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Sonnenklar 3 / 2011

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Sonnenklar 3 / 2011

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Page 1: Sonnenklar 3 / 2011

von Helmut Hubacher, ehem. Präsident SP Schweiz

Helmut Hubacher blickt auf den Kampf gegen das AKW Kaiseraugst zurück, das fürihn den Beginn des Atomausstiegs markiert. Helmut Hubacher war von 1963 bis 1997

Nationalrat. Zwischen 1975 und 1990 präsidierte er die SP Schweiz.

Rot ist das schönste Grün

Kaiseraugst war der Anfang vomEnde. Dort hätte das sechste AKWder Schweiz gebaut werden sollen.Als die Bagger mit dem Aushubbeginnen wollten, wurde das Bau-gelände besetzt. Das war am 1. April 1975. SP-Leute waren vonAnfang an dabei. Zum BeispielAlex Euler, Nationalrat Basel-Stadt, Peter Scholer, Mitglied derStadtregierung Rheinfelden, undHans Schneider, Aargauer Gross-rat.

SP-Bundesrat Willi Ritschardwar damals Energieminister. DieAargauer Regierung wollte das be-setzte Gelände mit der Polizei räu-men. Das eigene Polizeikorps reich-te dafür nicht aus, andere Kantonehätten es verstärken sollen. Keinerkam zu Hilfe. Blieb die Armee. DieBundsräte Rudolf Gnägi und KurtFurgler hatten mit dem Einsatz derArmee gedroht, wie uns Ritscharderklärte. Auf Wunsch der Partei er-klärte er sich einverstanden, dasGespräch mit den Besetzern und

Besetzerinnen zu suchen. Mit dembundesrätlichen Angebot konntenwir sie an einer Vollversammlungdafür gewinnen.

Willi Ritschard hatte dann nochnachgedoppelt. Falls die Armeenach Kaiseraugst geschickt würde,trete er als Bundesrat sofort zurück.Das wirkte. Die Bürgerlichen hattenkeine Lust, militärische Gewalt al-lein verantworten zu müssen. Ausdem Gesprächsangebot wurdenVerhandlungen zwischen Exper-tInnen des Bundes und den AKW-GegnerInnen. Nach 13 Jahren ende-te das AKW-Projekt Kaiseraugst aufder politischen Intensivstation.Und überlebte sie nicht. Die Bür-gerlichen rächten sich für diesengrossen Verlust. National- undStänderat stifteten der Bauherr-schaft für die Trauerfeier 350 Mil-lionen Franken Schmerzensgeld.

Die SP zog aus «Kaiseraugst»Konsequenzen. Am Parteitag 1978in Basel beschloss sie als ersteBundesratspartei den Ausstieg ausder Atomenergie. EnergieministerWilli Ritschard musste die Positiondes Bundesrates vertreten. Herz-blut für Atomkraftwerke zeigte erdabei nicht gerade.

Zwölf Jahre später stimmten wirüber eine breit abgestützte SP-Initiative zum Ausstieg aus der

Atomenergie ab. Das Volksbegeh-ren war als Antwort auf die Reak-torkatastrophe in Tschernobyl lan-ciert worden. Im Mai 1990 wurde esmit 915 652 Nein- gegen 816 302 Ja-Stimmen abgelehnt. Immerhinstimmten 47 Prozent dafür. FürNeues braucht es meistens einenzweiten Anlauf. Dafür gibt es einBonmot von Albert Einstein: Solltees einen Atomkrieg geben, ginge erin die Schweiz. Dort finde alles 20Jahre später statt.

Dass nun die Frauenmehrheit imBundesrat die drei Herren Kollegenüberstimmt und den Ausstieg ausder Atomenergie beantragt hat, isteine echte politische Sensation.Und der Nationalrat ist dem Bun-desrat gegen heftigen Widerstandvon der SVP und FDP gefolgt. Dievon der Atomlobby geplanten neu-en AKW sind vorerst vom Tisch. Eswird jedoch ein harter Kampf wer-den, denn die Atomlobby gibt nichtso schnell auf. Ob die neuen bürger-lichen Partner durchhalten werden,muss sich noch zeigen. Vorange-gangen ist die SP – vor 36 Jahren inKaiseraugst. Rot war eben schonimmer das schönste Grün.

Meine Umwelt ist mir etwas wertWenn Sie die umweltpolitischenProjekte der SP Schweiz unter-stützen und «sonnenklar!» vierteljährlich erhalten wollen,senden Sie bitte Ihre Adresse [email protected]

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Impressum sonnenklar! Herausgeberin: SP Schweiz, Postfach, 3011 Bern, [email protected]. Redaktion: Pierre Bonhôte, alt Ständerat; Thomas Christen, Generalsekretär; Chantal Gahlinger, politische Fachsekretärin; Reto Gamma, Projektleiter Fundraising; Beat Jans, Nationalrat; Barbara Marty Kälin, alt Nationalrätin; Roger Nordmann, Nationalrat; Eric Nussbaumer, Nationalrat; Gisèle Ory, Regierungsrätin; Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat; Doris Stump, Nationalrätin; Ursula Wyss, Nationalrätin. Redaktionelle Bearbeitung und Produktion: Gallati Kommunikation, Zürich. Gestaltung: Purpur AG für Publishing und Communication, Zürich. Druck: Abächerli Druck AG, Sarnen. sonnenklar! erscheint viermal im Jahr in Deutsch und Französisch. Postkonto: 30-665681-6, sonnenklar!, 3001 Bern.

Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier, SQS-COC-2086 «FSC Trademark 1996,Forest StewardshipCouncil A. C.»

Am 1. April 1975 besetzten mehrere hundert AKW-GegnerInnen das Baugelände des geplanten AKW Kaiseraugst im Kanton Aargau.In den folgenden Wochen wuchs die Menge auf Tausende an. Es war der Anfang vom Ende der Atomkraft in der Schweiz.

Der Arbeitskreis«sonnenklar!»Der Arbeitskreis «sonnenklar!»will die Energie- und Umwelt-politik der SP Schweiz bekanntmachen und umsetzen. Er setztsich aus Energie- und Umwelt-fachleuten der SP-Fraktion derBundesversammlung sowie wei-teren interessierten Fachleutenzusammen. Die Spendeneinnah-men von «sonnenklar!» werden zweckgebunden für politischeKampagnen und Projekte in der Energie- und Umweltpolitikeingesetzt.

Bisher wurden folgende Vor-haben und Organisationen mit finanziellen Beiträgen unter-stützt:

R Einsprache gegen das Gesuchum eine unbefristete Betriebs-bewilligung des AKW Mühleberg2009R Klima-Initiative, die von derSP mitlanciert wurde (www.klimainitiativeja.ch)R Allianz «Nein zu neuen AKW»und Verein Klima-InitiativeR SP-Energiegipfel «erneuerbarstatt atomar» vom 22.9.2007 R Erarbeitung des Perspektiv-papiers der SP Schweiz «Sicherund effizient umsteigen: Unterwegs zur Vollversorgungmit erneuerbaren Energien»R «KLAR! Schweiz» für die Unterstützung der Expertise von John Large zum so genannten Entsorgungsnachweis der NagraR Finanzierung des juristischenGutachtens «Mitsprache beimBau neuer AKW»

Das Magazin zur Energiewende in der SchweizNr. 3, August 2011

Wir schauen in die Zukunft ohne Atom, denn der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Bundes- und Nationalrat haben richtig entschieden. Nun braucht es einen Plan sowie die Cleantech-Initiative der SP Schweiz, damit der Ausstieg geordnet und sicher erfolgen kann.

Der Plan zum sicheren Atomausstieg

Bundes- und Nationalrat habenrichtig entschieden und den Aus-stieg aus der Atomenergie be-schlossen. Nur mit diesem Ent-scheid können wir die Energie-versorgung der Zukunft sicher, um-weltverträglich und zuverlässig ge-stalten, denn die Investitions- undPlanungssicherheit ist in der Ener-giepolitik von zentraler Bedeutung.Machen wir nicht denselben Fehlerwie in den 1990er-Jahren: Damalsführte die Annahme des Atom-Mo-ratoriums dazu, dass die AKW-Be-treiber Milliardenbeträge für neueAKW sparten und damit Investitio-nen in den ernsthaften Ausbau vonerneuerbaren Energien und Mass-nahmen zur Steigerung der Ener-gieeffizienz blockierten.

Ein Umstiegsplan ist gefordertUm diesen Fehler nicht zu wieder-holen und damit der Atomausstieggeordnet und sicher geplant wer-den kann, müssen wir heute die po-litischen Rahmenbedingungen –die Förderung der Energieeffizienzund der erneuerbaren Energien –vorgeben und in einem Umstiegs-plan festlegen (siehe Kasten). Esbraucht nicht nur den Ausstieg,sondern die Energiewende.

Dafür haben wir jedoch nichtnochmals Jahrzehnte Zeit zum Prü-fen und Planen, wie es die FDP undSVP vorschlagen. Damit verzögernsie die Entwicklung, immer in derHoffnung, das Volk würde irgend-wann Fukushima vergessen undwieder für neue AKW stimmen.

Diese Zeit bleibt nicht, wenn wirauch in Zukunft sicheren und bezahlbaren Strom wollen. Denneines ist klar: Am teuersten wird es,nichts zu tun und abzuwarten.

Cleantech-Initiative alsAntwortDer Umbau in eine saubere Ener-giezukunft ist nicht nur technischmöglich, sondern wirtschaftlichsehr attraktiv. Die SP hat deshalbvor einem Jahr die eidgenössischeVolksinitiative «Neue Arbeitsplät-ze dank erneuerbaren Energien»lanciert. Sie wird nächstens einge-reicht. Die Initiative hat zum Ziel,bis 2030 die Hälfte der Energiepro-duktion – und 100 Prozent desStroms – mit erneuerbaren Ener-gien zu decken. Sie würde die Ent-

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von Ursula Wyss, Nationalrätin

soklar_3_11_d.qxp 4.8.2011 10:05 Uhr Seite 4

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Kürzlich schrieb mir Herr H. fol-gende Geschichte: «Bei einemEnergielieferanten im Bündner-land habe ich mit dem Technikerunsere Leuchte angeschaut.Kommt zufällig der Chef rein undfragt, was wir da machen. Ant-wort: LED-Leuchte anschauen.

LED-Leuchten sparen sehr viel Strom und sind auf lange Sicht erst nochbilliger. Da sagt der Chef: ‹Wollen wir nicht, wir wollen Strom verkau-fen›.» So ehrlich hört man das nicht alle Tage. Elektrizitätswerke haltenmeist nichts von Stromeffizienz, denn ein sinkender Stromverbrauchmacht ihren Gewinn zur Schnecke.

Energieeffizienz statt GaskraftwerkeEs wird Zeit, das zu ändern. Allein mit der Verbesserung von öffentlichenBeleuchtungen liessen sich rund 10 Prozent des Atomstroms ersetzen.Und so geht es in vielen anderen Bereichen. Durch gezielten Ersatz vonalten Geräten, Motoren und Anlagen lässt sich gemäss SchweizerischerAgentur für Energieeffizienz fast der ganze Atomstrom einsparen. DieSchweiz braucht keine neuen Gaskraftwerke, sondern muss sich endlichum ihr energiepolitisches Stiefkind kümmern: die Effizienz. Solange dieElektrizitätsbranche von der Energieverschwendung profitiert, werdenalte Stromschleudern noch lange laufen. Die SP bringt deshalb einenneuen griffigen Vorschlag ins Spiel: die Einsparquoten.

Einsparquoten für die EnergieversorgerEinsparquoten gibt es bereits in England, Frankreich, Italien und Belgien.Das Prinzip: Der Staat macht den Energieversorgern verbindliche Spar-vorgaben. Wenn sie diese nicht erreichen, bezahlen sie einen Malus.Übertreffen sie die Einsparziele, können sie mit einem Bonus belohntwerden. Energieeffizienz soll also zum rentablen Geschäftsmodell fürStromversorger werden. Die Verschwender legen drauf, die Sparer profi-tieren. In der Praxis: Wer EndkundInnen mit Strom versorgt, soll jährlichein Prozent des Stromes durch Effizienzsteigerung einsparen. Er muss je-des Jahr Zertifikate vorweisen, die belegen, dass er in neue Öfen, neueLeuchten, neue Motoren oder andere Effizienzmassnahmen investierthat. Die Einsparzertifikate sollen von unabhängigen Zertifizierungsstel-len ausgestellt werden, wenn der Ersatz einer Anlage nachhaltig zu einerVerbrauchssenkung geführt hat. Verschiedene Stromversorger könnensich zusammenschliessen, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.

Wetten, dass Herr H. dank dieser Massnahme plötzlich mit Anrufenüberschwemmt wird. Am Apparat werden Energieversorger sein, die mitihm ins Geschäft kommen wollen. So werden Tausende von Jobs geschaf-fen. In Zürich und Basel laufen bereits Energieeffizienzprogramme, diezeigen, dass mehr als zwei Prozent des Stromverbrauches jährlich einge-spart werden können. Packen wir es an!

wicklung von innovativen, neu-en Technologien fördern und da-mit in der Schweiz hunderttau-send Arbeitsplätze schaffen. Wirwürden auch in Zukunft in derForschung und Entwicklung vonEnergietechnologie Weltspitzebleiben. Wer jetzt nicht handelt,wird den anderen Ländern hin-terherhinken und die Technolo-gie teuer importieren müssen.Heimische Arbeitsplätze würdendamit keine geschaffen werden.

In Deutschland wird der Atomausstieg durch eine Ethik-Kommission begleitet. Sie bewertet das gesellschaftliche Risiko der Atomenergie und bringt ihre Ansichten in die Debatte ein. In der Schweiz hingegen wird lediglich um Zahlen gefeilscht.

Der Atomausstieg ist eine ethische Frage

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Umstiegsplan der SP Schweiz1. Atomausstieg beschliessen: Mit einem Gesetz zum Atomausstiegwerden das geordnete Betriebsendeund die zeitlich abgestimmte Aus-serbetriebnahme aller AKW festge-legt. Die Schweiz erteilt keine neuenRahmenbewilligungen für neueKernanlagen.

2. Ausbau erneuerbarer Strom-produktion ermöglichen: Der Anteil der neuen erneuerbarenEnergien an der in- und ausländi-schen Stromproduktion wird erhöht.Die inländische Produktion aus Wasserkraftwerken (36 Terawatt-stunden TWh) kann innert 15 Jahrenmit 20 TWh aus Sonne, Wind, Bio-masse, Wasser und Geothermie ergänzt werden.

3. Bessere Stromeffizienz durchsetzen: Bis 2025 sollen durch Verbesserun-gen der Energieeffizienz 12 TWh weniger Strom konsumiert werden(entspricht ca. 20 Prozent des heuti-gen Stromverbrauchs).

Weitere Informationen: www.sp-ps.ch/ger/Medien/Medien-konferenzen/2011/Medienkonferenz-der-SP-Schweiz-Roadmap-zum-koordinierten-Atom-Ausstieg

Die deutsche Bundeskanzlerin An-gela Merkel fackelte nicht langeund setzte zu Beginn der Atomde-batte eine Ethik-Kommission ein.Nichts von technischen Arbeits-gruppen wie in der Schweiz, wel-che Szenarien durchrechnen unddie Meinung von Energiekonzer-nen zur Expertenmeinung empor-heben. Der Atomausstieg ist inDeutschland eine ethische Frage,bei uns hingegen wird um Zahlengefeilscht und diese werden auchsofort in Frage gestellt. Der Bun-desrat hat seinen Ausstiegsbe-schluss nicht mit einer ethischenBestandesaufnahme begründet,vielmehr sind Tabellen und Grafi-ken mit Terawatt- und Gigawatt-stunden unsere energiepolitischeLektüre geworden. Wir stehen inder Gefahr, in einer technokrati-schen Beweisführungs-Sackgasseanzukommen, weil alle Annahmenimmer Annahmen bleiben. Szena-rien werden aufdatiert, Preisan-nahmen getroffen und Möglichkei-ten aufgezeigt. Aber diese Zahlenverdecken schlussendlich den Zu-gang zur Grundsatzfrage beimAtomausstieg.

Wie viel Risiko wollenwir eingehen?Bei der Atomkraft geht es um diegesellschaftliche Bewertung des

Risikos, das wir akzeptieren wol-len. Das will uns vor lauter Tera-wattstunden nicht so richtig in denKopf. In der Schweiz haben dieAKW-Betreiber immer gesagt, die-se Risikobewertung geschehe erstin einer Volksabstimmung oder siesei an das Eidgenössische Nuklear-sicherheitsinspektorat ENSI dele-giert worden. Geschickt wurde diegesellschaftspolitische Diskussionmit dem Begriff der Stromlücke aufTerawatt- und Gigawattstunden ge-lenkt. Auch die Aussage, das ENSI«gewährleiste» die Sicherheit derAtomkraftwerke, würgt die gesell-schaftliche Auseinandersetzung umdie Grundsatzfrage zum Ausstiegab.

Da in Deutschland der Rich-tungsentscheid, keine neuen AKWmehr zu bauen, bereits vor Jahrengefällt wurde, empfiehlt die Kom-mission aus ethischen Gründen,die Atomkraftwerke nur so langelaufen zu lassen, bis ihre Leistungdurch eine risikoärmere Energie-versorgung ersetzt werden kann. InDeutschland wurden 8,5 Gigawattals entbehrliche Leistung taxiert –also weg vom Netz. «Dem Kerndes Kernenergiekonflikts liegenunvereinbare Auffassungen darü-ber zugrunde, wie mit der grund-sätzlichen Möglichkeit eines Gross-schadenfalls – unter Einschluss ge-genwärtiger und künftiger Schädenaus radioaktiven Abfällen – umzu-gehen ist», schreibt die Ethik-Kom-mission. Eine kategorisch ableh-nende und eine relativierend ab-wägende Position stehen sich hierseit eh und je gegenüber. BeidePositionen wurden in der Ethik-

von Eric Nussbaumer,Nationalrat

Kommission prononciert vertreten.Kann man da eine einhellige Mei-nung finden? Die Brücke der Ver-ständigung wurde zwischen Geg-nerInnen und BefürworterInnender Kernenergie wie folgt formu-liert: «In praktischer Hinsicht ge-langen beide Grundpositionen imHinblick auf die Kernenergie zudem gleichen Schluss, die Nutzungder Atomkraftwerke so zügig zu be-enden, wie ihre Leistung durch risi-koärmere Energien nach Massgabeder ökologischen, wirtschaftlichenund sozialen Verträglichkeit ersetztwerden kann.»

Der risikoärmere Weg ist gefordertDie Energiepolitik ist nicht ohneAlternative – das zeigen die techni-schen Szenarien der Schweiz zumAtomausstieg. Wenn etwas nichtalternativlos ist, dann muss eineethisch verankerte Risikoabwä-gung zum Schluss kommen, dasseine Gesellschaft den risikoärme-ren Weg suchen und gehen muss.Bundesrat und eine Mehrheit desNationalrates haben erkannt, dassAlternativen machbar sind. IhreUmsetzung ist kein Sonntagsspa-ziergang und die ganze Gesell-schaft ist gefordert. Entscheidendist jedoch, dass wir immer versu-chen, zügig den risikoärmeren Wegzu gehen – so viel ethische Orien-tierung muss bleiben.

Hier hat der Ausstiegschon längst begonnenIm Bild: Energieeffiziente Gebäude, die das Label Minergie-P tragen. Der Standard Minergie-P bezeichnet Bauten mit sehr tiefem Energieverbrauch.

Von links nach rechts: Mehrfamilienhaus auf dem Eichgutareal in Winterthur, Mehrfamilienhaus in Liebefeld und SchulhausEichmatt in Hünenberg.

Wir sagen es seit langem – nun hates erstmals auch der Bundesrat be-stätigt: Der Strom aus den AKWkann durch im Inland erzeugte, er-neuerbare Energie ersetzt werden.Die wichtigsten Quellen sind Wind,Biomasse und Sonne. Zusätzlich isteine leichte Steigerung der Wasser-kraft nötig, selbstverständlich unterEinhaltung der Umweltschutzvor-schriften.

Solaranlagen könnten 50 Prozent des Atom-stroms ersetzenDer Branchenverband Swissolarhat in einem Szenario dargestellt,dass bis ins Jahr 2025 gegen 20 Pro-zent des Stroms aus Photovol-taikanlagen stammen könnten. Dasentspricht der Hälfte des Atom-stroms! Dank der rasant gefallenenKosten für die Installation von Pho-tovoltaikanlagen wären auch dieProduktionskosten nicht mehr allzuhoch. Sie würden sich 2025 auf ma-ximal 2 bis 3 Rappen pro Kilowatt-stunde belaufen (rund 10 Prozentdes Strompreises). Wir gehen da-von aus, dass der Preis des Stromsaus Photovoltaikanlagen bis 2025auf Grosshandelsniveau gesunkensein wird. Dazu muss aber die An-zahl der jährlich neu installiertenPhotovoltaikzellen bis 2020 ver-dreissigfacht werden. Deutschland

beweist, dass dies sehr gut möglichist: Bezogen auf die Einwohnerzahlwurden dort im Jahr 2010 schon 15-mal mehr Photovoltaikzellen in-stalliert als in der Schweiz.

Der Hauptunterschied zwischender Schweiz und Deutschland liegtbei der kostendeckenden Einspei-severgütung KEV: In Deutschlandist dieses System im Gegensatz zurSchweiz nicht begrenzt, so dassdort bald 20 Prozent der Strompro-duktion aus erneuerbaren Ener-gien stammen. Deutschland wird sodas letzte Atomkraftwerk bereits2022 vom Netz nehmen können.

Keine Begrenzung der KEVIn der Schweiz hat die SP im ver-gangenen Jahr eine erste beschei-dene Erhöhung der Obergrenze(von 0,6 auf 0,9 Rappen) erreicht.Dadurch konnte die KEV auf 2000neue Projekte ausgedehnt werden.Doch es warten noch Tausende unddas System wird ab 2012/2013 wie-der an seine Grenzen stossen. An-gesichts der Trägheit des parlamen-tarischen Prozesses schlägt die SPdie sofortige Aufhebung aller Be-grenzungen vor, und zwar noch vorder definitiven Verabschiedung desAtomausstiegs. Letzterer bedingteine Arbeit herkulischen Ausmas-ses. Es wäre daher widersinnig, bis2015 oder 2016 die Hände in denSchoss zu legen – auch wenn genaudas infolge der Begrenzung derKEV droht. Zudem muss die Freiga-be der KEV auch allen anderenTechnologien zugutekommen, nichtnur der Sonnenenergie.

von Beat Jans, Nationalrat

von Roger Nordmann,Nationalrat und Präsident Swissolar

Soll das grosse Potenzial der erneuerbaren Energien ausgeschöpft werden, ist eine Ausweitung der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV unerlässlich.

Die Erneuerbarenunbegrenzt fördern

Elektrizitätswerke halten wenig von Energieeffizienz,denn ein sinkender Stromverbrauch schmälert ihre Ge-winne. Verbindliche Einsparquoten würden das ändern.

Die Stromversorgerin die Pflicht nehmen

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Page 3: Sonnenklar 3 / 2011

Kürzlich schrieb mir Herr H. fol-gende Geschichte: «Bei einemEnergielieferanten im Bündner-land habe ich mit dem Technikerunsere Leuchte angeschaut.Kommt zufällig der Chef rein undfragt, was wir da machen. Ant-wort: LED-Leuchte anschauen.

LED-Leuchten sparen sehr viel Strom und sind auf lange Sicht erst nochbilliger. Da sagt der Chef: ‹Wollen wir nicht, wir wollen Strom verkau-fen›.» So ehrlich hört man das nicht alle Tage. Elektrizitätswerke haltenmeist nichts von Stromeffizienz, denn ein sinkender Stromverbrauchmacht ihren Gewinn zur Schnecke.

Energieeffizienz statt GaskraftwerkeEs wird Zeit, das zu ändern. Allein mit der Verbesserung von öffentlichenBeleuchtungen liessen sich rund 10 Prozent des Atomstroms ersetzen.Und so geht es in vielen anderen Bereichen. Durch gezielten Ersatz vonalten Geräten, Motoren und Anlagen lässt sich gemäss SchweizerischerAgentur für Energieeffizienz fast der ganze Atomstrom einsparen. DieSchweiz braucht keine neuen Gaskraftwerke, sondern muss sich endlichum ihr energiepolitisches Stiefkind kümmern: die Effizienz. Solange dieElektrizitätsbranche von der Energieverschwendung profitiert, werdenalte Stromschleudern noch lange laufen. Die SP bringt deshalb einenneuen griffigen Vorschlag ins Spiel: die Einsparquoten.

Einsparquoten für die EnergieversorgerEinsparquoten gibt es bereits in England, Frankreich, Italien und Belgien.Das Prinzip: Der Staat macht den Energieversorgern verbindliche Spar-vorgaben. Wenn sie diese nicht erreichen, bezahlen sie einen Malus.Übertreffen sie die Einsparziele, können sie mit einem Bonus belohntwerden. Energieeffizienz soll also zum rentablen Geschäftsmodell fürStromversorger werden. Die Verschwender legen drauf, die Sparer profi-tieren. In der Praxis: Wer EndkundInnen mit Strom versorgt, soll jährlichein Prozent des Stromes durch Effizienzsteigerung einsparen. Er muss je-des Jahr Zertifikate vorweisen, die belegen, dass er in neue Öfen, neueLeuchten, neue Motoren oder andere Effizienzmassnahmen investierthat. Die Einsparzertifikate sollen von unabhängigen Zertifizierungsstel-len ausgestellt werden, wenn der Ersatz einer Anlage nachhaltig zu einerVerbrauchssenkung geführt hat. Verschiedene Stromversorger könnensich zusammenschliessen, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.

Wetten, dass Herr H. dank dieser Massnahme plötzlich mit Anrufenüberschwemmt wird. Am Apparat werden Energieversorger sein, die mitihm ins Geschäft kommen wollen. So werden Tausende von Jobs geschaf-fen. In Zürich und Basel laufen bereits Energieeffizienzprogramme, diezeigen, dass mehr als zwei Prozent des Stromverbrauches jährlich einge-spart werden können. Packen wir es an!

wicklung von innovativen, neu-en Technologien fördern und da-mit in der Schweiz hunderttau-send Arbeitsplätze schaffen. Wirwürden auch in Zukunft in derForschung und Entwicklung vonEnergietechnologie Weltspitzebleiben. Wer jetzt nicht handelt,wird den anderen Ländern hin-terherhinken und die Technolo-gie teuer importieren müssen.Heimische Arbeitsplätze würdendamit keine geschaffen werden.

In Deutschland wird der Atomausstieg durch eine Ethik-Kommission begleitet. Sie bewertet das gesellschaftliche Risiko der Atomenergie und bringt ihre Ansichten in die Debatte ein. In der Schweiz hingegen wird lediglich um Zahlen gefeilscht.

Der Atomausstieg ist eine ethische Frage

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Umstiegsplan der SP Schweiz1. Atomausstieg beschliessen: Mit einem Gesetz zum Atomausstiegwerden das geordnete Betriebsendeund die zeitlich abgestimmte Aus-serbetriebnahme aller AKW festge-legt. Die Schweiz erteilt keine neuenRahmenbewilligungen für neueKernanlagen.

2. Ausbau erneuerbarer Strom-produktion ermöglichen: Der Anteil der neuen erneuerbarenEnergien an der in- und ausländi-schen Stromproduktion wird erhöht.Die inländische Produktion aus Wasserkraftwerken (36 Terawatt-stunden TWh) kann innert 15 Jahrenmit 20 TWh aus Sonne, Wind, Bio-masse, Wasser und Geothermie ergänzt werden.

3. Bessere Stromeffizienz durchsetzen: Bis 2025 sollen durch Verbesserun-gen der Energieeffizienz 12 TWh weniger Strom konsumiert werden(entspricht ca. 20 Prozent des heuti-gen Stromverbrauchs).

Weitere Informationen: www.sp-ps.ch/ger/Medien/Medien-konferenzen/2011/Medienkonferenz-der-SP-Schweiz-Roadmap-zum-koordinierten-Atom-Ausstieg

Die deutsche Bundeskanzlerin An-gela Merkel fackelte nicht langeund setzte zu Beginn der Atomde-batte eine Ethik-Kommission ein.Nichts von technischen Arbeits-gruppen wie in der Schweiz, wel-che Szenarien durchrechnen unddie Meinung von Energiekonzer-nen zur Expertenmeinung empor-heben. Der Atomausstieg ist inDeutschland eine ethische Frage,bei uns hingegen wird um Zahlengefeilscht und diese werden auchsofort in Frage gestellt. Der Bun-desrat hat seinen Ausstiegsbe-schluss nicht mit einer ethischenBestandesaufnahme begründet,vielmehr sind Tabellen und Grafi-ken mit Terawatt- und Gigawatt-stunden unsere energiepolitischeLektüre geworden. Wir stehen inder Gefahr, in einer technokrati-schen Beweisführungs-Sackgasseanzukommen, weil alle Annahmenimmer Annahmen bleiben. Szena-rien werden aufdatiert, Preisan-nahmen getroffen und Möglichkei-ten aufgezeigt. Aber diese Zahlenverdecken schlussendlich den Zu-gang zur Grundsatzfrage beimAtomausstieg.

Wie viel Risiko wollenwir eingehen?Bei der Atomkraft geht es um diegesellschaftliche Bewertung des

Risikos, das wir akzeptieren wol-len. Das will uns vor lauter Tera-wattstunden nicht so richtig in denKopf. In der Schweiz haben dieAKW-Betreiber immer gesagt, die-se Risikobewertung geschehe erstin einer Volksabstimmung oder siesei an das Eidgenössische Nuklear-sicherheitsinspektorat ENSI dele-giert worden. Geschickt wurde diegesellschaftspolitische Diskussionmit dem Begriff der Stromlücke aufTerawatt- und Gigawattstunden ge-lenkt. Auch die Aussage, das ENSI«gewährleiste» die Sicherheit derAtomkraftwerke, würgt die gesell-schaftliche Auseinandersetzung umdie Grundsatzfrage zum Ausstiegab.

Da in Deutschland der Rich-tungsentscheid, keine neuen AKWmehr zu bauen, bereits vor Jahrengefällt wurde, empfiehlt die Kom-mission aus ethischen Gründen,die Atomkraftwerke nur so langelaufen zu lassen, bis ihre Leistungdurch eine risikoärmere Energie-versorgung ersetzt werden kann. InDeutschland wurden 8,5 Gigawattals entbehrliche Leistung taxiert –also weg vom Netz. «Dem Kerndes Kernenergiekonflikts liegenunvereinbare Auffassungen darü-ber zugrunde, wie mit der grund-sätzlichen Möglichkeit eines Gross-schadenfalls – unter Einschluss ge-genwärtiger und künftiger Schädenaus radioaktiven Abfällen – umzu-gehen ist», schreibt die Ethik-Kom-mission. Eine kategorisch ableh-nende und eine relativierend ab-wägende Position stehen sich hierseit eh und je gegenüber. BeidePositionen wurden in der Ethik-

von Eric Nussbaumer,Nationalrat

Kommission prononciert vertreten.Kann man da eine einhellige Mei-nung finden? Die Brücke der Ver-ständigung wurde zwischen Geg-nerInnen und BefürworterInnender Kernenergie wie folgt formu-liert: «In praktischer Hinsicht ge-langen beide Grundpositionen imHinblick auf die Kernenergie zudem gleichen Schluss, die Nutzungder Atomkraftwerke so zügig zu be-enden, wie ihre Leistung durch risi-koärmere Energien nach Massgabeder ökologischen, wirtschaftlichenund sozialen Verträglichkeit ersetztwerden kann.»

Der risikoärmere Weg ist gefordertDie Energiepolitik ist nicht ohneAlternative – das zeigen die techni-schen Szenarien der Schweiz zumAtomausstieg. Wenn etwas nichtalternativlos ist, dann muss eineethisch verankerte Risikoabwä-gung zum Schluss kommen, dasseine Gesellschaft den risikoärme-ren Weg suchen und gehen muss.Bundesrat und eine Mehrheit desNationalrates haben erkannt, dassAlternativen machbar sind. IhreUmsetzung ist kein Sonntagsspa-ziergang und die ganze Gesell-schaft ist gefordert. Entscheidendist jedoch, dass wir immer versu-chen, zügig den risikoärmeren Wegzu gehen – so viel ethische Orien-tierung muss bleiben.

Hier hat der Ausstiegschon längst begonnenIm Bild: Energieeffiziente Gebäude, die das Label Minergie-P tragen. Der Standard Minergie-P bezeichnet Bauten mit sehr tiefem Energieverbrauch.

Von links nach rechts: Mehrfamilienhaus auf dem Eichgutareal in Winterthur, Mehrfamilienhaus in Liebefeld und SchulhausEichmatt in Hünenberg.

Wir sagen es seit langem – nun hates erstmals auch der Bundesrat be-stätigt: Der Strom aus den AKWkann durch im Inland erzeugte, er-neuerbare Energie ersetzt werden.Die wichtigsten Quellen sind Wind,Biomasse und Sonne. Zusätzlich isteine leichte Steigerung der Wasser-kraft nötig, selbstverständlich unterEinhaltung der Umweltschutzvor-schriften.

Solaranlagen könnten 50 Prozent des Atom-stroms ersetzenDer Branchenverband Swissolarhat in einem Szenario dargestellt,dass bis ins Jahr 2025 gegen 20 Pro-zent des Stroms aus Photovol-taikanlagen stammen könnten. Dasentspricht der Hälfte des Atom-stroms! Dank der rasant gefallenenKosten für die Installation von Pho-tovoltaikanlagen wären auch dieProduktionskosten nicht mehr allzuhoch. Sie würden sich 2025 auf ma-ximal 2 bis 3 Rappen pro Kilowatt-stunde belaufen (rund 10 Prozentdes Strompreises). Wir gehen da-von aus, dass der Preis des Stromsaus Photovoltaikanlagen bis 2025auf Grosshandelsniveau gesunkensein wird. Dazu muss aber die An-zahl der jährlich neu installiertenPhotovoltaikzellen bis 2020 ver-dreissigfacht werden. Deutschland

beweist, dass dies sehr gut möglichist: Bezogen auf die Einwohnerzahlwurden dort im Jahr 2010 schon 15-mal mehr Photovoltaikzellen in-stalliert als in der Schweiz.

Der Hauptunterschied zwischender Schweiz und Deutschland liegtbei der kostendeckenden Einspei-severgütung KEV: In Deutschlandist dieses System im Gegensatz zurSchweiz nicht begrenzt, so dassdort bald 20 Prozent der Strompro-duktion aus erneuerbaren Ener-gien stammen. Deutschland wird sodas letzte Atomkraftwerk bereits2022 vom Netz nehmen können.

Keine Begrenzung der KEVIn der Schweiz hat die SP im ver-gangenen Jahr eine erste beschei-dene Erhöhung der Obergrenze(von 0,6 auf 0,9 Rappen) erreicht.Dadurch konnte die KEV auf 2000neue Projekte ausgedehnt werden.Doch es warten noch Tausende unddas System wird ab 2012/2013 wie-der an seine Grenzen stossen. An-gesichts der Trägheit des parlamen-tarischen Prozesses schlägt die SPdie sofortige Aufhebung aller Be-grenzungen vor, und zwar noch vorder definitiven Verabschiedung desAtomausstiegs. Letzterer bedingteine Arbeit herkulischen Ausmas-ses. Es wäre daher widersinnig, bis2015 oder 2016 die Hände in denSchoss zu legen – auch wenn genaudas infolge der Begrenzung derKEV droht. Zudem muss die Freiga-be der KEV auch allen anderenTechnologien zugutekommen, nichtnur der Sonnenenergie.

von Beat Jans, Nationalrat

von Roger Nordmann,Nationalrat und Präsident Swissolar

Soll das grosse Potenzial der erneuerbaren Energien ausgeschöpft werden, ist eine Ausweitung der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV unerlässlich.

Die Erneuerbarenunbegrenzt fördern

Elektrizitätswerke halten wenig von Energieeffizienz,denn ein sinkender Stromverbrauch schmälert ihre Ge-winne. Verbindliche Einsparquoten würden das ändern.

Die Stromversorgerin die Pflicht nehmen

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Page 4: Sonnenklar 3 / 2011

von Helmut Hubacher, ehem. Präsident SP Schweiz

Helmut Hubacher blickt auf den Kampf gegen das AKW Kaiseraugst zurück, das fürihn den Beginn des Atomausstiegs markiert. Helmut Hubacher war von 1963 bis 1997

Nationalrat. Zwischen 1975 und 1990 präsidierte er die SP Schweiz.

Rot ist das schönste Grün

Kaiseraugst war der Anfang vomEnde. Dort hätte das sechste AKWder Schweiz gebaut werden sollen.Als die Bagger mit dem Aushubbeginnen wollten, wurde das Bau-gelände besetzt. Das war am 1. April 1975. SP-Leute waren vonAnfang an dabei. Zum BeispielAlex Euler, Nationalrat Basel-Stadt, Peter Scholer, Mitglied derStadtregierung Rheinfelden, undHans Schneider, Aargauer Gross-rat.

SP-Bundesrat Willi Ritschardwar damals Energieminister. DieAargauer Regierung wollte das be-setzte Gelände mit der Polizei räu-men. Das eigene Polizeikorps reich-te dafür nicht aus, andere Kantonehätten es verstärken sollen. Keinerkam zu Hilfe. Blieb die Armee. DieBundsräte Rudolf Gnägi und KurtFurgler hatten mit dem Einsatz derArmee gedroht, wie uns Ritscharderklärte. Auf Wunsch der Partei er-klärte er sich einverstanden, dasGespräch mit den Besetzern und

Besetzerinnen zu suchen. Mit dembundesrätlichen Angebot konntenwir sie an einer Vollversammlungdafür gewinnen.

Willi Ritschard hatte dann nochnachgedoppelt. Falls die Armeenach Kaiseraugst geschickt würde,trete er als Bundesrat sofort zurück.Das wirkte. Die Bürgerlichen hattenkeine Lust, militärische Gewalt al-lein verantworten zu müssen. Ausdem Gesprächsangebot wurdenVerhandlungen zwischen Exper-tInnen des Bundes und den AKW-GegnerInnen. Nach 13 Jahren ende-te das AKW-Projekt Kaiseraugst aufder politischen Intensivstation.Und überlebte sie nicht. Die Bür-gerlichen rächten sich für diesengrossen Verlust. National- undStänderat stifteten der Bauherr-schaft für die Trauerfeier 350 Mil-lionen Franken Schmerzensgeld.

Die SP zog aus «Kaiseraugst»Konsequenzen. Am Parteitag 1978in Basel beschloss sie als ersteBundesratspartei den Ausstieg ausder Atomenergie. EnergieministerWilli Ritschard musste die Positiondes Bundesrates vertreten. Herz-blut für Atomkraftwerke zeigte erdabei nicht gerade.

Zwölf Jahre später stimmten wirüber eine breit abgestützte SP-Initiative zum Ausstieg aus der

Atomenergie ab. Das Volksbegeh-ren war als Antwort auf die Reak-torkatastrophe in Tschernobyl lan-ciert worden. Im Mai 1990 wurde esmit 915 652 Nein- gegen 816 302 Ja-Stimmen abgelehnt. Immerhinstimmten 47 Prozent dafür. FürNeues braucht es meistens einenzweiten Anlauf. Dafür gibt es einBonmot von Albert Einstein: Solltees einen Atomkrieg geben, ginge erin die Schweiz. Dort finde alles 20Jahre später statt.

Dass nun die Frauenmehrheit imBundesrat die drei Herren Kollegenüberstimmt und den Ausstieg ausder Atomenergie beantragt hat, isteine echte politische Sensation.Und der Nationalrat ist dem Bun-desrat gegen heftigen Widerstandvon der SVP und FDP gefolgt. Dievon der Atomlobby geplanten neu-en AKW sind vorerst vom Tisch. Eswird jedoch ein harter Kampf wer-den, denn die Atomlobby gibt nichtso schnell auf. Ob die neuen bürger-lichen Partner durchhalten werden,muss sich noch zeigen. Vorange-gangen ist die SP – vor 36 Jahren inKaiseraugst. Rot war eben schonimmer das schönste Grün.

Meine Umwelt ist mir etwas wertWenn Sie die umweltpolitischenProjekte der SP Schweiz unter-stützen und «sonnenklar!» vierteljährlich erhalten wollen,senden Sie bitte Ihre Adresse [email protected]

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Impressum sonnenklar! Herausgeberin: SP Schweiz, Postfach, 3011 Bern, [email protected]. Redaktion: Pierre Bonhôte, alt Ständerat; Thomas Christen, Generalsekretär; Chantal Gahlinger, politische Fachsekretärin; Reto Gamma, Projektleiter Fundraising; Beat Jans, Nationalrat; Barbara Marty Kälin, alt Nationalrätin; Roger Nordmann, Nationalrat; Eric Nussbaumer, Nationalrat; Gisèle Ory, Regierungsrätin; Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat; Doris Stump, Nationalrätin; Ursula Wyss, Nationalrätin. Redaktionelle Bearbeitung und Produktion: Gallati Kommunikation, Zürich. Gestaltung: Purpur AG für Publishing und Communication, Zürich. Druck: Abächerli Druck AG, Sarnen. sonnenklar! erscheint viermal im Jahr in Deutsch und Französisch. Postkonto: 30-665681-6, sonnenklar!, 3001 Bern.

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Am 1. April 1975 besetzten mehrere hundert AKW-GegnerInnen das Baugelände des geplanten AKW Kaiseraugst im Kanton Aargau.In den folgenden Wochen wuchs die Menge auf Tausende an. Es war der Anfang vom Ende der Atomkraft in der Schweiz.

Der Arbeitskreis«sonnenklar!»Der Arbeitskreis «sonnenklar!»will die Energie- und Umwelt-politik der SP Schweiz bekanntmachen und umsetzen. Er setztsich aus Energie- und Umwelt-fachleuten der SP-Fraktion derBundesversammlung sowie wei-teren interessierten Fachleutenzusammen. Die Spendeneinnah-men von «sonnenklar!» werden zweckgebunden für politischeKampagnen und Projekte in der Energie- und Umweltpolitikeingesetzt.

Bisher wurden folgende Vor-haben und Organisationen mit finanziellen Beiträgen unter-stützt:

R Einsprache gegen das Gesuchum eine unbefristete Betriebs-bewilligung des AKW Mühleberg2009R Klima-Initiative, die von derSP mitlanciert wurde (www.klimainitiativeja.ch)R Allianz «Nein zu neuen AKW»und Verein Klima-InitiativeR SP-Energiegipfel «erneuerbarstatt atomar» vom 22.9.2007 R Erarbeitung des Perspektiv-papiers der SP Schweiz «Sicherund effizient umsteigen: Unterwegs zur Vollversorgungmit erneuerbaren Energien»R «KLAR! Schweiz» für die Unterstützung der Expertise von John Large zum so genannten Entsorgungsnachweis der NagraR Finanzierung des juristischenGutachtens «Mitsprache beimBau neuer AKW»

Das Magazin zur Energiewende in der SchweizNr. 3, August 2011

Wir schauen in die Zukunft ohne Atom, denn der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Bundes- und Nationalrat haben richtig entschieden. Nun braucht es einen Plan sowie die Cleantech-Initiative der SP Schweiz, damit der Ausstieg geordnet und sicher erfolgen kann.

Der Plan zum sicheren Atomausstieg

Bundes- und Nationalrat habenrichtig entschieden und den Aus-stieg aus der Atomenergie be-schlossen. Nur mit diesem Ent-scheid können wir die Energie-versorgung der Zukunft sicher, um-weltverträglich und zuverlässig ge-stalten, denn die Investitions- undPlanungssicherheit ist in der Ener-giepolitik von zentraler Bedeutung.Machen wir nicht denselben Fehlerwie in den 1990er-Jahren: Damalsführte die Annahme des Atom-Mo-ratoriums dazu, dass die AKW-Be-treiber Milliardenbeträge für neueAKW sparten und damit Investitio-nen in den ernsthaften Ausbau vonerneuerbaren Energien und Mass-nahmen zur Steigerung der Ener-gieeffizienz blockierten.

Ein Umstiegsplan ist gefordertUm diesen Fehler nicht zu wieder-holen und damit der Atomausstieggeordnet und sicher geplant wer-den kann, müssen wir heute die po-litischen Rahmenbedingungen –die Förderung der Energieeffizienzund der erneuerbaren Energien –vorgeben und in einem Umstiegs-plan festlegen (siehe Kasten). Esbraucht nicht nur den Ausstieg,sondern die Energiewende.

Dafür haben wir jedoch nichtnochmals Jahrzehnte Zeit zum Prü-fen und Planen, wie es die FDP undSVP vorschlagen. Damit verzögernsie die Entwicklung, immer in derHoffnung, das Volk würde irgend-wann Fukushima vergessen undwieder für neue AKW stimmen.

Diese Zeit bleibt nicht, wenn wirauch in Zukunft sicheren und bezahlbaren Strom wollen. Denneines ist klar: Am teuersten wird es,nichts zu tun und abzuwarten.

Cleantech-Initiative alsAntwortDer Umbau in eine saubere Ener-giezukunft ist nicht nur technischmöglich, sondern wirtschaftlichsehr attraktiv. Die SP hat deshalbvor einem Jahr die eidgenössischeVolksinitiative «Neue Arbeitsplät-ze dank erneuerbaren Energien»lanciert. Sie wird nächstens einge-reicht. Die Initiative hat zum Ziel,bis 2030 die Hälfte der Energiepro-duktion – und 100 Prozent desStroms – mit erneuerbaren Ener-gien zu decken. Sie würde die Ent-

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von Ursula Wyss, Nationalrätin

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