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/ 1 Ausgabe 3 2017 ra2 studio/Fotolia Smart Services Die digitale Zukunft der Industrie // Die Zukunft industrieller Dienstleistungen // Interview: Lernen im Industrie 4.0 Zeitalter // Länderfokus Afrika: Ent- wicklungshelfer Handy // Bürodesign: Open Office Konzepte Special: Private Equity im Mittelstand

Smart Services - Die norddeutsche Art. - NORD/LB...für die digitale Zukunft rüstet. ... Die Kommunikation mit den Reinigungsmaschinen in Echtzeit verkürzt zudem die Ausfallzeiten

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Smart Services Die digitale Zukunft der Industrie

// Die Zukunft industrieller Dienstleistungen // Interview: Lernen im Industrie 4.0 Zeitalter // Länderfokus Afrika: Ent-

wicklungshelfer Handy // Bürodesign: Open Office Konzepte

Special: Private Equity im Mittelstand

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Die norddeutsche Art.

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herzlich willkommen zur dritten Ausgabe von 52° NORD

des Jahres 2017. Von Jahr zu Jahr schmilzt der Innovati-

onsvorsprung, von dem insbesondere Mittelständler mit

ihren Produkten immer gelebt haben – besonders chinesi-

sche Anbieter holen zusehends auf.

Viele Mittelständler beginnen daher seit einiger Zeit mit

der sogenannten Tertiarisierung Ihrer Produkte und

Dienstleistungen. Damit ist der Prozess der Umwandlung

einer Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsge-

sellschaft gemeint. So gehen nicht wenige Maschinenbauer

dazu über, ihre bisherigen Angebote gezielt um Dienstleis-

tungen zu erweitern. In unserem Aufmacher gehen wir der

Frage nach, in welche Richtung diese Angebote gehen und

mit welchen Herausforderungen die Suche verbunden ist.

Im Gespräch im Foyer diskutieren anschließend Barbara

Lechtenfeld, Leiterin Lernprogramme bei Malik, und Prof.

Dr. Dirk Ifenthaler von der Universität Mannheim über

Lernformen des digitalen Zeitalters.

Unser Länderreport beschäftigt sich dieses Mal mit der

Frage, wie der Mobilfunk derzeit die wirtschaftliche Entwick-

lung in Afrika vorantreibt – insbesondere in Ruanda.

In der Rubrik NORD/LB Story beleuchten wir die Private

Equity Szene. Vorbei die Zeit, da die Unternehmen als

bloße Heuschrecken betrachtet wurden – PE-Häuser

haben heute eher einen wachstumsorientierten Ansatz.

Abschließend werfen wir einen Blick auf die neue

Bürowelt, in der sich Großraumbüros mit Individualar-

beitsplätzen und Kommunikationsinseln vermischen.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Günter TallnerVorstand NORD/LB

52° NORD

Liebe Leser,

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Der Zeitvorsprung durch Innovationen wird immer kürzer. Viele Mittelständler re-agieren mit der Entwicklung datenbasierter Dienstleistungsangebote – kurz Smart Services. Sie entwickeln sich zusehends zu einem neuen Standbein der deutschen Wirtschaft – und bieten exzellente Renditen.

6 / Titelthema

Die smarte Revolution im Kundendienst

Inhalt

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28 / Architektur & Design

Open Office – Traum oder Wirklichkeit?

Die rasante Entwicklung moderner Kommunikations-

technologien erlaubt Mitarbeitern, ihre Tätigkeit auch

losgelöst von festen Arbeitsplätzen auszuüben. Doch viele

deutsche Firmen zögern noch, diese neue Arbeitskultur zu

übernehmen. Großraum-Bürolandschaften erscheinen als

Herausforderung mit Unwägbarkeiten. Welche Chancen

und Risiken birgt dieses „Open Office“?

Das Handy als Entwicklungshelfer

Die Welt wird zunehmend vernetzter. Das gilt auch für viele

Länder der Dritten Welt, wo die Digitalisierung Millionen

Menschen erstmals die Möglichkeit zur gesellschaftlichen

und ökonomischen Teilhabe bietet. In vielen Ländern Afri-

kas gleicht das Handy Defizite in der Infrastruktur dieser

Länder aus.

16 / Länderreport

52° NORD

27 / 52° LIVE

Online-Special: Digitalisierung im Geschäftsbanking

Die Digitalisierung macht auch vor Bankdienstleistungen

nicht Halt – im Privat- wie im Firmenkundengeschäft. Un-

ser neues Special beleuchtet, wie die NORD/LB sich derzeit

für die digitale Zukunft rüstet.

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25 / Interview

„Besser und schneller sein, dem Kunden ganz besondere Services bieten“

Die IRSH Group zählt seit einigen Jahren zu den Marktführern im Bereich für Smart Repair Services. Die Holding wuchs mit einer klugen und mutigen Übernahmestrategie. Die Hintergründe die-ser Entwicklung und die Rolle von PE-Häusern erläutert Thomas Küsel, Geschäftsführer der Dent Wizard GmbH, im Gespräch.

12 / Gespräch im Foyer

„Abwesende führen oftmals Abwesende“

Klassische Bürozeiten sind in der digitalen Arbeitswelt

bereits heute in vielen Branchen Schnee von gestern. Doch

wie verändert sich dadurch das betriebliche Lernen? Im

Gespräch im Foyer diskutieren Barbara Lechtenfeld, Prof.

Dr. Dirk Ifenthaler und Hendrik Kars über die Herausforde-

rungen auf dem Weg zu neuen Lernformen.

23 / Interview

„Wann verkaufen, wenn nicht jetzt?“

Die Auctus Capital Partners AG in München zählt zu den

führenden Beteiligungsgesellschaften für den deutsch-

sprachigen Mittelstand. Im Gespräch erläutert Dr. Ingo

Krocke, Geschäftsführer der Auctus Capital Partners AG,

die besondere Philosophie des Unternehmens jenseits der

bloßen Jagd nach Rendite.

Private Equity

Die PE-Branche war in Deutschland lange Zeit nicht son-

derlich gut gelitten – galt sie doch als Investor, der Unter-

nehmen im Rahmen von Übernahmen weniger entwickeln

wollte, als vielmehr möglichst viel Rendite suchte. Diese

Einstellung hat sich seit der Finanzkrise verändert.

22 / NORD/LB Story

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Die smarte Revolution im Kundendienst

Datenbasierte Dienstleistungsangebote – kurz Smart Services – entwickeln sich zum neuen Standbein der deutschen Wirtschaft.

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Let‘s go smart! Diese Parole beherrscht derzeit wohl alle

Diskussionen rund um die Vernetzung von Maschinen

sowie die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten. Auch

für deutsche Unternehmen gewinnt die Schaffung neuer

digitaler Geschäftsmodelle mit intelligenten Produkten

zunehmend an Priorität – Stichwort Industrie 4.0, auch be-

kannt unter der Bezeichnung „Das Internet der Dinge“. Sen-

soren oder Apps vernetzen in Zukunft alles mit allem und

tauschen Informationen aus. Big Data, künstliche Intelli-

genz und Cloud-Anbindungen machen es möglich. Laut den

Analysten des IT-Marktforschungs-Unternehmens Gart-

ner werden weltweit im Jahr 2020 knapp 20,5 Milliarden

Maschinen, Fahrzeuge oder andere „Dinge“ vernetzt sein

und miteinander kommunizieren. Zum Vergleich: Aktuell

dürften es bereits 8,4 Milliarden sein. Dazu zählen Smart

TVs oder Sicherheitskameras genauso wie der Container,

der dank seiner Sensoren und RFID-Chips weiß, wann

und wohin die Reise gehen soll. Das Geschäftspotenzial ist

gewaltig. Die Softwarefirma Cisco spricht von 14 Billionen

Dollar, die sich bis zum Jahr 2022 mit solchen vernetzten

Systemen und Produkten verdienen lassen. Doch was hilft

die modernste Technik, wenn die dazu passenden Dienst-

leistungen nicht angeboten werden? Zwei Beispiele aus dem

Bereich Smart Home machen dies deutlich: Ein mit Senso-

ren bestückter intelligenter Kühlschrank, der erkennt, dass

gerade Milch, Butter und Bier zur Neige gehen, bietet nicht

wirklich einen Mehrwert, wenn kein Lieferdienst exis-

tiert, bei dem alles automatisch nachbestellt werden kann.

Wenig Sinn machen ebenfalls vernetzte Heiz-Thermostate,

die zwar das Haus bedarfsgerecht automatisch heizen und

Daten über den Verbrauch liefern, es aber niemanden gibt,

der sie vorausschauend erwartet und erkennt, dass gerade

ihre Batterien dringend ausgetauscht werden müssen.

Revolution im AftersalesIm Windschatten von Industrie 4.0 und dem „Internet der

Dinge“ haben sich deshalb zahlreiche neue Dienstleis-

tungsangebote etabliert, die sogenannten Smart Services.

„Beides gehört meines Erachtens untrennbar zusammen“,

lautet dazu die Einschätzung von Thomas Meiren. „Denn

alleine dadurch, dass Maschinen und Geräte mit Senso-

ren ausgestattet werden und anschließend munter Daten

produzieren, entsteht weder ein Mehrwert für die Anbieter,

noch für die Kunden“, so der Leiter Dienstleistungsent-

wicklung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft

und Organisation (IAO) in Stuttgart. „Erst die Aufbereitung

in Form von intelligenten und marktfähigen Dienstleis-

tungen sichert den Erfolg solcher Investitionen.“ Smart

Services gelten daher schon lange nicht mehr als eine

reine Pflichtübung. Vielmehr werden sie als integraler

Bestandteil einer strategischen und profitablen Unterneh-

mensentwicklung wahrgenommen und revolutionieren

gerade den Bereich Aftersales. Das geht einher mit einer

veränderten Sichtweise auf die Wertschöpfungsprozesse:

Es sind nicht länger nur die materiellen Produkte, sondern

immaterielle Dienstleistungen, die sich dabei als Wachs-

tumstreiber herauskristallisieren. Wie so etwas aussehen

kann, erklärt Experte Meiren: „Beispiele dafür sind etwa

die Analyse kritischer Daten, das Kundenprofiling und

-tracking sowie die Fernüberwachung und -diagnose von

Maschinen. Nicht selten werden solche Smart Services

über digitale Plattformen erbracht, und zwar nicht nur

im Konsumentenbereich, wie etwa die bekannten Ver-

kaufs- und Auktionsplattformen im Internet, sondern

zunehmend auch im unternehmensnahen Bereich.“

Smart Services erlauben die Entwicklung von Angeboten,

die die Kunden zeitnah erreichen und darüber hinaus

perfekt auf ihre Bedürfnisse hin abgestimmt sind. Sie

52° NORD

Informationstechnologie wird im Maschinenbau zum zentralen Bestandteil.

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zeichnen sich durch schnelle Release-Zyklen aus und haben

den Vorteil, dass sie ständig an sich ändernde Heraus-

forderungen angepasst und neu skaliert werden können.

Dabei geht es nicht einfach nur um die Veredelung bereits

bestehender Dienstleistungen. „Smart Services werden in

der Regel vollkommen neu sein“, betont Dr. Mathias Weber.

„Die Bereitstellung erfolgt ‚as a service‘, also bedarfsgerecht

und flexibel, und genau hier liegt ihr besonderer Mehrwert“,

so der Bereichsleiter IT-Services beim Bundesverband Infor-

mationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien

e. V. (BITKOM). „Der Anwender muss keine besondere Infra-

struktur vorhalten – er nutzt die Services in dem Augenblick,

wenn er sie benötigt.“ Gerade im B2B-Bereich ist das wichtig.

Die Kunden erwarten eine direkte Reaktion auf Servicean-

fragen – andernfalls drohen ihnen Ausfälle in der Produk-

tion, verfehlte Auftragsziele oder sogar Regressansprüche.

Flottenmanagement per InternetDer Reinigungsmaschinenhersteller Kärcher hat mit

seinem Web-basierten Flottenmanagementsystem Kärcher

Fleet einmal vorexerziert, wie so etwas konkret funkti-

onieren kann. Zum einen bietet das Unternehmen eine

Positionsermittlung für jede einzelne Maschine an. Das

ermöglicht nicht nur ihren gezielteren und schnelleren

Einsatz, sondern verhindert zugleich den Verlust durch

Diebstahl und sonstige Einwirkungen – angesichts der

Tatsache, dass pro Jahr rund 10 Prozent aller Geräte

verloren gehen, ein nicht zu unterschätzendes Feature.

Das Kärcher Fleet-System informiert die zuständigen

Mitarbeiter seiner Kunden sofort, sobald eine Reinigungs-

maschine ein zuvor definiertes Areal verlässt. Darüber

hinaus sammelt es Daten über die Zahl der Betriebsstunden

und den Auslastungsgrad, was wiederum Rückschlüsse

über den Verschleiß zulässt oder durch den Abgleich mit

Einsatzplänen die Option mit sich bringt, vielleicht ein

leistungsfähigeres Gerät, das woanders nicht gebraucht

wird, zu empfehlen und umzuleiten. Die Kommunikation

mit den Reinigungsmaschinen in Echtzeit verkürzt zudem

die Ausfallzeiten bei Defekten, da der Servicetechniker

bereits vor der Anfahrt weiß, welche Probleme vorliegen. So

kann er die entsprechenden Ersatzteile mitbringen und vor

Ort auswechseln. Das spart viel Zeit. Für das Tagesgeschäft

von Gebäudereinigungsfirmen, die in einem Umfeld agie-

ren, das extrem wettbewerbsintensiv ist, bringt Kärcher

Fleet also mehr Transparenz in das Tagesgeschäft. Ferner

lassen sich zahlreiche Prozesse optimieren und dadurch

Kosten einsparen. Genau darin liegt für den Kunden der

Mehrwert bei dieser Variante eines Smart Services‘.

Doch die Voraussetzung für die Bereitstellung von Smart

Services ist keinesfalls eine rein technische. „Kluge“ Dienst-

leistungen bringen auch einen Perspektivenwechsel in

den Anbieter- und Kundenbeziehungen mit sich. Immer

noch ist die Mehrzahl der Aktivitäten zur Verbesserung des

eigenen Kundendienstes allein auf die Effizienzsteigerung

Smart Services

Kontrolle ist alles – Industriearbeitsplatz von morgen.Alf

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Installierte Internet of Things-Geräte bis 2020 (in Mio. US-Dollar)

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Endkunden B2B: branchenübergreifend B2B: branchenintern

fokussiert. Es gilt aber, proaktiver auf Bedürfnisse seiner

Abnehmer einzugehen als früher. Und die muss man natür-

lich erst einmal erkennen können. Denn der Kunde ist der

eigentliche Treiber dieser Entwicklung. Deshalb ist ein stän-

diger Kontakt und Austausch notwendig, um den Wechsel

von produkt- hin zu nutzerzentrierten Geschäftsmodellen

einzuleiten. „Transparenz und Vertrauen bilden die Basis

zwischen Anbietern und Nutzern von Smart Services“, ist

Dr. Weber von BITKOM überzeugt. „Das bezieht sich vor

allem auf das Geschäftsmodell, also die Darstellung des

Kundennutzens, der Service-Erstellungsprozesse und des

Erlösmodells. Da Dienstleitungen vielfach schwerer zu

messen und zu bewerten sind als Produkte, stellt die Trans-

parenz hohe Anforderungen an die Anbieter. Sie müssen

mit der Qualität ihrer Services in der Praxis beweisen, dass

sie das Vertrauen ihrer Kunden verdienen.“ Genau das wirft

viele Fragen auf. Vor allem Sicherheitsbedenken gilt es

zu zerstreuen. „Smart Services führen dazu, dass Unter-

nehmen mehr Informationen über ihre Kunden erhalten“,

skizziert Fraunhofer-Experte Meiren die Ausgangslage.

„Der sichere Umgang mit den Daten ist meines Erachtens der

derzeit problematischste Bereich bei der Entwicklung neuer

Angebote.“ Die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die im

Mai 2018 in Kraft tritt, soll da Abhilfe schaffen. „Auch wenn

sie in Teilen zurecht kritisiert wird, so bringt sie im Gegen-

zug doch klare Regeln im Umgang mit Daten. Für Unterneh-

men ist es deshalb umso wichtiger, sich frühzeitig mit den

daraus entstehenden Anforderungen zu befassen und nicht

erst, wenn die Verordnung bereits in Kraft getreten ist.“

Neue Player rücken ins BildAber auch auf der Kundenseite muss man sich mental

umstellen. „Es ist in der Tat so, dass sich Entscheider daran

gewöhnen müssen, Smart Services in Anspruch zu nehmen

und darauf zu verzichten, die dafür erforderlichen Maschi-

nen und Ausrüstungen im eigenen Unternehmen vorzuhal-

ten“, erklärt Dr. Weber. „Das erfordert schon eine Verän-

derung im Denken und auch ein großes Vertrauen in die

Lieferbereitschaft des Service-Anbieters. Vielfach werden

sich diese einer Zertifizierung unterziehen müssen, um die

Sicherheit und Gesetzeskonformität ihrer Dienstleistungen

gegenüber den Kunden auszuweisen und so das Verhältnis

zwischen beiden zu stärken.“ Die eigentliche Herausforde-

rung werden aber die neu entstehenden Serviceplattformen

sein, über die beispielsweise zukünftig unternehmensna-

he Dienstleistungen wie etwa Wartung und Reparaturen

von Maschinen bezogen werden. Davon jedenfalls ist

Fraunhofer-Experte Meiren überzeugt: „In letzter Konse-

quenz würde dies heißen, dass sich der Plattformanbieter

zwischen Anbieter und Kunden schiebt und viele, vor

allem kleinere und mittlere Unternehmen ihren direkten

Kundenzugang verlieren.“ Dass dies keine Utopie ist, hat

sich bereits im Konsumentenbereich gezeigt. „Dort haben

Plattformanbieter wie Amazon mittlerweile eine markt-

beherrschende Stellung erreicht.“ Die Betreiber derartiger

Service-Plattformen werden zu Maklern von Smart Services

und haben somit auch die Kontrolle über die Schnittstellen

zwischen Anbietern und Kunden. Das Bundesministerium

für Wirtschaft und Energie hat dafür eigens die Initiative

„Smart Service Welt“ ins Leben gerufen, um prototypische

Lösungen zu entwickeln und Handlungsempfehlungen

für eine Umsetzung solcher Plattformen zu definieren.

Das Thema „kluge“ Dienstleistungen ist keinesfalls auf eini-

ge Industriezweige beschränkt und wird weder an großen

noch an kleinen und mittelständischen Unternehmen spur-

los vorbeigehen. „Smart Services betreffen alle Branchen,

jedoch vor allem das verarbeitende Gewerbe“, sagt Meiren.

„Hier bietet sich die Möglichkeit, die produzierenden Maschi-

nen und Anlagen mit ‚Smart Devices‘ wie Sensoren, Aktoren

und Datenloggern auszustatten und aufzuwerten, um dann

Ausgaben für Internet of Things bis 2020 (in Mio. US-Dollar)

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Endkunden B2B: branchenübergreifend B2B: branchenintern

Quelle: Gartner (Januar 2017) Quelle: Gartner (Januar 2017)

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10 / Smart Services

anschließend mit digitalen Dienstleistungen neue Umsätze

zu generieren.“ Predictive Maintenance nennt sich diese

neue Königsdisziplin in Sachen Dienstleistungen. An-

wender wollen nicht warten, bis Maschinenkomponenten

ihren Geist aufgeben. Sie einfach auf Verdacht regelmäßig

auszutauschen ist dagegen recht kostspielig. Die datenba-

sierte und vorausschauende Instandhaltung aber erlaubt

korrigierende Eingriffe ohne die ansonsten üblichen Aus-

fallzeiten. Zudem lassen sich kontinuierlich Erkenntnisse

über Schwachstellen sammeln und Verbesserungsmög-

lichkeiten identifizieren, die letztendlich Anbietern und

Kunden gleichermaßen zugutekommen. Außerdem ist das

klassische Geschäft mit Ersatzteilen und konventionellen

Wartungsarbeiten nicht mehr so lukrativ wie früher. Zwar

macht es laut einer Studie von Roland Berger immer noch

rund 42 Prozent der Maschinenbau-Umsätze aus, jedoch

sinken seit Jahren aufgrund der hohen Standardisierungs-

grade sowie von Drittanbietern auf dem Markt die Margen.

Genau deshalb gewinnen Smart Services, die zudem eine

Performance-Steigerung erlauben, für die Unternehmen

an Bedeutung. Das bestätigt gleichfalls eine Untersuchung

der Analysten von McKinsey, die Predictive Maintenance

als eines der relevantesten Anwendungsfelder im Rahmen

von Industrie 4.0 nennen. Zum einen gehen sie von einer

Reduzierung der Wartungskosten von Maschinen und

Anlagen von bis zu 40 Prozent sowie einer glatten Halbie-

rung der Ausfallzeiten aus. Zum anderen beziffern sie das

sich dadurch ergebende Einsparungspotenzial im Verar-

beitenden Gewerbe auf satte 630 Milliarden Dollar im Jahr.

Die Zukunft ist digital – überallVielfältige Anwendungsbereiche existieren aber auch

außerhalb der Industrie. „Wenn sich das Geschäftsmo-

dell Smart Services im Geschäftskundenbereich des

verarbeitenden Gewerbes bewährt und etabliert hat,

wird es schnell auch auf andere Branchen übertragen

werden“, glaubt Dr. Weber. „Landwirtschaft, Tourismus

und die Gesundheitswirtschaft sind dafür Kandidaten,

aber ebenfalls die Bereiche Arbeit, Freizeit und Bildung.“

Darauf ist ebenso die Förderinitiative ausgelegt – sie

greift weit über die Industrie hinaus. Auch Fraunho-

fer-Experte Meiren sieht viele Möglichkeiten: „Spannende

Anwendungen sind in der Tat im städtischen Bereich

zu beobachten – etwa mit Anwendungen in den Berei-

chen Stadtreinhaltung, Steuerung von Verkehrsflüssen

und Parkplatzmanagement.“ Schon jetzt werden in

urbanen Zentren viele Daten gesammelt und weiter-

gegeben, die sich beispielsweise auf den Zustand der

Straßen oder das Verkehrsaufkommen beziehen. „Oder

im Bereich der Medizintechnik und des Gesundheits-

wesens. Gerade auf Basis der sogenannten Wearables,

also der Fitnessarmbänder und Smart Watches, sind

zahlreiche neue Dienstleistungen denkbar.“ Wohin die

Smart-Services-Revolution genau führen wird, darüber

lässt sich derzeit noch viel spekulieren. Aber eines weiß

man bereits heute genau: Die Anfänge sind gemacht.

Wachstumsmarkt Robotics.

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Hannover Messe-Studie: Digitalisierung, Industrie 4.0 und neue Geschäftsmodelle

Ein Interview mit Thomas Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Rovema GmbH in Fernwald.

Nicht nur Maschinen werden zu Lösungen, die Di-

gitalisierung wirbelt derzeit die kompletten Unter-

nehmens- und Branchenstrukturen der deutschen

Industrie durcheinander. Die Studie „Tech Trends In-

dustrie 4.0“, die der Verband Deutscher Maschinen- und

Anlagenbau e. V. (VDMA) im Auftrag der Hannover

Messe durchführte, beschäftigt sich mit Zustand, Ent-

wicklung des technologischen Reifegrads und dem

wirtschaftlichen Potenzial von 39 Industrie 4.0-Tech-

nologien in der deutschen Unternehmenslandschaft.

Befragt wurden 106 Industrieunternehmen in einer Selbst-

einschätzung des aktuellen Reifegrads verschiedener

Technologien in ihrem Unternehmen sowie deren aktueller

und zukünftiger wirtschaftlicher Bedeutung. Demnach hat

jedes dritte Unternehmen marktfähige „Smart Products“

im Angebot – Industrie 4.0 ist in der Breite angekommen.

Industrie 4.0-Technologien lassen sich gemäß der inzwi-

schen weit verbreiteten „VDMA-Systematik“ in die vier

Bereiche „Smart Factory“, „Smart Operations“, „Smart Pro-

ducts“ sowie „Data-driven Services“ unterteilen. Der Fokus

bei der Entwicklung von Industrie 4.0-Technologien liegt

dabei auf dem Bereich „Smart Products“. Fast jedes zweite

Unternehmen hat mindestens Produkte in der Erprobungs-

oder Pilotphase, jedes dritte Unternehmen hat marktfä-

hige Produkte im Angebot. Insbesondere bei der Analyse

der Einzeltechnologien wird deutlich, dass inzwischen

für sämtliche Bereiche mindestens Insellösungen, in der

Regel jedoch schon ausgereifte und marktfähige Anwen-

dungen existieren. Industrie 4.0 ist kein Hype – sondern

in vielen Industriebetrieben inzwischen gelebte Realität.

Der Einsatz von Industrie 4.0-Technologien gewinnt in

den kommenden drei Jahren bei der Realisierung von

Effizienz- und Umsatzpotenzialen massiv an Bedeutung.

Alle im Rahmen dieser Studie untersuchten Technologien

werden in den nächsten drei Jahren an wirtschaftlicher

Bedeutung gewinnen. Bereits heute wird die wirtschaft-

liche Bedeutung sämtlicher bewerteter 39 Technologi-

en von den Befragten mit durchschnittlich 43 von 100

Punkten eingestuft. Die erwartete durchschnittliche

wirtschaftliche Bedeutung in drei Jahren liegt bei 64

Punkten. Dies entspricht einem Anstieg von ca. 50 Prozent.

Neue Geschäftsmodelle im VisierSpitzentechnologien im Sinne des Bedeutungszuwachses

sind „Virtual & Augmented Reality“, „Predictive & Pre-

ventive Maintenance“ sowie die „Mustererkennung von

unstrukturierten Daten“. Diese drei Technologiefelder

stehen als Synonym für eine deutliche Portfolioerweite-

rung innerhalb der produzierenden Industrie. Nutzung

und Angebot dieser Technologien bedeuten für Unterneh-

men eine große Chance, beispielsweise durch eine Ser-

vice-/Produktportfolioerweiterung, und können somit die

Grundlage für ein neues oder erweitertes Geschäftsmodell

sein. Zusätzlich können die Anwender der Technologien

durch die Vereinfachung von Arbeitsschritten oder Infor-

mations- und Erkenntnisgewinn für die Verbesserung der

Produktivität einen deutlichen Nutzengewinn erzielen.

Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, entsprechende

Projekte mit hoher Priorität zu starten und diese nach

Möglichkeit schnell zu implementieren, um die wirt-

schaftlichen Potenziale der Technologien zu realisieren.

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„Abwesende führen oftmals Abwesende“Ein Interview mit Barbara Lechtenfeld von der Malik Akademie in St. Gallen und Prof. Dr. Dirk Ifenthaler von der Uni Mannheim über die Zukunft des betrieblichen Lernens.

Frau Lechtenfeld, was sind die

Zielsetzungen in Sachen Ler-

nen an der Malik Akademie?

Lechtenfeld: Ich arbeite bei Malik

Management in St. Gallen. Unser

Unternehmen ging ursprünglich

vor 40 Jahren aus der Uni St. Gallen

hervor. Zu den größten Herausfor-

derungen von Management gehören

die exponentiell steigende Komple-

xität und die Dynamik des Wandels

der heutigen, global vernetzten Sys-

teme. Wir sind eine Unternehmens-

beratung mit dem Schwerpunkt auf

General Management und bieten

in diesem Bereich Consulting und

Education. Ich persönlich verant-

worte den Bereich Lernprogramme,

worunter wir multimedial gestütz-

tes Lernen verstehen auch Blended

Learning genannt. Dies bieten wir

im Bereich General Management

an, wobei wir Management als das

Organ der Führung in all unseren

gesellschaftlichen Institutionen – im

Wirtschaftsunternehmen ebenso

wie in der Universität, im Kran-

kenhaus, in der Stadt und in allen

anderen Organisationen verstehen.

Was machen Sie dabei konkret?

Lechtenfeld: Richtiges und gutes

Management verstehen wir als jene

gesellschaftliche Funktion, die die

Organisationen und Systeme einer

Gesellschaft dazu befähigt, richtig

Prof. Dr. Dirk Ifenthaler, Hendrik Kars und Barbara Lechtenfeld im Gespräch.

Gespräch im Foyer

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zu funktionieren. Zu diesem umfas-

senden Verständnis von Manage-

ment gehört auch das Befähigen

von Menschen, ihren Beitrag zum

richtigen Funktionieren ihrer Orga-

nisationen zu leisten. Dabei bieten

wir unterstützend unsere Lernpro-

gramme als Aus- und Weiterbildung

für die Führungskräfte an. Blended

Learning und E-Learning bieten sich

hier besonders an, da sich die Unter-

nehmenswelt stark verändert. Der

Hintergrund ist denkbar einfach:

Manager haben heute immer weni-

ger Zeit, Abwesende führen oftmals

Abwesende. Daher spielen die digita-

len Medien eine immer größere Rolle.

Professor Ifenthaler, Sie zählen zu

den renommiertesten Forschern in

diesem Bereich, was sehen Sie?

Ifenthaler: Ich bin der Lehrstuhlin-

haber für Wirtschaftspädagogik

mit einem besonderen Fokus auf

Technologie-basiertem Instrukti-

onsdesign an der Uni Mannheim.

Dieses ist in einer der renommier-

testen deutschen Business-Schools

angesiedelt. Als das Thema vor 20

Jahren aufkam, war ich eigentlich

überzeugt, dass sich die digitalen

Lernmöglichkeiten viel schneller

durchsetzen würden. Ich lag falsch.

Inwiefern verbessern die digitalen

Medien betriebliches Lernen?

Ifenthaler: Also es gibt nicht unbe-

dingt klare Evidenzen, die zeigen,

dass der Einsatz von E-Learning

im Unternehmen Produktivität

und Innovationskraft steigert.

Die Wirkzusammenhänge sind

noch gar nicht ganz klar. Den-

noch bin ich davon überzeugt,

dass es der Weg der Zukunft ist.

Durch das Thema Industrie 4.0

ist in den letzten Jahren eine

völlig neue Diskussion darüber

entstanden, wie Lernformen der

Zukunft aussehen müssen.

Ifenthaler: Lernen bedeutet Verän-

derung. Wer lernt, verändert seine

kognitiven Strukturen und damit

sein Verhalten. Will sagen, Lernen

ist letztlich Veränderung und Verän-

derung ist das einzige, was persis-

tent ist – gerade im heutigen Umfeld.

Zugleich hat die Veränderung, wie

sie Industrie 4.0 in Gesellschaft und

Arbeitswelt bringt, einen großen

Einfluss darauf, wie man lernt. Wir

sehen derzeit, dass sich die Art, wie

in Schule und Arbeitswelt gelernt

wird, verändert. Das heißt, das

alte Modell einer Ausbildung mit

16 Jahren und der anschließen-

den kontinuierlichen beruflichen

Karriere gibt es nicht mehr. Heute

tritt lebenslanges Lernen in den

Vordergrund. Und über die digitalen

Medien rückt das informelle, prü-

fungsfreie Lernen in den Vorder-

grund, was auch zum Austausch

mit Kollegen zu Lernerfahrungen

führt. Industrie 4.0 fordert uns

mehr heraus, lebenslang zu lernen,

selbstgesteuert zu lernen, auch

die Lernmotivation mitzubringen,

sich weiter zu entwickeln, und hier

entsteht eine ganz neue Lernkultur.

Auf welche Probleme bzw.

Schwierigkeiten stoßen Sie

in Organisationen heute?

Lechtenfeld: Ein großes Hindernis

sind heute die starren Strukturen

und Hierarchien. Die klassische

Karriere entlang der Hierarchie-Lei-

ter innerhalb ein und desselben

Unternehmens gibt es kaum noch.

Heutzutage ist alles kurzlebiger, die

Jobs werden häufiger gewechselt,

es gibt mehr Unsicherheit, daher

ist Flexibilität heute zentral. Ein

Thema dabei ist die Selbstmoti-

vation. In meiner Praxis stoße ich

an diesem Punkt bei vielen immer

noch auf große Probleme. Nicht

alle Menschen sind selbstmotiviert,

nicht alle sind gleich streng mit

sich selbst, woraus häufig der Wille

zur Weiterbildung erst entsteht.

Oftmals werden Teilnehmer vom

Arbeitgeber in Seminare geschickt

und nehmen weniger aus intrin-

sischer Motivation heraus teil.

Wie kann man darauf reagieren?

Lechtenfeld: Das ist eine große He-

rausforderung gerade in Bezug auf

die neuen elektronischen Medien

sowie deren didaktischen Auf bau

und die Zusammenstellung der

Lerninhalte. Man muss eine Lern-

situation schaffen, die die Leistung

ermöglicht, Orientierung bietet und

vor allem nicht demotiviert. Der

Leistungswille muss aber dann vom

Lernenden selber kommen. Warum

benutzen so viele Facebook und wa-

rum so wenige manche Lernplattfor-

men? Durch die neuen Generationen,

die derzeit mit einer ganz anderen

Affinität zu diesen Medien aufwach-

sen und diese anders nutzen, wird

sich das ändern. In meinem Bereich

arbeite ich mit Führungskräften,

die oftmals noch aus anderen

Generationen stammen und diese

Affinität nicht immer mitbringen.

Werden sich die Digital Natives

wirklich leichter tun mit den di-

gitalen Lernmöglichkeiten?

Ifenthaler: Ich bin skeptisch. Na-

türlich bringt diese Generation die

Affinität ganz klar mit, sie kennt

ja nichts anderes als das Inter-

net. Allerdings muss man wissen,

wie man lernt und wie man diese

Medien sinnvoll einsetzen kann

für das eigene Lernen. Und hier

sehe ich große Defizite. Die neue

Generation ist zwar medienaffin,

also kann mit dem Smartphone

Apps bedienen usw., aber auf der

anderen Seite kann sie sich nicht

strukturiert und selbstorgani-

siert im Lernkontext bewegen.

Hinzu kommt außerdem die Lern-

motivation. Intrinsische Lernmoti-

vation ist die eine Seite, extrinsische

die andere. Wenn jemand vom Unter-

nehmen zur Weiterbildung geschickt

wird, ist das natürlich ein sehr stark

extrinsisches Instrument. Hinzu

kommen dann noch Incentives, also

beispielsweise andere Karrierewe-

ge im Unternehmen aufgrund von

Weiterbildung. Oder es kann auch

in den Medien selbst ein Incentive

drinstecken, der den Nutzer intrin-

sisch motiviert, weiter zu machen

beim Lernen. Das Stichwort lautet

hier Gamification. Man versucht,

die Inhalte so zu präsentieren, dass

der Lernende von sich aus weiter-

machen möchte. Dazu muss man

den Spielcharakter integrieren und

kann sich international mit Gleich-

52° NORD

Page 14: Smart Services - Die norddeutsche Art. - NORD/LB...für die digitale Zukunft rüstet. ... Die Kommunikation mit den Reinigungsmaschinen in Echtzeit verkürzt zudem die Ausfallzeiten

14 /

lernenden messen und versuchen,

einen Highscore zu erreichen. Hier

gibt es viele Möglichkeiten, die

uns die digitale Welt bietet und

wir haben mehr Möglichkeiten,

Lernszenarien aufzubauen und

natürlich didaktisch auch umzuset-

zen. Aber oft ist es leider noch nicht

umgesetzt. Das ist das Problem.

Verändert sich an der Stelle

auch das Bild, was Lernen be-

deutet – also weg von der reinen

Vermittlung von Inhalten zu ins-

gesamt spielerischen Ansätzen?

Ifenthaler: Das ist nur eine Seite. Wer

künftig nicht lernt, wird in dieser

digitalen Welt auch nicht mehr be-

stehen können und läuft Gefahr, mit

seinem Arbeitsplatz abgehängt zu

werden. Durch Industrie 4.0 verän-

dern sich die Produktionsprozesse

und auch der Fabrikarbeiter von

morgen muss sich mit neuen digita-

len Technologien auskennen. Dazu

gehört zu lernen, mit diesen Medien

umzugehen. Das heißt, hier hat man

wieder diese externe Komponente.

Auf der anderen Seite steht die Frage,

wie Lernen definiert wird, ganz klar

im Vordergrund. Und Lernen wird

heute anders definiert als vor 40

Jahren. Noch Ende der 1960er Jahre

hat man Lernen eher als Ablagerung

von Wissen betrachtet. Mittlerweile

betrachtet man Lernen als konstruk-

tiven Prozess, der versucht, Infor-

mationen zu verarbeiten und diese

konstruktiv und vernetzt weiter zu

entwickeln bzw. zu verteilen. Man

lernt dann nicht nur für sich selbst,

sondern auch letztendlich im ver-

netzten Kontinuum und teilt seine

Informationen, beispielsweise wenn

man ein Video produziert und dieses

den Kollegen zur Verfügung stellt.

Haben Sie auf konkreter Ebene

schon Erfahrungen mit dem Ein-

satz von Gamification-Methoden?

Lechtenfeld: Gamification nutzen

wir weniger, was wir hingegen

häufiger einsetzen, sind Blended

Learning-Programme. Das heißt

eine Kombination aus Präsenz- und

online-gestützten Selbstlernpha-

sen, die mit Hilfe von interaktiven

Lernmodulen (Web based Trainings)

und tutorieller Betreuung über eine

Lernplattform abgebildet werden.

Präsenzphasen, auch in Form von

Veranstaltungen in virtuellen Klas-

senräumen, sind in meinen Augen

nach wie vor wichtig. Die Teilnehmer

verlieren sonst oft den Anschluss,

wenn sie über einen längeren Zeit-

raum sich selbst überlassen sind

und keinen Kontakt zu Mitlernen-

den oder zum Trainer/Tutor haben.

Daher setzen wir einen besonderen

Schwerpunkt auf die Betreuung

während der Selbstlernphasen. Wir

haben jeweils Tutoren, die die Kurse

betreuen und jederzeit Fragen zum

Lerninhalt, zur Organisation oder

zur Technik beantworten können.

Konkret stellt sich das wie folgt dar:

Die Teilnehmer erlernen in inter-

aktiven Lernmodulen online die

Inhalte. Dabei werden sie von einem

professionellen Tutor betreut, der sie

über die gesamte Dauer der Durch-

führung begleitet. Die Teilnehmer

diskutieren ihre Lernfortschritte

über die Online-Plattform mit ihren

Mitlernern. Ein Abschlusstest stellt

den Lernerfolg sicher. Damit die ko-

gnitiv erfassten Inhalte in die Praxis

umgesetzt werden können, ist es

notwendig, dass die neuen Techni-

ken und Methoden eingeübt werden.

Dafür werden Präsenzveranstaltun-

gen genutzt. Die gelernten und ein-

geübten Techniken und Methoden

werden bereits während der Ausbil-

dung in der Selbstlernphase laufend

im Arbeitsalltag des jeweiligen

Unternehmens eingesetzt und per-

fektioniert. Es geht vor allem auch

darum, eine Verhaltensänderung

zu erzielen. Man lernt nicht nur, um

zu wissen, sondern um zu können.

Durch diese Art des Blended

Learning werden die Vorteile

vom Online-Lernen und vom

Präsenz-Lernen verknüpft. Die

Prozessgestaltung sowie effektive

Methoden zur Transfersicherung

des Gelernten in den Arbeitsalltag

sind von besonderer Bedeutung.

Wie misst man dann

den Erfolg?

Ifenthaler: Ich würde es

eher als Assessment be-

zeichnen, das ist allerdings

ein großer Bereich, der oft

falsch verstanden wird.

Früher ist man davon

ausgegangen, Assessment

am Ende summativ durch-

zuführen. Das heißt, man

versucht, die Wirkung der

Weiterbildungsmaßnahme

am Schluss zu messen. Sei

es Faktenwissen oder das

Können über eine projekt-

basierte Aufgabe, die gelöst

wurde. So kann man sum-

mativ überprüfen, ob die

Kompetenz erreicht wurde.

Gespräch im Foyer

Prof. Dr. Dirk Ifenthaler

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/ 15

Zur Person Dirk Ifenthaler

… ist Professor für Learning, Design and Technology in der Business School der Universität Mannheim und Adjunct Pro-

fessor an der Deakin University, Australien. Sein Forschungsschwerpunkt verbindet Fragen der kognitiven Psychologie,

Lernforschung, Bildungstechnologie und Data Science. Professor Ifenthaler ist Editor-in-Chief der Springer Zeitschrift

Technology, Knowledge and Learning (www.ifenthaler.info).

Barbara Lechtenfeld

… ist Consultant und Educator bei der Malik in St. Gallen. Sie beschäftigt sich mit Management-Education und

Management-Consulting insbesondere in der Fortbildung von Führungskräften. Barbara Lechtenfeld studierte Wirt-

schaftswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen und machte eine Zusatzausbildung im Bereich Medientech-

nik und Medienpädagogik.

Mittlerweile allerdings geht

man in Richtung formati-

ver Assessments. Man sam-

melt während des Lernpro-

zesses immer wieder Daten

über die Performance und

die Leistung des Lernens

und gibt Rückmeldung in

Echtzeit des Lernprozes-

ses, damit es im laufenden

Prozess optimiert werden

kann. Das Digitale bringt

hier völlig neue Aspekte

rein. Im virtuellen Klassen-

zimmer sieht man direkt,

wie die Personen interagie-

ren und daraus kann man

Rückschlüsse ziehen auf

das Lernen und das Ver-

halten der Person sowie die

Lernprozesse. Über Big Data erwarten

wir für die Zukunft Aussagen über

die Zukunft solcher Lernmethoden.

Das wäre ja dann quasi Predic-

tive Learning. Gibt es das?

Ifenthaler: Das ist ein neuer For-

schungskontext, der sich aktuell ent-

wickelt. Man versucht dabei, persona-

lisierte adaptive Lernumgebungen zu

generieren, die vorhersagen können,

inwiefern ein Teilnehmer erfolgreich

bzw. nicht erfolgreich sein wird bzw.

wann er Lernhilfen benötigt. Man

sieht dann sehr genau, wann eine

Lernmotivation in den Keller geht

und man kann eingreifen. Und dies

ermöglichen Online-Systeme optimal,

weil wir die Daten in der Hinterhand

haben bzw. dann auch die Kommuni-

kationswege haben, mit den Personen

zu arbeiten. Letztendlich wird es

eine Art Facebook zum Lernen sein.

Haben Sie denn den Eindruck,

dass die Unternehmen in Deutsch-

land da weiter oder weniger weit

sind als in anderen Ländern?

Lechtenfeld: Ich würde meinen, dass

die skandinavischen Länder, weil sie

einfach immer Vorreiter im Bereich

von Digitalisierung waren, hier am

weitesten sind. Ich glaube nicht, dass

wir in Deutschland in einer Vorrei-

terrolle sind. Wir können sowohl in

Deutschland als auch in der Schweiz

noch einiges nachholen.

Werden künftig Kreativi-

tät und Freiräume wichtiger

werden auch im Lernen?

Lechtenfeld: Unbedingt, wenn wir an

das neue unsichere Umfeld – Stich-

worte: volatil, ungewiss, komplex,

ambig (VUKA) – denken, ist mehr

Flexibilität entscheidend. Wir be-

rücksichtigen das bereits, indem wir

unsere Management-Trainings indi-

vidualisieren. Wir gehen auf die der-

zeitigen konkreten Probleme in den

jeweiligen Unternehmen ein und bie-

ten den Teilnehmern das Wissen, was

ihnen hilft, mit den jeweiligen Anfor-

derungen umzugehen und Probleme

zu lösen. Dies nennen wir „Enabling“.

An dieser Stelle arbeiten wir eben-

falls bereits sehr viel mit neuen Medi-

en. Aber auch hier gibt es zukünftig

weitere und mehr Möglichkeiten.

52° NORD

Barbara Lechtenfeld

Ach

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16 / Länderfokus: Afrika goes digital

Das Handy als EntwicklungshelferDie Welt wird zunehmend vernetzter. Das gilt auch für viele Länder der Dritten Welt, wo die Digitalisierung Millionen Menschen erstmals die Mög-lichkeit zur gesellschaftlichen und ökonomischen Teilhabe bietet. Eine Reportage über die Hotspots dieser Entwicklung.

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/ 1752° NORD 52° NORD

Not macht wohl nicht nur erfinderisch, sondern offen-

sichtlich auch digital. Das lässt sich derzeit sehr gut

in Afrika beobachten. Gehörte der Kontinent mit der

Ausnahme Südafrikas bei den ersten drei industriellen

Revolutionen eher zu den Verlierern, so sieht es diesmal

überraschenderweise ganz anders aus. Zwar ist man fern

davon, im Rahmen der vierten industriellen Revolution

als Technologietreiber in Erscheinung zu treten. Aber die

Digitalisierung bietet ungeahnte Möglichkeiten, Ent-

wicklungsrückstände zu überwinden und eine unterneh-

merische Dynamik in Gang zu setzen, wie sie bis dato in

Afrika selten zu finden war. Denn trotz Hunger, Armut

und Bürgerkrieg, die zweifelsohne weiterhin in einigen

Ländern herrschen, sind in jüngster Zeit vielerorten

äußerst lebhafte Gründerszenen entstanden, die beispiel-

haft für eine neue Mentalität auf dem Kontinent stehen.

Afrika digitalisiert sichEgal ob in Nairobi, Lagos oder Accra – über alle kulturel-

len und nationalen Grenzen hinweg hat das Internet in

Afrika in den vergangenen zwei Jahrzehnten Menschen

den Zugang zur globalen Wissensgesellschaft ermöglicht,

was nicht ohne Folgen bleiben sollte. Viele junge und

oft gut ausgebildete Afrikaner begannen mit Hilfe von

digitalen Technologien ihr Schicksal fortan selbst in die

Hand zu nehmen und wirtschaftlich aktiv zu werden. Vor

allem in den Bereichen Telekommunikation, Gesundheit

sowie E-Commerce und Finanzdienstleistungen suchen

sie seither nach kreativen Lösungen, die genau auf die

lokalen Bedürfnisse und Möglichkeiten abgestimmt sind.

Beschleunigt wurden diese Prozesse durch die Politik

von Big Playern wie Amazon oder Google, die aufgrund

der maroden Infrastruktur sowie politischer Instabi-

litäten den afrikanischen Kontinent lange links liegen

gelassen hatten. In diese Lücke stießen dann afrika-

nische Anbieter und Gründer mit ihren ganz eigenen,

hausgemachten Angeboten, die die Entwicklung auf dem

Kontinent jetzt vorantreiben und damit so manche Insel

eines bescheidenen Wohlstands geschaffen haben.

„Africa goes digital“ – so heißt die neue Marschrichtung.

„Das Internet und auch der Mobilfunk verbreiten sich in

Afrika sogar schneller als in irgendeiner anderen Region

der Welt“, lautet dazu die Einschätzung von Christoph

Kannengießer. „Den Einfluss, den die Digitalisierung auf

die Entwicklung des Kontinents hat, dürfte selbst durch 50

Jahre Entwicklungshilfe nicht erreicht worden sein“, so der

Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen

Wirtschaft e. V. in Hamburg. „Infrastrukturprobleme wie

fehlende Straßen, Telefon- und Stromnetze werden mit

Hilfe mobiler Technologien überwunden.“ Mit der raschen

Entwicklung von Breitbanddiensten hat sich offensichtlich

nicht nur das Leben der Menschen in den Industrieländern

verändert. Waren dort unmittelbar nach der Jahrtausend-

wende über drei Viertel der Internetnutzer zuhause, so hat

sich das Verhältnis bis heute umgekehrt. Aktuell leben

zwei der drei Milliarden User auf der Welt in einem der

Schwellen- und Entwicklungsländer. Und das hat Folgen.

Laut Weltbank gibt es heute wohl sogar mehr Menschen,

die ein Handy ihr eigen nennen, aber keinen vernünf-

tigen Trinkwasserzugang besitzen. Vielerorten hat die

Mobiltelefonie die Festnetztechnik, die oftmals nirgendwo

vorhanden war, einfach übersprungen. Leapfrogging – zu

Deutsch Bockspringen – nennen Experten dieses Aus-

lassen einzelner Stufen im Rahmen von Entwicklungs-

prozessen. Oder anders formuliert: Innovative digitale

Lösungen stoßen in Afrika rascher auf Zustimmung, weil

es keine alten Techniken und Dienstleistungsstrukturen

gibt, die ihre Verbreitung hätten behindern können.

Afrika digitalisiert sich – und seine Wirtschaft.

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18 / Länderfokus: Afrika goes digital

Quantensprünge in der Entwicklung„Die Digitalisierung entwickelt sich dort häufig innerhalb

eines sehr viel kürzeren Zeitraums“, sagt ebenfalls Dr.

Melanie Stilz. „Während in Europa und den Vereinigten

Staaten Computersysteme und das Internet 30 Jahre

brauchten, um ein immer stärkerer Bestandteil des Alltags

zu werden, vollzieht sich diese Entwicklung in den ärme-

ren Regionen häufig innerhalb nur weniger Jahre“, so die

Projektentwicklerin und Mitbegründerin von Konnek-

tiv, einer Agentur mit Sitz in Berlin, die zu den Themen

Informations- und Kommunikationstechnologien in der

internationalen Zusammenarbeit berät und Koopera-

tionsprojekte durchführt. „Dass mobiles Internet und

Smartphones dabei eine besondere Rolle spielen, hängt

mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Anwender

und Anbieter zusammen. Der Aufbau einer Mobilfunkin-

frastruktur ist einfacher und günstiger als eine flächen-

deckende Versorgung mit Glasfaser.“ 81 Prozent aller

Afrikaner nutzen mittlerweile ein Mobiltelefon – auch

wenn es sich dabei nach unseren Maßstäben zumeist um

ein geradezu steinzeitliches Modell handeln mag. Aber

nur 7 Prozent haben einen direkten Internetzugang. Dabei

würde der Ausbau gerade des mobilen Breitbandinternets

wie es in den Industriestaaten üblich ist, vielen Entwick-

lungsländern einen wirtschaftlichen Aufstieg ermögli-

chen, so die Unternehmensberatung McKinsey. In einer

aktuellen Untersuchung hat man ausgerechnet, dass das

globale Bruttoinlandsprodukt dadurch jährlich um 400

Milliarden Dollar wachsen würde und zehn Millionen

Arbeitsplätze dazu kämen. Und laut einer Studie der Tou-

louse School of Economics würde jeder darin investierte

Dollar einen geschätzten Gewinn von 17 Dollar abwerfen.

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/ 1952° NORD

Mangel als TugendGenau deshalb sehen digitale Geschäftsmodelle in Afrika

auch ganz anders aus als in Europa oder Nordamerika.

„Prominentestes Beispiel ist wohl das mobile Transfergeld-

system M-Pesa. Das – wie übrigens viele andere digitale

Innovationen Afrikas – auch mit alten Billig-Handys

funktioniert“, weiß Kannengießer zu berichten. Von

Safaricom, Kenias größtem IT- und Telekommunikations-

unternehmen gegründet, steht M-Pesa geradezu exem-

plarisch für die afrikanische Erfolgsgeschichte, die aus

dem Mangel eine Tugend macht – schließlich sind Bank-

konten auf dem gesamten Kontinent eher eine Seltenheit

und die nächste Filiale eines Geldinstituts oft hunderte

Kilometer entfernt. Also wird kurzerhand das Mobilte-

lefon zur Schaltzentrale für alle Geldgeschäfte. Es lässt

sich mit einem Guthaben aufladen, mit dem dann Waren

oder Dienstleistungen bezahlt werden können. 70 Pro-

zent aller Kenianer tätigen so mittlerweile ihre täglichen

Transaktionen. „Dazu gehört nicht nur die Bezahlung

von Einkäufen und die Zahlung von Gehältern, sondern

auch die Überweisung an die Familie auf dem Land.“ So

lässt sich selbst in die entlegensten Regionen des Landes

Geld überweisen, das dann an einem der omnipräsenten

Kioske cash ausgezahlt wird. Aber M-Pesa kann noch viel

mehr. Täglich erhalten 70.000 Kenianer über die Plattform

einen Kleinkredit und das, ohne jemals ein Geldinstitut

von innen gesehen zu haben. „Eine aktuelle US-Studie

kommt zu dem Schluss, dass der wachsende Zugang zu

mobilen Zahlungsmethoden für die Bevölkerung ein

Weg ist, der Armut zu entfliehen“, betont Kannengießer.

Mobile Bezahldienste sind in Afrika also längst Alltag,

während sie in Europa immer noch in den Kinderschuhen

stecken. Auch Bildungs-Apps wie Brainshare aus Uganda

sowie andere E-Learning-Angebote werden begeistert

aufgenommen, was nicht überraschend ist, wenn man

bedenkt, dass klassische Schulen entweder nicht vorhan-

den sind oder aber nur sehr eingeschränkt einem Bildungs-

auftrag nachkommen können. Safaricom arbeitet übrigens

mit zahlreichen anderen neuen IT-Unternehmen zusam-

men und diversifiziert sukzessiv sein Dienstleistungsan-

gebot. So entstanden mittlerweile unter der Bezeichnung

M-Farm und M-Health Apps für Bauern und Menschen mit

Fragen zu Gesundheitsproblemen. Der eigentliche Renner

aber heißt M-Kopa: Dabei handelt es sich um Heimsolaran-

lagen, bestehend aus einer Solarzelle, einer Kontrolleinheit

mit Anschlüssen für Handy oder Computer, die darüber

mit Strom aufgeladen werden können, sowie LED-Lampen

und einem Radio mit Akku. Wer via M-Pesa über zwölf

Monate täglich umgerechnet 40 Cent abstottert, ist danach

stolzer Eigentümer einer solchen Einheit. Für ein Land

wie Kenia, in dem fast drei Viertel der Bevölkerung keinen

Anschluss an die Stromversorgung haben, ist dies ein

Quantensprung in Sachen Entwicklung. Und es ist tech-

nisch so simpel wie möglich und für die Menschen vor Ort

bezahlbar. Oder wie Expertin Melanie Stilz formuliert: „Es

gibt Geschäftsmodelle, die auf digitalen Diensten basieren

und sich in der Umsetzung nicht zwingend von denen in

100%

80%

60%

20%

0%

Quelle: Internet World Stats

Anteil der Internetnutzer an der Bevölkerung in ausgewählten Ländern in Afrika im Jahr 2017

Ruanda30,6%

Ghana34,7%

Nigeria47,7%

Südafrika54%

Kenia89,4%

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20 /

anderen Regionen unterscheiden. Ein Angebot wird über

das Zusammenspiel digitaler Erfassung, Verarbeitung und

Verbreitung vermarktet. Was dennoch anders sein kann,

ist häufig seine Art, da dieses natürlich in erster Linie den

lokalen Markt bedient. Hier kann ein Mangel, wie zum

Beispiel in der Transportinfrastruktur oder im Gesund-

heitssektor, zu innovativen digitalen Lösungen führen.“

Digitallabor RuandaBesonders eindrucksvoll lässt sich dies derzeit in dem

ehemaligen Bürgerkriegsland Ruanda beobachten. Das

kleine Land mit seinen zwölf Millionen Einwohnern

mutiert aktuell zu so etwas wie dem digitalen Aushän-

geschild Afrikas. Die Regierung hat systematisch in die

Infrastruktur investiert, was nicht nur zu einer Vervier-

fachung des Bruttoinlandsproduktes seit der Jahrtau-

sendwende führte. Gemeinsam mit dem amerikanischen

Startup Zipline sondiert man beispielsweise gerade vor

Ort, wie die medizinische Versorgung schwer zugängli-

cher Regionen mit Hilfe von Drohnen funktionieren kann.

Die fliegenden Alleskönner sollen von festen Stationen

aus – liebevoll „Nester“ genannt – Medikamente und

Blutkonserven schnell zu überall im Lande verteilten

medizinischen Außenposten transportieren. Ein erster

Hub entstand bereits in der Hauptstadt Kigali, von wo

aus 15 Drohnen starten und landen. Insgesamt 21 „Nes-

ter“ sollen in einer ersten Erprobungsphase errichtet

werden. Und Volkswagen ist gerade dabei, in Kigali ein

App-basiertes Carsharing- sowie Ride Hailing-Programm

aufzubauen – also Fahrtenvermittlung und Mobilität auf

Abruf. Warum die Wahl ausgerechnet auf Ruanda fiel,

hat seine guten Gründe: Die Bevölkerung ist überdurch-

schnittlich jung und technikaffin. Kigali steht im Ruf, die

am besten vernetzte Stadt Afrikas zu sein und das Land

selbst ist politisch stabil, aber vor allem klein und damit

gut überschaubar. Und wie an vielen anderen Hotspots

Afrikas gibt es viele „Early Adopters“ neuer Technologien.

Doch es gilt noch zahlreiche Hindernisse beim Ausbau der

Digitalisierung in Afrika zu überwinden. „Dazu zählen die

hohen Kosten für eine flächendeckende Breitband-Infra-

struktur, die für die Digitalwirtschaft unverzichtbar ist“,

merkt Melanie Stilz an. „Auch das Bildungssystem hat in

Bezug auf eSkills und digitale Expertise große Schwächen.“

Weiterhin problematisch ist ebenfalls der sogenannte Di-

gital Divide. „Einkommen, Alter, Geschlecht und Herkunft

bestimmen häufig über Chancen und Möglichkeiten. Und

die politischen und ökonomischen Umstände in vielen

Ländern führen zu einem Brain Drain. Das heißt, gut aus-

gebildete Fachkräfte verlassen oft ihre Heimat, da sich im

Ausland attraktivere Alternativen bieten.“ Auch hat sich

das digitale Potenzial des Kontinents mittlerweile bis ins

Silicon Valley rumgesprochen. „Ist das Interesse an einem

Länderfokus: Afrika goes digitalS

imp

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/ 21

Markt groß genug, betreiben internationale Unternehmen

wie Google lokale Büros und können dort auch stark auf

die Bedürfnisse vor Ort und die Rechtsgebung reagieren“,

erklärt Melanie Stilz. „Sie entwickeln zusätzliche Angebo-

te, bauen einzelne Dienste besser aus oder nehmen auch

auf lokale Entwicklungen Einfluss. Zwar haben lokale

Anbieter die besseren Karten, aber einige große Unterneh-

men sind längst auch zu lokalen Anbietern geworden.“

„In manchen dieser Bereiche ist der afrikanische Kon-

tinent sogar Vorreiter“, so das Resümee von Kannen-

gießer. „Das Bezahlen mit dem Handy ohne Bankkonto

ist in Kenia Standard und in Ruanda werden bereits

Medikamente durch Drohnen zugestellt. Beim Ausbau

des digitalen Ökosystems verzeichnen einige Länder

Subsahara-Afrikas sogar die stärksten Wachstumsraten

der Welt. Und es gibt noch Luft nach oben. Entsprechend

groß sind die Chancen für die deutsche Wirtschaft.“ Was

in Afrika gerade digital passiert, hat manchmal Vor-

bildcharakter und bietet Anlass zu Optimismus. Und

davon können auch die Industrieländer etwas lernen.

Afrika kommt langsam ins GeschäftDie reinen Zahlen spiegeln nur die halbe Wahrheit wider: So verzeichneten 2016 laut Internationalem Währungsfond (IWF) zwei Drittel der afrikani-schen Staaten südlich der Sahara ein mageres Wirtschaftswachstum von durchschnittlich gerade einmal 1,5 Prozent.

Und auch die für 2017 prognostizierten 2,5 Prozent

klingen nicht gerade nach einem Boom. Was die agg-

regierten Zahlen aber verbergen, ist die Tatsache, dass

es auf dem Kontinent zahlreiche äußerst dynamische

Volkswirtschaften mit recht guten Konjunkturdaten gibt.

Als Spitzenreiter nennt der IWF aktuell Äthiopien mit

einem Plus von 7,5 Prozent für das Jahr 2017, gefolgt von

der Elfenbeinküste mit 6,9 Prozent sowie Senegal und

Tansania mit jeweils 6,8 Prozent. 2018 werden diese Län-

der mit ziemlicher Sicherheit ähnlich hohe Zuwachsraten

erzielen, so der IWF. Vor allem Ghana scheint sich hervor-

ragend zu entwicklen, dort geht man für 2018 sogar von

einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von satten

9,2 Prozent aus. Natürlich gibt es weiterhin Problemfälle

wie Äquatorialguinea, wo die Wirtschaft um 5 Prozent

schrumpft, oder den Südsudan, ebenfalls mit einem Mi-

nus von 3,5 Prozent. Auch vermitteln die volkswirtschaft-

lichen Daten nur ein unzureichendes Bild der realen

Situation vor Ort, weil der informelle Sektor in den Län-

dern südlich der Sahara zwischen 25 und 65 Prozent des

Bruttoinlandsprodukts ausmachen kann. Darüber hinaus

wechseln sich vielerorten Phasen des Wachstums und

der Stagnation oder sogar der Krise immer noch recht

rasch ab. Ursachen sind neben politischen Unsicher-

heiten vor allem die stark schwankenden Preise für

Rohstoffe oder Erdöl. Was den Experten vom IWF aber

ebenfalls aufgefallen ist: Die Frequenz solcher Kon-

junkturschwankungen hat seit der Jahrtausendwende

abgenommen. Das verweist auf eine nachhaltig positive

Entwicklung des lange krisengeschüttelten Kontinents.

52° NORD

Ruanda3,22

Ghana7,96

Quelle: Internet World Stats, ITU

Zahl der Internetnutzer in ausgewählten Ländern Afrikas in Mio. (Stand März 2017)

100%

80%

60%

20%

0%

Südafrika28,58

Kenia31,99

Nigeria91,88

Page 22: Smart Services - Die norddeutsche Art. - NORD/LB...für die digitale Zukunft rüstet. ... Die Kommunikation mit den Reinigungsmaschinen in Echtzeit verkürzt zudem die Ausfallzeiten

22 / NORD/LB Story: Private Equity

Private Equity heute: Mehr Honigbiene als Heuschrecke

Der Wind hat sich gedreht im Lande. Wo noch vor zehn Jahren Private Equity Häuser als „Heuschrecken“ galten, die Unternehmen kauften, um sich an-schließend die Filet-Stücke zu sichern und dem Rest der verbleibenden Un-ternehmung die Schulden aufzuhalsen, ist die Sichtweise heute eine andere.

Insbesondere im deutschen Markt gelten PE-Häuser

heute eher als Firmen, die sich gezielt an Unterneh-

men beteiligen und diese weiter entwickeln wollen.

„Die Branche“, so Colmar Dick von der NORD/LB, „hat

offensichtlich verstanden, dass Financial Engineering

allein zu wenig Wert schafft. Gefragt sind heute Part-

ner, die das Unternehmen im anspruchsvollen wirt-

schaftlichen Gesamtumfeld weiterentwickeln.“

Und dies zu einem sehr günstigen Zeitpunkt, denn viele

Mittelständler wollen verkaufen. Häufig sind die Grün-

der in die Jahre gekommen und wollen aufhören – und/

oder sie haben keinen geeigneten Nachfolger. In der

Regel kommen dann die M&A-Makler in Spiel. Sie bera-

ten die Unternehmen, wer als möglicher Käufer in Frage

kommt – und wer ausscheidet. Häufig – aber beileibe nicht

immer – bietet sich der gezielte Einstieg eines langfristig

orientierten PE-Hauses an, welches das Unternehmen

weiter auf den Wachstumspfad führen will. „Zukunfts-

orientierte Investoren suchen in der Regel nach einem

Unternehmen, das noch Wachstumsfantasien hat. Und

sie müssen heute eine Idee davon haben, wohin sie gehen

wollen. Das kann beispielsweise Buy & Build sein oder

die gezielte Internationalisierung“, berichtet Colmar

Dick weiter. Bei Buy & Build ist das Ziel eine möglichst

große Einheit zu schaffen, die sich am Ende im Idealfall

als Marktführer wieder verkaufen lässt, im Falle von

Internationalisierungsstrategien werden die auslän-

dischen Wachstumsmärkte bewusst angegangen.

Die NORD/LB arbeitet seit längerem eng mit den PE-Häu-

sern Auctus aus München und Ufenau Capital Partners

aus der Schweiz zusammen. „Beide Investoren“, so Dick

weiter, „investieren gezielt in Unternehmen, die sie

langfristig zu einer Wachstumsstory entwickeln können.“

Dabei fungiert die NORD/LB als Finanzierungspartner

für die PE-Häuser und begleitet die Sondierungsphase.

Die entscheidende Frage: Wohin könnten sich das Un-

ternehmen und der Markt wirklich entwickeln in drei

bis fünf Jahren, wenn der Investor in der Regel wieder

aussteigt? Das Team um Colmar Dick entwickelt daraus

eine maßgeschneiderte Finanzierungsmöglichkeit und

begleitet die Transaktion. Wie dies auf der Partnerseite

jeweils aussieht, erfahren Sie in unseren Interviews.

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/ 2352° NORD

„Wann verkaufen, wenn nicht jetzt?“Ein Gespräch mit Dr. Ingo Krocke, Geschäftsführer der Auctus Capital Partners AG in München.

Wie sind Sie bei Auctus im Rah-

men von Firmenübernahmen aktiv?

Welche Ziele verfolgen Sie dabei?

Wir sind die aktivste Beteiligungs-

gesellschaft in Deutschland. Der

Markt ist derzeit ein wenig überhitzt,

vielleicht auch, weil die Wirtschafts-

krise von 2009 gefühlt schon so

lange her ist. Viele potenzielle Käufer

blenden derzeit aus, dass die Über-

nahme von Firmen auch mit vielen

Risiken verbunden ist. Sie rechnen

weder mit einer Konjunkturkrise

noch damit, dass in dem Unterneh-

men selbst etwas passieren könnte.

Insofern findet sich am Markt derzeit

eine erhöhte Risikobereitschaft sowie

ein geringeres Risikobewusstsein

bei den Investoren. Dieses ist auch

dadurch getriggert, dass durch die

niedrigen Zinsen und Renditen in

anderen Anlageformen viel Geld im

Markt ist. Und viele haben inzwischen

verstanden, dass Private Equity mit

durchschnittlich im zweistelligen

Bereich liegenden Renditen in den

letzten 50 Jahren die Königsklasse

darstellt. Positiv ist dazu zu vermer-

ken, dass dieser höhere Anteil an

Marktteilnehmern in Verbindung mit

den hohen Preisen dazu führt, dass

viele Mittelständler überlegen, jetzt zu

verkaufen – und das ist auch richtig.

Wann verkaufen, wenn nicht jetzt?

Wie gehen Sie damit um in Be-

zug auf Ihr eigenes Geschäft?

Wir sind deutlich realistischer und

bauen in unseren Finanzmodellen

für die Zukunftsplanung mögliche

Szenarien von Wirtschaftskrisen

ein – wir sind als Anleger also nicht

durchgängig optimistisch. Zudem

bauen wir unsere Annahmen ein, dass

wesentliche Kunden oder Mitarbeiter

wegfallen könnten und das Geschäft

negativen Beeinträchtigungen unter-

liegen könnte. Auf der anderen Seite

schaffen wir aber viel Mehrwert in

den Unternehmen. Dadurch können

wir in diesem wettbewerbsintensiven

Verkäufermarkt kompetitive Preise

zahlen. Und wir haben eine deutlich

längere Haltezeit. So können wir auch

einen Downturn gut überstehen.

Wieso verkaufen die Unternehmer?

Viele der Unternehmen, die wir über-

nehmen, sind häufig noch in der Hand

der ersten oder zweiten Generation,

d. h., wir haben die Gründer noch an

Bord. Grund für den Verkauf ist häu-

fig, dass die Unternehmensstruktur

insgesamt sehr stark gewachsen ist

und für den Gründer beinahe unüber-

sichtlich wird. Früher machte er sozu-

sagen nur sein Business, heute muss

er sich um internationale Personal-

führung, zunehmende Regulierung

und so weiter kümmern – die Arbeits-

belastung steigt also permanent, und

vor allem rund um die Uhr. Zudem

steckt häufig das gesamte Vermögen,

was er erwirtschaftet hat, im Unter-

nehmen selbst. Und es kommt noch

ein persönlicher Punkt ins Spiel: Viele

kommen in die dritte Lebensphase

und wollen für sich ganz persönlich

eine Veränderung. An diesem Punkt

kommen wir mit unserem „Owners

Buy-out“ ins Spiel: Wir erwerben eine

Mehrheit – damit kann der Unterneh-

mer Geld „hinter der Brandmauer“

bringen. Gleichzeitig bleibt er aber

stark am Unternehmen beteiligt und

setzt mit uns eine Wachstumsstrate-

gie um. So haben wir in Dutzenden

von Fällen nationale und interna-

tionale Marktführer geschaffen.

Zudem haben wir hervorragendes

Sektorwissen und sprechen daher

mit dem Gründer auf Augenhöhe.

Au

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AG

Dr. Ingo Krocke

… ist Gründer und CEO von AUCTUS

Capital Partners AG. Dr. Ingo Krocke

gründete die Beteiligungsgesellschaft

AUCTUS Capital Partners AG im Jahr

2001, sein Team besteht derzeit aus 15

Beteiligungsexperten. Nach seinem Me-

dizinstudium in Bonn und Paris startete

Dr. Ingo Krocke seine Karriere zu-

nächst in Barcelona und New York, wo

er ärztlich tätig war. Seine Industrie-

lauf bahn startete er als Brand Manager

bei Procter & Gamble. Sein Einstieg

ins Beteiligungsgeschäft erfolgte bei

Apax Partners, einer weltweit führen-

den Beteiligungsgesellschaft, mit den

Schwerpunkten Management Buy-out

und Wachstumsfinanzierungen. Vor

der Gründung von AUCTUS war Dr.

Krocke Gründer und Geschäftsführer

von Wellington Partners in München.

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24 / NORD/LB Story: Private Equity

Was sind Ihre Ziele beim Einstieg?

Wir haben immer eine Vision und eine

Strategie für das Unternehmen im

jeweiligen Markt. Unsere Wertsteige-

rung kommt in der Regel daher, dass

das Unternehmen beim anschließen-

den Verkauf deutlich größer ist als

beim Einstieg. Dies erreichen wir nicht

nur über organisches Wachstum,

sondern auch über Zukäufe von bis zu

20 oder gar 30 Unternehmen weltweit.

Dabei begleiten wir auch sämtliche

Prozesse, die damit einhergehen. Das

ist von der Mechanik prinzipiell einem

Beratungsunternehmen nicht un-

ähnlich, aber im Vergleich zu einem

klassischen Berater machen wir es

mit der Brille und mit dem Herzen des

Eigentümers, denn der entscheidende

Punkt ist die Umsetzung. Der Hin-

tergrund: In der Regel fehlt es mit-

telständischen Unternehmen nicht

an Ideen, sondern an Möglichkeiten,

diese konkret umzusetzen. Eine un-

serer Kernaufgaben ist daher immer,

gemeinsam mit dem Management zu

identifizieren, welcher Bedarf besteht

und was wir umsetzen können.

Kritiker werfen der PE Branche immer

wieder vor, Mittelständler zu kaufen,

ihnen die Schuldlast in die Bücher zu

schreiben und sie anschließend zu

filetieren. Warum stimmt diese Sicht-

weise auf Ihre Branche nicht mehr?

Die Kritik kommt ja zunächst nicht

unberechtigt, denn sie bezog sich

damals auf die Firma Grohe, die nur

von PE zu PE gereicht wurde, ohne

dass auch nur irgendeine dieser Fir-

men etwas am Geschäft geändert hat.

Durch die hohe Zinsbelastung kam

das Unternehmen anschließend in

extreme Schwierigkeiten. Bei AUCTUS

haben wir einen ganz anderen Ansatz.

Unser Ziel ist es, aus einem Unterneh-

men mit 20 Millionen Umsatz eines

mit 100 Millionen zu machen – das

schafft man aber nur durch Befruch-

tung, Ideen und gute Umsetzung. Und:

Der Erfolg gibt uns Recht. Unsere Un-

ternehmen sind über die letzten zehn

Jahre im Schnitt um über 10 Prozent

pro Jahr gewachsen. Und wir erlauben

nur eine relativ geringe Verschuldung

der Unternehmen, denn Wachstum

braucht finanziellen Spielraum.

Was beobachten Sie bei Mittel-

ständlern in Bezug auf das Thema

Unternehmensnachfolge? Wo lie-

gen derzeit hier die Probleme?

Die deutsche Wirtschaft hat in den

letzten 30 Jahren gerade im Dienst-

leistungssektor viel nachgeholt. Die

ehemaligen Gründer sind heute Mitte

50 oder Anfang 60 und beschäftigen

sich mit der Frage, wie es nun weiter-

geht. Zudem gibt es in diesen Unter-

nehmen nur selten einen Familien-

nachfolger, weil die Identifizierung

mit dem Produkt oft geringer ist. Dies

ist übrigens ein großer Unterschied

zu den Produktionsunternehmen, wo

die Familie viel häufiger die Nachfolge

organisiert. Also steht irgendwann

im Raum, einen Fremdgeschäftsfüh-

rer zu engagieren. Das ist aber nicht

so einfach, weil die Quintessenz in

diesen Unternehmen die Firmen-

kultur ist und diese verkörpert der

Gründer. Auch hier kommen wir

ins Spiel, denn wir gewinnen den

Großteil der Firmen, die sich für uns

entscheiden, über diese menschli-

che Komponente. Die Unternehmer

spüren, dass wir unser eigenes Geld

investieren – und genau diese Art

Mittäter suchen sie ja eigentlich.

Welche Projekte verfolgen Sie

aktuell? Welchen Einfluss hat

das derzeitige Niedrigzinsum-

feld auf Ihre Aktivitäten?

Eines unserer erfolgreichsten Beispie-

le ist die Firma PharmaLex. Das Unter-

nehmen berät Pharmafirmen bei der

Registrierung, Auditierung und Über-

wachung von Pharmaprodukten. Und

es hilft internationalen Pharmakon-

zernen dabei, auf die europäischen

Märkte zu kommen. Als wir Pharma-

Lex kennenlernten, war es ein kleines

Unternehmen mit 10 Millionen Euro

Umsatz. Der Ansatz hat uns direkt

begeistert, weil die Pharmabranche

immer stärker in Richtung Forschung

gehen muss und Randdienstleistun-

gen zusehends outsourct. Vor drei

Jahren sind wir mit einer Finanzie-

rung der NORD/LB eingestiegen. In

dieser Zeit haben wir elf Unternehmen

dazu gekauft und sind inzwischen

an 16 Standorten weltweit vertreten.

Inzwischen sind aus 10 Millionen

Euro Umsatz 60 Millionen geworden.

Wie arbeiten Sie im Rahmen von Pro-

jekten mit der NORD/LB zusammen?

Die NORD/LB ist einer unserer Lieb-

lingspartner. Wir sehen dort etwas,

was wir bei Banken selten sehen:

Die Berater sind mit Leidenschaft

bei der Sache, machen sich Gedan-

ken und interessieren sich für das

Unternehmen selbst. Der NORD/LB

geht es nicht nur um Zahlen, sondern

immer auch um das Unternehmen

selbst und die Geschichte dahinter.

Und wenn es mal nicht ganz so gut

läuft wie geplant, dann werden mit

norddeutscher Gelassenheit immer

pragmatische Lösungen gefunden.

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/ 2552° NORD

„Besser und schneller sein, dem Kunden ganz besondere Services bieten“

Dent Wizard – Fragen an Thomas Küsel

In welchem Markt sind Sie mit In-

telligent Repair Solutions aktiv?

Originär kommen wir als Dent Wi-

zard aus dem Bereich Smart Repair

und Hagelschaden-Reparatur. Dabei

arbeiten wir seit 20 Jahren weniger

für Endverbraucher als vielmehr

für große Handelsgruppen und

Versicherungen. Heute haben wir

unsere Dienstleistungs- und somit

Wertschöpfungskette ausgebaut

und abgerundet. Wir kümmern

uns um Karosserie und Lack, also

alles, was mit der Fahrzeughülle zu

tun hat. Dabei betrachten wir uns

speziell in Deutschland als eine

Art Schönheitssalon für Automo-

bile: Autobesitzer haben gern sehr

gepflegte Autos und unser Dienst-

leistungsspektrum bedient dies. Wir

bieten nach erfolgter Expansion als

Komplettdienstleiter ein Rund-um-

sorglos-Paket von der Fahrzeugauf-

bereitung über Smart Repair und der

Reparatur von Unfallschäden alles

um Karosserie und Lack an. Dazu

gehören auch „Spezialitäten“ wie die

Folierung auch kompletter Fahrzeuge

sowie die Oldtimer-Restauration.

Was ist prägend in Ihrem Markt?

Die Fahrzeuge verändern sich sehr

stark und haben immer mehr Assis-

tenzsysteme und dadurch Hightech

an Bord. Das verändert die Anforde-

rungen an die Ausstattung unserer

Werkstätten und die Qualifikation

unserer Mitarbeiter. So bedeutet das

Aufkommen der Elektrofahrzeu-

ge, dass wir neuerdings auch mit

Starkstrom umgehen müssen. Oder

nehmen Sie neue Materialien wie

Carbon, die ebenfalls völlig anders

behandelt werden müssen. Darü-

ber hinaus ist es wie in den meis-

ten Märkten. Wir stehen vor einer

Konzentration im Anbietermarkt. In

unserem Geschäft sind die großen

Gruppen erst in den vergangenen

Jahren entstanden, daher müssen

wir uns lokal immer weiter aufstel-

len. Versicherungen beispielsweise

arbeiten primär mit bundesweit

vertretenen Dienstleistern.

Was sind die treibenden Themen

im Bereich Karosserie & Lack?

Das Geschäft im Karosserie- und

Lackbereich ist stabil. Das bedeu-

tet aber auch, dass der Markt nicht

wächst und Preissteigerungen nur

schwer durchsetzbar sind. Deshalb

sind effiziente Prozesse das A&O. Wie

bereits erwähnt, hat sich bei der Tech-

nik in den vergangenen Jahren viel

verändert. Reparaturen an Spurhalte-

und Bremsassistenten oder der Aus-

tausch einer Frontscheibe – das kön-

nen Sie heute nur durchführen mit

Mechatronikern, die sich auskennen.

Die Digitalisierung verändert aber

nicht nur die Fahrzeuge, sondern

auch das Backoffice: Beauftragung,

Abrechnung oder Rechnungsstel-

lung, sämtliche Prozesse im Hinter-

grund sind bereits weitgehend digi-

talisiert und der Trend setzt sich fort.

Welche Wachstumsstrate-

gie verfolgen Sie unter dem

Dach der IRSH Gruppe?

Wie gesagt, der Markt an und für

sich ist stabil und wächst kaum. D. h.,

man muss in seiner Organisation gut

aufgestellt sein. Besser und schneller

sein, dem Kunden ganz besondere

Services bieten, das ist heute das

Erfolgsmodell. In Skandinavien

beispielsweise haben wir eine 48

Stunden-Garantie, innerhalb der

der Kunde das Fahrzeug zurück-

erhält. In Deutschland verfolgen

wir dasselbe Ziel, im Bereich Smart

Repair gelingt uns das bereits weit-

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Thomas Küsel

… ist durch und durch ein Automann.

Nach seiner Ausbildung zum Automo-

bilkaufmann übernahm er verschiedene

Aufgaben im Handel und auch in der

Automobilvermietung. Anschließend

war er unter anderem rund 15 Jahre

für japanische Hersteller primär in den

Bereichen After Sales und Händlernetz

tätig. 2010 erwarb er mit Partnern

zusammen die Dent Wizard GmbH

als Management Buy-out. Der gebür-

tige Hamburger (55) hat lange Zeit

auch in Köln und Hannover gelebt.

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26 / NORD/LB Story: Private Equity

gehend. Das ist gut für den Kunden

und reduziert seine und zum Teil

auch unsere Kosten. So haben wir

z. B. für unsere Kundengruppe der

Gebrauchtwagenhändler die Zeit,

bis das von ihnen gekaufte Fahrzeug

verkaufsfähig ist, drastisch verkürzt.

Wie können Sie darüber

hinaus noch wachsen?

Wir vertrauen auf das Modell

Buy & Build – wir wollen in die-

sem Jahr noch mindestens

drei Unternehmen kaufen.

Welche Herausforderungen sehen

Sie für die Zukunft auch im Hinblick

auf eine Internationalisierung?

Neben den bereits genannten ist

sicherlich wie in vielen Unternehmen

unsere größte Herausforderung,

die richtigen Talente zu finden,

zu qualifizieren und vor allem sie

anschließend im Unternehmen zu

halten. Hier konkurrieren wir zum

Teil mit großen Unternehmen aus

der Industrie. Zudem gibt es mit

Blick auf die Umwelt unterschiedli-

che Anforderungen. Das Stichwort

lautet Reparieren statt ersetzen,

wir nennen es „Smart Repair“. Dies

dient nicht nur der Umwelt, sondern

ist zudem auch kosteneffizienter.

Sie haben mit der NORD/LB eine

Finanzierung durchgeführt. Wo-

bei ging es in diesem Projekt?

Unsere Wachstumsstrategie sieht

Zukäufe vor, um eine einzigartige

Wertschöpfungskette zu schaffen.

Wenn wir eine Firma kaufen, tun wir

dies in der Regel aus dem Cash-Flow,

bei größeren Akquisitionen brauchen

wir allerdings zusätzliches Kapital.

Dies machen wir mit einem Fond, aber

auch ein Fond braucht Fremdkapital

für seine Projekte. D. h., wir müssen an

dieser Stelle die strukturellen Voraus-

setzungen schaffen, um unsere Akqui-

sestrategie auch leben zu können. Die

NORD/LB war für unsere Übernah-

men in Skandinavien der natürliche

Partner, da sie das Geschäft gut ver-

steht und sich im Markt gut auskennt.

Das Gesamtpaket, das sie darstellen

konnte, war daher sehr attraktiv.

Private Equity Häuser waren län-

gere Zeit in der Öffentlichkeit nicht

ganz so gut gelitten. Wie hat sich

die öffentliche Sichtweise der PE

Häuser heute gewandelt? Warum

stimmt das Bild der „Heuschrecke“

nicht mehr? Wäre vielleicht gar das

Bild der Honigbiene passender?

Ich glaube, der Ansatz der Häuser

selbst hat sich verändert. Früher

wurde übernommen und häufig

filetiert, heute entwickeln gerade die

neuen und auf kleinere und mittlere

Unternehmen fokussierten Häuser

eher eine Wachstumsstory. Dabei

bieten viele PE Häuser auch Beratung

beim Management an, das muss man

aber als Unternehmen wollen. Von

daher finde ich es das Wichtigste, ein

Haus zu finden, das wirklich von der

Mentalität her passt. drei Ufenau ha-

ben wir hier den passenden Partner

gefunden. In unserem Fall sind die

Gesellschafter weitgehend an Bord

geblieben und treiben die Unterneh-

mensentwicklung weiter mit voran.

Was ist dabei besonders wichtig?

Der entscheidende Faktor ist heute

Zeit, denn in jeder Branche baut

sich Vorsprung schnell ab. Daher

haben wir einen Partner gesucht,

mit dem wir unser Projekt schnell

durchziehen konnten. Ein attrakti-

ves PE Haus schafft heute Möglich-

keiten, die wir allein nicht hätten

als da wären: Kompetenz bezüglich

Banken und Finanzierung, Ko-In-

vestoren bei Annex Fonds, Fragen

bezüglich Unternehmensführung

und Management oder attraktive

Industriepartner und ein Netzwerk.

Was würden Sie Mittelständlern, die

erwägen, an ein PE Haus zu ver-

kaufen, mit auf den Weg geben?

Also wichtig ist zunächst, klare

Spielregeln zu definieren: Wir haben

uns am Anfang hingesetzt und sehr

genau diskutiert, wer von beiden

Partnern sich worum kümmert.

Und ich würde wieder zusätzliche

unabhängige Expertise durch Bera-

ter an Bord holen. Daher empfehle

ich jedem, zusätzlich noch einen

privaten Berater daneben zu engagie-

ren, der den Prozess begleitet. Und:

Wenn Sie wirklich überzeugt sind, in

einem Haus einen guten PE-Partner

gefunden zu haben, sollten Sie auch

m. E. auch dort selbst investieren.

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Die NORD/LB gilt als einer der bekanntesten Finanzierungs-

partner mittelständischer Unternehmen in Deutschland –

quer durch alle Branchen und auf jeder Stufe der Wertschöp-

fungskette. Wir beraten und begleiten Mittelständler bei

Geschäften im In- wie im Ausland. Und: Wir wollen unsere

Expertise weitergeben. In unserem Portal 52° LIVE finden

Sie alle zwei Monate ein Special zu aktuellen Finanzierungs-

themen. Diesen Service können Sie kostenlos abonnieren.

Banking goes digital

Die Digitalisierung der NORD/LB

Mit dem NORD/LB iLab eröffnete die NORD/LB im Juli

2017 ihr neues Forschungs- und Entwicklungslabor. Das

Ziel: Die Bank will auf diese Weise herausfinden, welche

neuen Wege sie mit Technologie und Datenanalytik

beschreiten kann. Dabei geht es einerseits darum, sich

mit den neuen Wettbewerbern im Bereich der Fintechs zu

beschäftigen, aber auch herauszufinden, welche

Möglichkeiten die Digitalisierung für das Firmenkunden-

und Spezialfinanzierungsgeschäft bietet.

In unserem Special beleuchten wir die Ziele des iLab, die

Vorteile für die Kunden der NORD/LB und die möglichen

Effizienzgewinne, von denen auch die Kunden der Bank

profitieren. Dazu sprachen wir auch mit dem neuen Leiter

des iLab, Dr. Dominik Kalisch.

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52° NORD

Sonderthema Dezember: die Digitalisierung der NORD/LB

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28 / Bürodesign: Open Office

Open Office – Traum oder Wirklichkeit?

Die rasante Entwicklung moderner Kommunikationstechnologien erlaubt Mit-arbeitern, ihre Tätigkeit auch losgelöst von festen Arbeitsplätzen auszuüben. Doch viele Firmen zögern noch, diese neue Arbeitskultur zu übernehmen. Großraum-Bürolandschaften erscheinen als Herausforderung. Welche Chan-cen und Risiken birgt dieses „Open Office“?

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Einrichten, glücklich sein. Was in den eigenen vier Wän-

den gilt, wird sich doch auch auf den Arbeitsplatz über-

tragen lassen? Tatsächlich werben viele Unternehmen

mit offenen Büros und kollaborativem Arbeiten. Doch

wie weit darf man gehen, wenn man die Arbeitsabläufe

umgestalten will? Open Office bedeutet nämlich eine

Abwendung von den klassischen Zellenbüros hin zu

Gruppen-, Team-, Kombi- oder Großraumbüros. Es werden

verstärkt Besprechungsräume, Rückzugs- und Mittel-

zonen sowie Kaffeebars und Teeküchen in bestehende

Büroflächen integriert. Feste Arbeitszeiten entfallen bei

diesen Modellen häufig: Nicht mehr Zeit und Anwesenheit

stehen im Fokus, sondern das Ergebnis. Namhafte High-

tech-Unternehmen wie u. a. Google, Ebay sowie zahlreiche

Startups machen es vor – aber auch bei der Frankfurter

Zentrale der Lufthansa verzichtet man mittlerweile auf

fest zugewiesene Arbeitsplätze. Auch Adidas und Micro-

soft verfolgen mit ihren Sitzen in Deutschland ähnliche

Konzepte. Dennoch wird hierzulande mehrheitlich

noch eine Anwesenheitskultur gelebt. Das neue Open

Office-System hält nur zögerlich Einzug in unsere Büros.

Speziell kleine und mittelständische Unternehmen

(KMUs), die ca. 60 Prozent aller Arbeitnehmer sozialver-

sicherungspflichtig beschäftigen, zögern – nicht zuletzt

aufgrund der Kosten. Einzelne Unternehmen satteln auf

Telearbeit und Home Office um, es besteht aber meistens

noch eine zwei- bis dreitägige Präsenzpflicht im Unter-

nehmen – an den anderen Tagen verwaist der Büroar-

beitsplatz. Bei Dienstleistern wie beispielsweise Versi-

cherungen und Unternehmensberatern gibt es dagegen

einen verstärkten Trend zu Desksharing-Arbeitsplätzen.

Das kann zu einer Reduzierung der Büroraumkosten

führen, weil den Mitarbeitern keine festen Arbeitsplätze

mehr zur Verfügung gestellt werden müssen. In manchen

Unternehmen wird sogar mit Schildern wie „No Camping“

satirisch auf die agilen Arbeitsmethoden hingewiesen.

Bei den hohen Mieten in Metropolen könnte sich dieser

Trend beschleunigen. Gerade in den Großstädten ent-

stehen deshalb sogenannte Collaboration-Büros oder

Coworking-Spaces, die den Mitarbeitern als temporäre

Arbeitsräume dienen. Ein wichtiger Pluspunkt: In kom-

pakten Großraumbüros lässt sich gleichzeitig die Klima-

tisierung und Luftzirkulation leichter regulieren als in

Zellenbüros. Das Konzept ist also umweltfreundlich.

Open Office als WettbewerbsfaktorProf. Dr. Martin Sagel, Geschäftsführer von mauser

einrichtungssysteme, weiß aber, dass eine Moderni-

sierung der Arbeitskultur nicht immer auf Gegenliebe

stößt. „Der Mehrwert für den Einzelnen wird häufig

nicht erkannt und als solcher empfunden. Genau an

der Stelle setzen wir an, unterstützen Unternehmen wie

die ADAC-Zentrale oder diverse Sparkassen sowie die

Industrie mit unserer Beratungs- und Planungsleistung

bei der Einrichtungsaufgabe. Es ist elementar wichtig,

die Belegschaft in den Unternehmen in den Verände-

rungsprozess einzubinden. Zwecks Risikominimierung

ist zu empfehlen, unterschiedliche Entscheidungsträ-

ger am Prozess zu beteiligen, zum Beispiel neben der

betroffenen Bereichs- oder Abteilungsleitung auch die

Arbeitssicherheit, das Facility Management und den

Betriebsrat. Bestenfalls dürfen die Mitarbeiter über ihre

Vorgesetzten eigene Vorschläge einreichen.“ Prof. Dr.

Sagel ist davon überzeugt, dass das Open Office-Konzept

zukünftig auch in deutschen Büros Einzug halten wird,

zunächst jedoch in einer abgemilderten Form. Der Trend

zur Wissensarbeit, permanent laufende Rationalisie-

rungswellen und der verstärkte Einfluss der Digitalisie-

Open Office: öffentlich – und doch privat.

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30 / Bürodesign: Open Office

rung werden diesen Trend allerdings beschleunigen.

„Dabei ist der Aufwand abhängig von der langfristigen

Zielsetzung des Unternehmens – verbunden mit der

Ressourcenstellung „Arbeitskraft“ –, von der Flexibilität

des Konzeptes bei strukturellen Veränderungen, von

der Entscheidung des Arbeitsplatzmodells und vom

Führungsstil des Unternehmens“, erläutert der Experte.

Natürlich ist jedes Unternehmen individuell organisiert

und strukturiert. Die Prozessstrukturen eines KMU

weichen stark von denen eines Großkonzerns ab. Je

stärker jedoch Team- und Projektarbeit gefordert sind,

desto offener seien Angestellte demnach für ein Open

Space-Konzept. „Schafft der Arbeitgeber eine gewisse

Wohlfühlatmosphäre durch die Arbeitsplatzgestaltung

mit hoher Funktionalität, so steigert er die Motivation des

Mitarbeiters. Dies führt zu besseren Arbeitsergebnissen

und zu weniger Fehlzeiten. Der Mensch fühlt sich schließ-

lich immer dann gut aufgehoben, wenn ihm der Arbeit-

geber ein Stück Privatsphäre ermöglicht. Das bedeutet

aber nicht immer automatisch ein Einzelbüro, sondern

kann sich auch durch Abschirmung oder gute akusti-

sche Verhältnisse ausdrücken“, erklärt Prof. Dr. Sagel.

Streitpunkt Desksharing: Mein Arbeitsplatz – Dein Arbeitsplatz?Prof. Dr. Christian Scholz, Dozent und Gründer des

Lehrstuhls für Organisation, Personal- und Informa-

tionsmanagement an der Universität des Saarlandes,

betrachtet Open Office-Konzepte skeptischer. Neben

zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Arbeitswelt

4.0 hat er sich mit seinem jüngst veröffentlichten Buch

„Mogelpackung Work-Life-Blending“ akribisch mit der

Thematik Open Office beschäftigt. „Gegen moderne und

offene Büroeinrichtungen sowie flexible Arbeitsstruk-

turen gibt es allgemein nichts einzuwenden. Allerdings

stört mich die Grundidee des Desksharing, wonach jeder

Mitarbeiter sich morgens hastig einen neuen Arbeitsplatz

suchen muss – ähnlich wie beim Kampf um Parkplätze.

Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem dieses Vorgehen

einen wirklichen Nutzen hatte. Denn die angebliche

Kosteneinsparung hält sich in Grenzen und gleichzei-

tig müssen für diese Form der Arbeitsplatzgestaltung

Ausgaben an anderer Stelle getätigt werden wie zum

Beispiel für Conference-Spaces oder „Telefon-Zellen“. All

dies rechnet sich unterm Strich auch kaum in Relation

zum Engagement der Mitarbeiter, wenn diese aus Un-

zufriedenheit über den „fließenden“ Arbeitsplatz das

Unternehmen verlassen oder öfter krankheitsbedingt

ausfallen. Deshalb wird sich zumindest das Desksharing

in Deutschland so nicht durchsetzen, es hat sich auch

bereits in den USA nicht durchgesetzt, wo in Städten wie

San Francisco jeder Quadratmeter ein Vermögen kostet.“

Wo sonst immer gemahnt wird, dass man sich am Arbeits-

platz wie im heimischen Wohnzimmer fühlen solle, be-

wirken die rotierenden Prozesse das Gegenteil: Es erfolgt

eine Anonymisierung der Arbeit und es entsteht Distanz.

Natürlich kann es Szenarien geben, in denen Desksha-

ring Sinn macht. Zum Beispiel spart ein Unternehmen

Ressourcen, wenn es weniger Schreibtische als Mitar-

beiter gibt und diese auch noch flexibel verteilt werden

können – vorausgesetzt, dass die meisten Angestellten im

Außendienst oder im Home Office arbeiten und ohnehin

nur zweimal pro Woche ins Büro kommen. Statt Barrie-

ren zwischen den Mitarbeitern abzubauen und für mehr

Kommunikation zu sorgen, fungiert Desksharing zu oft

jedoch als ein Stress- und Druckmittel für die Belegschaft.

„Agile“ Reise nach Jerusalem?„Abgesehen davon sind Mitarbeiter keine kleinen Kinder,

die bevormundet werden müssen, sich nun gefälligst

woanders hinzusetzen, um mal mit den Nachbarn in

Kontakt zu kommen oder gar Reise nach Jerusalem zu

spielen. Eine kommunikative Kompetenz sollte man

seinen Angestellten schon zugestehen“, erklärt Dr. Scholz.

„Gleichwohl kann der Arbeitgeber aber Flexibilität von

seinen Mitarbeitern verlangen. Aber dann muss nicht

nur der Mensch, sondern auch das Mobiliar flexibel sein.

Das heißt, weg von zentraler Planung und stattdessen die

Unabhängigkeit der Mitarbeiter betonen, die sich ihre

eigenen Arbeitsumgebungen schaffen können. Ein Bei-

spiel wäre hier die Situation, wenn drei Ingenieure auf die

Idee für einen neuen Prototypen kommen und daraufhin

ihre Tische zusammenstellen, um wie auf einer For-

schungsinsel gemeinsam an dem Pilotprojekt arbeiten zu

können. Das ist ein großer Unterschied zum Desksharing

und die wahre Flexibilität und Stärke von Open Office.“

Hart ins Gericht geht Dr. Scholz dagegen mit Groß-

raumbüros. Wenn diese zu offen sind und zu wenig

Abschottung gewähren, hemme dies eher die Kommu-

nikation. Verständlicherweise fällt die Konzentration

schwer, wenn um einen herum zehn Leute telefonieren.

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Noch problematischer schätzt er die Überwachungs-

option in solchen Szenarien ein. Nicht nur hat ein Chef

auf einen Blick seine gesamte Belegschaft im Auge,

wenn 50 Personen in einem großen Raum arbeiten;

es überwachen sich die Mitarbeiter indirekt auch ge-

genseitig – sie regulieren sich also untereinander.

Investition ins Glück der Mitarbeiter – und nicht in den Schreibtisch!Entpuppt sich der Traum vom Open Office damit letztend-

lich als Alptraum? „Nein“, meint Christian Scholz, „aber

eine moderne Arbeitswelt muss immer aus dem Impuls

der Mitarbeiter heraus entstehen. Wenn das Management

mit dieser Idee kommt, sollte man Verdacht schöpfen –

selbst wenn es heißt, dass die Belegschaft in den Prozess

miteingebunden wird. Der Begriff Mitbestimmungsrecht

ist ja eines dieser vielen modernen Buzzwords mit denen

Firmen sich schmücken, weil sie sehr trendy klingen, aber

am Ende stellt sich die Mitbestimmung häufig als eine

Scheinpartizipation heraus. Wenn die Mitarbeiter ledig-

lich mitentscheiden dürfen, wie groß ihr Tisch ist und wel-

che Farbe ihre Ordner haben, ist das letztlich nur Opium

fürs Volk. Wenn man ein bisschen weiter denkt, könnte

dies auch ein Weg der Arbeitgeber sein, unerwünschte

Mitarbeiter loszuwerden. Viele Angestellte, denen das

Open Office ungefragt übergestülpt wird, kündigen lieber,

als sich solch einer Prozedur unterziehen zu müssen.“

Unterm Strich bietet die neue Büroarbeit Chancen, birgt

aber auch Risiken. Am Ende muss jedes Unternehmen

selbst entscheiden, welchen Weg es einschlägt, denn

nicht alle Mitarbeiter sind als Nomaden geeignet – umge-

kehrt aber brauchen manche Mitarbeiter die Abwechs-

lung und den kommunikativen Freiraum. Statt also

hochtrabend von einem Büro der Zukunft zu sprechen,

sollte man vielleicht lieber von einem Labor der Ideen

aus denken. Im Kern ist es die sogenannte Arbeitsplatz-

souveränität, die sowohl Disziplin als auch Kreativität

im Büro in Einklang bringt und dafür sorgen soll, das

Beste aus seinem Schreibtisch herauszuholen. Letzt-

endlich muss der Mitarbeiter sich wohlfühlen können.

52° NORD

Das Mittelstandsmagazin aus Hannover

Herausgeber:

Norddeutsche Landesbank – Girozentrale –

Friedrichswall 10

30159 Hannover

Verantwortlich für den redaktionellen

Inhalt:

Uta Schulenburg,

Leiterin Marketing NORD/LB

Holm Hänsel,

Leiter Firmenkunden NORD/LB

Konzept & Redaktion:

Westend Medien GmbH

Wagnerstraße 26

40212 Düsseldorf

Dr. Michael Siemer

Bildredaktion: Holger Lorenz

Layout: Sebastian Michailidis

Erscheinungsweise:

52° NORD erscheint dreimal pro Jahr.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung –

auch auszugsweise – nur mit Genehmigung

des Herausgebers.

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