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22 | SONNTAG | 3. JULI 2016 Glaube Professor Sejdini war kürzlich auf Einladung der Theologischen Fakultät in Graz AP/KK Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Ar- beiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Ar- beiter für seine Ernte auszusenden. Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unter- wegs! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede die- sem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf sei- nen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leu- ten: Das Reich Gottes ist euch nahe. Lukas 10,1–9 Codename: Frieden DAS WORT ZUR SCHRIFT Hans-Peter Premur, katholischer Priester in Krumpendorf J esus denkt scheinbar im Duo- dezimalsystem. Die zwölf Jünger sind im Verständnis der Kirche immer repräsentativ für die zwölf Stämme Israel gestan- den. Nun sind es 72 neue, die er für einen Spezialauftrag rekru- tiert. 6 x 12 = 72! Da er diese zu zweit ausschickt, sind dies sechsunddreißig – 3 x 12 – Zwei- erteams, die in die sechsund- dreißig Dörfer und Städte ge- hen und dort eine „Zelle“ bil- den sollen. Sie sind die Vorhut für seinen großen Marsch nach Jerusalem, den Lukas so ein- drucksvoll und spannend über- liefert hat. Wenn Jesus selber dort ein- trifft, gibt es vor Ort bereits ei- nen Nukleus, auf den seine Bot- schaft vom Reich Gottes auf- bauen kann. Eine ziemlich gut durchdachte Strategie. Das Bes- te sind immer die Mundpropa- ganda und die Hausbesuche. Das würde jeder aktive Politiker heute bestätigen. Die Master- minds fundamentalistischer Gruppierungen haben schein- bar ähnliche PR-Programme in ihrem Repertoire. Was aber den Weg Jesu von radikalen Salafis- ten und anderen Gewaltverbrei- tern unterscheidet, ist ein we- sentliches Merkmal. Seine Leu- te sind keine apokalyptischen Panikmacher und Geheimagen- ten, sondern Friedensarbeiter. Menschen, die bereit sind, ohne Schuhe, ohne Geld und ohne Proviant unterwegs zu sein, sind angewiesen auf den „Good Will“ von freundlichen Leuten. Sie lassen sich mit Haut und Haaren ganz auf die erhoffte Aufnahme und Gastfreund- schaft ein. Im Gepäck haben sie nichts Materielles. Nur den Friedens- gruß. Das alleine ist der Code- name für Menschen, die ihr Herz am richtigen Fleck haben. Daran werden sich die Guten erkennen. Denn nur der Weg des Friedens ist der Weg Gottes. Das ist die wahre Arbeit hier auf Erden, für die man auch von der Allgemeinheit bezahlt werden soll: Den Frieden zu verbreiten. Welch krasses Gegenbild ist die tägliche Berichterstattung über Versuche, das Chaos anzuzet- teln. SONNTAGS EVANGELIUM 3. JULI 2016 | SONNTAG | 23 Der islamische Religionspädagoge Zekirija Sejdini über Islamfeindlichkeit, die mediale Flut und das Menschsein. VON MONIKA SCHACHNER S ie haben einmal gemeint, dass Sie als Muslim noch nie angefeindet wurden. Ist das noch immer so? PROFESSOR ZEKIRIJA SEJDINI: Ja, das kann ich auch heute noch sagen. Es gibt aber natürlich Kreise, die die Islamfeindlichkeit schüren, und ich nehme auch Medienbe- richte darüber wahr. Wie reagiert die Umwelt bei is- lamistischen Anschlägen? SEJDINI: Die Anfragen häufen sich, wobei es zwei Arten gibt: Die ei- nen erwarten, dass man sich dis- tanziert, die anderen eine ver- nünftige Gegenstimme. Das ist auch unsere Verantwortung: Wenn man sieht, wie viel negati- ve Information täglich vermittelt wird, dürfen wir nicht schweigen. Wir brauchen mehr gemäßigte, aufgeklärte Stimmen, die vor ei- ner Hysterie warnen und zeigen, dass sich die Mehrheit der Musli- me gegen den Terror stellt. Wenn nach einem Anschlag die Stim- mung kippt, dann haben die At- tentäter das erreicht, was sie wollten, aber nicht sollten. Sie meinen, Europa ist stärker, als viele denken. SEJDINI: Es gibt natürlich Momen- te, in denen Pessimismus auf- kommt. Ich denke aber, dass die europäische Gesellschaft die Stärke hat, zu ihren Werten zu stehen. Ich glaube fest daran, und ohne diesen Glauben könnte ich mich nicht motivieren, über- haupt etwas zu machen. Der Flüchtlingsansturm vergan- islamische Religionspädagogik an der Uni in Innsbruck. SEJDINI: Ja, zuvor hat es nur in Wien islamische Religionspäda- gogik gegeben. Nach zwei Jahren haben wir rund 100 Studierende. Zudem bietet die Uni Innsbruck einmalig in Österreich das Unter- richtsfach Islam, das mit anderen Fächern kombiniert werden kann. So können unsere Studierenden später neben Religion noch ein weiteres Fach unterrichten. Wer sind Ihre Studenten? SEJDINI: Wir haben eine Vielfalt, was Sprache, Ausrichtung und Motivation betrifft: Einige wollen Lehrerinnen und Lehrer werden, andere ihre Religion besser ken- nenlernen, wieder andere suchen einen wissenschaftlichen Zugang zu ihrer Religion. Wissen wir genug über die je- weils andere Religion? SEJDINI: Ich formuliere es so: Wir kennen uns als Menschen zu we- nig. Es ist nötig, auf den anderen zuzugehen, ihn als Mensch ken- nenzulernen. So würde man sich auch einen konkreten Zugang zu anderen Kulturen und Religionen verschaffen. Wir brauchen also Begegnungsräume. Sie wollen trotzdem einen kon- fessionellen Religionsunterricht. SEJDINI: Es ist ein Unterschied, ob etwas nur als Information ver- mittelt wird oder wenn – etwa in Bezug auf Terror – gesagt wird: Wir haben eine andere, religiös begründete Position gegen Ge- walt. Diese „innere“ Perspektive ist mir wichtig. Wie viele muslimische Kinder besuchen derzeit den Religionsun- terricht? SEJDINI: Nach den letzten Erhe- bungen 50 Prozent. Das hat orga- nisatorische, aber auch inhaltli- che Gründe: Manchen Eltern ist er zu liberal, manchen zu konser- vativ. Einige besuchen auch Mo- scheen, in denen es einen Kate- chetikunterricht gibt. Der Laizismus, die strikte Tren- nung zwischen Religion und Staat, scheint jedenfalls vorbei zu sein. SEJDINI: Meines Erachtens hat sich der säkulare Zugang, das öster- reichische Modell, mehr be- währt, da die Bedürfnisse der Gläubigen mitberücksichtigt werden, die Religionsgemein- schaften aber auch Verantwor- tung mittragen. ligion vermitteln. Dabei versu- chen wir auch einen Paradigmen- wechsel zu vollführen: Der Mensch und seine unantastbare Würde werden dabei in den Mit- telpunkt gestellt. Sie sind der erste Professor für Wie wichtig ist Bildung in der muslimischen Community? SEJDINI: Bildung hat in der islami- schen Tradition enorme Bedeu- tung. Was die religiöse Bildung betrifft, wollen wir einen reflek- tierten, kritischen Zugang zur Re- fährliche Mischung. Keiner wird auf einmal radikal. Dies erklärt auch die Tatsache, dass viele Selbstmordattentäter zuvor Kleinkriminelle waren. Sie waren keine frommen Muslime, die ge- betet und gefastet hätten. genes Jahr brachte in ganz Europa einen Stimmungswandel. SEJDINI: Ich habe diesen Um- schwung natürlich bemerkt. Aber ich verbinde das nicht un- mittelbar mit einer Phobie, wie einige es tun, sondern mit der un- koordinierten, ja sogar chaoti- schen Reaktion der EU. Die Men- schen fühlten sich hilflos, allein- gelassen und dadurch auch be- droht. Es sind also nicht Men- schen, die gegen Menschen sind oder nicht teilen wollen. Sie füh- len sich vielmehr dieser Flut – so wird das ja verkauft – hilflos ge- genüber. Die Situation hat uns alle überfordert. Aber es gab auch die andere Seite: Menschen, die den Flüchtlingen geholfen, sie aufgenommen haben. Jetzt müs- sen wir aufpassen, nichts aufzu- geben, das zwar populistisch Punkte bringt, der Gesellschaft auf lange Sicht aber schadet. Zurück zum Terror: Ist Radikali- sierung ein soziales Phänomen? SEJDINI: Ich habe generell mit exis- tenzialistischen Positionen Pro- bleme: Die Aussage, der Terror habe nichts mit Religion zu tun, entspricht genauso wenig der Realität wie die Behauptung, Re- ligion sei die einzige Ursache von Gewalt. Demnach wird Radikali- sierung durch viele Komponen- ten befördert: sozialen, finanziel- len oder mit dem Umfeld. Wenn dann noch ein religiöses Ver- ständnis solche Missstände auf- greift und einfache Lösungen verspricht, dann entsteht eine ge- ZUR PERSON Zekirija Sejdini, geboren in Ma- zedonien, studierte islamische Theologie, Philosophie und Reli- gionspädagogik in Ägypten und der Türkei, Islamwissenschaft und islam. Mystik in Heidelberg. Seit Jänner 2014 Professor für Religionspädagogik, Innsbruck. „Wir waren alle überfordert“

SONNT AG S EV ANGELIUM beralle for dertÒganda und die Hausbesuche. Das w r de jeder akti v e P olitik er heu te best tig en. Die Mast er-minds fundament alistischer Gruppierung en

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Page 1: SONNT AG S EV ANGELIUM beralle for dertÒganda und die Hausbesuche. Das w r de jeder akti v e P olitik er heu te best tig en. Die Mast er-minds fundament alistischer Gruppierung en

22 | SONNTAG | 3. JULI 2016

Glaube

Professor Sejdiniwar kürzlich aufEinladung derTheologischen

Fakultät in GrazAP/KK

Danach suchte der Herr zweiundsiebzigandere aus und sandte sie zu zweit vorausin alle Städte und Ortschaften, in die erselbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: DieErnte ist groß, aber es gibt nur wenig Ar-beiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Ar-beiter für seine Ernte auszusenden. Geht! Ich sende euch wieSchafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit,keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unter-wegs! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede die-sem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wirdder Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wirder zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt,was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf sei-nen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr ineine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was maneuch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leu-ten: Das Reich Gottes ist euch nahe.

Lukas 10,1–9

Codename: Frieden

DAS WORT ZUR SCHRIFTHans-Peter Premur, katholischerPriester in Krumpendorf

Jesus denkt scheinbar im Duo-dezimalsystem. Die zwölf

Jünger sind im Verständnis derKirche immer repräsentativ fürdie zwölf Stämme Israel gestan-den. Nun sind es 72 neue, die erfür einen Spezialauftrag rekru-tiert. 6 x 12 = 72! Da er diese zuzweit ausschickt, sind diessechsunddreißig – 3 x 12 – Zwei-erteams, die in die sechsund-dreißig Dörfer und Städte ge-hen und dort eine „Zelle“ bil-den sollen. Sie sind die Vorhutfür seinen großen Marsch nachJerusalem, den Lukas so ein-drucksvoll und spannend über-liefert hat.

Wenn Jesus selber dort ein-trifft, gibt es vor Ort bereits ei-nen Nukleus, auf den seine Bot-schaft vom Reich Gottes auf-bauen kann. Eine ziemlich gutdurchdachte Strategie. Das Bes-te sind immer die Mundpropa-ganda und die Hausbesuche.Das würde jeder aktive Politikerheute bestätigen. Die Master-minds fundamentalistischerGruppierungen haben schein-bar ähnliche PR-Programme inihrem Repertoire. Was aber den

Weg Jesu von radikalen Salafis-ten und anderen Gewaltverbrei-tern unterscheidet, ist ein we-sentliches Merkmal. Seine Leu-te sind keine apokalyptischenPanikmacher und Geheimagen-ten, sondern Friedensarbeiter.Menschen, die bereit sind, ohneSchuhe, ohne Geld und ohneProviant unterwegs zu sein,sind angewiesen auf den „GoodWill“ von freundlichen Leuten.Sie lassen sich mit Haut undHaaren ganz auf die erhoffteAufnahme und Gastfreund-schaft ein.

Im Gepäck haben sie nichtsMaterielles. Nur den Friedens-gruß. Das alleine ist der Code-name für Menschen, die ihrHerz am richtigen Fleck haben.Daran werden sich die Gutenerkennen. Denn nur der Wegdes Friedens ist der Weg Gottes.Das ist die wahre Arbeit hier aufErden, für die man auch von derAllgemeinheit bezahlt werdensoll: Den Frieden zu verbreiten.Welch krasses Gegenbild ist dietägliche Berichterstattung überVersuche, das Chaos anzuzet-teln.

SONNTAGSEVANGELIUM

3. JULI 2016 | SONNTAG | 23

Der islamische ReligionspädagogeZekirija Sejdini über

Islamfeindlichkeit, die medialeFlut und das Menschsein.

VON MONIKA SCHACHNER

Sie haben einmal gemeint,dass Sie als Muslim noch

nie angefeindet wurden. Ist dasnoch immer so?PROFESSOR ZEKIRIJA SEJDINI: Ja, daskann ich auch heute noch sagen.Es gibt aber natürlich Kreise, diedie Islamfeindlichkeit schüren,und ich nehme auch Medienbe-richte darüber wahr.

Wie reagiert die Umwelt bei is-lamistischen Anschlägen?SEJDINI: Die Anfragen häufen sich,wobei es zwei Arten gibt: Die ei-nen erwarten, dass man sich dis-tanziert, die anderen eine ver-nünftige Gegenstimme. Das istauch unsere Verantwortung:Wenn man sieht, wie viel negati-ve Information täglich vermitteltwird, dürfen wir nicht schweigen.Wir brauchen mehr gemäßigte,aufgeklärte Stimmen, die vor ei-ner Hysterie warnen und zeigen,dass sich die Mehrheit der Musli-me gegen den Terror stellt. Wennnach einem Anschlag die Stim-mung kippt, dann haben die At-tentäter das erreicht, was siewollten, aber nicht sollten.

Sie meinen, Europa ist stärker,als viele denken.SEJDINI: Es gibt natürlich Momen-te, in denen Pessimismus auf-kommt. Ich denke aber, dass dieeuropäische Gesellschaft dieStärke hat, zu ihren Werten zustehen. Ich glaube fest daran, undohne diesen Glauben könnte ichmich nicht motivieren, über-haupt etwas zu machen.

Der Flüchtlingsansturm vergan-

islamische Religionspädagogik ander Uni in Innsbruck.SEJDINI: Ja, zuvor hat es nur inWien islamische Religionspäda-gogik gegeben. Nach zwei Jahrenhaben wir rund 100 Studierende.Zudem bietet die Uni Innsbruckeinmalig in Österreich das Unter-richtsfach Islam, das mit anderenFächern kombiniert werden kann.So können unsere Studierendenspäter neben Religion noch einweiteres Fach unterrichten.

Wer sind Ihre Studenten?SEJDINI: Wir haben eine Vielfalt,was Sprache, Ausrichtung undMotivation betrifft: Einige wollenLehrerinnen und Lehrer werden,andere ihre Religion besser ken-nenlernen, wieder andere sucheneinen wissenschaftlichen Zugangzu ihrer Religion.

Wissen wir genug über die je-weils andere Religion?SEJDINI: Ich formuliere es so: Wirkennen uns als Menschen zu we-nig. Es ist nötig, auf den anderenzuzugehen, ihn als Mensch ken-nenzulernen. So würde man sichauch einen konkreten Zugang zuanderen Kulturen und Religionenverschaffen. Wir brauchen alsoBegegnungsräume.

Sie wollen trotzdem einen kon-fessionellen Religionsunterricht.SEJDINI: Es ist ein Unterschied, obetwas nur als Information ver-mittelt wird oder wenn – etwa inBezug auf Terror – gesagt wird:Wir haben eine andere, religiösbegründete Position gegen Ge-walt. Diese „innere“ Perspektiveist mir wichtig.

Wie viele muslimische Kinderbesuchen derzeit den Religionsun-terricht?SEJDINI: Nach den letzten Erhe-bungen 50 Prozent. Das hat orga-nisatorische, aber auch inhaltli-che Gründe: Manchen Eltern ister zu liberal, manchen zu konser-vativ. Einige besuchen auch Mo-scheen, in denen es einen Kate-chetikunterricht gibt.

Der Laizismus, die strikte Tren-nung zwischen Religion und Staat,scheint jedenfalls vorbei zu sein.SEJDINI: Meines Erachtens hat sichder säkulare Zugang, das öster-reichische Modell, mehr be-währt, da die Bedürfnisse derGläubigen mitberücksichtigtwerden, die Religionsgemein-schaften aber auch Verantwor-tung mittragen.

ligion vermitteln. Dabei versu-chen wir auch einen Paradigmen-wechsel zu vollführen: DerMensch und seine unantastbareWürde werden dabei in den Mit-telpunkt gestellt.

Sie sind der erste Professor für

Wie wichtig ist Bildung in dermuslimischen Community?SEJDINI: Bildung hat in der islami-schen Tradition enorme Bedeu-tung. Was die religiöse Bildungbetrifft, wollen wir einen reflek-tierten, kritischen Zugang zur Re-

fährliche Mischung. Keiner wirdauf einmal radikal. Dies erklärtauch die Tatsache, dass vieleSelbstmordattentäter zuvorKleinkriminelle waren. Sie warenkeine frommen Muslime, die ge-betet und gefastet hätten.

genes Jahr brachte in ganz Europaeinen Stimmungswandel.SEJDINI: Ich habe diesen Um-schwung natürlich bemerkt.Aber ich verbinde das nicht un-mittelbar mit einer Phobie, wieeinige es tun, sondern mit der un-koordinierten, ja sogar chaoti-schen Reaktion der EU. Die Men-schen fühlten sich hilflos, allein-gelassen und dadurch auch be-droht. Es sind also nicht Men-schen, die gegen Menschen sindoder nicht teilen wollen. Sie füh-len sich vielmehr dieser Flut – sowird das ja verkauft – hilflos ge-genüber. Die Situation hat unsalle überfordert. Aber es gab auchdie andere Seite: Menschen, dieden Flüchtlingen geholfen, sieaufgenommen haben. Jetzt müs-sen wir aufpassen, nichts aufzu-geben, das zwar populistischPunkte bringt, der Gesellschaftauf lange Sicht aber schadet.

Zurück zum Terror: Ist Radikali-sierung ein soziales Phänomen?SEJDINI: Ich habe generell mit exis-tenzialistischen Positionen Pro-bleme: Die Aussage, der Terrorhabe nichts mit Religion zu tun,entspricht genauso wenig derRealität wie die Behauptung, Re-ligion sei die einzige Ursache vonGewalt. Demnach wird Radikali-sierung durch viele Komponen-ten befördert: sozialen, finanziel-len oder mit dem Umfeld. Wenndann noch ein religiöses Ver-ständnis solche Missstände auf-greift und einfache Lösungenverspricht, dann entsteht eine ge-

ZUR PERSON

Zekirija Sejdini, geboren in Ma-zedonien, studierte islamischeTheologie, Philosophie und Reli-gionspädagogik in Ägypten undder Türkei, Islamwissenschaftund islam. Mystik in Heidelberg.Seit Jänner 2014 Professor fürReligionspädagogik, Innsbruck.

„Wir warenalle

überfordert“