InformatikerInnen ist das Abstrahieren: das Erkennen wesent-licher Merkmale unter vielen unwesentlichen Details. Die MathematikerIn abstrahiertGemeinsamkeiten aus mathematischen Strukturen und extrahiert daraus z.B. Axiome,die InformatikerIn abstrahiert Gemeinsamkeiten aus informatischen Strukturen undextrahiert daraus z.B. abstrakte Klassen.

Bevor wir in Kapitel 4 die Methode der Axiomatisierung am Beispiel der booleschenAlgebren anwenden, sind ein paar allgemeine Worte dazu angebracht und zur damiteng verknüpften Methode der Deduktion, die auf logischen Schlussfolgerungenbasiert. Axiomatik und Deduktion finden sich schon im Werk Elemente des antiken

griechischen Mathematikers Euklid1, das die Geometrie darstellt. In neuerer Zeit legten

Peano2 und Hilbert3 wesentliche Grundlagen.

Deduktion Wissenschaftliche Theorien sind Systeme von Vermutungen und Behauptungen.Begründete Vermutungen nennt man Hypothesen, als wahr geltende BehauptungenSätze (Lehrsatz). Manche Wissenschaften finden ihre Sätze auf empirischem Weg,indem sie einen Ausschnitt einer Realität untersuchen. Manche Wissenschaften nutzendie deduktive Methode, um von anerkannten Sätzen - so genannten Voraussetzungen- ausgehend durch Anwenden logischer Schlussregeln zu neuen Sätzen - so genanntenFolgerungen - zu kommen. In der Mathematik und der Informatik sind Abstraktionund Deduktion unentbehrliche Methoden.

Axiomatik Was bedeutet axiomatische Methode? In einer einzelnen mathematischen Theorie sindAxiome ausgezeichnete, als wahr vorausgesetzte Behauptungen, die grundlegendeBeziehungen zwischen Grundbegriffen einführen. Die Menge der Axiome nennt manAxiomensystem. Axiome werden nicht bewiesen, sondern „fallen als gültige Sätzevom Himmel“. Alle anderen Sätze der Theorie lassen sich deduktiv aus den Axiomenableiten. Diese Sätze formuliert man prägnant und allgemein und ergänzt sie i.A. mitÜberlegungen, die ihre Gültigkeit zeigen sollen und die Beweise heißen. Beweise wer-den mehr oder weniger formal mittels logischer Beweismethoden und -verfahrengeführt. Die in einer Theorie formulierbaren Behauptungen sind - wie exemplarischanhand der Aussagenlogik und der Prädikatenlogik dargestellt - Wörter über einemgewissen Alphabet, die gewisse syntaktische Regeln erfüllen. Die Sätze der Theoriesind die allgemeingültigen Behauptungen, d.h. sie unterliegen der Semantik, stets wahrzu sein. Beweise setzen ein System logischer Schlussregeln voraus.

1 Euklid von Alexandria (um 365 - 300 v.u.Z.), griechischer Mathematiker, Physiker, schufGrundlegendes zu Geometrie, Zahlentheorie, Aufbau und Beweismethodik der Mathematik.2 Guiseppe Peano (1858 - 1932), italienischer Mathematiker, Logiker, schuf ein Axiomensy-stem der natürlichen Zahlen.3 David Hilbert (1862 - 1943), deutscher Mathematiker.

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3 - 2 3 Methodik

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Bei Sätzen unterscheidet man pragmatisch folgende Arten:

Satzarten � Ein Lemma (Mehrzahl Lemmata) ist ein Hilfssatz, dessen Bedeutung vor allemdarin liegt, einen wichtigen Satz vorzubereiten oder dessen Beweis zu erleichtern.

� Ein „normaler“ Satz hat eine gewisse Bedeutung, die sich daran misst, wie oft undwie gut man den Satz in Theorien und Praxis anwenden kann. Der Beweis eines Sat-zes erfordert oft einen gewissen Aufwand, der in Lemmata ausgelagert sein kann.

� Ein Theorem ist wörtlich auch ein Satz; in diesem Skript sind Theoreme besonderswichtige (und seltene) Sätze.

� Ein Korollar ist eine Folgerung aus einer Definition, einem Satz oder Beweis,deren Beweis offensichtlich oder leicht ist.

Definitionen sind keine Sätze, sondern führen neue, prägnante Bezeichnungen undSchreibweisen ein für wichtige, oft vorkommende Sachverhalte, die durch komplexeAusdrücke beschrieben sein können.

Theorie und Modell Eine mathematische Theorie besteht somit aus Axiomen, Definitionen, und Sätzen, diesich aus den Axiomen ableiten lassen. Ähnlich, wie wir in Definition 2.50 S. 2-57Modelle für Mengen prädikatenlogischer Formeln betrachten, können wir zu einemAxiomensystem Modelle angeben, in denen die Axiome gelten. In jedem Modell gel-ten dann auch alle aus den Axiomen ableitbaren Sätze. Jedes Modell eines Axiomensy-stems ist damit ein Modell der gesamten Theorie. Umgekehrt genügt es, die Sätze derTheorie zu beweisen, ohne Modelle zu betrachten. Die Sätze der Theorie gelten „auto-matisch“ in allen Modellen des Axiomensystems.

Aufbau der Mathematik Die Mathematik lässt sich u.a. auf folgende Arten darstellen:

(1) Als Ansammlung einzelner mathematischer Theorien, von denen jede ihr eige-nes Axiomensystem hat, aus dem sich ihre Sätze ableiten.

(2) Als System miteinander verwobener mathematischer Theorien, deren gemeinsa-mes Fundament die Mengenlehre bildet. Die Sätze aller Theorien lassen sichletztlich aus den Axiomen der Mengenlehre ableiten. Die in einer Theorie unter-suchte mathematische Struktur wird nicht durch Axiome eingeführt, sonderndurch eine Definition im Rahmen der Mengenlehre.

Art (1) entspricht der historischen Entwicklung der Theorien, Art (2) der modernenMathematik, die versucht, isolierte Theorien in das mengentheoretische Gebäude zuintegrieren. Als Beispiel betrachten wir in Kapitel 4 die Theorie der booleschen Alge-bren. Nach Art (1) führt man boolesche Algebren mit Axiomen ohne Rückgriff auf dieMengenlehre ein. Nach Art (2) definiert man boolesche Algebren einfach als Mengenmit einer speziellen algebraischen Struktur. Wir gehen in diesem Skript beim Einführenmathematischer Strukturen nach Art (2) vor und sprechen gelegentlich trotzdem von„den Axiomen“ der mathematischen Struktur, obwohl es sich nur um mengentheoreti-sche Eigenschaften handelt.

Eigenschaften vonAxiomensystemen

Von einem „guten“ Axiomensystem AS zu einer Theorie und dem verwendeten„guten“ Logikkalkül LK sind folgende Eigenschaften wünschenswert:

� Korrektheit: LK heißt korrekt, wenn jede aus AS ableitbare Behauptung allge-meingültig, also ein Satz der Theorie ist.

� Vollständigkeit: LK heißt vollständig, wenn jeder Satz der Theorie aus AS ableit-bar ist.

� Widerspruchsfreiheit: AS heißt widerspruchsfrei (konsistent), wenn kein Wider-spruch aus AS ableitbar ist. Anders formuliert: Es gibt keine in der Theorie formu-lierbare Behauptung B, sodass sowohl B als auch ¬ B aus AS ableitbar ist.

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3.2 Definitionsmethoden 3 - 3

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� Unabhängigkeit: AS heißt unabhängig, wenn kein Axiom aus den anderen ableit-bar ist. Entfernt man eines der Axiome, so gibt es einen Satz, der aus AS, aber nichtaus dem reduzierten Axiomensystem ableitbar ist.

� Entscheidbarkeit: Es gibt einen Algorithmus (Verfahren), der zu jeder in der Theo-rie formulierbaren Behauptung B nach endlich vielen Schritten die Entscheidungliefert, ob B ableitbar ist oder nicht.

Diese Eigenschaften sind nicht alle gleich wichtig. Korrektheit und Widerspruchsfrei-heit sind kaum verzichtbar, wenn man nicht falsche Behauptungen oder Widersprücheschlussfolgern will. Allerdings ist jeder Beweis der Widerspruchsfreiheit eines Axio-mensystems relativ, denn um ihn zu führen, braucht man eine widerspruchsfreie Theo-rie, deren Widerspruchsfreiheit zuvor mit einer anderen widerspruchsfreien Theorie zubeweisen wäre usw. Da absolute Widerspruchsfreiheit nicht beweisbar ist, steht dieMathematik auf tönernen theoretischen Füßen, die dennoch bisher praktisch gut getra-gen haben.

Vollständigkeit und Entscheidbarkeit bleiben oft Wunschträume. Dazu lieferten vor

allem Gödel1 und Church2 bedeutende Resultate. Gödels Vollständigkeitssatz besagt,dass der Sequenzenkalkül für die Prädikatenlogik erster Stufe vollständig ist. SeinUnvollständigkeitssatz besagt, dass jede axiomatisierte Theorie, die wenigstens dieArithmetik der natürlichen Zahlen umfasst, unvollständig ist. Gödel zeigte auch, dassdie Prädikatenlogik zweiter Stufe unvollständig ist, und er wies die relative Wider-spruchsfreiheit von Auswahlaxiom und Kontinuumshypothese zu den übrigen Axio-men der Mengenlehre nach.

Church zeigte 1936, dass die Prädikatenlogik erster Stufe nicht entscheidbar ist, d.h. esgibt keinen Algorithmus, der zu jeder prädikatenlogischen Formel entscheidet, ob sieallgemeingültig ist oder nicht. Sehr viele Behauptungen sind nicht entscheidbar. Unent-scheidbare Probleme eignen sich nicht zur Bearbeitung auf einem Rechner.

Weniger wichtig ist dagegen die Unabhängigkeit: Oft verzichtet man bewusst daraufund ergänzt ein Axiomensystem aus ästhetischen und praktischen Gründen um abhän-gige Axiome.

3.2 DefinitionsmethodenEine Definition eines Begriffs beschreibt den Sinn, die Bedeutung des Begriffs genauinnerhalb eines begrifflichen Zusammenhangs und grenzt ihn von anderen Begriffenab. Zum Definieren eines Begriffs müssen wir andere Begriffe verwenden. Dazu gibt eszwei alternative Ansätze:

(1) Lexika definieren Begriffe oft gegenseitig durch zirkulare Beschreibungen.

Beispiel Wald: mit Bäumen bewachsenes Gebiet. Baum: Holzgewächs, oft einen Wald bildend.Holz: wesentlicher Stoff, aus dem Bäume sind.

Bei solchen Definitionen gibt es keinen Anfang und kein Ende: Suchen wir eine Erklä-rung für einen Begriff A und folgen Begriffen B, C,.., die A erklären sollen, so findenwir zu A zurück. Dieses Problem der Zirkel in Definitionen löst der zweite Ansatz:

(2) Wissenschaftliches Definieren setzt eine Menge von Grundbegriffen als gege-ben voraus. Alle anderen Begriffe werden mittels der Grundbegriffe oder schondefinierter Begriffe definiert.

1 Kurt Gödel (1906 - 1978), österreichisch-amerikanischer Mathematiker, Logiker, liefertebedeutende Beiträge zu logischen Grundlagenproblemen.2 Alonzo Church (1903 - 1995), amerikanischer Mathematiker, Logiker, schuf den Lambda-Kalkül; nach der churchschen These sind verschiedene Berechenbarkeitsbegriffe gleichwertig.

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3 - 4 3 Methodik

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3.2.1 Mathematische Definition

Die Mathematik verbindet den Ansatz (2) mit ihrer axiomatischen Methode. Sie defi-niert Grundbegriffe implizit in Axiomen, indem sie grundlegende Beziehungen zwi-schen den Grundbegriffen festlegt. Alle anderen Begriffe werden explizit definiert. Beieiner expliziten Definition heißt der zu definierende Begriff Definiendum, die ihnerklärende Beschreibung eines Dings oder Sachverhalts Definiens. Wir schreiben

Definiendum := Definiens

falls das Definiens ein Term ist,

Definiendum :⇔ Definiens

falls es eine Aussage (aussagenlogischer Ausdruck, prädikatenlogische Formel) ist.Der Doppelpunkt macht die Gleichung bzw. Äquivalenz asymmetrisch. Die LeserInerkennt sofort, dass links etwas Neues, rechts etwas Bekanntes steht.

Eine explizite Definition ist damit - formal gesehen - ein neuer Name, eine abkürzendeSchreibweise für einen altbekannten Sachverhalt. Man kann das Definiendum überall,wo es vorkommt, durch das Definiens ersetzen. Ersetzt man in einem Term oder einerAussage schrittweise alle Begriffe durch ihr Definiens, so erhält man schließlich einenTerm bzw. eine Aussage, in dem bzw. der nur Grundbegriffe vorkommen. Beispiels-weise sind die Grundbegriffe in diesem Skript die Elementrelation x ∈ M, die Mengen-gleichheit M = N, und das Mengenkonstrukt M = {x | E(x)}. Alle Terme und Aussagenlassen sich mit nur diesen Grundbegriffen formulieren.

Erforderlich ist das Ersetzen eines definierten Begriffs durch seine definierendeBeschreibung dann, wenn ein Vorkommen des Begriffs bewiesen werden soll. Bei-spielsweise beweist man eine Teilmengenbeziehung M ⊆ N, indem man „auf die Defi-nition zurückgeht“, ein beliebiges Element x aus M herausgreift und zeigt, dass es auchzu N gehört.

Inhaltlich betrachtet ist Definieren ein kreativer Akt. Die Kunst besteht darin, unterunzähligen Dingen und Sachverhalten besonders interessante, wesentliche zu erkennenund diese in Definitionen zu benennen. Wichtigem gibt man einen Namen, Unwichti-ges bleibt anonym. Passende Namen erleichtern uns, Begriffe zu begreifen.

Keine Zirkel inDefinitionen

Die Definitionsmethode (2) kann uns nicht helfen, zu definierende Begriffe auszuwäh-len. Sie lehrt uns nur, wie korrekte Definitionen zu konstruieren sind. Insbesondere darfim Definiens nicht das Definiendum vorkommen, und zwar weder direkt noch indirektdurch einen Begriff, der mittels des Definiendum definiert ist. Diese Regel, die zirku-lare Beschreibungen vermeidet, scheint bei rekursiver oder induktiver Definition ver-letzt (ist es aber nicht).

3.2.2 Rekursive und induktive Definition

Die Methode der rekursiven Definition haben wir am Beispiel des n-stelligen Pro-dukts von Mengen gezeigt (→ 1.9.1 S. 1-28), die Methode der induktiven Definitionexemplarisch bei der Syntax und der Semantik der Sprachen der Aussagenlogik undder Prädikatenlogik kennen gelernt (→ Definitionen 2.2 S. 6, 2.5 S. 9, 2.44 S. 48, 2.45S. 49, 2.49 S. 54). Beide Methoden sind miteinander verwandt, vielleicht sogar iden-tisch. Wir haben die zugrunde liegenden Prinzipien so charakterisiert:

Rekursion Das Prinzip der Rekursion ist, ein Problem der Größe n ∈ lN zu lösen, indem man

� es auf ein Problem der Größe n − 1 reduziert, und

� zusätzlich das Problem der Größe 1 löst.

Damit ist das Problem für alle n ∈ lN gelöst.

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3.3 Beweismethoden 3 - 5

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Induktion Das Prinzip der Induktion ist, ein Problem zu lösen, indem man

� atomare Teilprobleme löst;

� die Lösungen von aus Teilproblemen zusammengesetzten Problemen konstruiert,indem man sie aus Lösungen schon gelöster Teilprobleme zusammensetzt.

Damit ist das Problem für alle Teilprobleme, also allgemein, gelöst.

So gesehen ist Rekursion ein Spezialfall von Induktion, bei dem sich die Teilproblememit natürlichen Zahlen nummerieren lassen und es nur ein atomares Problem mit derNummer 1 gibt, sodass eine Kette von Teilproblemen und Lösungen entsteht. Bei derInduktion liegen dagegen oft mehrere atomare Teilprobleme vor, deren Lösungen manauf viele verschiedene Arten kombinieren kann.

Andererseits verwenden viele Autoren die Begriffe Rekursion und Induktion synonym.

Formelsprache Induktive Definition eignet sich allgemein zur Definition der Syntax so genannter kon-textfreier Sprachen. Zu solchen Sprachen gehören insbesondere aus Mathematik undProgrammiersprachen bekannte Ausdrücke, Formeln und Konstrukte: arithmetischeund relationale Ausdrücke, Mengenausdrücke und -formeln, boolesche Ausdrücke,prädikatenlogische Formeln, Anweisungen, Datentypen und Klassen. Bei einer induk-tiven Definition der Syntax einer solchen Formelsprache

� definiert man zunächst die einfachsten - atomaren - Formeln, und

� erklärt dann, wie sich komplexere - zusammengesetzte - Formeln aus einfacherenFormeln aufbauen.

Damit ist die Syntax für alle Formeln definiert. Die induktive Definition besteht damitaus einer Reihe von Syntaxregeln, die zusammen einen Kalkül, eine Anleitung zumKonstruieren von Formeln bilden.

Rekursive Funktion Induktive oder rekursive Definition eignet sich auch zur Definition bestimmter Funk-tionen. Das meist zitierte Beispiel ist wohl die Fakultätsfunktion:

! : lN0 → lN, n |→ n! := .

Verglichen damit benutzt die vielleicht anschaulichere Definition

n! := 1 ∗ 2 ∗ 3 ∗ ... ∗ n für n ∈ lN0

die ungenauen Punkte „...“.

3.3 BeweismethodenInformatikerInnen entwickeln informatische Systeme. Anwender nutzen diese Systemeals Werkzeuge oder Medien zum Lösen ihrer Probleme. Um festzustellen, ob einSystem tut, was es soll, d.h. ob es gestellte Anforderungen erfüllt, gibt es zwei sichergänzende Ansätze:

(1) Die Anwender fragen, ob sich das System im praktischen Betrieb wie gefordertverhält.

(2) Zeigen, dass die Implementation der Spezifikation des Systems entspricht.

Ansatz (2) reicht von „Veranschaulichen“ über logisch hieb- und stichfestes „Nachwei-sen“ zu formalem „Beweisen“. Implementationen und formale Spezifikationen sindmathematische Konstrukte, von denen zu zeigen ist, dass sie inhaltlich und formalzueinander passen.

MathematikerInnen beweisen die Allgemeingültigkeit von Aussagen. InformatikerIn-nen beweisen die Korrektheit von Implementationen bezüglich ihrer Spezifikationen.

1 falls n 0 1,{ }∈n n 1–( )! sonst

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3 - 6 3 Methodik

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Die spezifizierte und implementierte Einheit - hier System genannt - muss dabei nichtetwas Großes sein; es kann sich um ein Programmpaket, ein Modul, eine Prozedur,einen Algorithmus, eine Menge von Testfällen, einen Anwendungsfall oder Ähnlicheshandeln. Daher bedeutet Mathematik für InformatikerInnen weniger, angesammelteFormeln und Kochrezepte mechanisch anzuwenden, als vielmehr mathematischeMethoden, insbesondere Beweismethoden, zu beherrschen und kreativ zu nutzen.

In der Mathematik und der Informatik gleich wichtig ist ein allgemeines, oft Teile-und-Herrsche (divide-and-conquer) genanntes Prinzip zum Lösen von Problemen.

Leitlinie 3.1Prinzip derDekomposition undKomposition

In den folgenden Beweismethoden erscheint dieses Prinzip zu verschiedenen Problem-lösungskonzepten konkretisiert, z.B.:

� Fallunterscheidung,

� Zerlegung einer Implikation in eine Kette von Implikationen,

� Zerlegung einer Äquivalenz in zwei Implikationen.

3.3.1 Direkter Beweis

Allgemein hat der zu beweisende Satz die Form einer allgemeingültigen Aussage

A.

Oft nutzt man zu seinem Beweis einen anderen Satz B, der aus dem Axiomensystemableitbar ist, und die Schlussregel modus ponens, Satz 2.20 (4) S. 2-26:

(B ∧ (B � A)) � A.

Ist B schon bewiesen und folgt A aus B, so ist A bewiesen.

Keine Zirkel inBeweisen

Analog wie in Definitionen Zirkel zu vermeiden sind, dürfen auch in Beweisen keineZirkel vorkommen. Das heißt, der Beweis eines Satzes darf nur die Axiome, Definitio-nen vorkommender Begriffe und schon bewiesene Sätze nutzen. Insbesondere darf imBeweis eines Satzes nicht der Satz selbst verwendet werden, und zwar weder direktnoch indirekt durch einen anderen Satz, der mittels des zu beweisenden Satzes „bewie-sen“ scheint. (Diese Regel scheint bei induktiven Beweisen (→ 3.3.3) verletzt, ist esaber nicht.)

Oft hat der zu beweisende Satz die Form einer allgemeingültigen Implikation

A � B,

unter der Voraussetzung A gilt die Folgerung B.

Betrachten wir die vier möglichen Belegungen von A und B: Ist A falsch, so ist A � Bunabhängig von B wahr. Ist A wahr und B falsch, so ist A � B falsch - dieser Fall schei-det aus, da sonst A � B nicht allgemeingültig wäre. Im Fall A, B wahr ist auch A � Bwahr.

Um die Argumentation zu verdeutlichen, nutzen wir die logische Äquivalenz

A � B ≡ ¬A ∨ (A ∧ B).

Wir transformieren den Satz also in

Reduziere die Komplexität eines Problems und seiner Lösung durch

� Dekomposition des Problems in Teilprobleme und

� Komposition der Teillösungen zu einer Lösung des Problems.

Zerlege also ein komplexes Problem in einfachere, überschaubare, lösbare Teilpro-bleme. Konstruiere eine Lösung des Problems, indem du die Lösungen der Teilpro-bleme zusammenfügst.

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3.3 Beweismethoden 3 - 7

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¬ A ∨ (A ∧ B)

und betrachten zwei Fälle:

(1) Ist A falsch, so ist der Satz unabhängig von B wahr. In diesem Fall bleibt nichtszu zeigen.

(2) Ist A wahr, so muss auch B wahr sein, damit der Satz wahr ist. Setzen wir also Aals wahr voraus und folgern daraus, dass auch B wahr ist, so ist der Satz A � Bbewiesen.

Können wir B nicht in einem Schritt aus A folgern, so zeigen wir für geeignete Aussa-gen C1,.., Cn, dass die Implikationen

A � C1, C1 � C2,.., Cn−1 � Cn, Cn � B

allgemeingültig sind, also kurz die Kette der Implikationen

A � C1 � C2 � ... � Cn−1 � Cn � B.

Aus der Transitivität der Implikation, Satz 2.19 (5) S. 2-25 folgt dann A � B.

Beispiel 3.1

Pythagoreische1

Zahlentripel

Satz: Bilden drei Zahlen ein pythagoreisches Zahlentripel, so bilden auch ihre Vielfa-chen pythagoreische Zahlentripel.

Formalisierter Satz:

∀ a, b, c ∈ lN : (a2 + b2 = c2 � ∀ k ∈ lN : (ka)2 + (kb)2 = (kc)2).

Beweis:

Voraussetzung: Seien a, b, c ∈ lN beliebig mit a2 + b2 = c2.

Behauptung (zu zeigen): ∀ k ∈ lN : (ka)2 + (kb)2 = (kc)2.

Beweis der Behauptung: Sei k ∈ lN beliebig. Dann gilt:

(ka)2 + (kb)2 = k2 ∗ a2 + k2 ∗ b2 = k2 ∗ (a2 + b2) = Voraussetzung

k2 ∗ c2 = (kc)2,

also (ka)2 + (kb)2 = (kc)2, was zu beweisen war. �

3.3.1.1 Gegenbeispiel

Es ist zu zeigen, dass die Umkehrung eines Satzes der Form

A � B

nicht allgemeingültig ist, also dass

¬ (B � A),

oder äquivalent dazu

¬ A ∧ B

erfüllbar ist. Dazu genügt es, einen speziellen Sachverhalt anzugeben, in dem A nichtgilt, aber B. Dieser Sachverhalt heißt ein Gegenbeispiel (counterexample) zu B � A.

Beispiel 3.2Prim und teilerfremd

Satz: Je zwei verschiedene Primzahlen sind teilerfremd (relativ prim). Umgekehrt müs-sen zwei teilerfremde Zahlen nicht prim sein.

Formalisierter Satz:

∀ m, n ∈ lN : (m ≠ n ∧ prim(m) ∧ prim(n)) � ggT(m, n) = 1).

1 Pythagoras von Samos (um 580 - um 500 v.u.Z.), griechischer Philosoph, Mathematiker, gründete einen religiös-wis-senschaftlichen Geheimbund. Der nach ihm benannte Satz war schon viel früher in der babylonischen Mathematikbekannt (→ Aufgabe 2.48 S. 68).

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3 - 8 3 Methodik

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Anders formuliert:

∀ m, n ∈ lN : ((prim(m) ∧ prim(n)) � (m = n ∨ ggT(m, n) = 1)).

Gegenbeispiel:

15 und 16 sind teilerfremd, da 15 = 3 ∗ 5 und 16 = 2 ∗ 2 ∗ 2 ∗ 2, also ggT(15, 16) = 1,aber 15 und 16 sind keine Primzahlen. �

3.3.1.2 Äquivalenzbeweis

Der zu beweisende Satz hat die Form einer allgemeingültigen (logischen) Äquivalenz

A ⇔ B.

Um ihn zu beweisen, spalten wir ihn mit Satz 2.19 (6) S. 2-25 in zwei Implikationenauf:

(A � B) ∧ (B � A),

die wir einzeln direkt beweisen.

3.3.1.3 Ringschlussbeweis

Der zu beweisende Satz behauptet die logische Äquivalenz einer Folge von AussagenA1,.., An, d.h. er hat die Form

(A1 ⇔ A2) ∧ (A2 ⇔ A3) ∧ ... ∧ (An−1 ⇔ An).

Um ihn zu beweisen genügt es, die Implikationskette

A1 � A3 � ... � An−1 � An � A1

zu zeigen. Statt n − 1 Äquivalenzen, also 2 ∗ (n − 1) Implikationen, sind nur n Implika-tionen zu beweisen, der Rest folgt aus der Transitivität der Implikation.

3.3.2 Indirekter Beweis

Indirekte Beweise teilen sich in Kontrapositions- und Widerspruchsbeweise.

3.3.2.1 Kontrapositionsbeweis

Der zu beweisende Satz hat wieder die Form einer allgemeingültigen Implikation

A � B.

Um ihn zu beweisen, nutzen wir die Kontrapositionsregel, Satz 2.19 (8) S. 2-25:

A � B ≡ ¬B � ¬A.

Wir transformieren den Satz also in

¬ B � ¬A

und beweisen ihn so direkt: Voraussetzung: ¬ B; Behauptung (zu zeigen): ¬ A.

Bringt das überhaupt etwas? Oft sind beide Formen gleich schwierig oder einfach zubeweisen. Aber manchmal ist eben die kontraponierte Form leichter zu zeigen. Im fol-genden Beispiel ist es leichter, zu quadrieren, als eine Wurzel zu ziehen.

Beispiel 3.3Gerade und ungeradeZahlen und Quadrate

Satz: Das Quadrat einer natürlichen Zahl ist genau dann gerade (ungerade), wenn sieselbst gerade (ungerade) ist.

Teilweise formalisierter Satz:

(1) ∀ n ∈ lN0 : (n2 gerade � n gerade).

(2) ∀ n ∈ lN0 : (n gerade � n2 gerade).

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3.3 Beweismethoden 3 - 9

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(3) ∀ n ∈ lN0 : (n2 ungerade � n ungerade).

(4) ∀ n ∈ lN0 : (n ungerade � n2 ungerade).

Da eine natürliche Zahl entweder gerade oder ungerade ist, sind die Aussagen (1) und(4) äquivalent; (4) ist die Kontraposition von (1). Analog ist (3) die Kontraposition von(2). (2) ist unmittelbar einzusehen. Damit ist auch (3) gezeigt. Um (1) zu zeigen, bewei-sen wir die Kontraposition (4).

Beweis:

Voraussetzung: Sei n ∈ lN0 beliebig, aber ungerade.

Behauptung (zu zeigen): n2 ist ungerade.

Beweis der Behauptung: Da n ungerade ist, gibt es ein k ∈ lN0 mit n = 2k + 1. Damit

ist n2 = (2k + 1)2 = 4k2 + 4k + 1 = 2 ∗ (2k2 + 2k) + 1. Also ist auch n2 ungerade, was zubeweisen war. �

Kontraposition ist auch einsetzbar, wenn der zu beweisende Satz die Form einer allge-meingültigen Aussage

A

hat. Wir nutzen einen aus dem Axiomensystem ableitbaren Satz B und die Schlussregelmodus tollens, Satz 2.20 (5) S. 2-26:

((¬ A � ¬ B) ∧ B) � A.

B ist schon bewiesen. Wir zeigen, dass ¬ B aus ¬ A folgt. Damit ist A bewiesen.

3.3.2.2 Widerspruchsbeweis

Allgemein hat der zu beweisende Satz die Form einer allgemeingültigen Aussage

A.

Um ihn zu beweisen, nutzen wir die Regel reductio ad absurdum, Satz 2.20 (8) S. 2-26:

(¬ A � 0) � A.

Aus der Annahme, dass A nicht gilt, also ¬ A, leiten wir einen Widerspruch 0 ab. Dadies nicht sein darf, muss A statt ¬ A gelten. Der Widerspruchsbeweis von A ist also eindirekter Beweis von ¬ A � 0.

Varianten dieser Art von Widerspruchsbeweisen basieren auf folgenden Äquivalenzen:

A ≡ ¬A � 0.

A ≡ ¬A � A.

A ≡ ¬A � (C ∧ ¬ C).

Oft hat der zu beweisende Satz die Form einer allgemeingültigen Implikation

A � B.

Die Beweisregel lautet dann

(¬ (A � B) � 0) � (A � B),

oder äquivalent dazu

((A ∧ ¬ B) � 0) � (A � B).

Aus der Annahme, dass A gilt, aber B nicht, also A ∧ ¬ B, leiten wir einen Widerspruch0 ab. Da dies nicht sein darf, muss A � B gelten. Der Widerspruchsbeweis von A � Bist also ein direkter Beweis von (A ∧ ¬ B) � 0.

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3 - 10 3 Methodik

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Varianten dieser Art von Widerspruchsbeweisen basieren auf folgenden Äquivalenzen:

A � B ≡ ¬ (A ∧ ¬ B). Satz 2.19 (7) S. 2-25

A � B ≡ (A ∧ ¬ B) � 0.

A � B ≡ (A ∧ ¬ B) � ¬A.

A � B ≡ (A ∧ ¬ B) � B.

A � B ≡ (A ∧ ¬ B) � (C ∧ ¬ C).

Wozu brauchen wir diese Beweismethode? Sie ist nützlich, wenn weder A noch ¬Ballein sich eignen, um daraus die Behauptung B bzw. ¬ A zu folgern. Mit A ∧ ¬ B setzenwir mehr voraus und müssen weniger folgern, nämlich nur 0, ¬ A oder B. Wir zeigendie Methode des Widerspruchsbeweises an zwei klassischen Beispielen, dem Satz vonEuklid über die Unendlichkeit der Primzahlmenge und dem Satz von Hippasos über dieIrrationalität der Wurzel aus 2.

Beispiel 3.4Unendlichkeit derPrimzahlmenge

Lemma 1 zum Satz von Euklid: Jede natürliche Zahl n > 1 hat eine Primzahl als Tei-ler.

Beweis:

Da n Teiler von n ist, hat n einen von 1 verschiedenen Teiler. Sei p der kleinste von 1verschiedene Teiler von n.

Behauptung (Aussage A): p ist eine Primzahl.

Annahme: ¬A, d.h. p ist keine Primzahl.

Konstruktion eines Widerspruchs:

Da p keine Primzahl ist, hat p einen von 1 und p verschiedenen Teiler q. Da q Teilervon p und p Teiler von n ist, ist q auch Teiler von n. Wegen 1 < q < p ≤ n ist p nicht derkleinste Teiler von n. Die Annahme, dass p keine Primzahl ist, führt zum Widerspruch,dass p zugleich der kleinste und nicht der kleinste von 1 verschiedene Teiler von n ist.Also muss die Annahme falsch sein, d.h. p ist doch eine Primzahl. �

Lemma 2 zum Satz von Euklid: Zu jeder endlichen Menge P von Primzahlen gibt eseine Primzahl, die nicht in P enthlaten ist.

Beweis:

Seien P = {p1,.., pn} eine endliche Menge von Primzahlen und p := p1 ∗ ... ∗ pn + 1.

Behauptungen:

(1) Keine der Primzahlen p1,.., pn ist Teiler von p.

(2) p hat eine Primzahl q als Teiler.

Beweis der Behauptungen:

(1) ist klar nach Konstruktion von p, denn beim Teilen von p durch ein pi bleibt der

Rest 1.

Detailbeweis durch Widerspruch. Annahme: Ein pi ist Teiler von p.

Dann gibt es natürliche Zahlen a, b, sodass

pi ∗ a = p = p1 ∗ ... ∗ pi ∗ ... ∗ pn + 1 = pi ∗ b + 1,

also

pi ∗ (a − b) = 1.

Daraus folgt pi = 1 und a − b = 1. Dies widerspricht der Annahme, dass pi einePrimzahl ist.

(2) Nach Konstruktion ist p > 1. Nach Lemma 1 hat p eine Primzahl q als Teiler.

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3.3 Beweismethoden 3 - 11

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Da q nach (2) Teiler von p und Primzahl ist, kann q nicht unter den p1,.., pn vorkom-men, denn diese sind nach (1) keine Teiler von p. Damit ist q eine Primzahl, die nicht inP enthalten ist. �

Satz von Euklid (Aussage A): Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis:

Annahme: ¬A, d.h. die Menge lP aller Primzahlen ist endlich.

Konstruktion eines Widerspruchs:

Nach Lemma 2 gibt es eine Primzahl, die nicht in lP enthalten ist. Dies widerspricht derVoraussetzung, dass lP alle Primzahlen umfasst. �

Korollar zum Satz von Euklid (Aussage A): Es gibt keine größte Primzahl.

Beweis:

Annahme: ¬A, d.h. es gibt eine größte Primzahl p.

Konstruktion eines Widerspruchs:

Für die Menge aller Primzahlen gilt:

lP = {n ∈ lN | n ist Primzahl und n ≤ p}.

Da es nur endlich viele natürliche Zahlen gibt, die kleiner als p sind, ist lP endlich.Nach dem Satz von Euklid ist lP aber unendlich. Widerspruch! �

Das Produkt der ersten n Primzahlen p1,.., pn plus 1 muss keine Primzahl sein, wie das

Gegenbeispiel der ersten sechs Primzahlen zeigt: 2 ∗ 3 ∗ 5 ∗ 7 ∗ 11 ∗ 13 + 1 = 30031 =59 ∗ 509.1

Beispiel 3.5Irrationalität von Wurzelaus 2

Satz von Hippasos2 (Aussage A): Die Wurzel aus 2 ist keine rationale Zahl,

√2 ∉ �.

Beweis:

Annahme: ¬A, d.h. die Wurzel aus 2 ist rational, √2 ∈ �.

Konstruktion eines Widerspruchs:

Informalere Variante:

Dann gibt es teilerfremde Zahlen p ∈ lN0, q ∈ lN mit √2 = p/q. Quadrieren der Glei-

chung ergibt 2 = p2/q2. Multiplizieren der Gleichung mit q2 ergibt 2 ∗ q2 = p2. Also

muss p2 gerade sein. Nach Beispiel 3.3 muss dann auch p gerade sein. Damit gibt es ein

r ∈ lN mit p = 2 ∗ r. Somit ist 2 ∗ q2 = p2 = 22 ∗ r2, also q2 = 2 ∗ r2. Also muss auch q2

und damit q gerade sein. Damit haben p und q den gemeinsamen Teiler 2, im Wider-spruch zur Annahme, dass sie teilerfremd sind.

Formalere Variante:

√2 ∈ �� ∃ p ∈ lN0, q ∈ lN : (ggT(p, q) = 1 ∧ √ 2 = p/q).

√2 = p/q � 2 = p2/q2 � 2 ∗ q2 = p2 � p2 gerade.

(Beispiel 3.3 ∧ p2 gerade) � p gerade � ∃ r ∈ lN : p = 2 ∗ r.

p = 2 ∗ r � p2 = 22 ∗ r2.

1 Ich danke Herbert Bauer für diese Bemerkung.2 Hippasos von Metapont (um 500 v.u.Z.), griechischer Mathematiker, Schüler des Pythagoras,entdeckte inkommensurable Strecken und wurde dafür angeblich ertränkt (da die Pythagoräerdie natürlichen Zahlen mit ihren mythisch-religiösen Ideen verknüpft hatten).

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3 - 12 3 Methodik

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

(2 ∗ q2 = p2 ∧ p2 = 22 ∗ r2) � 2 ∗ q2 = 22 ∗ r2 � q2 = 2 ∗ r2 � q2 gerade.

(Beispiel 3.3 ∧ q2 gerade) � q gerade � ∃ s ∈ lN : q = 2 ∗ s.

(p = 2 ∗ r ∧ q = 2 ∗ s) � (2 teilt p ∧ 2 teilt q) � ggT(p, q) ≥ 2 > 1.

(ggT(p, q) = 1 ∧ ggT(p, q) > 1) � 0, Widerspruch! �

Manche Beweise erscheinen als Widerspruchsbeweise, obwohl sie keine sind.

Leitlinie 3.2Keine unechtenWiderspruchsbeweise

3.3.3 Induktiver Beweis

Die Methode des induktiven Beweises basiert auf dem Prinzip der Induktion und eig-net sich zum Beweisen von Eigenschaften induktiv definierter Konstrukte. Beispiels-weise ist die Vorgehensweise bei einer induktiv definierten Formelsprache F wie folgt(→ 3.2.2). Um zu beweisen, dass eine Behauptung B(F) für alle Formeln F ∈ F gilt,genügt es, die folgenden Schritte „induktiv über den Aufbau der Formeln“ durchzufüh-ren:

� Induktionsanfang (Induktionsanker): Zeige, dass B(A) für alle atomaren FormelnA ∈ F gilt.

� Induktionsschritt:

■ Unter der Induktionsvoraussetzung (Induktionsannahme), dass B(E) für alleeinfacheren Formeln E ∈ F gilt,

■ zeige im Induktionsschluss die Induktionsbehauptung, dass B(F) für komple-xere Formeln F ∈ F gilt, die sich aus einfacheren Formeln E ∈ F zusammenset-zen.

Damit ist die Behauptung B(F) für alle Formeln F ∈ F bewiesen.

Die Beweismethode der vollständigen Induktion lernen wir zusammen mit den natürli-chen Zahlen in Kapitel 5 kennen.

3.4 LiteraturhinweiseDieses Kapitel nutzt Ideen aus [8], [6], [13], [16], [18], [19], [23] und [27].

3.5 ÜbungenAufgabe 3.1Definitionen

Stellen Sie fest, ob folgende Sätze methodisch korrekte Definitionen sind und identifie-zieren Sie das Definiendum und das Definiens!

(1) Wir sagen, dass ein Maß Bier voll ist, wenn das Glas wenigstens so viel Bier ent-hält, dass der Pegel nicht mehr als 1 cm unterhalb der 1-Liter-Marke liegt undder Schaum mindestens 1 cm über die Marke hinausreicht.

(2) Sei B ein Maß Bier. B wird als voll bezeichnet dann und nur dann, wenn derInhalt von B aus einer Flüssigkeit besteht, die sich in staatlich geprüften Labora-torien zweifelsfrei als das landläufig als Bier bezeichnete Getränk entsprechenddem deutschen Reinheitsgebot und der Nahrungsmittelgesetze der EU identifi-zieren lässt, und zwar in einem Volumen bei Zimmertemperatur, das höchstensum ein Prozent von der Einheit ein Liter abweicht.

Vermeide scheinbare Widerspruchsbeweise für A � B, die aus A und ¬B - ohne ¬ Bzu verwenden - den „Widerspruch“ B folgern, oder - ohne A zu verwenden - den„Widerspruch“ ¬A folgern! Solche Beweise sind umständliche, getarnte direkteBeweise oder Kontrapositionsbeweise.

Verwende Widerspruchsbeweise nur dort, wo sie unverzichtbar erscheinen!

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3.5 Übungen 3 - 13

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(3) Unter Implantaten versteht die Zahnheilkunde künstliche Zahnwurzeln zur Befe-stigung von Kronen, Brücken oder Prothesen.

(4) Ist eine natürliche Zahl größer als 1 und nur durch 1 und sich selbst teilbar, sonennen wir sie eine Primzahl.

(5) Zwei ganze Zahlen heißen relativ prim, wenn sie nur 1 als gemeinsamen Teilerhaben.

(6) Ein Hund ist ein Haustier, das vom Wolf abstammt, also zum Beispiel ein Dak-kel.

Aufgabe 3.2Direkter Beweis

Beweisen Sie, dass das geometrische Mittel zweier nichtnegativer reeller Zahlen klei-ner oder gleich ihrem arithmetischen Mittel ist! Sind die Zahlen verschieden, so ist ihrgeometrisches Mittel kleiner als ihr arithmetisches Mittel.

(1) ∀ a, b ∈ � : ((a ≥ 0 ∧ b ≥ 0) � √ab ≤ (a + b) / 2)

(2) ∀ a, b ∈ � : ((a ≥ 0 ∧ b ≥ 0 ∧ a ≠ b) � √ab < (a + b) / 2)

(3) ∀ a, b ∈ � : ((a ≥ 0 ∧ b ≥ 0) � (a = b ⇔ √ab = (a + b) / 2))

(4) ∀ a, b ∈ � : ((a ≥ 0 ∧ b ≥ 0) � (a ≠ b ⇔ √ab < (a + b) / 2))

Aufgabe 3.3Descartes’ Methode

Diskutieren Sie die folgenden vier Regeln, die René Descartes in seinem Werk Dis-cours de la Méthode aufstellt:

Die erste besagte, niemals eine Sache als wahr anzunehmen, von der ich nicht evi-dentermaßen erkenne, dass sie wahr ist: d.h. Übereilung und Vorurteile sorgfältigzu vermeiden und über nichts zu urteilen, was sich meinem Denken nicht so klar unddeutlich darstellte, dass ich keinen Anlass hätte, daran zu zweifeln.

Die zweite, jedes Problem, das ich untersuchen würde, in so viele Teile zu teilen, wiees angeht und wie es nötig ist, um es leichter zu lösen.

Die dritte, in der gehörigen Ordnung zu denken, d.h. mit den einfachsten und amleichtesten zu durchschauenden Dingen zu beginnen, um so nach und nach, gleich-sam über Stufen, bis zur Erkenntnis der zusammengesetzten aufzusteigen, ja selbstin Dinge Ordnung zu bringen, die natürlicherweise nicht aufeinanderfolgen.

Die letzte, überall so vollständige Aufstellungen und so allgemeine Übersichten auf-

zustellen, dass ich versichert wäre, nichts zu vergessen.1

1 Zitiert nach Tom Sorell: Descartes. Herder, Freiburg (1999), S. 60; zitiert nach der Standard-ausgabe von Descartes’ Werken von Adam und Tannery, Vrin, Paris (1964-75), Band 6, S. 18-19.

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3 - 14 3 Methodik

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 4 - Seite 1 von 80

4 Relationale Strukturen

Aufgabe 4Beispiel 4Bild 4 (4) Leitlinie 4MathAussagen 4Programm 4 Tabelle 4Dieses Kapitel vertieft die Kenntnisse über Relationen Abbildungen, stellt als grundle-gende mathematische Strukturen Äquivalenz- und Ordnungsstrukturen vor, und führtKardinal- und Ordinalzahlen ein.

4.1 Allgemeines über Relationen und AbbildungenWir befassen uns näher mit den aus 1.7 S. 1-18 bekannten zweistelligen Relationen. Ist

R ⊆ M × N

eine Relation in einer Produktmenge M × N, so betrachten wir die Notation mit der Ele-mentrelation der Mengenlehre, die übliche Infixnotation, die Prädikatnotation und dieBezeichnung eines Funktionswerts der charakteristischen Funktion als äquivalent:

(x, y) ∈ R ⇔ x R y ⇔ R(x, y) ⇔ χR(x, y) ⇔ χR(x, y) = 1.

Abkürzungen Allgemein sind bei Relationen abkürzende Schreibweisen beliebt, die wir schon in Spe-zialfällen kennen. Hat man mehrere Paare, die in Beziehungen zueinander stehen undzusammenpassen, so schreibt man gerne Beziehungsketten statt Konjunktionen vonBeziehungen hin, z.B.

v = w ≤ x < y → z ∈ L ⊆ M ⊂ N = O stattv = w ∧ w ≤ x ∧ x < y ∧ y → z ∧ z ∈ L ∧ L ⊆ M ∧ M ⊂ N ∧ N = O,

allgemein also

x R y S z statt x R y ∧ y S z.

4.1.1 Zugeordnete Relationen

Gegeben sind die Mengen M, N und eine Relation R ⊆ M × N. In der Literatur hat dieProduktmenge M × N meist keinen Namen; wir nennen sie den Grundbereich von R.Wie erhält man aus R weitere Relationen? Die einfachsten Möglichkeiten sind:

� Einschränkung: Sind L ⊆ M, O ⊆ N, so ist

Einschränkung R ∩ L × O

eine Relation in L × O; sie heißt die Einschränkung (Restriktion) von R auf L × O.Damit hat R ∩ L × O den Grundbereich L × O. Ist der Grundbereich aus demZusammenhang klar, so schreiben wir kurz R statt R ∩ L × O, z.B. x R y stattx R ∩ L × O y für x ∈ L, y ∈ O. Anschaulich: In der Computergrafik entspricht dieEinschränkung dem Clipping, d.h. dem Entfernen von Bildpunkten, die außerhalbeines abzubildenden Fensters liegen.

� Fortsetzung: Sind M ⊆ L, N ⊆ O, so ist jede Relation S ⊆ L × O mit

Fortsetzung S ∩ M × N = R

eine Fortsetzung von R auf L × O. R selbst ist die kleinste Fortsetzung von R aufL × O.

� Teilrelation: Jede Teilmenge

Teilrelation S ⊆ R

ist eine Relation in M × N; sie heißt eine Teilrelation von R. Man sagt auch: S istfeiner als R oder eine Verfeinerung von R, R ist gröber als S oder eine Vergröbe-rung von S (weil Oberrelation von S seltsam klingt). Ist L ⊆ M, O ⊆ N, so ist diekleinste Fortsetzung der Einschränkung R ∩ L × O auf M × N eine Teilrelation von

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4 - 2 4 Relationale Strukturen

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R. Anschaulich: In der Computergrafik setzt sich ein digitales Farbbild (= Relation)aus roten, grünen und blauen Teilbildern (= Teilrelationen) zusammen.

Bild 4.1Einschränkung undTeilrelation

� Komplementierung:

KomplementäreRelation

R = M × N \ R,

das Komplement von R, ist die komplementäre Relation zu R. Anschaulich han-delt es sich um ein Negativbild.

Bild 4.2KomplementäreRelation

� Umkehrung:

Umkehrrelation R−1 := {(y, x) | (x, y) ∈ R} ⊆ N × M

ist die Umkehrrelation (converse) zu R (→ Definition 1.25 S. 1-19). Sie entstehtanschaulich durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden der beiden Koordinaten-achsen.

Bild 4.3Umkehrrelation

Die folgenden Eigenschaften der Umkehrrelation sind offensichtlich.

x

y

Teilrelation

Einschränkung

x

y

x

y

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 3

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 4.1Umkehrrelation

4.1.2 Bereiche von RelationenBeispiel Ist M eine Menge von StudentInnen, N eine Menge von Lehrveranstaltungen und

R ⊆ M × N die Relation „besucht“, so gibt der Nachbereich xR einer StudentIn x ∈ M

an, welche Lehrveranstaltungen x besucht. Der Vorbereich Ry einer Lehrveranstaltung

y ∈ N gibt an, welche StudentInnen y besuchen.

Bild 4.4Nach- und Vorbereich

In einem Pfeildiagramm entspricht ein Nachbereich einer Menge von Zielen von Pfei-len, die von einer gegebenen Startmenge ausgehen. Ein Vorbereich entspricht einerMenge von Startpunkten von Pfeilen, die auf eine gegebene Bildmenge treffen.

In einer Matrix entspricht dem Nachbereich einer Zeile die Menge der darin markiertenSpalten, dem Vorbereich einer Spalte die Menge der darin markierten Zeilen.

Definition 4.2Nach- und Vorbereich

n

� Die Literatur bietet uneinheitliche Bezeichnungen für zu unterscheidende Mengen. Mal heißt MDefinitionsbereich und RN Vorbereich von R, mal ist es umgekehrt. Entsprechend heißen N oder

MR mal Wertebereich, mal Nachbereich. In der englischsprachigen Literatur sind die Bezeich-nungen domain und range so üblich:

domain(R) := RN und range(R) := MR.

Durch ihre Nach- und Vorbereiche induziert eine Relation R zwei Abbildungen zwi-schen den Potenzmengen ihrer Komponentenmengen:

Für eine Relation R ⊆ M × N gilt:

(1) ∅ −1 = ∅ .

(M × N)−1 = N × M.

(2) (R−1)−1 = R. Involution

(3) R ⊆ S � R−1 ⊆ S−1. Monotonie

Ali

Udo

Eva

Ina

TG1

I1

MT1

AK

E1

M := R := besucht N :=Menge der StudentInnen Menge der Lehrveranstaltungen

Nachbereichvon Eva

Vorbereichvon MT1

Sind M, N Mengen und R ⊆ M × N eine Relation, so heißt für L ⊆ M

LR := {y ∈ N | ∃ x ∈ L : x R y}

der Nachbereich von L zu R, und für O ⊆ N heißt

RO := {x ∈ M | ∃ y ∈ O : x R y}

der Vorbereich von O zu R. Die Nach- und Vorbereiche einelementiger Mengen hei-ßen primitiv; wir schreiben dafür

xR := {x}R = {y ∈ N | x R y},

Ry := R{y} = {x ∈ M | x R y}.

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4 - 4 4 Relationale Strukturen

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P(M) → P(N), L |→ LR,

P(N) → P(M), O |→ RO.

Die folgenden Beziehungen dieser Abbildungen sind leicht zu zeigen.

Satz 4.3Bereiche undMengenoperationen

4.1.3 Eigenschaften von Relationen

Bei Relationen kann es im Allgemeinen Elemente geben, die zu keinem anderen Ele-ment oder zu mehreren anderen Elementen in Beziehung stehen. Relationen mit ent-sprechend speziellen Eigenschaften verdienen besonderes Interesse.

Definition 4.4EigenschaftenzweistelligerRelationen

Beispiele Die in Bild 4.4 dargestellte Relation hat keine dieser Eigenschaften.

Identität Die Identität auf M,

idM = {(x, x) | x ∈ M}

(→ 1.8.1 S. 1-21), besitzt alle diese Eigenschaften. Offenbar gilt

idM−1 = idM.

Für Mengen M, N, eine Relation R ⊆ M × N, und Teilmengen K, L ⊆ M und O, P ⊆ Ngilt:

(1) ∅ R = R∅ = ∅ .

(2) K ⊆ L � KR ⊆ LR. Monotonie

O ⊆ P � RO ⊆ RP.

(3) K∩LR ⊆ KR ∩ LR.

RO∩P ⊆ RO ∩ RP.

(4) K∪ LR = KR ∪ LR. LR = . Vereinigungstreue

RO∪ P = RO ∪ RP. RO = .

(5) K\LR ⊇ KR \ LR.

RO\P ⊇ RO \ RP.

(6) LR = R−1L.

RO = OR−1.

Rxx L∈∪

Ryy O∈∪

Sind M, N Mengen, so heißt eine Relation R ⊆ M × N

linkstotal :⇔ ∀ x ∈ M ∃ y ∈ N : x R y;

rechtstotal :⇔ ∀ y ∈ N ∃ x ∈ M : x R y;

bitotal :⇔ R ist links- und rechtstotal;

linkseindeutig :⇔ ∀ x, x´ ∈ M, y ∈ N : ((x R y ∧ x´ R y) � x = x´);

rechtseindeutig(partielle Abbildung) :⇔ ∀ x ∈ M, y, y´∈ N : ((x R y ∧ x R y´) � y = y´);

eineindeutig :⇔ R ist links- und rechtseindeutig;

homogen :⇔ M = N.

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 5

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Allrelation Die Allrelation auf M,

M2,

ist bitotal und homogen, aber - falls M mehrere Elemente hat - weder links- nochrechtseindeutig.

Auf einer Menge von Menschen ist die homogene Relation „ist Mutter von“ rechtstotalund linkseindeutig.

EinschränkungTeilrelation

Offenbar gilt: Mit einer Relation sind auch alle Verfeinerungen, Vergröberungen, derenKomplemente und Umkehrrelationen homogen. Ist R ⊆ M × N links-, rechts- oder ein-eindeutig, so haben Einschränkungen R ∩ L × O für L ⊆ M, O ⊆ N und TeilrelationenS ⊆ R dieselbe Eigenschaft. Für die Links-, Rechts- und Bitotalität gilt Entsprechendesnicht, sie können bei Einschränkungen und Teilrelationen verloren gehen. Die Totalitä-ten bleiben aber bei Vergröberungen erhalten. Fortsetzungen und das Komplement kön-nen alle Eigenschaften ihrer Ausgangsrelation verlieren.

Umkehrrelation Mit der Umkehrrelation R−1 gilt offenbar:

R ist linkstotal ⇔ R−1 ist rechtstotal,

R ist rechtstotal ⇔ R−1 ist linkstotal,

R ist bitotal ⇔ R−1 ist bitotal,

R ist linkseindeutig ⇔ R−1 ist rechtseindeutig,

R ist rechtseindeutig ⇔ R−1 ist linkseindeutig,

R ist eineindeutig ⇔ R−1 ist eineindeutig.

Beachte, dass eine wie oben definierte partielle Abbildung keine Abbildung im Sinneunserer Definition 1.26 S. 1-20 ist. Mit diesen Begriffen ist eine Abbildung

Abbildung f : M → N, x |→ f(x) = y

eine linkstotale, rechtseindeutige Relation auf M × N. Manche Autoren verlangen vonAbbildungen nur die Rechtseindeutigkeit und sprechen von (links)totalen Abbildun-gen, wenn sie zusätzlich linkstotal sind.

Beispiel Auf einer Menge von Menschen ist die Umkehrrelation von „ist Mutter von“ eineAbbildung. Relationale und funktionale Schreibweise hängen so zusammen:

Mutter(x) = y ⇔ x (ist Mutter von)−1 y ⇔ y ist Mutter von x.

Relation oderAbbildung?

Im Folgenden entwickeln wir Rechenregeln für Relationen und spezialisieren sie fürAbbildungen. Bei konkreten Anwendungen kann man mit Relationen oder Abbildun-gen arbeiten. Jede Abbildung lässt sich als Relation relationenalgebraisch behandeln,doch wird die Abbildungsnotation oft handlicher sein. Ist andererseits eine beliebigeRelation R ⊆ M × N gegeben, so ist ihr die Abbildung

M → P(N), x |→ xR

zugeordnet, die jedem x ∈ M seinen primitiven Nachbereich zuordnet (→ Definition4.2). Indem man vom Betrachten von Element-Element-Paaren (x, y) ∈ R ⊆ M × N zumBetrachten von Element-Mengen-Paaren (x, xR) ∈ M × P(N) übergeht, gewinnt man dieLinkstotalität und Rechtseindeutigkeit:

� Jedem x ∈ M ist mindestens eine Menge xR ⊆ N zugeordnet, die leer sein kann. Gibt

es zu x kein y ∈ N mit x R y, so ist xR = ∅ .

� Jedem x ∈ M ist höchstens eine Menge xR ⊆ N zugeordnet, die mehrere Elemente

haben kann. Gibt es zu x mehrere y, y´ ∈ N mit x R y, x R y´, so gehören sie zu xR:y, y´ ∈ xR.

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4 - 6 4 Relationale Strukturen

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Die Abbildungseigenschaften sind durch den komplexeren Wertebereich bezahlt.

Eigenschaften von Relationen lassen sich mit ihren Bereichen charakterisieren. Dasbringt keine tief liegenden Erkenntnisse, sondern dient dazu, das Umformen prädika-tenlogischer Formeln zu üben.

Satz 4.5Eigenschaften undBereiche

4.1.4 Zugeordnete Abbildungen

Im wichtigen Spezialfall der Abbildungen, also der linkstotalen, rechtseindeutigenRelationen, geht man oft etwas anders vor als sonst bei Relationen. Wie allgemein beiRelationen stellt sich die Frage, wie man aus einer gegebenen Abbildung f : M → Nweitere Abbildungen erhält. Die in 4.1.1 genannten einfachsten Möglichkeiten beiRelationen passen nicht ganz, da relationale Einschränkungen, Fortsetzungen, Teilrela-tionen, das Komplement und die Umkehrrelation einer Abbildung keine Abbildungensein müssen. (Die Linkstotalität und die Rechtseindeutigkeit können verloren gehen.)Deshalb sind hier die einfachen Möglichkeiten, die wir aus 1.8 kennen:

� Einschränkung: Ist f : M → N und L ⊆ M, so ist

Einschränkung f|L : L → N, x |→ f(x)

eine Abbildung, die Einschränkung von f auf L (→ 1.8.1 S. 1-21).

� Fortsetzung: Ist M ⊆ L, so ist jede Abbildung g : L → N mit

Fortsetzung g|M = f

eine Fortsetzung von f auf L (→ 1.8.1 S. 1-21).

� Umkehrung: Die Umkehrrelation einer Abbildung f : M → N ist genau dann eineAbbildung, wenn f bijektiv ist. In diesem Fall heißt

Inverse Abbildung f−1 : N → M, y |→ f−1(y) := x genau dann, wenn f(x) = y

die Inverse (Umkehrabbildung) zu f (→ Definition 1.27 S. 1-21).

4.1.5 Bilder und Urbilder von Abbildungen

Nach- und Vorbereiche heißen bei Abbildungen Bilder und Urbilder.

Beispiel Ist M eine Menge von StudentInnen, N eine Menge von Gemeinden und f : M → N dieAbbildung, die jeder StudentIn ihren Wohnort zuordnet, so gibt das Bild f[L] an, in wel-chen Orten die StudentInnen x ∈ L wohnen. Das Urbild einer Gemeinde y ∈ N gibt an,welche StudentInnen dort wohnen.

Für Mengen M, N und eine Relation R ⊆ M × N gilt:

(1) R ist linkstotal ⇔ RN = M.

(2) R ist rechtstotal ⇔ MR = N.

(3) R ist linkseindeutig ⇔ ∀ x, x´ ∈ M : (xR ∩ x´R ≠ ∅ � x = x´).

(4) R ist rechtseindeutig ⇔ ∀ y, y´∈ N : (Ry ∩ Ry´ ≠ ∅ � y = y´).

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 7

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Bild 4.5Bild und Urbild

Definition 4.6Bild und Urbild

n

Das f−1 des Urbilds f−1[O] entspricht der Umkehrrelation f−1 und ist nicht mit der

Umkehrabbildung f−1 (die es nur zu bijektivem f gibt) zu verwechseln! Wie jede Rela-tion induziert die Abbildung f zwei weitere Abbildungen zwischen den Potenzmengendes Definitions- und des Wertebereichs von f:

P(M) → P(N), L |→ f[L],

P(N) → P(M), O |→ f−1[O].

Für diese Abbildungen verwenden wir einfach die Namen f und f−1, aber mit eckigenKlammern. An den Klammern und den Argumenten ist stets ersichtlich, ob die Abbil-dung der Elemente (f(x)) oder die Abbildung der Teilmengen (f[L]) gemeint ist.

Warum unterscheiden sich die Notationen für Nach- und Vorbereiche bei Relationen und Abbil-dungen? Die Notation mit vor- oder nachgestelltem Index passt suggestiv gut zur relationalenInfixnotation, während die Präfix-eckige-Klammer-Notation besser zur Präfix-runde-Klammer-Notation bei Abbildungen passt. Trotzdem verwenden manche Autoren die Schreibweise miteckigen Klammern auch für Nach- und Vorbereiche von Relationen:

R[L] = LR und R−1[O] = RO.

Ali

Udo

Eva

Ina

Balingen

Esslingen

Reutlingen

Tübingen

Bad Urach

M := f := Wohnort N :=Menge der StudentInnen Menge der Gemeinden

Bildvon EvaUrbild von

Tübingen und Ina

Sind M, N Mengen und f : M → N eine Abbildung, so heißt für L ⊆ M der Nachbe-reich

f[L] := {f(x) ∈ N | x ∈ L} = Lf ⊆ N

das Bild von L unter f, und für O ⊆ N heißt der Vorbereich

f−1[O] := {x ∈ M | f(x) ∈ O} = fO ⊆ M

das Urbild von O unter f.

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4 - 8 4 Relationale Strukturen

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Satz 4.7Bilder undMengenoperationen

Beweis. (1), (2) sind trivial. (3) bis (6) folgen aus Satz 4.3.

(7) Für x ∈ L ist f(x) ∈ f[L], also x ∈ f−1[f[L]]. �

Zwischen f[L] und f[L] gibt es keine allgemeine Inklusionsbeziehung.

Satz 4.8Urbilder undMengenoperationen

Beweis. (1) gilt offenbar mit Satz 4.5 (1), da f linkstotal ist.

(2) x ∈ f−1[O] ⇔ f(x) ∈ O ∩ f[M].

(3) bis (6) folgen großenteils aus Satz 4.3.

(4) x ∈ f−1[O ∩ P] ⇔ f(x) ∈ O ∩ P ⇔ f(x) ∈ O ∧ f(x) ∈ P ⇔ x ∈ f−1[O] ∧ x ∈ f−1[P]

⇔ x ∈ f−1[O] ∩ f−1[P].

(6) x ∈ f−1[O \ P] ⇔ f(x) ∈ O \ P ⇔ f(x) ∈ O ∧ f(x) ∉ P ⇔ x ∈ f−1[O] ∧ x ∉ f−1[P] ⇔x ∈ f−1[O] \ f−1[P].

(7) Mit (6) und (1) folgt: f−1[Oc] = f−1[N \ O] = f−1[N] \ f−1[O] = M \ f−1[O] = (f−1[O])c.

(8) y ∈ f[f−1[O]] ⇔ ∃ x ∈ f−1[O] : f(x) = y ⇔ y ∈ O ∩ f[M]. �

Sind M, N Mengen, f : M → N eine Abbildung, K, L ⊆ M Teilmengen, I eine Index-

menge, (Li)i∈ I ∈ MI eine Mengenfamilie und werden die Mengenoperationen jeweils

mit allen Indices i ∈ I gebildet, so gilt:

(1) f[M] ⊆ N.

(2) f[L] = ∅ ⇔ L = ∅ .

(3) K ⊆ L � f[K] ⊆ f[L]. Monotonie

(4) f[K ∩ L] ⊆ f[K] ∩ f[L].

f[∩Li] ⊆ ∩f[Li].

(5) f[K ∪ L] = f[K] ∪ f[L]. Vereinigungstreue

f[∪ Li] = ∪ f[Li].

(6) f[K \ L] ⊇ f[K] \ f[L].

(7) L ⊆ f−1[f[L]].

Sind M, N Mengen, f : M → N eine Abbildung, O, P ⊆ N Teilmengen, I eine Index-

menge, (Oi)i∈ I ∈ NI eine Mengenfamilie und werden die Mengenoperationen jeweils

mit allen Indices i ∈ I gebildet, so gilt:

(1) f−1[N] = M.

(2) f−1[O] = ∅ ⇔ O ∩ f[M] = ∅ .

(3) O ⊆ P � f−1[O] ⊆ f−1[P]. Monotonie

(4) f−1[O ∩ P] = f−1[O] ∩ f−1[P]. Durchschnittstreue

f−1[∩Oi] = ∩ f−1[Oi].

(5) f−1[O ∪ P] = f−1[O] ∪ f−1[P]. Vereinigungstreue

f−1[∪ Oi] = ∪ f−1[Oi].

(6) f−1[O \ P] = f−1[O] \ f−1[P]. Differenztreue

(7) f−1[Oc] = (f−1[O])c. Komplementtreue

(8) f[f−1[O]] = O ∩ f[M] ⊆ O.

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 9

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

4.1.6 Eigenschaften von Abbildungen

Bei Abbildungen kann es im Allgemeinen Elemente des Wertebereichs geben, die keinUrbild oder mehrere Urbilder haben. Abbildungen mit entsprechend speziellen Eigen-schaften verdienen besonderes Interesse.

Definition 4.9Eigenschaften vonAbbildungen

Beispiele Die in Bild 4.5 dargestellte Abbildung und f : � → �, x |→ x2 haben keine dieserEigenschaften.

f :�→ lN, n |→ |n| ist surjektiv, aber nicht injektiv.

f : lN → lN, n |→ n2 ist injektiv, aber nicht surjektiv.

Die Identität idM und f : �→ �, x |→ x3 sind bijektiv.

Eigenschaften von Abbildungen lassen sich mit ihren Bildern und Urbildern charakteri-sieren.

Satz 4.10Eigenschaften, Bilderund Urbilder

Beweis. Wir zeigen die Äquivalenzen durch Ringschlussbeweise.

(1) Die erste Äquivalenz entspricht Satz 4.5 (2).

f[M] = N � ∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L]:

Für L ⊆ M gilt mit Satz 4.7 (6): f[L] = N \ f[L] = f[M] \ f[L] ⊆ f[M \ L] = f[L].

∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L] � ∀ O ⊆ N : f[f−1[O]] = O:

Wegen Satz 4.8 (8) genügt es, für O ⊆ N zu zeigen: O ⊆ O ∩ f[M].

Es gilt: O = O ∩ N = O ∩ ∅ = O ∩ f[∅ ] ⊆ O ∩ f[∅ ] = O ∩ f[M].

∀ O ⊆ N : f[f−1[O]] = O � f[M] = N:

Mit Satz 4.8 (1) gilt: f[M] = f[f−1[N]] = N.

(2) f injektiv � ∀ K, L ⊆ M : f[K ∩ L] = f[K] ∩ f[L]:

Wegen Satz 4.7 (4) genügt es, für K, L ⊆ M zu zeigen: f[K] ∩ f[L] ⊆ f[K ∩ L].

Zu y ∈ f[K] ∩ f[L] gibt es ein x ∈ K mit f(x) = y und ein x´ ∈ L mit f(x´) = y. Da finjektiv ist, ist x = x´ ∈ K ∩ L, also y ∈ f[K ∩ L].

Sind M, N Mengen und f : M → N eine Abbildung, so heißt f

surjektiv :⇔ f ist rechtstotal, d.h.(Surjektion, onto) ∀ y ∈ N ∃ x ∈ M : f(x) = y;

injektiv :⇔ f ist linkseindeutig, d.h.(Injektion, eineindeutig, one-to-one) ∀ x, x´ ∈ M : (f(x) = f(x´) � x = x´);

bijektiv :⇔ f ist surjektiv und injektiv.(Bijektion, umkehrbar eindeutig)

Für Mengen M, N und eine Abbildung f : M → N gilt:

(1) f ist surjektiv ⇔ f[M] = N⇔ ∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L]

⇔ ∀ O ⊆ N : f[f−1[O]] = O.

(2) f ist injektiv ⇔ ∀ K, L ⊆ M : f[K ∩ L] = f[K] ∩ f[L] Durchschnittstreue⇔ ∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L]⇔ ∀ K, L ⊆ M : (K ∩ L = ∅ � f[K] ∩ f[L] = ∅ )

⇔ ∀ L ⊆ M : f−1[f[L]] = L.

(3) f ist bijektiv ⇔ ∀ L ⊆ M : f[L] = f[L]. Komplementtreue

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4 - 10 4 Relationale Strukturen

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∀ K, L ⊆ M : f[K ∩ L] = f[K] ∩ f[L] � ∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L]:

Für L ⊆ M gilt f[L] ∩ f[L] = f[L ∩ L] = f[∅ ] = ∅ , also mit Satz 1.16 (8) S. 1-11f[L] ⊆ f[L].

∀ L ⊆ M : f[L] ⊆ f[L] � ∀ K, L ⊆ M : (K ∩ L = ∅ � f[K] ∩ f[L] = ∅ ):

Für K, L ⊆ M mit K ∩ L = ∅ gilt mit Satz 1.16 (8) S. 1-11 K ⊆ L. Mit Satz 4.7 (3)folgt f[K] ⊆ f[L] ⊆ f[L], also mit Satz 1.16 (8) f[K] ∩ f[L] = ∅ .

∀ K, L ⊆ M : (K ∩ L = ∅ � f[K] ∩ f[L] = ∅ ) � ∀ L ⊆ M : f−1[f[L]] = L:

Wegen Satz 4.7 (7) genügt es, für L ⊆ M zu zeigen: f−1[f[L]] ⊆ L, oder mit Satz 1.16

(8) S. 1-11: f−1[f[L]] ∩ L = ∅ .

L ∩ L = ∅ � f[L] ∩ f[L] = ∅ .

Mit den Sätzen 4.7 (7), 4.8 (4), der Voraussetzung und Satz 4.8 (2) folgt:

f−1[f[L]] ∩ L ⊆ f−1[f[L]] ∩ f−1[f[L]] = f−1[f[L] ∩ f[L]] = f−1[∅ ] = ∅ .

∀ L ⊆ M : f−1[f[L]] = L � f injektiv:

Für x, x´ ∈ M mit f(x) = f(x´) gilt:

{x} = f−1[f[{x}]] = f−1[{f(x)}] = f−1[{f(x´)}] = f−1[f[{x´}]] = {x´}, also x = x´.

(3) folgt aus (1) und (2). �

Jeder Abbildung f : M → N lässt sich die Surjektion

fsur : M → f[M] mit fsur(x) = f(x)

für x ∈ M zuordnen. Ist f injektiv, so sind fsur und

fsur−1 : f[M] → M

bijektiv. Aus beliebigem f : M → N gewinnt man eine Bijektion, indem man f auf einegeeignete Teilmenge L ⊆ M einschränkt, sodass f|L injektiv ist, und dann den Wertebe-reich auf das Bild von L reduziert:

(f|L)sur : L → f[L], x |→ f(x).

4.1.7 Operationen mit Relationen

Wie erhält man aus gegebenen Relationen weitere Relationen? Da Relationen Mengensind, können wir die Mengenoperationen auf sie anwenden. Meist ist das nur sinnvoll,wenn die Relationen denselben Grundbereich haben. Sei also R ⊆ P(M × N) ein Systemvon Relationen im Grundbereich M × N. Dann sind auch der Durchschnitt

Durchschnitt ∩R :=

und die Vereinigung

Vereinigung ∪ R :=

der Relationen R ∈ R wieder Relationen in M × N.

Die Kurzschreibweisen ∩R und ∪ R können zu Missverständnissen führen, wenn gleichzeitigetwas lasch bei Durchschnitten und Vereinigungen indizierter Mengen die Indexbeziehungunter dem Operationssymbol weggelassen wird. Sind z.B. Ri für i ∈ I Systeme von Relationen,

so sieht man ∩Ri nicht an, ob damit der Durchschnitt der Relationen R ∈ Ri, also , oder

der Durchschnitt der Systeme Ri, also gemeint ist. Die Entscheidung für eine der beiden

RR R∈∩

RR R∈∪

RR Ri∈∩

Rii I∈∩

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 11

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Interpretationen soll stets aus dem Zusammenhang klar werden. Dies ist eine der wenigen Stel-len, an der wir uns eine Kontextabhängigkeit erlauben.

Wie vertragen sich die Mengenoperationen mit der Operation der Umkehrung? Die fol-genden Rechenregeln sind wieder leicht zu zeigen.

Satz 4.11Mengenoperationenund Umkehrrelation

Wie vertragen sich Operationen mit Relationen mit deren Nach- und Vorbereichen?Auch die folgenden Beziehungen sind leicht zu zeigen.

Satz 4.12Mengenoperationenund Bereiche

Welche Eigenschaften der Relationen R ∈ R bleiben dem Durchschnitt ∩R und der

Vereinigung ∪ R erhalten? Von den in Definition 4.4 eingeführten Eigenschaften nicht

viele. Trivialerweise sind mit allen R ∈ R auch ∩R und ∪ R homogen. Aber die Tota-

litäten gehen im Allgemeinen dem Durchschnitt, die Eindeutigkeiten der Vereinigungverloren. Es bleiben nur:

Für Relationen R, S ⊆ M × N und ein System von Relationen R ⊆ P(M × N) gilt:

(1) (R ∩ S)−1 = R−1 ∩ S−1. Durchschnittstreue

R ≠ ∅ � (∩R)−1 = −1.

(2) (R ∪ S)−1 = R−1 ∪ S−1. (∪ R)−1 = −1. Vereinigungstreue

(3) (R \ S)−1 = R−1 \ S−1. Differenztreue

(4) (Rc)−1 = (R−1)c. Komplementtreue

RR R∈∩

RR R∈∪

Für Relationen R, S ⊆ M × N, ein System von Relationen R ⊆ P(M × N) und Teilmen-gen L ⊆ M, O ⊆ N gilt:

(1) L∅ = ∅ O = ∅ .

(2) L(M × N) = N ⇔ L ≠ ∅ .(M × N)O = M ⇔ O ≠ ∅ .

(3) S ⊆ R � (LS ⊆ LR ∧ SO ⊆ RO). Monotonie.

(4) L(∩R) ⊆ .

(∩R)O ⊆ .

(5) L(∪ R) = . Vereinigungstreue

(∪ R)O = .

(6) L(R \ S) ⊇ LR \ LS.(R \ S)O ⊇ RO \ SO.

(7) L ≠ ∅ � L(Rc) ⊇ (LR)c.

O ≠ ∅ � (Rc)O ⊇ (RO)c.

RLR R∈∩

ROR R∈∩

RLR R∈∪

ROR R∈∪

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4 - 12 4 Relationale Strukturen

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Satz 4.13Mengenoperationenund Eigenschaften

Es gibt jedoch eine Reihe von Eigenschaften von Relationen, die sich bei Durchschnit-ten oder Vereinigungen erhalten. Darauf geht Satz 4.34 ein.

Eine Folge der Situation ist, dass Durchschnitte von Abbildungen kaum eine Rollespielen. Dagegen nutzt man die Vereinigung von Abbildungen mit „kleinen“, disjunk-ten Definitionsbereichen, um diese zu einer „großen“ Abbildung zusammenzusetzen.Üblich ist das z.B. bei so genannten polynomialen Spline-Funktionen, die stetige Funk-tionen durch passende Polynomstücke annähern; sie spielen u.a. in der Computergrafikeine Rolle. Formal sieht das so aus:

Satz 4.14Zusammensetzen vonAbbildungen

4.1.8 Komposition von Relationen

Als neue Möglichkeit, aus gegebenen Relationen weitere Relationen zu erhalten, kannman zwei geeignete Relationen zu einer neuen Relation zusammensetzen.

Bild 4.6Komposition vonRelationen

Beispiele Ist L eine Menge von StudentInnen, M eine Menge von Lehrveranstaltungen, N eineMenge von DozentInnen, R ⊆ L × M die Relation „besucht“ und S ⊆ M × N die Rela-tion „wird gelesen von“, so ist S ° R die Relation „hört bei“. x S ° R z gibt an, dass dieStudentIn x ∈ L bei der DozentIn z ∈ N hört, d.h. es gibt eine Lehrveranstaltung y ∈ M,sodass gilt: x besucht y und y wird von z gelesen.

Ist M eine Menge von Menschen und R ⊆ M2 die Relation „ist Mutter von“, so ist R ° R

die Relation „ist Großmutter mütterlicherseits von“. Die Umkehrrelation R−1 bedeutet

„ist Kind der Mutter“ und (R ° R)−1 bedeutet „ist EnkelIn der Großmutter“. Ist S ⊆ M2

die Relation „ist verheiratet mit“, so ist S ° R die Relation „ist Schwiegermutter von“,denn x S ° R z gibt an, dass es einen Menschen y gibt, sodass x Mutter von y und y ver-heiratet mit z ist. Dagegen bedeutet die R ° S die Relation „ist Vater oder Stiefvatervon“, denn x R ° S z gibt an, dass es einen Menschen y gibt, sodass x verheiratet mit yund y Mutter von z ist. (Die Homoehe bleibt hier außer Betracht.)

Definition 4.15KompositionzweistelligerRelationen

Für ein System von Relationen R ⊆ P(M × N) gilt:

(1) Sind alle R ∈ R links-, rechts- oder eineindeutig, so hat ∩R dieselbe Eigen-

schaft.

(2) Ist wenigstens ein R ∈ R links-, rechts- oder bitotal, so hat ∪ R dieselbe

Eigenschaft.

Ist Z eine echte Zerlegung der Menge M, N ein nicht leeres Mengensystem, und gibt

es zu jedem Z ∈ Z ein NZ ∈ N und eine Abbildung fZ : Z → NZ, dann ist eine

Abbildung von ∪ Z = M nach ∪ N .

fZZ Z∈∪

M

S ° R

Ry

L

x

N

zS

Sind L, M, N Mengen und R ⊆ L × M, S ⊆ M × N Relationen, so heißt die durch

S ° R := {(x, z) ∈ L × N | ∃ y ∈ M : (x R y ∧ y S z)} S nach R, S Kringel R

definierte Relation S ° R ⊆ L × N die Komposition (Nacheinanderausführung) von Rund S.

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 13

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Die Schreibweise S ° R ist bei Relationen ungeschickter als die mit umgekehrter Reihenfolge,R ° S. Die Wahl der Notation ist gerechtfertigt dadurch, dass wir generell bei Relationen undspeziell bei Abbildungen einheitlich dieselbe Notation verwenden, um Verwechslungen vorzu-beugen, bei Abbildungen aber die gewählte Schreibweise geschickter als die andere ist.

Bild 4.7Assoziativität derKomposition

Bild 4.8Umkehrrelation derKomposition

Welche Eigenschaften hat die Operation der Komposition? Beziehungen der Komposi-tion mit sich selbst, mit der Umkehrrelation, Vor- und Nachbereichen, Eigenschaftenvon Relationen und Mengenoperationen sind zu klären.

Satz 4.16Eigenschaften derKomposition

Beweis. (1) Für alle w ∈ L, z ∈ O gilt:

w (T ° S) ° R z ⇔ ∃ x ∈ M : (w R x ∧ x T ° S z) ⇔∃ x ∈ M : (w R x ∧ ∃ y ∈ N : (x S y ∧ y T z)) ⇔

M

S ° R

Rx

Lw

Ny

S Oz

T

T ° S

M

(S ° R)−1

Ry

Lx

Nz

S

S ° R

R−1 S−1

Für Mengen L, M, N, O, Relationen R, R´ ⊆ L × M, S, S´ ⊆ M × N, T ⊆ N × O und

Relationenfamilien (Ri)i∈ I ∈ (L × M)I, (Sk)k∈ K ∈ (M × N)K gilt:

(1) (T ° S) ° R = T ° (S ° R). Assoziativität

(2) R ° ∅ = ∅ = ∅ ° R. Nullelement

(3) R ° idL = R = idM ° R. Einselement

(4) (S ° R)−1 = R−1 ° S−1. Inverses Element

(5) ∀ P ⊆ L : P(S ° R) = .

∀ Q ⊆ N : (S ° R)Q = .

(6) S ° R = ∅ ⇔ LR ∩ SN = ∅ .

(7) Sind R und S links-, rechts- oder bitotal, links-, rechts- oder eineindeutig oderhomogen, so hat S ° R dieselbe Eigenschaft.

(8) S ° R ist linkstotal � R ist linkstotal.S ° R ist rechtstotal � S ist rechtstotal.S ° R ist bitotal � R ist linkstotal und S ist rechtstotal.

(9) R ⊆ R´ � S ° R ⊆ S ° R´. MonotonieS ⊆ S´ � S ° R ⊆ S´ ° R.

(10) S ° (R ∪ R´) = (S ° R) ∪ (S ° R´). Distributivität(S ∪ S´) ° R = (S ° R) ∪ (S´ ° R).

° = (Sk ° Ri).

SRP( )

R SQ( )

Skk K∈∪

� �� �� �

Rii I∈∪

� �� �� �

i I∈ k, K∈∪

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4 - 14 4 Relationale Strukturen

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∃ x ∈ M ∃ y ∈ N : (w R x ∧ x S y ∧ y T z) ⇔∃ y ∈ N : (∃ x ∈ M : (w R x ∧ x S y) ∧ y T z) ⇔∃ y ∈ N : (w S ° R y ∧ y T z) ⇔ w T ° (S ° R) z.

(3) Für alle x ∈ L, y ∈ M gilt:

x R ° idL y ⇔ x idL x ∧ x R y ⇔ x R y ⇔ x R y ∧ y idM y ⇔ x idM ° R y.

(4) Für alle x ∈ L, z ∈ N gilt:

z (S ° R)−1 x ⇔ x S ° R z ⇔ ∃ y ∈ M : (x R y ∧ y S z) ⇔∃ y ∈ M : (z S−1 y ∧ y R−1 x) ⇔ z R−1 ° S−1 x.

(5) Aus Dualitätsgründen genügt es, die Aussage für die Vorbereiche zu zeigen. Fürjedes x ∈ L gilt:

x ∈ (S ° R)Q ⇔ ∃ z ∈ Q : x S ° R z ⇔ ∃ z ∈ Q ∃ y ∈ M : (x R y ∧ y S z) ⇔∃ y ∈ M : (x R y ∧ ∃ z ∈ Q : y S z) ⇔ ∃ y ∈ M : (x R y ∧ y ∈ SQ) ⇔ ∃ y ∈ SQ : x R y ⇔x ∈ .

(6) Durch Kontraposition: S ° R ≠ ∅ ⇔ ∃ x ∈ L, z ∈ N : x S ° R z ⇔∃ x ∈ L, z ∈ N, y ∈ M : (x R y ∧ y S z) ⇔ ∃ y ∈ M : (∃ x ∈ L : x R y ∧ ∃ z ∈ N : y S z) ⇔∃ y ∈ M : (y ∈ LR ∧ y ∈ SN) ⇔ ∃ y ∈ M : (y ∈ LR ∩ SN) ⇔ LR ∩ SN ≠ ∅ .

(7) Totalität: Aus Dualitätsgründen genügt es, die Linkstotalität zu zeigen. Sie folgt aus(5) mit Satz 4.5 (1): (S ° R)N = = RM = L.

Eindeutigkeit: Es genügt, die Rechtseindeutigkeit zu zeigen. Zu x ∈ L, z, z´ ∈ N mitx S ° R z und x S ° R z´ gibt es y, y´ ∈ M mit x R y, y S z, x R y´, y´ S z´. Da R rechtsein-deutig ist, ist y = y´. Da S rechtseindeutig ist, ist z = z´. Also ist S ° R rechtseindeutig.

Homogenität ist trivial.

(8) Ist S ° R linkstotal, so ist nach Satz 4.5 (1) und (5) L = (S ° R)N = . Aus

SN ⊆ M und Satz 4.3 (2) folgt ⊆ RM ⊆ L. Also gilt überall „=“, sodass R nach

Satz 4.5 (1) linkstotal ist.

Ist S ° R rechtstotal, so ist mit (4) (S ° R)−1 = R−1 ° S−1 linkstotal, also S−1 linkstotal,also S rechtstotal. �

Wegen der Assoziativität der Komposition sparen wir Klammern und definieren:

T ° S ° R := (T ° S) ° R.

Beachte, dass die Komposition nicht kommutativ ist, d.h. im Allgemeinen gilt

S ° R ≠ R ° S.

Die Komposition ist auch nicht bezüglich des Durchschnitts distributiv. Eigenschaftenvon Relationen lassen sich mit Kompositionen charakterisieren.

R SQ( )

R SN( )

R SN( )

R SN( )

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 15

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Satz 4.17Eigenschaften undKompositionen

Beweis. Aus Dualitätsgründen genügt es, (1) oder (2), und (3) oder (4) zu zeigen.

(1) „�“: Für jedes x mit x idM x gilt x ∈ M. Da R linkstotal ist, gibt es ein y ∈ N mit

x R y. Dann ist y R−1 x und mit x R y folgt x R−1 ° R x. Also gilt idM ⊆ R−1 ° R.

„⇐ “: Für jedes x ∈ M gilt x idM x und damit x R−1 ° R x. Daher gibt es ein y ∈ N mit

x R y (und y R−1 x). Also ist R linkstotal.

(4) „�“: Zu y, z ∈ N mit y R ° R−1 z gibt es ein x ∈ M mit y R−1 x und x R z, also x R y.

Da R rechtseindeutig ist, folgt y = z, also y idN z. Also gilt R ° R−1 ⊆ idN.

„⇐ “: Für x ∈ M, y, z ∈ N mit x R y und x R z ist y R−1 x, also y R ° R−1 z, also y idN z,

also y = z. Also ist R rechtseindeutig. �

Aus Satz 4.17 folgt direkt die Charakterisierung von Eigenschaften von Abbildungenmittels relationaler Kompositionen.

Korollar 4.18

4.1.9 Komposition von Abbildungen

Zwei geeignete Abbildungen lassen sich als Relationen zu einer neuen Relation kombi-nieren. Nach Satz 4.16 (7) ist die relationale Komposition von Abbildungen wiedereine Abbildung. Der syntaktische Aspekt der Komposition von Abbildungen ist unsvon 2.2.4 Syntax der Prädikatenlogik, S. 2-48 durch Terme wie

f(g(w, x), y, h(i(z)))

bekannt. Die Auswertung dieses Terms veranschaulicht das Schaltbild oder Daten-flussdiagramm:

Bild 4.9Schaltbild oderDatenflussdiagramm

Für Mengen M, N und eine Relation R ⊆ M × N gilt:

(1) R ist linkstotal ⇔ idM ⊆ R−1 ° R.

(2) R ist rechtstotal ⇔ idN ⊆ R ° R−1.

(3) R ist linkseindeutig ⇔ R−1 ° R ⊆ idM.

(4) R ist rechtseindeutig ⇔ R ° R−1 ⊆ idN.

(5) R ist linkstotal und linkseindeutig ⇔ R−1 ° R = idM.

(6) R ist rechtstotal und rechtseindeutig ⇔ R ° R−1 = idN.

Für eine Abbildung f : M → N und ihre Umkehrrelation f−1 gilt:

(1) f ist injektiv ⇔ f−1 ° f = idM.

(2) f ist surjektiv ⇔ f ° f−1 = idN.

f

g

i h

y

w

x

zi(z) h(i(z))

f(g(w, x), y, h(i(z)))

g(w, x)

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4 - 16 4 Relationale Strukturen

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Alternativ dazu betont das Mengendiagramm die Definitions- und Wertebereiche vorden einzelnen Elementen:

Bild 4.10Mengendiagramm mitAbbildungen

Die auf Abbildungspfeile reduzierte Variante nutzt die Projektionen - die Umkehrun-gen zur Produktbildung, die ja selbst keine Abbildung ist:

Bild 4.11Abbildungsdiagramm

Eine abstrakte Darstellung der zusammengesetzten Abbildung ist

f ° (g, idM, h ° i) : K × L × M × N → R.

Definition 4.19Komposition vonAbbildungen

Bild 4.12KommutierendesAbbildungsdiagramm

Sind f : L → M, g : M → N, h : L → N Abbildungen mit

h = g ° f,

so sagt man, das Abbildungsdiagramm kommutiert oder ist kommutativ.

Pia

Nz

Qd

h

Kw

×

×

Lx

Ob

×M

c

g

f Re

K × L Og

P Qh

Ni

O × M × Q Rf

K

L

M

π1

π2π1

π3

π2

Sind L, M, N Mengen und f : L → M, g : M → N Abbildungen, so heißt die durch

g ° f := {(x, z) ∈ L × N | ∃ y ∈ M : (f(x) = y ∧ g(y) = z)} g nach f, g Kringel f

definierte Abbildung g ° f : L → N die Komposition (Nacheinanderausführung) vonf und g. Da f linkstotal ist, gibt es zu jedem x ∈ L ein y ∈ M mit f(x) = y. Daher gilt

g ° f = {(x, g(f(x))) ∈ L × N | x ∈ L}.

Für x ∈ L schreiben wir

(g ° f)(x) = g(f(x)).

M

L N

fg

h

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 17

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 4.20Eigenschaften derKomposition

Beweis. (1) bis (7) folgen direkt aus Satz 4.16. Der folgende Beweis in Abbildungsno-tation ist einfacher, weil er zusätzliche Eigenschaften von Abbildungen nutzt.

(1) Für jedes x ∈ L gilt:

((h ° g) ° f)(x) = (h ° g)(f(x)) = h(g(f(x))) = h((g ° f)(x)) = (h ° (g ° f))(x).

(3) Wir zeigen die Aussage für die Urbilder. Für jedes x ∈ L gilt:

x ∈ (g ° f)−1[Q] ⇔ (g ° f)(x) = g(f(x)) ∈ Q ⇔ f(x) ∈ g−1[Q] ⇔ x ∈ f−1[g−1[Q]].

(4) Aus (3) folgt mit Satz 4.10 (1): (g ° f)[L] = g[f[L]] = g[M] = N.

(5) Aus (3) folgt mit Satz 4.10 (2) für K ⊆ L:

(g ° f)−1[(g ° f)[K]] = f−1[g−1[g[f[K]]]] = f−1[f[K]] = K.

(7) Da g ° f surjektiv ist und f[L] ⊆ M gilt: N = (g ° f)[L] = g[f[L]] ⊆ g[M] ⊆ N, also giltg[M] = N. Damit ist g surjektiv.

(8) Für x, x´ ∈ L mit f(x) = f(x´) ist (g ° f)(x) = g(f(x)) = g(f(x´)) = (g ° f)(x´). Da g ° finjektiv ist, ist x = x´ und damit ist f injektiv.

(10) Sei y ∈ M. Da f surjektiv ist, gibt es ein x ∈ L mit f(x) = y. Damit gilt g(y) = g(f(x))= (g ° f)(x) = (g´ ° f)(x) = g´(f(x)) = g´(y). Also ist g = g´.

(11) Sei x ∈ L. Es gilt g(f(x)) = (g ° f)(x) = (g ° f´)(x) = g(f´(x)). Da g injektiv ist, folgtf(x) = f´(x). Also ist f = f´. �

Satz 4.21Eigenschaften vonInversen

Beweis. (1) und (2) sind klar und (3) und (4) folgen aus Korollar 4.18. In Abbildungs-notation sieht das so aus:

(2) Für x ∈ M, y ∈ N gilt: (f−1)−1(x) = y ⇔ f−1(y) = x ⇔ f(x) = y.

Für Mengen L, M, N, O und Abbildungen f, f´ : L → M, g, g´ : M → N, h : N → O gilt:

(1) (h ° g) ° f = h ° (g ° f). Assoziativität

(2) f ° idL = f = idM ° f. Einselement

(3) ∀ P ⊆ L : (g ° f)[P] = g[f[P]].

∀ Q ⊆ N : (g ° f)−1[Q] = f−1[g−1[Q]].

(4) Sind f und g surjektiv, so ist g ° f surjektiv.

(5) Sind f und g injektiv, so ist g ° f injektiv.

(6) Sind f und g bijektiv, so ist g ° f bijektiv.

(7) Ist g ° f surjektiv, so ist g surjektiv.

(8) Ist g ° f injektiv, so ist f injektiv.

(9) Ist g ° f bijektiv, so ist f injektiv und g surjektiv.

(10) Ist f surjektiv und g ° f = g´ ° f, so ist g = g´.

(11) Ist g injektiv und g ° f = g ° f´, so ist f = f´.

Für Mengen M, N und eine Bijektion f : M → N gilt:

(1) f−1 ist bijektiv.

(2) (f−1)−1 = f, d.h. f und f−1 sind invers zueinander.

(3) f−1 ° f = idM.

(4) f ° f−1 = idN.

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4 - 18 4 Relationale Strukturen

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(3) Für x ∈ M und f(x) = y gilt: (f−1 ° f)(x) = f−1(f(x)) = f−1(y) = x.

(4) Für y ∈ N und f−1(y) = x gilt: (f ° f−1)(y) = f(f−1(y)) = f(x) = y. �

Satz 4.22Kriterium für Inverse

Beweis. Da idM bijektiv ist, ist mit Satz 4.20 (9) f injektiv und g surjektiv. Analog ist,da idN bijektiv ist, g´ injektiv und f surjektiv. Also ist f bijektiv. Damit gilt nach den Sät-

zen 4.20 (10), (11) und 4.21 (3), (4): Aus g ° f = idM = f−1 ° f folgt g = f−1 und aus

f ° g´ = idN = f ° f−1 folgt g´ = f−1. �

Satz 4.23Eigenschaften undKompositionen

Beweis. (1) „�“: Sei f surjektiv. Dann sind für y ∈ N alle Urbilder f−1[{y}] ⊆ M nicht

leer. Nach dem Auswahlaxiom wählen wir zu jedem y ∈ N ein xy ∈ f−1[{y}] und defi-

nieren durch g(y) := xy eine Injektion g : N → M, für die (f ° g)(y) = f(g(y)) = f(xy) = y

ist.

„⇐ “: Da idN bijektiv ist, ist mit Satz 4.20 (9) f surjektiv und g injektiv.

(2) „�“: Sei f injektiv. Dann sind fsur : M → f[M] und fsur−1 : f[M] → M bijektiv. Sei

g : N → M eine Fortsetzung von fsur−1 auf N. Dann ist g surjektiv und für x ∈ M ist

(g ° f)(x) = g(f(x)) = fsur−1(f(x)) = x.

„⇐ “: Da idM bijektiv ist, ist mit Satz 4.20 (9) f injektiv und g surjektiv.

(3) „�“: Folgt aus Satz 4.21.

„⇐ “: Folgt aus Satz 4.22. �

Aus den Sätzen 4.20 (7) und 4.23 folgt direkt:

Korollar 4.24

Mit dem algebraischen Begriff der Links- und Rechtsinversen lassen sich die gewonne-nen Aussagen umformulieren.

Definition 4.25Links- undRechtsinverse

Nach Satz 4.20 (9) sind Linksinverse surjektiv und Rechtsinverse injektiv. Links- undRechtsinverse müssen nicht existieren, und wenn sie existieren, dann müssen sie nichteindeutig sein. Hat eine Abbildung aber sowohl eine Links- als auch eine Rechtsin-verse, so sind diese nach Satz 4.22 gleich. Aus Satz 4.23 ergibt sich:

Sind M, N Mengen und f : M → N, g, g´ : N → M Abbildungen mit

g ° f = idM und f ° g´ = idN,

so ist g = g´ und f und g sind bijektiv und invers zueinander, d.h. g = f−1 und f = g−1.

Für Mengen M, N und eine Abbildung f : M → N gilt:

(1) f ist surjektiv ⇔ es gibt eine Abbildung g : N → M mit f ° g = idN.

(2) f ist injektiv ⇔ es gibt eine Abbildung g : N → M mit g ° f = idM.

(3) f ist bijektiv ⇔ es gibt eine Abbildung g : N → M mitf ° g = idN und g ° f = idM.

Für Mengen M, N gilt:

Es gibt eine Surjektion f : M → N genau dann, wenn es eine Injektion g : N → M gibt.

Sind M, N Mengen und f : M → N, g : N → M Abbildungen mit

g ° f = idM,

so heißt g Linksinverse von f und f Rechtsinverse von g.

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4.1 Allgemeines über Relationen und Abbildungen 4 - 19

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Korollar 4.26

4.1.10 Kartesisches Produkt von Relationen und Abbildungen

Eine weitere Möglichkeit, aus gegebenen Relationen neue Relationen zu bilden, bietetdas kartesische Produkt. Dabei entsteht die Struktur des Produkts aus den Strukturender Komponenten. Man spricht von komponentenweisen Relationen und Abbildun-gen. Den Spezialfall der Abbildungen geben wir der Lesbarkeit halber auch in Abbil-dungsnotation an.

Definition 4.27Kartesisches Produktvon Relationen undAbbildungen

Unsere Notation ist hier leider zweideutig: soll das kartesische Produkt der

Ri als Relationen bedeuten,

⊆ × ,

kann aber auch das kartesische Produkt der Mengen Ri nach Definition 1.29 S. 1-27

bedeuten,

⊆ .

Der Unterschied liegt in der Reihenfolge, in der die xi und yi zusammengefasst werden:((xi)i∈ I, (yi)i∈ I) oder ((xi, yi))i∈ I. Offenbar lassen sich die Paare von Familien bijektiv

den Familien von Paaren zuordnen:

((xi)i∈ I, (yi)i∈ I) ↔ ((xi, yi))i∈ I.

Aus der allgemeinen Definition 4.27 ergeben sich Spezialfälle, die wir tabellarischzusammenstellen.

Für Mengen M, N und eine Abbildung f : M → N gilt:

(1) f ist surjektiv ⇔ f besitzt eine Rechtsinverse.

(2) f ist injektiv ⇔ f besitzt eine Linksinverse.

(3) f ist bijektiv ⇔ f besitzt eine Links- und Rechtsinverse.

Seien I eine Indexmenge und Mi, Ni für i ∈ I Mengen.

Sind Ri ⊆ Mi × Ni für i ∈ I Relationen, so heißt die durch

(xi)i∈ I (yi)i∈ I :⇔ ∀ i ∈ I : xi Ri yi

für xi ∈ Mi, yi ∈ Ni definierte Relation

⊆ ×

das kartesische Produkt der Ri, i ∈ I.

Sind fi : Mi → Ni für i ∈ I Abbildungen, so heißt die durch

((xi)i∈ I) = (yi)i∈ I :⇔ ∀ i ∈ I : fi(xi) = yi

für xi ∈ Mi, yi ∈ Ni definierte Abbildung

: →

das kartesische Produkt der fi, i ∈ I.

Rii I∈∏

Rii I∈∏ Mii I∈

∏ Nii I∈∏

fii I∈∏

fii I∈∏ Mii I∈

∏ Nii I∈∏

Rii I∈∏

Rii I∈∏ Mii I∈

∏ Nii I∈∏

Rii I∈∏ Mi Ni×( )

i I∈∏

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4 - 20 4 Relationale Strukturen

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Tabelle 4.1Spezielle kartesischeProdukte vonRelationen undAbbildungen

Der letzte, speziellste Fall in Tabelle 4.1 tritt am häufigsten auf. Dabei wird einfach

eine homogene Relation R ⊆ M2 oder eine Abbildung f : M → M der Produktmenge MI

komponentenweise aufgeprägt, z.B. komponentenweiser Vergleich. Oft kommen dann

nicht nur einstellige, sondern auch zweistellige Operationen f : M2 → M vor, z.B. wennman für Vektoren komponentenweise Addition einführen will. Die obige Definition lie-fert mit

fI : → MI

nicht ganz das Gewünschte, denn man will

fI : → MI

haben. Man erreicht das, indem man die obige Definition zunächst auf drei- oder n-stel-lige Relationen verallgemeinert und dann wieder spezialisiert. Alternativ kann man dieBijektion

((x, y)i)i∈ I ↔ ((xi)i∈ I, (yi)i∈ I)

nutzen, die Familien von Paaren auf Paare von Familien abbildet.

Relationen Abbildungen

∀ i ∈ I : Mi = Ni

∀ i ∈ I : Ri ⊆ Mi2

∀ i ∈ I : fi : Mi → Mi

: →

∀ i ∈ I : Mi = M, Ni = N

∀ i ∈ I : Ri ⊆ M × N

⊆ MI × NI

∀ i ∈ I : fi : M → N

: MI → NI

∀ i ∈ I : Ri = R ⊆ M × N

RI ⊆ MI × NI

∀ i ∈ I : fi = f : M → N

fI : MI → NI

∀ i ∈ I : Mi = Ni = M

∀ i ∈ I : Ri ⊆ M2

∀ i ∈ I : fi : M → M

: MI → MI

∀ i ∈ I : Ri = R ⊆ M2

RI ⊆

∀ i ∈ I : fi = f : M → M

fI : MI → MI

Rii I∈∏ Mii I∈

∏� �� � 2 fii I∈

∏ Mii I∈∏ Mii I∈

Rii I∈∏ fii I∈

Rii I∈∏ M

I( )2

fii I∈∏

MI( )

2

M2( )

I

MI( )

2

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4.2 Homogene zweistellige Relationen 4 - 21

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

4.2 Homogene zweistellige RelationenNeben den Abbildungen bilden die homogenen zweistelligen Relationen den zweitenwichtigen Spezialfall.

Definition 4.28Eigenschaftenzweistelligerhomogener Relationen

Bild 4.13Eigenschaften vonRelationen

Ist R ⊆ M2 reflexiv (irreflexiv), so hat jeder (kein) Punkt von M einen Pfeil auf sichselbst.

Ist M eine beliebige Menge, so heißt eine Relation R ⊆ M2

reflexiv :⇔ ∀ x ∈ M : x R x;

irreflexiv :⇔ ∀ x ∈ M : ¬ x R x;

symmetrisch :⇔ ∀ x, y ∈ M : (x R y � y R x);

asymmetrisch :⇔ ∀ x, y ∈ M : (x R y � ¬ y R x);

antisymmetrisch (identitiv):⇔ ∀ x, y ∈ M : ((x R y ∧ y R x) � x = y);

semikonnex :⇔ ∀ x, y ∈ M : (x R y ∨ y R x ∨ x = y);

konnex :⇔ ∀ x, y ∈ M : (x R y ∨ y R x);

transitiv :⇔ ∀ x, y, z ∈ M : ((x R y ∧ y R z) � x R z);

intransitiv :⇔ ∀ x, y, z ∈ M : ((x R y ∧ y R z) � ¬ x R z).

Eine Folge x1,.., xn ∈ M mit n ∈ lN und x1 R x2,.., xn−1 R xn und xn R x1 heißt ein

Zyklus der Länge n zu R in M. R heißt

azyklisch :⇔ R hat keinen Zyklus in M.

R heißt eine

Verträglichkeitsrelation (compatibility relation):⇔ R ist reflexiv und symmetrisch;

Äquivalenzrelation (equivalence relation):⇔ R ist reflexiv, symmetrisch und transitiv;

Präordnung (Quasiordnung):⇔ R ist reflexiv und transitiv;

Halbordnung (partielle Ordnung, weak partial order):⇔ R ist reflexiv, antisymmetrisch und transitiv;

strikte Halbordnung (streng, strong):⇔ R ist irreflexiv und transitiv;

Vollordnung (totale, lineare Ordnung, order):⇔ R ist reflexiv, antisymmetrisch, konnex und transitiv;

strikte Vollordnung :⇔ R ist irreflexiv, semikonnex und transitiv.

•reflexiv

•irreflexiv

•symmetrisch

•asymmetrisch

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4 - 22 4 Relationale Strukturen

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Ist R symmetrisch (asymmetrisch), so ist jeder (kein) Pfeil ein Doppelpfeil in beideRichtungen.

Ist R antisymmetrisch, so ist jeder Doppelpfeil ein Pfeil auf seinen Startpunkt. Ist Rsemikonnex, so ist jeder Punkt mit jedem anderen mit wenigstens einem Pfeil verbun-den.

Ist R transitiv (intransitiv), so gibt es zu zwei aufeinander folgenden Pfeilen einen (kei-nen) direkten Pfeil.

Führen endlich viele aufeinander folgende Pfeile zum Startpunkt zurück, so liegt einZyklus vor. Ist R azyklisch, so führt kein Weg entlang der Pfeilrichtung zum Startpunktzurück. Die wichtigen Äquivalenz- und Ordnungsrelationen behandeln wir ausführlichin 4.3 und 4.5.

Beispiele Die leere Relation ∅ ist reflexiv, irreflexiv, symmetrisch, asymmetrisch, antisymme-trisch, semikonnex, konnex, transitiv, intransitiv, azyklisch und damit eine Verträglich-keits- und Äquivalenzrelation und Prä- und Halbordnung.

Die Identität idM = {(x, x) | x ∈ M} ist reflexiv, symmetrisch, antisymmetrisch, transitiv,und damit eine Verträglichkeits- und Äquivalenzrelation und Prä- und Halbordnung.

Die Allrelation M2 ist reflexiv, symmetrisch, semikonnex, konnex, transitiv, und damiteine Verträglichkeits- und Äquivalenzrelation und Präordnung.

Auf einer Menge von Menschen ist die Relation

� „ist Mutter von“ irreflexiv, asymmetrisch, antisymmetrisch (!), intransitiv und azy-klisch;

� „ist verheiratet mit“ irreflexiv und symmetrisch;

� „hat dieselben Eltern wie“ reflexiv, symmetrisch, transitiv und damit eine Verträg-lichkeits- und Äquivalenzrelation und Präordnung;

� „ist Vorfahre von“ irreflexiv, asymmetrisch, antisymmetrisch (!), transitiv, azyklischund damit eine strikte Halbordnung.

•antisymmetrisch

•semikonnex

=

•intransitiv

•transitiv

•semikonnex,Zyklus•

nicht azyklisch

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4.2 Homogene zweistellige Relationen 4 - 23

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aus Definition 4.28 ergibt sich direkt:

Korollar 4.29EigenschaftenzugeordneterRelationen

Gibt es Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften?

Satz 4.30Beziehungen zwischenEigenschaften

Beweis. (1) bis (5) sind klar. (6) und (7) sind leicht zu zeigen.

(8) Der Fall R = ∅ ist klar. Für R ≠ ∅ zeigen wir eine kontraponierte Aussage. Ist Rnicht azyklisch, so gibt es einen Zyklus x1 R x2,.., xn−1 R xn, xn R x1. Da R transitiv ist,

folgt x1 R x1, d.h. R ist nicht irreflexiv.

(9) Ist R azyklisch, so hat R keine Zyklen der Länge 2. Für x, y ∈ M gilt also:¬ (x R y ∧ y R x). Umformen ergibt ¬ x R y ∨ ¬ y R x, und daraus x R y � ¬y R x, d.h. Rist asymmetrisch.

(10) „�“: R asymmetrisch � ∀ x, y ∈ M : (¬x R y ∨ ¬ y R x) � ∀ x ∈ M : ¬x R x �R irreflexiv.

Seien x, y ∈ M mit x R y und y R x. Nun folgt: (R asymmetrisch ∧ x R y ∧ y R x) �(¬ y R x ∧ y R x) � 0 � x = y. Also ist R antisymmetrisch.

„⇐ “: Seien R irreflexiv und antisymmetrisch und x, y ∈ M mit x R y. Aus der Antisym-metrie von R folgt ¬y R x ∨ x = y. Wäre x = y, so wäre x R x, im Widerspruch zur Irre-flexivität von R. Also gilt ¬ y R x, d.h. R ist asymmetrisch.

Für eine Menge M und eine Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) Hat R eine der Eigenschaften von Definition 4.28 (außer der Eigenschaft, einen

Zyklus zu besitzen), so hat für N ⊆ M die Einschränkung R ∩ N2 auf N die-selbe Eigenschaft.

(2) Ist R irreflexiv, asymmetrisch, antisymmetrisch, intransitiv oder azyklisch, sohat jede Teilrelation S ⊆ R dieselbe Eigenschaft.

(3) Ist R reflexiv, semikonnex oder konnex oder hat R einen Zyklus, so hat jede

Vergröberung R ⊆ S ⊆ M2 dieselbe Eigenschaft.

(4) R hat eine der Eigenschaften von Definition 4.28 genau dann, wenn die

Umkehrrelation R−1 diese Eigenschaft hat.

Für eine Menge M und eine Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) R ≠ ∅ � R ist nicht zugleich reflexiv und irreflexiv.

(2) R ≠ ∅ � R ist nicht zugleich symmetrisch und asymmetrisch.

(3) R ≠ ∅ � R ist nicht zugleich transitiv und intransitiv.

(4) R ∪ idM ist reflexiv.

(5) R \ idM ist irreflexiv.

(6) R ist konnex � R und R \ idM sind semikonnex.

(7) R ist semikonnex � R ∪ idM ist konnex.

(8) R ist irreflexiv und transitiv � R ist azyklisch.

(9) R ist azyklisch � R ist asymmetrisch.

(10) R ist asymmetrisch ⇔ R ist irreflexiv und antisymmetrisch.

(11) R ist symmetrisch und antisymmetrisch� R ist transitiv.

(12) R ist strikte Halbordnung ⇔ R ist azyklisch und transitiv⇔ R ist asymmetrisch und transitiv.

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4 - 24 4 Relationale Strukturen

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(11) Seien R symmetrisch und antisymmetrisch und x, y, z ∈ M mit x R y ∧ y R z. Ausy R z und der Symmetrie von R folgt z R y. Aus y R z und z R y und der Antisymmetrievon R folgt y = z. Aus x R y und y = z folgt x R z, d.h. R ist transitiv.

(12) folgt aus (8) bis (10). �

Beachte, dass strikte Halb- und Vollordnungen keine Halb- bzw. Vollordnungen imSinn von Definition 4.28 sind, da sie irreflexiv und daher nicht reflexiv sind. StrikteOrdnungen sind Ordnungen anderer Art, nicht Ordnungen mit der zusätzlichen Eigen-schaft strikt. Satz 4.30 (4) und (5) stellt den Zusammenhang beider Ordnungsarten her.

Beachte dass (reflexiv, irreflexiv), (symmetrisch, asymmetrisch) und (transitiv, intran-sitiv) zwar sich gegenseitig ausschließende, aber nicht komplementäre Begriffspaaresind. Beispielsweise hat {(1, 1), (1, 2), (2, 3)} keine der sechs Eigenschaften.

Auch die Eigenschaften homogener Relationen lassen sich mit ihren Bereichen charak-terisieren; auch der folgende Satz dient vor allem dazu, das Umformen prädikatenlogi-scher Formeln zu üben.

Satz 4.31Eigenschaften undBereiche

Für eine Menge M und eine Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) R ist reflexiv ⇔ ∀ x ∈ M : x ∈ xR

⇔ ∀ x ∈ M : x ∈ Rx

⇔ ∀ x ∈ M : x ∈ xR ∩ Rx

⇔ ∀ x ∈ M : x ∈ xR ∪ Rx.

(2) R ist irreflexiv ⇔ ∀ x ∈ M : x ∉ xR

⇔ ∀ x ∈ M : x ∉ Rx

⇔ ∀ x ∈ M : x ∉ xR ∩ Rx

⇔ ∀ x ∈ M : x ∉ xR ∪ Rx.

(3) R ist symmetrisch ⇔ ∀ x ∈ M : xR = Rx.

(4) R ist asymmetrisch ⇔ ∀ x ∈ M : xR ∩ Rx = ∅ .

(5) R ist antisymmetrisch ⇔ ∀ x ∈ M : xR ∩ Rx ⊆ {x}.

(6) R ist semikonnex ⇔ ∀ x ∈ M : xR ∪ Rx ∪ {x} = M.

(7) R ist konnex ⇔ ∀ x ∈ M : xR ∪ Rx = M.

(8) R ist transitiv ⇔ ∀ x ∈ M : ⊆ xR

⇔ ∀ z ∈ M : ⊆ Rz.

(9) R ist intransitiv ⇔ ∀ x ∈ M : ∩ xR = ∅

⇔ ∀ z ∈ M : ∩ Rz = ∅ .

RRx( )

R Rz( )

RRx( )

R Rz( )

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4.2 Homogene zweistellige Relationen 4 - 25

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Homogene Relationen kann man mit sich selbst komponieren, und zwar beliebig oft.Die Komposition wird so zu einem Produkt.

Definition 4.32KompositionsprodukthomogenerzweistelligerRelationen

Damit gilt R1 = R, R2 = R ° R,... und f1 = f, f2 = f ° f,... Beachte, dass sich Kompositions-produkt und kartesisches Produkt (→ Definition 4.27) wesentlich unterscheiden. Mit-tels Mengenoperationen, Umkehr- und Produktrelationen ergeben sich weitere Charak-terisierungen der Eigenschaften homogener Relationen.

Satz 4.33Eigenschaften undOperationen

Sind M eine Menge und R ⊆ M2 eine Relation, so ist für n ∈ lN0 das n-fache (Kom-positions-)Produkt (n-te Potenz) von R rekursiv definiert durch

R0 := idM,

Rn := Rn−1 ° R für n ∈ lN.

Zudem seien

R+ := ;

R∗ := = R0 ∪ R+ = idM ∪ R+.

Ist f : M → M eine Abbildung, so ist ihr n-faches Produkt analog

f0 = idM,

fn = fn−1 ° f für n ∈ lN.

Rn

n lN∈∪

Rn

n lN0∈∪

Für eine Menge M und eine Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) R ist reflexiv ⇔ idM ⊆ R � R ⊆ R2.

(2) R ist irreflexiv ⇔ R ∩ idM = ∅ .

(3) R ist symmetrisch ⇔ R = R−1.

(4) R ist asymmetrisch ⇔ R ∩ R−1 = ∅⇔ (R ∪ R2) ∩ idM = ∅ .

(5) R ist antisymmetrisch ⇔ R ∩ R−1 ⊆ idM.

(6) R ist semikonnex ⇔ R ∪ R−1 ∪ idM = M.

(7) R ist konnex ⇔ R ∪ R−1 = M.

(8) R ist transitiv ⇔ R2 ⊆ R.

(9) R ist intransitiv ⇔ R ∩ R2 = ∅ .

(10) Für n ∈ lN gilt: R hat einen Zyklus der Länge n ⇔ Rn ∩ idM ≠ ∅ .

(11) R ist azyklisch ⇔ ∩ idM = R+ ∩ idM = ∅ .

(12) R ist reflexiv und transitiv � ∀ n ∈ lN : Rn = R.

(13) R ist symmetrisch und antisymmetrisch ⇔ R ⊆ idM.

(14) R ist Äquivalenzrelation und Halbordnung ⇔ R = idM.

Rn

n lN∈∪

� �� �� �

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4 - 26 4 Relationale Strukturen

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Welche der Eigenschaften von Definition 4.28 bleiben dem Durchschnitt und der Verei-nigung von Relationen erhalten?

Satz 4.34Operationen undEigenschaften

4.2.1 Intervalle

Bei homogenen Relationen kann man Nach- und Vorbereiche, insbesondere primitive,miteinander schneiden. Für transitive Relationen erhält man so einen verallgemeinertenIntervallbegriff, der speziell bei Zahlenmengen üblich ist. Bei nicht transitiven Relatio-nen passt der Durchschnitt von Nach- und Vorbereichen nicht zu allen Eigenschaften,die wir uns bei einem Intervall vorstellen.

Definition 4.35Intervall

Das Bild zeigt nicht alle Pfeile einer transitiven Relation.

Bild 4.14Intervall

Für ein System von Relationen R ⊆ P(M2) gilt:

(1) Sind alle R ∈ R reflexiv, symmetrisch, transitiv, Verträglichkeits- oder Äquiva-

lenzrelationen oder Präordnungen, so hat ∩R dieselbe Eigenschaft.

(2) Ist wenigstens ein R ∈ R irreflexiv, asymmetrisch, antisymmetrisch, intransitiv

oder azyklisch, so hat ∩R dieselbe Eigenschaft.

(3) Sind alle R ∈ R irreflexiv oder symmetrisch, so hat ∪ R dieselbe Eigenschaft.

(4) Ist wenigstens ein R ∈ R reflexiv, semikonnex oder konnex oder hat wenig-

stens ein R ∈ R einen Zyklus, so hat ∪ R dieselbe Eigenschaft.

Sind M eine Menge und R ⊆ M2 eine transitive Relation, so heißt für x, y ∈ M

[x, y]R := {z ∈ M | x R z ∧ z R y} = xR ∩ Ry

das Intervall zwischen x und y zu R.

x

[x, y]

y• •

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4.2 Homogene zweistellige Relationen 4 - 27

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Auch mit Intervallen lassen sich einige Eigenschaften charakterisieren.

Satz 4.36Eigenschaften undIntervalle

4.2.2 Abbildungen zwischen relationalen Strukturen

Abbildungen übertragen Relationen auf ihrem Definitionsbereich in Relationen aufihrem Wertebereich und umgekehrt.

Definition 4.37Bild und Urbild vonRelationen

Bijektionen erhalten alle Eigenschaften von Relationen. Welche Eigenschaften vonRelationen bleiben unter allgemeinen Abbildungen invariant?

Satz 4.38Bilder von Relationen

Für eine Menge M und eine transitive Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) ∀ x1, x2, y1, y2 ∈ M : [x1, y1]R ∩ [x2, y2]R = [x1, y2]R ∩ [x2, y1]R.

(2) ∀ x1, x2, y1, y2 ∈ M :

((x1 R y1 ∧ x2 R y2) � ([y1, x2]R ⊆ [x1, y2]R ∧ [y2, x1]R ⊆ [x2, y1]R)).

(3) R ist reflexiv ⇔ ∀ x ∈ M : x ∈ [x, x]R.

(4) R ist irreflexiv ⇔ ∀ x ∈ M : x ∉ [x, x]R.

(5) R ist symmetrisch � ∀ x, y ∈ M : [x, y]R = [y, x]R.

(6) R ist asymmetrisch ⇔ ∀ x ∈ M : [x, x]R = ∅⇔ ∀ x, y ∈ M : [x, y]R ∩ [y, x]R = ∅ .

(7) R ist antisymmetrisch ⇔ ∀ x ∈ M : [x, x]R ⊆ {x}.

(8) R ist reflexiv und antisymmetrisch⇔ ∀ x ∈ M : [x, x]R = {x}.

Sind M, N Mengen, R ⊆ M2, S ⊆ N2 Relationen und f : M → N eine Abbildung, soheißt die Relation

Rf := {(x, y) ∈ N2 | ∃ v, w ∈ M : (f(v) = x ∧ f(w) = y ∧ v R w)}= {(f(v), f(w)) | v R w}

das Bild von R unter f, und die Relation

fS := {(v, w) ∈ M2 | f(v) S f(w)}

heißt das Urbild von S unter f.

Sind M, N Mengen, R ⊆ M2 eine Relation und f : M → N eine Abbildung, so hat Rfdieselbe Eigenschaft wie R unter einer der folgenden Voraussetzungen:

(1) R ist symmetrisch oder hat einen Zyklus.

(2) f ist surjektiv und R links-, rechts- oder bitotal, reflexiv, semikonnex, konnexoder eine Verträglichkeitsrelation.

(3) f ist injektiv und R links-, rechts- oder eineindeutig, irreflexiv, asymmetrisch,antisymmetrisch, transitiv, intransitiv, azyklisch oder eine strikte Halbordnung.

(4) f ist bijektiv und R hat eine der Eigenschaften der Definitionen 4.4 und 4.28.

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4 - 28 4 Relationale Strukturen

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Da Abbildungen linkstotal und rechtseindeutig sind, bleiben Urbildern von Relationenmehr Eigenschaften erhalten als Bildern.

Satz 4.39Urbilder von Relationen

Statt eine Relation von einer Menge auf eine andere Menge mittels einer Abbildung zuübertragen, kann man Abbildungen zwischen zwei gegebenen relationalen Strukturendanach untersuchen, ob sie mit den Strukturen verträglich sind. StrukturverträglicheAbbildungen heißen Morphismen.

Definition 4.40RelationaleMorphismenIsomorphie

Beispiele Sei G eine Grundmenge.

(1) Für jede Relation R ⊆ G2 ist idG ein Automorphismus auf �G, R� (auch für

R = idG).

(2) �P(G), ⊆ � → �{P(M) | M ⊆ G}, ⊆ �, M |→ P(M) ist ein Isomorphismus (→ Korol-lar 1.9 S. 1-7).

(3) Für jedes N ⊆ G sind M |→ M ∩ N, M |→ M ∪ N und M |→ M \ N Homomorphis-men auf �P(G), ⊆ � (→ Sätze 1.13 (4) S. 1-9, 1.15 (7) S. 1-10).

(4) Für jedes N ⊆ G ist �P(G), ⊆ � → �P(G), ⊇ �, M |→ N \ M ein Homomorphismus(→ Satz 1.15 (8) S. 1-10).

(5) �P(G), ⊆ � → �P(G), ⊇ �, M |→ M und �P(G), ⊂ � → �P(G), ⊃ �, M |→ M sind Auto-morphismen (→ Satz 1.16 (7) S. 1-11).

(6) Für jede Relation R ⊆ M × N sind �P(M), ⊆ � → �P(N), ⊆ �, L |→ LR und

�P(N), ⊆ � → �P(M), ⊆ �, O |→ RO Homomorphismen (→ Satz 4.3 (2)).

Sind M, N Mengen, S ⊆ N2 eine Relation und f : M → N eine Abbildung, so hat fSdieselbe Eigenschaft wie S unter einer der folgenden Voraussetzungen:

(1) S ist reflexiv, irreflexiv, symmetrisch, asymmetrisch, konnex, transitiv, intran-sitiv, azyklisch, eine Verträglichkeits- oder Äquivalenzrelation, Prä- oderstrikte Halbordnung oder hat einen Zyklus.

(2) f ist surjektiv und S links-, rechts- oder bitotal.

(3) f ist injektiv und S links-, rechts- oder eineindeutig, antisymmetrisch, semikon-nex, eine Halb-, Voll- oder strikte Vollordnung.

(4) f ist bijektiv und S hat eine der Eigenschaften der Definitionen 4.4 und 4.28.

Sind M, N Mengen und R ⊆ M2, S ⊆ N2 Relationen, so heißt eine Abbildungf : M → N ein (relationaler)

Homomorphismus(mit R und S verträglich) :⇔ ∀ x, y ∈ M : (x R y � f(x) S f(y));

Isomorphismus :⇔ f ist ein bijektiver Homomorphismus und f−1 ist auchein Homomorphismus, d.h.∀ x, y ∈ M : (f(x) S f(y) � x R y), also∀ x, y ∈ M : (f(x) S f(y) ⇔ x R y);

Automorphismus :⇔ f ist ein Isomorphismus und M = N.

Den Bezug eines Morphismus zu den Strukturen verdeutlicht die Notation

f : �M, R� → �N, S�.

Die Strukturen �M, R�, �N, S� heißen (relational) isomorph,

�M, R� ≅ �N, S�,

wenn es einen Isomorphismus f : �M, R� → �N, S� gibt.

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4.3 Äquivalenzrelationen 4 - 29

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(7) Für jede Abbildung f : M → N sind �P(M), ⊆ � → �P(N), ⊆ �, L |→ f[L] und

�P(N), ⊆ � → �P(M), ⊆ �, O |→ f−1[O] Homomorphismen (→ Sätze 4.7 (3), 4.8(3)).

Die Komposition von zwei Homo-, Iso- oder Automorphismen ist wieder ein Homo-,Iso- bzw. Automorphismus.

Welche Beziehungen bestehen zwischen Bildern und Urbildern von Relationen undMorphismen? Direkt aus den Definitionen 4.37 und 4.40 folgt:

Korollar 4.41Bilder, Urbilder undMorphismen

4.3 ÄquivalenzrelationenBei Äquivalenzrelationen, also reflexiven, symmetrischen und transitiven Relationen,geht es um das „Gleichmachen“ von Elementen. Wir haben schon eine Reihe vonÄquivalenzrelationen kennen gelernt:

Beispiele (1) Die als Grundbeziehung nicht näher definierte Gleichheit von Dingen ist eineÄquivalenzrelation auf einer Menge von Dingen.

(2) Ist M ein Mengensystem, so ist die in Definition 1.2 S. 1-1 definierte Mengen-gleichheit „=“ nach Korollar 1.3 S. 1-2 eine Äquivalenzrelation auf M, die aufder logischen Äquivalenz basiert.

(3) Die Gleichheiten von Relationen, Abbildungen, n-Tupeln usw. sind als Spezial-fälle der Mengengleichheit auch Äquivalenzrelationen.

(4) Ist A eine Menge von Aussagen, so sind die Äquivalenz „⇔“ nach Satz 2.21 S.2-27 und die logische Äquivalenz „≡“ nach Korollar 2.22 S. 2-27 Äquivalenzre-lationen auf A. Sie basieren auf der Gleichheit auf lB = {0, 1}.

Weitere Äquivalenzrelationen kennen wir aus der Schulmathematik, dem Alltag undder Informatik:

(5) Parallelität von Geraden im n-dimensionalen Raum.

(6) Kongruenz und Ähnlichkeit von geometrischen Objekten wie Dreiecke, Vier-ecke, Kreise usw.

(7) Alle Socken gleicher Größe und Farbe aus gleichem Material mit gleichem Web-muster sind äquivalent.

(8) Alle Massenprodukte mit gleichen Eigenschaften sind äquivalent.

(9) Alle Geldmünzen und -scheine mit gleichem Wert sind äquivalent.

(10) Alle Module, die eine gegebene (vollständig spezifizierte) Schnittstelle (korrekt)implementieren, sind äquivalent.

(11) Alle Algorithmen, die dieselbe Funktion berechnen, sind äquivalent.

(12) Alle Systeme von EBNF-Regeln, die dieselbe Sprache beschreiben, sind äquiva-lent.

Bei Äquivalenzrelationen abstrahieren wir von uninteressanten Eigenschaften undbetrachten nur gerade interessante Eigenschaften. Alle Dinge, die die gleichen geradeinteressanten Eigenschaften besitzen, sind äquivalent.

� Bei der Mengengleichheit interessiert, welche Elemente zu den Mengen gehören -uninteressant ist, wie oft und in welcher Reihenfolge die Elemente vorkommen.

Sind M, N Mengen, R ⊆ M2, S ⊆ N2 Relationen und f : �M, R� → �N, S� ein Homo-morphismus, so gilt:

(1) Rf ⊆ S.

(2) R ⊆ fS.

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4 - 30 4 Relationale Strukturen

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� Bei den Aussagen interessieren die Interpretationen, die Wahrheitswerte - uninteres-sant ist, welche logischen Operationen in den Aussagen vorkommen.

� Bei den Geraden interessiert nur die Richtung, nicht die Lage.

� Bei den geometrischen Objekten interessiert nur die Form, nicht die Lage.

� Bei Socken interessiert nur, dass man sie paarweise anziehen kann.

� Bei einem Streichholz interessiert nur, ob es brennt, nicht wer es wann in welcheSchachtel gesteckt hat.

� Beim Geld interessiert nur „Was kriege ich dafür?“, nicht woher es kommt.

� Bei einem Modul interessiert nur, dass es richtig funktioniert, nicht wie es imple-mentiert ist.

� Bei einem Algorithmus interessiert nur das Ergebnis, nicht wie es berechnet wird.

� Bei EBNF-Regeln interessiert die Syntax der beschriebenen Sprache, nicht dieRegeln für sich.

Das bedeutet freilich nicht, dass wegabstrahierte Eigenschaften generell uninteressantsind. In anderen Zusammenhängen kann es durchaus darauf ankommen, wie ein Modulimplementiert ist, wieviel Speicherplatz und Laufzeit ein Algorithmus benötigt, oderwie leicht sich die Syntaxanalyse bei gegebenen EBNF-Regeln gestaltet.

Definition 4.42ÄquivalenzklasseQuotientenmenge

Die kanonische Abbildung ist eine Abstraktion: sie abstrahiert von uninteressantenEigenschaften der Elemente x ∈ M. Das Ergebnis sind die Äquivalenzklassen [x]R, diedurch die interessanten Eigenschaften bestimmt sind.

Sei M eine Menge und R ⊆ M2 eine Äquivalenzrelation. Elemente x, y ∈ M mit

x R y

heißen äquivalent bzgl. R. Für x ∈ M heißt die Menge der zu x äquivalenten Ele-mente von M,

[x]R := {y ∈ M | x R y},

die Äquivalenzklasse von x zu R. Wir nutzen die Kurzschreibweise

[x] statt [x]R,

wenn sie eindeutig und R bekannt ist. Jedes

y ∈ [x]R

heißt ein Repräsentant von [x]R. Die Menge aller Äquivalenzklassen zu R,

M / R := {[x]R | x ∈ M} ⊆ P(M), M nach R

heißt die Quotientenmenge (Faktormenge) von M zu R. Die offenbar surjektiveAbbildung

[.]R : M → M / R, x |→ [x]R,

die jedem Element von M seine Äquivalenzklasse zuordnet, heißt die kanonische(natürliche) Abbildung zu R.

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4.3 Äquivalenzrelationen 4 - 31

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Bild 4.15Äquivalenzklassen

Der Hauptsatz über Äquivalenzrelationen besagt, dass sich Äquivalenzrelationen undechte Zerlegungen einer Menge entsprechen. Bevor wir ihn in zwei Sätze aufgespaltenformal beweisen, veranschaulichen wir uns die Situation. Das Pfeildiagramm einerÄquivalenzrelation zerfällt in Teildiagramme, die durch keine Pfeile verbunden sind,aber innerhalb jedes Teildiagramms ist jeder Punkt mit jedem (auch sich selbst) durcheinen Doppelpfeil verbunden.

Identität Die Identität idM = {(x, x) | x ∈ M} ist eine Äquivalenzrelation. Zwei Elemente x, y ∈ M

sind genau dann äquivalent bzgl. idM, wenn sie gleich sind, d.h. x = y. Es ist also

idM = =.

Die Äquivalenzklasse von x ist {x}. Die Quotientenmenge von M zu idM besteht aus

den einelementigen Mengen,

M / idM = {{x} | x ∈ M}.

Die Identität ist die „feinste“ Äquivalenzrelation auf M, sie hat die größtmöglicheAnzahl von Klassen, die alle möglichst klein sind.

Allrelation Die Allrelation M2 ist eine Äquivalenzrelation. Alle Elemente sind äquivalent bzgl. M2.

Die einzige Äquivalenzklasse ist M. Die Quotientenmenge von M zu M2 ist

M / M2 = {M}.

Die Allrelation ist die „gröbste“ Äquivalenzrelation auf M, sie hat die kleinstmöglicheAnzahl von Klassen, die alle möglichst groß sind.

Interessante Äquivalenzrelationen liegen zwischen der Identität und der Allrelation, siesind gröber als die Identität und feiner als die Allrelation. Die Äquivalenzklassen [x]R

einer Äquivalenzrelation R ⊆ M2 zerlegen M, ihre Produkte mit sich selbst, die [x]R2,

zerlegen R. Eine Äquivalenzrelation ist also die disjunkte Vereinigung der Allrelatio-nen ihrer Äquivalenzklassen.

••

• ••

• •

••

• ••

• •

durch Äquivalenzrelation R

Z1

kanonische

QuotientenmengeM / R

Menge M

Z2

Z3

Z4

Z1 Z2

Z3

Z4

zerlegt inÄquivalenzklassen Zi

Abbildung[.]R

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4 - 32 4 Relationale Strukturen

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Bild 4.16Äquivalenzrelationen ineiner kartesischenEbene

Stellen wir die Äquivalenzrelation in einer kartesischen Ebene oder als Matrix dar undgruppieren äquivalente Elemente nebeneinander zusammen zu ihren Äquivalenzklas-sen Zi, so ergibt sich für die Äquivalenzrelation als Muster die Diagonale aus den mit

den Äquivalenzklassen Zi gebildeten Quadraten Zi2. Der Identität idM entspricht die

„dünnste“ Diagonale, der Allrelation M2 die „dickste“.

Satz 4.43Eigenschaften vonÄquivalenzrelationen

Beweis. (1) Sei x ∈ M. Da R reflexiv ist, gilt x R x. Daraus folgt x ∈ [x]R.

(2) folgt direkt aus (1). (Im Fall M = ∅ ist R = ∅ und M / R = ∅ . Dann ist die Vereini-gung der 0 Mengen aus M / R leer, also gleich M.)

(3) Seien x, y ∈ M.

„�“: Seien x R y und z ∈ [x]R. Dann gilt x R z. Da R symmetrisch ist, gilt auch y R x.

Da R transitiv ist, gilt auch y R z, also z ∈ [y]R. Damit ist [x]R ⊆ [y]R. Analog folgt die

umgekehrte Inklusion [y]R ⊆ [x]R und damit [x]R = [y]R.

Z2Z1 Z4 Z5Z3

Z2

Z1

Z4

Z5

Z3

Identität Allrelation

Für eine Menge M und eine Äquivalenzrelation R ⊆ M2 gilt:

(1) Alle Äquivalenzklassen sind nicht leer:

∀ x ∈ M : x ∈ [x]R.

(2) Die Äquivalenzklassen überdecken M:

= M.

(3) Jeder Repräsentant einer Äquivalenzklasse bestimmt dieselbe Äquivalenz-klasse, d.h. jede Äquivalenzklasse ist unabhängig von der Wahl eines Reprä-sentanten bestimmt:

∀ x, y ∈ M : (x R y ⇔ [x]R = [y]R).

(4) Jedes Element gehört zu genau einer Äquivalenzklasse, d.h. zwei Äquivalenz-klassen sind entweder gleich oder disjunkt:

∀ x, y ∈ M : ([x]R ≠ [y]R ⇔ [x]R ∩ [y]R = ∅ ).

(5) Die Äquivalenzklassen zerlegen M, d.h. die Quotientenmenge M / R ist eineechte Zerlegung von M.

(6) Die Produkte der Äquivalenzklassen mit sich selbst zerlegen R, d.h.

{[x]R2 | x ∈ M} ist eine echte Zerlegung von R:

= R.

x[ ] Rx M∈∪

x[ ] R2

x M∈∪

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4.3 Äquivalenzrelationen 4 - 33

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„⇐ “: Sei [x]R = [y]R. Da R reflexiv ist, gilt x R x, also x ∈ [x]R = [y]R, also y R x. Da R

symmetrisch ist, gilt auch x R y.

(4) Seien x, y ∈ M. Wir zeigen die kontraponierten Implikationen.

[x]R = [y]R � [x]R ∩ [y]R ≠ ∅ :

Aus [x] = [y] und (1) folgt [x] ∩ [y] = [x] ≠ ∅ .

[x]R ∩ [y]R ≠ ∅ � [x]R = [y]R:

Es gibt ein z ∈ [x] ∩ [y]. Mit (3) gilt:z ∈ [x] ∧ z ∈ [y] ⇔ x R z ∧ y R z ⇔ x R z ∧ z R y � x R y ⇔ [x] = [y].

(5) folgt aus (1), (2) und (4).

(6) folgt aus (1), (3) und (4). �

Theorem 4.44Äquivalenzrelationenund Zerlegungen

R

Beweis. (1) Im Fall M = ∅ ist Z = ∅ und RZ = ∅ . Sei also M ≠ ∅ .

Reflexivität: Sei x ∈ M. Da Z eine echte Zerlegung ist, gibt es ein Z ∈ Z mit x ∈ Z.Damit gilt x RZ x.

Symmetrie: folgt direkt aus der Kommutativität der Konjunktion.

Transitivität: Seien x, y, z ∈ M mit x RZ y und y RZ z. Dann gibt es genau ein Zxy ∈ Z

mit x, y ∈ Zxy und genau ein Zyz ∈ Z mit y, z ∈ Zyz. Damit ist y ∈ Zxy ∩ Zyz. Da Z eine

Zerlegung ist, folgt Zxy = Zyz. Damit sind x, z ∈ Zxy, also x RZ z.

Es bleibt zu zeigen: M / RZ = Z.

„⊆ “: Ist [x] ∈ M / RZ, so gibt es (da Z eine echte Zerlegung ist) genau ein Z ∈ Z mit

x ∈ Z. Da für y ∈ M gilt: y ∈ [x] ⇔ x RZ y ⇔ y ∈ Z, ist [x] = Z.

„⊇ “: Ist Z ∈ Z, so gibt es (da Z eine echte Zerlegung ist) ein x ∈ Z. Da für y ∈ M gilt:y ∈ Z ⇔ x RZ y ⇔ y ∈ [x], ist Z = [x].

(2) „⊆ “: Ist x RM / R y, so gibt es ein z ∈ M mit x, y ∈ [z]R. Daraus folgt z R x und z R y.

Da R symmetrisch und transitiv ist, folgt x R y.

„⊇ “: Aus x R y folgt x, y ∈ [x]R und daraus x RM / R y. �

Alle Repräsentanten einer Äquivalenzklasse sind äquivalent, daher ist es „egal, wel-chen man nimmt“. Oft bieten sich besonders „handliche“ Repräsentanten an, aus denenman ein Repräsentantensystem bildet.

Sei M eine Menge.

(1) Ist Z ⊆ P(M) eine echte Zerlegung von M, so ist

RZ := {(x, y) ∈ M2 | ∃ Z ∈ Z : x, y ∈ Z}

eine Äquivalenzrelation auf M, deren Quotientenmenge gleich Z ist:

M / RZ = Z.

Wir bezeichnen RZ als die durch Z induzierte Äquivalenzrelation auf M.

(2) Für jede Äquivalenzrelation R ⊆ M2 stimmt die durch die QuotientenmengeM / R induzierte Äquivalenzrelation mit R überein:

RM / R = R.

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4 - 34 4 Relationale Strukturen

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Definition 4.45Repräsentantensystem

Beispiel 4.1Diskretisierung

Beispielsweise bilden wir beim Diskretisieren stetiger Größen Äquivalenzklassen. Fürx ∈ � bezeichnet �x� den ganzzahligen Anteil von x, also die größte ganze Zahl n ∈ �mit n ≤ x. Durch

x R y :⇔ �x� = �y�

für x, y ∈ � ist eine Äquivalenzrelation R auf � definiert. Reelle Zahlen mit gleichemganzzahligen Anteil sind äquivalent. (In der Notation von Definition 4.37 istR = �.�id�, das Urbild der Gleichheit unter �.�. Nach Satz 4.39 (1) ist R eine Äquiva-lenzrelation, weil die Gleichheit eine ist.) Ein handliches Repräsentantensystem bildenoffenbar die ganzen Zahlen: Es ist� ⊆ � und zu jedem x ∈ � gibt es genau ein n ∈ �mit x R n, nämlich n := �x�. In einem so diskretisierten System repräsentieren ganzeZahlen reelle Zahlen. �

Nach- und Vorbereich Im Folgenden sei R ⊆ M2 eine Äquivalenzrelation. Die Nach- und Vorbereiche vonElementen von R sind die Äquivalenzklassen dieser Elemente, denn es gilt:

xR = {y ∈ M | x R y} = [x]R,

Ry = {x ∈ M | x R y} = [y]R.

Die kanonische Abbildung zu R stimmt bis auf den Wertebereich mit den Abbildungen

M → P(M), x |→ xR,

M → P(M), x |→ Rx

Intervall überein (→ S. 3). Die Intervalle von R sind leer oder stimmen mit Äquivalenzklassenüberein, denn es gilt:

[x, y]R = {z ∈ M | x R z ∧ z R y} = xR ∩ Ry = [x]R ∩ [y]R.

Deshalb lassen sich Äquivalenzrelationen auch mittels Bereichen charakterisieren.

Satz 4.46Charakterisierung vonÄquivalenzrelationen

Es folgen einige Anwendungen von Äquivalenzrelationen.

Ist R ⊆ M2 eine Äquivalenzrelation, so heißt eine Teilmenge N ⊆ M

ein Repräsentantensystem zu R :⇔ M / R = {[y]R | y ∈ N}

⇔ ∀ x ∈ M ∃ 1y ∈ N : x R y.

Ist M eine Menge und R ⊆ M2 eine Relation, so sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) R ist eine Äquivalenzrelation.

(2) ∀ x ∈ M ∃ y ∈ M : x R y ∧ ∀ x, y, z ∈ M : ((x R z ∧ y R z) � x R y).

(3) ∀ x ∈ M ∃ y ∈ M : y R x ∧ ∀ x, y, z ∈ M : ((z R x ∧ z R y) � x R y).

(4) ∀ x ∈ M : xR ≠ ∅ ∧ ∀ x, y ∈ M : (xR ∩ yR ≠ ∅ � x R y).

(5) ∀ x ∈ M : Rx ≠ ∅ ∧ ∀ x, y ∈ M : (Rx ∩ Ry ≠ ∅ � x R y).

(6) ∀ x ∈ M : x ∈ xR = Rx = .

(7) ∀ x ∈ M : x ∈ xR = Rx = .

(8) ∀ x, y ∈ M : (x R y ⇔ xR = yR).

(9) ∀ x, y ∈ M : (x R y ⇔ Rx = Ry).

(10) idM ⊆ R = R−1 = R2.

RRx( )

R Rx( )

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4.3 Äquivalenzrelationen 4 - 35

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4.3.1 Faktorisierung von Abbildungen

Bei einer Abbildung kann man alle Urbildelemente mit gleichem Bildelement als äqui-valent betrachten. Die Abbildung lässt sich dann in einen surjektiven und einen injekti-ven Teil zerlegen.

Bild 4.17Faktorisierungs-diagramm

Satz 4.47Faktorisierung einerAbbildung

Beweis. (1) In der Notation von Definition 4.37 ist ∼ f = fidN, das Urbild der Gleichheit

unter f. Nach Satz 4.39 (1) ist ∼ f eine Äquivalenzrelation, weil die Gleichheit eine ist.

(2) Für x, y ∈ M gilt: y ∈ ⇔ x ∼ f y ⇔ f(x) = f(y) ⇔ y ∈ f−1[{f(x)}].

(3) Es ist zu zeigen, dass f wohldefiniert ist: f ist offenbar linkstotal. f ist rechtseindeu-

tig, da für x, y ∈ f−1[{z}] gilt: f(x) = z = f(y). Zudem ist f injektiv, denn aus f([x]) = f(x) =f(y) = f([y]) folgt [x] = [y].

(4) Für x ∈ M gilt: (f ° )(x) = f( ) = f(x). �

Eine Abbildung ist also auf jeder ihrer Fasern konstant und ordnet verschiedenenFasern verschiedene Werte zu. Die Äquivalenzklassen [x]R einer Äquivalenzrelation R

sind die Fasern der kanonischen Abbildung [.]R zu R. Jede Äquivalenzrelation ist durchihre kanonische Abbildung induziert.

Eine Äquivalenzrelation R auf M zerlegt einen Homomorphismus f : �M, R� → �N, =� inzwei Faktoren.

M / ∼ f

M N

f

f

surjektiv [.]∼ f injektiv

Für Mengen M, N und eine Abbildung f : M → N gilt:

(1) Durch

∼ f := {(x, y) ∈ M2 | f(x) = f(y)} = {(x, y) ∈ M2 | y ∈ f−1[{f(x)}]} = f−1 ° f

ist eine Äquivalenzrelation auf M definiert; sie heißt die durch f induzierteIdentifizierung.

(2) Für die Quotientenmenge gilt:

M / ∼ f = {f−1[{z}] | z ∈ f[M]}.

Die Äquivalenzklassen f−1[{z}] heißen Fasern von f.

(3) Durch

f : M / ∼ f → N, |→ f(x)

ist eine injektive Abbildung definiert; sie heißt die zu f gehörige Injektion.

(4) f ist die Komposition einer surjektiven und einer injektiven Abbildung:

f = f ° ,

d.h. das Faktorisierungsdiagramm Bild 4.17 kommutiert.

x[ ]~f

[ ]~f

x[ ]~f

[ ]~f

x[ ]~f

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4 - 36 4 Relationale Strukturen

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Bild 4.18Zerlegung einesHomomorphismus

Satz 4.48Zerlegung einesHomomorphismus

Beweis. Es ist nur zu zeigen, dass g wohldefiniert ist, was sich hier auf die Rechtsein-deutigkeit reduziert. Aus [x] = [y] muss f(x) = f(y) folgen, d.h. die Gleichungg([x]) = f(x) muss unabhängig vom Repräsentanten y ∈ [x] gelten. Aus [x] = [y] folgtaber x R y und, da f ein Homomorphismus ist, f(x) = f(y). �

Ist auch auf N eine Äquivalenzrelation S definiert, so überträgt sich ein Homomorphis-mus f : �M, R� → �N, S� auf die Quotientenmengen.

Bild 4.19Übertragung einesHomomorphismus

Satz 4.49Übertragung einesHomomorphismus

Beweis. Mit g wie in Satz 4.48 ist h([x]R) := [f(x)]S = [g([x]R)]S. Da g wohldefiniert ist,

ist es auch h = [.]S ° g. �

Es gilt auch die Umkehrung: Gibt es eine Abbildung h, die das Diagramm Bild 4.19kommutativ macht, so ist f ein Homomorphismus. Zusammen erhalten wir eine Cha-rakterisierung von mit Äquivalenzrelationen verträglichen Morphismen.

Satz 4.50Homomorphismen vonÄquivalenzrelationen

Beweis. „�“: Satz 4.49.

„⇐ “: Seien x, y ∈ M mit x R y. Da R eine Äquivalenzrelation ist, ist [x]R = [y]R. Damit

ist [f(x)]S = ([.]S ° f)(x) = (h ° [.]R)(x) = h([x]R) = h([y]R) = (h ° [.]R)(y) = ([.]S ° f)(y) =

M / R

�M, R� �N, =�

g

f

surjektiv [.]R

Sind M, N Mengen, R ⊆ M2 eine Äquivalenzrelation und f : �M, R� → �N, =� einHomomorphismus, so ist durch

g([x]R) := f(x)

für [x]R ∈ M / R eine Abbildung g : M / R → N mit g ° [.]R = f definiert, d.h. das Dia-

gramm Bild 4.18 kommutiert.

�M, R� �N, S�

g

f

surjektiv [.]R

M / R N / Sh

[.]S surjektiv

Sind M, N Mengen, R ⊆ M2, S ⊆ N2 Äquivalenzrelationen und f : �M, R� → �N, S� einHomomorphismus, so ist durch

h([x]R) := [f(x)]S

für [x]R ∈ M / R eine Abbildung h : M / R → N / S mit h ° [.]R = [.]S ° f definiert, d.h.das Diagramm Bild 4.19 kommutiert.

Für Mengen M, N mit Äquivalenzrelationen R ⊆ M2, S ⊆ N2 und einer Abbildungf : M → N gilt:

f ist ein Homomorphismus von �M, R� nach �N, S� genau dann, wenn es eineAbbildung h : M / R → N / S mit h ° [.]R = [.]S ° f gibt.

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4.3 Äquivalenzrelationen 4 - 37

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

[f(y)]S. Da S eine Äquivalenzrelation ist, folgt f(x) S f(y). Also ist f ein Homomorphis-mus. �

4.3.2 Von Präordnungen zu Halbordnungen

Zu einer Präordnung lässt sich durch Faktorisierung eine Halbordnung konstruieren.Oft will man sogar eine Vollordnung haben.

Beispiel 4.2Studierende AufgabenPunkte

Das Problem ist, die Leistung von StudentInnen anhand von ihnen gelöster Aufgabenzu bewerten. Seien also

M = {Ali, Eva, Ina, Udo}

eine Menge von StudentInnen und

N = {1, 2, 3, 4}

eine Menge von Aufgaben. Die Abbildung

l : M → P(N)

ordnet jeder StudentIn die Menge der von ihr gelösten Aufgaben zu, etwa

l(Ali) = {1, 2}, l(Eva) = {1, 2, 3}, l(Ina) = {2, 3, 4}, l(Udo) = {1, 2}.

Wir können Ali und Udo gleich bewerten. Eva hat mehr geleistet als Ali und Udo. Inaist mit keiner anderen vergleichbar. Wie stellt sich das formal dar?

�P(N), ⊆ � ist eine halbgeordnete Menge. Nach Definition 4.37 ist das Urbild l⊆ von ⊆unter l definiert durch

x l⊆ y :⇔ l(x) ⊆ l(y)

für x, y ∈ M und bedeutet

„x hat höchstens die Aufgaben gelöst, die y gelöst hat“.

Ihre Umkehrrelation (l⊆ )−1 bedeutet

„x hat mindestens die Aufgaben gelöst, die y gelöst hat“.

Sie ist das Urbild der Umkehrrelation von ⊆ , also von ⊇ unter l:

x (l⊆ )−1 y ⇔ y l⊆ x ⇔ l(y) ⊆ l(x) ⇔ l(x) ⊇ l(y) ⇔ x l⊇ y.

Nach Satz 4.39 (1) sind l⊆ und l⊇ Präordnungen auf M, aber keine Halbordnungen, dasie nicht antisymmetrisch sind, wie

Ali l⊆ Udo und Udo l⊆ Ali, aber Ali ≠ Udo

zeigt. Nur falls l injektiv ist, ist l⊆ eine Halbordnung.

Für die Durchschnittsrelation

≈l⊆ := l⊆ ∩ l⊇

gilt

x ≈l⊆ y ⇔ x l⊆ y ∧ x l⊇ y ⇔ l(x) ⊆ l(y) ∧ l(x) ⊇ l(y) ⇔ l(x) = l(y)

für x, y ∈ M. Das bedeutet

„x hat dieselben Aufgaben gelöst wie y“.

≈l⊆ ist nach Konstruktion symmetrisch und nach Satz 4.34 (1) reflexiv und transitiv,also eine Äquivalenzrelation auf M. Die Quotientenmenge ist im Beispiel

M / ≈l⊆ = {{Ali, Udo}, {Eva}, {Ina}}.

Wir übertragen nun die Präordnung l⊆ von M auf die Quotientenmenge M / ≈l⊆ , d.h.wir betrachten nach Definition 4.37 das Bild

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4 - 38 4 Relationale Strukturen

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≤l⊆ := l⊆ [.]≈

von l⊆ unter der kanonischen Abbildung [.]≈ zu ≈l⊆ :

[x]≈ ≤l⊆ [y]≈ ⇔ x l⊆ y ⇔ l(x) ⊆ l(y).

Es ist leicht zu zeigen, dass ≤l⊆ eine Halbordnung auf M / ≈l⊆ ist.

Ziel ist, die Leistungen von je zwei Studierenden vergleichen zu können. Dazu ordnenwir mit der Abbildung

p : N → lN

jeder Aufgabe a ∈ N eine Punktzahl p(a) ∈ lN zu. Die Abbildung

s : P(N) → lN, A |→

ordnet jeder Teilmenge von Aufgaben die Summe ihrer Punkte zu. Die Kompositions-abbildung

s ° l : M → lN, x |→ s(l(x)) =

ordnet jeder StudentIn die Summe der Punkte der von ihr gelösten Aufgaben zu.

�lN, ≤� ist eine vollgeordnete Menge. Nach Definition 4.37 ist das Urbild (s ° l)≤ von ≤unter s ° l definiert durch

x (s ° l)≤ y :⇔ s(l(x)) ≤ s(l(y))

für x, y ∈ M und bedeutet

„x hat höchstens so viele Punkte erreicht wie y“.

Ihre Umkehrrelation (s ° l)≥ bedeutet

„x hat mindestens so viele Punkte erreicht wie y“.

Nach Satz 4.39 (1) sind (s ° l)≤ und (s ° l)≥ Präordnungen auf M. Die von (s ° l)≤ indu-zierte Äquivalenzrelation

≈(s ° l)≤ := (s ° l)≤ ∩ (s ° l)≥

auf M bedeutet:

„x hat gleich viele Punkte erreicht wie y“.

Sie induziert eine Vollordnung auf der Quotientenmenge M / ≈(s ° l)≤.

Eva schneidet unter jeder Punktezuordnung p besser als Ali und Udo ab, die stetsgleich gut sind. Die Leistung von Ina hängt von p ab. Wählen Sie p so, dass Ina

(1) Beste,

(2) Zweitbeste,

(3) Drittbeste,

(4) gleich gut wie Eva,

(5) gleich gut wie Ali und Udo

wird! �

p a( )a A∈�

p a( )a l x( )∈�

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4.4 Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen 4 - 39

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 4.51Äquivalenzrelation undHalbordnung zu einerPräordnung

Beweis. Dass ≈R eine Äquivalenzrelation ist, ist klar. Nach Satz 4.38 (2) ist ≤R reflexiv.

Antisymmetrie: [x] ≤ [y] ∧ [y] ≤ [x] ⇔ x R y ∧ y R x ⇔ x ≈ y ⇔ [x] = [y].

Transitivität: [x] ≤ [y] ∧ [y] ≤ [z] ⇔ x R y ∧ y R z � x R z ⇔ [x] ≤ [y]. �

4.4 Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen

4.4.1 KardinalzahlenAnzahlaspekt Oft wollen wir etwas über die Größe, den Umfang von Mengen wissen: Besitzen zwei

Mengen gleich viele Elemente oder besitzt eine mehr als die andere? Wie viele Ele-mente gehören zu einer Menge? Dazu brauchen wir Anzahlen, also Zahlen, die denAnzahlaspekt ausdrücken. Anzahlen sind Abstraktionen von Mengen mit gleich vielenElementen: Drei Käfer, drei Steine, drei Nüsse, drei Eier - gemeinsam ist diesen kon-kreten Dreiermengen die abstrakte Anzahl drei. Wir lernen diesen Abstraktionsprozessals Kinder. Hier formalisieren wir ihn. Den Begriff der Anzahl der Elemente einerMenge, den wir in Definition 1.4 S. 1-2 vage benutzt haben, können wir mit demBegriff der Äquivalenzrelation streng definieren, sogar ohne natürliche Zahlen zu ver-wenden.

Definition 4.52CantorscheGleichmächtigkeits-definition

Beispiele {1, 2, 3} und {a, b, c} sind gleichmächtig, da 1 ↔ a, 2 ↔ b, 3 ↔ c eine Bijektion ist.Ob zwei endliche Mengen M, N gleichmächtig sind, lässt sich leicht algorithmisch

ermitteln:1

Programm 4.1Gleichmächtigkeit vonMengen

gleichmächtig (M, N) :⇔K := M; L := N;WHILE K ≠ ∅ ∧ L ≠ ∅ DO

wähle x ∈ K, y ∈ L;bilde x ↔ y;K := K \ {x}; L := L \ {y}

END;result := K = ∅ ∧ L = ∅ .

Sind M eine Menge und R ⊆ M2 eine Präordnung, so ist durch

x ≈R y :⇔ x R y ∧ y R x

für x, y ∈ M, also durch

≈R := R ∩ R−1

eine Äquivalenzrelation auf M und durch

[x]≈ ≤R [y]≈ :⇔ x R y

für x, y ∈ M, also durch das Bild von R unter der kanonischen Abbildung zu ≈R,

≤R := R[.]≈

eine Halbordnung ≤R auf M / ≈R definiert. Wir nennen ≈R die durch R induzierteÄquivalenzrelation und ≤R die durch R induzierte Halbordnung.

Die Mengen M, N heißen gleichmächtig,

M ∼ N,

wenn es eine Bijektion f : M → N gibt.

1 Im Folgenden in Pseudocode verwendete algorithmische Konstrukte orientieren sich syntak-tisch und semantisch an Component Pascal.

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4 - 40 4 Relationale Strukturen

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Ist M oder N endlich, so terminiert der Algorithmus. Er konstruiert eine Injektion der„kleineren“ in die „größere“ Menge. Sind beide Mengen gleichmächtig, so ist die kon-struierte Abbildung auch surjektiv, also bijektiv. Sind beide Mengen unendlich, so läuftder Algorithmus endlos. Beachte, dass der Algorithmus die Elemente nicht im Sinneines Durchnummerierens zählt, sondern nur einander zuordnet.

lN und 2lN := {2n | n ∈ lN} = {2, 4, 6,...}, die Menge der geraden Zahlen, sind gleich-mächtig, da n ↔ 2n eine Bijektion ist. Über solche Bijektionen zwischen der Menge

der natürlichen Zahlen und einer ihrer echten Teilmengen wunderte sich schon Galilei1

- er fand sie paradox. Die galileische Paradoxie ist aber im Unterschied zur russell-schen Antinomie nicht widersprüchlich. (Paradoxien erscheinen Anfängern als falsch,sind es aber nicht.) Im Gegenteil - diese Idee stellt Definition 1.4 S. 1-2 auf eine solideBasis.

Definition 4.53

Dedekindsche2

Endlichkeitsdefinition

Beispiele lN ist unendlich, da 2lN ⊂ lN und lN ∼ 2lN.

{1, 2, 3} ist endlich.

Satz 4.54Gleichmächtigkeit alsÄquivalenzrelation

Beweis. Reflexivität: M ∼ M, da idM bijektiv ist.

Symmetrie: Aus M ∼ N folgt N ∼ M, da mit f : M → N auch f−1 bijektiv ist.

Transitivität: folgt aus Satz 4.20 (6). �

Gleichmächtige Mengen sind charakterisiert durch Bijektionen, die von Strukturenabstrahieren. Beziehen wir relationale Strukturen ein, so kommen wir zum Isomorphie-begriff von Definition 4.40. Der Beweis von Satz 4.54 gilt analog mit der Isomorphieanstelle der Gleichmächtigkeit.

Satz 4.55Isomorphie alsÄquivalenzrelation

1 Galileo Galilei (1564 - 1642), italienischer Physiker, Astronom, entdeckte drei Jupitermonde,wurde von der Inquisition der katholischen Kirche unter Androhung der Folter gezwungen,kopernikanischen Ideen und heliozentrischem Weltbild abzuschwören.

2 Richard Dedekind (1831 - 1916), deutscher Mathematiker.

Eine Menge M heißt unendlich (infinite), wenn sie zu einer ihrer echten Teilmengengleichmächtig ist, d.h.

∃ N ⊂ M : M ∼ N;

sonst endlich (finite).

Die Gleichmächtigkeit ist eine Äquivalenzrelation auf jedem Mengensystem M:

∼ ⊆ M2.

IstM ein Mengensystem und S = {�M, R� | M ∈ M ∧ R ⊆ M2} ein System relationalerStrukturen, so ist die (relationale) Isomorphie eine Äquivalenzrelation auf S:

≅ ⊆ S2.

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4.4 Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen 4 - 41

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 4.56Mächtigkeit

In der Literatur sind auch folgende Schreibweisen gebräuchlich:

#M := card(M) := |M|.

Ist �M, ∼ � ein Mengensystem, das mit jeder Menge auch alle ihre Teilmengen enthält,so gilt mit Definition 4.53 für M ∈ M:

M ist unendlich ⇔ ∃ N ⊂ M : |M| = |N|.

M ist endlich ⇔ ∀ N ⊂ M : |M| ≠ |N|.

� Wir können die Begriffe der Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen (und Iso-morphie von Strukturen) nur relativ zu einem gewählten wohldefinierten Mengensy-stem definieren. Eine „Menge aller Mengen“ dürfen wir nicht zugrunde legen - die gibtes nicht, weil sie zu logischen Widersprüchen führen würde (→ Leitlinie 1.1 S. 1-3).

4.4.2 Ordinalzahlen

Unsere Definition der Mächtigkeit einer Menge ist reichlich abstrakt. Sie ist das Ergeb-nis eines Abstraktionsprozesses, der alle gleichmächtigen Mengen zu Äquivalenzklas-sen zusammenfasst und ihre sonstigen Eigenschaften abstreift. Wie können wir uns dieMächtigkeit |M| einer Menge M als Anzahl ihrer Elemente, als Kardinalzahl vorstellen?Gibt es für jede Mächtigkeit eine „Standardmenge“, die diese Anzahl repräsentiert?Wir wollen Zahlen nicht als neue mathematische Objekte einführen, sondern aus demMengenbegriff heraus entwickeln. Dazu konstruieren wir geeignete Repräsentanten derendlichen Mächtigkeiten |M|, die ja Äquivalenzklassen sind, und setzen dann dieseRepräsentanten anstelle der Äquivalenzklassen ein.

Zählen So wie die frühen Menschen das Zählen lernten, indem sie die Finger benutzten undKerben in Holz- und Knochenstücke ritzten:

|||||...,

konstruieren wir die natürlichen Zahlen als spezielle Mengen aus der leeren Menge.Als ersten Versuch führen wir statt einer einfachen Strichliste eine doppelte, bei der dieMengenklammern „{“ und „}“ als Striche dienen, mit denen wir die Doppelstrichlistebeidseitig erweitern:

0 := ∅ = {}.

1 := {0} = {∅} = {{}}.2 := {1} = {{0}} = {{∅ }} = {{{}}}.3 := {2} = {{1}} = {{{0}}} = {{{∅ }}} = {{{{}}}}....

Die induktive Definition dazu lautet:

(1) 0 := {} ist eine Versuchszahl.

(2) Ist n eine Versuchszahl, so ist auch {n} eine Versuchszahl.

Sei �M, ∼ � ein mit der Gleichmächtigkeit versehenes Mengensystem. Für M ∈ M

heißt die Äquivalenzklasse

[M]∼

die Mächtigkeit oder Kardinalzahl (Kardinalität) von M. Für die kanonische Abbil-dung zu ∼ benutzen wir die Schreibweise

|.| := [.]∼ : M →M / ∼ , M |→ |M| := [M]∼ .

Ist M endlich, so heißt die Mächtigkeit |M| endlich, sonst transfinit (unendlich).

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4 - 42 4 Relationale Strukturen

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Ordnungsaspekt Die Versuchszahlen folgen aufeinander: Nach der Null kommt die Erste, dann dieZweite, dann die Dritte, usw. Sie zeigen so einen weiteren Aspekt von Zahlen, den Ord-nungsaspekt.

� Leider scheitert der Versuch daran, den Anzahlaspekt geeignet zu erfassen, da alle Ver-suchszahlen bis auf 0 gleichmächtig sind, sie haben die Mächtigkeit |1|. Deshalb passenwir den Ansatz unserem Ziel an, indem wir dem Nachfolger der Zahl n nicht nur n alsElement mitgeben, sondern alle vorhergehenden Zahlen:

0 := ∅ = {}.

1 := 0+ := {0} = {∅} = {{}}.

2 := 1+ := {0, 1} = {0, {0}} = {∅ , {∅ }} = {{}, {{}}}.

3 := 2+ := {0, 1, 2} = {0, {0}, {0, {0}}} = {{}, {{}}, {{}, {{}}}}....

n+ := {0, 1,.., n} = n ∪ {n}.Definition 4.57Natürliche Ordinalzahl

Nach (1) und (2) ist jede natürliche Ordinalzahl die Menge, die genau die vorhergehen-den natürlichen Ordinalzahlen umfasst, angefangen mit der leeren Menge als Null. DerNachfolger einer natürlichen Ordinalzahl n hat ein Element mehr als n. (3) bedeutet,dass lN0 die „kleinste“ Menge mit den Eigenschaften (1) und (2) ist (→ 4.5.5). Ver-

schiedene natürliche Ordinalzahlen haben verschiedene Mächtigkeit, da es keine Bijek-tion zwischen ihnen gibt.

Definition 4.58Natürliche Kardinalzahl

Der folgende Satz über die Begriffe der Definitionen 4.52, 4.56, 4.57 und 4.58 ist ein-leuchtend, obwohl sein Beweis nicht trivial ist.

Satz 4.59Endlichkeit istNatürlichkeit

Abkürzung Um die Sprechweisen zu vereinfachen, identifizieren wir die Begriffe Ordinalzahl undKardinalzahl so: Ist eine Menge gleichmächtig zu einer natürlichen Ordinalzahln ∈ lN0, d.h. gilt

M ∼ n d.h. |M| = [M]∼ = [n]∼ = |n|,

Die Menge lN0 der natürlichen Ordinalzahlen ist induktiv definiert durch:

(1) 0 := {} ∈ lN0.

(2) ∀ n ∈ lN0 : n+ := n ∪ {n} ∈ lN0.

n+ heißt Nachfolger (successor) von n.

(3) Für jede Menge M gilt: (0 ∈ M ∧ ∀ n ∈ M : n+ ∈ M)� lN0 ⊆ M.

Wir setzen

lN := lN0 \ {0}.

Ist �M, ∼ � ein mit der Gleichmächtigkeit versehenes Mengensystem mit lN0 ⊆ M, soheißen die Äquivalenzklassen der natürlichen Ordinalzahlen n ∈ lN0,

|n| = [n]∼ ,

natürliche Kardinalzahlen.

Eine Menge ist genau dann endlich, wenn sie gleichmächtig zu einer natürlichenOrdinalzahl ist.

Eine Kardinalzahl ist genau dann endlich, wenn sie natürlich ist.

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4.4 Gleichmächtigkeit und Mächtigkeit von Mengen 4 - 43

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

so nennen wir auch die Ordinalzahl n Mächtigkeit oder Kardinalzahl von M, identifi-zieren also die Äquivalenzklasse |n| und ihren Repräsentanten n und schreiben kurz

|M| = n.

Entsprechend bezeichnen lN0 und lN auch die Mengen aller natürlichen Kardinalzahlen

mit und ohne Null.

Die natürlichen Ordinalzahlen sind Standardmengen, sie repräsentieren alle Mächtig-keiten endlicher Mengen analog wie der in Paris aufbewahrte Urmeterstab alle Gegen-stände der Länge 1 m repräsentiert. Mit Satz 4.59 ergibt sich:

Korollar 4.60

Beispiele {1, 2, 3} ist endlich, da |{1, 2, 3}| = |{0, 1, 2}| = |3| = 3.

lN ist unendlich, da für alle n ∈ lN0 gilt: |lN| ≠ n.

Unendlichkeitsaxiom Wir haben in Definition 4.57 die natürlichen Ordinalzahlen auf der Basis der naivenMengenlehre mit der leeren Menge konstruiert. Dürfen wir das überhaupt? Oder drohtdas zu Widersprüchen zu führen? Als Erster formulierte der neunzehnjährige Hans von

Neumann1 diese Idee 1923 in einem Brief an Ernst Zermelo2, der 1908 das erste Axio-mensystem der Mengenlehre vorgelegt hatte. So fand die Idee Eingang in die axiomati-sche Mengenlehre, die heute üblicherweise neben anderen Axiomen das Unendlich-keitsaxiom bietet, das gerade diese Konstruktion erlaubt. Wir dürfen uns also beruhigtzurücklehnen.

Transfinite Kardinalzahl Die natürlichen Kardinalzahlen repräsentieren nicht alle Mächtigkeiten, nur die endli-chen. Welche Mächtigkeit hat z.B. die unendliche Menge lN? Wir definieren als erstetransfinite Kardinalzahl

ℵ 0 := |lN|,

gesprochen „aleph null“. Das Symbol ℵ (aleph) ist der erste Buchstabe des hebräischenAlphabets. Die Notation geht auf Cantor zurück, der unendliche Kardinalzahlen mithebräischen Buchstaben bezeichnete.

Definition 4.61Abzählbare undüberabzählbare Menge

In der Literatur steht manchmal „abzählbar“ für „abzählbar unendlich“ und „höchstens abzähl-bar“ für „abzählbar“.

Die Elemente einer abzählbaren Menge M lassen sich alle eineindeutig nummerieren:

M = {x1, x2,...},

d.h. es gibt eine bijektive Indizierung lN → M, n |→ xn.

Für eine Menge M gilt:

(1) M ist endlich ⇔ ∃ n ∈ lN0 : |M| = n.

(2) M ist unendlich ⇔ ∀ n ∈ lN0 : |M| ≠ n.

1 John von Neumann (1903 - 1957), ungarisch-amerikanischer Mathematiker, Rechnerpionier.2 Ernst Zermelo (1871 - 1953), deutscher Mathematiker.

Eine Menge M heißt

abzählbar unendlich (countable infinite, denumerable), wenn |M| = ℵ 0;

abzählbar (countable), wenn M endlich oder abzählbar unendlich ist, d.h.

|M| ∈ lN0 ∪ {ℵ 0};

überabzählbar (uncountable) sonst.

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4 - 44 4 Relationale Strukturen

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Auf die natürlichen Ordinal- und Kardinalzahlen folgen unendlich viele transfiniteOrdinal- und Kardinalzahlen. In diesem Bereich der unendlichen Mengen wird dieMengenlehre erst richtig spannend. Die Basis dafür hat Cantor geschaffen. Informati-kerInnen müssen nicht tiefer in dieses Gebiet vorstoßen. Die praktische Informatik han-delt stets nur mit endlichen, wenn auch ggf. sehr großen Mengen.

4.4.3 Algorithmen zu Mengen

Zu zwei typischen Aufgaben stellen wir algorithmische Lösungen vor.

Aufgabe: Mächtigkeiteiner Mengebestimmen

Gegeben ist eine Grundmenge G und eine durch eine Eigenschaft PM(.) auf G

beschriebene Teilmenge

M = {x ∈ G | PM(x)}.

Gesucht ist die Anzahl der Elemente von M, d.h.

|M| = |{x ∈ G | PM(x)}| = ?.

Die Schleife im folgenden Algorithmus wählt jedes Element von G genau einmal.

Programm 4.2Mächtigkeit einerMenge

card(M) =result := 0;FOR ALL x ∈ G DO

IF PM(x) THENresult := result + 1

ENDEND.

Die folgende Suchaufgabe hat zwar nichts mit Mächtigkeit zu tun, doch variiert ihreLösung den Algorithmus von Programm 4.1.

Aufgabe: Element mitEigenschaft suchen

Gegeben ist eine Grundmenge G und eine Eigenschaft P(.) auf G.

Gesucht ist ein Element x von G mit P(x).

Programm 4.3Element mitEigenschaft

ein_Element_mit(P) =M := G;result := nicht_gefunden;ASSERT nicht_gefunden ∉ G;WHILE result = nicht_gefunden ∧ M ≠ ∅ DO

wähle x ∈ M;M := M \ {x};IF P(x) THEN

result := xEND

END;ASSERT (result = nicht_gefunden ∧ M = ∅ ) ∨ P(result).

4.5 OrdnungsrelationenBei Ordnungsrelationen geht es um Reihenfolgen, Anordnungen von Elementen. Ord-nungen sind Halbordnungen, also reflexive, antisymmetrische und transitive Relatio-nen, oder strikte Halbordnungen, also irreflexive und transitive Relationen. BeideArten von Halbordnungen können auch Vollordnungen, also konnex bzw. semikonnexsein. Beachte, dass viele Autoren unter „Ordnung“ nicht wie wir einen Oberbegriff,sondern entweder eine Halb- oder eine Vollordnung verstehen. Das Klassendiagrammstellt die unterschiedlichen Bezeichnungen zusammen, wobei unsere fett erscheinen.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 45

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Bild 4.20Klassifikation vonOrdnungen

Ist ≤ eine Halbordnung auf der Menge G, so heißen zwei Elemente x, y ∈ G vergleich-bar (comparable), wenn x ≤ y oder y ≤ x ist, sonst unvergleichbar (incomparable). ImAllgemeinen müssen nicht alle Elemente vergleichbar sein. Ist aber ≤ eine Vollord-nung, so sind je zwei Elemente vergleichbar. Wir haben schon eine Reihe von Ord-nungsrelationen kennen gelernt:

Beispiele (1) Ist M ein Mengensystem, so sind die in Definition 1.6 S. 1-6 definierten Men-geninklusionen nach Korollar 1.7 S. 1-7 Ordnungsrelationen auf M, und zwarsind „⊆ “ und „⊇ “ Halbordnungen und „⊂ “ und „⊃ “ strikte Halbordnungen. Siebasieren auf der Implikation.

(2) Ist A eine Menge von Aussagen, so ist die Implikation „�“ nach Satz 2.19 S. 2-25 eine Halbordnung auf der Quotientenmenge A / ≡. Nach Satz 2.20 (13) S. 2-26 ist „�“ sogar eine Vollordnung auf A / ≡.

Weitere Ordnungsrelationen kennen wir aus der Schulmathematik, dem Alltag und derInformatik:

(3) Auf den Zahlenmengen lN, �, �, � sind „kleiner oder gleich“ (≤) und „größeroder gleich“ (≥) Vollordnungen, „kleiner“ (<) und „größer“ (>) sind strikte Voll-ordnungen.

(4) Geldmünzen und -scheine sind nach Wert geordnet.

(5) Produkte sind nach Seriennummern geordnet.

(6) Menschen sind nach ihren Namen, Studierende auch nach ihren Matrikelnum-mern geordnet.

(7) Module sind durch die Brauchtrelation halbgeordnet.

(8) Die Speicherzellen eines Rechners sind durch ihre Adressen vollgeordnet.

(9) Systeme von EBNF-Regeln sind halbgeordnet dadurch, dass sie kleinere odergrößere Sprachen beschreiben.

Bei Ordnungsrelationen vergleichen wir Elemente und fokussieren darauf, wie Ele-mente in einer Richtung aufeinander folgen: Welches Element kommt vor einem ande-ren, welches danach?

� Bei der Mengeninklusion interessiert, welche Menge mehr oder weniger Elementeals die andere hat.

� Bei Aussagen interessiert, welche Aussage aus der anderen folgt.

� Bei Zahlen interessiert, wo sie auf der Zahlengeraden liegen.

� Beim Geld interessiert, ob ein Haufen Münzen mehr wert ist als ein Scheinchen.

Ordnung

reflexiv, antisymmetrisch, transitiv

Klassendiagramm

Halbordnung ≤partielle Ordnung Ordnung

konnexVollordnung ≤totale Ordnunglineare Ordnung

Ordnung

irreflexiv, transitivstrikte Halbordnung <strikte partielle Ordnung

strikte Ordnung

semikonnexstrikte Vollordnung <strikte totale Ordnungstrikte lineare Ordnung

strikte Ordnung

strenge Ordnung

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4 - 46 4 Relationale Strukturen

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� Bei einem PC interessiert, ob er aus einer früheren oder späteren Serie stammt.

� Bei Menschen interessiert, ihre Telefonnummer schnell im Telefonbuch zu finden.

� Bei einem Modul interessiert den Lader, welche gebrauchten Module er zuvor ladenmuss.

4.5.1 Zugeordnete Relationen

Im Folgenden betrachten wir allgemeine Ordnungsstrukturen �G, ≤� = �G, ≤G� mit einerGrundmenge G und einer Halbordnung

Ordnung ≤ = ≤G kleinergleich, lessequal

auf G. Wir sagen dann, �G, ≤� oder kurz G ist eine halbgeordnete Menge (partiallyordered set, poset). Ist ≤ eine Vollordnung, so heißt �G, ≤� oder kurz G eine vollgeord-nete Menge (total, linear geordnete Menge, totally ordered set). Nach Satz 4.30 (5) istdurch

Strikte Ordnung < := ≤ \ idG kleiner, less

eine strikte Halbordnung auf G definiert. Ist ≤ konnex, so ist < semikonnex, also einestrikte Vollordnung. Ist umgekehrt �G, <� eine strikt halbgeordnete Menge, so ist nachSatz 4.30 (4) durch

≤ := < ∪ idG

eine Halbordnung auf G definiert. Ist < semikonnex, so ist ≤ konnex, also eine Vollord-nung. Elementweise bedeutet das:

x ≤ y ⇔ x < y ∨ x = y.

x < y ⇔ x ≤ y ∧ x ≠ y.

Nach Korollar 4.29 sind die Umkehrrelationen von Ordnungen auch Ordnungen, d.h.durch

Inverse Ordnung ≥ := ≤−1 größergleich, greaterequal

ist eine Halbordnung, durch

Inverse strikte Ordnung > := <−1 größer, greater

eine strikte Halbordnung definiert. ≥ oder > ist genau dann konnex bzw. semikonnex,wenn ≤ bzw. < konnex bzw. semikonnex ist. Elementweise bedeutet das:

x ≥ y ⇔ y ≤ x.

x > y ⇔ y < x.

Auf dieser Eigenschaft beruht das Dualitätsprinzip bei Ordnungen.

Theorem 4.62Dualitätsprinzip derOrdnungstheorie

Daher genügt es, jeweils einen von zwei dualen Sätzen zu beweisen.

Wir setzen bei Ordnungsstrukturen stets alle vier Ordnungsrelationen voraus:

�G, ≤� = �G, <� = �G, ≤, <, ≥, >�.

Ist G eine Zahlenmenge, so haben ≤, <, ≥, > die übliche Bedeutung.

Zu jedem ordnungstheoretischen Begriff erhält man den dualen Begriff, indem man≤ durch ≥ und < durch > ersetzt.

�G, ≤� und �G, ≥� heißen dual zueinander.

Eine ordnungstheoretische Aussage ist genau dann allgemeingültig, wenn die mit dendualen Begriffen gebildete duale Aussage allgemeingültig ist.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 47

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Ist G die Potenzmenge einer Menge, so bedeuten ≤, <, ≥, > die Mengeninklusionen ⊆ ,⊂ , ⊇ , ⊃ .

Schließlich ist jeder Ordnungsstruktur die Unvergleichbarkeitsrelation

Unvergleichbarkeit || := G2 \ (≤ ∪ ≥ ) unvergleichbar, incomparable

zugeordnet. Elementweise bedeutet das:

x || y ⇔ ¬ (x ≤ y ∨ y ≤ x).

Die Relationen <, >, =, || zerlegen G2, d.h. für x, y ∈ G trifft genau einer der vier Fälle

x < y, x > y, x = y, x || y

zu. Ist G vollgeordnet, so ist || leer und es trifft genau einer der drei Fälle

Trichotomie x < y, x > y, x = y Trichotomie

zu. Wir zeigen das so: || ist nach Definition disjunkt zu ≤ ∪ ≥ = < ∪ idG ∪ > ∪ idG.

Wegen der Irreflexivität von < und > ist idG disjunkt zu < ∪ > . Wegen der Asymmetrie

von < sind < und > disjunkt.

Satz 4.63Rechenregeln fürOrdnungen

Einschränkung Bei Ordnungsstrukturen interessieren oft Teilmengen mit den eingeschränkten Relatio-nen. Man kann die Ordnung einer Grundmenge mittels der Ordnungen ihrer Teilmen-gen studieren. Für Teilmengen M ⊆ G bezeichnen wir die Einschränkungen

≤ ∩ M2, < ∩ M2, ≥ ∩ M2, > ∩ M2

kurz auch mit

≤, <, ≥, >.

Nach Korollar 4.29 (1) ist M = �M, ≤, <, ≥, >� wie G halb- oder vollgeordnet. Ein halb-geordnetes G kann vollgeordnete Teilmengen haben.

Ordnungsdiagramm Endliche geordnete Mengen kann man anschaulich grafisch durch Ordnungs- oder

Hasse-Diagramme1 darstellen (Satz von Birkhoff2, 1935). Diese entsprechen den zurDarstellung zweistelliger Relationen üblichen gerichteten Graphen oder Pfeildiagram-men (→ Bild 1.7 S. 1-19) mit speziellen Regeln, um die Diagramme übersichtlich zuhalten:

� Die Richtung der Relation wird nicht durch einen Pfeil, sondern die Lage der Ele-mente dargestellt. Die Richtung läuft stets von unten nach oben.

� Es wird nur eine Teilrelation von < durch Kanten dargestellt. Gilt x < y und y < z, sowird x < z nicht dargestellt. Anders ausgedrückt: x < z wird nur dargestellt, wenn eskein y gibt mit x < y und y < z.

Es ist x < y genau dann, wenn x im Ordnungsdiagramm unterhalb von y liegt und eseinen Weg von x über beliebig viele andere Elemente hinauf zu y gibt.

Für eine halbgeordnete Menge �G, ≤, <� und Elemente x, y, z, x1,.., xn ∈ G gilt:

(1) x ≤ y < z � x < z.x < y ≤ z � x < z.

(2) x1 ≤ x2 ≤ ... ≤ xn ≤ x1 � x1 = x2 = ... = xn.

1 Helmut Hasse (1898 - 1979), deutscher Mathematiker. Die nach ihm benannten Diagrammewaren vor ihm bekannt.2 Garrett Birkhoff (1911 - ?), amerikanischer Mathematiker.

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4 - 48 4 Relationale Strukturen

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Beispiel Die Ordnungsdiagramme zu den Potenzmengen �P{1, 2}, ⊆ � und �P{1, 2, 3}, ⊆ � sehenso aus:

Bild 4.21Ordnungsdiagramme

4.5.2 Nachbarrelationen

Bei endlichen halbgeordneten Mengen erfasst die in Ordnungsdiagrammen dargestellteTeilrelation der Kleinerrelation wesentliche Beziehungen der Elemente, d.h. Wesentli-ches der Ordnungsstruktur. Wir geben dieser Relation einen Namen und untersuchensie.

Definition 4.64Nachbarrelation

Verwechslungen des Nachbarpfeils mit dem Abbildungspfeil scheinen ausgeschlossen.

Aus der Definition, Korollar 4.29 (2) und Satz 4.30 (8) folgt direkt:

Korollar 4.65

Ist G endlich, so gilt für x, y ∈ G:

x ≤ y ⇔ ∃ n ∈ lN ∃ x1,.., xn ∈ G : x = x1 → x2 → ... → xn−1 → xn = y.

x < y ⇔ ∃ n ∈ lN ∃ x1,.., xn ∈ G : x = x1 → x2 → ... → xn−1 → xn → y.

{1, 2} {1, 2, 3}

{1} {2} {1, 2} {1, 3} {2, 3}

{1} {2} {3}

Für eine halbgeordnete Menge �G, ≤, <� heißt

→ := {(x, y) ∈ G2 | x < y ∧ ¬∃ z ∈ G : (x < z ∧ z < y)} = < \ <2

die obere Nachbarrelation (covering relation) zu <, und ihre Umkehrrelation

← := →−1

= {(y, x) | (x, y) ∈ → } = {(y, x) | x < y ∧ ¬∃ z ∈ G : (x < z ∧ z < y)} = > \ >2

heißt die untere Nachbarrelation zu <. Gilt

x → y und damit y ← x,

so ist y ein oberer Nachbar (cover) von x und x ein unterer Nachbar von y.

Ist �G, ≤, <� eine halbgeordnete Menge, so sind → und ← irreflexiv, asymmetrisch,antisymmetrisch, intransitiv und azyklisch.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 49

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4.5.3 Bereiche und Intervalle

Was lässt sich über die in den Definitionen 4.2 und 4.35 eingeführten Nach- und Vorbe-reiche und Intervalle sagen?

Satz 4.66Ordnungen undBereiche

Beweis. (1) folgt aus der Reflexivität und Antisymmetrie von ≤ bzw. Irreflexivität von<. (2) ist klar. (3) folgt aus (1) und (2).

(4) Nachbereiche. „�“: Sei x ≤ y. Für z ∈ y≤ gilt y ≤ z. Wegen der Transitivität gilt

x ≤ z, also z ∈ x≤. Damit gilt y≤ ⊆ x≤.

„⇐ “: Sei y≤ ⊆ x≤. Wegen der Reflexivität gilt y ≤ y, also y ∈ y≤ ⊆ x≤, also x ≤ y.

Vorbereiche: Wegen ≥ = ≤−1 folgt mit dem schon Gezeigten und Satz 4.3 (6) x ≤ y ⇔y ≥ x ⇔ y≥ ⊇ x≥ ⇔ ≤y ⊇ ≤ x.

(5) Nachbereiche. „�“: Sei x < y. Für z ∈ y< gilt y < z. Wegen der Transitivität giltx < z, also z ∈ x<. Damit gilt y< ⊆ x<. Wegen y ∉ y< und y ∈ x< ist y< ⊂ x<.

„⇐ “: Sei y< ⊂ x<. Dann gilt auch y< ⊆ x<. Wegen der Monotonie bzgl. der Relation(Satz 4.12 (3)) gilt auch y≤ ⊆ x≤, also mit (4) x ≤ y. Aus y< ≠ x< folgt x ≠ y, zusammen

also x < y.

Vorbereiche: analog (4).

(6) folgt aus der Antisymmetrie von ≤ und (4). �

Den Intervallbegriff können wir spezialisieren.

Definition 4.67Abgeschlossenes undoffenes Intervall

Sind �G, ≤� eine halbgeordnete Menge, x, y ∈ G Elemente und beziehen sich dieBereiche auf ≤ und < auf G, so gilt:

(1) x≤ ∩ ≤x = {x}. x ∉ x< ∪ < x.

(2) x≤ = x< ∪ {x}. ≤x = <x ∪ {x}.

<x ∩ x≤ = ≤x ∩ x< = ∅ .

(3) Ist G vollgeordnet, so sind {x≤, <x}, {x<, ≤x} und {x<, <x, {x}} Zerlegungen

von G.

(4) x ≤ y ⇔ x≤ ⊇ y≤ ⇔ ≤x ⊆ ≤ y.

(5) x < y ⇔ x< ⊃ y< ⇔ <x ⊂ < y.

(6) x = y ⇔ x≤ = y≤ ⇔ ≤x = ≤y.

x ≠ y ⇔ x≤ ≠ y≤ ⇔ ≤x ≠ ≤y.

Ist �G, ≤� eine halbgeordnete Menge, so heißt für x, y ∈ G

[x, y] := [x, y]≤ = x≤ ∩ ≤y = {z ∈ G | x ≤ z ∧ z ≤ y}

das abgeschlossene Intervall zwischen x und y,

]x, y] := [x, y] \ {x} = x< ∩ ≤y = {z ∈ G | x < z ∧ z ≤ y}

das unten halboffene Intervall zwischen x und y,

[x, y[ := [x, y] \ {y} = x≤ ∩ <y = {z ∈ G | x ≤ z ∧ z < y}

das oben halboffene Intervall zwischen x und y,

]x, y[ := [x, y] \ {x, y} = ]x, y] ∩ [x, y[ = [x, y]< = x< ∩ <y = {z ∈ G | x < z ∧ z < y}

das offene Intervall zwischen x und y.

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4 - 50 4 Relationale Strukturen

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Die Gleichungen ergeben sich aus Satz 4.66 (2). Die Nachbarrelation von Definition4.64 lässt sich mit Intervallen so darstellen:

→ = {(x, y) ∈ G | x < y ∧ [x, y] = {x, y}} = {(x, y) ∈ < | [x, y] = {x, y}}= {(x, y) ∈ G | x < y ∧ ]x, y[ = ∅ } = {(x, y) ∈ < | ]x, y[ = ∅ }.

4.5.4 Ketten und Antiketten

In halbgeordneten Mengen zeichnen sich die Teilmengen aus, die nur vergleichbareoder nur unvergleichbare Elemente enthalten.

Definition 4.68Kette und Antikette

In einem Ordnungsdiagramm bestehen Ketten aus Elementen, die auf einem Weg vonunten nach oben liegen; Antiketten bestehen aus Elementen, von denen keine zwei aufeinem Weg von unten nach oben liegen. Maximale Ketten oder Antiketten sind solche,die sich nicht durch Hinzunehmen weiterer Elemente vergrößern lassen.

Beispiele P{1, 2} hat die (maximalen) Ketten {∅ , {1}, {1, 2}} und {∅ , {2}, {1, 2}}; die einzigeAntikette ist {{1}, {2}}.

P{1, 2, 3} hat neben {∅ , {1}, {1, 2}, {1, 2, 3}} fünf weitere maximale Ketten. Welche?Zu den (maximalen) Antiketten von P{1, 2, 3} gehören {{1}, {2}, {3}} und {{1, 2},{1, 3}, {2, 3}}. Welche noch?

Endliche Ketten kann man auch auf Geraden anordnen, wie Zahlen auf Zahlengeraden.

4.5.5 Kleinste und größte Elemente

Ein kleinstes (größtes) Element einer halbgeordneten Menge ist ein Element derMenge, das kleiner (größer) als alle anderen Elemente der Menge ist.

Definition 4.69Kleinstes und größtesElement

Offenbar gilt für eine Teilmenge M ⊆ G einer halbgeordneten Menge G:

x = klEl(M) ∧ y = grEl(M) ⇔ x, y ∈ M ∧ M ⊆ [x, y].

Ist �G, ≤� eine halbgeordnete Menge, so heißt eine Teilmenge M ⊆ G

Kette (chain) in G :⇔ M ist vollgeordnet, d.h.

M2 ⊆ ≤ ∪ ≥ ;

Antikette (antichain) in G :⇔ M enthält nur unvergleichbare Elemente, d.h.

≤ ∩ M2 = ∅ d.h. M2 ⊆ ||.

Die Systeme aller Ketten und Antiketten in G sind

K(G) := {M ⊆ G | M ist Kette in G} ⊆ P(G),

A(G) := {M ⊆ G | M ist Antikette in G} ⊆ P(G),

jeweils versehen mit der Teilmengenrelation ⊆ .

Ist M ∈ K(G) endlich, so heißt |M| − 1 die Länge (length) von M.

Sind �G, ≤� eine halbgeordnete Menge und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt ein Ele-ment x ∈ G

kleinstes (least) Element von M,

x = klEl(M) :⇔ x ∈ M ∧ ∀ y ∈ M : x ≤ y ⇔ x ∈ M ∧ M ⊆ x≤;

größtes (greatest) Element von M,

x = grEl(M) :⇔ x ∈ M ∧ ∀ y ∈ M : y ≤ x ⇔ x ∈ M ∧ M ⊆ ≤ x.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 51

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Beispiele Die Potenzmenge P(N) einer beliebigen Menge N hat ∅ als kleinstes und N als größtesElement.

{{1}, {2}} hat weder ein kleinstes noch ein größtes Element.

{∅ , {1}, {2}} hat ∅ als kleinstes, aber kein größtes Element.

{{1}, {2}, {1, 2}} hat kein kleinstes, aber {1, 2} als größtes Element.

Beispiel 4.3Zerlegungen

Zu einer beliebigen Menge N sei

SZ(N) := {Z ⊆ P(N) | Z ist echte Zerlegung von N}

das System aller echten Zerlegungen von N. Durch

Z ≤ Z´ :⇔ ∀ Z ∈ Z ∃ Z´ ∈ Z´ : Z ⊆ Z´

für Z, Z´ ∈ SZ(N) ist eine Halbordnung ≤ auf SZ(N) definiert. Statt „kleiner“ und„größer“ sagen wir hier feiner und gröber. Für Z, Z´ ∈ SZ(N) und die induziertenÄquivalenzrelationen RZ, RZ´ auf N gilt:

Z ist feiner als Z´, Z ≤ Z´ ⇔ RZ ist feiner als RZ´, RZ ⊆ RZ´.

Das kleinste Element von SZ(N) ist {{x} | x ∈ N}, die feinste Zerlegung von N. Sieinduziert die feinste (= kleinste) Äquivalenzrelation auf N, die Identität idN. Das größte

Element von SZ(N) ist {N}, die gröbste Zerlegung von N. Sie induziert die gröbste

(= größte) Äquivalenzrelation auf N, die Allrelation N2 (→ S. 31). Für Z ∈ SZ(N) giltalso:

{{x} | x ∈ N} ≤ Z ≤ {N} und idN ⊆ RZ ⊆ N2. �

Satz 4.70Eindeutigkeit deskleinsten und größtenElements

Beweis. Sei M halbgeordnet mit den kleinsten Elementen x, x´. Nach Definition gilt füralle y ∈ M: x ≤ y ∧ x´ ≤ y, also insbesondere x ≤ x´ ∧ x´ ≤ x, woraus x = x´ folgt. �

Als weiteres Beispiel formulieren wir Korollar 4.41 um.

Korollar 4.71

Eine halbgeordnete Menge hat höchstens ein kleinstes und ein größtes Element.

Sind M, N Mengen und f : M → N eine Abbildung, so gilt:

(1) Ist R ⊆ M2 eine Relation auf M, so ist Rf die kleinste Relation S auf N, sodassf : �M, R� → �N, S� ein Homomorphismus ist.

(2) Ist S ⊆ N2 eine Relation auf N, so ist fS die größte Relation R auf M, sodassf : �M, R� → �N, S� ein Homomorphismus ist.

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4 - 52 4 Relationale Strukturen

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4.5.6 Minimale und maximale Elemente

Hat eine Menge kein kleinstes (größtes) Element, so kann sie doch Elemente enthalten,die relativ zu den mit ihnen vergleichbaren Elementen die kleinsten (größten) sind, d.h.zu denen es in der Menge keine kleineren (größeren) gibt. Solche Elemente heißenminimal (maximal).

Definition 4.72Extrema

Hat M genau ein minimales (maximales) Element, so schreiben wir

min(M) = x statt min(M) = {x},max(M) = x statt max(M) = {x}.

Beispiele Die Menge der Minima einer Menge kann

� leer sein wie min{1/n | n ∈ lN},

� genau ein Element enthalten wie min{1, 2},

� mehrere Elemente enthalten wie min{{1}, {2}}.

Entsprechendes gilt für die Menge der Maxima.

Seien �G, ≤� eine halbgeordnete Menge und M ⊆ G eine Teilmenge. Ein Elementx ∈ G heißt ein

minimales Element oder Minimum von M:⇔ x ∈ M ∧ ∀ y ∈ M : (y ≤ x � y = x)⇔ x ∈ M ∧ ¬∃ y ∈ M : (y ≤ x ∧ y ≠ x)⇔ x ∈ M ∧ ¬∃ y ∈ M : y < x⇔ x ∈ M ∧ M ∩ ≤x = {x};

maximales Element oder Maximum von M:⇔ x ∈ M ∧ ∀ y ∈ M : (x ≤ y � y = x)⇔ x ∈ M ∧ ¬∃ y ∈ M : (x ≤ y ∧ y ≠ x)⇔ x ∈ M ∧ ¬∃ y ∈ M : x < y⇔ x ∈ M ∧ M ∩ x≤ = {x}.

Die Mengen der Minima und Maxima von M sind

min(M) := {x ∈ M | ∀ y ∈ M : (y ≤ x � y = x)} = {x ∈ M | ¬∃ y ∈ M : y < x},

max(M) := {x ∈ M | ∀ y ∈ M : (x ≤ y � y = x)} = {x ∈ M | ¬∃ y ∈ M : x < y}.

Ein Element x ∈ min(M) ∪ max(M) heißt ein Extremum von M. Wir schreibenkurz min{...} statt min({...}), und analog max{...}.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 53

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Satz 4.73Extrema

Beweis. (1) Ist x = klEl(M) und y ∈ min(M), so gilt x ∈ M ∧ ∀ z ∈ M : x ≤ z undy ∈ M ∧ ∀ z ∈ M : (z ≤ y � z = y). Die erste Formel liefert x ≤ y, die zweite x = y.

(2) Der erste Teil folgt aus der Konnexität, der zweite aus Satz 4.70.

(3) zeigen wir durch Widerspruch. Annahme: M ≠ ∅ ist endlich und min(M) = ∅ . Danngibt es ein n ∈ lN mit |M| = n. Zu beliebigem x ∈ M gibt es, da x nicht minimal ist, einy1 ∈ M mit y1 < x. Zu y1 gibt es ein y2 ∈ M mit y2 < y1, usw. Schließlich gibt es eine

Folge y1,.., yn ∈ M mit yn < yn−1 < ... < y2 < y1 < x. Damit ist |M| > n. Widerspruch!

(4) Mit M ist auch M ∩ ≤x endlich. Nach (3) hat M ∩ ≤x mindestens ein minimales Ele-

ment y. Für dieses gilt: y ∈ M ∩ ≤x ∧ M ∩ ≤x ∩ ≤y = {y}. Aus y ≤ x folgt ≤y ⊆ ≤ x, dar-aus ≤x ∩ ≤y = ≤y, daraus M ∩ ≤y = {y}, und daraus y ∈ min(M).

(5) folgt aus (4).

(6) folgt aus (2) und (3).

(7) „�“: x ∈ min(G) � ¬∃ y ∈ G : y < x � ¬∃ y ∈ G : y → x.

„⇐ “: x ∉ min(G) � ∃ y ∈ G : y < x.G endlich � ∃ x1,.., xn ∈ G : y = x1 → ... → xn → x. �

Seien �G, ≤� eine halbgeordnete Menge und M ⊆ G eine Teilmenge.

(1) Hat M ein kleinstes (größtes) Element, so ist dieses auch das einzige minimale(maximale) Element:

x = klEl(M) � x = min(M).

x = grEl(M) � x = max(M).

(2) Ist M vollgeordnet, so gilt: Jedes minimale (maximale) Element von M ist auchkleinstes (größtes) Element von M:

min(M) = {x ∈ M | ∀ y ∈ M : x ≤ y}.

max(M) = {x ∈ M | ∀ y ∈ M : y ≤ x}.

M hat also höchstens ein minimales (maximales) Element:

|min(M)| ≤ 1, |max(M)| ≤ 1.

(3) Ist M nicht leer und endlich, so hat M mindestens ein minimales (maximales)Element:

|min(M)| ≥ 1, |max(M)| ≥ 1.

(4) Ist M endlich, so gibt es zu jedem x ∈ M ein minimales y ∈ min(M) und einmaximales z ∈ max(M) mit y ≤ x ≤ z.

(5) Ist M endlich und hat genau ein minimales (maximales) Element, so ist diesesauch kleinstes (größtes) Element von M:

x = min(M) � x = klEl(M).

x = max(M) � x = grEl(M).

(6) Ist M eine nicht leere endliche Kette, so hat M genau ein minimales (maxima-les) Element, das auch kleinstes (größtes) Element von M ist:

x = klEl(M) = min(M).

x = grEl(M) = max(M).

(7) Ist G endlich, so ist jedes Element von G entweder minimal (maximal) oder hateinen unteren (oberen) Nachbarn:

∀ x ∈ G : (x ∈ min(G) ⇔ ¬∃ y ∈ G : y → x).

∀ x ∈ G : (x ∈ max(G) ⇔ ¬∃ y ∈ G : x → y).

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4 - 54 4 Relationale Strukturen

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Ketten Ist M ⊆ G eine endliche Kette der Mächtigkeit |M| = n, so gibt es eine Indizierung ihrerElemente, sodass M = {x1,.., xn} und

klEl(M) = x1 < x2 < ... < xn−1 < xn = grEl(M).

Ist G eine endliche Kette mit |G| = n, so gibt es sogar für die Nachbarrelation eine Dar-stellung mit G = {x1,.., xn} und

klEl(G) = x1 → x2 → ... → xn−1 → xn = grEl(G).

In �K(G), ⊆ �, der Menge aller Ketten in G, interessieren die maximalen Kettenmax(K(G)), und darunter die endlichen. Auch wenn M eine endliche maximale Kette inG mit |M| = n ist, gibt es eine Darstellung mit M = {x1,.., xn} und

klEl(M) = x1 → x2 → ... → xn−1 → xn = grEl(M).

Satz 4.73 (6) liefert zwar ein Kriterium, mit dem sich feststellen lässt, ob ein Elementein Extremum einer Kette ist. Das Kriterium eignet sich aber nicht dazu, das Extremumeiner gegebenen Kette effizient zu bestimmen. Wir stellen uns die Aufgabe:

Aufgabe: Minimumeiner Kette bestimmen

Finde einen effizienten Algorithmus, der zu einer endlichen Kette das Minimum(Maximum) berechnet.

Der folgende Satz nach dem Teile-und-Herrsche-Prinzip (→ Leitlinie 3.1 S. 3-6) berei-tet eine Basis für die Konstruktion eines Algorithmus.

Satz 4.74Extrema vonVereinigung

Beweis. Sei x := min(M), y := min(N), z := min{x, y}.

Aus x ∈ M, y ∈ N, z ∈ {x, y} folgt z ∈ M ∪ N.

((∀ u ∈ M : x ≤ u) ∧ (∀ v ∈ N : y ≤ v) ∧ z ≤ x ∧ z ≤ y) �((∀ u ∈ M : z ≤ u) ∧ (∀ v ∈ N : z ≤ v)) � ∀ w ∈ M ∪ N : z ≤ w � z = min(M ∪ N). �

Die folgenden Überlegungen beschränken sich auf das Minimum; sie gelten dual fürdas Maximum. Wir spezialisieren Satz 4.74 auf verschiedene Fälle:

(1) einelementige Kette {x}

min{x} = x.

(2) zweielementige Kette {x, y}

min{x, y} = .

Beachte, dass es im Fall x = y egal ist, ob x oder y als Minimum gewählt wird. Die inder Mathematik übliche Darstellung der Fallunterscheidung bei einer Abbildung lässtsich direkt in das in der Informatik übliche Struktogramm für die Fallunterscheidungübertragen:

Programm 4.4Struktogramm:Minimum von zweiElementen

min{x, y} =

Für eine vollgeordnete Menge �G, ≤� und endliche Teilmengen M, N ⊆ G gilt:

min(M ∪ N) = min{min(M), min(N)}.

max(M ∪ N) = max{max(M), max(N)}.

x falls x y≤y falls y x≤

x ≤ y?

result := x result := y

x ≤ y y < x

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 55

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Ist die Bedingung im mittleren Dreieck erfüllt, so wird der linke, sonst der rechteZweig ausgeführt. Die unteren beiden rechtwinkligen Dreiecke enthalten die jeweiligenZusicherungen (in blau). Das Ergebnis wird der Variablen result zugewiesen.

Aus dem Struktogramm ergibt sich der äquivalente Pseudocode:

Programm 4.5Minimum von zweiElementen

min{x, y} =IF x ≤ y THEN

result := xELSE

result := yEND.

Ersetzt man die bedingte Anweisung durch einen bedingten Ausdruck, so kommt dieDarstellung der mathematischen Notation wieder sehr nahe:

Bedingter Ausdruck min{x, y} = IF x ≤ y THEN x ELSE y END.

(3) dreielementige Kette {x, y, z}

min{x, y, z} = min{min{x, y}, z}.

Der Ausdruck auf der rechten Seite wird von innen nach außen berechnet. Der Algo-rithmus lautet als Struktogramm:

Programm 4.6Struktogramm:Minimum von dreiElementen

min{x, y, z} =

Das Berechnen des Minimums von drei Elementen einer Kette erfordert offenbar zweiVergleiche.

(4) n-elementige Kette {x1,.., xn}

min{x1,.., xn} = min{min{x1,.., xn−1}, xn}.

Daraus leiten wir die Rekursionsformel ab:

Rekursionsformel min{x} = x.

min{x, y} = IF x ≤ y THEN x ELSE y END.

min{x1,.., xi} = min{min{x1,.., xi−1}, xi} für i = 2,.., n.

Durch Einsetzen erhalten wir

min{x1,.., xn} = min{min{x1,.., xn−1}, xn}

= min{min{min{x1,.., xn−2}, xn−1}, xn} = ...= min{min{min{...{min{min{x1}, x2}, x3},.., xn−2}, xn−1}, xn}.

Der Ausdruck auf der rechten Seite wird wieder von innen nach außen berechnet. Sotransformieren wir die Rekursionsformel in einen iterativen Algorithmus mit einerZählschleife, die im i-ten Schritt min{x1,.., xi−1} mit xi vergleicht:

x ≤ z?

result := x result := z

x ≤ z z < xy ≤ z?

result := y result := z

y ≤ z z < y

x ≤ y?x ≤ y y < x

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4 - 56 4 Relationale Strukturen

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Programm 4.7Struktogramm:Minimum einer Kette

min{x1,.., xn} =

Aufwandsabschätzung Das Berechnen des Minimums von n Elementen einer Kette erfordert offenbar n − 1Vergleiche.

Verbesserung Nachdem wir überzeugt sind, dass der Algorithmus korrekt ist, untersuchen wir, ob wirihn verbessern können. In den zum Struktogramm Programm 4.7 äquivalenten Pseudo-code setzen wir Programm 4.5 textuell ein:

Programm 4.8Minimum einer Kette

min{x1,.., xn} =result := x1;FOR i := 2 TO n DO

IF result <= xi THENresult := result

ELSEresult := xi

ENDEND.

Tatsächlich ist ein Zweig der bedingten Anweisung überflüssig:

Programm 4.9Minimum einer Kette,verbesserte Variante

min{x1,.., xn} =result := x1;FOR i := 2 TO n DO

IF xi < result THENresult := xi

ENDEND.

Der Algorithmus arbeitet nur im Spezialfall endlicher Ketten korrekt. Deshalb stellenwir eine zweite Aufgabe für den allgemeinen Fall endlicher halbgeordneter Mengen:

Aufgabe: Minima einerhalbgeordneten Mengebestimmen

Finde einen effizienten Algorithmus, der zu einer endlichen halbgeordneten Mengedie Menge aller Minima (Maxima) berechnet.

Wir können die iterative Struktur des obigen Algorithmus übernehmen, müssen aberMengen statt Elemente berechnen. Bei zwei unvergleichbaren Elementen ist nicht ent-scheidbar, welches kein Minimum sein kann. Nur bei vergleichbaren Elementen kannman das größere ausschließen. Der Algorithmus arbeitet daher mit mehr Vergleichen,zwei geschachtelten Schleifen und zwei Mengen. Die eine Menge enthält Kandidatenfür Minima und wird immer kleiner, die andere enthält Minima und wird immer größer.

ASSERT result = min{x1,.., xi−1}

result := x1

für i = 2,.., n:

result := min{result, xi}

ASSERT result = min{x1,.., xi}

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 57

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Programm 4.10Minima einerhalbgeordneten Menge

min(M) =result := ∅ ;L := M;WHILE L ≠ ∅ DO

ASSERT result ⊂ min(M) ⊆ result ∪ L;x := ein z ∈ L;N := L \ {x};WHILE N ≠ ∅ DO

y := ein z ∈ N;IF x < y THEN

ASSERT y ∉ min(M);L := L \ {y}

ELSIF y < x THENASSERT x ∉ min(M);L := L \ {x};x := y;N := L

END;N := N \ {y}

END;result := result ∪ {x};L := L \ {x};ASSERT result ⊆ min(M) ⊆ result ∪ L

END;ASSERT L = ∅ ∧ result = min(M).

Aufwandsabschätzung Wieviele Vergleiche benötigt dieser Algorithmus, wenn |M| = n ist? Im schlechtestenFall ist M eine Antikette. Die Anzahl der Vergleiche ist dann

2 ∗ (n − 1) + 2 ∗ (n − 2) + ... + 2 ∗ 1 = n ∗ (n − 1).

Im besten Fall ist M eine Kette und schon das erste gewählte x ∈ M minimal. DieAnzahl der Vergleiche ist dann

n − 1.

Der Algorithmus setzt eine extensionale Beschreibung der Menge M voraus (→Beschreibungen von Mengen S. 1-2). In der Praxis liegt oft nur eine intensionaleBeschreibung von M durch ein Prädikat vor. Ein Minimum von M zu finden ist dannschwieriger, weil es nicht gesucht, sondern aus anderen Elementen konstruiert werdenmuss.

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4.5.7 Schranken und Grenzen

Im Folgenden sei �G, ≤� wieder eine halbgeordnete Menge. Hat eine Teilmenge M ⊆ Gkein kleinstes (größtes) oder nicht einmal ein minimales (maximales) Element, so kannes doch in G vergleichbare kleinere (größere) Elemente geben.

Definition 4.75SchrankenGrenzenInfimum Supremum

Beispiele Die Menge der unteren Schranken einer Menge kann

� leer sein wie unSch(�) = ∅ ,

� genau ein Element enthalten wie unSch{{1}, {2}} = {∅ },

� mehrere Elemente enthalten wie unSch{{1, 2}} = {∅ , {1}, {2}, {1, 2}}.

Entsprechendes gilt für die Menge der oberen Schranken. Eine Menge kann

� kein Infimum haben wie {x ∈ � | 2 < x2},

� ein Infimum haben wie {x ∈ � | 2 < x2}.

Entsprechendes gilt für das Supremum.

Mengensysteme M ⊆ P(G) zeichnen sich dadurch aus, dass sie stets ein Infimum undein Supremum haben; es gilt nach Satz 1.19 (3) S. 1-15:

inf(M) = ∩M,

sup(M) = ∪ M.

Sei �G, ≤� eine halbgeordnete Menge und M ⊆ G eine Teilmenge. Ein Element x ∈ Gheißt eine

untere Schranke (lower bound) von M :⇔ ∀ y ∈ M : x ≤ y ⇔ M ⊆ x≤;

obere Schranke (upper bound) von M :⇔ ∀ y ∈ M : y ≤ x ⇔ M ⊆ ≤ x.

Die Mengen der unteren und oberen Schranken von M sind

unSch(M) := {x ∈ G | ∀ y ∈ M : x ≤ y} = {x ∈ G | M ⊆ x≤},

obSch(M) := {x ∈ G | ∀ y ∈ M : y ≤ x} = {x ∈ G | M ⊆ ≤ x}.

Wir schreiben kurz unSch{...} statt unSch({...}), und analog obSch{...}.M heißt

nach unten beschränkt (bounded from below) :⇔ unSch(M) ≠ ∅ ;

nach oben beschränkt (bounded from above) :⇔ obSch(M) ≠ ∅ ;

beschränkt (bounded) :⇔ M ist nach unten und oben beschränkt.

Ein Element x ∈ G heißt

Infimum (untere Grenze, greatest lower bound, glb) von M,

x = inf(M) :⇔ x = grEl(unSch(M)),d.h. x ist größte untere Schranke von M

⇔ unSch(M) ⊆ ≤ x ∧ M ⊆ x≤;

Supremum (obere Grenze, least upper bound, lub) von M,

x = sup(M) :⇔ x = klEl(obSch(M)),d.h. x ist kleinste obere Schranke von M

⇔ M ⊆ ≤ x ∧ obSch(M) ⊆ x≤.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 59

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Satz 4.76Beziehungen zwischenausgezeichnetenElementen

Beweis: (1) und (2) sind leicht zu zeigen.

(3) Ist x = klEl(M), so ist x ∈ M ∩ unSch(M). Für ein beliebiges z ∈ unSch(M) gilt∀ y ∈ M : z ≤ y, also z ≤ x. Also gilt x ∈ unSch(M) ∧ ∀ z ∈ unSch(M) : z ≤ x. Also istx = grEl(unSch(M)) = inf(M).

(4) x ∈ M ∩ unSch(M) ⇔ x ∈ M ∧ ∀ y ∈ M : x ≤ y ⇔ x = klEl(M).

(5) x ∈ unSch(M) ⇔ ∀ y ∈ M : x ≤ y ⇔ ∀ y ∈ M ∪ {x} : x ≤ y ⇔ x = klEl(M ∪ {x}).

(6) „�“: z = inf(M ∪ {y}) � z ∈ unSch(M ∪ {y}) � z ∈ unSch(M) ⇔ z ≤ inf(M) = x.

z = inf(M ∪ {y}) � z ∈ unSch(M ∪ {y}) � z ≤ y.

w ∈ unSch{x, y} ⇔ w ≤ x ∧ w ≤ y ⇔ w ∈ unSch(M) ∧ w ≤ y ⇔ w ∈ unSch(M ∪ {y})⇔ w ≤ inf(M ∪ {y}) = z.

Zusammen ergibt sich z = inf{x, y}.

„⇐ “: z = inf{x, y}) � z ∈ unSch{x, y} ⇔ (wie oben) z ∈ unSch(M ∪ {y}).

w ∈ unSch(M ∪ {y}) ⇔ (wie oben) w ∈ unSch{x, y} ⇔ w ≤ inf{x, y} = z.

Zusammen ergibt sich z = inf(M ∪ {y}). �

Das folgende Diagramm stellt die Beziehungen zwischen den Begriffen kleinstes Ele-ment, minimales Element, untere Schranke und Infimum dar.

Für eine halbgeordnete Menge �G, ≤�, Teilmengen M, N ⊆ G und Elemente x, y, z ∈ Ggilt:

(1) Die Halbordnung ist durch die Infima (Suprema) der zweielementigen Mengenbestimmt:

x ≤ y ⇔ x = inf{x, y}⇔ y = sup{x, y}.

(2) Je größer eine Menge, desto weniger Schranken hat sie:

M ⊆ N � unSch(N) ⊆ unSch(M). Antitonie

M ⊆ N � obSch(N) ⊆ obSch(M).

(3) Ein kleinstes (größtes) Element von M ist auch Infimum (Supremum) von M:

x = klEl(M) � x = inf(M).

x = grEl(M) � x = sup(M).

(4) Hat M eine zu M gehörende untere (obere) Schranke, so ist diese das kleinste(größte) Element und das Infimum (Supremum) von M:

x ∈ M ∩ unSch(M) � x = klEl(M) = inf(M).

x ∈ M ∩ obSch(M) � x = grEl(M) = sup(M).

M ∩ unSch(M) ≠ ∅ � M ∩ unSch(M) = {klEl(M)} = {inf(M)}.

M ∩ obSch(M) ≠ ∅ � M ∩ obSch(M) = {grEl(M)} = {sup(M)}.

(5) x ist untere (obere) Schranke von M genau dann, wenn x kleinstes (größtes)Element von M ∪ {x} ist:

x ∈ unSch(M) ⇔ x = klEl(M ∪ {x}).

x ∈ obSch(M) ⇔ x = grEl(M ∪ {x}).

(6) Hat M ein Infimum (Supremum) und ist y ∉ M, so hat M ∪ {y} genau dann einInfimum (Supremum), wenn {x, y} ein Infimum (Supremum) hat, und dieInfima (Suprema) sind dann gleich:

(x = inf(M) ∧ y ∉ M) � (z = inf(M ∪ {y}) ⇔ z = inf{x, y}).

(x = sup(M) ∧ y ∉ M) � (z = sup(M ∪ {y}) ⇔ z = sup{x, y}).

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4 - 60 4 Relationale Strukturen

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Bild 4.22Beziehungen zwischenausgezeichnetenElementen

4.5.8 Ordnungsmorphismen und sortierte Familien

Die mit Definition 4.40 eingeführten relationalen Morphismen heißen, wenn R eineOrdnungsrelation ist, Ordnungsmorphismen. Bei den Beispielen (1) S. 28 bis (7) S.29 handelt es sich also um Ordnungsmorphismen. Es genügt, spezielle Eigenschaftenvon Ordnungsmorphismen zu definieren.

Definition 4.77Isotone und antitoneMorphismenIsomorphie

Als Voraussetzung für die Implikation genügt jeweils x <G y. Isomorphismen sind stets

strikt.

Beispiele Für die Beispiele auf S. 28f gilt:

(1): Isotoner Automorphismus.

(2): Isotoner Isomorphismus, d.h. �P(G), ⊆ � ≅ �{P(M) | M ⊆ G}, ⊆ �.

(3), (6) und (7): Isotone Homomorphismen.

(4): Antitoner Homomorphismus.

(5): Antitoner Automorphismus, d.h. �P(G), ⊆ � und �P(G), ⊇ � sind selbstdual unter demKomplement.

Beispiel 4.4Teilmengen undcharakteristischeFunktionen

Sei G eine Grundmenge. Auf lB = {0, 1} definieren wir die strikte Halbordnung

< := {(0, 1)}

und dazu wie üblich ≤ := < ∪ idlB. Auf dem kartesischen Produkt lBG, d.h. der Menge

aller Abbildungen von G nach lB, ist dann das kartesische Produkt ≤G der ≤ nach Defi-nition 4.27 und Tabelle 4.1 eine Halbordnung. Nach dem Beispiel S. 1-28 ist die Abbil-dung

und

x = klEl(M)

x = inf(M)

x ∈ unSch(M)

x ∈ min(M)

x ∈ M

Seien �G, ≤G�, �H, ≤H� halbgeordnete Mengen. Ein Ordnungshomomorphismusf : G → H heißt

isoton (ordnungstreu, order-preserving) :⇔ ∀ x, y ∈ G : (x ≤G y � f(x) ≤H f(y));

strikt isoton :⇔ ∀ x, y ∈ G : (x <G y � f(x) <H f(y));

antiton (order-reversing) :⇔ ∀ x, y ∈ G : (x ≤G y � f(x) ≥H f(y));

strikt antiton :⇔ ∀ x, y ∈ G : (x <G y � f(x) >H f(y)).

Ein antitoner Ordnungsisomorphismus heißt Antiisomorphismus.

�G, ≤G� und �H, ≤H� heißen

ordnungsisomorph, wenn es einen Ordnungsisomorphismus f : �G, ≤G� → �H, ≤H�;

antiisomorph, wenn es einen Antiisomorphismus f : �G, ≤G� → �H, ≥H�

gibt. �G, ≤G� und �G, ≥G� heißen selbstdual, wenn sie ordnungsisomorph sind.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 61

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

P(G) → lBG, M |→ χM,

die jeder Teilmenge M ⊆ G ihre charakteristische Funktion χM zuordnet, bijektiv.

Wegen

M ⊆ N ⇔ ∀ x ∈ G : (x ∈ M� x ∈ N)⇔ ∀ x ∈ G : χM(x) ≤ χN(x)

⇔ χM ≤G χN

für M, N ⊆ G ist die Abbildung ein Ordnungsisomorphismus. Damit sind �P(G), ⊆ � und

�lBG, ≤G� ordnungsisomorph:

�P(G), ⊆ � ≅ �lBG, ≤G�. �

Die Komposition von zwei (strikt) isotonen oder zwei (strikt) antitonen Homomorphis-men ist (strikt) isoton. Die Komposition eines (strikt) isotonen mit einem (strikt) antito-nen Homomorphismus ist (strikt) antiton. Auf einem System halbgeordneter Mengenist die Ordnungsisomorphie eine Äquivalenzrelation.

Sind Ordnungsdiagramme eigentlich eindeutig?

Satz 4.78Ordnung undOrdnungsdiagramm

Darüber hinaus sind alle ordnungstheoretischen Begriffe wie die Nachbarrelationen,Ketten und Antiketten, kleinste und größte Elemente, Extrema, Schranken und Grenzenordnungsisomorphieinvariant, d.h. ein Ordnungsisomorphismus bildet Nachbarn aufNachbarn, Ketten auf Ketten, Antiketten auf Antiketten, Extrema auf Extrema usw. ab.Ist der Ordnungsisomorphismus isoton, so entsprechen sich kleinste Elemente, mini-male Elemente, untere Schranken usw. Ein antitoner Ordnungsisomorphismus bildetein kleinstes auf ein größtes Element ab, ein minimales auf ein maximales Element,eine untere auf eine obere Schranke usw.

Satz 4.79Ordnungsisomorphieprimitiver Vor- undNachbereiche

Beweis. Die Abbildung f : G → {≤x | x ∈ G}, x |→ ≤x ist offenbar surjektiv und wegen

Satz 4.66 (6) injektiv, also bijektiv. Nach Satz 4.66 (4) sind f und f−1 isoton. Analog istdie Abbildung g : G → {x≤ | x ∈ G}, x |→ x≤ nach Satz 4.66 (4) und (6) ein Antiisomor-

phismus. �

Ordnungsisomorphismen sind in der Informatik praktisch bedeutsam bei Datenstruktu-ren aus Datenelementen, zu denen es eine Vollordnung gibt. Die Elemente der Daten-struktur können dann sortiert oder nicht sortiert sein. Die Datenelemente sind Exem-plare eines Datentyps, für den eine Vollordnung definiert ist. Der Datentyp wirdabstrakt beschrieben durch eine vollgeordnete Menge �G, ≤G�. Die Anordnung der Ele-mente in der Datenstruktur (z.B. einer Reihung oder Liste) wird abstrakt beschriebendurch eine Indizierung mit einer geeigneten vollgeordneten Indexmenge �I, ≤I�.

Zwei endliche halbgeordnete Mengen werden genau dann durch dasselbe Ordnungs-diagramm dargestellt, wenn sie ordnungsisomorph sind.

Jede halbgeordnete Menge �G, ≤� ist ordnungsisomorph zum System

�{≤x | x ∈ G}, ⊆ �

ihrer primitiven Vorbereiche und antiisomorph zum System

�{x≤ | x ∈ G}, ⊆ �

ihrer primitiven Nachbereiche.

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4 - 62 4 Relationale Strukturen

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Definition 4.80Sortierte Familie

Die Familie (xi)i∈ I ist genau dann sortiert, wenn sie keine invertierten Paare hat, d.h.

= ∅ .

In der Praxis sind sortierte Familien endlich. Diesen Fall endlicher sortierter Folgenbehandeln wir in 4.7.1, nachdem wir in 4.6 die natürlichen Ordinal- und Kardinalzah-len mit Wohlordnungen versehen haben.

4.5.9 Wohlordnungen

Vollgeordnete Mengen lassen sich durch kleinste (größte) und minimale (maximale)Elemente charakterisieren.

Satz 4.81Vollordnung, kleinsteund minimaleElemente

Beweis. (1) � (2): Mit G ist jedes M ⊆ G nach Korollar 4.29 (1) vollgeordnet und hatnach Satz 4.73 (2) höchstens ein minimales Element.

(2) � (3): Sei M ⊆ G nicht leer und endlich. Nach Voraussetzung hat M höchstens ein,nach Satz 4.73 (3) mindestens ein, also genau ein minimales Element, das nach Satz4.73 (5) auch kleinstes Element ist.

(3) � (4) ist klar.

(4) � (1): Sind x, y ∈ G beliebig, so existiert z = klEl{x, y}. Für z gilt (z = x oder z = y)und z ≤ x und z ≤ y. Daraus folgt x ≤ y oder y ≤ x. Also ist G vollgeordnet. �

In einer vollgeordneten Menge muss nicht jede Teilmenge ein kleinstes (größtes) Ele-ment haben:

� �, �, �, {1/n | n ∈ lN} ⊆ � haben kein kleinstes Element.

� lN,�, �, � haben kein größtes Element.

Jedoch hat jede nicht leere Teilmenge von lN ein kleinstes Element. Dies ist also einebesondere Eigenschaft: lN ist wohlgeordnet.

Seien �G, ≤G� eine vollgeordnete Menge und �I, ≤I� eine vollgeordnete Indexmenge.Eine Familie (xi)i∈ I von Elementen aus G heißt

(aufsteigend) sortiert (sorted) :⇔ die Indizierung I → G, i |→ xi ist ein isotonerHomomorphismus, d.h.∀ j, k ∈ I : (j ≤I k � xj ≤G xk);

absteigend sortiert :⇔ die Indizierung I → G, i |→ xi ist ein antitoner

Homomorphismus, d.h.∀ j, k ∈ I : (j ≤I k � xk ≤G xj).

Auf (xi)i∈ I definieren wir die Relation

(j, xj) (k, xk) :⇔ j <I k ∧ xk ≤G xj

und nennen ihre Elemente invertierte Paare von (xi)i∈ I.

Ivt xi( )

Ivt xi( )

Für eine halbgeordnete Menge �G, ≤� sind die folgenden Aussagen äquivalent:

(1) G ist vollgeordnet.

(2) Jede endliche Teilmenge von G hat höchstens ein minimales (maximales) Ele-ment.

(3) Jede nicht leere endliche Teilmenge von G hat ein kleinstes (größtes) Element.

(4) Jede nicht leere, höchstens zweielementige Teilmenge von G hat ein kleinstes(größtes) Element.

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4.5 Ordnungsrelationen 4 - 63

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Definition 4.82Wohlordnung

Nach Satz 4.81 ist jede Wohlordnung auch eine Vollordnung. Die Umkehrung giltnicht, denn�, �, � sind voll-, aber nicht wohlgeordnet.

Satz 4.83Nachfolgerfunktioneiner Wohlordnung

Beweis. (1) Zu beliebigem x ∈ G sei M := {y ∈ G | x < y}. Da G wohlgeordnet ist, gibtes zu M genau ein x´ ∈ G mit x´ = klEl(M). Wegen x´ ∈ M ist x < x´. Ist y ∈ G mit x < y,so ist y ∈ M, also x´ ≤ y, also x → x´.

(2) Sei x1 |→ x´ ∧ x2 |→ x´. Da G wohlgeordnet ist, hat {x1, x2} ein kleinstes Element,etwa x1 = klEl{x1, x2}. Also ist x1 ≤ x2. Aus x2 < x´ und x1 → x´ folgt x1 = x2. �

Übrigens kann der Begriff der Wohlordnung nicht in der Prädikatenlogik erster Stufedefiniert werden. Außerdem führt er zu einem tief liegenden Satz der axiomatischenMengenlehre über die Äquivalenz recht unterschiedlicher Aussagen.

Theorem 4.84WohlordnungssatzZermeloschesAuswahlaxiom

Zornsches1 LemmaKettenaxiom

Eine halbgeordnete Menge �G, ≤� heißt wohlgeordnet (well ordered) und ≤ heißtWohlordnung, wenn jede nicht leere Teilmenge von G ein kleinstes Element hat.

Für eine wohlgeordnete Menge �G, ≤� gilt:

(1) ∀ x ∈ G ∃ 1x´ ∈ G : (x < x´ ∧ ¬∃ y ∈ G : (x < y ∧ y < x´)), d.h.

∀ x ∈ G ∃ 1x´ ∈ G : x → x´, d.h.

∀ x ∈ G ∃ 1x´ ∈ G : (x < x´ ∧ ]x, x´[ = ∅ ), d.h.

das x´ zu x ist ein eindeutig bestimmter Nachfolger, die Nachbarrelation vonDefinition 4.64 ist eine Abbildung

G → G, x |→ x´,

die Nachfolgerfunktion zu ≤ heißt.

(2) Die Nachfolgerfunktion ist injektiv.

1 Max Zorn (1906 - 1993), deutscher Mathematiker, emigrierte 1933 vom Naziregime verfolgt in die USA.

Die folgenden Aussagen sind äquivalent:

(1) Wohlordnungssatz

Jede Menge lässt sich wohlordnen, d.h.

M ist Menge � ∃ R ⊆ M2 : R ist Wohlordnung.

(2) zermelosches Auswahlaxiom

Aus jeder nicht leeren Menge eines Mengensystems lässt sich ein Element aus-wählen, d.h. ist M ein Mengensystem mit ∅ ∉ M, so gibt es eine Auswahl-funktion

f : M → , M |→ f(M),

sodass für alle M ∈ M gilt f(M) ∈ M.

(3) zornsches Lemma

Eine halbgeordnete Menge, in der jede Kette nach oben beschränkt ist, hatmindestens ein maximales Element, d.h.

�G, ≤� halbgeordnet � (∀ M ∈ K(G) : obSch(M) ≠ ∅ � max(G) ≠ ∅).(4) Kettenaxiom

In einer halbgeordneten Menge gibt es zu jeder Kette eine diese umfassendemaximale Kette, d.h.

�G, ≤� halbgeordnet � ∀ M ∈ K(G) ∃ N ∈ max(K(G)) : M ⊆ N.

MM M∈∪

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4 - 64 4 Relationale Strukturen

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Keine der vier Aussagen lässt sich aus „einfachen“ Axiomen der Mengenlehre ableiten,d.h. sie sind unabhängig von „einfachen“ Axiomen (die wir naiv benutzt haben). Meistnimmt man das Auswahlaxiom in ein mengentheoretisches Axiomensystem auf. Aller-dings lehnt die intuitionistische Denkschule das Auswahlaxiom und alle Folgerungendaraus ab, weil es nicht konstruktiv ist: Es behauptet die Existenz einer Auswahlfunk-tion, ohne zu erklären, wie diese zu konstruieren ist. Entsprechend behaupten derWohlordnungssatz, das zornsche Lemma und das Kettenaxiom die Existenz einerWohlordnung, eines Maximums bzw. einer maximalen Kette, ohne zu erklären, wiediese zu konstruieren sind. Tatsächlich hat bisher niemand eine Wohlordnung auf �angegeben.

Obwohl sich die Informatik mit konstruktiven Verfahren zur Berechnung von Größenin endlich vielen Schritten, d.h. mit Algorithmen befasst, bietet der auf dem Auswahl-axiom basierende Teil der Mathematik Sätze, die auch in der Informatik von Interessesein können.

4.6 Ordnung der natürlichen Zahlen

4.6.1 Ordnung der Ordinalzahlen

Die in Definition 4.57 eingeführten natürlichen Ordinalzahlen sind per Konstruktiongeordnet. Jede Ordinalzahl außer 0 ist die Menge aller vorher konstruierten Ordinalzah-len:

n+ = {0,.., n}.

Eine Ordinalzahl m ist kleiner als eine Ordinalzahl n, wenn m vor n konstruiert ist, d.h.wenn m in n vorkommt.

Definition 4.85Ordnung derOrdinalzahlen

Die Ordnung auf lN0 basiert also auf der Elementrelation.

Satz 4.86Wohlordnung derOrdinalzahlen

Beweis. < ist irreflexiv, da kein n ∈ lN0 vor sich selbst konstruiert ist. < ist transitiv,

denn wenn l ∈ lN0 vor m ∈ lN0 und m vor n ∈ lN0 konstruiert ist, ist auch l vor n kon-

struiert. < ist semikonnex, da von m, n ∈ lN0 entweder m vor n oder n vor m konstruiertist. < ist eine Wohlordnung, weil kein n ∈ lN0 vor 0 konstruiert ist. �

Für m, n ∈ lN0 gilt:

m ≤ n ⇔ m ⊆ n;

m < n ⇔ m+ ∈ {0,.., n}.

Eine rekursive Charakterisierung lautet:

m < n ⇔ m+ = n ∨ m+ < n.

Nachfolger Da lN0 wohlgeordnet ist, gibt es nach Satz 4.83 eine injektive Nachfolgerfunktion. Sie

ist durch n |→ n+ gegeben. Weil jede natürliche Ordinalzahl einen Nachfolger besitzt,

hat .+ den Definitionsbereich lN0. Für das Bild gilt

Die Kleinerrelation < ⊆ lN02 ist für m, n ∈ lN0 durch

m < n :⇔ m ∈ n

definiert, und dazu die Kleinergleichrelation ≤, die Größerrelation > und die Grö-ßergleichrelation ≥ wie üblich.

�lN0, ≤, <� ist wohlgeordnet.

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4.6 Ordnung der natürlichen Zahlen 4 - 65

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.+[lN0] = lN,

d.h. jede natürliche Ordinalzahl außer 0 ist Nachfolger einer natürlichen Ordinalzahl.

Da keine zwei natürlichen Ordinalzahlen denselben Nachfolger haben, ist .+ injektiv.

Mit lN als Wertebereich ist .+ auch surjektiv. Somit ist die Nachfolgerfunktion

.+ : lN0 → lN, n |→ n+

Vorgänger bijektiv und besitzt eine Inverse, die wir Vorgängerfunktion (predecessor) nennen:

.− : lN → lN0, n |→ n− = (n+)−1 := m genau dann, wenn m+ = n.

Die Nachfolgerfunktion .+ bietet einen weiteren Zugang zu <. Als Relation entspricht .+

der oberen Nachbarrelation → von Definition 4.64. Sie ist also azyklisch und intransi-

tiv. Bilden wir die Produkte (.+)k für k ∈ lN und vereinigen sie, so erhalten wir dieKleinerrelation:

< = .

Anders formuliert gilt für m, n ∈ lN0:

m < n ⇔ ∃ k ∈ lN : (((m+)+)...+) = n (Nachfolgerfunktion k-mal angewendet)

⇔ ∃ k ∈ lN : m+k = n.

4.6.2 Ordnung der Kardinalzahlen

Wie ordnen wir die Kardinalzahlen? Die Kardinalzahlen lassen sich wohlordnen ohnedie Ordinalzahlen zu nutzen. Allerdings basiert dieser Ansatz auf dem Wohlordnungs-satz oder dem Auswahlaxiom.

Definition 4.87Mächtigerrelation

Das bedeutet mit der Inklusion, der Gleichmächtigkeit und Korollar 4.24 formuliert:

M ≤∼ N ⇔ ∃ L ⊆ N : M ∼ L

⇔ es gibt eine Surjektion g : N → M.

Satz 4.88Mächtigerrelation alsPräordnung

Beweis. Reflexivität: M ≤∼ M, da idM injektiv ist.

Transitivität: folgt aus Satz 4.20 (5). �

Nach Satz 4.51 induziert ≤∼ durch

M ≈≤∼ N :⇔ M ≤∼ N ∧ N ≤∼ M

für M, N ∈ M eine Äquivalenzrelation ≈≤∼ auf M und durch

[M]≈ ≤≤∼ [N]≈ :⇔ M ≤∼ N

für M, N ∈ M, also durch das Bild von ≤∼ unter der kanonischen Abbildung zu ≈≤∼ ,

eine Halbordnung ≤≤∼ auf M / ≈≤∼ . Statt einer Halbordnung auf M / ≈≤∼ wünschen wir

.+( )k

k lN∈∪

Eine Menge N heißt mächtiger als eine Menge M,

M ≤∼ N,

wenn es eine Injektion f : M → N gibt.

Die Mächtigerrelation ist eine Präordnung auf jedem Mengensystem M:

≤∼ ⊆ M2.

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4 - 66 4 Relationale Strukturen

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eine Wohlordnung auf M / ∼ . Der aus der Pionierzeit der Mengenlehre berühmte bern-

steinsche1 Äquivalenzsatz bringt uns dem Ziel näher.

Satz 4.89BernsteinscherÄquivalenzsatz

Beweise sind nicht trivial und basieren z.B. auf einem Fixpunktsatz von Knaster oderTarski oder dem unendlichen Heiratssatz. �

Das bedeutet, dass die Gleichmächtigkeit ∼ mit der durch die Mächtigerrelation ≤ indu-zierten Äquivalenzrelation ≈≤ übereinstimmt:

∼ = ≈ ≤∼ .

Damit gilt:

M / ≈≤∼ = M / ∼ .

Theorem 4.90Wohlordnung derKardinalzahlen

Beweis. Die Halbordnungseigenschaft wurde oben gezeigt, die Wohlordnungseigen-schaft zeigt man mit dem Wohlordnungssatz. �

Mit Definition 4.61 gilt nun für eine Menge M:

Korollar 4.91

1 Felix Bernstein (1878 - 1956), deutscher Mathematiker, emigrierte 1932 wegen rassistischerVerfolgung durch das Naziregime in die USA.

Zwei Mengen M, N sind genau dann gleichmächtig, wenn jede mächtiger als dieandere ist:

M ∼ N ⇔ M ≤∼ N ∧ N ≤∼ M.

Ist �M, ∼ � ein mit der Gleichmächtigkeit ∼ versehenes Mengensystem, so ist auf derMenge der Kardinalzahlen M / ∼ durch

|M| ≤ |N| ⇔ ∃ L ⊆ N : M ∼ L⇔ es gibt eine Injektion f : M → N

für M, N ∈ M eine Wohlordnung ≤ definiert, die |∅ | als kleinstes Element besitzt.

(1) M ist endlich ⇔ |M| < ℵ 0.

(2) M ist abzählbar ⇔ |M| ≤ ℵ 0.

(3) M ist überabzählbar ⇔ |M| > ℵ 0.

(4) M ist unendlich ⇔ |M| ≥ ℵ 0.

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4.6 Ordnung der natürlichen Zahlen 4 - 67

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 4.92Ordnungsregeln fürKardinalzahlen

Beweis. (1) und (2) sind klar.

(3) Wegen der Injektion x |→ {x} ist |M| ≤ |P(M)|. Annahme: |M| = |P(M)|. Dann gibt eseine Bijektion f : M → P(M). Da f surjektiv ist, gibt es zu N := {x ∈ M | x ∉ f(x)} ⊆ Mein y ∈ M mit f(y) = N. Dann gilt: y ∈ N ⇔ y ∉ N. Widerspruch!

(4) Wir benutzen das cantorsche Diagonalverfahren. Seien M = {M1, M2,...} und

Mi = {xi1, xi2,...} für i = 1, 2,... Wir schreiben die Elemente zweidimensional hin. DenElementen eines Mi entspricht eine Zeile:

x11 x12 x13 ...x21 x22 x23 ...

x31 x32 x33 ...

... ... ... ...

Nun besuchen wir die Elemente nach diesem Schema und nummerieren sie dabei um:

Offenbar erreichen wir damit jedes Element.

(5) Die Distributivität der Vereinigung beim kartesischen Produkt (→ Satz 1.23 (4) S.1-18) gilt auch allgemeiner für die Vereinigung beliebig vieler Mengen. SeienM = {M1, M2,...} und Mi = {xi1, xi2,...} für i = 1, 2,... Dann gilt:

Sind M, N Mengen und M ein Mengensystem, so gilt:

(1) M ⊆ N � |M| ≤ |N|.

(2) (M ⊂ N ∧ |N| < ℵ 0) � |M| < |N|.

(3) Die Potenzmenge einer Menge ist echt mächtiger als die Menge:

|M| < |P(M)|.

(4) Die Vereinigung abzählbar vieler abzählbarer Mengen ist abzählbar:

(|M| ≤ ℵ 0 ∧ ∀ M ∈ M : |M| ≤ ℵ 0) � ≤ ℵ 0.

(5) Das kartesische Produkt endlich vieler abzählbarer Mengen ist abzählbar:

(|M| < ℵ 0 ∧ ∀ M ∈ M : |M| ≤ ℵ 0) � ≤ ℵ 0.

(6) Das kartesische Produkt unendlich vieler mindestens zweielementiger Mengenist überabzählbar:

(|M| ≥ ℵ 0 ∧ ∀ M ∈ M : |M| > 1) � > ℵ 0.

MM M∈∪

MM M∈

MM M∈

x11 x12 x13 x14

x21 x22 x23 x24

x31 x32 x33 x34

x41 x42 x43 x44

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4 - 68 4 Relationale Strukturen

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M1 × M2 = = = {(x1k, x2l) | l ∈ lN}.

Nach (4) ist M1 × M2 als Vereinigung abzählbar vieler abzählbarer Mengen abzählbar.Den Rest zeigt man mit vollständiger Induktion: Ist M2 × ... × Mn abzählbar, so ist auch

M1 × ... × Mn = M1 × (M2 × ... × Mn) abzählbar.

(6) Es genügt, M als abzählbar und alle M ∈ M als zweielementig vorauszusetzen.

Seien M = {M1, M2,...} und Mi = {0, 1} für i = 1, 2,... Dann ist = {0, 1}lN

die Menge aller charakteristischen Funktionen χ : lN → {0, 1}. Da sie gleichmächtig zu

P(lN) ist (→ Beispiel S. 1-28), gilt mit (3): = |P(lN)| > |lN| = ℵ 0. �

Beachte, dass M ⊂ N und |M| = |N| ≥ ℵ 0 möglich ist.

4.7 Anwendungen von Ordnungen

4.7.1 Sortierte Folgen

Sehr wichtig sind in der informatischen Praxis effiziente Sortieralgorithmen. Ein Sor-tieralgorithmus überführt eine Datenstruktur aus vergleichbaren Elementen von jedemnicht sortierten Zustand in einen sortierten Zustand. Praktisch sortieren lassen sich nurendlich viele Elemente, sodass wir Definition 4.80 für diesen Zweck auf endlicheIndexmengen, also auf endliche Folgen von Elementen einschränken können. In die-sem Fall lässt sich die Sortierteigenschaft wegen der Transitivität der Ordnung derDatenelemente durch eine Bedingung charakterisieren, die bei n Elementen mit n − 1statt n ∗ (n − 1) Vergleichen auskommt.

Korollar 4.93Sortierte Folge

Ähnlich wie beim Minimum einer Kette (→ S. 55) leiten wir daraus eine Rekursions-formel ab:

Rekursionsformel sortiert{x}.

sortiert{x, y} = x ≤G y.

sortiert{x1,.., xi} = sortiert{x1,.., xi−1} ∧ xi−1 ≤G xi für i = 2,.., n.

Daraus konstruieren wir ähnlich wie beim Minimum (→ Programm 4.7) einen iterati-ven Algorithmus mit einer Zählschleife:

x1k{ }k lN∈∪

� �� �� �

M2× x1k{ }k lN∈∪ M2×

k lN∈∪

MM M∈

MM M∈

Für eine vollgeordnete Menge �G, ≤G� und eine endliche Folge (x1,.., xn), n ∈ lN, in G

gilt:

(x1,.., xn) ist aufsteigend sortiert ⇔ ∀ i = 2,.., n : xi−1 ≤G xi.

(x1,.., xn) ist absteigend sortiert ⇔ ∀ i = 2,.., n : xi ≤G xi−1.

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4.7 Anwendungen von Ordnungen 4 - 69

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Programm 4.11Struktogramm:Sortiertsein einer Folge

sortiert{x1,.., xn} =

Eine Analyse des Algorithmus ergibt, dass die Variable result in der Schleife höchstenseinmal vom Zustand TRUE in den Zustand FALSE wechseln kann. Die Sortiertaufgabeunterscheidet sich von der Minimumaufgabe darin, dass die Iteration zum Feststellendes Sortiertseins abbrechen kann, sobald das erste invertierte Elementpaar gefunden ist,während die Iteration zum Berechnen des Minimums alle Elemente berücksichtigenmuss. Tatsächlich ist die Sortiertaufgabe eine Suchaufgabe: Die Menge ist solange zudurchsuchen, bis ein Element mit einer gegebenen Eigenschaft gefunden ist oder alleElemente untersucht sind. Für Algorithmen zu solchen Aufgaben eignen sich Bedin-gungsschleifen besser als Zählschleifen. Hier entspricht der Übergang von der Zähl-zur Bedingungsschleife dem Übergang von der langen zur kurzen Auswertung boole-scher Ausdrücke (→ S. 2-30).

Programm 4.12Sortiertsein einer Folge

sortiert{x1,.., xn} =result := TRUE;i := 2;WHILE result ∧ i <= n DO

result := xi-1 <= xi;i := i + 1

END;ASSERT ¬ result ∨ i > n.

Verschiedene Sichten auf das Ergebnis sind:

result � i > n Ist die Folge sortiert, so wurden alle Elemente untersucht.

i ≤ n � ¬ result Wurden nicht alle Elemente untersucht, so ist die Folge nichtsortiert.

Mit kurzer Auswertung boolescher Ausdrücke lässt sich der Algorithmus weiter ver-bessern:

Programm 4.13Sortiertsein einer Folgeverbesserte Version

sortiert{x1,.., xn} =i := 2;WHILE i <= n ∧ xi-1 <= xi DO

i := i + 1END;ASSERT i > n ∨ xi-1 > xi;result := i > n.

Die Sichten auf das Ergebnis sind:

result ⇔ i > n Es ist i = n + 1. Entweder ist n = 1 oder die vorhergehendeIteration lieferte i = n ∧ xn−1 ≤ xn, d.h. die ganze Folge inklu-

sive letztem Paar ist sortiert.

¬ result ⇔ i ≤ n Es wurden nicht alle Elemente untersucht. Es ist xi−1 > xi,

wegen diesem invertierten Paar ist die Folge nicht sortiert.

ASSERT result = sortiert{x1,.., xi−1}

result := TRUE

für i = 2,.., n:

result := result ∧ xi−1 ≤G xi

ASSERT result = sortiert{x1,.., xi}

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4 - 70 4 Relationale Strukturen

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4.7.2 Ordnungen auf Produktmengen

Im Folgenden seien I eine Indexmenge und �Gi, ≤i� für i ∈ I halbgeordnete Mengen.

Auf dem kartesischen Produkt

G :=

der Mengen ist das kartesische Produkt

KomponentenweiseOrdnung ≤ := ≤i

der Relationen nach Definition 4.27 und Tabelle 4.1 definiert, das nach Aufgabe 4.22(6) auch eine Halbordnung ist, sodass wir das kartesische Produkt

�G, ≤� = � , ≤i�

der Strukturen mit der komponentenweisen Ordnung erhalten. Beachte, dass i.A. diezugeordnete strikte Ordnung vom Produkt der zugeordneten strikten Ordnungen ver-schieden ist,

< = ≤ \ idG ≠ <i = (≤i \ ).

≤ ist i.A. selbst dann keine Vollordnung, wenn alle ≤i Vollordnungen sind.

G lässt sich auch anders, nämlich lexikografisch ordnen, wenn I wohlgeordnet ist.Beschränken wir uns auf die endliche Indexmenge I = {1,.., n}, so ist durch

LexikografischeOrdnung

(x1,.., xn) <lex (y1,.., yn) :⇔ ∃ k ∈ I : (∀ i ∈ {1,.., k − 1} : xi = yi ∧ xk <k yk)

für (x1,.., xn), (y1,.., yn) ∈ G = G1 × ... × Gn eine strikte Halbordnung <lex definiert; sieheißt die lexikografische Ordnung zu den <i, i ∈ I. Wie üblich setzen wir

≤lex := <lex ∪ idG.

Sind alle <i, i ∈ I, strikte Vollordnungen, so ist auch <lex eine strikte Vollordnung.

Beispiele Für I = {1, 2} und G1 = G2 = lN ist die komponentenweise Ordnung definiert durch

(x1, x2) ≤ (y1, y2) :⇔ x1 ≤ y1 ∧ x2 ≤ y2,

es gilt also

(1, 2) ≤ (3, 4), aber (1, 4) und (2, 3) sind unvergleichbar,

während die lexikografische Ordnung definiert ist durch

(x1, x2) ≤lex (y1, y2) :⇔ x1 < y1 ∨ (x1 = y1 ∧ x2 ≤ y2),

sodass gilt:

(1, 2) ≤lex (3, 4) und (1, 4) ≤lex (2, 3).

In einer vollgeordneten Menge G ist eine endliche Folge (x1,.., xn) genau dann sortiert,

wenn bzgl. der komponentenweisen Ordnung gilt:

(x1,.., xn−1) ≤ (x2,.., xn).

4.8 Hüllen von RelationenAnwendungen geben oft Relationen vor, denen wünschenswerte Eigenschaften wieReflexivität, Symmetrie, Transitivität fehlen. Beispielsweise liegt eine azyklische Rela-tion vor, wo eine Halbordnung gewünscht ist. In gewissen Fällen lässt sich die gege-

Gii I∈∏

i I∈∏

Gii I∈∏

i I∈∏

i I∈∏

i I∈∏ idGi

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4.8 Hüllen von Relationen 4 - 71

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

bene „unvollständige“ Relation zu einer Relation mit geforderten Eigenschaften „ver-vollständigen“. Dabei soll die gegebene Relation nur soweit notwendig erweitertwerden. Wir haben z.B. in 4.6.1 die Nachfolgerfunktion der natürlichen Ordinalzahlenzur Kleinerrelation vergröbert. Gesucht ist also die kleinste Relation mit einer geforder-ten Eigenschaft, die eine gegebene Relation umfasst. Dies entspricht dem in der Mathe-matik breit angewandten Prinzip der Hüllenbildung oder Abschließung (closure).

Im Folgenden identifizieren wir eine Eigenschaft von Teilmengen einer Grundmenge Gmit einem einstelligen Prädikat M(.) auf P(G) und einem Mengensystem M ⊆ P(G),d.h. für M ⊆ G bedeuten

M(M) „M hat die EigenschaftM(.)“ und

M ∈ M „M gehört zum Mengensystem M“

dasselbe. Zu einer Teilmenge N ⊆ G betrachten wir das Teilsystem der N umfassendenMengen aus M,

N⊆ ∩ M = {M ∈ M | N ⊆ M} ⊆ M,

und ihr Infimum

gM(N) := inf{M ∈ M | N ⊆ M} = ∩{M ∈ M | N ⊆ M},

das stets existiert. Nach den Sätzen 1.19 (3) S. 1-15 und 4.76 (4) gilt:

Gehört gM(N) zu M, so ist es das kleinste Element von N⊆ ∩ M, d.h.

gM(N) ∈ M � gM(N) = klEl{M ∈ M | N ⊆ M}.

Nach Satz 4.76 (3) gilt:

Hat N⊆ ∩ M ein kleinstes Element, so ist es gleich gM(N).

Für N ∈ M gilt:

gM(N) = ∩{M ∈ M | N ⊆ M} = N = klEl{M ∈ M | N ⊆ M}.

Damit gilt:

gM[M] =M ⊆ {gM(N) | N ⊆ G} = gM[P(G)].

Definition 4.94M-Hülle

Für das System der M-Hüllen gilt

:= {hM(N) | N ⊆ G} = hM[P(G)] = hM[M] =M.

Weiter gilt:

N ∈ M ⇔ hM(N) = N.

Nicht zu jedem Mengensystem M und jeder Teilmenge N ⊆ G gibt es eine M-Hülle.Interessant sind Systeme M, die zu jedem N ⊆ G eine M-Hülle liefern.

Definition 4.95Durchschnittsstabilität

Sind G eine Grundmenge, M ⊆ P(G) ein Mengensystem, und existiert zu N ⊆ G diekleinste Obermenge aus M,

hM(N) := klEl{M ∈ M | N ⊆ M},

so heißt sie die M-Hülle von N.

MhM

Ist G eine Grundmenge, so heißt ein Mengensystem M ⊆ P(G) durchschnittsstabil(durchschnittsabgeschlossen), wenn jeder Durchschnitt von Mengen aus M in M

liegt, d.h.

∀ N ⊆ M : ∩N ∈ M.

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4 - 72 4 Relationale Strukturen

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Ein durchschnittsstabiles Mengensystem M enthält die Grundmenge G, weil ∅ ⊆ M

und nach Satz 1.19 (1) S. 1-15 ∩∅ = G ist.

Korollar 4.96DurchschnittsstabilitätundM-Hülle

Einen weiteren Zugang zu unserem Problem liefern Hüllenoperatoren.

Definition 4.97Hüllenoperator

Ist eine Abbildung h : P(G) → P(G) extensiv und monoton, so gilt h(M) ⊆ h(h(M)) fürM ⊆ G. Für den Nachweis der Idempotenz genügt dann, h(h(M)) ⊆ h(M) zu zeigen. (3)

lautet kurz: h2 = h.

Beispiele (1) Ist f : M → N eine Abbildung, so ist durch

hM(L) := f−1[f[L]]

für L ⊆ M ein Hüllenoperator hM auf M definiert. Die durch

hN(O) := f[f−1[O]]

für O ⊆ N definierte Abbildung hN auf N ist zwar monoton und idempotent, aber

nicht extensiv, also kein Hüllenoperator.

(2) Ist M eine Menge und R ⊆ M2 eine Präordnung, so sind die Abbildungen

N |→ NR und N |→ RN,

die jedem N ⊆ M den Nachbereich bzw. Vorbereich von N zu R zuordnen, Hül-lenoperatoren auf M.

Den Zusammenhang zwischenM-Hüllen und Hüllenoperatoren klärt der folgende Satz.

Satz 4.98M-Hülle undHüllenoperator

Korollar 4.99Durchschnittsstabilitätund Hüllenoperator

Hüllenoperatoren und durchschnittsstabile Mengensysteme entsprechen einander.

Sind G eine Grundmenge und M ⊆ P(G) ein durchschnittsstabiles Mengensystem, soexistiert zu jedem N ⊆ G die M-Hülle von N.

Ist G eine Grundmenge, so heißt eine Abbildung h : P(G) → P(G) ein Hüllenopera-tor auf G, wenn für alle M, N ⊆ G gilt:

(1) M ⊆ h(M), Extensivität

(2) M ⊆ N� h(M) ⊆ h(N), Monotonie

(3) h(h(M)) = h(M). Idempotenz

Sind G eine Grundmenge, M ⊆ P(G) ein Mengensystem, und existiert zu jedemN ⊆ G die M-Hülle hM(N), so ist die Abbildung

hM : P(G) → P(G), N |→ hM(N) = klEl{M ∈ M | N ⊆ M}

ein Hüllenoperator auf G mit

hM[P(G)] = hM[M] =M.

Sind G eine Grundmenge und M ⊆ P(G) ein durchschnittsstabiles Mengensystem, soist die Abbildung

hM : P(G) → P(G), N |→ hM(N) := ∩{M ∈ M | N ⊆ M}

ein Hüllenoperator auf G mit

hM[P(G)] = hM[M] =M.

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4.8 Hüllen von Relationen 4 - 73

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 4.100Hüllenoperator undDurchschnittsstabilität

Korollar 4.101M-Hülle undDurchschnittsstabilität

Im Folgenden betrachten wir Hüllen von zweistelligen homogenen Relationen auf G;

die Grundmenge ist dann G2.

Definition 4.102Hüllen von Relationen

Die reflexive und symmetrische Hülle von Q ist die kleinste oder feinste Verträglich-keitsrelation, die Q umfasst.

Die reflexive und transitive Hülle von Q ist die kleinste oder feinste Präordnung, die Qumfasst.

Die reflexive, symmetrische und transitive Hülle von Q ist die kleinste oder feinsteÄquivalenzrelation, die Q umfasst.

Die Darstellung von Relationenhüllen als Durchschnitte von Obermengen eignet sichzu ihrer Definition, aber kaum zu ihrer praktischen Bestimmung. Dem Ziel der algo-rithmischen Berechnung der Relationenhüllen nähert sich der folgende Satz.

Ist h ein Hüllenoperator auf einer Grundmenge G, so ist das System

Mh := {h(N) | N ⊆ G} = h[P(G)]

seiner Bildmengen durchschnittsstabil. Der Hüllenoperator zu Mh nach Korollar

4.99 stimmt mit h überein.

hMh

Sind G eine Grundmenge, M ⊆ P(G) ein Mengensystem, und existiert zu jedemN ⊆ G die M-Hülle hM(N), so ist das System

:= {hM(N) | N ⊆ G} = hM[P(G)] = hM[M] =M

der M-Hüllen durchschnittsstabil.

MhM

Die Systeme

R := {R ⊆ G2 | R ist reflexiv},

S := {S ⊆ G2 | S ist symmetrisch} und

T := {T ⊆ G2 | T ist transitiv}

der reflexiven, symmetrischen und transitiven Relationen auf G und ihre Durch-schnitte sind nach Satz 4.34 (1) durchschnittsstabil. Nach Korollar 4.99 gibt es die

Hüllenoperatoren hR, hS, hT, hR∩S, hR∩T und hR∩S∩T auf G2 und nach Korollar

4.96 zu jeder Relation Q ⊆ G2 die folgenden Hüllen von Q:

reflexive Hülle: hR(Q) = ∩{R ∈ R | Q ⊆ R},

symmetrische Hülle: hS(Q) = ∩{S ∈ S | Q ⊆ S},

transitive Hülle: hT(Q) = ∩{T ∈ T | Q ⊆ T},

reflexive und symmetrische Hülle: hR∩S(Q) = ∩{R ∈ R ∩ S | Q ⊆ R},

reflexive und transitive Hülle: hR∩T(Q) = ∩{R ∈ R ∩ T | Q ⊆ R},

reflexive, symmetrische und transitive Hülle:

hR∩S∩T(Q) = ∩{R ∈ R ∩ S ∩ T | Q ⊆ R}.

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4 - 74 4 Relationale Strukturen

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Satz 4.103Hüllen von Relationen

Beispiele Bei einer halbgeordneten Menge �G, ≤, <� ist die reflexive Hülle der Kleinerrelation dieKleinergleichrelation:

hR(<) = ≤.

Bei den Verwandtschaftsrelationen sind die symmetrischen Hüllen der Schwester- undder Bruderrelation die Geschwisterrelation:

hS(„ist Schwester von“) = hS(„ist Bruder von“) = „ist Geschwister von“.

Für die transitive und die reflexive und transitive Hülle von Q ⊆ G2 gilt für x, y ∈ G:

x Q+ y ⇔ ∃ n ∈ lN ∃ x1,.., xn ∈ G : x = x1 Q x2 Q ... Q xn−1 Q xn Q y.

x Q∗ y ⇔ x Q+ y ∨ x = y.

Ist die Grundmenge G endlich, etwa |G| = n, so findet man höchstens Ketten der Länge

n − 1. Für die transitive Hülle von Q ⊆ G2 gilt dann mit (3):

Q+ = hT(Q) = Q ∪ Q2 ∪ Q3 ∪ ... ∪ Qn.

Daraus lässt sich ein Algorithmus entwickeln, der Q+ in n Schritten ermittelt.

Satz 4.104Hüllen azyklischerRelationen

Für jede Relation Q ⊆ G2 gilt:

(1) hR(Q) = Q ∪ idG.

(2) hS(Q) = Q ∪ Q−1.

(3) hT(Q) = Q+ = .

(4) Mit Q sind auch hS(Q) und hT(Q) reflexiv. Also gilt:

hS[R] = R ∩ S,

hT[R] = R ∩ T.

(5) Mit Q sind auch hR(Q), hT(Q) und hR∩T(Q) symmetrisch. Also gilt:

hR[S] = R ∩ S,

hT[S] = S ∩ T,

hR∩T[S] = R ∩ S ∩ T.

(6) Mit Q ist auch hR(Q) transitiv. Also gilt:

hR[T] = R ∩ T.

(7) hR∩S(Q) = (hS ° hR)(Q) = (hR ° hS)(Q) = Q ∪ idG ∪ Q−1.

(8) hR∩T(Q) = (hT ° hR)(Q) = (hR ° hT)(Q) = Q∗ = .

(9) hR∩S∩T(Q) = (hT ° hS ° hR)(Q) = (hT ° hR ° hS)(Q) = (hR ° hT ° hS)(Q) =

.

Qn

n lN∈∪

Qn

n lN0∈∪

Q Q1–∪( )

n

n lN0∈∪

Ist die Relation Q ⊆ G2 azyklisch, so ist Q+ eine strikte Halbordnung und Q∗ eineHalbordnung.

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4.9 Übungen 4 - 75

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Korollar 4.105

4.9 ÜbungenAufgabe 4.1 Veranschaulichen Sie Satz 4.3 S. 4 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.2 Veranschaulichen Sie Satz 4.5 S. 6 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.3Bijektion

Zeigen Sie, dass für jedes k ∈ lN die Abbildung

lN0 → lN0 × {0,.., k − 1}, n |→ (n div k, n mod k)

bijektiv ist! Bemerkung: n = k ∗ (n div k) + n mod k.

Aufgabe 4.4 Veranschaulichen Sie Satz 4.11 S. 11 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.5 Veranschaulichen Sie Satz 4.12 S. 11 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.6 Veranschaulichen Sie Satz 4.13 S. 12 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.7 Veranschaulichen Sie Satz 4.14 S. 12 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.8 Veranschaulichen Sie Korollar 4.29 S. 23!

Aufgabe 4.9 Veranschaulichen Sie Satz 4.31 S. 24 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.10 Veranschaulichen Sie Satz 4.33 S. 25 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.11 Veranschaulichen Sie Satz 4.34 S. 26 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.12Alternative Beweise

Beweisen Sie Satz 4.30 S. 23 mit den Charakterisierungen der Eigenschaften durch

(1) Bereiche, Satz 4.31 S. 24;

(2) Operationen, Satz 4.33 S. 25!

Aufgabe 4.13Reflexive,symmetrische undtransitive Relationen[16]

Für eine Relation gibt es acht Möglichkeiten, die drei Eigenschaften Reflexivität, Sym-metrie und Transitivität zu haben oder nicht zu haben. Geben Sie für jede dieser Kom-binationen ein konkretes Beispiel an! Untersuchen Sie Ihre Beispiele danach, welcheanderen Eigenschaften von Definition 4.28 sie haben!

Aufgabe 4.14Falsches Argument[28]

Was ist falsch am folgenden Argument, das angeblich zeigt, dass jede symmetrische

und transitive Relation R ⊆ M2 auch reflexiv ist?

Sei x ∈ M. Da R symmetrisch ist, gehören (x, y) und (y, x) beide zu R. Da R transitiv ist,gehört auch (x, x) zu R. Also ist R reflexiv.

Aufgabe 4.15VerloreneEigenschaften

Sie betrachten Relationen R, S ⊆ M2. Geben Sie konkrete Beispiele für R und S mit:

(1) R und S sind semikonnex, aber R ∩ S ist nicht semikonnex;

(2) R und S sind asymmetrisch, aber R ∪ S ist nicht asymmetrisch;

(3) R und S sind antisymmetrisch, aber R ∪ S ist nicht antisymmetrisch;

(4) R und S sind transitiv, aber R ∪ S ist nicht transitiv;

(5) R und S sind intransitiv, aber R ∪ S ist nicht intransitiv!

Für eine halbgeordnete Menge �G, ≤, <� mit der oberen und unteren Nachbarrelation→ und ← gilt:

(1) →+ = <.

(2) →∗ = ≤.

(3) ←+ = >.

(4) ←∗ = ≥.

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4 - 76 4 Relationale Strukturen

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Aufgabe 4.16Eigenschaften vonRelationen

Beweisen Sie die folgenden Aussagen!

Für eine Relation R ⊆ M2 gilt:

(1) R ∩ R−1 und R ∪ R−1 sind symmetrisch.

(2) Ist R reflexiv, so sind auch R ∩ R−1 und R ∪ R−1 reflexiv.

Aufgabe 4.17Eigenschaften derKomposition vonRelationen

Untersuchen Sie zu Relationen R, S ⊆ M2, welche Eigenschaften die Komposition S ° Runter folgenden Voraussetzungen hat!

(1) R hat eine der Eigenschaften von Definition 4.28.

(2) S hat eine der Eigenschaften von Definition 4.28.

(3) R und S haben gemeinsam eine der Eigenschaften von Definition 4.28.

Hat im Fall (3) S ° R nicht dieselbe Eigenschaft wie R und S, so geben Sie ein konkretesGegenbeispiel an!

Aufgabe 4.18 Veranschaulichen Sie Satz 4.36 S. 27 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.19Bilder vonzugeordnetenRelationen undBereichen

Beweisen Sie die folgenden Aussagen zu Definition 4.37 S. 27!

Für Mengen M, N, eine Relation R ⊆ M2 und eine Abbildung f : M → N gilt:

(1) Das Bild der Identität ist die Identität auf der Bildmenge:

idMf = idf[M].

(2) Das Bild der Allrelation ist die Allrelation auf der Bildmenge:

M2f = f[M]2.

(3) Das Bild einer Einschränkung ist die Einschränkung des Bilds:

∀ L ⊆ M : (R ∩ L2)f = Rf ∩ f[L]2.

(4) Für Q ⊆ R gilt:

Qf ⊆ Rf. Monotonie

(5) Das Bild des Komplements umfasst das Komplement des Bilds in der Bild-menge:

Rf ⊇ f[M]2 \ Rf.

(6) Das Bild der Umkehrung ist die Umkehrung des Bilds:

R−1f = (Rf)−1.

(7) Bilder von Nach- und Vorbereichen sind Nach- bzw. Vorbereiche von Bildern:

∀ L ⊆ M : (f[LR] = f[L]Rf ∧ f[RL] = Rff[L]).

Aufgabe 4.20 Veranschaulichen Sie Satz 4.38 S. 27 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.21 Veranschaulichen Sie Satz 4.39 S. 28 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.22Eigenschaften deskartesischen Produktsvon Relationen

Beweisen Sie die folgenden Aussagen zu 4.2.2 S. 27!

Seien I eine Indexmenge und für i ∈ I seien Mi Mengen und Ri ⊆ Mi2 Relationen. Für

k ∈ I sei πk : → Mk, (xi) |→ πk((xi)) := xk die k-te Projektion des kartesischen

Produkts ΠMi auf Mk (→ S. 1-27). Dann gilt:

(1) Das kartesische Produkt der Relationen Ri ist der Durchschnitt ihrer Urbilder

πiRi unter den Projektionen πi:

= .

Mii I∈∏

Rii I∈∏ πiRi

i I∈∩

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4.9 Übungen 4 - 77

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(2) Das kartesische Produkt der Identitäten ist die Identität des kartesischen Pro-dukts:

.

(3) Das kartesische Produkt der Umkehrrelationen ist die Umkehrrelation des karte-sischen Produkts:

.

(4) Sind alle Ri, i ∈ I, reflexiv, symmetrisch, transitiv, Verträglichkeits- oder Äquiva-

lenzrelationen oder Präordnungen, so hat dieselbe Eigenschaft.

(5) Ist wenigstens ein Ri, i ∈ I, irreflexiv, asymmetrisch, antisymmetrisch, intransitiv

oder azyklisch, so hat dieselbe Eigenschaft.

(6) Sind alle Ri, i ∈ I, Halbordnungen oder strikte Halbordnungen, so hat

dieselbe Eigenschaft.

Aufgabe 4.23Gleicher Durchschnitt[16]

Zu einer Grundmenge G und einer Teilmenge L ⊆ G ist durch

M R N :⇔ L ∩ M = L ∩ N

für M, N ⊆ G eine Relation R auf P(G) definiert.

Zeigen Sie, dass R eine Äquivalenzrelation auf P(G) ist!

Bestimmen Sie für den Fall G = {1, 2, 3, 4, 5} und L = {1, 3, 5} alle Äquivalenzklas-sen! Beginnen Sie mit den Klassen [∅ ] und [G]! Wieviele Äquivalenzklassen gibt es?

Aufgabe 4.24 Veranschaulichen Sie Satz 4.46 S. 34 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.25Durchschnitt vonÄquivalenzrelationen[28]

Sind R, S ⊆ M2 Äquivalenzrelationen, so ist nach Satz 4.34 (1) S. 26 auch R ∩ S eineÄquivalenzrelation, und es gilt:

∀ x ∈ M ∃ y, z ∈ M : [x]R∩S = [y]R ∩ [z]S.

Veranschaulichen Sie diese Aussage und beweisen Sie sie!

Aufgabe 4.26Gröbere Äquivalenz-relation [29]

Sind R, S Äquivalenzrelationen mit R ⊆ S ⊆ M2 und gibt es ein u ∈ [x]R und einv ∈ [y]R mit u S v, so gilt für alle w ∈ [x]R und z ∈ [y]R die Beziehung w S z.

Veranschaulichen Sie diese Aussage und beweisen Sie sie!

Aufgabe 4.27Urbild einerÄquivalenzrelation

Ist f : M → N eine Abbildung und S ⊆ N2 eine Äquivalenzrelation, so ist fS nach Satz4.39 (1) S. 28 eine Äquivalenzrelation auf M. Zeigen Sie, dass für die Quotienten-menge gilt:

M / fS = {[x]fS | x ∈ M} = {f−1[[f(x)]S] | x ∈ M}.

Aufgabe 4.28Überdeckung [28]

Zu einer Überdeckung U ⊆ P(M) einer Menge M (→ Definition 1.20 S. 1-16) sei durch

x R y :⇔ ∃ U ∈ U : x, y ∈ U

für x, y ∈ M eine Relation R ⊆ M2 definiert. Welche Eigenschaften hat R? Ist R eineÄquivalenzrelation?

Aufgabe 4.29 Veranschaulichen Sie Satz 4.55 S. 40 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.30 Veranschaulichen Sie Satz 4.63 S. 47 und beweisen Sie ihn!

idMii I∈∏ id

Mii I∈

∏=

Ri1–( )

i I∈∏ Rii I∈

∏� �� � 1–

=

Rii I∈∏

Rii I∈∏

Rii I∈∏

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4 - 78 4 Relationale Strukturen

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Aufgabe 4.31Kleinste und größteElemente

Beweisen Sie, dass für eine halbgeordnete Menge �G, ≤� gilt:

∀ x ∈ G : klEl(x≤) = x = grEl(≤x).

Aufgabe 4.32Ordnungsdiagramme

Stellen Sie die verschiedenen Ordnungsdiagramme halbgeordneter Mengen �G, ≤� mit|G| = 1, 2, 3, 4 und 5 Elementen zusammen!

Aufgabe 4.33Ordnungsdiagrammezu Zerlegungen

Stellen Sie zu Mengen mit 1, 2, 3, 4 und 5 Elementen alle echten Zerlegungen in Ord-nungsdiagrammen dar! Die Ordnung der Zerlegung ist die Feinerrelation von Beispiel4.3 S. 51.

Aufgabe 4.34Endliche Ketten

Beweisen Sie die folgende Aussage!

Jede endliche Kette der Länge n − 1 ist ordnungsisomorph zur Kette {1,.., n}.

Aufgabe 4.35Satz von Dilworth

Welche Beziehung besteht zwischen Ketten und Antiketten? Der Satz von Dilworthgibt zwei Antworten:

(1) In einer endlichen halbgeordneten Menge �G, ≤� ist die minimale Mächtigkeiteiner Zerlegung von G in Ketten gleich der maximalen Mächtigkeit einer Anti-kette.

(2) In einer endlichen halbgeordneten Menge �G, ≤� ist die minimale Mächtigkeiteiner Zerlegung von G in Antiketten gleich der maximalen Mächtigkeit einerKette.

Veranschaulichen Sie diese Aussagen mit einigen Ordnungsdiagrammen!

Aufgabe 4.36LexikografischeOrdnung

Beweisen Sie, dass die in 4.7.2 S. 70 eingeführte lexikografische Ordnung auf demProdukt endlich vieler

(1) halbgeordneter Mengen tatsächlich eine Halbordnung,

(2) vollgeordneter Mengen tatsächlich eine Vollordnung

ist!

Aufgabe 4.37Hüllenoperatoren

Veranschaulichen Sie die Beispiele auf S. 72 und beweisen Sie, dass es tatsächlich Hül-lenoperatoren sind!

Aufgabe 4.38 Veranschaulichen Sie Satz 4.98 S. 72 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.39 Veranschaulichen Sie Satz 4.100 S. 73 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.40 Veranschaulichen Sie Satz 4.103 S. 74 und beweisen Sie ihn!

Aufgabe 4.41Hüllen einer Relation[16]

Auf der Grundmenge G = {a, b, c, d, e} sei die Relation Q = {(a, c), (b, d), (c, a), (c, e),(d, c), (e, a), (e, b), (e, d)} gegeben.

Bestimmen Sie die Hüllen hR(Q), hS(Q), hT(Q), hR∩S(Q), hR∩T(Q) und hR∩S∩T(Q)!

Aufgabe 4.42Eigenschaften vonHüllen

(1) Geben Sie eine transitive Relation T ⊆ G2 an, deren symmetrische Hülle nichttransitiv ist!

(2) Zeigen Sie, dass für Q ⊆ G2 gilt:

(hS ° hT)(Q) ⊆ (hT ° hS)(Q).

Aufgabe 4.43Eigenschaften vonHüllenoperatoren

Sind die Hüllenoperatoren hR, hS und hT für die reflexive, symmetrische bzw. transi-tive Hülle von Relationen

(1) durchschnittstreu, d.h. gilt h(∩Qi) = ∩h(Qi);

(2) vereinigungstreu, d.h. gilt h(∪ Qi) = ∪ h(Qi)?

Aufgabe 4.44 Veranschaulichen Sie Satz 4.104 S. 74 und beweisen Sie ihn!

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4.9 Übungen 4 - 79

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 4.45GröbsteantisymmetrischeRelation [29]

Nach Korollar 4.29 (2) S. 23 gehört die Antisymmetrie zu den Eigenschaften von Rela-tionen, die bei Verfeinerungen erhalten bleiben, aber bei Vergröberungen verlorengehen können. Beweisen Sie die folgenden Aussagen!

(1) Zu jeder antisymmetrischen Relation R ⊆ G2 gibt es eine gröbste antisymmetri-sche Relation a(R), die R umfasst:

a(R) = grEl{A ⊆ G2 | R ⊆ A und A ist antisymmetrisch}.

(2) Ist < eine strikte Halbordnung auf G, so ist ≤ = < ∪ idG die gröbste antisymmetri-

sche Relation, die gröber als < ist:

a(<) = ≤.

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4 - 80 4 Relationale Strukturen

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 5 - Seite 1 von 34

5 Zahlen

Aufgabe 5

5.1 Natürliche ZahlenSiehe Bauer, Skript TG1.

5.1.1 Peanosche Axiome

Vollständige Induktion

5.1.2 Arithmetische Operationen

Rechenregeln

5.1.3 Ordnungsrelationen

Rechenregeln

5.1.4 Rekursionstheoreme

5.1.5 Archimedische Eigenschaft

Wir nutzen die Chance für zwei Widerspruchsbeweise.

Satz 5.23Keine maximalenatürliche Zahl

Beweis durch Widerspruch. Angenommen, lN0 hat ein maximales Element n. Dann gilt

n < n + 1 = n+ ∈ lN0. Also ist n kein maximales Element von lN0 - Widerspruch! �

Korollar 5.24Archimedisches Axiom

Beweis durch Widerspruch. Wäre m ≥ k ∗ n für alle k ∈ lN, so wäre auch m ≥ k für allek, d.h. m wäre größtes Element von lN0 im Widerspruch zu Satz 5.23. �

Wegen der Eigenschaft in Korollar 5.24 ist lN0 archimedisch geordnet.

5.2 Ganze ZahlenSiehe Bauer, Skript TG1.

Konstruktive Definition von� als Quotientenmenge der Produktmenge lN02

Rechenregeln

Satz 5.25Abzählbarkeit derganzen Zahlen Beweis folgt aus ihrer Konstruktion und Satz 4.92 (5) und (1) S. 4-67. �

5.2.1 Standardfunktionen

Abbildungen mit � als Wertebereich heißen ganzzahlige Funktionen, insbesonderesolche der Form f : �→ �, p |→ f(p). Die folgenden für p ∈ � definierten ganzzahli-gen Funktionen sind allgemein gebräuchlich.

Die Menge lN0 der natürlichen Zahlen hat keine maximalen Elemente.

Zu jedem m ∈ lN0 und n ∈ lN gibt es ein k ∈ lN mit m < k ∗ n.

Die Menge� der ganzen Zahlen ist abzählbar unendlich.

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5 - 2 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Vorzeichen (signum, sign):

sgn(p) := .

(Absolut-)Betrag:

|p| := sgn(p) * p = .

Üblich ist auch die Kurzschreibweise für p, q ∈ �:

p = ±q :⇔ p ∈ {q, −q} ⇔ p = q ∨ p = −q ⇔ |p| = |q|.

Für den Betrag gelten die Rechenregeln für p, q ∈ �:

|p| = 0 ⇔ p = 0.

|p ∗ q| = |p| ∗ |q|.

|p + q| ≤ |p| + |q|. Dreiecksungleichung

5.2.2 Division mit RestSatz 5.26Division mit Rest

Damit sind die ganzzahlige Division

div :� × lN →�, (p, m) |→ p div m

und die Modulooperation

mod :� × lN → lN0, (p, m) |→ p mod m

als Abbildungen definiert. Die Bedingungen (1) und (2) legen die Modulooperation mitder in 5.2.4 einzuführenden Kongruenzrelation verträglich fest.

Vorrangregel Wir geben div und mod die Priorität der Multiplikation, d.h. div und mod binden gleichstark wie ∗ und stärker als + und −.

Rechenregeln Für (p, m) ∈ � × lN gilt:

(3) sgn(p div m) = sgn(p).

(4) sgn(p mod m) = sgn(m) ≥ 0.

(5) Für 0 ≤ p < m gilt:

p div m = 0,

p mod m = p.

(6) Für alle n ∈ � gilt:

(p + m ∗ n) div m = p div m + n,

(p + m ∗ n) mod m = p mod m.

1 falls p 0>0 falls p 0=

1– falls p 0<���

p falls p 0≥p– falls p 0<

Zu jedem (p, m) ∈ � × lN gibt es genau ein (q, r) ∈ � × lN0 mit

(1) p = q ∗ m + r,

(2) 0 ≤ r < m.

Wir nennen dann q den ganzzahligen Quotienten und r den Rest von p bei Divisiondurch den Modul m und schreiben

p div m := q,

p mod m := r.

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5.2 Ganze Zahlen 5 - 3

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Was bedeutet die Regeln? Für p < 0 ≤ p + m < m gilt wegen (5) und (6):

0 = (p + m) div m = p div m + 1,

also

p div m = −1.

Demnach ist p div m die größte ganze Zahl, die kleinergleich dem reellen Quotientenp / m ist. Wir runden also ab, unabhängig davon, ob p ≥ 0 oder p < 0 ist. In der Notationvon 5.4.5 ist

p div m = �p / m�.

Anschaulich gehen wir von p auf der Zahlengeraden nach links bis zur nächstkleinerendurch m teilbaren ganzen Zahl. Diese teilen wir durch m, um p div m zu erhalten.p mod m entspricht der dabei zurückgelegten Strecke.

Programmiersprachen Viele Programmiersprachen bieten Division mit Rest als Paar von Operationen zuganzzahligen Typen, z.B. Component Pascal als DIV und MOD, C-orientierte Sprachenals / und %. Sie müssen die Division mit Rest geeignet auf� ×� \ {0} fortsetzen.

� Exkurs. Leider gibt es weit verbreitete Programmiersprachen, die die Division mit Rest nichteinmal auf� × lN gemäß der mathematisch sinnvollen Minimalbedingungen (1) und (2) spezi-fizieren, sondern nur auf lN × lN (1) und (2) verlangen und sich auf � × lN mit (1) begnügen.Übersetzer können dann von (2) abweichen, indem sie beim Berechnen von p div m nicht abrun-den, sondern in Richtung 0 runden. Für p ≥ 0 ist das egal, aber nicht für p < 0. Damit verlieren(3), (4) und (6) ihre Gültigkeit, was das Programmieren mit Division mit Rest, insbesondere beiKongruenzrechnungen, unnötig verkompliziert.

Warum gibt es solche Sprachen? Manche (frühere) Rechner implementieren die Division mitRest nicht mathematisch sinnvoll gemäß (1) und (2). Sprachentwerfer lassen die Division mitRest unterspezifiziert, damit sich Übersetzerbauer flexibel an Hardwarearithmetiken anpassenkönnen. Hardwarefehler können so Sprachimplementationen infizieren. Entwerfer von Nachfol-gersprachen belassen diese kompatibel mit Vorgängersprachen. Durch solche Anpassungs-zwänge scheinen sich Altlasten fehlerhafter Division mit Rest so dauerhaft zu erhalten wieAtommüll. Die Dumme am Ende der Kette ist die AnwendungsprogrammiererIn, die umSchwachstellen von Sprachen herum programmieren muss.

Fortsetzung Wie ist die Division mit Rest geeignet auf � × � \ {0} fortzusetzen? Leider gibt eskeine Fortsetzung, die alle Bedingungen (1) bis (6) erfüllt. Welche Minimalbedingun-gen sollte jede sinnvolle Fortsetzung erfüllen? Sicher ist es nützlich, (1) zu verallge-meinern und die Gleichung

(7) p = (p div m) ∗ m + p mod m

für alle (p, m) ∈ � ×� \ {0} zu fordern, um p ohne Fallunterscheidung aus dem ganz-zahligen Quotienten und dem Rest zurückzuerhalten. Für das Vorzeichen des Quotien-ten fordern wir konsistent mit (3) für (p, m) ∈ � ×� \ {0}

(8) sgn(p div m) = sgn(p) ∗ sgn(m).

(6) verallgemeinernd fordern wir für (p, m) ∈ � ×� \ {0} und n ∈ �

(9) (p + m ∗ n) div m = p div m + n,

(p + m ∗ n) mod m = p mod m.

(7) bis (9) legen p div m und p mod m im Fall m < 0 noch nicht eindeutig fest; es sindMinimalforderungen an sinnvolle Fortsetzungen der Division mit Rest. Ab hier bietensich zwei Alternativen.

Variante 1: Fortsetzung mit nichtnegativem Rest

Konsistent mit (2) fordern wir für (p, m) ∈ � ×� \ {0}:

(10) 0 ≤ p mod1 m < |m|.

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5 - 4 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Tabelle 5.1Beispiel fürnichtnegativen Rest

Aus (10) folgt die Verallgemeinerung einer Ungleichung in (4):

(11) sgn(p mod1 m) ≥ 0.

Die Gleichung sgn(p mod1 m) = sgn(m) in (4) gilt nicht für m < 0. Aus (7) und (10) fol-gen (8), (9) und

(12) p div1 (−m) = −(p div1 m),

(13) p mod1 (−m) = p mod1 m.

Der Vorteil von (10) kostet den Nachteil, dass i.A.

� p div1 (−m) ≠ (−p) div1 m.

� Wegen (13) verträgt sich die Variante nichtnegativer Rest sehr gut mit der Kongruenz-rechnung. Deshalb wird sie in der Mathematik bevorzugt.

Variante 2: Fortsetzung mit vorzeichenbehaftetem Rest

Konsistent mit (2) fordern wir für (p, m) ∈ � ×� \ {0}:

(14) m > 0 � 0 ≤ p mod2 m < m,

m < 0 � m < p mod2 m ≤ 0.

Tabelle 5.2Beispiel für vorzeichen-behafteten Rest

Aus (14) folgt die Verallgemeinerung der Gleichung in (4):

(15) sgn(p mod2 m) = sgn(m).

Die Ungleichung sgn(m) ≥ 0 in (4) gilt nicht für m < 0. Aus (7) und (14) folgen (8), (9)und

(16) p div2 (−m) = (−p) div2 m,

(17) p mod2 (−m) = −((−p) mod2 m).

Der Vorteil von (16) kostet den Nachteil, dass i.A.

� p mod2 (−m) ≠ p mod m.

� Auch die Variante vorzeichenbehafteter Rest verträgt sich mit der Kongruenzrechnung.

Beispiel Component Pascal spezifiziert DIV und MOD nach der Variante vorzeichenbehafteterRest.

p m p div1 m p mod1 m

10 7 1 3

−10 7 −2 4

10 −7 −1 3

−10 −7 2 4

p m p div2 m p mod2 m

10 7 1 3

−10 7 −2 4

10 −7 −2 −4

−10 −7 1 −3

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5.2 Ganze Zahlen 5 - 5

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

5.2.3 TeilbarkeitDefinition 5.27TeilerVielfachesTeiltrelation

Satz 5.28Rechenregeln zurTeiltrelation

Wegen (4) und (5) nennen wir p ∈ � einen

trivialen (unechten) Teiler von q ∈ �, wenn p = ±1 oder p = ±q;

echten Teiler von q ∈ �, wenn p | q und p kein trivialer Teiler von q ist.

Aus (13) ergibt sich für p, q ∈ �:

p ist echter Teiler von q ⇔ (p | q ∧ 1 < |p| < |q|).

Aus (5), (6) und (7) folgt:

Satz 5.29Ordnungseigen-schaften

Weiter folgt aus Satz 5.28 (13):

Satz 5.30Teilt und Kleinergleich

Für die Kleinergleichordnung gilt bekanntlich

m ≤ n ⇔ ∃ k ∈ lN0 : m + k = n,

für die Teiltrelation gilt

m | n ⇔ ∃ k ∈ � : m ∗ k = n.

Für p, q ∈ � heißt p ein Teiler von q, p teilt q, q ein Vielfaches von p, q teilbardurch p,

p | q :⇔ ∃ r ∈ � : p ∗ r = q.

| ⊆ �2 heißt Teiltrelation.

Für die Teiltrelation gilt für alle p, q, r, s, t ∈ �:

(1) p | 0.

(2) 0 | p ⇔ p = 0.

(3) p | ±1 ⇔ p = ±1.

(4) ±1 | p.

(5) ±p | p.

(6) (p | q ∧ q | p) ⇔ p = ±q.

(7) (p | q ∧ q | r) � p | r. Transitivität

(8) p | q � p ∗ r | q ∗ r.

(9) (p ∗ r | q ∗ r ∧ r ≠ 0) � p | q.

(10) p | q ⇔ p | −q ⇔ −p | q ⇔ −p | −q.

(11) (p | q ∧ r | s) � p ∗ r | q ∗ s.

(12) (p | q ∧ p | r) � p | (q ∗ s + r ∗ t).

(13) (p | q ∧ q ≠ 0) � 1 ≤ |p| ≤ |q|.

Für die Teiltrelation gilt:

(1) | ⊆ �2 ist eine Präordnung auf�.

(2) | ∩ lN2 ist eine Halbordnung auf lN.

Die Teiltrelation auf lN verfeinert die Kleinergleichordnung auf lN:

| ∩ lN2 ⊆ ≤ ∩ lN

2, d.h.

∀ m, n ∈ lN : (m | n� m ≤ n).

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5 - 6 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Beide Relationen sind also formal gleich, aber ≤ mit +, | mit ∗ definiert. WesentlicherUnterschied ist, dass ≤ voll-, aber | nur halbgeordnet ist. Bezüglich | gibt es unver-gleichbare Elemente, z.B. 2 und 3.

Für die wegen Satz 5.29 (1) nach Satz 4.51 S. 4-39 durch die Teiltrelation | induzierteÄquivalenzrelation ≈| auf� gilt mit Satz 5.28 (6):

p ≈| q ⇔ p = ±q

für p, q ∈ �. Die Äquivalenzklassen zu ≈| sind also die Paarmengen

{p, −p} mit p ∈ �,

nur die Äquivalenzklasse {0} ist einelementig. Die Quotientenmenge � / ≈| ist iso-morph zu lN.

Für p ∈ � ist die Menge der Teiler von p der Vorbereich von p zur Teiltrelation:

|p = {q ∈ � | q teilt p},

die Menge der Vielfachen von p ist der Nachbereich von p zur Teiltrelation:

p| = {q ∈ � | p teilt q}.

Wegen Satz 5.28 (10) gilt für p ∈ �:

|p = |−p,

p| = −p|.

Gemeinsame Teiler und Vielfache sind Elemente von Durchschnitten von Teiler- bzw.Vielfachmengen. Für p, q, r ∈ � heißt r ein

gemeinsamer Teiler von p und q, wenn r ∈ |p ∩ |q, d.h.

r | p ∧ r | q;

gemeinsames Vielfaches von p und q, wenn r ∈ p| ∩ q|, d.h.

p | r ∧ q | r.

Nun interessieren möglichst

� „große“ gemeinsame Teiler in |p ∩ |q,

� „kleine“ gemeinsame Vielfache in p| ∩ q|,

wobei sich „groß“ und „klein“ auf | beziehen. Tatsächlich hat |p ∩ |q bzgl. | zwei„größte“ Elemente, p und q haben zwei „größte“ gemeinsame Teiler, die sich im Vor-zeichen unterscheiden. Entsprechend hat p| ∩ q| bzgl. | zwei „kleinste“ Elemente, p undq haben ein nichtnegatives und ein nichtpositives „kleinstes“ gemeinsames Vielfaches.Jedoch sind die Begriffe „größtes“ und „kleinstes“ bzgl. | gar nicht definiert, da | nureine Präordnung auf� ist. Eindeutigkeit des „größten“ und „kleinsten“ Elements errei-chen wir, indem wir jeweils das nichtnegative Element wählen, also in |p ∩ |q ∩ lN0 dasgrößte und in p| ∩ q| ∩ lN0 das kleinste Element.

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5.2 Ganze Zahlen 5 - 7

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 5.31Existenz undEindeutigkeit von ggTund kgV

Definition 5.32Größter gemeinsamerTeilerKleinstesgemeinsamesVielfaches

Beschränken wir uns auf die natürlichen Zahlen, so können wir „größtes“ und „klein-stes“ oder „maximales“ bzw. „minimales“ auch auf die Kleinergleichordnung beziehen,d.h. für p, q ∈ lN gilt

ggT(p, q) = max{r ∈ � | r teilt p ∧ r teilt q},

kgV(p, q) = min{s ∈ � | p teilt s ∧ q teilt s}.

Satz 5.33Rechenregeln zum ggT

Aus (2), (5) und (7) erhält man die Rekursionsformel

ggT(p, q) = ,

aus der man den euklidischen Algorithmus zur Berechnung des größten gemeinsamenTeilers zweier ganzer Zahlen entwickelt. Die rekursive Variante lässt sich in eine itera-tive transformieren. Siehe dazu die Module I0Euclid* und MathArithmeticsI in [33].

Seien p, q ∈ �.

(1) Es gibt genau ein r ∈ lN0 mit |p ∩ |q = |r. Für r gilt:

r | p ∧ r | q,

∀ t ∈ lN0 : ((t | p ∧ t | q)� t | r).

(2) Es gibt genau ein s ∈ lN0 mit p| ∩ q| = s|. Für s gilt:

p | s ∧ q | s,

∀ t ∈ lN0 : ((p | t ∧ q | t)� s | t).

Seien p, q ∈ �.

Das nach Satz 5.31 (1) eindeutig bestimmte r ∈ lN0 heißt der größte gemeinsameTeiler (greatest common divisor) von p und q:

ggT(p, q) = r :⇔ r ∈ lN0 ∩ |p ∩ |q ∧ |p ∩ |q ⊆ |r, d.h.

r ∈ lN0 ist gemeinsamer Teiler von p und q und jeder gemeinsame Teiler von p und q

teilt r.

Das nach Satz 5.31 (2) eindeutig bestimmte s ∈ lN0 heißt das kleinste gemeinsameVielfache (least common multiple) von p und q:

kgV(p, q) = s :⇔ s ∈ lN0 ∩ p| ∩ q| ∧ p| ∩ q| ⊆ r|, d.h.

s ∈ lN0 ist gemeinsames Vielfaches von p und q und jedes gemeinsame Vielfache von

p und q ist Vielfaches von s.

Für alle p, q, r ∈ � gilt:

(1) ggT(0, 0) = 0.

(2) ggT(p, 0) = |p|.

(3) ggT(p, 1) = 1.

(4) ggT(p, p) = |p|.

(5) ggT(p, q) = ggT(q, p).

(6) ggT(p, q) = ggT(p − q, q).

(7) q ≠ 0 � ggT(p, q) = ggT(p mod q, q).

(8) ggT(p ∗ r, q ∗ r) = ggT(p, q) ∗ |r|.

p falls q 0=

ggT q p mod q( , ) sonst�

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5 - 8 5 Zahlen

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5.2.4 Kongruenzrechnung

Die Kongruenzrechnung ist grundlegend wichtig in der Zahlentheorie, der Algebra undihren Anwendungen. Auch in der Informatik erscheint sie an vielen Stellen, z.B.:

� Rechner rechnen mit ganzen Zahlen in Moduloarithmetik.

� Kryptografische Verfahren basieren wesentlich auf der Kongruenzrechnung.

� Periodische Vorgänge steuert man gut mit der Kongruenzrechnung.

Satz 5.34Kongruenz modulo n

Eine Restklasse modulo n enthält alle ganzen Zahlen, die beim Teilen durch n densel-ben Rest lassen. Der Zusammenhang zwischen der Kongruenz ≡ (mod n) und derModulooperation von Satz 5.26 ist für n ∈ lN:

p ≡ q (mod n) ⇔ p mod n = q mod n.

Ein handliches Repräsentantensystem für�n = {[0]≡n, [1]≡n,.., [n − 1]≡n} ist

{0, 1,.., n − 1}.

Die Operationen übertragen sich von� auf�n durch

Addition [p]≡n +n [q]≡n := [p + q]≡n,

Subtraktion [p]≡n −n [q]≡n := [p − q]≡n,

Multiplikation [p]≡n ∗ n [q]≡n := [p ∗ q]≡n

für p, q ∈ �. Es ist zu zeigen, dass die Operationen wohldefiniert sind, d.h. unabhängigvon der Wahl der Repräsentanten.

Rechnen modulo n bedeutet, „normal“ addieren, multiplizieren usw., aber jedes Ergeb-nis (auch Zwischenergebnis) durch n teilen und nur den Rest behalten (den ganzzahli-gen Quotienten wegwerfen).

5.2.5 PrimzahlenDefinition 5.35Primzahl

Wir nennen p ∈ lP einen Primteiler von q ∈ �, wenn p | q.

Das folgende Lemma und der Satz von Euklid ist in Beispiel 3.4 S. 3-10 bewiesen.

Lemma 5.36Existenz einesPrimteilers

Satz 5.37Satz von Euklid

Für jedes n ∈ lN0 ist durch

p ≡ q (mod n) :⇔ n | p − q p kongruent q modulo n

für p, q ∈ � eine Äquivalenzrelation ≡ (mod n) auf� definiert; sie heißt Kongruenzmodulo n. Ihre Äquivalenzklassen heißen Restklassen modulo n. Die Quotienten-menge bezeichnen wir mit

�n := {[p]≡n | p ∈ �}.

Oft schreibt man statt p ≡ q (mod n) kurz p ≡ q mod n oder p ≡n q oder p ≡ q

oder gar p = q.

Eine natürliche Zahl p > 1 heißt prim oder eine Primzahl, wenn p nur triviale Teilerhat. Die Menge aller Primzahlen ist

lP := {n ∈ lN | n ist prim}.

Jede natürliche Zahl n > 1 hat einen Primteiler.

Die Menge lP aller Primzahlen ist abzählbar unendlich.

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5.3 Rationale Zahlen 5 - 9

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5.3 Rationale ZahlenSiehe Bauer, Skript TG1.

Konstruktive Definition von � als Quotientenmenge der Produktmenge� � \ {0}

Rechenregeln

Nützlich sind folgende Bezeichnungen für positive und negative rationale Zahlen:

�+ := {q ∈ � | q > 0},

�− := {q ∈ � | q < 0},

�+

0 := �+ ∪ {0} = {q ∈ � | q ≥ 0},

�−

0 := �− ∪ {0} = {q ∈ � | q ≤ 0}.

Satz 5.38Abzählbarkeit derrationalen Zahlen Beweis folgt aus ihrer Konstruktion und Satz 4.92 (5) und (1) S. 4-67. �

Programmierung Rationale Zahlen kann man in Programmiersprachen als Datentypen, in objektorien-tierten Sprachen als Klassen implementieren. Siehe dazu als Beispiel das Klassenmo-dul MathRationals mit der Klasse Rational in [33].

5.4 Reelle ZahlenDie Menge � der reellen Zahlen kann man prinzipiell auf zwei Arten einführen:

(1) konstruktiv als Teilsystem von P(�), der Potenzmenge der rationalen Zahlen,

(2) axiomatisch.

5.4.1 Konstruktion

Von verschiedenen konstruktiven Ansätzen skizzieren wir einen. Startpunkt ist dieStruktur der rationalen Zahlen,

��, 0, 1, +, ∗ , ≤�.

Nach Beispiel (2) S. 4-72 ist für eine halbgeordnete Menge �G, ≤� die Abbildung

P(G) → P(G), M |→ ≤M

ein Hüllenoperator. Wir betrachten das System der ≤-Vorbereiche oder ≤-Hüllen

{≤M | M ⊆ �},

dessen Elemente hier Anfänge heißen. Das System der Anfänge teilt sich in offeneAnfänge, die kein größtes Element haben, und nicht offene Anfänge:

{≤M | M ⊆ �} ={≤M | M ⊆ �, grEl(≤M) existiert nicht} ∪ {≤M | M ⊆ �, grEl(≤M) existiert} =

{≤M | M ⊆ �, ≤M ist offen} ∪ {≤M | M ⊆ �, ≤M ist nicht offen}.

Außerdem betrachten wir das System der primitiven <-Vorbereiche

{<q | q ∈ �},

wobei hier <q der durch q bestimmte Abschnitt heißt. Nun gilt:

Jeder Abschnitt <q in� ist ein offener Anfang in �.

Die Umkehrung gilt nicht, da z.B.

�− ∪ {q ∈ �+

0 | q2 < 2}

Die Menge � der rationalen Zahlen ist abzählbar unendlich.

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5 - 10 5 Zahlen

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ein offener Anfang, aber kein Abschnitt in � ist. Ziel ist, � so zu � zu vervollständi-gen, dass jeder offene Anfang ein Abschnitt ist. Das erreichen wir mit der Definition

� := {x ⊆ � | x ist offener Anfang in �}.

Die Elemente von � heißen reelle Zahlen. Wir müssen nun

(1) die Menge � algebraisch und relational strukturieren und

(2) zeigen, dass � isomorph zu einer Teilmenge von � ist.

Dann können wir � mit dieser Teilmenge von � identifizieren. Wir beginnen mit derOrdnungsstruktur auf �:

Ordnung x ≤ y :⇔ x ⊆ y für x, y ∈ �.

Damit gilt:

Zu jedem offenen Anfang M ⊆ � gibt es ein x ∈ �, sodass M der durch x bestimmteAbschnitt in � ist, M = <x.

Als Folgerung ergibt sich, dass jede nicht leere nach oben beschränkte Teilmenge von� ein Supremum besitzt. Nun ist zu zeigen, dass die Abbildung

��, ≤� → ��, ≤�, q |→ <q

ein injektiver, strikt isotoner Ordnungshomomorphismus ist. Reelle Zahlen, die nichtAbschnitte rationaler Zahlen sind, nennen wir irrationale Zahlen. Bisher wurde keinealgebraische Eigenschaft von � genutzt. Die algebraische Struktur erhält � ausgehendvon den Definitionen

Addition x + y := {p + q | p ∈ x, q ∈ y} für x, y ∈ �,

Multiplikation x ∗ y :=�− ∪ {p ∗ q | p ∈ x \ �−, q ∈ y \ �−} für x, y ∈ � mit x, y ≥ 0.

Die Multiplikation ist auf negative Zahlen fortzusetzen, die Inversen sind zu definierenund die Verträglichkeit dieser Struktur mit der von � ist zu zeigen.

5.4.2 Axiome

Als Alternative geben wir ein Axiomensystem für die reellen Zahlen an. Die Axiomeerfassen die wichtigsten Rechenregeln. Führt man die reellen Zahlen konstruktiv ein,so ergeben sich die Aussagen dieser Axiome als beweisbare Sätze - ähnlich, wie sichdie Aussagen der peanoschen Axiome aus den Eigenschaften der nach von Neumannkonstruierten natürlichen Zahlen ergeben.

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5.4 Reelle Zahlen 5 - 11

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Axiom 5.39Reelle Zahlen

Aus den Axiomen folgen weitere Rechenregeln, auf die wir nicht eingehen, weil wir sieals von der Schulmathematik bekannt voraussetzen. Stattdessen greifen wir Kapitel 6vor und betrachten anhand der Axiome Beziehungen von � zu abstrakten algebrai-schen Strukturen.

Axiom (1) dient der Vorbereitung. Axiom (2) bedeutet, dass ��, +� eine Halbgruppe ist,die mit Axiom (3) kommutativ ist. Mit (2), (3), (4) ist ��, 0, +� ein kommutativesMonoid, mit (2), (3), (4), (5) eine kommutative Gruppe.

Analog ist ��, ∗ � mit Axiom (6) eine Halbgruppe, die mit Axiom (7) kommutativ ist.Mit (6), (7), (8) ist ��, 1, ∗ � ein kommutatives Monoid. Mit (6), (7), (8), (9) ist�� \ {0}, 1, ∗ � eine kommutative Gruppe.

Mit den Axiomen (2) bis (7) und (10) ist ��, 0, +, ∗ � ein kommutativer Ring, der wegen(8) eine Eins hat. Mit (2) bis (10) ist ��, 0, 1, +, ∗ � ein Körper.

Wegen den Axiomen (11) und (12) ist < eine strikte Vollordnung auf �. Mit Axiom(13) ist ��, 0, +, <� eine geordnete Gruppe. �� \ {0}, 1, ∗ , <� ist allerdings keine geord-nete Gruppe, da in (14) die Verträglichkeit nicht für alle z gegeben ist.

Die reellen Zahlen bilden eine Struktur ��, 0, 1, +, ∗ , <� mit den Eigenschaften:

(1) 0, 1 ∈ � sind verschiedene Elemente, 0 ≠ 1.

+ : �2 → �, (x, y) |→ x + y und ∗ : �2 → �, (x, y) |→ x ∗ ysind zweistellige Operationen.

< ⊆ �2 ist eine zweistellige Relation.

Körperaxiome

Addition

(2) ∀ x, y, z ∈ � : (x + y) + z = x + (y + z). Assoziativität

(3) ∀ x, y ∈ � : x + y = y + x. Kommutativität

(4) ∀ x ∈ � : x + 0 = x. Null

(5) ∀ x ∈ � ∃− x ∈ � : x + (−x) = 0. Gegenzahl

Multiplikation

(6) ∀ x, y, z ∈ � : (x ∗ y) ∗ z = x ∗ (y ∗ z). Assoziativität

(7) ∀ x, y ∈ � : x ∗ y = y ∗ x. Kommutativität

(8) ∀ x ∈ � : x ∗ 1 = x. Eins

(9) ∀ x ∈ � \ {0} ∃ x−1 ∈ � : x ∗ x−1 = 1. Kehrzahl

(10) ∀ x, y, z ∈ � : x ∗ (y + z) = x ∗ y + x ∗ z. Distributivität

Ordnungsaxiome

(11) ∀ x, y, z ∈ � : ((x < y ∨ x = y ∨ y < x)∧ ¬ (x < y ∧ x = y)∧ ¬ (x < y ∧ y < x)∧ ¬ (x = y ∧ y < x)). Trichotomie

(12) ∀ x, y, z ∈ � : ((x < y ∧ y < z) � x < z). Transitivität

(13) ∀ x, y, z ∈ � : (x < y � x + z < y + z). Verträglichkeit

(14) ∀ x, y, z ∈ � : ((x < y ∧ 0 < z) � x ∗ z < y ∗ z). Verträglichkeit

Vollständigkeitsaxiom

(15) Jede nicht leere nach oben beschränkte Teilmenge von � hat ein Supremum:

∀ M ⊆ � : ((M ≠ ∅ ∧ obSch(M) ≠ ∅ ) � ∃ x ∈ � : x = sup(M)).

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5 - 12 5 Zahlen

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Auch die Struktur ��, 0, 1, +, ∗ , <� der rationalen Zahlen erfüllt die Axiome (1) bis(14). Es gibt also möglicherweise viele verschiedene Modelle zu den Axiomen (1) bis(14). Erst Axiom (15) bewirkt Eindeutigkeit. Alle Modelle, die die Axiome (1) bis (15)erfüllen, sind im Wesentlichen gleich, nämlich isomorph.

Satz 5.40Eindeutigkeit derreellen Zahlen

5.4.3 Unterstrukturen

Nützlich sind folgende Bezeichnungen für positive und negative reelle Zahlen:

�+ := {x ∈ � | x > 0},

�− := {x ∈ � | x < 0},

�+

0 := �+ ∪ {0} = {x ∈ � | x ≥ 0},

�−

0 :=�− ∪ {0} = {x ∈ � | x ≤ 0}.

Gehen wir von Axiom 5.39 aus, so können wir die natürlichen Zahlen als Unterstrukturder reellen Zahlen einführen, und zwar so:

Zählmenge Eine Teilmenge M ⊆ � heißt Zählmenge, wenn gilt:

0 ∈ M ∧ ∀ x ∈ M : x + 1 ∈ M.

Das System aller Zählmengen ist durchschnittsstabil (→ Aufgabe 5.29). Daher ist derDurchschnitt aller Zählmengen auch eine Zählmenge. Wir nennen

lN0 := ∩{M ⊆ � | M ist Zählmenge}

die Menge der natürlichen Zahlen. Mit Korollar 4.96 S. 4-72 ergibt sich, dass lN0 diekleinste Zählmenge ist, d.h. es gilt

∀ M ⊆ � : (M ist Zählmenge � lN0 ⊆ M).

Dies entspricht der Bedingung (3) der von neumannschen Definition 4.57 S. 4-42 dernatürlichen Zahlen und dem Induktionsaxiom des peanoschen Axiomensystems, aufdem das Beweisprinzip der vollständigen Induktion beruht. Hier folgt das Induktions-prinzip also aus den Axiomen der reellen Zahlen. Aus Obigem ergibt sich direkt:

∀ M ⊆ lN0 : (M ist Zählmenge � M = lN0).

Ähnlich vorgehend erhält man die ganzen und die rationalen Zahlen als Unterstruktu-ren von �.

5.4.4 Mächtigkeit

Welche Mächtigkeit hat die Menge der reellen Zahlen? Wir nennen

Mächtigkeit desKontinuums

c := |�|

die Mächtigkeit des Kontinuums. Beweisbar ist die Aussage

|P(lN)| = c.

Wegen Satz 4.92 (3) S. 4-67 gilt

ℵ 0 = |lN| < |P(lN)|,

woraus

ℵ 0 < c

folgt. Damit gilt:

Durch Axiom 5.39 sind die reellen Zahlen bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.

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5.4 Reelle Zahlen 5 - 13

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Satz 5.41Überabzählbarkeit derreellen Zahlen Nun sei ℵ 1 die kleinste Mächtigkeit, die größer als ℵ 0 ist:

ℵ 0 < ℵ 1.

Gilt nun

ℵ 0 < ℵ 1 < c

oder

ℵ 0 < ℵ 1 = c?

Die Aussage

Kontinuumshypothese ℵ 1 = c,

also dass es zwischen den Mächtigkeiten von lN und � keine weitere Mächtigkeit gibt,heißt Kontinuumshypothese. Cantor versuchte erfolglos, sie zu beweisen. Erst späterstellte sich heraus, dass die Kontinuumshypothese nicht entscheidbar ist. Gödel bewies1938, dass ℵ 1 = c nicht im Widerspruch zum zermeloschen Axiomensystem der Men-

genlehre steht; Cohen bewies 1964 das Entsprechende für ℵ 1 < c. Das bedeutet, dassman zu einem Axiomensystem der Mengenlehre die Kontinuumshypothese oder ihrGegenteil als Axiom dazu nehmen kann, ohne dadurch Widersprüche hervorzurufen.Die InformatikerIn brennen solche mathematischen Grundlagenfragen nicht sehr unterden Nägeln, da sie in der Rechnerpraxis stets mit endlichen Zahlenmengen auskommenmuss. Aber wir sehen daran exemplarisch, dass es Probleme gibt, die von der Möglich-keit einer algorithmischen Behandlung weit entfernt sind.

5.4.5 Standardfunktionen

Abbildungen mit � als Wertebereich heißen reelle Funktionen, insbesondere solcheder Form f : �→ �, x |→ f(x). Die folgenden für x ∈ � definierten reellen Funktionensind allgemein gebräuchlich; die ersten beiden setzen die entsprechenden ganzzahligenFunktionen fort.

Vorzeichen (signum, sign):

sgn(x) := .

(Absolut-)Betrag:

|x| := sgn(x) * x = .

Üblich ist auch die Kurzschreibweise für x, y ∈ �:

x = ±y :⇔ x ∈ {y, −y} ⇔ x = y ∨ x = −y ⇔ |x| = |y|.

Ganzer Teil (größtes Ganzes, floor, untere Gaußklammer1):

�x� := max{z ∈ � | z ≤ x}.

Die Menge � der reellen Zahlen ist überabzählbar.

1 Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855), deutscher Mathematiker, lieferte bedeutende Beiträge zuvielen Gebieten wie Algebra, Analysis, Fehler- und Wahrscheinlichkeitsrechnung.

1 falls x 0>0 falls x 0=

1– falls x 0<���

x falls x 0≥x– falls x 0<

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5 - 14 5 Zahlen

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Aufgerundetes (ceiling, obere Gaußklammer):

�x� := min{z ∈ � | z ≥ x} = .

Für Vorzeichen und Betrag gelten die Beziehungen für x, y ∈ �:

x ≠ 0 � sgn(x) = x / |x|.

|x| = 0 ⇔ x = 0.

|x ∗ y| = |x| ∗ |y|.

|x + y| ≤ |x| + |y|. Dreiecksungleichung

||x| − |y|| ≤ |x − y|.

Für den ganzen Teil und das Aufgerundete gelten die Beziehungen:

∀ x ∈ � : �x� ≤ x ≤ �x�.

∀ x ∈ � : �x� = x = �x�.

∀ x ∈ � \ � : �x� < x < �x� = �x� + 1.

5.4.6 Operationen mit reellen Funktionen

Wir haben die Werte der Betragsfunktion als Produkt der Werte der Vorzeichenfunktionund der Werte der identischen Funktion definiert - also das Produkt reeller Zahlen fürein Produkt von Funktionen genutzt. Die Kurzschreibweise dafür ist:

|.| = sgn * id�.

Entsprechend können wir mit der charakteristischen Funktion von � \� schreiben:

�.� = �.� + χ�\�.

Dies lässt sich verallgemeinern.

Definition 5.42Operationen mit reellenFunktionen

Beachte, dass die Nullstellen g−1[{0}] = {x ∈ N | g(x) = 0} von g aus dem Definitions-bereich von f / g ausgeschlossen sind.

Für jeden Definitionsbereich M wird die Menge der reellen Funktionen �M mit denOperationen Summe und Produkt zu einer algebraischen Struktur

��M, 0, 1, +, ∗ �,

und zwar zu einem kommutativen Ring (→ Kapitel 6) mit der konstanten Nullfunktion0 als neutralem Element der Summe und der konstanten Einsfunktion 1 als neutralem

Element des Produkts. Die Operationen auf �M entstehen wie in 4.1.10 S. 4-19 skiz-ziert aus den Operationen auf � durch komponentenweises Aufprägen. Auch die Ord-

x falls x �∈x 1+ sonst

Für Mengen M, N und reelle Funktionen f : M → �, g : N → � heißt

f + g : M ∩ N → �, x |→ (f + g)(x) := f(x) + g(x)

die Summenfunktion von f und g,

f − g : M ∩ N → �, x |→ (f − g)(x) := f(x) − g(x)

die Differenzfunktion von f und g,

f ∗ g : M ∩ N → �, x |→ (f ∗ g)(x) := f(x) ∗ g(x)

die Produktfunktion von f und g,

f / g : M ∩ N \ g−1[{0}] → �, x |→ (f / g)(x) := f(x) / g(x)

die Quotientenfunktion von f und g.

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5.4 Reelle Zahlen 5 - 15

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

nung von � überträgt sich als komponentenweise Ordnung nach Tabelle 4.1 S. 4-20

und 4.7.2 S. 4-70 auf �M:

f ≤ g :⇔ ∀ x ∈ M : f(x) ≤ g(x).

Die Produktordnung ≤ ist allerdings nur eine Halbordnung. Wir schreiben dann

��M, 0, 1, +, ∗ , ≤�.

Mit der Ordnung übertragen sich ordnungstheoretische Konzepte wie Extrema, Schran-ken usw., z.B. sind durch

min(f, g) : M → �, x |→ min{f(x), g(x)},

max(f, g) : M → �, x |→ max{f(x), g(x)}

die Minimum- und Maximumfunktion von f und g definiert.

5.4.7 Größenordnung reeller Funktionen

Folgendes ist für die Analyse der Komplexität von Algorithmen wichtig. Unter derKomplexität eines Algorithmus verstehen wir seinen Bedarf an „Ressourcen“ alsFunktion der „Größe“ des Problems. Als Ressourcen betrachten wir vor allem

� den Laufzeitaufwand und

� den Speicherplatz,

den ein Algorithmus zum Lösen des Problems benötigt. Konkrete Maßeinheiten fürZeit und Speicher brauchen wir dazu nicht. Die Größe eines Problems ist meist alsnatürliche Zahl n gegeben, z.B.:

� Suche ein Element in einer n-elementigen Menge oder Liste.

� Sortiere n Elemente in einer Reihung oder einer Liste.

� Berechne den größten gemeinsamen Teiler von p und q. Hier ist n := max(p, q).

Obwohl wir bei der Komplexitätsanalyse natürlichzahlige Funktionen untersuchen,schaffen wir ihre Grundlagen sinnvollerweise für reelle Funktionen. Bei der Komplexi-tätsanalyse kann man sich für den

� schlechtesten Fall (worst case),

� statistischen Durchschnittsfall (average case),

� besten Fall (best case)

interessieren. Oft ist eine obere Schranke für den Laufzeitaufwand im schlechtestenFall gesucht:

LaufzeitAlgorithmus, schlechtest(n) ≤ SchrankeAlgorithmus, schlechtest(n).

Von Interesse ist vor allem das Verhalten für große n. Wie wächst der Aufwand mit n?Man spricht dann von asymptotischer Analyse. Deshalb befassen wir uns hier mitdem Wachstum reeller Funktionen.

Definition 5.43GrößenordnungGroß-O-Notation

Statt g ∈ O(f) schreibt man auch etwas schwammig g(x) = O(f(x)).

Für eine reelle Funktion f : �→ � heißt

O(f) := {g ∈ �� | ∃ c, k ∈ � ∀ x ∈ � : (x ≥ k � |g(x)| ≤ c ∗ |f(x)|)}

die Menge der Groß-Os oder die Größenordnung von f. O heißt Landausymbol.a

Jedes g ∈ O(f) heißt ein Groß-O von f oder höchstens von der Größenordnung f.

a Edmund Landau (1877 - 1938), deutscher Mathematiker, Zahlentheoretiker.

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5 - 16 5 Zahlen

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Satz 5.44Rechenregeln zuGrößenordnungen

Eine reelle Funktion f : �→ � heißt

logarithmisch beschränkt :⇔ f ∈ O(log(x)),

linear beschränkt :⇔ f ∈ O(x),

quadratisch beschränkt :⇔ f ∈ O(x2),

polynomial beschränkt :⇔ ∃ n ∈ lN0 : f ∈ O(xn),

exponentiell beschränkt :⇔ f ∈ O(2x).

Satz 5.45MarkanteGrößenordnungen

Tabelle 5.3ExemplarischeNäherungswertemarkanterWachstumsfunktionen

Beispiel 5.1Binäres Suchen insortierter Reihung

Gegeben: Eine sortierte Reihung row = (row[lower],.., row[upper]).

Problem: Suche das Element x in der Reihung row.

Größe des Problems: n := upper − lower + 1 = Länge der Reihung row.

Algorithmus: Binäres Suchen Laufzeitaufwand

Programm 5.1Binäres Suchen

row.has_between(x, lower, upper) = f(n)ASSERT row.first <= lower;ASSERT upper <= row.last;ASSERT row.sorted(lower, upper);IF lower > upper THEN 1

result := FALSE 1ELSE

middle := (lower + upper) div 2; 1IF x = row[middle] THEN 1

result := TRUE 1ELSIF x < row[middle] THEN 1

result := row.has_between(x, lower, middle - 1) f((n − 1) div 2)ELSE

result := row.has_between(x, middle + 1, upper) f(n div 2)END

END.

Bestimmen des Laufzeitaufwands: Die konstanten Aufwände seien zu f(1) = czusammengefasst. Für f erhalten wir die Rekursionsformel

(1) Polynom: Für alle n ∈ lN0, a0,.., an ∈ � mit an ≠ 0 gilt:

O(anxn + an−1xn−1 + ... + a1x + a0) = O(xn).

(2) Summe und Produkt: Für f1 ∈ O(g1) und f2 ∈ O(g2) gilt:

f1 + f2 ∈ O(max(g1, g2)),

f1 ∗ f2 ∈ O(g1 * g2).

Für alle m ∈ lN mit m > 2 gilt:

O(log(n)) ⊂ O(n) ⊂ O(n * log(n)) ⊂ O(n2) ⊂ O(nm) ⊂ O(2n) ⊂ O(n!).

log2(n) n n * log2(n) n2 2n n!

3 5 15 25 32 120

4 10 40 100 103 107

7 100 700 104 1030 10158

10 1000 104 106 10301 102568

13 10000 105 108 103010 1035659

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5.4 Reelle Zahlen 5 - 17

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Rekursionsformel f(n) = c + p + q ∗ f((n − 1) div 2) + r ∗ f(n div 2)

mit p + q + r = 1, wobei p, q und r die Wahrscheinlichkeiten für das Ausführen des IF-,ELSIF- bzw. ELSE-Zweigs sind. Nach einem Rekursionstheorem zur Ordnungsinduk-tion (→ Bemerkung 2, S. 5-7 in Bauer, Skript TG1) ist f eindeutig bestimmt. ZurAbschätzung des schlechtesten Falls vernachlässigen wir p und erhalten

f(n) ≤ c + f(n div 2).

Um die Rechnung zu vereinfachen, setzen wir n = 2m ein:

f(2m) ≤ c + f(2m−1).

Für m = 1, 2, 3,... erhalten wir

f(2) ≤ c + f(1) = 2c,

f(4) ≤ c + f(2) = 3c,

f(8) ≤ c + f(4) = 4c,

...

Die vermutete Formel

f(2m) ≤ (m + 1) ∗ c

beweisen wir mit vollständiger Induktion nach m:

Vollständige Induktion f(2m+1) ≤ c + f(2m) ≤ c + (m + 1) ∗ c = ((m + 1) + 1) ∗ c.

Nun setzen wir wieder 2m = n und m = log2(n) ein:

f(n) ≤ (log2(n) + 1) ∗ c.

Damit ist

f ∈ O(log(n)).

Ergebnis: Der Laufzeitaufwand für binäres Suchen in einer sortierten Reihung istschlechtestenfalls höchstens von der Größenordnung O(log(n)) oder kurz logarithmischbeschränkt. �

Beispiel 5.2Sortieren einer Listedurch Auswählen

Gegeben: Eine sortierbare Liste list.

Problem: Sortiere die Liste list.

Größe des Problems: n := Anzahl der Elemente in der Liste list.

Algorithmus: Sortieren durch Auswählen Laufzeitaufwand

Programm 5.2Sortieren durchAuswählen

list.selectionsort = f(n)entferne kleinstes Element aus der Liste:list.remove_min_item(OUT x); a ∗ nsortiere restliche Liste:list.selectionsort; f(n − 1)ASSERT list.sorted;füge kleinstes Element an den Anfang der Liste:list.put_first(IN x); bASSERT list.sorted.

Bestimmen des Laufzeitaufwands: Zum Finden des kleinsten Elements ist die Listelinear zu durchsuchen, der Aufwand dafür ist linear beschränkt. Die Größen a, b sindkonstante Aufwände. Der konstante Aufwand zum Sortieren der leeren Liste seif(0) = c. Für f erhalten wir die Rekursionsformel

Rekursionsformel f(n) = a ∗ n + f(n − 1) + b.

Nach dem Rekursionstheorem 2, Satz 5.18 S. 5-7 in Bauer, Skript TG1 ist f eindeutigbestimmt. Für n = 1, 2, 3,... erhalten wir

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5 - 18 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

f(1) = a + c + b,

f(2) = 2a + f(1) + b = 3a + c + 2b,

f(3) = 3a + f(2) + b = 6a + c + 3b,

...

Die vermutete Formel

f(n) = ((n ∗ (n + 1)) / 2) ∗ a + c + n ∗ b

beweisen wir mit vollständiger Induktion nach n:

Vollständige Induktion f(n + 1) = a ∗ (n + 1) + f(n) + b = a ∗ (n + 1) + ((n ∗ (n + 1)) / 2) ∗ a + c + n ∗ b + b =(((n + 1) ∗ (n + 2)) / 2) ∗ a + c + (n + 1) ∗ b.

Damit ist

f ∈ O(n2).

Ergebnis: Der Laufzeitaufwand für Sortieren durch Auswählen ist in jedem Fall höch-

stens von der Größenordnung O(n2) oder kurz quadratisch beschränkt. �

Solche Abschätzungen des Laufzeitaufwands von Algorithmen beruhen auf mathema-tischen Methoden, die keine Kenntnisse über spezielle Programmiersprachen oderRechner voraussetzen.

5.5 Komplexe ZahlenIn � sind zwar alle Gleichungen der Formen

a + x = b mit a, b ∈ � und

a ∗ x = b mit a, b ∈ �, a ≠ 0

lösbar, aber z.B. die Gleichung

x2 = −1

hat keine Lösung in �. Ziel ist es, � so zur Menge � der komplexen Zahlen zu erwei-tern, dass alle algebraischen Gleichungen der Form

anxn + an−1xn−1 + ... + a1x + a0 = 0 mit n ∈ lN, a0,.., an ∈ �

in � lösbar werden. � soll der kleinste Oberkörper von � mit dieser Eigenschaft sein.

5.5.1 Konstruktion

Wir starten mit der Definition

Komplexe Zahlen � := �2.

Die Elemente von � heißen komplexe Zahlen. Wir müssen nun

(1) die Menge � algebraisch strukturieren und

(2) zeigen, dass � isomorph zu einer Teilmenge von � ist.

Dann können wir � mit dieser Teilmenge von � identifizieren. Leider ist es unmöglich,� algebraisch wie gefordert und die Ordnung von � damit verträglich zu erweitern,d.h. wir müssen auf das Erweitern der Ordnung verzichten. Offenbar ist die Abbildung

�→ �, x |→ (x, 0)

injektiv, sodass wir x und (x, 0) identifizieren. Komplexe Zahlen der Form (0, y) heißenimaginäre Zahlen. Die komplexe Zahl (x, y) setzt sich aus ihrem Realteil x und ihremImaginärteil y zusammen. Die algebraische Struktur erhält � so: Für die Addition ver-wenden wir die komponentenweise Addition wie in 4.1.10 S. 4-19 skizziert:

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5.6 Zahlendarstellungen 5 - 19

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Addition (v, w) + (x, y) := (v + x, w + y) für (v, w), (x, y) ∈ �.

Dagegen eignet sich die komponentenweise Multiplikation nicht.

Multiplikation (v, w) ∗ (x, y) := (v ∗ x − w ∗ y, v ∗ y + w ∗ x) für (v, w), (x, y) ∈ �.

Nun sind noch die Inversen zu definieren und die Verträglichkeit dieser Struktur mitder von � zu zeigen.

Für die imaginäre Einheit (0, 1) führen wir den Namen i ein:

Imaginäre Einheit i := (0, 1).

Damit ergibt sich

i2 = (0, 1) ∗ (0, 1) = (0 ∗ 0 − 1 ∗ 1, 0 ∗ 1 + 1 ∗ 0) = (−1, 0) = −1,

also

.

Weiter ist

i ∗ y = (0, 1) ∗ (y, 0) = (0 ∗ y − 1 ∗ 0, 0 ∗ 0 + 1 ∗ y) = (0, y).

So erhalten wir die klammerfreie additive Schreibweise

(x, y) = (x, 0) + (0, y) = x + iy.

Dies ist die Darstellung der komplexen Zahlen in kartesischen Koordinaten. Danebengibt es eine Darstellung in Polarkoordinaten. Addition und Subtraktion sind leichterin kartesischen Koordinaten, Multiplikation und Division leichter in Polarkoordinatenauszuführen.

5.5.2 Bemerkungen

Gaußsche Zahlenebene, Polarkoordinaten, Rechenregeln

Programmierung Komplexe Zahlen kann man in Programmiersprachen als Datentypen, in objektorien-tierten Sprachen als Klassen implementieren. Siehe dazu als Beispiel das Klassenmo-dul MathComplexesR mit der Klasse Complex in [33].

Resümieren wir: Der Prozess der Konstruktion der verschiedenen Zahlen, der mit derleeren Menge begann, liefert als Ergebnis die Inklusionskette

∅ ⊂ lP ⊂ lN ⊂ lN0 ⊂ � ⊂ � ⊂ � ⊂ �.

5.6 Zahlendarstellungen

5.6.1 Stellenwertsysteme

Dezimalsystem, Dualsystem, Hexadezimalsystem, Konvertierung

Aufgabe 5.1Konvertierung

Studieren Sie die Algorithmen zum Konvertieren von Zahlen in [33], ModulI1Converter!

5.6.2 Festpunktzahlen

Einer- und Zweierkomplement, Überlauf

Aufgabe 5.2Einer- undZweierkomplement

Studieren Sie die Begriffe Einer- und Zweierkomplement anhand der interaktivenLerneinheiten in [33], Menü Informatik 1 → Übungsblätter → Interaktive Lerneinhei-ten → Bit-Operationen und Bit-Interpretation!

i 1–=

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5 - 20 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

5.6.3 Gleitpunktzahlen

Reelle Zahlen sind in der Mathematik und vielen naturwissenschaftlich-technischenGebieten außerordentlich wichtig. Rechensysteme und Programmiersprachen bietendafür ersatzweise Gleitpunktzahlen (floating-point number). Oft heißen sie - wie inComponent Pascal - REAL, oder passender - wie in C-orientierten Sprachen - float.

Component Pascal bietet zwei „reelle“ Typen, Realtypen genannt, die sich im Spei-cherplatzbedarf, im Wertebereich und in der Genauigkeit unterscheiden. Beide imple-mentieren durch den IEEE Standard 754 for Binary Floating-Point Arithmetic spezifi-zierte Formate für Gleitpunktzahlen.

Tabelle 5.4Realtypen inComponent Pascal

Numerische Berechnungen mit Gleitpunktzahlen konfrontieren uns mit einer Reihevon Problemen, weil Gleitpunktzahlen als Ersatz für reelle Zahlen inhärent ungenausind und daher die Gleitpunktzahlenarithmetik anderen Gesetzen folgt als die mathe-matisch exakte Arithmetik der reellen Zahlen. Denn maschinenintern lassen sich nurendlich viele Gleitpunktzahlen darstellen. Die Menge dieser Gleitpunktzahlen ist einerelativ kleine, beschränkte Teilmenge der rationalen Zahlen. Gleitpunktzahlen liegenlängst nicht so dicht beieinander wie rationale Zahlen. Dadurch entstehen Darstellungs-fehler bei der Eingabe und Rundungsfehler beim Rechnen. Diese Fehler können sichim Verlauf einer längeren Berechnung so fortpflanzen, dass sie das Endergebnis völligverfälschen.

Aufgabe 5.3Rundungsfehler

Studieren Sie das Problem der Rundungsfehler bei Gleitpunktzahlenarithmetik anhand[33], Modul I0FloatingPoint!

Da ein gewisses Verständnis dieser Problematik Voraussetzung für einen guten Pro-grammierstil ist, untersuchen wir die Gleitpunktzahlenarithmetik etwas genauer. Fas-sen wir zunächst die wichtigsten Unterschiede der beiden Zahlenarten zusammen.

Tabelle 5.5Reelle Zahlen undGleitpunktzahlen

Typ SHORTREAL REAL

Wertebereich MIN (SHORTREAL) ..MAX (SHORTREAL)

MIN (REAL) .. MAX (REAL)

Operatoren + − ∗ / = # < > <= >=Format IEEE Standard 754 Single IEEE Standard 754 Double

Länge 32 Bit 64 Bit

Mantisse 23 Bit 52 Bit

Exponent 8 Bit 11 Bit

kleinste positive Zahl 1.2E−38 2.2E−308

größte positive Zahl 3.4E38 1.8E308

Genauigkeit 7-8 Dezimalstellen 15-16 Dezimalstellen

TheorieMathematik

PraxisRechner, Programmierung

Zahlenart reelle Zahlen Gleitpunktzahlen

Anzahl unendliche viele endlich viele

Abstand zwischen zweibenachbarten Zahlen

beliebig kleindurch Rechnergenauigkeitvorgegeben

Eingabegrößen, Ergebnisse exakte Werte ungenau, Näherungswerte

Berechnungen exakte Arithmetik approximative Arithmetik

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5.6 Zahlendarstellungen 5 - 21

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

5.6.3.1 Darstellungen von Gleitpunktzahlen

Reelle Zahlen sind als möglicherweise unendliche Dezimalbrüche darstellbar. Die alsendliche oder periodische Dezimalbrüche darstellbaren reellen Zahlen sind rational.

Beispiele Mathematische Notation normalisierte programmiersprachliche Notation

123,456 1.23456E2

7,296493451394732445923563441 7.2964934513947324459235

0,000834602 ∗ 10−5 8.34602E-9

0,834602 ∗ 10−8 8.34602E-9

Kommt in der Darstellung eine 10er-Potenz als Faktor vor, so handelt es sich um einehalblogarithmische oder Exponentialdarstellung. Zu einer Zahl gibt es unendlichviele solcher Darstellungen. Gesucht ist eine eindeutige, „normalisierte“ Darstellung,die sich als maschineninterne Darstellung eignet. Eindeutigkeit erreichen wir, indemwir fordern, dass vor dem Komma eine 0 steht, die erste Ziffer nach dem Komma keine0 ist und nach dem Komma ab jeder Stelle nicht nur 9en auftreten. (Beachte, dass0,999... = 1!)

Jede reelle Zahl x ∈ �, x ≠ 0 besitzt eine eindeutige normalisierte Dezimalbruchdar-stellung der Form

NormalisierterDezimalbruch

x = ± 0,z1z2z3... ∗ 10e

mit z1 ≠ 0, zk ∈ {0,..., 9}, e ∈ �, wobei es zu jedem Ziffernindex i einen Index k > i

gibt mit zk ≠ 9. Die Ziffernfolge z1z2z3... nach dem Komma heißt Mantisse, 10 ist dieBasis und e der Exponent. Einen Dezimalbruch normalisieren bedeutet, ihn in dienormalisierte Darstellung bringen. Dazu ist ggf. die Mantisse oder das Komma zu ver-schieben und der Exponent entsprechend anzupassen.

Die Darstellung ist leicht für andere Basen verallgemeinerbar. Die Mantisse ist bei reel-len Zahlen eine unendliche Ziffernfolge. Beschränken wir die Länge der Mantisse, soerhalten wir Gleitpunktzahlen.

Es seien B ∈ lN, B ≥ 2, m ∈ lN, e1, e2 ∈ lN0. Eine B-adische und m-stellige normali-sierte Gleitpunktzahl hat die Form x = 0 oder

NormalisierteGleitpunktzahl

mit z1 ≠ 0, zk ∈ {0, 1,..., B − 1}, e ∈ �, −e1 ≤ e ≤ e2. Es heißen die

zk Ziffern,B Basis,m Mantissenlänge oder Stellenzahl,

Mantisse,

[−e1, e2] ∩ � Exponentenbereich,e Exponent,−e1 kleinster Exponent,e2 größter Exponent.

Bei einer nicht normalisierten Gleitpunktzahl, auch denormalisiert oder subnormalgenannt, ist z1 = 0. Als eindeutige Darstellung der Null legen wir

0 = + 0,0...0 ∗ B−e1

x zk Be k–⋅

k 1=

m

�±=

zk Bk⋅

k 1=

m

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5 - 22 5 Zahlen

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fest. Je nachdem, ob die Basis B = 2, 8, 10 oder 16 ist, sprechen wir von dualen, okta-len, dezimalen bzw. hexadezimalen Gleitpunktzahlen. Statt des Kommas schreibtman oft einen Punkt.

Beispiel Eine dezimale normalisierte Gleitpunktzahl mit Mantissenlänge 5:

0.37249 ∗ 104

Dieselbe Zahl in Component-Pascal-Notation:

0.37249E4

Der Zahlbereich eines Gleitpunktzahlentyps ist das Intervall vom kleinstmöglichen biszum größtmöglichen Wert; er ist im Wesentlichen durch den Exponentenbereichbestimmt. Die Genauigkeit einer Gleitpunktzahl ist durch die Mantissenlänge festge-legt. Innerhalb ihres Zahlbereichs bilden Gleitpunktzahlen das Gleitpunktzahlenra-ster. In der Nähe von 0 ist das Raster relativ dicht, die Lücken sind relativ eng. Mitwachsendem Abstand von 0 wird das Raster lichter, die Lücken werden größer.

Die Darstellung in Rechnern ist heute meist dual. Die Stellenzahl für den Exponentenbewegt sich etwa im Bereich von 6 bis 15 Bit, die Mantissenlänge etwa von 9 bis 112Bit. Manche Prozessoren bieten auch dezimale Gleitpunktzahlen.

Die maschineninterne Darstellung lässt sich noch verbessern:

� Die Stelle vor dem Komma kann weggelassen werden, sie hat ja immer den Wert 0.

� Das Komma bzw. der Punkt kann weggelassen werden.

� Die Basis kann weggelassen werden.

� Bei dualen Gleitpunktzahlen kann die erste Stelle nach dem Komma weggelassenwerden, sie muss ja stets - außer bei der Zahl 0 - gleich 1 sein.

Beispiele Wir haben 32 Bit für eine duale Gleitpunktzahl zur Verfügung. Wir wählen e1 = e2,

nehmen 7 Bit für den Exponenten und dazu ein Vorzeichenbit. Dann bleiben 23 Bit für

die Mantisse und ein Vorzeichenbit. Damit ergibt sich ein Zahlbereich etwa von 10−38

bis 1038 und eine Genauigkeit von etwa 7 Dezimalstellen.

Mit dem vierfachen Speicherplatz und 112 Bit Mantissenlänge ist eine Genauigkeit vonca. 33 Dezimalstellen erreichbar.

5.6.3.2 IEEE Standard 754

In der Praxis (auch in Component Pascal) werden für die maschineninterne Darstellungoft die durch den IEEE Standard 754 for Binary Floating-Point Arithmetic festgelegtenFormate Single, Double und Double-Extended oder das de-facto-Standard-FormatQuadruple Precision verwendet. Sie unterscheiden sich in Details von unserer Darstel-lung. IEEE 754 legt für die drei Formate genau fest, wo welche Bits innerhalb einesMaschinenworts zu liegen haben. Außerdem liegt der Exponent in Exzessdarstellungvor. Das bedeutet, dass nicht der vorzeichenbehaftete Exponent e, sondern die stetsnichtnegative Charakteristik c = e + e1 gespeichert wird. Zu den IEEE-Formaten

gehören auch

� normalisierte und nicht normalisierte Zahlen,

� zwei Darstellungen für Null, +0 und −0,

� zwei Werte ±inf oder ±INF für „unendlich“ (∞, infinite), die bei Überlauf, z.B. beimMultiplizieren gigantischer Zahlen oder beim Dividieren durch 0 auftreten, und

� besondere Werte für NaN (Not-a-Number), die z.B. beim Dividieren von 0 durch 0entstehen und sich in QNaNs (Quiet NaN) und SNaNs (Signalling NaN) teilen.

Mehr zum IEEE Standard 754 finden Sie z.B. in [31] und [34].

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5.6 Zahlendarstellungen 5 - 23

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 5.4IEEE Standard 754

Studieren Sie den IEEE Standard 754 anhand der interaktiven Lerneinheit in [33],Menü Informatik 1 → Übungsblätter → Interaktive Lerneinheiten → Bit-Interpreta-tion!

5.6.3.3 Maschinendarstellung reeller ZahlenRundungsfunktion Nicht jede reelle Zahl lässt sich exakt im Rechner darstellen. Eine Rundungsfunktion

rd : �→ � ordnet jedem x ∈ � eine Maschinenzahl y = rd(x) zu, die Gleitpunktdar-stellung von x. Dabei können verschiedene Fälle auftreten.

Die 0 wird exakt abgebildet: rd(0) := 0.

Ist x ≠ 0 mit der Darstellung

x = ±0,z1z2...zmzm+1... ∗ Be, z1 ≠ 0,

so definiert man den relativen Darstellungsfehler

δx := (rd(x) − x) / x.

Im Fall e < −e1 liegt Exponentenunterlauf vor. Vernünftigerweise wird rd(x) := 0gesetzt. Damit ist der Betrag des relativen Darstellungsfehlers |δx| = 1, d.h. 100%.

Im Fall e > e2 liegt Exponentenüberlauf vor. Steht der Wert ∞ zur Verfügung, wirdrd(x) := sgn(x) ∗ ∞ gesetzt. Damit ist der absolute relative Darstellungsfehler |δx| = ∞.

Ohne ∞ ist eine Zuordnung rd(x) sinnlos, der Rechner sollte die Berechnung mit einerFehlermeldung abbrechen.

Im Normalfall −e1 ≤ e ≤ e2 kann gerundet werden. Zwei Lösungen liegen auf der Hand.Bei unsymmetrischer Rundung (Abbruch, Abschneiden, Rundung zur Null) wer-den nur die ersten m Stellen der Mantisse genommen, der Rest wird abgeschnitten:

UnsymmetrischeRundung

rd(x) := ±0,z1z2...zm ∗ Be.

Für den relativen Darstellungsfehler ergibt sich die Abschätzung

|δx| < Be−m / |x|.

Bei symmetrischer Rundung (Rundung zur nächsten Maschinenzahl) wird je nachWert der (m+1)-ten Stelle ab- oder aufgerundet:

SymmetrischeRundung

rd(x) := ±0,z1z2...zm ∗ Be, falls zm+1 < B / 2;

rd(x) := ±(0,z1z2...zm + B−m) ∗ Be, falls zm+1 ≥ B / 2.

Beachte, dass im letzten Fall durch das Aufrunden ein Übertrag entstehen kann unddann u.U. renormalisiert werden muss. Für den relativen Darstellungsfehler ergibt sich

|δx| < Be−m / 2 |x|.

Weitere Möglichkeiten zur Rundung sind Abrunden zur nächstkleineren und Aufrun-den zur nächstgrößeren Maschinenzahl.

Der relative Darstellungsfehler ist nach oben durch die vom Rechner R abhängige rela-tive Rechnergenauigkeit δR beschränkt. Diese Zahl ist definiert durch

RelativeRechnergenauigkeit

δR := B1−m bei unsymmetrischer Rundung und

δR := B1−m / 2 bei symmetrischer Rundung.

Beispiele Bei B = 2, m = 23 und symmetrischer Rundung ergibt sich δR = 1/223 ≈ 0,125 ∗ 10−6.

Bei B = 2, m = 52 und symmetrischer Rundung ergibt sich δR = 1/252 ≈ 0,222 ∗ 10−15.

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5 - 24 5 Zahlen

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Die relative Rechnergenauigkeit δR ist die kleinste positive Zahl δ, für die rd(1 + δ) > 1ist. Sie lässt sich auch leicht empirisch mit einem iterativen Algorithmus bestimmen;siehe [33], Modul I1RealInfo.

Ein Rechner kann (zwecks Vereinfachung der Schaltkreislogik) auch eine andere Run-dungsfunktion realisieren. Man sollte jedoch erwarten dürfen, dass die relative Rech-nergenauigkeit nicht schlechter als bei unsymmetrischer Rundung ist.

5.6.3.4 Fehlerquellen beim Rechnen mit Gleitpunktzahlen

Mit den Darstellungsfehlern haben wir eine spezielle Fehlerart kennengelernt. Klassifi-zieren wir nun die Fehler, die beim Rechnen mit Gleitpunktzahlen auftreten.

Genauigkeitsfehler entstehen

� als Eingabefehler schon bei den Eingabedaten und

� als Rundungsfehler bei arithmetischen Operationen.

Eingabefehler entstehen

� als Darstellungsfehler wegen der maschineninternen Beschränkung der Stellenzahl,

� als Konvertierungsfehler beim Übergang zwischen Zahlsystemen (dezimal ↔ dual).

Sie bewirken selbst dann, wenn mit den maschineninternen Daten arithmetisch exaktweitergerechnet wird, unvermeidbare Fehler bei den Ausgabedaten, da sie den Geset-zen der Fehlerfortpflanzung unterliegen. Hinzu kommen dann die Rundungsfehlerdurch die Gleitpunktarithmetik, auf die wir im nächsten Abschnitt eingehen. Auchdiese verursachen Fortpflanzungsfehler. Im schlechten Fall verstärken sich diese Fehlerund verfälschen die Ergebnisse. Weitere Probleme sind:

� Die Eingabedaten können schon bei der Erfassung mit Messfehlern behaftet sein,bevor sie in eine rechnerinterne Darstellung gebracht werden.

� Von einem vernünftigen Verfahren zur Lösung eines Problems erwartet man, dass esnumerisch stabil ist, d.h. dass der Rundungsfehler bei den Ausgabedaten nichtbeliebig größer als der unvermeidbare Fehler wird. Nicht alle Verfahren sind nume-risch stabil.

� Die Kondition eines Problems ist das im schlechtesten Fall auftretende Verhältnisvon relativen Resultatfehlern zu relativen Eingangsfehlern. Ist ein Problem schlechtkonditioniert, d.h. seine Kondition einige Zehnerpotenzen groß, so kann auch einnumerisch stabiles Lösungsverfahren die Situation nicht verbessern.

■ Ein Beispiel für ein schlecht konditioniertes Problem ist die Subtraktion vonzwei fast gleich großen Gleitpunktzahlen, die die Auslöschung von Stellen verur-sacht. Deshalb sollte man Subtraktionen möglichst vermeiden!

� Zu einem gut konditionierten Problem kann das verwendete Lösungsverfahrenschlecht konditioniert sein.

� Verfahren, die theoretisch exakte Lösungen liefern, arbeiten mit dem unendlichen,stetigen Wertebereich der reellen Zahlen. Praktisch realisiert werden sie durchNäherungsverfahren, die mit endlich vielen diskreten Werten arbeiten. Dadurch ent-stehen Verfahrensfehler.

■ Diskretisierungsfehler entstehen, wenn man z.B. eine stetige Funktion durchendlich viele Funktionswerte oder Koeffizienten eines Näherungspolynomsersetzt.

■ Abbruchfehler entstehen, wenn man ein theoretisch unendlich oft iterierendesVerfahren durch einen terminierenden Algorithmus realisiert.

Die Numerische Mathematik analysiert die Probleme der Fehlerfortpflanzung einge-hend. Uns geht es hier darum, problembewusst programmieren zu lernen.

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5.6 Zahlendarstellungen 5 - 25

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

5.6.3.5 Gleitpunktzahlenarithmetik

Die Gleitpunktzahlenarithmetik unterscheidet sich von der Arithmetik der reellen undrationalen Zahlen darin, dass klassische Rechenregeln wie die Assoziativ- und die Dis-tributivgesetze nicht gelten. Um zu verstehen, warum das so ist, betrachten wir zuerstdie Grundrechenarten.

Mathematische Notation

Es seien

x, y Gleitpunktzahlen,

● ∈ {+, −, ∗ , /} eine arithmetische Operation,

x ● y das exakte Ergebnis der Rechnung,

z = gl(x ● y) das Gleitpunktergebnis, das ist die Gleitpunktdarstel-lung des exakten Ergebnisses, sie ist mit einem Run-dungsfehler behaftet.

Component-Pascal-Notation

VAR x, y, z : REAL;z := x + y;

Korrekte Rundung

Es ist sinnvoll,

SpeziellesRundungsgesetz

gl(x ● y) = rd(x ● y)

zu fordern. Man kann aber auch auf die Forderung gl = rd verzichten und stattdessendie Gültigkeit des allgemeinen Rundungsgesetzes

AllgemeinesRundungsgesetz

|rd(x) − x| ≤ |x| ∗ δ R

|gl(x ● y) − (x ● y)| ≤ |x ● y| ∗ δ R

für x, y ∈ � mit einer durch den Rechner R festgelegten Rechnergenauigkeit δR for-

dern. Die Details der implementierten Rechnerarithmetik sind dann unwesentlich.

Wie wichtig korrekte Rundung ist, zeigen folgende Fragen:

(1) Gilt gl(1 ∗ x) = x für alle x?

(2) Gilt gl(x / x) = 1 für alle x ≠ 0?

(3) Gilt gl(0.5 ∗ x) = gl(x / 2) für alle x?

(4) Folgt aus gl(x − y) = 0 stets x = y für alle x, y?

Während bis in die 70er Jahre Rechner weit verbreitet waren, die wenigstens eine derFragen für bestimmte Werte verneinen mussten, sichert der IEEE Standard 754 auf alleFragen die Antwort „ja“ zu.

Prinzip einer Rechnung

(1) x und y als Dezimalbrüche betrachten.

(2) Exakte Rechnung durchführen. Das exakte Ergebnis x ● y ist wieder ein Dezi-malbruch.

(3) Das Ergebnis x ● y normalisieren.

(4) Das normalisierte Ergebnis runden, sodass es auf eine Gleitpunktzahl gl(x ● y)abgebildet wird.

Beispiele Bei den folgenden Beispielen gilt B = 10, m = 3, und es wird unsymmetrisch gerundet(abgeschnitten).

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5 - 26 5 Zahlen

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Addition

x = 0.972E4y = 0.861E3z = gl(x + y)

(1) Die betragsmäßig kleinere Zahl an die andere anpassen:

◆ Den Exponenten erhöhen, bis beide Exponenten gleich sind.

◆ Die Mantisse entsprechend verschieben (und ggf. Hilfsstellen einführen).

x = 0.972E4 = 0.9720E4y = 0.861E3 = 0.0861E4

(2) Die Mantissen der beiden Zahlen addieren.

x + y = 1.0581E4

(3) Normalisieren.

= 0.10581E5

(4) Runden (und Hilfsstellen entfernen).

z = gl(0.10581E5) = 0.105E5

Subtraktion

x = 0.972E4y = 0.971E4z = gl(x − y)

(1) Die betragsmäßig kleinere Zahl an die andere anpassen: entfällt bei diesem Bei-spiel.

(2) Die Mantissen der beiden Zahlen subtrahieren.

x − y = 0.001E4

(3) Normalisieren.

= 0.100E2

(4) Runden.

z = gl(0.100E2) = 0.100E2

Auslöschung Da hier x und y fast gleich sind, „verschwinden“ bei ihrer Differenz die Ziffern an bei-den signifikanten Stellen, es bleibt nur die Ziffer an der am wenigsten signifikantendritten Stelle. Durch Normalisieren wird sie zur signifikantesten Ziffer. Dieses Phäno-men heißt Auslöschung. Da wenig signifikante Ziffern meist mit Rundungsfehlernbehaftet sind, vergrößert Auslöschung die folgenden Rundungsfehler erheblich.

Multiplikation

x = 0.279E4y = 0.168E3z = gl(x ∗ y)

(1) Die Mantissen der beiden Zahlen multiplizieren (und Hilfsstellen einführen).

0.279 ∗ 0.168 = 0.046872

(2) Die Exponenten der beiden Zahlen addieren.

4 + 3 = 7

(3) Exaktes Ergebnis:

x ∗ y = 0.279 ∗ 104 ∗ 0.168 ∗ 103

= 0.279 ∗ 0.168 ∗ 10 4 ∗ 103

= 0.046872 ∗ 107 = 0.046872E7

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5.7 Übungen 5 - 27

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

(4) Normalisieren.

= 0.46872E6

(5) Runden (und Hilfsstellen entfernen).

z = gl(0.46872E6) = 0.468E6

Division

Analog.

5.7 ÜbungenAufgabe 5.5Mächtigkeitenendlicher Mengen

Zeigen Sie, dass für die endlichen Mengen L, M, N folgende Beziehungen der Mächtig-keiten gelten!

(1) |M ∪ N| = |M| + |N| − |M ∩ N|.

(2) |L ∪ M ∪ N| = |L| + |M| + |N| − |L ∩ M| − |L ∩ N| − |M ∩ N| + |L ∩ M ∩ N|.

(3) |M × N| = |M| ∗ |N|.

Mit diesen Formeln lassen sich Mächtigkeiten von Mengen bestimmen.

(4) Von 40 Studierenden, die die Vorlesungen TG2 und I2 besuchen, gehen 24 inTG2 und 32 in I2. Wieviele Studierende besuchen beide Vorlesungen?

(5) 18 Studierende gehen in TG2, 24 in I2, 30 in MD. In TG2 und I2 gehen 12, inTG2 und MD 14, in I2 und MD 16 und in alle drei Vorlesungen 10. Wieviele Stu-dierende besuchen wenigstens eine der drei Vorlesungen? Wieviele gehen nur inTG2, nur in I2, nur in MD?

(6) 20 Studierende melden sich alle zu drei Seminaren an. Wieviele Seminaranmel-descheine werden ausgefüllt?

Aufgabe 5.6 Beweisen Sie die Rechenregeln (AM), (KM) und (D) von Satz 5.8 S. 5-4 in Bauer,Skript TG1 mit vollständiger Induktion!

Aufgabe 5.7 Beweisen Sie die Rechenregeln von Satz 5.10 S. 5-4 in Bauer, Skript TG1 mit vollstän-diger Induktion!

Aufgabe 5.8Vollständige Induktion

Folgende Aussagen sind mit vollständiger Induktion nach n zu beweisen.

(1) Für jedes n ∈ lN mit n ≥ 2 gilt: 2 < 2n.

(2) Für jedes n ∈ lN mit n ≥ 3 gilt: 2n + 1 < 2n.

(3) Für jedes n ∈ lN mit n ≥ 5 gilt: n2 < 2n.

(4) Für jedes n ∈ lN mit n ≥ 4 gilt: 2n < n!.

Aufgabe 5.9Vollständige Induktionbei Summenformeln

Folgende Aussagen sind mit vollständiger Induktion nach n zu beweisen.

(1) Für die Summe der ersten n natürlichen Zahlen gilt:

.

(2) Für die Summe der ersten n ungeraden natürlichen Zahlen gilt:

.

Quadratzahl (3) Für die Summe der ersten n Quadratzahlen gilt:

.

sn kk 1=

n

�n n 1+( )

2--------------------= =

sn 2k 1–( )k 1=

n

� n2

= =

sn k2

k 1=

n

�n n 1+( ) 2n 1+( )

6-----------------------------------------= =

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5 - 28 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

Kubikzahl (4) Für die Summe der ersten n Kubikzahlen gilt:

.

Endliche geometrischeReihe

(5) Für jedes q ∈ � \ {1} und n ∈ lN0 gilt:

.

Aufgabe 5.10Vollständige Induktionin der Kombinatorik

Folgende Aussagen sind mit vollständiger Induktion nach m := |M| zu beweisen. Wirsetzen zudem n := |N|.

(1) Die Mächtigkeit der Potenzmenge einer endlichen Menge ist die Zweierpotenzder Mächtigkeit dieser Menge:

|P(M)| = 2|M|.

Da die Potenzmenge einer Menge und die Menge der charakteristischen Funktio-nen dieser Menge gleichmächtig sind, ist damit auch gezeigt:

|M| < ℵ 0 � |{0, 1}M| = 2|M|.

Wieviele Teilmengen können 40 Studierende bilden?

Wieviele Teiler hat 6n?

Eine Dialogbox stellt den Zustand eines Objekts mit Checkboxen dar. DasObjekt hat 30 mögliche Zustände. Wieviele Checkboxen hat die Dialogbox?Wieviele Zustände der Checkboxen sind durch Invarianten auszuschließen?

Variation mitWiederholung

(2) Verallgemeinerung von (1): Sind M, N endliche Mengen, so gilt für die Anzahlder Abbildungen von M nach N:

W(|N|, |M|) := |NM| = |N||M|.

Somit ist W(n, m) = nm die Anzahl verschiedener Anordnungen von n Elementenmit Wiederholung auf m Stellen. Solch eine Anordnung heißt Kombination m-ter Ordnung von n Elementen mit Wiederholung mit Berücksichtigung derAnordnung oder Variation m-ter Ordnung von n Elementen mit Wiederho-lung.

Auf wieviele Arten kann ein Dozent die |{1, 1.3, 1.7, 2,.., 4, 4.7, 5}| = 12 Notenauf 40 Studierende verteilen?

Wie oft muss ein ec-Kartendieb schlimmstenfalls probieren, um die vierstelligePIN aus Dezimalziffern herauszufinden?

Wie oft muss ein Hacker schlimmstenfalls probieren, um ein achtstelliges Pass-wort aus Tastaturzeichen herauszufinden?

Permutation (3) Eine Permutation ist eine bijektive Abbildung einer endlichen Menge auf sichselbst. Für die Anzahl der Permutationen einer Menge gilt:

P(|M|) := |{p ∈ MM | p ist bijektiv}| = |M|!.

Somit ist P(m) = m! die Anzahl verschiedener Anordnungen von m Elementenohne Wiederholung.

In wievielen Reihenfolgen können 40 Studierende in den Hörsaal eintreten?

In wievielen Reihenfolgen kann eine Studierende die zehn in einer Vorlesungs-stunde beschriebenen Blätter in den Ordner heften?

In wievielen Reihenfolgen können n gesendete Pakete einer E-Mail beim Emp-fänger ankommen?

sn k3

k 1=

n

�n n 1+( )

2--------------------� �

� �2

= =

sn qk

k 0=

n

�1 q

n 1+–1 q–

----------------------= =

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5.7 Übungen 5 - 29

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Die folgende Aussage ist mit vollständiger Induktion nach n := |N| zu beweisen. Wirsetzen wieder m := |M|.

Variation ohneWiederholung

(4) Verallgemeinerung von (3): Sind M, N endliche Mengen, so gilt für die Anzahlder injektiven Abbildungen von M nach N:

V(|N|, |M|) := |{f ∈ NM | f ist injektiv}| =

.

Somit ist V(n, m) = n! / (n − m)! die Anzahl verschiedener Anordnungen von nElementen ohne Wiederholung auf m Stellen. Mit n! / (n − m)! := 0 für m > n istV(n, m) für alle n, m definiert. Solch eine Anordnung heißt Kombination m-terOrdnung von n Elementen ohne Wiederholung mit Berücksichtigung derAnordnung oder Variation m-ter Ordnung von n Elementen ohne Wieder-holung.

Auf wieviele Arten können sich 40 Studierende auf 50 Sitzplätze verteilen?

Auf wieviele Arten können sich drei Betreuer auf 20 Studierende verteilen, wennsich bei jeder Studierenden höchstens ein Betreuer befindet?

Die folgende Aussage lässt sich aus (3) und (4) folgern.

Kombination ohneWiederholung

(5) Sind m ∈ lN0 und N eine endliche Menge, so gilt für die Anzahl der m-elementi-gen Teilmengen von N:

C(|N|, m) := |{M ⊆ N | |M| = m}| = .

Somit ist C(n, m) = die Anzahl der Auswahlen

von m Elementen aus n Elementen ohne Wiederholung. Für m > n istC(n, m) = 0. Solch eine Auswahl heißt Kombination m-ter Ordnung von nElementen ohne Wiederholung ohne Berücksichtigung der Anordnung.

Für m, n ∈ lN0 heißt ein Binomialkoeffizient.

Wieviele Teams mit genau fünf Mitgliedern können 40 Studierende bilden?

Auf wieviele Arten kann eine Studierende 15 Aufgaben aus 30 gestellten zumBearbeiten auswählen?

Die folgende Aussage ist mit vollständiger Induktion nach m zu beweisen.

Kombination mitWiederholung

(6) Für m, n ∈ lN0 heißt eine Auswahl von m Elementen aus n Elementen mit Wie-

derholung eine Kombination m-ter Ordnung von n Elementen mit Wieder-holung ohne Berücksichtigung der Anordnung. Für ihre Anzahl gilt:

D(n, m) = .

Wieviele Teilmengen von 40 Studierenden können in einer Vorlesung zehn Fra-gen stellen?

Wieviele natürliche Zahlen mit genau 12 Primfaktoren aus den ersten 24 Prim-zahlen gibt es?

Aufgabe 5.11Binomialkoeffizienten

(1) Für alle k, n ∈ lN0 gilt:

;

.

N !N M–( )!

---------------------------n!

n m–( )!-------------------- n n 1–( ) … n m 1+–( )⋅ ⋅ ⋅= =

N !! N m–( )!⋅

---------------------------------n!

m! n m–( )!⋅-------------------------------=

nm� �

� � n!m! n m–( )!⋅-------------------------------

V n m( , )m!

--------------------= =

nm� �

� � n!m! n m–( )!⋅-------------------------------=

n m 1–+m� �

� � n m 1–+( )!m! n 1–( )!⋅-----------------------------=

n0� �

� � 1=

nk� �

� � nn k–� �

� �=

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5 - 30 5 Zahlen

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Auf wieviele Arten kann man niemand aus 40 Studierenden auswählen? Aus 40Studierenden zehn oder 30 auszuwählen - gibt es dafür unterschiedlich vieleMöglichkeiten?

(2) Für alle k, n ∈ lN0 gilt:

.

Diese Rekursionsformel ist direkt formal zu beweisen.

Informal: Um aus 41 Studierenden elf auszuwählen, markieren wir den 41. Stu-dierenden. Fall 1: Wir wählen elf aus den ersten 40 Studierenden; bei diesen istder 41. nicht dabei. Fall 2: Wir wählen den 41. und die anderen zehn aus den 40;bei diesen Elfergruppen ist der 41. dabei.

Binomischer Lehrsatz (3) Für alle x, y ∈ � und n ∈ lN0 gilt:

.

Dieser binomische Lehrsatz ist mit vollständiger Induktion nach n und (2) zubeweisen.

(4) Für alle n ∈ lN0 gilt:

.

Erklären Sie einen Zusammenhang zwischen dieser Formel und Aufgabe 5.10(1) und (5)!

Aufgabe 5.12Geburtstag vonStudierenden

Satz: Alle Studierenden haben am gleichen Tag Geburtstag.

Beweis mit vollständiger Induktion nach der Anzahl n der Studierenden.

Induktionsanfang mit n = 1: Eine Studierende hat offenbar am gleichen Tag Geburts-tag wie sie selbst.

Induktionsannahme: Je n Studierende haben am gleichen Tag Geburtstag.

Induktionsschluss: Zu zeigen ist, dass je n + 1 Studierende am gleichen Tag Geburts-tag haben. Seien also s1,.., sn+1 beliebige n + 1 Studierende. Nach Induktionsannahme

haben die n Studierenden s1,.., sn am gleichen Tag Geburtstag, und die n Studierendens2,.., sn+1 haben am gleichen Tag Geburtstag. Da wir n ≥ 2 annehmen können, gehört s2

zu beiden Mengen. Also haben einerseits s1 und s2, andererseits s2 und sn+1 am glei-chen Tag Geburtstag. Wegen der Transitivität der Gleichheit haben auch s1 und sn+1,

also s1,.., sn+1 am gleichen Tag Geburtstag.

Damit ist der Satz bewiesen. Oder doch nicht? Wo liegt der Fehler? Wenn Sie keinenFehler finden, haben sogar alle Menschen am gleichen Tag Geburtstag!

Aufgabe 5.13Von neumannschenatürliche Zahlen

Analog zu Satz 4.79 S. 4-61 zeigt man leicht, dass jede halbgeordnete Menge �G, ≤�ordnungsisomorph zum System �{<x | x ∈ G}, ⊆ � ihrer primitiven Vorbereiche ist. Dievon neumannschen natürlichen Zahlen besitzen sogar die bemerkenswerte Eigenschaft:

∀ n ∈ lN0 : n = <n.

Beweisen Sie diese Aussage mit vollständiger Induktion!

Zur Erinnerung: 0 := ∅ , n+ := n ∪ {n}, m < n :⇔ m ∈ n, <n = {m ∈ lN0 | m < n}.

nk� �

� � nk 1+� �

� �+ n 1+k 1+� �

� �=

x y+( )n nk� �

� � xn k–

yk⋅ ⋅

k 0=

n

�=

2n n

k� �� �

k 0=

n

�=

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5.7 Übungen 5 - 31

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 5.14Rekursionstheorem

Beweisen Sie das folgende einfache Rekursionstheorem mit dem Rekursionstheorem 1,Satz 5.16 S. 5-6 in Bauer, Skript TG1!

Zu einer Wertemenge W, einem Element a ∈ W und einer Abbildung h : W → W gibtes genau eine Abbildung f : lN0 → W mit

f(0) = a, Rekursionsanfang

∀ n ∈ lN0 : f(n+) = h(f(n)). Rekursionsschritt

Aufgabe 5.15Anzahlen vonRelationen

Es sei M eine endliche Menge mit |M| = m.

(1) Wieviele Relationen R ⊆ M2 gibt es?

Wieviele dieser Relationen sind

(2) reflexiv?

(3) irreflexiv?

(4) symmetrisch?

(5) asymmetrisch?

(6) antisymmetrisch?

(7) transitiv?

(8) intransitiv?

(9) azyklisch?

(10) Verträglichkeitsrelationen?

(11) Äquivalenzrelationen?

(12) Präordnungen?

(13) Halbordnungen?

(14) Vollordnungen?

Aufgabe 5.16RussischeBauernmultiplikation

Die schon den alten Ägyptern bekannte russische Bauernmultiplikation, mit der rus-sische Bauern im 19. Jahrhundert zwei natürliche Zahlen multiplizierten, basiert aufder Abbildung

russ : lN03 → lN0, (k, m, n) |→ russ(k, m, n) := k + m ∗ n,

deren Eigenschaften

(a) russ(0, m, n) = m ∗ n,

(b) russ(k, m, n + 1) = russ(k + m, m, n),

(c) russ(k, m, p ∗ n) = russ(k, m ∗ p, n),

(d) russ(k, m, 0) = k

leicht zu zeigen sind. Damit lässt sich das Multiplizieren wegen (b) auf Dekrementierenund Addieren und wegen (c) auf Halbieren und Verdoppeln zurückführen.

(1) Multiplizieren Sie die Zahlen 123 und 456 möglichst effizient mit russischerBauernmultiplikation! Wie ginge es noch schneller?

Algorithmisch sieht das so aus:

Produkt(m, n) =result := russ (0, m, n);ASSERT result = m * n.

Geben Sie für

russ(k, m, n) =...ASSERT result = k + m * n.

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5 - 32 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

einen effizienten

(2) rekursiven,

(3) iterativen

Algorithmus an! Beweisen Sie die Korrektheit der Algorithmen, indem Sie an geeigne-ten Stellen Zusicherungen einfügen, die die Eigenschaften (a) bis (d) nutzen!

(4) Geben Sie Abschätzungen für die Laufzeitaufwände ihrer Algorithmen abhängigvon n an!

Aufgabe 5.17„RussischeBauernpotenzierung“

Formen Sie die Abbildung russ von Aufgabe 5.16 so um, dass sie als Basis für dasPotenzieren dienen kann und passen Sie die Eigenschaften und Algorithmen entspre-chend an!

Aufgabe 5.18Ackermannfunktion

Die Ackermannfunktion A : lN02 → lN0, die in der Berechenbarkeitstheorie eine

wichtige Rolle spielt, ist rekursiv definiert durch

.

Berechnen Sie A(3, 3)!

Aufgabe 5.19Division mit Rest inProgrammiersprachen

Finden Sie heraus, wie C, C++, Java, C#, Eiffel und andere Programmiersprachen dieDivision mit Rest spezifizieren und implementieren!

Aufgabe 5.20Division mit Rest

Die beiden Varianten der Division mit Rest - nichtnegativer und vorzeichenbehafteterRest - basieren auf folgender Aussage, die zu beweisen ist.

Für alle p, m ∈ � gibt es genau ein q ∈ � mit

q ∗ m ≤ p < (q + 1) ∗ m

und genau ein r ∈ {0,.., |m| − 1} und genau ein s ∈ {1,.., |m|} mit

p = q ∗ m + r,

p = (q + 1) ∗ m − s,

r + s = |m|.

Aufgabe 5.21Induktive Definition

Die Relation R ⊆ lN02 sei induktiv definiert durch

(a) (0, 0) ∈ R, (1, 1) ∈ R,

(b) (x, y) ∈ R � ((x + 2, y) ∈ R ∧ (x, y + 2) ∈ R).

Beweisen Sie, dass R = {(x, y) ∈ lN02 | (x + y) mod 2 = 0}!

Aufgabe 5.22 Beweisen Sie die Rechenregeln zur Teiltrelation von Satz 5.28 S. 5!

Aufgabe 5.23Teiltrelation

Zeichnen Sie das Ordnungsdiagramm zur Teiltrelation auf den ersten natürlichen Zah-len {0, 1, 2,.., n}!

Aufgabe 5.24Teilbarkeit undvollständige Induktion

Beweisen Sie folgende Aussagen über Teilbarkeit mit vollständiger Induktion nach n!

(1) Für jedes p ∈ � und jedes n ∈ lN mit n ≥ 2 gilt: p − 1 | pn − 1.

(2) Für jedes n ∈ lN gilt: 6 | n ∗ (n − 1) ∗ (n − 2).

(3) Für jedes n ∈ lN gilt: 8 | 4n ∗ (n − 1).

Aufgabe 5.25 Beweisen Sie die Rechenregeln zum größten gemeinsamen Teiler von Satz 5.33 S. 7!

Aufgabe 5.26ggT und kgV

Beweisen Sie die folgende Beziehung zwischen dem größten gemeinsamen Teiler unddem kleinsten gemeinsamen Vielfachen!

Für alle p, q ∈ � gilt: ggT(p, q) ∗ kgV(p, q) = |p ∗ q|.

A x y( , )

y 1+ falls x 0=

A x 1– 1( , ) falls x 0≠ y 0=∧A x 1– A x y 1–( , )( , ) sonst

���

=

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5.7 Übungen 5 - 33

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Aufgabe 5.27 Beweisen Sie, dass die Kongruenz modulo n eine Äquivalenzrelation ist (→ Satz 5.34S. 8)!

Aufgabe 5.28Restklassen

Stellen Sie die

(1) Additionstabellen,

(2) Multiplikationstabellen

für die ersten n ∈ lN Restklassen modulo n auf!

Aufgabe 5.29Zählmengen

Beweisen Sie, dass das System aller Zählmengen (→ S. 12) durchschnittsstabil ist!

Aufgabe 5.30Reelle und rationaleZahlen

Beweisen Sie die folgende Aussage mit der archimedischen Eigenschaft der natürli-chen Zahlen, Korollar 5.24 S. 1!

Zu jedem x ∈ � mit x > 0 gibt es ein n ∈ lN mit 1 / n < x.

Aufgabe 5.31VerallgemeinerteDreiecksungleichung

Beweisen Sie mit vollständiger Induktion nach n, dass für n ∈ lN0 und x1, .., xn ∈ � diefolgende verallgemeinerte Dreiecksungleichung gilt!

.

Aufgabe 5.32Zahlendarstellungen

Papieraufgaben zu Zahlendarstellungen mit Lösungen finden Sie in [33], Menü Infor-matik 1 → Übungsblätter → Papierübungsblatt 2!

Aufgabe 5.33Gleitpunktzahlen

Programmieraufgaben zu Gleitpunktzahlen mit Lösungen finden Sie in [33], MenüInformatik 1 → Übungsblätter → WS 98/99 Übungsblatt 8, WS 97/98 Übungsblatt 8,SS 96 Übungsblatt 5, Aufgaben 3 und 4!

Eine Prüfungsaufgabe zu Gleitpunktzahlen mit Lösung finden Sie in [33], Menü Infor-matik 1 → Lehrmaterial → Informatik 1 - Prüfung im WS 1997/98 mit Musterlösung.

xkk 1=

n

� xkk 1=

n

�≤

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5 - 34 5 Zahlen

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Kapitel 6 - Seite 1 von 24

6 Algebraische Strukturen

Aufgabe 6Beispiel 6Bild 6 (6) Leitlinie 6MathAussagen 6Programm 6 Tabelle 6Dieses Kapitel stellt grundlegende algebraische Strukturen wie Halbgruppen, Gruppen,Ringe, Körper, Verbände, boolesche Algebren und Vektorräume vor, und führt Grund-begriffe der Codierung ein.

6.1 Strukturen mit einer zweistelligen OperationIm Folgenden sei G eine Grundmenge.

6.1.1 Vom Gruppoid zum MonoidDefinition 6.1Gruppoid

Statt �G, �� schreiben wir auch kurz G, wenn die Operation � bekannt ist und wir keineVerwechslungen erwarten.

Endliche Gruppoide lassen sich mit Verknüpfungs- oder Cayley-Tabellen1 darstellen(→ Tabelle 1.6 S. 1-23).

Beispiel Sei G = {a, b, c}.

Tabelle 6.1Verknüpfungstabelleeines Gruppoids

Definition 6.2AssoziativitätKommutativitätHalbgruppe

Ein endliches Gruppoid ist genau dann kommutativ, wenn seine Verknüpfungstabellesymmetrisch bzgl. der Hauptdiagonalen von links oben nach rechts unten ist, d.h. wennman Zeilen und Spalten vertauschen kann, ohne dass sich die Tabelle ändert.

Leider ist aus einer Verknüpfungstabelle nicht direkt ersichtlich, ob die Operation asso-ziativ ist; dazu muss man alle Kombinationen durchprobieren.

Eine algebraische Struktur �G, �� (→ Definition 1.34 S. 1-32) mit einer zweistelligenOperation

� : G2 → G, (x, y) |→ �(x, y) = x � y

(für die wir die Infixnotation bevorzugen) heißt ein Gruppoid (groupoid).

Die Mächtigkeit |G| heißt auch die Ordnung von �G, ��.

1 Arthur Cayley (1821 - 1895), englischer Mathematiker und Jurist, arbeitete über Algebra undGeometrie.

� a b c

a a � a a � b a � c

b b � a b � b b � c

c c � a c � b c � c

Ist �G, �� ein Gruppoid, so heißt die Operation � und die Struktur �G, ��

assoziativ (associative) :⇔ ∀ x, y, z ∈ G : (x � y) � z = x � (y � z);

kommutativ (commutative) :⇔ ∀ x, y ∈ G : x � y = y � x.

Eine Halbgruppe (semigroup) ist ein assoziatives Gruppoid.

Ein kommutatives Gruppoid heißt auch abelsch (abelian).a

a Niels Henrik Abel (1802 - 1829), genialer norwegischer Mathematiker, starb an Tuberkulose,bevor ihn der Ruf auf eine Professur erreichte.

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6 - 2 6 Algebraische Strukturen

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Definition 6.3Verknüpfung mehrererElemente

Nach Definition 6.3 wird, falls nicht geklammert ist, von links nach rechts verknüpft.Bei nicht assoziativen Gruppoiden kann das Verknüpfen von rechts nach links zu ande-ren Resultaten führen. Dagegen spielt bei assoziativen Gruppoiden die Reihenfolge derVerknüpfung keine Rolle.

Satz 6.4Klammerverzicht beiAssoziativität

Beweis mit vollständiger Induktion nach n. �

Satz 6.5Umordnung beiKommutativität

Beweis mit vollständiger Induktion nach n. �

Definition 6.6Neutrales ElementEinsMonoid

In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften Linkseins, Rechtseins undEins zusammen.

Ein Gruppoid kann mehrere Linkseinsen oder mehrere Rechtseinsen haben. Hat einGruppoid �G, �� aber eine Linkseins el ∈ G und eine Rechtseins er ∈ G, so sind diesegleich, da

el = el � er = er.

Ein Gruppoid hat also höchstens eine Eins.

Ein endliches Gruppoid hat eine

� Linkseins e genau dann, wenn die Zeile von e in der Verknüpfungstabelle mit derKopfzeile,

� Rechtseins e genau dann, wenn die Spalte von e in der Verknüpfungstabelle mit derFrontspalte

übereinstimmt.

Für ein Gruppoid �G, ��, n ∈ lN und Elemente x1,.., xn ∈ G sei rekursiv definiert:

x1 � ... � xn := x1 für n = 1,

x1 � ... � xn := (x1 � ... � xn−1) � xn für n > 1.

Sind �G, �� eine Halbgruppe und y ∈ G das Ergebnis einer Verknüpfung der n ∈ lN

Elemente x1,.., xn ∈ G in gegebener Anordnung, in der beliebig Klammern gesetzt

sind, so ist stets y = x1 � ... � xn.

Sind �G, �� eine kommutative Halbgruppe und y ∈ G das Ergebnis einer Verknüpfungder n ∈ lN Elemente x1,.., xn ∈ G in beliebiger Anordnung, so ist stets

y = x1 � ... � xn.

Ist �G, �� ein Gruppoid, so heißt ein Element e ∈ G eine

Linkseins (linksneutral) :⇔ ∀ x ∈ G : e � x = x;

Rechtseins (rechtsneutral) :⇔ ∀ x ∈ G : x � e = x;

Eins (neutral) :⇔ x ist eine Links- und eine Rechtseins.

Hat �G, �� die Eins e, so schreiben wir �G, e, ��. Liest man die Operation � als Addi-tion, so entspricht e einer Null. Bei Gruppoiden liest man � aber meist als Multiplika-tion, sodass e als eine Eins erscheint.

Ein Monoid ist eine Halbgruppe mit einer Eins.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 3

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Definition 6.7Null

In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften Linksnull, Rechtsnull undNull zusammen.

Ein Gruppoid kann mehrere Linksnullen oder mehrere Rechtsnullen haben. Hat einGruppoid �G, �� aber eine Linksnull nl ∈ G und eine Rechtsnull nr ∈ G, so sind diese

gleich, da

nl = nl � nr = nr.

Ein Gruppoid hat also höchstens eine Null.

Ein endliches Gruppoid hat eine

� Linksnull n genau dann, wenn die Zeile,

� Rechtsnull n genau dann, wenn die Spalte

von n in der Verknüpfungstabelle nur n enthält.

Einsen und Nullen haben die Eigenschaft x � x = x, die folgende Definition veranlasst.

Definition 6.8Idempotentes Element

6.1.2 Kürzbarkeit und LösbarkeitDefinition 6.9GleichungLösung

In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften Linkslösung, Rechtslösungund Lösung zusammen.

Definition 6.10TeilerTeilbarkeit

Ist �G, �� ein Gruppoid, so heißt ein Element n ∈ G eine

Linksnull (linksabsorbierend) :⇔ ∀ x ∈ G : n � x = n;

Rechtsnull (rechtsabsorbierend) :⇔ ∀ x ∈ G : x � n = n;

Null (absorbierend) :⇔ x ist eine Links- und eine Rechtsnull.

Hat �G, �� die Null n, so schreiben wir �G, n, ��. Die Bezeichnung Null ist gerechtfer-tigt, wenn die Operation � als Multiplikation gelesen wird.

Ist �G, �� ein Gruppoid, so heißt ein Element x ∈ G idempotent, wenn x � x = x.

Gegeben ist ein Gruppoid �G, �� mit den Elementen a, b ∈ G. Gesucht ist ein x ∈ G,das die Gleichung

x � a = b

löst, d.h. eine Linkslösung dieser Gleichung; oder ein x ∈ G, das die Gleichung

a � x = b

löst, d.h. eine Rechtslösung dieser Gleichung. Eine Lösung ist eine Links- oder eineRechtslösung einer Gleichung.

Ist �G, �� ein Gruppoid mit den Elementen a, b ∈ G, so heißt a ein

Linksteiler von b :⇔ die Gleichung a � x = b hat eine Rechtslösung, d.h.∃ x ∈ G : a � x = b;

Rechtsteiler von b :⇔ die Gleichung x � a = b hat eine Linkslösung, d.h.∃ x ∈ G : x � a = b;

Teiler von b :⇔ a ist ein Links- und ein Rechtsteiler von b, d.h.∃ xl, xr ∈ G : a � xr = xl� a = b.

Ist a ein (Links-, Rechts-)Teiler von b, so sagt man auch: a teilt b (von links, rechts);b ist ein Vielfaches von a; b ist durch a (von links, rechts) teilbar. b heißt (vonlinks, rechts) teilbar, wenn es einen (Links-, Rechts-)Teiler von b gibt.

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6 - 4 6 Algebraische Strukturen

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In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften Linksteiler, Rechtsteilerund Teiler zusammen.

Definition 6.11Kürzbarkeit

In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften linkskürzbar, rechtskürzbarund kürzbar zusammen.

Korollar 6.12Kürzbarkeit

Lemma 6.13Kürzbarkeit

Beweis. (1) (a) Seien x, y ∈ G und n ∈ G eine Linksnull. Dann ist n � x = n = n � y. DaG linkskürzbar ist, folgt x = y.

(b) Nach Korollar 6.12 ist die Abbildung injektiv. Bei Abbildungen endlicher Mengenin sich fallen die Eigenschaften surjektiv, injektiv und bijektiv zusammen.

(c) Seien a, b, x, y ∈ G mit a � x = b und a � y = b. Da G linkskürzbar ist, folgt darausx = y.

(d) Seien e ∈ G eine Rechtseins und x ∈ G ein idempotentes Element. Dann giltx � e = x und x � x = x. Da G linkskürzbar ist, folgt x = e.

(2) zeigt man analog. �

Ein Gruppoid �G, �� heißt

linkskürzbar :⇔ ∀ a, x, y ∈ G : (a � x = a � y � x = y);

rechtskürzbar :⇔ ∀ a, x, y ∈ G : (x � a = y � a � x = y);

kürzbar (regulär) :⇔ G ist links- und rechtskürzbar.

Für ein Gruppoid �G, �� gilt:

(1) G ist linkskürzbar ⇔ für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ a � xinjektiv.

(2) G ist rechtskürzbar ⇔ für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ x � ainjektiv.

(1) Für ein linkskürzbares Gruppoid �G, �� gilt:

(a) Hat G mehr als ein Element, so hat G keine Linksnull.

(b) Ist G endlich, so ist für jedes a ∈ G die Abbildung G → G, x |→ a � xbijektiv.

(c) Für alle a, b ∈ G hat die Gleichung a � x = b höchstens eine Rechtslö-sung x.

(d) Hat G eine Rechtseins, so ist diese das einzige idempotente Element.

(2) Für ein rechtskürzbares Gruppoid �G, �� gilt:

(a) Hat G mehr als ein Element, so hat G keine Rechtsnull.

(b) Ist G endlich, so ist für jedes a ∈ G die Abbildung G → G, x |→ x � abijektiv.

(c) Für alle a, b ∈ G hat die Gleichung x � a = b höchstens eine Linkslö-sung x.

(d) Hat G eine Linkseins, so ist diese das einzige idempotente Element.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 5

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Definition 6.14LösbarkeitQuasigruppe

In einem kommutativen Gruppoid fallen die Eigenschaften (eindeutig) linkslösbar,(eindeutig) rechtslösbar und (eindeutig) lösbar zusammen.

Korollar 6.15Lösbarkeit

Direkt aus Lemma 6.13 folgt:

Korollar 6.16Endlichkeit,Kürzbarkeit undLösbarkei

Satz 6.17Endlichkeit undLösbarkeit

Beweis. (1) Da G endlich ist, ist für jedes a ∈ G die nach Korollar 6.15 (1) surjektiveAbbildung G → G, x |→ x � a sogar bijektiv. Also ist G nach Korollar 6.15 (4) eindeu-tig linkslösbar.

(2) zeigt man analog. (3) folgt aus (1) und (2). �

Ein endliches Gruppoid ist

� linkslösbar genau dann, wenn jede Spalte,

� rechtslösbar genau dann, wenn jede Zeile,

� lösbar genau dann, wenn jede Spalte und jede Zeile

der Verknüpfungstabelle jedes Element genau einmal enthält.

Ein Gruppoid �G, �� heißt

linkslösbar :⇔ ∀ a, b ∈ G ∃ x ∈ G : x � a = b;

rechtslösbar :⇔ ∀ a, b ∈ G ∃ x ∈ G : a � x = b;

lösbar :⇔ G ist links- und rechtslösbar;

eindeutig linkslösbar :⇔ ∀ a, b ∈ G ∃ 1x ∈ G : x � a = b;

eindeutig rechtslösbar :⇔ ∀ a, b ∈ G ∃ 1x ∈ G : a � x = b;

eindeutig lösbar :⇔ G ist eindeutig links- und eindeutig rechtslösbar.

Eine Quasigruppe ist ein eindeutig lösbares Gruppoid.

Für ein Gruppoid �G, �� gilt:

(1) G ist linkslösbar ⇔für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ x � a surjektiv

⇔ jedes x ∈ G ist Rechtsteiler von jedem y ∈ G.

(2) G ist rechtslösbar ⇔für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ a � x surjektiv

⇔ jedes x ∈ G ist Linksteiler von jedem y ∈ G.

(3) G ist lösbar ⇔ jedes x ∈ G ist Teiler von jedem y ∈ G.

(4) G ist eindeutig linkslösbar ⇔für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ x � a bijektiv.

(5) G ist eindeutig rechtslösbar ⇔für jedes a ∈ G ist die Abbildung G → G, x |→ a � x bijektiv.

Für ein endliches Gruppoid �G, �� gilt:

(1) G ist linkskürzbar � G ist eindeutig rechtslösbar.

(2) G ist rechtskürzbar � G ist eindeutig linkslösbar.

(3) G ist kürzbar � G ist eindeutig lösbar.

Für ein endliches Gruppoid �G, �� gilt:

(1) G ist linkslösbar � G ist eindeutig linkslösbar.

(2) G ist rechtslösbar � G ist eindeutig rechtslösbar.

(3) G ist lösbar � G ist eindeutig lösbar.

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6 - 6 6 Algebraische Strukturen

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Verknüpfungstabellen endlicher Quasigruppen heißen auch lateinische Quadrate.

Satz 6.18Kürzbarkeit undLösbarkeit

Beweis. (1) folgt aus den Korollaren 6.12 (1), 6.15 (2) und (5).

(2) folgt aus den Korollaren 6.12 (2), 6.15 (1) und (4).

(3) folgt aus (1) und (2). �

Satz 6.19Lösbarkeit und Eins

Beweis. (1) Zu y ∈ G gibt es genau ein e ∈ G mit e � y = y. Da G assoziativ ist, folgt(e � e) � y = e � (e � y) = e � y. Da G nach Satz 6.18 (2) rechtskürzbar ist, folgte � e = e. Da G assoziativ ist, gilt für x ∈ G: (x � e) � e = x � (e � e) = x � e. Da Grechtskürzbar ist, folgt x � e = x. Also ist e eine Rechtseins.

(2) zeigt man analog. (3) folgt aus (1) und (2). �

6.1.3 Mit Invertierbarkeit zur GruppeDefinition 6.20Inverses ElementInvertierbarkeitGruppe

In einem kommutativen Gruppoid mit Eins fallen die Eigenschaften linksinvers, rechts-invers und invers zusammen.

Ein Element eines Gruppoids kann mehrere linksinverse oder mehrere rechtsinverseElemente bzgl. einer Links- oder Rechtseins haben.

Ein Element eines Gruppoids kann links- oder rechtsinverse Elemente bzgl. mehrererLinks- oder Rechtseinsen haben.

Ein Gruppoid kann bzgl. mehrerer Links- oder Rechtseinsen (links-, rechts-)invertier-bar sein.

Für ein Gruppoid �G, �� gilt:

(1) G ist linkskürzbar und rechtslösbar ⇔ G ist eindeutig rechtslösbar.

(2) G ist rechtskürzbar und linkslösbar ⇔ G ist eindeutig linkslösbar.

(3) G ist kürzbar und lösbar ⇔ G ist eindeutig lösbar.

Für eine nicht leere Halbgruppe �G, �� gilt:

(1) G ist eindeutig linkslösbar � G hat eine Rechtseins.

(2) G ist eindeutig rechtslösbar � G hat eine Linkseins.

(3) G ist eindeutig lösbar � G hat eine Eins.

Sind �G, �� ein Gruppoid mit einer Links- oder Rechtseins e ∈ G und x ∈ G ein Ele-

ment, so heißt ein Element x−1 ∈ G

linksinvers zu x bzgl. e :⇔ x−1� x = e;

rechtsinvers zu x bzgl. e :⇔ x � x−1 = e;

invers zu x bzgl. e :⇔ x−1 ist links- und rechtsinvers zu x bzgl. e.

x heißt (links-, rechts-)invertierbar bzgl. e, wenn es zu x ein (links-, rechts-)inversesElement bzgl. e gibt.

�G, �� heißt (links-, rechts-)invertierbar bzgl. e, wenn alle x ∈ G (links-, rechts-)invertierbar bzgl. e sind.

Ist �G, �� invertierbar bzgl. e, so ist

.−1 : G → G, x |→ x−1

eine einstellige Operation und wir schreiben auch �G, e, −1, ��.

Eine Gruppe ist ein invertierbares Monoid.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 7

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Satz 6.21Inverse Elemente

Beweis. (1) folgt direkt aus der Definition.

(2) Linksinversion: Da G assoziativ ist, gilt

(y−1� x−1) � (x � y) = y−1

� (x−1� x) � y = y−1

� e � y = y−1� y = e.

Dabei wird e mit y−1 verknüpft, wenn es eine Rechtseins, mit y, wenn es eine Linkseinsist. Analog zeigt man die Rechtsinversion:

(x � y) � (y−1� x−1) = x � (y � y−1) � x−1 = x � e � x−1 = x � x−1 = e.

(3) Da G assoziativ ist, gilt

x−1l = x−1

l � e = x−1l � (x � x−1

r) = (x−1l � x) � x−1

r = e � x−1r = x−1

r.

(4) folgt aus (3). �

Beispiele Triviales

(1) �∅ , ∅ � ist eine kommutative, kürzbare Quasigruppe, aber kein Monoid, da siekeine Eins hat.

(2) �{a}, a � a = a� ist eine kommutative Gruppe mit der Eins a und der Null a. Sieist die einzige Gruppe mit nur einem Element.

(3) �G, �� mit |G| > 1 und � := π1, d.h. die Operation ist die Projektion auf die erste

Komponente:

x � y := π1(x, y) = x für x, y ∈ G,

ist eine rechtskürzbare, eindeutig linkslösbare Halbgruppe; sie heißt Linksnull-halbgruppe. Jedes x ∈ G ist eine Linksnull. Jedes y ∈ G ist eine Rechtseins. Ghat keine Rechtsnull und keine Linkseins. Ist e ∈ G eine Rechtseins, so gilt fürjedes y ∈ G: y ist rechtsinvers zu e bzgl. e und e ist linksinvers zu y bzgl. e. Alsoist G linksinvertierbar bzgl. jedem e ∈ G. G ist aber bzgl. keinem e ∈ G rechtsin-vertierbar, da bzgl. e nur e rechtsinvertierbar ist.

Tabelle 6.2VerknüpfungstabellederLinksnullhalbgruppemit drei Elementen

Für ein Gruppoid �G, �� mit einer Links- oder Rechtseins e ∈ G gilt:

(1) Hat x ∈ G ein (links-, rechts-)inverses Element x−1 ∈ G bzgl. e, so hat x−1 ein(rechts-, links-)inverses Element bzgl. e, nämlich

(x−1)−1 = x.

Für eine Halbgruppe �G, �� mit einer Links- oder Rechtseins e ∈ G gilt:

(2) Haben x, y ∈ G die (links-, rechts-)inversen Elemente x−1, y−1 ∈ G bzgl. e, sohat auch x � y ein (links-, rechts-)inverses Element bzgl. e, nämlich

(x � y )−1 = y−1� x−1.

Für ein Monoid �G, e, �� gilt:

(3) Hat x ∈ G ein linksinverses Element x−1l ∈ G und ein rechtsinverses Element

x−1r ∈ G, so sind diese gleich:

x−1l = x−1

r.

(4) Jedes x ∈ G hat höchstens ein inverses Element x−1 ∈ G.

� a b c

a a a a

b b b b

c c c c

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6 - 8 6 Algebraische Strukturen

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Potenzmengen

(4) Für eine beliebige Menge M sind �P(M), M, ∩� und �P(M), ∅ , ∪ � kommutativeMonoide mit den neutralen Elementen („Einsen“) M bzw. ∅ .

(5) Für eine beliebige Menge M ist �P(M), ∅ , idP(M), ∆� eine kommutative Gruppemit dem neutralen Element („Eins“) ∅ , wobei jede Teilmenge N ⊆ M zu sichselbst invers ist.

Aussagenlogik

(6) �lB, 1, ∧ � und �lB, 0, ∨ � sind kommutative Monoide mit den neutralen Elementen(„Einsen“) 1 bzw. 0.

(7) �lB, 0, idlB, <≠>� ist eine kommutative Gruppe mit dem neutralen Element

(„Eins“) 0, wobei jedes x ∈ lB zu sich selbst invers ist.

Relationen und Abbildungen

(8) �P(M2), idM, °� ist nach Satz 4.16 S. 4-13 ein Monoid mit der Identität als Eins.

(9) �MM, idM, °� ist nach Satz 4.20 S. 4-17 ein Monoid. Für jedes c ∈ M ist die kon-

stante Abbildung

M → M, x |→ c

eine Linksnull. Hat M mehr als ein Element, so gibt es keine Rechtsnull.

(10) �{f ∈ MM | f bijektiv}, idM, −1, °� ist nach Satz 4.21 S. 4-17 eine Gruppe.

Zahlenmengen

(11) �lN0, 0, +� ist ein kommutatives, kürzbares Monoid mit dem neutralen Element(„Eins“) 0.

(12) �lN0, 0, 1, ∗ �, ��, 0, 1, ∗ �, ��, 0, 1, ∗ �, ��, 0, 1, ∗ �, ��, 0, 1, ∗ � sind kommutativeMonoide mit der Null 0 und der Eins 1.

(13) �lN, 1, ∗ � und �� \ {0}, 1, ∗ � sind kommutative, kürzbare Monoide mit der Eins1.

(14) ��, 0, −, +�, ��, 0, −, +�, ��, 0, −, +�, ��, 0, −, +� sind kommutative Gruppen mitdem neutralen Element („Eins“) 0. Das inverse Element zu x ist −x.

(15) �� \ {0}, 1, −1, ∗ �, �� \ {0}, 1, −1, ∗ �, �� \ {0}, 1, −1, ∗ � sind kommutative Grup-pen mit der Eins 1. Das inverse Element zu x ist 1/x.

Quotientenmengen

Für n ∈ lN0 sei �n das in Satz 5.34 S. 5-8 definierte System der Restklassen modulo n.

(16) ��n, [0]≡n, [1]≡n, ∗ n� ist ein kommutatives Monoid mit der Null [0]≡n und derEins [1]≡n.

(17) ��n \ [0]≡n, [1]≡n, ∗ n� ist ein kommutatives, kürzbares Monoid mit der Eins

[1]≡n.

(18) ��n, [0]≡n, −n, +n� ist eine kommutative Gruppe mit dem neutralen Element(„Eins“) [0]≡n. Das inverse Element zu [x]≡n ist [−x]≡n.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 9

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Satz 6.22Charakterisierung vonGruppen

Beweis. (1) � ((2) ∧ (3)): klar.

(2) � (1): Seien e ∈ G eine Linkseins und x ∈ G beliebig. Dann gibt es zu x ein links-

inverses x−1 mit x−1� x = e und zu x−1 ein linksinverses (x−1)−1 mit (x−1)−1

� x−1 = e.Da G assoziativ ist, gilt

e = (x−1)−1� (e � x−1) = (x−1)−1

� ((x−1� x) � x−1) = ((x−1)−1

� x−1) � (x � x−1) =e � (x � x−1) = x � x−1.

Damit gilt:

x � e = x � (x−1� x) = (x � x−1) � x = e � x = x.

Also ist e auch eine Rechtseins und x−1 rechtsinvers zu x.

(3)� (1): zeigt man analog.

(1)� (5): Seien e ∈ G die Eins und x, y ∈ G beliebig.

Linkskürzbarbeit: Sei a ∈ G mit a � x = a � y. Da G invertierbar und assoziativ ist, gilt:

x = e � x = (a−1� a) � x = a−1

� (a � x) = a−1� (a � y) = (a−1

� a) � y = e � y = y.

Linkslösbarkeit: x := b � a−1 ist eine Lösung von x � a = b, da

x � a = (b � a−1) � a = b � (a−1� a) = b � e = b.

Die Rechtskürzbarkeit und die Rechtslösbarkeit zeigt man analog.

(4) ⇔ (5): Satz 6.18 (3).

(5)� (6): klar.

(4)� ((7) ∧ (8)): Satz 6.19 (3).

(6)� ((7) ∧ (8)): Da G ≠ ∅ , gibt es ein x ∈ G. Da G lösbar ist, gibt es dazu ein e ∈ Gmit e � x = x und dazu ein y ∈ G mit x � y = e. Da G assoziativ ist, gilt:

e � e = e � (x � y) = (e � x) � y = x � y = e.

(Also ist e idempotent.) Sei u ∈ G beliebig. Da G lösbar ist, gibt es dazu v, w ∈ G mite � v = u und w � e = u. Da G assoziativ ist, gilt:

e � u = e � (e � v) = (e � e) � v = e � v = u und

u � e = (w � e) � e = w � (e � e) = w � e = u.

Also ist e eine Links- und Rechtseins, also eine Eins.

(7)� (2): Seien e ∈ G die Eins und x ∈ G beliebig. Da G linkslösbar ist, gibt es eineLinkslösung y ∈ G mit y � x = e. Dieses y ist linksinvers zu x.

(8)� (3): zeigt man analog. �

Für ein Gruppoid �G, �� sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) G ist eine Gruppe, d.h. ist assoziativ, hat eine Eins und ist invertierbar.

(2) G ist assoziativ, hat eine Linkseins e und ist linksinvertierbar bzgl. e.

(3) G ist assoziativ, hat eine Rechtseins e und ist rechtsinvertierbar bzgl. e.

(4) G ist nicht leer, assoziativ und eindeutig lösbar.

(5) G ist nicht leer, assoziativ, kürzbar und lösbar.

(6) G ist nicht leer, assoziativ und lösbar.

(7) G ist assoziativ, hat eine Eins und ist linkslösbar.

(8) G ist assoziativ, hat eine Eins und ist rechtslösbar.

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6 - 10 6 Algebraische Strukturen

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Die Aussage (2) oder (3) eignet sich gut, um zu beweisen, dass ein Gruppoid eineGruppe ist, weil dazu relativ wenig zu zeigen ist.

Satz 6.23Charakterisierungendlicher Gruppen

Beweis. (1) � (2): Satz 6.22.

(2) � (1): Nach Korollar 6.16 (3) ist G eindeutig lösbar, also nach Satz 6.22 eineGruppe.

(1) � (3): Nach Satz 6.22 ist G kürzbar und hat nach Lemma 6.13 (d) nur die Eins alsidempotentes Element.

(3) � (1): Der Beweis beruht auf Eigenschaften zyklischer Unterhalbgruppen, die hiernicht bereitstehen. Siehe beispielsweise [29]. �

6.1.4 Unterstrukturen und umfassende Strukturen

Ähnlich wie bei Relationen schränken wir einerseits algebraische Strukturen auf Teil-mengen der Grundmenge ein, andererseits erweitern wir die Grundmenge und setzendie Struktur darauf fort.

Definition 6.24AbgeschlossenheitUnterstruktur

Nicht jede Teilmenge eines Gruppoids ist ein Untergruppoid, weil die Operation ausder Teilmenge „herausführen“ kann. Ein Untergruppoid „erbt“ aber generell die Eigen-schaften Assoziativität, Kommutativität und Kürzbarkeit von seiner Grundstruktur.Dagegen vererben sich Einsen und die Eigenschaften Lösbarkeit und Invertierbarkeitnicht generell. Deshalb sind Untermonoide spezielle Unterhalbgruppen von Monoidenund Untergruppen spezielle Unterhalbgruppen von Gruppen. Eine Unterhalbgruppe miteiner Eins ist nicht notwendig ein Untermonoid.

Für ein endliche Halbgruppe �G, �� sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) G ist eine Gruppe.

(2) G ist nicht leer und kürzbar.

(3) G hat eine Eins und sonst keine idempotenten Elemente.

Sei �G, �� ein Gruppoid.

Eine Teilmenge U ⊆ G heißt abgeschlossen bzgl. �, wenn gilt:

∀ x, y ∈ U : x � y ∈ U.

Für eine abgeschlossene Teilmenge U ⊆ G ist �U, �|U2� ein Gruppoid; es heißt einUntergruppoid von G. Wir schreiben dafür auch kurz �U, ��. Das System allerUntergruppoide von G ist

U(G) := {U ⊆ G | �U, �� ist Untergruppoid von G}.

Ist G eine Halbgruppe, so ist ein Untergruppoid �U, �� eine Halbgruppe; sie heißteine Unterhalbgruppe von G. Das System aller Unterhalbgruppen von G ist

H(G) := {U ⊆ G | �U, �� ist Unterhalbgruppe von G}.

Ist G ein Monoid, so ist ein Untergruppoid �U, �� eine Unterhalbgruppe von G.Haben G und U dieselbe Eins, so heißt �U, �� ein Untermonoid von G. Das Systemaller Untermonoide von G ist

M(G) := {U ⊆ G | �U, �� ist Untermonoid von G}.

Ist G eine Gruppe, so ist ein Untergruppoid �U, �� eine Unterhalbgruppe von G. Ist�U, �� eine Gruppe, so heißt sie eine Untergruppe von G. Das System aller Unter-gruppen von G ist

G(G) := {U ⊆ G | �U, �� ist Untergruppe von G}.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 11

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Sind �G, e, �� eine Gruppe und U eine Untergruppe mit der Eins eU, so gilt

e = eU � eU−1 = (eU � eU) � eU

−1 = eU � (eU � eU−1) = eU � e = eU.

Somit hat U dieselbe Eins wie G. Wegen der Eindeutigkeit des Inversen hat x ∈ U auch

dasselbe Inverse x−1 in U wie in G.

Auf den Systemen der Unterstrukturen ist die Teilmengenrelation eine Halbordnung.Ist G ein Gruppoid oder eine Halbgruppe, so sind ∅ und G triviale Untergruppoidebzw. Unterhalbgruppen von G, und zwar ist ∅ die kleinste und G die größte der jeweili-gen Unterstrukturen. ∅ kann kein Untermonoid sein, weil es keine Eins enthält. Ist Gein Monoid oder eine Gruppe mit der Eins e, so sind {e} und G triviale Untermonoidebzw. Untergruppen von G, und zwar ist {e} die kleinste und G die größte der jeweiligenUnterstrukturen.

Beispiele (1) Für Mengen M, N mit N ⊆ M ist �P(N), N, ∩� kein Untermonoid von�P(M), M, ∩�, weil es eine andere Eins hat. �P(N), ∅ , ∪ � ist ein Untermonoid von�P(M), ∅ , ∪ �.

(2) �lN0, 0, +� ist ein Untermonoid von ��, 0, −, +�, aber keine Untergruppe, weil es

keine Gruppe ist.

(3) �� \ {0}, 1, ∗ � ist ein Untermonoid von �� \ {0}, 1, −1, ∗ �, aber keine Unter-gruppe, weil es keine Gruppe ist.

(4) �� \ {0}, 1, −1, ∗ � ist eine Untergruppe von �� \ {0}, 1, −1, ∗ �.

(5) �� \ {0}, 1, −1, ∗ � ist eine Untergruppe von �� \ {0}, 1, −1, ∗ �.Erweiterung Jedes Gruppoid �G, �� lässt sich zu einem Gruppoid �G1, 1, �� mit Eins 1 erweitern.

Man wählt 1 ∉ G, definiert

G1 := G ∪ {1},

und setzt die Operation � durch

1 � x := x � 1 := x

für x ∈ G1 auf G12 fort. Ist �G, �� eine Halbgruppe, so ist �G1, 1, �� ein Monoid, da

(x � y) � z = x � (y � z), wenn x, y oder z gleich 1 ist. Hat �G, �� schon eine (Links-,Rechts-)Eins e ∈ G, so verliert e in �G1, 1, �� diese Eigenschaft, da 1 � e = e � 1 = e.

6.1.5 Mengenoperationen und Hüllen

Ähnlich wie bei Relationen betrachten wir Durchschnitte, Vereinigungen und Hüllenvon Strukturen.

Satz 6.25Durchschnitts-strukturen

Satz 6.25 besagt, dass U(G), H(G), M(G) und G(G) durchschnittsstabile Systeme sind.Deshalb gibt es nach Korollar 4.96 S. 4-72 jeweils zu jeder Teilmenge M ⊆ G eine

(1) Ist �G, �� ein Gruppoid und V ⊆ U(G) ein System von Untergruppoiden, so ist

∩V ein Untergruppoid von G.

(2) Ist �G, �� eine Halbgruppe und V ⊆ H(G) ein System von Unterhalbgruppen,

so ist ∩V eine Unterhalbgruppe von G.

(3) Ist �G, �� ein Monoid und V ⊆ M(G) ein System von Untermonoiden, so ist

∩V ein Untermonoid von G.

(4) Ist �G, �� eine Gruppe und V ⊆ G(G) ein System von Untergruppen, so ist ∩V

eine Untergruppe von G.

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6 - 12 6 Algebraische Strukturen

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umhüllende Struktur, d.h. eine kleinste Struktur, die M umfasst, nämlich den Durch-schnitt aller M umfassenden Strukturen. Diese Struktur heißt üblicherweise von Merzeugt.

Definition 6.26Erzeugte StrukturErzeugendensystem

hU, hH, hM und hG, sind Hüllenoperatoren auf G im Sinne von Definition 4.97 S. 4-72.

Die Vereinigung von Gruppoiden, Halbgruppen, Monoiden oder Gruppen hat i.A. nichtdieselbe Struktur. Deshalb bildet man die Hüllen von Vereinigungen.

Definition 6.27Verbindung

Sind �G, �� ein Gruppoid und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt

hU(M) := ∩{U ∈ U(G) | M ⊆ U}

das von M erzeugte Untergruppoid.

Sind �G, �� eine Halbgruppe und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt

hH(M) := ∩{U ∈ H(G) | M ⊆ U}

die von M erzeugte Unterhalbgruppe.

Sind �G, �� ein Monoid und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt

hM(M) := ∩{U ∈ M(G) | M ⊆ U}

das von M erzeugte Untermonoid.

Sind �G, �� eine Gruppe und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt

hG(M) := ∩{U ∈ G(G) | M ⊆ U}

die von M erzeugte Untergruppe.

M heißt jeweils ein Erzeugendensystem von hX(M) für X ∈ {U, H, M, G}.

hX(M) heißt

endlich erzeugt :⇔ |M| < ℵ 0;

zyklisch :⇔ |M| = 1.

Sind �G, �� ein Gruppoid, eine Halbgruppe, ein Monoid oder eine Gruppe undU, V ⊆ G Unterstrukturen, so heißt die von der Vereinigung von U und V entspre-chend erzeugte Struktur,

U� V := hX(U ∪ V) für X ∈ {U, H, M, G}

die (Gruppoid-, Halbgruppen-, Monoid-, Gruppen-)Verbindung von U und V.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 13

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6.1.6 Homomorphismen

Ähnlich wie bei relationalen Strukturen interessieren Abbildungen, die sich mit alge-braischen Strukturen vertragen.

Definition 6.28MorphismenIsomorphie

Eine Abbildung f : �G, �G� → �H, �H� ist genau dann ein Homomorphismus, wenn das

folgende Diagramm kommutiert.

Bild 6.1Homomorphie-diagramm

Es ist egal, ob man erst die Operanden in G verknüpft und dann das Ergebnis mit fabbildet oder erst beide Operanden mit f abbildet und dann ihre Bilder in H verknüpft.

Während wir bei relationalen Isomorphismen fordern müssen, dass auch die Umkehr-abbildung ein Homomorphismus ist, erhalten wir diese Eigenschaft bei algebraischenIsomorphismen gratis.

Satz 6.29BijektiveHomomorphismen

Beweis. Da f surjektiv ist, gibt es zu x, y ∈ H die Urbilder v := f−1(x), w := f−1(y) ∈ G.

Mit f(v) = f(f−1(x)) = (f ° f−1)(x) = x und f(w) = f(f−1(y)) = (f ° f−1)(y) = y gilt:

f−1(x �H y) = f−1(f(v) �H f(w)) = f−1(f(v �G w)) = (f ° f−1)(v �G w) = v �G w =

f−1(x) �G f−1(y). �

Beispiele (1) Ist �G, �� eine Struktur, so ist die Identität idG ein Automorphismus.

Sind �G, �G�, �H, �H� Gruppoide, so heißt eine Abbildung f : G → H ein (algebrai-scher)

Homomorphismus (mit �G und �H verträglich, strukturerhaltend):⇔ ∀ x, y ∈ G : f(x �G y) = f(x) �H f(y);

Isomorphismus :⇔ f ist ein bijektiver Homomorphismus;

Automorphismus :⇔ f ist ein Isomorphismus und �G, �G� = �H, �H�.

Je nach den algebraischen Strukturen von �G, �G� und �H, �H� sprechen wir von

Gruppoid-, Halbgruppen- oder Gruppenmorphismen.

Sind �G, eG, �G� und �H, eH, �H� Monoide und ist f : �G, �G� → �H, �H� ein Halb-gruppenhomomorphismus mit f(eG) = eH, so heißt f Monoidhomomorphismus.

Den Bezug eines Morphismus zu den Strukturen verdeutlicht die Notation

f : �G, �G� → �H, �H�.

Die Strukturen �G, �G� und �H, �H� heißen (algebraisch) isomorph,

�G, �G� ≅ �H, �H�,

wenn es einen Isomorphismus f : �G, �G� → �H, �H� gibt.

G2 H2f × f

�G

G Hf

�H

Sind �G, �G�, �H, �H� Gruppoide und f : �G, �G� → �H, �H� ein bijektiver Homomor-

phismus, so ist auch die Umkehrabbildung f−1 : �H, �H� → �G, �G� ein bijektiverHomomorphismus.

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6 - 14 6 Algebraische Strukturen

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(2) Ist �G, �� ein Gruppoid (mit Eins), so ist �G, �� → �P(G), ��, x |→ {x} ein injek-tiver Homomorphismus.

Die Komposition von zwei Homo-, Iso- oder Automorphismen ist wieder ein Homo-,Iso- bzw. Automorphismus.

Auf einem System gleichartiger Strukturen ist die Isomorphie eine Äquivalenzrelation.

Satz 6.30Injektion einesUntergruppoids

Beweis. Siehe beispielsweise [13]. �

6.1.7 Komplexprodukt und Komplexinverse

Aus Operationen mit Elementen entstehen Operationen mit Mengen.

Definition 6.31Komplexprodukt

Ist �G, �� ein Gruppoid, so ist auch �P(G), �� mit dem Komplexprodukt � ein Grup-poid. Die Assoziativität überträgt sich. Ist �G, �� eine Halbgruppe, so auch �P(G), ��.Hat �G, �� die (Links-, Rechts-)Eins e, so hat �P(G), �� die (Links-, Rechts-)Eins {e}.

Beispiele (1) Das Monoid �lN, 1, ∗ � umfasst die Menge der geraden natürlichen Zahlen, diewir als Komplexprodukt schreiben können:

2lN := 2 ∗ lN = {2 ∗ n | n ∈ lN}.

(2) Im Monoid ��, 0, 1, ∗ � ist die Menge der Vielfachen von n ∈ lN das Komplex-produkt

n� := n ∗ � = {n ∗ z | z ∈ �}.

�n�, 0, +� ist eine Untergruppe von ��, 0, +�. Nach 5.2.3 S. 5-5 ist n� gleichder Menge der durch n teilbaren Zahlen, also der Nachbereich von n zur Teiltre-lation |, d.h.

n� = n|.

Definition 6.32Komplexinverse

Sind �G, �� ein Gruppoid und M ⊆ G eine Teilmenge, so ist �M, �|M2� ein Untergrup-

poid von G genau dann, wenn �M, �|M2� → �G, ��, x |→ x ein Homomorphismus ist.

Sind �G, �� ein Gruppoid und M, N ⊆ G Teilmengen, so heißt die durch

M � N := {x � y | x ∈ M, y ∈ N} ⊆ G

definierte Teilmenge das Komplexprodukt von M und N. Ist keine Mehrdeutigkeitzu erwarten, so kürzen wir ab:

MN := M � N.

Für x, y ∈ G kürzen wir weiter ab:

xN := {x}N, My := M{y}.

Sind �G, �� eine Gruppe und M ⊆ G eine Teilmenge, so heißt die durch

M�−1 := {x−1 | x ∈ M} ⊆ G

definierte Teilmenge das Komplexinverse von M. Ist keine Mehrdeutigkeit zu erwar-ten, so kürzen wir ab:

M−1 := M�−1.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 15

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Satz 6.33Rechenregeln fürKomplexprodukt undKomplexinverse

Vergleichen Sie diesen Satz mit Teilen von Satz 4.16 S. 4-13 sowie Satz 4.1 S. 4-3!

Satz 6.34Charakterisierung vonUntergruppen

6.1.8 Potenzen

Mehrfaches Verknüpfen - multiplikativ betrachtet - bedeutet Potenzieren.

Definition 6.35Potenz eines Elements

Nach Definition 6.35 wird beim Potenzieren von links nach rechts verknüpft. Bei nichtassoziativen Gruppoiden kann das Verknüpfen von rechts nach links zu anderen Resul-taten führen. Wir verwenden Potenzen im Folgenden aber meist bei Halbgruppen.Wegen der Assoziativität spielt die Reihenfolge der Verknüpfung dann keine Rolle.

Für ein Gruppoid �G, �� und Teilmengen L, M, M´, N, N´ ⊆ G gilt:

(1) G ist Halbgruppe �(L �M) � N = L � (M � N). Assoziativität

(2) ∅ �M = M � ∅ = ∅ . Nullelement

(3) G ist Monoid mit Eins e �{e} � M = M � {e} = M. Einselement

(4) M ⊆ M´ � M � N ⊆ M´ � N. MonotonieN ⊆ N´ � M � N ⊆ M � N´.

(5) (M ∪ M´) � N = (M � N) ∪ (M´ � N). DistributivitätM � (N ∪ N´) = (M � N) ∪ (M � N´).

� = (Mk � Ni).

Ist �G, e, �� eine Gruppe, so gilt zudem:

(6) (M−1)−1 = M. Involution

(7) M ⊆ N � M−1 ⊆ N−1. Monotonie

(8) (M � N)−1 = N−1�M−1. Inverses Element

(9) M � M−1 ⊇ {e}.

(10) M � M−1 = {e} ⇔ |M| = 1.

Mkk K∈∪

� �� �� �

Nii I∈∪

� �� �� �

i I∈ k, K∈∪

Für eine Gruppe �G, �� und eine Teilmenge U ⊆ G sind folgende Aussagen äquiva-lent:

(1) �U, �� ist eine Untergruppe von G.

(2) ∀ x, y ∈ U : x � y−1 ∈ U.

(3) U � U−1 ⊆ U.

Ist �G, �� ein Gruppoid, so ist für n ∈ lN die n-te Potenz eines Elements x ∈ G rekur-siv definiert durch das n-fache Produkt von x mit sich:

x1 := x,

x2 := x � x,

xn := xn−1� x für n > 1.

Hat �G, �� die Eins e ∈ G, so definieren wir:

x0 := e.

Ist �G, �� eine Gruppe, so definieren wir:

x−n := (x−1)n für n ∈ lN.

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6 - 16 6 Algebraische Strukturen

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Für ein Gruppoid �G, �� und ein Element x ∈ G gilt:

x ist idempotent ⇔ ∀ n ∈ lN : xn = x.

„⇐ “ ist klar. „�“ zeigen wir mit vollständiger Induktion: Offenbar gilt x2 = x1 = x. Aus

xn = x folgt xn+1 = xn� x = x � x = x2 = x. Also gilt xn = x für alle n ∈ lN.

Satz 6.36Rechenregeln fürPotenzen einesElements

Definition 6.37Potenz einer Menge

Die Bemerkung zu Definition 6.35 gilt analog: Beim Potenzieren wird von links nachrechts verknüpft. Während bei nicht assoziativen Gruppoiden das Verknüpfen vonrechts nach links andere Resultate liefern kann, ist die Reihenfolge bei den meistbetrachteten Halbgruppen belanglos.

Korollar 6.38Charakterisierung vonUntergruppoiden

Für eine Halbgruppe, ein Monoid oder eine Gruppe �G, ��, Elemente x, y ∈ G undm, n ∈ lN, lN0 bzw. � gilt:

(1) xm� xn = xm+n.

(2) (xm)n = xm∗ n.

(3) Ist G kommutativ, so gilt: (x � y)n = xn� yn.

Ist �G, �� ein Gruppoid, so ist für n ∈ lN die n-te Potenz einer Teilmenge M ⊆ Grekursiv definiert durch das n-fache Komplexprodukt von M mit sich:

M�1 := M,

M�2 := M � M,

M�n := M�n−1�M für n > 1,

M+ := .

Hat �G, �� die Eins e ∈ G, so definieren wir:

M�0 := {e},

M∗ := M�0 ∪ M+ = .

Sind keine Verwechslungen zu erwarten (z.B. mit dem n-fachen kartesischen Produktvon M), so kürzen wir ab:

Mn := M�n für n ∈ lN0.

Mn•

n lN∈∪

Mn•

n lN0∈∪

Für ein Gruppoid �G, �� und eine Teilmenge U ⊆ G sind folgende Aussagen äquiva-lent:

(1) U ist abgeschlossen bzgl. �, d.h. �U, �� ist ein Untergruppoid von G.

(2) U�2 ⊆ U.

(3) ∀ n ∈ lN : U�n ⊆ U.

(4) U+ ⊆ U.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 17

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Satz 6.39Rechenregeln fürPotenzen einer Menge

Satz 6.40Hüllen und Potenzen

Beispiele (1) �lN, +� ist eine kommutative Halbgruppe. Wegen

{1}+ = {1} ∪ {1 + 1} ∪ {1 + 1 + 1} ∪ ... = {1, 2, 3,...} = lN

ist �lN, +� zyklisch.

(2) Die geraden natürlichen Zahlen �2lN, +� bilden eine Unterhalbgruppe von �lN, +�.Auch sie ist wegen

{2}+ = {2} ∪ {2 + 2} ∪ {2 + 2 + 2} ∪ ... = {2, 4, 6,...} = 2lN

zyklisch. Die Abbildung lN → 2lN, n |→ 2 ∗ n ist bijektiv und wegen 2 ∗ (m + n)= 2 ∗ m + 2 ∗ n ein Isomorphismus. Also sind �lN, +� und �2lN, +� isomorph.

(3) Beispiel (2) illustriert eine allgemeine Aussage:

Jede unendliche zyklische Halbgruppe ist isomorph zu �lN, +�.(4) Die ganzen Zahlen ��, +� bilden wegen

hG({1}) = hG({−1}) = {1, −1}∗ =�

eine unendliche zyklische Gruppe, die aus 1 oder −1 erzeugt wird.

(5) Die kommutative Gruppe ��n, +n� der Restklassen modulo n ∈ lN ist wegen

hG({[1]}) = {[1]}∗ = {[1]} ∪ {[1] +n [1]} ∪ {[1] +n [1] +n [1]} ∪ ... ={[0], [1],.., [n − 1]} =�n

eine endliche zyklische Gruppe, die aus [1] erzeugt wird.

(6) Zu jeder endlichen zyklischen Halbgruppe {x}+ gibt es m, n ∈ lN mit

m < n,

{x}+ = {x, x2, x3,.., xn−1},

|{x}+| = n − 1,

xn = xm.

Sie hat einen „einmaligen Anfang“ und ein „zyklisches Ende“.

Für eine Halbgruppe oder ein Monoid �G, ��, Teilmengen M, N ⊆ G und m, n ∈ lN

bzw. lN0 gilt:

(1) M�m� M�n = M�m+n.

(2) (M�m)�n = M�m∗ n.

(3) Ist G kommutativ, so gilt: (M � N)�n = M�n� N�n.

(1) Für eine Halbgruppe �G, �� ist die von einer Teilmenge M ⊆ G erzeugte Unter-halbgruppe gleich der Vereinigung der Potenzen von M:

hH(M) = M+.

(2) Für ein Monoid �G, �� ist das von einer Teilmenge M ⊆ G erzeugte Untermo-noid gleich der Vereinigung der Potenzen von M:

hM(M) = M∗ .

(3) Für eine Gruppe �G, �� ist die von einer Teilmenge M ⊆ G erzeugte Unter-

gruppe gleich der Vereinigung der Potenzen von M ∪ M−1:

hG(M) = (M ∪ M−1)∗ .

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6 - 18 6 Algebraische Strukturen

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Bild 6.2Endliche zyklischeHalbgruppe

6.1.9 Verträgliche RelationenDefinition 6.41Verträgliche RelationKongruenzGeordnete Struktur

Beispiele (1) Für eine Menge M sind �P(M), M, ∩, ⊆ � und �P(M), ∅ , ∪ , ⊆ � geordnete kommu-tative Monoide.

(2) �lN0, 0, +, ≤� und �lN, 1, ∗ , ≤� sind geordnete kommutative Monoide.

(3) ��, 0, −, +, ≤�, ��, 0, −, +, ≤� und ��, 0, −, +, ≤� sind geordnete kommutativeGruppen.

(4) �� \ {0}, 1, ∗ , ≤� ist kein geordnetes kommutatives Monoid, weil das Multipli-zieren mit negativen Zahlen Ungleichungen nicht erhält.

(5) �� \ {0}, 1, −1, ∗ , ≤� und �� \ {0}, 1, −1, ∗ , ≤� sind deshalb auch keine geordnetenkommutativen Gruppen.

(6) �P(M2), idM, °, ⊆ � ist nach Satz 4.16 (9) S. 4-13 ein geordnetes Monoid.

Satz 6.42Verträglichkeit

6.1.10 Produktstrukturen

Ähnlich wie bei Relationen definieren wir auf einem kartesischen Produkt eine kom-ponentenweise Operation.

Satz 6.43Produktgruppoid

6.1.11 Faktorstrukturen

Das folgende Lemma überträgt den Satz 4.47 S. 4-35 auf Gruppoide. Es bereitet denHomomorphiesatz für Gruppoide vor, der dem Homomorphie-Satz 4.48 S. 4-36 fürRelationen entspricht.

x x2

xn−1 xn−2

xm xm+1

Ist �G, �� ein Gruppoid, so heißt eine Relation R ⊆ G2 mit der Operation �

linksverträglich :⇔ ∀ x, y, z ∈ G : x R y � (z � x) R (z � y);

rechtsverträglich :⇔ ∀ x, y, z ∈ G : x R y � (x � z) R (y � z);

verträglich :⇔ R ist links- und rechtsverträglich mit �.

Eine (Links-, Rechts-)Kongruenz ist eine (links-, rechts-)verträgliche Äquivalenz-relation; ihre Äquivalenzklassen heißen Kongruenzklassen.

Ist �G, ≤� eine halbgeordnete Menge und ≤ mit � verträglich, so heißt �G, �, ≤� jenach der Struktur von �G, �� ein geordnetes Gruppoid, eine geordnete Halb-gruppe, ein geordnetes Monoid oder eine geordnete Gruppe.

Für ein Gruppoid �G, �� und eine reflexive, transitive Relation R ⊆ G2 gilt:

R ist mit � verträglich ⇔ ∀ v, w, x, y ∈ G : ((v R x ∧ w R y) � (v � w) R (x � y)).

Sind �G, �G�, �H, �H� Gruppoide, dann ist durch

� : (G × H)2 → G × H, ((v, x), (w, y)) |→ (v, x) � (w, y) := (v �G w, x �H y)

eine Operation � auf der Produktmenge G × H definiert. �G × H, �� heißt das direkteProdukt oder Produktgruppoid von �G, �G� und �H, �H�.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 19

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Lemma 6.44Induzierte Kongruenz

Beweis. Siehe beispielsweise [13]. �

Satz 6.45Faktorgruppoid

Beweis. Siehe beispielsweise [13]. �

6.1.12 Worthalbgruppen und -monoide

6.1.12.1 Zeichen

Zeichen (character): zur Darstellung von Information vereinbartes Objekt.

Zeichenkonstanten:

a, b, c,...

Zeichenvariablen:

x, y, z.

Alphabet Alphabet, Zeichensatz (Zeichenvorrat, character set): nicht leere, endliche Mengevon Zeichen,

A, B.

Lateinisches Standardalphabet:

A := {a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, s, t, u, v, w, x, y, z}, |A| = 26.

Binäralphabet:

lB := {0, 1}, |lB| = 2.

Als Binärzeichen können beliebige Zeichen verwendet werden:

Beispiele {0, 1}, {O, L}, {nein, ja}, {falsch, wahr}.

Ziffernalphabet: Ring1 der Restklassen von� modulo n ∈ lN,

�n := {0, 1,.., n − 1}, |�n| = n.

Wir arbeiten hier mit dem Repräsentantensystem statt mit {[0]≡n, [1]≡n,.., [n − 1]≡n} von Satz

5.34 S. 5-8.

Ordnungsstruktur Alphabete sind üblicherweise geordnet, ihre Zeichen sind nummeriert oder nummerier-bar. Die Norm DIN 44300 für Begriffe der Informationsverarbeitung fordert von einemAlphabet zusätzlich, dass die Zeichen in vereinbarter Reihenfolge geordnet sind. Daein Alphabet A endlich ist mit n := |A| ∈ lN, gibt es eine bijektive Abbildung

�n = {0, 1,.., n − 1} ↔ A = {x0,.., xn−1}, i ↔ xi,

die die natürliche Ordnung auf�n,

Sind �G, �G�, �H, �H� Gruppoide und f : �G, �G� → �H, �H� ein Homomorphismus,so ist durch f induzierte Identifizierung,

∼ f := {(x, y) ∈ G2 | f(x) = f(y)},

eine Kongruenz auf G, die durch f induzierte Kongruenz.

Ist �G, �� ein Gruppoid und R ⊆ G2 eine Kongruenz, dann ist durch

�R : (G / R)2 → G / R, ([x]R, [y]R) |→ [x]R �R [y]R := [x � y]R

eine Operation �R auf der Faktormenge G / R definiert. �G / R, �R� heißt das durch R

induzierte Faktorgruppoid (algebraische Faktorstruktur).

1 Definition folgt.

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6 - 20 6 Algebraische Strukturen

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0 < 1 < ... < n − 1,

durch

∀ i, j ∈ �n : (xi < xj :⇔ i < j)

auf A überträgt:

x0 < x1 < ... < xn−1.

In den Begriffen von Definition 4.37 S. 4-27 ist diese Vollordnung auf A sowohl Bild als auchUrbild der Vollordnung auf�n.

Algebraische Struktur Oft übertragen wir auch die modulare Arithmetik von �n auf A und rechnen mit Zei-

chen x ∈ A wie mit Zahlen i ∈ �n, d.h. für i, j ∈ �n, xi, xj ∈ A ist

i ⊕ j := i +n j = (i + j) mod n, xi + xj := xi⊕ j,

i� j := i ∗ n j = (i ∗ j) mod n, xi ∗ xj := xi�j.

Mit der Nachfolgeroperation

succ(i) := i ⊕ 1 für i, j ∈ �n, succ(xi) := xsucc(i) für xi ∈ A

und ihrer Umkehrung, der Vorgängeroperation

pred(i) := i ⊕ (−1) für i, j ∈ �n, pred(xi) := xpred(i) für xi ∈ A

auf �n bzw. A erhalten wir eine endliche zyklische konnexe Präordnung auf �n bzw.A.

Modulare Arithmetik und Präordnung hängen durch die Rekursionsformeln

i ⊕ 0 = i, xi + x0 = xi,

i ⊕ j = succ(i) ⊕ pred(j), xi + xj = succ(xi) + pred(xj)

zusammen. Da somit A und�|A| isomorph sind, identifizieren wir sie oft.

6.1.12.2 Wörter

Man kann Zeichen aneinanderreihen, z.B.

abcxyz012

Dadurch erhält man Zeichenfolgen oder Zeichenketten (character string). Ein Wort(word) ist eine als Einheit betrachtete Zeichenfolge. Da die Zeichen der Folge zu einembestimmten Alphabet gehören, spricht man von einem Wort über dem Alphabet.

Wort über dem Alphabet A: Folge von Zeichen x1,.., xn aus A,

w = x1...xn.

Die Länge eines Worts ist die Anzahl der Zeichen des Worts.

|w| = |x1...xn| := n.

Beispiele Wort Länge

B 1Oberon 601100010 8

Ein Wort über einem Binäralphabet heißt Binärwort. Für n = 1, 2,... gibt es genau 2n

unterscheidbare Binärwörter der Länge n. Ein Byte ist ein Binärwort der Länge 8 (8 Bit= 1 Byte). Es gibt also 256 verschiedene Werte eines Bytes.

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6.1 Strukturen mit einer zweistelligen Operation 6 - 21

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Aus Wörtern über einem Alphabet kann man neue Alphabete bilden.

Beispiele {falsch, wahr} das Alphabet der Wahrheitswerte;

{rot, gelb, grün} das Alphabet der Verkehrsampelsignale;

{sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend} ein Alphabet von Noten.

Wie Zeichen kann man Wörter aneinanderreihen - man erhält Wortfolgen, die manText nennt.

Verkettet man Wörter (über einem Alphabet) miteinander, erhält man wieder Wörter(über demselben Alphabet).

Beispiel einzel stück Verkettung → einzelstück

Gehört das (nichtdruckbare) Leerzeichen (Zwischenraum; blank, space) zu demAlphabet, dann verschwindet formal der Unterschied zwischen den Begriffen Wort undText.

Ist A ein Alphabet (A ist hier der Name einer Menge von Zeichen), dann bezeichneW(A) die Menge aller Wörter über A.

Die Verkettung oder Konkatenation (concatenation) ist eine Verknüpfung in W(A),d.h. eine Abbildung von W(A) × W(A) in W(A), die je zwei Wörtern x, y ∈ W(A) dasverkettete Wort xy ∈ W(A) zuordnet.

Eine Teilmenge S von Wörtern über einem Alphabet A heißt formale Sprache (formallanguage).

Welche Wörter x ∈ W(A) zu einer Sprache S ⊆ W(A) gehören und welche nicht, wirdmeist durch bestimmte Regeln festgelegt. Es gibt dafür viele Möglichkeiten.

Leeres Wort:

λ mit |λ| := 0.

Für n ∈ lN0 ist die Menge aller Wörter über A mit der Länge n das n-fache kartesische

Produkt von A,

An := A1 × An−1, A1 := A, A0 := {λ}.

Die üblichen runden Klammern und Kommas lassen wir weg, schreiben also

x1...xn ∈ An statt (x1,.., xn).

An sich ist das kartesische Produkt nicht assoziativ, d.h. (x1, (x2, x3)) ≠ ((x1, x2), x3). Durch das

Weglassen der Klammern und Kommas erscheint es aber so.

Menge aller Wörter über A mit höchstens der Länge n ∈ lN0:

A(n) := .

Algebraische Struktur Worthalbgruppe über dem Alphabet A: Menge aller Wörter über A mit der Konkaten-ation als Operation � ohne Einselement,

W(A) := .

Wortmonoid über dem Alphabet A: Menge aller Wörter über A mit Einselement λ,

Wλ(A) := .

Die Konkatenation � ist für v = (y1,.., ym), w = (z1,.., zn) ∈ Wλ(A) definiert durch

An

i 0=

n

An

n lN∈∪

An

n lN0∈∪

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6 - 22 6 Algebraische Strukturen

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v � w = (y1,.., ym) � (z1,.., zn) := (y1,.., ym, z1,.., zn).

Für u = (x1,.., xl), v = (y1,.., ym), w = (z1,.., zn) ∈ Wλ(A) gilt daher

u � (v � w) = (x1,.., xl) � ((y1,.., ym) � (z1,.., zn)) = (x1,.., xl) � (y1,.., ym, z1,.., zn) =(x1,.., xl, y1,.., ym, z1,.., zn) = ((x1,.., xl) � (y1,.., ym)) � (z1,.., zn) = (u � v) � w,

d.h. � ist assoziativ. Das Operationssymbol � lassen wir weg, schreiben fürv, w ∈ Wλ(A) also vw statt v � w.

W(A) ist eine unendliche, kürzbare Halbgruppe.

Wλ(A) ist ein unendliches, kürzbares Monoid.

Nach Satz 6.40 ist die von S ⊆ W(A) erzeugte Unterhalbgruppe in W(A)

S+ := .

Damit ist

W(A) = A+.

Nach Satz 6.40 ist das von S ⊆ Wλ(A) erzeugte Untermonoid in Wλ(A)

S∗ := .

Damit ist

Wλ(A) = A∗ = A+ ∪ {λ}.

Aufgrund dieser Identitäten bezeichnen wir im Folgenden dort, wo keine Verwechslun-

gen möglich sind, die Worthalbgruppe und das Wortmonoid über A mit A+ bzw. A∗ .

Beachte jedoch: A+ und A* können nur bezüglich einer assoziativen Operation auf W(A) bzw.Wλ(A) gebildet werden, die zuvor definiert sein muss. Für S ⊆ Wλ(A) brauchen i.A. W(S) und

S+ bzw. Wλ(S) und S∗ nicht isomorph zu sein, da in W(S) die Operation die Konkatenation von

Elementen von S ist, die als nicht weiter zerlegbar betrachtet werden, während in der Unterhalb-

gruppe S+ die Operation die Konkatenation von Elementen aus A ist, also die Elemente von S+

in Produkte von Elementen aus A zerlegt werden können.

Ordnungsstruktur Aus der Ordnung der Zeichen von A ergibt sich die alphabetische oder lexikografi-

sche Ordnung der Wörter von A∗ .

Formale Sprache: Menge von Wörtern,

S ⊆ A∗ .

Endliche Wortmengen sind auch Alphabete.

Text: Folge von Zeichen oder Wörtern.

Ob Text als Folge atomarer Zeichen oder als Folge zusammengesetzter Wörter zubetrachten ist, lässt sich formal differenzieren:

� Text t als Folge von Wörtern w ∈ S über A, die als solche erkennbar sind:

t ∈ T ⊆ Wλ(S) mit S ⊆ A∗ .

� Text t als Folge von Zeichen aus A, gebildet als Folge von Wörtern w ∈ S, aberWörter w ∈ S in t nicht mehr als solche erkennbar:

t ∈ T ⊆ S∗ mit S ⊆ A∗ .

Daten: maschinell verarbeiteter, gespeicherter, übertragener Text.

S�n

n lN∈∪

S�n

n lN0∈∪

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6.2 Strukturen mit zwei zweistelligen Operationen 6 - 23

9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Binärdaten: Folge von Bits, Wort über lB.

6.2 Strukturen mit zwei zweistelligen Operationen

6.2.1 Ringe

6.2.2 Körper

6.2.3 Boolesche Algebren

6.2.4 Verbände

6.2.5 Boolesche Verbände

6.2.5.1 Boolesche Algebra der Logik

6.2.5.2 Mengenalgebra

6.2.5.3 Schaltalgebra

6.3 Vektorräume

6.4 ÜbungenAufgabe 6.1Gruppoide

Wieviele nicht isomorphe

(1) zweielementige,

(2) dreielementige

(3) vierelementige

Gruppoide gibt es? Welche sind assoziativ, kommutativ, haben eine (Links-, Rechts-)Eins oder eine (Links-, Rechts-)Null, sind (links-, rechts-)kürzbar, (links-, rechts-)lös-bar, (links-, rechts-)invertierbar?

Aufgabe 6.2Untermonoid undUnterhalbgruppe

Konstruieren Sie ein Beispiel eines Monoids, das eine Unterhalbgruppe mit Eins hat,das kein Untermonoid ist!

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6 - 24 6 Algebraische Strukturen

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Anhang A - Seite 1 von 4

A ISO 8859-1 Zeichencode Latin1

Aufgabe 7Tabelle A.1Spaltenform

Dez Hex Char Dez Hex Char Dez Hex Char Dez Hex Char

0 0 NUL 32 20 SPC 64 40 @ 96 60 `

1 1 SOH 33 21 ! 65 41 A 97 61 a

2 2 STX 34 22 " 66 42 B 98 62 b

3 3 ETX 35 23 # 67 43 C 99 63 c

4 4 EOT 36 24 $ 68 44 D 100 64 d

5 5 ENQ 37 25 % 69 45 E 101 65 e

6 6 ACK 38 26 & 70 46 F 102 66 f

7 7 BEL 39 27 ' 71 47 G 103 67 g

8 8 BS 40 28 ( 72 48 H 104 68 h

9 9 HT 41 29 ) 73 49 I 105 69 i

10 A LF 42 2A * 74 4A J 106 6A j

11 B VT 43 2B + 75 4B K 107 6B k

12 C FF 44 2C , 76 4C L 108 6C l

13 D CR 45 2D - 77 4D M 109 6D m

14 E SO 46 2E . 78 4E N 110 6E n

15 F SI 47 2F / 79 4F O 111 6F o

16 10 DLE 48 30 0 80 50 P 112 70 p

17 11 DC1 49 31 1 81 51 Q 113 71 q

18 12 DC2 50 32 2 82 52 R 114 72 r

19 13 DC3 51 33 3 83 53 S 115 73 s

20 14 DC4 52 34 4 84 54 T 116 74 t

21 15 NAK 53 35 5 85 55 U 117 75 u

22 16 SYN 54 36 6 86 56 V 118 76 v

23 17 ETB 55 37 7 87 57 W 119 77 w

24 18 CAN 56 38 8 88 58 X 120 78 x

25 19 EM 57 39 9 89 59 Y 121 79 y

26 1A SUB 58 3A : 90 5A Z 122 7A z

27 1B ESC 59 3B ; 91 5B [ 123 7B {

28 1C FS 60 3C < 92 5C \ 124 7C |

29 1D GS 61 3D = 93 5D ] 125 7D }

30 1E RS 62 3E > 94 5E ^ 126 7E ~

31 1F US 63 3F ? 95 5F _ 127 7F DEL

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A - 2 A ISO 8859-1 Zeichencode Latin1

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

128 80 160 A0 NBSP 192 C0 À 224 E0 à

129 81 161 A1 ¡ 193 C1 Á 225 E1 á

130 82 162 A2 ¢ 194 C2 Â 226 E2 â

131 83 163 A3 £ 195 C3 Ã 227 E3 ã

132 84 164 A4 ¤ 196 C4 Ä 228 E4 ä

133 85 165 A5 ¥ 197 C5 Å 229 E5 å

134 86 166 A6 ¦ 198 C6 Æ 230 E6 æ

135 87 167 A7 § 199 C7 Ç 231 E7 ç

136 88 168 A8 ¨ 200 C8 È 232 E8 è

137 89 169 A9 © 201 C9 É 233 E9 é

138 8A 170 AA ª 202 CA Ê 234 EA ê

139 8B 171 AB « 203 CB Ë 235 EB ë

140 8C 172 AC ¬ 204 CC Ì 236 EC ì

141 8D 173 AD SHY 205 CD Í 237 ED í

142 8E 174 AE ® 206 CE Î 238 EE î

143 8F 175 AF ¯ 207 CF Ï 239 EF ï

144 90 - 176 B0 ° 208 D0 Ð 240 F0 ð

145 91 - 177 B1 ± 209 D1 Ñ 241 F1 ñ

146 92 178 B2 ² 210 D2 Ò 242 F2 ò

147 93 179 B3 ³ 211 D3 Ó 243 F3 ó

148 94 180 B4 ´ 212 D4 Ô 244 F4 ô

149 95 181 B5 µ 213 D5 Õ 245 F5 õ

150 96 182 B6 ¶ 214 D6 Ö 246 F6 ö

151 97 183 B7 · 215 D7 × 247 F7 ÷

152 98 184 B8 ¸ 216 D8 Ø 248 F8 ø

153 99 185 B9 ¹ 217 D9 Ù 249 F9 ù

154 9A 186 BA º 218 DA Ú 250 FA ú

155 9B 187 BB » 219 DB Û 251 FB û

156 9C 188 BC ¼ 220 DC Ü 252 FC ü

157 9D 189 BD ½ 221 DD Ý 253 FD ý

158 9E 190 BE ¾ 222 DE Þ 254 FE þ

159 9F 191 BF ¿ 223 DF ß 255 FF ÿ

Dez Hex Char Dez Hex Char Dez Hex Char Dez Hex Char

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AISO

8859-1Z

eichencodeL

atin1A

-3

9.8.04©

Karlheinz

Hug,H

ochschuleR

eutlingen

Tabelle A.2Matrixform Zeile-

Spalte-0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 -7 -8 -9 -A -B -C -D -E -F

0- NUL SOH STX ETX EOT ENQ ACK BEL BS HT LF VT FF CR SO SI

1- DLE DC1 DC2 DC3 DC4 NAK SYN ETB CAN EM SUB ESC FS GS RS US

2- SPC ! " # $ % & ' ( ) * + , - . /

3- 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ?

4- @ A B C D E F G H I J K L M N O

5- P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _

6- ` a b c d e f g h i j k l m n o

7- p q r s t u v w x y z { | } ~ DEL

8-

9- - -

A- NBSP ¡ ¢ £ ¤ ¥ ¦ § ¨ © ª « ¬ SHY ® ¯

B- ° ± ² ³ ´ µ ¶ · ¸ ¹ º » ¼ ½ ¾ ¿

C- À Á Â Ã Ä Å Æ Ç È É Ê Ë Ì Í Î Ï

D- Ð Ñ Ò Ó Ô Õ Ö × Ø Ù Ú Û Ü Ý Þ ß

E- à á â ã ä å æ ç è é ê ë ì í î ï

F- ð ñ ò ó ô õ ö ÷ ø ù ú û ü ý þ ÿ

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A - 4 A ISO 8859-1 Zeichencode Latin1

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© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen, 9. August 2004 Anhang B - Seite 1 von 4

B Literaturverzeichnis

Verlage BI BI Wissenschaftsverlag, Mannheim/Wien/Zürich

dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Hanser Carl Hanser Verlag, München/Wien

Spektrum Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin

Springer Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York

Teubner B. G. Teubner GmbH, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden

Vandenhoeck &Ruprecht Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen

Vieweg Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden

Bücher [1] Martin Aigner: Diskrete Mathematik. Vieweg (2001) 4. Auflage, 316 S.

[2] Albrecht Beutelspacher, Marc-Alexander Zschiegner: Diskrete Mathematik fürEinsteiger. Mit Anwendungen in Technik und Informatik. Vieweg (2002) 216 S.

[3] Heinz-Dieter Ebbinghaus, Jörg Flum, Wolfgang Thomas: Einführung in diemathematische Logik. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich(1992) 3. vollst. überarbeit. u. erweit. Auflage, 338 S.

[4] Hartmut Ernst: Grundlagen und Konzepte der Informatik. Eine Einführung in dieInformatik ausgehend von den fundamentalen Grundlagen. Vieweg (2000)822 S.

[5] Hartmut Ernst: Grundkurs Informatik. Grundlagen und Konzepte für dieerfolgreiche IT-Praxis. Eine umfassende praxisorientierte Einführung. Vieweg(2003) 3. überarbeit. u. verbess. Auflage, 888 S.

Führt in die Themen Information, Codierung, Schaltalgebra, Digitaltechnik,Rechnerarchitekturen, Betriebssysteme, Programmiersprachen, Softwareent-wicklung, Automatentheorie, formale Sprachen, Algorithmen, Datenstruktu-ren, Kommunikations- und Informationstechnik ein.

[6] Gerhard Goos: Vorlesungen über Informatik. Band 1: Grundlagen undfunktionales Programmieren. Springer (1997) 2. Auflage, 394 S.

Erster Teil eines vierbändigen Standardwerks universitärer Informatikausbil-dung.

[7] Siegfried Gottwald, Hans-Joachim Ilgauds, Karl-Heinz Schlote (Hrsg.): Lexikonbedeutender Mathematiker. Verlag Harri Deutsch, Thun/Frankfurt (M.) (1990)504 S.

[8] Peter Hartmann: Mathematik für Informatiker. Ein praxisbezogenes Lehrbuch.Vieweg (2003) 2. durchgeseh. Auflage, 456 S.

[9] Volker Heun: Grundlegende Algorithmen. Einführung in den Entwurf und dieAnalyse effizienter Algorithmen. Vieweg (2003) 2. verbess. u. erweit. Auflage,370 S.

[10] Christian Horn, Immo O. Kerner, Peter Forbig: Lehr- und ÜbungsbuchInformatik. Band 2: Theorie der Informatik. Fachbuchverlag Leipzig im CarlHanser Verlag (2001) 2. bearbeit. Auflage, 309 S.

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B - 2 B Literaturverzeichnis

© Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen 9.8.04

[11] Karlheinz Hug: Module, Klassen, Verträge. Ein Lehrbuch zurkomponentenorientierten Softwarekonstruktion. Vieweg (2001) 2. aktual.Auflage, 446 S.

[12] Herbert Klaeren, Michael Sperber: Vom Problem zum Programm. Architekturund Bedeutung von Computerprogrammen. Teubner (2001) 3. neubearbeit. u.erweit. Auflage, 263 S.

Theoretisch gut fundierte Einführung in funktionales Programmieren.

[13] Ulrich Knauer: Diskrete Strukturen - kurz gefasst. Spektrum (2001) 231 S.

Reizvolle kleine Einführung, die man erfrischend schnell durchliest.

[14] Herbert Meschkowski: Mathematiker-Lexikon. Bibliographisches InstitutHochschultaschenbücher-Verlag, Mannheim/Zürich (1964) 309 S.

[15] Herbert Meschkowski: Hundert Jahre Mengenlehre. dtv (1973) 161 S.

[16] Werner Nehrlich: Diskrete Mathematik. Basiswissen für Informatiker. EineMathematica-gestützte Darstellung. Fachbuchverlag Leipzig bei Hanser (2003)331 S.

[17] Peter Rechenberg: Was ist Informatik? Eine allgemeinverständliche Einführung.Hanser (2000) 3. überarbeit. u. erweit. Auflage, 356 S.

Eine nach den Teilgebieten technische, praktische, theoretische und ange-wandte Informatik gegliederte Umschau.

[18] Peter Rechenberg, Gustav Pomberger (Hrsg.): Informatik-Handbuch. Hanser(2002) 3. aktual. u. erweit. Auflage, 1192 S.

Empfehlenswertes Nachschlagewerk mit Beiträgen von 47 Experten zu The-men aus theoretischer, technischer, praktischer, angewandter und Wirtschafts-informatik sowie zu Daten, Normen und Spezifikationen.

[19] Fritz Reinhardt, Heinrich Soeder: dtv-Atlas zur Mathematik. Tafeln und Texte.Band I. Grundlagen, Algebra und Geometrie. dtv (1998) ?. Auflage, 272 S.

[20] Jürgen Schmidt: Mengenlehre I. Grundbegriffe. Einführung in die axiomatischeMengenlehre. Bibliographisches Institut Hochschultaschenbücher-Verlag,Mannheim (1974) 2. verbess. Auflage, 245 S.

[21] Uwe Schöning: Logik für Informatiker. BI (1989) 2. überarbeit. Auflage, 172 S.

[22] Uwe Schöning: Theoretische Informatik - kurzgefaßt. Spektrum (1999)3. Auflage, 196 S.

[23] Alfred Tarski: Einführung in die mathematische Logik. Vandenhoeck &Ruprecht, Göttingen (1977) 5. erweit. Auflage, 285 S.

[24] Gottfried Vossen, Kurt-Ulrich Witt: Grundlagen der Theoretischen Informatikmit Anwendungen. Eine Einführung für Studierende der Informatik,Wirtschaftsinformatik und Technischen Informatik. Vieweg (2002) 2. Auflage,353 S.

[25] J. Stanley Warford: Computer Systems. Jones and Bartlett Publishers, Sudbury,Massachusetts (2002) 2nd edition, 591 S.

[26] J. Stanley Warford: Computing Fundamentals. The Theory and Practice ofSoftware Design with BlackBox Component Builder. Vieweg (2002) 611 S.

[27] Kurt-Ulrich Witt: Algebraische Grundlagen der Informatik. Zahlen - Strukturen- Codierung - Verschlüsselung. Vieweg (2001) 395 S.

[28] Richard Johnsonbaugh: Discrete Mathematics. Macmillan Publishing Company,New York; Collier Macmillan Publishers, London (1984) 436 S.

[29] Robert Zobel: Diskrete Strukturen. Eine angewandte Algebra für Informatiker.BI (1987) Reihe Informatik, Band 49, 194 S.

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9.8.04 © Karlheinz Hug, Hochschule Reutlingen

Artikel [30] Georg Cantor: Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre.Mathematische Annalen 46 (1895) u. 49 (1897)

ElektronischeQuellen

[31] Centre Charles Hermite, Nancy: IEEE standard 754 for binary floating-pointarithmetic (16.2.1999) http://cch.loria.fr/documentation/IEEE754/index.html

[32] Karlheinz Hug: Spezifikation durch Vertrag - eine Basistechnologie füreBusiness. Forum Wirtschaftsinformatik 2001 Reutlingen - eBusinessTechnologies (22.5.2001) 34 S.; CD-ROM „Forum WirtschaftsinformatikReutlingen 2001“; http://www-wi.fh-reutlingen.de/forumwi; http://userserv.fh-reutlingen.de/~hug

[33] Karlheinz Hug: Herunterladbares Lehrmaterial, BlackBox-Subsysteme desFachbereichs Informatik; http://userserv.fh-reutlingen.de/~hug

[34] William Kahan: Lecture Notes on the Status of IEEE Standard 754 for BinaryFloating-Point Arithmetic (31.5.1996) 30 S.; http://cch.loria.fr/documentation/IEEE754/wkahan/ieee754.ps

Ergänzungen [35] Benno Artmann: Einführung in die neuere Algebra. Unter ständigerBerücksichtigung der ganzen und rationalen Zahlen. Vandenhoeck & Ruprecht(1973) 226 S.

[36] Peter Deussen: Halbgruppen und Automaten. Springer (1971) 198 S.

[37] Otto Körner: Algebra. Studienbuch für Studierende der Mathematik und Physikab 2. Semester. AULA-Verlag, Wiesbaden (1990) 2., korrigierte Auflage, 239 S.

[38] Georg Johann Rieger: Zahlentheorie. Vandenhoeck & Ruprecht (1976) 220 S.

Bibliografie,weiterführendeLiteratur

[39] Peter Bachmann: Mathematische Grundlagen der Informatik. Akademie VerlagGmbH, Berlin (1992) 294 S.

Mengen, Algorithmen, formale Sprachen, Automaten, Logik, universelleAlgebra.

[40] Klaus Denecke: Algebra und Diskrete Mathematik für Informatiker. B. G.Teubner GmbH, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden; GWV Fachverlage GmbHWiesbaden (2003) 297 S.

Grundbegriffe, Kombinatorik, algebraische Strukturen, Graphen, lineare unduniverselle Algebra, Terme, Bäume, Identitäten, Varietäten, Anwendungen.

[41] Hans-Jörg Kreowski: Logische Grundlagen der Informatik. R. OldenbourgVerlag, München/Wien (1991) 165 S.

Logik, Signaturen, Strukturen, Terme, Formeln, Spezifikationen, Modelle,Folgern, Ableiten.

[42] Christoph Meinel, Martin Mundhenk: Mathematische Grundlagen derInformatik. Mathematisches Denken und Beweisen. Eine Einführung. Teubner(2002) 300 S.

Aussagenlogik, Mengen, Beweise, Relationen, Abbildungen, vollständigeInduktion, Zählen, Stochastik, boolesche Algebra, Graphen, Bäume.

[43] Ingo Wegener: Kompendium Theoretische Informatik. Eine Ideensammlung. B.G. Teubner, Stuttgart (1996) 189 S.

Rechner, churchsche These, Entscheidbarkeit, NP-Vollständigkeit, endlicheAutomaten, Grammatiken, kontextfreie Sprachen, Kellerautomaten.

[44] Ingo Wegener: Theoretische Informatik - eine algorithmenorientierteEinführung. B. G. Teubner, Stuttgart/Leipzig (1999) 2. Auflage, 238 S.

Turingmaschinen, churchsche These, Entscheidbarkeit, NP-Vollständigkeit,endliche Automaten, Grammatiken, kontextfreie Sprachen, Kellerautomaten.

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B - 4 B Literaturverzeichnis

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