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Einleitung Die Sojabohne Glycine max [L.] Merr .) stammt sehr wahrscheinlich aus dem Nordosten Chinas (Mandschurei) und die Domestikation der Wildform geht auf das 11. Jahrhundert v. Chr. zurück (HYMO- WITZ, 1979). Weltweit ist die Sojabohne sehr wichtig. Sie deckt 57% der Welt- produktion von Ölpflanzen ab, fünfmal soviel wie Raps oder Baum- wolle (Soystats, 2001). Sie dient als Rohstoff in 68% der konsu- mierten Eiweissmehle der Welt. Sojaöl findet zahlreiche Anwen- dungen in Lebensmitteln (Salatöl, Margarine, Kaffeerahm...) und in der Industrie (Brennstoffzusatz, Linoleum...). Das aus Sojaöl ge- wonnene Lezithin ist ein weitverbreitetes Emulsionsmittel in der Nahrungsmittelindustrie. Die Hauptanbaugebiete (USA, Brasilien und Argentinien) beliefern vor allem die Europäische Union. In diesen drei grössten Exportlän- dern werden genetisch modifizierte Sorten auf 71%, 30% respektive 97% der Fläche angebaut. Die europäische Produktion erreicht durch das Blair-House-Abkom- men und durch die Reduktion der öffentlichen Beiträge nur knapp 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Abhängigkeitsrate der EU liegt im Bereich von 95%, wie diejenige der Schweiz. Der Europarat (STEVENSON, 2002) stellt in einem Bericht fest, dass das Verbot von Fleisch- und Knochenmehl das Defizit an pflanzlichem Eiweiss erhöht hat. Die Konsumenten verlangen eine bessere Rück- verfolgbarkeit der Produkte, besonders im Anblick der massiven Im- porte von Soja und Sojaschrot, welches vielfach von genetisch modi- fizierten Pflanzen stammt. Die ökologischen Vorteile der Öl- und Ei- weisspflanzen sind: Erhöhung der Biodiversität, Auflockerung der Fruchtfolge, ausgeglichene Stickstoffbilanz und allgemeine Reduk- tion der Hilfsstoffe. So ist der Anbau von Öl- und Eiweisspflanzen in Europa auch ein Ausdruck des politischen Willens. Der schweizerische Beitrag zur Züchtung, Agronomie und Produk- tion von Sojabohnen ist der Inhalt dieses Artikels. Kurzer historischer Rückblick für die Schweiz V or 125 Jahren wurden die ersten Beiträge über Versuchsresultate in der Schweiz publiziert. Durch den Standort Chur (Graubünden), nahm unser Land damals an einer internationalen Kooperation teil, die von Wien aus koordiniert wurde (HABERLAND, 1878). Ab 1969, liessen die Akklimatisierungsversuche Raum für erste genetische und züchterische Forschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Mehrere Experimente wurden zwischen 1960 und 1980 in Changins untergenommen. Die Ergebnisse waren eher enttäuschend, vor allem wegen der fehlenden ertragreichen und an die klimatischen Bedingungen der Alpen Nordseite angepassten I Agrarforschung. 10 (4): I-VIII, 2003 Eidgenössische Forschungsanstalt für Pflanzenbau Changins Direktor: André Stäubli http://www.racchangins.ch RAC Sojabohne: Züchtung, Agronomie und Produktion in der Schweiz A. SCHORI und R. CHARLES, Eidgenössische Forschungsanstalt für Pflanzenbau Changins, CH-1260 Nyon 1 D. PETER, Swissgranum, CH-3011 Bern Auskünfte: Arnold Schori, E-Mail: [email protected], Tel. (+41) 22 363 44 44. Zusammenfassung Die Sojabohne wurde 1988 in die Schweizer Landwirt- schaft eingeführt. Dieser Artikel beschreibt die erhalte- nen Anbaukenntnisse und die genetischen Forschritte in den letzten 15 Jahre. Preispolitik und politische Unterstützungsmassnahmen werden vorgestellt. Als Di- versifizierungskultur sollte die Sojabohne durch die Poli- tik, die landwirtschaftlichen Forschung, als auch der schweizerischen Verarbeitungspartner gemeinsam ge- tragen werden, damit diese attraktiv und konkurrenzfä- hig bleibt. Abb. 1. Züchtungsschema ab 2001. A B X F1 F2 F3 F5 F6 F7 A B F1 - Pflanzen. Wintervermehrungim Treibhaus oder in Chile, Sommervermehrungim Freiland. Saat in Changins von 400 Samen pro aufspaltende Population. Auslese des frühreifen Materials (September) und des spätreifen Materials (Oktober). Bildung von zwei Unterpopulationen. CH: Positive Massenauslese der frühreifenden Unterpopulationen (000 bis 0). F: Positive Massenauslese der spätreifenden Unterpopulationen (0 bis III). Individuelle Ernte der Elitepflanzen in F5. Stammbaumzüchtungnach ortsgebundenen Kriterien. Überprüfung der Reinerbigkeit (Homozygotie). - Vorversuche auf reinerbigen (homozygoten) Linien: 3 Jahre, 2-3 Standorte, Hauptversuche. - Vorbereitung zur Eintragung in schweizerische und ausländische Kataloge durch Delley Samen und Pflanzen. - Kältetoleranztests. - TechnologischerWert. Zuchtgarten Nord und Süd Kreuzungen: - 50 Kombinationen in CH zielen 3 - 5 Hybridsamen pro Kombination an: 10 - 15 Blüten pro Kombination mit einem Erfolg von 30 - 45 Hülsen pro 100 befruchtete Blüten. - 10 - 20 Kombinationen in Kanada. - Agronomische oder technologische Komplementierung des Eltern. Einzelpflanze Pflanzennachkommenschaft

Sojabohne: Züchtung, Agronomie und Produktion · Einleitung Die Sojabohne Glycine max[L.] Merr.) stammt sehr wahrscheinlich aus dem Nordosten Chinas (Mandschurei) und die Domestikation

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EinleitungDie Sojabohne Glycine max [L.] Merr.) stammt sehr wahrscheinlichaus dem Nordosten Chinas (Mandschurei) und die Domestikationder Wildform geht auf das 11. Jahrhundert v. Chr. zurück (HYMO-WITZ, 1979).Weltweit ist die Sojabohne sehr wichtig. Sie deckt 57% der Welt-produktion von Ölpflanzen ab, fünfmal soviel wie Raps oder Baum-wolle (Soystats, 2001). Sie dient als Rohstoff in 68% der konsu-mierten Eiweissmehle der Welt. Sojaöl findet zahlreiche Anwen-dungen in Lebensmitteln (Salatöl, Margarine, Kaffeerahm...) und inder Industrie (Brennstoffzusatz, Linoleum...). Das aus Sojaöl ge-wonnene Lezithin ist ein weitverbreitetes Emulsionsmittel in derNahrungsmittelindustrie.Die Hauptanbaugebiete (USA, Brasilien und Argentinien) beliefernvor allem die Europäische Union. In diesen drei grössten Exportlän-dern werden genetisch modifizierte Sorten auf 71%, 30% respektive97% der Fläche angebaut.Die europäische Produktion erreicht durch das Blair-House-Abkom-men und durch die Reduktion der öffentlichen Beiträge nur knapp1,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Abhängigkeitsrate der EU liegtim Bereich von 95%, wie diejenige der Schweiz.Der Europarat (STEVENSON, 2002) stellt in einem Bericht fest, dassdas Verbot von Fleisch- und Knochenmehl das Defizit an pflanzlichemEiweiss erhöht hat. Die Konsumenten verlangen eine bessere Rück-verfolgbarkeit der Produkte, besonders im Anblick der massiven Im-porte von Soja und Sojaschrot, welches vielfach von genetisch modi-fizierten Pflanzen stammt. Die ökologischen Vorteile der Öl- und Ei-weisspflanzen sind: Erhöhung der Biodiversität, Auflockerung derFruchtfolge, ausgeglichene Stickstoffbilanz und allgemeine Reduk-tion der Hilfsstoffe. So ist der Anbau von Öl- und Eiweisspflanzen inEuropa auch ein Ausdruck des politischen Willens.Der schweizerische Beitrag zur Züchtung, Agronomie und Produk-tion von Sojabohnen ist der Inhalt dieses Artikels.

Kurzer historischer Rückblick für die SchweizVor 125 Jahren wurden die ersten Beiträge über Versuchsresultate inder Schweiz publiziert. Durch den Standort Chur (Graubünden),nahm unser Land damals an einer internationalen Kooperation teil,die von Wien aus koordiniert wurde (HABERLAND, 1878). Ab 1969,liessen die Akklimatisierungsversuche Raum für erste genetischeund züchterische Forschung an der Eidgenössischen TechnischenHochschule in Zürich. Mehrere Experimente wurden zwischen 1960und 1980 in Changins untergenommen. Die Ergebnisse waren eherenttäuschend, vor allem wegen der fehlenden ertragreichen und andie klimatischen Bedingungen der Alpen Nordseite angepassten

IAgrarforschung. 10 (4): I-VIII, 2003

Eidgenössische Forschungsanstalt für PflanzenbauChangins

Direktor: André Stäubli http://www.racchangins.ch

RAC

Sojabohne: Züchtung, Agronomie und Produktionin der SchweizA. SCHORI und R. CHARLES, Eidgenössische Forschungsanstalt für Pflanzenbau Changins, CH-1260 Nyon 1D. PETER, Swissgranum, CH-3011 BernAuskünfte: Arnold Schori, E-Mail: [email protected], Tel. (+41) 22 363 44 44.

ZusammenfassungDie Sojabohne wurde 1988 in die Schweizer Landwirt-schaft eingeführt. Dieser Artikel beschreibt die erhalte-nen Anbaukenntnisse und die genetischen Forschritte inden letzten 15 Jahre. Preispolitik und politischeUnterstützungsmassnahmen werden vorgestellt. Als Di-versifizierungskultur sollte die Sojabohne durch die Poli-tik, die landwirtschaftlichen Forschung, als auch derschweizerischen Verarbeitungspartner gemeinsam ge-tragen werden, damit diese attraktiv und konkurrenzfä-hig bleibt.

Abb. 1. Züchtungsschema ab 2001.

A BX

F1

F2

F3

F5

F6

F7

A

B

F1 - Pflanzen.Wintervermehrungim Treibhaus oder in Chile,Sommervermehrungim Freiland.

Saat in Changins von 400 Samen proaufspaltende Population.Auslese des frühreifen Materials (September)und des spätreifen Materials (Oktober).Bildung von zwei Unterpopulationen.

CH: Positive Massenausleseder frühreifendenUnterpopulationen(000 bis 0).

F: Positive Massenausleseder spätreifendenUnterpopulationen(0 bis III).

Individuelle Ernte der Elitepflanzen in F5.

Stammbaumzüchtungnach ortsgebundenenKriterien.Überprüfung der Reinerbigkeit (Homozygotie).

- Vorversuche auf reinerbigen (homozygoten)Linien: 3 Jahre, 2-3 Standorte, Hauptversuche.

- Vorbereitung zur Eintragung in schweizerischeund ausländische Kataloge durch DelleySamen und Pflanzen.

- Kältetoleranztests.- TechnologischerWert.

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Kreuzungen:- 50 Kombinationen in CH zielen 3 - 5Hybridsamen pro Kombination an:

10 - 15 Blüten pro Kombination mit einemErfolg von 30 - 45 Hülsen pro 100befruchtete Blüten.

- 10 - 20 Kombinationen in Kanada.- Agronomische oder technologischeKomplementierung des Eltern.

Einzelpflanze

Pflanzennachkommenschaft

Sorten. Dank der grosszügigen Unterstützung der Firma Nestlékonnte 1981 in Changins ein praktisches Züchtungsprogramm be-gonnen werden.Nach einigen Pilotversuchen dieser neuen Kultur, wurde 1988 dieSojabohne für den Anbau empfohlen. Vom Erzeuger werden einigeKenntnisse bezüglich den folgenden technischen Faktoren verlangt:Region und Parzellenwahl, klimatische Bedingungen, Sortenkennt-nisse, Saat und Saatdichte, Unkrautbekämpfung und manchmalBewässerung. Diese verschiedenen Produktionsfaktoren wurdenexperimentell erforscht, um den Anbau in unserem Land technischzu unterstützen. Im September 2002 hat das Bundesamt für Land-wirtschaft auf Anfrage der Branchenorganisation beschlossen, dasZüchtungsprogramm zu garantieren. Die Beweggründe dieserUnterstützung sind ähnlich derjenigen des Europarates. Als Diversi-fizierungskultur sollte die Sojabohne, sowohl durch gemeinsamepolitische Bemühungen, der landwirtschaftlichen Forschung, alsauch der schweizerischen Vermarktungskette, attraktiv und konkur-renzfähig bleiben.

Züchtung und Anbautechnik unterwidrigen KlimabedingungenDie Ertragssteigerung durch den Züchtungsfortschritt der letztenJahre ist beträchtlich. Die Anpassung an das Klima als Stabilitäts-faktor ist weiterhin ein Bestandteil der Züchtung.Verschiedene klimatische Bedingungen begrenzen den Anbau derSojabohne und bestimmen somit die Wahl des Anbaugebietes:niedrige Temperaturen während der Blüte, Tageslänge, minimaleTemperatursummen während der Vegetationsperiode (140 bis150 Tagen) und ausreichende Wasserversorgung während der Körner-ausbildung (von Mitte Juli bis Mitte August). Ein Anbau oberhalbvon 500-550 m Höhe wird nicht empfohlen. Die besten Anbauge-biete sind die ausgeglichenen, tiefsten Lagen im Flachland, welcheim Sommer regelmässig mit Wasser versorgt sind.In einer geeigneten Region ist die Parzellenwahl denselben Prinzi-pien wie die der klimatischen Anforderungen unterstellt. In frischenLagen oder auf besonders fruchtbaren Böden, welche reich anorganischer Substanz oder regelmässig mit organischem Düngerversorgt sind, sollte eine frühreife Sorte angebaut werden. Auf deranderen Seite sind flachgründige Böden in trockenen Gebieten zuvermeiden.Der Sojabohnenanbau ist relativ einfach. Die Entwicklungen in derZüchtung und in den Anbautechniken haben als gemeinsames Ziel,die hohe Plastizität der Pflanze zu beherrschen. Unter anderemmuss das Wachstum vom Auflaufen bis zur Blüte unter Kontrollebleiben, da sich ein zu üppiges Wachstum zu Ungunsten der Be-fruchtung und der Reife auswirken kann.

Sortenzüchtung und VergleichsversucheIn Changins fängt das Züchtungsschema dieser Selbstbefruchter(Abb. 1) im Treibhaus mit der Kreuzung von Pflanzen aus demFreiland an (Abb. 2). Mehrere Kombinationen mit Kreuzungen vonspäten mit frühen Sorten werden durchgeführt, um die genetischeBasis für die Kreuzungen zu erweitern. Die so erhaltenen Populatio-nen werden in zwei Unterpopulationen unterteilt: Reifegruppe 000bis 0 und 0 bis II. Eine Massenauslese der Heterozygoten wird beiGenerationen F3 bis F5 an zwei verschiedenen Standorten (Schweizund Frankreich) und nach ortsgebundenen Kriterien durchgeführt(Abb. 3). Während den zwei folgenden Jahren der Pedigreeselek-tion, werden nur die vielversprechendsten Linien beibehalten (Abb.4). Diese zwei Generationen reichen meistens, um die Reinerbigkeit(Homozygotie) zu erreichen. Dann beginnen Feldversuche undErhaltungszüchtung (Abb. 5). Falls dies nicht der Fall ist, wird dieseStufe um ein Jahr verlängert. Die agronomische Beurteilung wirdwährend drei Jahren in den Vorversuchen gemacht. Die besten Sor-ten werden zur Aufnahme in den Sortenkatalog und für die Liste derempfohlenen Sorten vorgeschlagen (Abb. 6).

II

Abb. 4. Teilansicht desZuchtgartens in Chan-gins. Während der Pedi-greeselektion werden dieNachkommen jeder Elite-pflanze beobachtet. Nurdiejenigen, die den Zücht-ungszielen entsprechen,werden erhalten. �

Abb. 5. Die Erhaltungs-züchtung benötigt regel-mässige Kontrollen derSortenreinheit und desKrankheitszustandes.Delley Samen und Pflan-zen, später die Saatgut-produzenten sind für diehohe Samenqualität ver-antwortlich. �

Abb. 2. Die Kreuzungwird durch die kleinenBlüten erschwert. Die10 Staubblätter könnennach Entfernung derKronen und Blüten-blätter weggenommenwerden, um jeglicheSelbstbefruchtung zuvermeiden. �

Abb. 3. Die Massenaus-lese ist eine billige undeffiziente Züchtungsme-thode für qualitive Merk-male. Die Elitepflanzenwerden in zwei Phasengeerntet. �

Seit 1988 wurden ungefähr 120 Sorten im Versuchsnetz der For-schungsanstalten getestet. Die heutigen Sorten stammen aus unse-rem Züchtungsprogramm oder aus Kanada, mit Ausnahme einerSorte aus Frankreich. Für das Tessin werden auch italienische Sor-ten untersucht. Die Anbautests werden unabhängig vom Züchtungs-programm durchgeführt. Sie sind auf Versuchsbetriebe der For-schungsanstalten und der Praxis aufgeteilt. Das Sortenversuchsnetzbesteht aus vier bis fünf Versuchen pro Jahr. Die Anbautechnikenrespektieren die Prinzipien der integrierten Produktion und in einemFall, seit 2001 auch die des biologischen Anbaus. Die Versuchewurden an verschiedenen Standorten angelegt: Cadenazzo, Chan-gins, Chavornay, Corcelles, Delley, Goumoens, Humlikon, Lindau,Lucens, Monthey, Reckenholz, Saint-Triphon und Zollikofen.Die Ergebnisse dieser Sortenversuche dienen den Vertretern derBranchenorganisation swissgranum als Grundlage, um eine Sorten-liste zu erstellen, welche jedes Jahr publiziert wird. In diesem Jahr(2003) befinden sich auf dieser Liste acht Sorten, aufgeteilt in dreiGruppen gemäss ihrem Reifezeitpunkt (CHARLES und HEBEISEN,2003). Obwohl das Angebot an späten Sorten grösser ist, wurdendie interessantesten Fortschritte der letzten Jahre bei frühen Sortenerzielt (Abb. 7). Diese Fortschritte haben dazu beigetragen, denSojaanbau auch bei mittelmässigen klimatischen Bedingungen desSchweizer Flachlandes konkurrenzfähiger zu machen.

Saat und WuchstypDie Saat erfolgt ab Mai, wie für Mais. Ein früheres Datum hat trotzeiner längeren Vegetationsperiode keinen Sinn. Aus verschiedenenVersuchen wurde ersichtlich, dass eine Pflanzendichte von 55 Pflan-zen pro m2 (zwischen 50 und 60 Pflanzen pro m2) die besten Ergeb-nisse in den meisten Anbausituationen ergibt, und dass der Reihenab-stand zwischen 18 und 50 cm variieren kann. Bei einem engerenReihenabstand (18 bis 37,5 cm) ist die Pflanzenentwicklung, dieBodenbedeckung und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Un-kräutern leicht besser. Höhere Pflanzendichten sind nur in Ausnahme-fällen angebracht, zum Beispiel, wenn eine Frühsorte in einem sehrgünstigen Klima angebaut wird.Diese Flexibilität bei der Saat beruht auf der hohen Anpassungsfähig-keit des vegetativen Wachstums der Sojabohne und auf ihrer grossenKompensationskapazität unter besonderen Bedingungen. Die beiVegetationsbeginn zugrunde gegangenen Pflanzen werden teilsdurch Verzweigungen der Nachbarpflanzen ersetzt. Somit kann einschwacher Auflauf toleriert werden; es braucht aber im Minimum30 Pflanzen pro m2. Wird der Hauptstängel beschädigt (zum Bei-spiel durch Hasenfrass), entwickeln sich Seitenstängel. Eine schlechtausgewählte Sorte, zu hohe Pflanzendichten, ein zu fruchtbarerBoden oder eine unangepasste Bewässerung führen zu exzessivenvegetativen Entwicklungen. Der Blattflächenindex (Blattfläche proBodenflächeneinheit, LAI) ist bei den meisten Sorten sehr hoch.Die beschatteten unteren Blätter zeigen eine ungenügende Photo-synthese, obwohl sie atmen und somit auch konsumieren, wie dieanderen Blätter. Eine zu dichte Blattmasse bewirkt ein feuchtes,schlecht durchlüftetes, für Pilzkrankheiten günstiges Mikroklima.Eines unserer Ziele ist daher die Züchtung von blattärmeren Pflan-zen mit kleinen ovalen oder lanzettlichen Blättchen (Abb. 8). MitHilfe der in Changins erhaltenen Isolinien werden die Vor- undNachteile solcher modifizierter Pflanzenarchitekturen zeigen. Dielanzettlichen Typen (MANDL und BUSS, 1981) erweisen sich gleichproduktiv, wie die klassischen Typen und besitzen normalerweisekürzere Internodien und stets kleinere und in grösserer Anzahl vor-handene Samen (hohe Frequenz von viersämigen Hülsen).Im Gegensatz dazu kann eine hohe Blattdichte bis zu 50% Blattaus-fall tolerieren, sei es durch Raupenfrass des Distelfalters (Vanessacardui), der gelegentlich in unseren Gegenden vorkommt oderdurch Hagel. Diese Kompensationsvorgänge können aber zu leichtenErtragseinbussen und späterer Reife führen.Einzig unbegrenzt oder teilbegrenzt wachsende Sorten werden inder Schweiz angebaut. Im Gegensatz zu den unbegrenzt wachsenden

III

Abb. 8. Die vorhandene morphologische Vielfaltder Pflanze ist bei dieser Art sehr gross. Hiereine begrenzt wachsende Linie mit lanzettähnli-chen, langen Blätter.

Abb. 7. Zusammenhang zwischen Frühreife und Ertrag. Ältere Sorten (Dreieck) und neuere Sorten (1996oder später). Schräggeschrieben: ausländischen Sorten (Ergebnisse aus dem schweizerischen Netz zur An-meldung1999-2001). Der Züchtungserfolg ist durch die Verschiebung der Geraden nach oben ersichtlich.

Toliman (prov)

Erin

Amphor

EstelGallec

Batida

Sierra

Paradis

Poya

Essor

SilviaPronto

M. Arrow

Ceresiay = 0,5439x + 36,507

R2 = 0,7865

y = 0,7796x + 34,263R2 = 0,9351

25

27

29

31

33

35

37

39

-10 -8 -6 -4 -2 0 2 4

Ert

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(dt/h

a)

Frühreife (in Tagen gegenüber Maple Arrow)

Abb. 6. Sojabohnensortenversuch Mitte September. Drei Reifegruppen un-terscheiden sich schon. Die Feuchtigkeit der Samen ist kein entscheidendesKriterium für die Bestimmung der Frühreife. Eine Reifenote ist entscheidend.

Sorten, hört das vegetative Wachstum der begrenzt wachsendenSorten kurz nach Beginn der Blüte auf. Die Anzahl Knoten desHauptstängels ist kleiner und der Ertrag wird hauptsächlich durchdie Seitentriebe gesichert. Obwohl die Dauer der Blüte der beidenGruppe vergleichbar ist (Vidal und Astruc, 1986), hat die Erfahrunggezeigt, dass begrenzt wachsende Sorten unter unseren klimatischenBedingungen weniger ertragssicher sind.

Kältetoleranz und BlüteDie Inseln Kouriles und Sakhaline, wie auch der Norden von Hok-kaido sind vom Ursprungszentrum in der Mandschurei durch dasjapanische Meer getrennt. Diese haben sich mit ihrem frischen,feuchten Klima als sehr wichtiges Genzentrum für die Züchtungs-programme nördlich des 45. Breitengrades gezeigt. Der schwe-dische Züchter Swen Holmberg wusste dieses Material zu nutzenund die Sorte Fiskeby V erhalten. Diese war unsere Hauptquelle fürdie Kältetoleranz. In diesem Zusammenhang haben wir die wichtigeKompensationsrolle der Nebenblütentrauben für die Kältetoleranzgezeigt (SCHORI et al., 1993). Die asynchron blühenden Genotypen– zeitliche Verschiebung der Blütezeit der Haupt- und Nebenblüten-trauben (Abb. 9)–- kompensieren durch die Seitenblüten schnell einabnormales Abfallen der Blüten der Haupttraube. Ein synchron blü-hender Genotyp hat nicht diese Fähigkeit und besitzt mehr sterileInternodien. Diese Kompensation trägt zur Erhaltung einer regel-mässigen Verteilung der Hülsen auf dem Hauptrieb bei und verhin-dert eine Kompensation auf den apikalen Nodien. Diese Kompensa-tion auf den oberen Nodien verzögert die Reife und charakterisiertin unserem Züchtungsprogramm die sensiblen Genotypen (SCHORI

et al., 1992). Das asynchrone Blühen, das im weiteren Sinne zurKältetoleranz beiträgt, ist genetisch mit der bräunlichen Behaarunggekoppelt (SCHORI und GASS, 1994). Diese Koppelung zwischenden Eigenschaften erklärt, warum quasi alle frühen Sorten nördlichder Alpen und alle schweizerische Sorten (Tab. 1) bräunlich behaartsind.Ein anderes wesentliches Kriterium der Kältetoleranz im engerenSinn des Wortes wurde auch in Changins definiert (GASS et al., 1994;1996): die als tolerant betrachteten Genotypen zeigen in Stresssitua-tionen tiefere Blütenfallraten. Diese Ergebnisse haben zusätzlichSensibilitätsschwellen der einzelnen Sorten definiert, indem die

Dauer und die Intensität des Stresses durch die Kältesumme inte-griert wurden. Diese Schwellen sind wertvoll auf Grund ihresErklärungswertes und für die Nutzung beim Sortenscreening.

Tageslänge und BlüteTrotz ihrem Ursprungsgebiet wird die Sojabohne als eine Kurztags-pflanze angesehen, die früher blüht, wenn die Tage kurz oder ab-nehmend sind. Wenn es der Züchtung möglich ist, eine Pflanze demBreitengrad eines Standortes zu adaptieren, ist diese Anpassung nurfür einen beschränkten geographischen Standort gültig. Diese Ein-

IV

Tabelle 1. In der Schweiz gezüchtete Sorten, Jahr und Auf-nahmeland (CH: Jahr des ersten Anbaus).

—> Zur Zeit laufende EinschreibungDie Vertretung unserer Sorten ist an Delley Samen und Pflanzen delegiert, die für dieErhaltung und Vermehrung verantwortlich ist.

SORTE Schweiz Frankreich Österreich Kanada

Alvia (20312) 1988Batida (21141) 1996 1998Ceresia (20305) 1988 2000 1991Cervin (20009) 1990Estel (21432) 2001Fuego (21122) 1996Gallec (21507) 2002 —>Idefix (21648) 2002 2002Leman (20479) 1986Nebraska (20950) 1994Nortman (21458) 2000Orion (21265) 1998Paradis (20731) 1992 1991Pelvoux (20375) 1990Poya (21458) 1998Sierra (21430) 1998 2000Silvia (20251) 1988Toliman (21511) —> —> —>21673 —> —>21679 —> —>21715 —> —>21732 —>

� Abb. 9. Auf dieser Sorte ist die Blüte des Mitteltraube beendet und die ersten Hülsen sichtbar. Dieaufgehenden Blüten gehören zu den Seitenblütentrauben und sind erst 10 Tagen später erschienen.

�� Im Gegensatz dazu hat die Sorte (unten) eine quasi synchrone Blüte der Haupt- und Neben-blütentraube.

Abb. 10. Mögliche jahresabhängige Temperatursumme im Flachland vom 5. Mai bis 15. Oktober. Sortenbedarf nach Reifungsgruppen. �

1300

1400

1500

1600

1700

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

00+ 1575 °C.T

00 1545 °C.T

00/000 1515 °C.T

000+ 1485°C.T

000 1435°C.T

Tem

pera

turs

umm

e (°

C, B

asis

6°C

)

schränkung bedingt, dass die Zuchtgärten an verschiedenen Stand-orten stehen müssen. Die Betrachtung der Interaktion zwischenTageslänge und Sorte ist auch wichtig für die Sortenwahl als Zweit-kultur (Saattermin). Sechs Genpaare bestimmen das Blüh- und Reife-datum. Die Allele der Frühreife sind rezessiv und wirken additiv.Die grauhaarigen Sorten besitzen meistens das Allel der SpätreifeE1, was eine zusätzliche Erklärung für das überwiegende Vorhan-densein der bräunlich behaarten Sorten in der Schweiz. Das letzt-beschriebene E7 Allel (COBER und VOLDENG, 2001) ist ebenfalls mitder Behaarung gekoppelt.

Temperatursumme und VegetationsdauerDie von der Pflanze benötigten Temperatursummen variieren starkund sind sortenabhängig. Die internationale Klassifizierung derSorten nach Foto- und Thermoperiode basiert auf 13 Reifegruppen(000, 00, 0, dann I bis X). Einzig die zwei ersten reifen regelmässigunter den klimatischen Bedingungen in der Schweiz. Abbildung 10zeigt die erreichte Jahrestemperatursumme am 15. Oktober imSchweizer Flachland. Die unterschiedlichen Sortenanforderungensind mit horizontale Linien dargestellt. Eine sehr frühreifende Sorte(000) braucht nur 1435 Tagesgrad (Basis 6°C), während eine 00-Sorte 110 Tagesgrad mehr zum Ausreifen benötigt (1545 Tages-grad).In den 24 Beobachtungsjahren waren sechs davon für die Reifevon 00 ungenügend (Reifewahrscheinlichkeit von 75%), während-dem eine 000-Sorte (Reifewahrscheinlichkeit von 90%) in drei Jah-ren Reifeprobleme hatte. Die für die Schweiz aufgestellten Karten,dargestellt in Abb.11 (GASS et al., 1994), zeigen die potenzielleAusdehnung der Anbaufläche dank 000-Sorten und unterstreichendie Wichtigkeit der Züchtungsziele für die Schweiz. Unabhängigvon der Region ist die richtige Sortenwahl ausschlaggebend: zehnJahre mit Erträgen von 100 sind gegenüber acht Jahren mit 105 vor-zuziehen.Die Frühreife ist an sich ungenügend, das Ziel ist daher die Produk-tivität pro Vegetationstag zu steigern. Die regelmässigen Züchtung-sfortschritte sind in der Abbildung 7 ersichtlich, wo sich die Regres-sionsgerade nach oben verschoben hat. Die Sorte Gallec unterschei-det sich besonders, da sie trotz ihrer Frühreife vergleichbare Erträgewie 00 Sorten erreicht.Allgemein gesehen hat die Züchtung eine durchschnittliche Ertrags-erhöhung von 3 dt/ha über 12 Jahren erreicht, was ein Züchtungs-erfolg von 0,75% pro Jahr darstellt. KUMUDINI (2002) berichtet voneinem ähnlichen Ergebnis in Nordamerika (0,5 bis 0,7% pro Jahr)und stellt fest, dass die Ertragsverbesserung mehr mit einer besserenAkkumulation der gesamten Trockensubstanz als mit einer Erhö-hung des Ernteindexes verbunden ist.

KulturmassnahmenPflanzenernährungDie Sojabohne ist eine Leguminose, deren Wurzeln mit einem Bak-terium (Bradyrhizobium japonicum) natürlich infiziert sind. Ausdieser Symbiose entstehen Wurzelknöllchen, wo atmosphärischerStickstoff fixiert wird (Abb. 12). Die Inokulation bei der Erstpflan-zung einer Parzelle mit Sojabohnen ist wichtig, damit die Stickstoff-versorgung gesichert ist. Es wird angenommen, dass die Rhizobienmehr als zehn Jahre im Boden überleben. Feldversuche haben ge-zeigt, dass fehlende Inokulationen Ertragseinbussen bis zu 40%bewirken können, dass eine Substitutionsdüngung mit Stickstoff(180 kg N/ha) diese Einbussen um die Hälfte reduziert und dasseine nachträgliche Inokulation der Pflanzen zu Beginn der Vegeta-tionsperiode die Verluste auf 10% beschränken.Die Grunddüngung beträgt 56 kg/ha P2O5 und 150 kg/ha K2O. Einebegrenzte Mistgabe ist möglich, aber für die Sojabohne nicht not-wendig.

V

Abb. 11. Erreichung der Reife vor dem 15. Oktober je nach Reifegruppe (00und 000) (Saattermin: 5 Mai). Abgeleitet nach GASS et al., 1994.Bemerkung: die durch den Unterschied von 110 Tagesgraden ermöglichteAusdehnung der potentiellen Anbaufläche wird ersichtlich.

90-100%80-90%

Sorten 00�(1545 °C.T)

Sorten 000�(1435 °C.T)

60-70%

Alt. > 600 m

70-80%

< 60%

Abb. 12. Wurzelknöll-chen der Sojabohne.Eine Vergrösserung desBildes zeigt die Lachs-farbigkeit der Knöllchen(Leghämoglobin), wasauf eine aktive Symbiosehindeutet.

Unter gewissen klimatischen Bedingungen (Kanada) ist bei der Saatist eine Stickstoffgabe empfehlenswert. In unserer Region wirddiese Gabe manchmal zu unrecht gegeben, besonders bei frühenSaaten in kalte Böden. Diese Massnahme fördert manchmal die ve-getative Entwicklung am Anfang, bringt aber keinen Vorteil bezü-glich Reife und Ertrag. Stattdessen kann die Saat einfach an einemstandortangemessenen Zeitpunkt erfolgen.

UnkrautbekämpfungDie Unkrautbekämpfung ist die einzige Pflanzenschutzmassnahmebeim Anbau von Sojabohnen. Diese Massnahme ist in dieser Som-merkultur wichtig wegen dem Risiko einer Spätverunkrautung. DieFeld- (CHARLES und PERLER, 1996) und Praxisversuche haben ge-zeigt, dass der Herbizideinsatz hinsichtlich den Klimabedingungendie flexibelste Lösung ist. Die Anzahl Wirkstoffe sind jedoch be-schränkt und ihr Wirkungsspektrum knapp breit genug. Die mecha-nische Unkrautbekämpfung mit einer Hacke ist manchmal einewichtige Ergänzung, die aber einen angepassten Reihenabstand ver-langt. Eine rein mechanische Unkrautbekämpfung, wie sie im Bio-anbau praktiziert wird, ist auch möglich.Verschiedene Geräte können verwendet werden: der Hackstriegelim Vorauflauf, dann die Gänsefussschare oder die Sternhacke. DieSternhacke ist besonders interessant, da sie in einem ersten Durch-gang die Erde in die Mitte der Zwischenreihen schiebt und in einemzweiten Durchgang die Erde gegen die Pflanzen dämmt. Die me-chanische Unkrautbekämpfung kann bis zum Reihenschluss desBestandes durchgeführt werden. Dank der Belüftung des Bodenskann diese Massnahme die Bodenmikroorganismen und dadurch dieStickstofffixierung begünstigen.

Krankheiten und SchädlingeEine kleine Anbaufläche schützt diese Kultur vor wichtigen Krank-heiten. Die Weissstängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum), die auchden Raps, die Sonnenblume und andere Dicotyledonen befällt istbesonders im Tessin vorhanden, wo unter üppigen Vegetations-bedingungen die Schäden erheblich sein können (Abb. 13). Unterdiesen Bedingungen sollten frühe, wenig belaubte und standfesteSorten bevorzugt werden. Die Resistenzzüchtung ist schwierig undhat bis jetzt keine befriedigenden Resultate erbracht.In den Vermehrungsfeldern für die Samenproduktion, werden be-sonders die Fettfleckenkrankheit Pseudomonas syringae (Abb. 14),der Mehltau Peronospora manshurica (Abb. 15) und die Virosen(Mosaikvirus Abb. 16) überwacht. Da diese drei Krankheiten sa-menbürtig sind, sollen befallene Felder deklassiert werden. UnserPflanzenmaterial besitzt eine gute Widerstandsfähigkeit gegenüberdem Mehltau. In der Schweiz gibt es keine spezifischen Soja-schädlinge: gelegentlich können mit der Bohnenfliege, dem Blatt-randkäfer, den Schnecken, den Milben (trockene Feldränder) odermit der Raupe des Distelfalters Probleme auftreten.

BewässerungIn den meisten Anbaugebieten ist die Wasserversorgung kein limi-tierender Faktor. Manchmal ist Bewässerung notwendig, um dieBefruchtung (Anfangs Juli) oder später die Körnerausbildung (MitteJuli bis Anfang August) zu sichern. Die Ertragsverluste durchWasserstress können beträchtlich sein, um 15 dt/ha unter schwieri-gen Bedingungen (trockene Jahre in flachgründigen Parzellen imGenferseegebiet). Die Bewässerungsbedingungen und ihre agrono-mischen Auswirkungen wurden unter Schweizer Bedingungen stu-diert (CHARLES, 1999). Die Bewässerung soll nur bei gravierendemWasserbedarf während der Entwicklung der Hülsen und der Körnereingesetzt werden.

VI

Abb. 13. Auf dem Feld vertrocknete Pflanzen deuten auf Sklerotinia. Diespäten, üppigwachsenden Sorten sind anfälliger. Zu hohe Pflanzendichtenoder eine unangepasste Bewässerung fördern die Krankheit.

Abb. 14. Der Sojamehltauunterscheidet sich deut-lich von der Fettflecken-krankheit durch dassichtbare graue Myzel ander Blattunterseite (Bildunten).

Abb. 15. Die Übertragung der Fettfleckenkrankheit wird durch Sommerge-witter begünstigt. Auf der Blattunterseite erscheinen die Bakterienkolonienals Ölflecken was zum Namen dieser Krankheit beigetragen hat.

Andere agronomische EigenschaftenDurch systematische Züchtungsarbeit ist das Aufplatzen der Hülsenwährend der Reifung kein Problem mehr. Bei Überreife und beisehr trockener Luft verlieren trotzdem alle Sorten ihre Samen. DieHöhe der ersten Hülse wird in Changins nicht mehr gemessen. DieVerbesserung dieses Charakters für eine gleiche Reifungsgruppe be-wirkt unmittelbar längere Internodien und damit eine erhöhte Ten-denz zur Lagerung. Nur Pflanzentypen, die einen zu weiten Inser-tionswinkel der Seitentriebe haben, werden in den Zuchtgärten eli-miniert. Die auf dem Feld gebliebenen Hülsen sind verständlicher-weise der Grund gewisser Unzufriedenheit von Produzenten. Dazuist zu sagen, dass die Sortenvergleiche auf Erträgen aus mechani-scher Ernte beruhen, anders gesagt, dem Ertrag oberhalb desSchneidewerk. Nur diese Ergebnisse sind für die Praxis relevant.

Ernte und QualitätErnteIn den günstigen Lagen findet die Sojabohnenernte ab Anfang Sep-tember statt. Ab Anfang Oktober ist der maximale Reifegrad er-reicht. In dieser Periode sollte jede Erntemöglichkeit ausgenütztwerden. Verspätete Erntetermine können zu Körnerfäulnis führen.

Die Entwicklung der Durchschnittserträge in der Schweiz (OFAG,1998; swissgranum, 2002) und des Sortenversuchsnetzes (MapleArrow, 00 Sorten, stark angebaut) zeigen die Wichtigkeit der jährli-chen Klimabedingungen und des Standortes für die Ertragstabilität(Abb. 17). Interessanterweise gleichen sich die Unterschiede zwi-schen der Praxis und den Feldversuchen immer mehr aus, sei esdank der verbesserten Anbautechniken oder durch die Konzentra-tion der Anbauflächen in günstigere Lagen. Während den erstenzehn Jahren lag der Durchschnittsertrag der ungefähr 2900 ha derProduzenten bei 23 bis 28 dt/ha. Das Ertragsniveau lag im Jahr2000 ausnahmsweise bei 38 dt/ha (1000 ha) und im 2001 auf 30dt/ha (500 ha), da sich die Wirtschaftsbedingungen verschärft hattenund die Sojabohne nur an den besten Standorten angebaut wurde.

KörnerqualitätEinige braunhaarige Sorten besitzen Körner, bei denen die Farbedes Nabels auf die Samenhaut diffundieren, was zu einer marmor-ähnlichen Färbung führt. Dieses Phänomen kann auch bei Sortenmit sogenannt farblosem Nabel aufkommen (BERNARD und WEISS,1973). Die Marmorierung ist oft fälschlicherweise mit Virus-krankheiten assoziiert. Dieses Merkmal ist nur ein ästhetischerNachteil, falls die ganzen Samen für die Lebensmittelproduktionverwendet werden. Obwohl es als ungünstig eingestuft wird, istdieses Merkmal kein ausschliessender Faktor in unserem Züchtungs-programm.Die Samen enthalten ungefähr 40% Eiweisse und 20% Öl. Sortenmit 48% Eiweissgehalte sind bereits für die Praxis verfügbar und inunser Kreuzungsprogramm integriert worden.Wir haben mehrere Linien mit gelben Samen und Nabel entwickelt,die im Rohzustand einen angenehmen Haselnussgeschmack besitzen,anstelle des typischen grasigen Geschmackes der Sojabohne, der fürmanche westlichen Konsumenten hemmend wirkt. Ihre Vorteile fürdie menschliche Ernährung, sowie ihre chemische Basis werdenmomentan analysiert. Es handelt sich vor allem darum, nachzuwei-sen, ob diese Verbesserung auf die Abwesenheit von Lipoxygenaseberuht. Die Ergebnisse von WILSON (1999) zeigen, dass diese Enzymedurch Oxydation der Fettsäuren für diesen grasigen Geschmackverantwortlich sein könnten.Der Konsum von Sojabohnen im Rohzustand führt bei monogastri-schen Tieren (Hühner, Schweine) zur Inhibition der Trypsinbildung.Dies hat eine verminderte Verwertung des Eiweisses zur Folge undkann zu einer Hypertrophie des Pankreas führen. Die Trypsinhem-mer werden leicht durch Wärme abgebaut (Extraktion, Röstung,

Pressung). Dies ermöglicht es, die Soja-bohne weltweit als Haupteiweissquellepflanzlichen Ursprungs zu machen. Es wäretrotzdem wünschenswert, die ganzen Samen,ohne thermische Behandlung zu verwenden.Ein breites Screening an der Illinois Uni-versität (USA) ermöglichte die Entdeckungeines rezessiven Allels (ti), das für die Ab-wesenheit eines Trypsinhemmers codiert.Es handelt sich um den Kunitz-Hemmer.Diese Sorten haben den Vorteil, 25% weni-ger Heizung zu brauchen oder dürfen ineinem grösseren Anteil ohne Röstung in dieRation integriert werden (HYMOWITZ, 1991).Einige Kreuzungen mit dieser Mutationwurden in Changins durchgeführt.Der hauptlimitierende Faktor bei der Ver-wendung der ganzen Körner in der Schwei-nefütterung bleibt dennoch der zu hoheÖlgehalt (PUFA), der eine schlechte Fett-qualität bewirkt. Die ganzen Sojakörnerbleiben trotz allem eine gut adaptierte Füt-terung für Muttersauen und für Milchkühe(STOLL, 2001).

VII

Abb. 16. Die Symptome des Mosaikvirus (SMV) charakterisieren sichdurch Verkrümmung der Blätter und im Durchlicht durch zwei klar trenn-bare Grüntöne. Die befallenen Pflanzen produzieren wenig Hülsen undbleiben über den normalen Erntezeitpunkt hinaus grün.

Abb. 17. Fluktuation der Erträge der Sojabohne in Abhängigkeit des Jahres. Durchschnittswerte vonallen Versuchsparzellen für die Sorte M. Arrow und Durchschnittsertrag der Schweizer Produzenten.

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M. Arrow Durchschnitt Schweiz

Soja: Wiedergeburt nach Liberalisierungsschock!

Liberalisierungsschock im Jahr 2000!Mit der Liberalisierung des Ölsaatenmarktes ist der durchschnittlicheProduzentenpreis für Soja im Jahre 1999 von CHF 165.–/dt auf CHF50-55.–/dt (Jahre 2000/2001) zurückgegangen. Die Direktzahlungenim Rahmen der neuen Agrarpolitik «AP 2002» konnten diesen star-ken Rückgang nur teilweise ausgleichen. Im Vergleich zum Raps undzur Sonnenblume, die einen etwas geringeren Preisrückgang ver-zeichneten, war Soja für die Landwirte somit nicht mehr attraktiv.Aus den vorerwähnten Gründen verzeichnete die einheimische Pro-duktion von Soja einen starken Rückgang (1999: 7550 Tonnen;2000: 3750 Tonnen; 2001: 1250 Tonnen).Zu Beginn des Jahres 2000 wurde diese Kultur zudem Opfer desweltweit schlechten Images der GVO, was im Nahrungsmittelsektorzu einer starken Abnahme der Nachfrage nach Sojaöl führte. Obwohlsich die Vertragsmenge im Rahmenvertrag zwischen dem Dachver-band der Ölwerke (SwissOlio) und dem Schweizerischen Getreide-produzentenverband (SGPV) auf 3000 Tonnen belief, konntenschliesslich nur 1500 Tonnen in diesem Sektor abgesetzt werden.

Wiedergeburt im Jahr 2002!Dank dem vom Bundesamt für Landwirtschaft an swiss granum abdem 1.1.2002 erteilten Leistungsauftrag für Ölsaaten konnten dieVerarbeitungsbeiträge innerhalb der Branche der Marktsituation an-gepasst werden. Swiss granum hat gleich zu Beginn beschlossen,Soja zu fördern, indem die Stützung im Speiseölsektor auf CHF25.–/dt erhöht und im Futtermittelsektor eine neue Stützung vonCHF 20.–/dt ausbezahlt wurde.Für die Ernte 2002 ergab dies somit einen Sojapreis von CHF 72-74.–/dt, während sich die Preise der anderen Ölsaaten zwischenCHF 80-83.–/dt bewegten. Der Preisunterschied galt es mit denagronomischen Vorteilen von Soja zu kompensieren.Entsprechend der angekündigten und geplanten Mengen im Rah-men des Leistungsauftrags Ölsaaten belief sich die Gesamtnachfragenach Soja auf 7900 Tonnen.Um dieser Nachfrage nachzukommen, haben die Schweizer Produ-zenten im Jahre 2002 ihre Soja-Fläche praktisch verdreifacht, wobeisich die Gesamternte auf ungefähr 4000 Tonnen belief und zwei Drit-tel im Nahrungsmittelsektor verwertet wurden (provisorische Zahlen).

Leistungsauftrag ÖIsaaten im Jahr 2003!Für die Ernte 2003 ist die Gesamtnachfrage nach einheimischem Sojanoch weiter angestiegen und beläuft sich nun auf ca. 11 000 Tonnen.Ziel der verschiedenen Branchenpartner ist es, zumindest die gesam-ten Vertragsmengen von 7700 Tonnen, die den Landwirten durch denSGPV über die Kantone gewährt werden konnten, zu erreichen.In Anbetracht dieser Nachfragesteigerung und der im letzten Jahrnoch ungenügenden Produktionsmengen hat swiss granum beschlos-sen, die Attraktivität von Soja durch eine Erhöhung der Verarbei-tungsbeiträge um CHF 2.–/dt im Nahrungsmittelsektor und um CHF4.–/dt im Futtermittelsektor zu steigern. Auf diese Weise sollte diePreisdifferenz zu den andern Ölsaaten auf etwa CHF 5.–/dt reduziertwerden. Um neue Absatzmärkte erschliessen zu können, werdenauch Verarbeitungsbeiträge für die Herstellung von Speisemehl undTofu sowie für die Extraktion oder das Pressen von Futteröl gewährt.

Schlussfolgerungen und Perspektiven❏ Dank des durch die Behörden und allen Partner der Handels-

kette ins Leben gerufenen Leistungsauftrags Ölsaaten konnteder Sojaanbau in der Schweiz wieder gesteigert werden. Aufder Stufe der Produktion weist diese Kultur eine wettbe-werbsfähige Bruttomarge sowie zahlreiche agronomische undumweltbedingte Vorteile auf. Auf der Stufe der Verarbeitungist die Nachfrage beständig und die Schweizer Herkunft mitdem durch die Branche erarbeiteten Qualitätssicherungskon-zept stellt sicherlich einen grossen Vorteil dar.

❏ Es ist also wichtig, dass sich die Landwirte zugunsten von Sojaeinsetzen und alles unternehmen, um die Marktbedürfnisse ab-zudecken. Zu diesem Zweck wird auch unsere SchweizerZüchtung in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die neustenSortenzüchtungen zeigen bereits wichtige Fortschritte im Be-reich der Frühreife und der Produktivität. Das verfügbare gene-tische Material bietet sogar Möglichkeiten für einige spezi-fische Märkte (Tofu oder Lebensmittelqualität, eiweissreichereSorten usw.). Hoffen wir, dass der Soja derselbe Erfolg beschertsein wird wie dem Mais vor zwanzig Jahren.

Zusammenarbeit und DankUnsere Arbeit profitiert von zahlreichen Zusammenarbeiten und Aus-tausch von Material mit verschiedenen Instituten: die Universitätenvon Changchun in der Mandschurei, von Ottawa und Guelph in Ka-nada, das Tokachi Institut in Hokkaido, wie auch zahlreiche privateund öffentliche Züchter. Unser Dank gehen auch an Jean-Charles deGroote und Claude-Alain Bétrix, an Luc Stévenin und Laurent Dela-doey für ihre permanente und kompetente Unterstützung, sowie andie ganze technische Mannschaft. Wir bedanken uns auch bei allenMitgliedern der Sortenversuche, im Besonderen Thomas Hebeisenund Hans-Ruedi Hunziker an der FAL und Roger Jaquiéry, DSP.

BibliographieDie Liste kann bei den Autoren bezogen werden.

VIII

RiassuntoLa soia: selezione, agronomia e produzione in SvizzeraLa soia è stata introdotta nella nostra agricoltura nel 1988. Questoarticolo tratta delle esperienze acquisite nell’ambito delle tecnichedi coltura, ma anche dei progressi ottenuti nel miglioramento gene-tico durante questi ultimi 15 anni. Ci sono presentati la politica deiprezzi e il sostegno politico per la coltura. Come coltura di diversifi-cazione, la soia deve rimanere attrattiva e competitiva attraversodelle iniziative coordinate tra politica, ricerca agronomica e tutti ipartner nella catena di produzione svizzera.

SummarySoybean: selection, agronomy and production in SwitzerlandThe production of soybeans has started in Swiss agriculture in 1988.This article describes the knowledge acquired in the cropping sys-tem and the progress in breeding. The price policy and the politicalsupport for this crop are also presented. As crop used to diversifyour agriculture, soybean production should remain attractive andcompetitive through concerted efforts by policy makers, agronomi-cal research and partners of the production line in Switzerland.Key words: soybean, breeding, yield, earliness, cold tolerance, cul-tural practices, price policy.

RésuméSoja: sélection, agronomie et production en SuisseL’introduction du soja dans notre agriculture date de 1988. Cet ar-ticle décrit les acquis concernant les techniques de culture ainsi queles progrès génétiques obtenus durant ces quinze dernières années.La politique des prix et le soutien à cette culture sont présentés. Entant que culture de diversification, le soja doit pouvoir rester at-trayant et compétitif par les efforts conjoints de la politique, de larecherche agronomique et des partenaires de la filière suisse.