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(Aus dem Pathologischen Institut des Staatlichen Krankenstifts Zwickau. Prof. Dr. P. Heilmann.) Sp~tnachweis yon Kohlenoxyd bei einer ausgegrabenen Leiehe. Von P. Heilmann. Es ist bekannt, da6 CO noch naeh Monaten in ausgegrabenen Leichen nachweisbar ist. Voraussetzung dafiir ist allerdings, dab der Tod in CO-haltiger Luft eingetreten ist; denn wenn der Vergiftete noeh lebend in CO-freie Luft gebracht worden ist, kommt es ja ge- wShnlich sehr schnell (in Stunden) zur Ausscheidung des CO. Das Gelingen des I~aehweises yon CO ist bei geriehtlichen und versicherungs- reehtlichen F/~llen yon grSl3ter Bedeutung. Friiher ersehienen sehon F/~lle, wie der yon Blumenstock, wo noch 51 Tage nach dem Tode CO in der Leiehe festgestellt wurde, und der yon Raestrup mit nach 69 Tagen gelungenem Naehweis yon CO in einer allerdings gefroren beerdigten und gefroren ausgegrabenen Leiehe se]ten. Bei einer Leiche mit fortgesehrittener F/s konnte G. Strass- mann naeh 3 Monaten mit der Tanninlorobe noeh CO finden. Der Wietholdsehe Fall liegt in der kalten Jahreszeit (4 Monate des strengen Winters 1928/29). 1Xloch 122 Tage nach dem Tode war es ihm m6g- lieh, chemiseh und physikaliseh im Bht und den Transsudaten das CO nachzuweisen. Nach Durchsicht des mir zug/~nglichen Sehrifttums konnte ich als ls Zeitraum, nach dem der CO-Naehweis bei einer ausgegrabenen Leiche noch ge]ang, den yon 210 Tagen finden. Laguna besehreibt einen Fall, wo die Sektion nach dem Tode zun/~chst nichts Sicheres ergab, wo aber bei der Ausgrabung and bei der 2. Sek- tion nach 210 Tagen aus dem anatomisehen Befund und der spektro- skopisehen Untersuchung des Blutes eine einwandfreie CO-Vergiftung festgestellt werden konnte. Ich mSchte kurz fiber eine yon mir gemachte Obduktion einer ausgegrabenen Leiche berichten. Vorgeschichte: Ein 55 Jahre alter Mann war in einem Neubau auf dem Lande mit FlieBenlegen besch~ftigt. In dem betreffenden l~aum standen 2 Koks6fen. Am Sp~tnachmittage (Dezember 1933) wurde er yon seinem Arbeitgeber bei der Arbeit noch gesund angetroffen; angeblich soll ein :Fenster offen gestanden haben. Am n~chsten Morgen wurde der Mann tot (mit dem Gesicht) auf dem Boden liegend aufgefunden. Der hinzugernfene Polizeiarzt glaubte, keine CO-Vergiftung annehmen zu miissen. Die Leichenflecken erschienen ihm nicht charakteristisch genug; allerdings herrschte noch kein volles Tageslicht; und als ]3eleuchtung wurde eine elektrische Taschenlampe angewandt. Es wurde nun Tod an einer 15"

Spätnachweis von Kohlenoxyd bei einer ausgegrabenen Leiche

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(Aus dem Pathologischen Institut des Staatlichen Krankenstifts Zwickau. Prof. Dr. P. Heilmann.)

Sp~tnachweis yon Kohlenoxyd bei einer ausgegrabenen Leiehe. Von

P. Heilmann.

Es ist bekannt, da6 CO noch naeh Monaten in ausgegrabenen Leichen nachweisbar ist. Voraussetzung dafiir ist allerdings, dab der Tod in CO-haltiger Luft eingetreten ist; denn wenn der Vergiftete noeh lebend in CO-freie Luft gebracht worden ist, kommt es ja ge- wShnlich sehr schnell (in Stunden) zur Ausscheidung des CO. Das Gelingen des I~aehweises yon CO ist bei geriehtlichen und versicherungs- reehtlichen F/~llen yon grSl3ter Bedeutung.

Friiher ersehienen sehon F/~lle, wie der yon Blumenstock, wo noch 51 Tage nach dem Tode CO in der Leiehe festgestellt wurde, und der yon Raestrup mit nach 69 Tagen gelungenem Naehweis yon CO in einer allerdings gefroren beerdigten und gefroren ausgegrabenen Leiehe se]ten. Bei einer Leiche mit fortgesehrittener F/s konnte G. Strass- mann naeh 3 Monaten mit der Tanninlorobe noeh CO finden. Der Wietholdsehe Fall liegt in der kalten Jahreszeit (4 Monate des strengen Winters 1928/29). 1Xloch 122 Tage nach dem Tode war es ihm m6g- lieh, chemiseh und physikaliseh im B h t und den Transsudaten das CO nachzuweisen. Nach Durchsicht des mir zug/~nglichen Sehrifttums konnte ich als ls Zeitraum, nach dem der CO-Naehweis bei einer ausgegrabenen Leiche noch ge]ang, den yon 210 Tagen finden. Laguna besehreibt einen Fall, wo die Sektion nach dem Tode zun/~chst nichts Sicheres ergab, wo aber bei der Ausgrabung and bei der 2. Sek- tion nach 210 Tagen aus dem anatomisehen Befund und der spektro- skopisehen Untersuchung des Blutes eine einwandfreie CO-Vergiftung festgestellt werden konnte.

Ich mSchte kurz fiber eine yon mir gemachte Obduktion einer ausgegrabenen Leiche berichten.

Vorgeschichte: Ein 55 Jahre alter Mann war in einem Neubau auf dem Lande mit FlieBenlegen besch~ftigt. In dem betreffenden l~aum standen 2 Koks6fen. Am Sp~tnachmittage (Dezember 1933) wurde er yon seinem Arbeitgeber bei der Arbeit noch gesund angetroffen; angeblich soll ein :Fenster offen gestanden haben. Am n~chsten Morgen wurde der Mann tot (mit dem Gesicht) auf dem Boden liegend aufgefunden. Der hinzugernfene Polizeiarzt glaubte, keine CO-Vergiftung annehmen zu miissen. Die Leichenflecken erschienen ihm nicht charakteristisch genug; allerdings herrschte noch kein volles Tageslicht; und als ]3eleuchtung wurde eine elektrische Taschenlampe angewandt. Es wurde nun Tod an einer

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Erkrankung des Herzens, der Gefgge, der Lungen oder des Gehirns angenommen, CO-Vergiftung aueh deswegen ausgeschlossen, weil nun am Morgen ~ats~ch- lich ein Fenster aufstehend vorgefunden wurde. Weder die Pollzei noeh die Berufsgenossenschaft zeigten Interesse an einer Leiehen6tfnung. Erst die An- geh6rigen erreiehten dureh ihren t~echtsanwalt, dab das Versieherungsamt Anfang Mai 1934 die Ausgrabung und Sektion der Leiche beantragte, also 144 Tage naeh dem Tode.

Be[und bei der Sektion (S.-Nr. 206/34): Xul3erlich ist die Leiehe sehon sehwer vergndert. Die t taut geht in Fetzen ab, ist am gauche grtinlich-migfarbig. Nur an den Fingern~geln tr i t t eine frischrote Farbe deutlieh hervor. Beim Einsehneiden ist das Unterhautfettgewebe mit Blutfarbstoff durehtr~nkt, ganz leuchtend kirsehrot. Ebenso verhalten sich bei Er6ffnung der auffallend troeke- nen K6rperhShlen die Organe. Hier ist mit Ausnahme der Darmsehlingen kaum etwas yon F~ulnis zu sehen. Die ffir CO-Vergiftung eharakteristische leueh- tend rote Farbe ist besonders schSn auch an der Muskulatur zu sehen. In den grol~en Venen und im tIerzen wird fltissiges, ausgesproehen leuehtend kitsch- rotes Blur gefunden. Embolien, CoronarversehluB, Hirnblutungen und alle an- deren ffir eii~en pl6tzliehen Eintrit t des Todes in Frage kommenden Zustfi.nde k6nnen ausgesehlossen werden. Eine auffallende Hirnsehweltung, die naeh Nchultze bei CO-Vergiftung vorkommen soll, war nattirlieh nieht mehr festzu. stellem Das Gehirn war blutig durehtrgnkt, kirsehrot, aber sehon ziemlieh welch; Liquor war nicht mehr vorhanden.

Zur ehemisehen und physikMisehen Untersuchung auf CO wurde nieht blot I-Ierzblut entnommen, sondern aueh Gewebsfltissigkei~ (IYeimann). Die spektro- skopisehe Untersuehung und die ehemisehen Proben fielen s/~mtlieh positiv aus. Na~irlieh wurden bei allen Proben Kontrollen mit C0-freiem Blug angestellt (Tannin-, Formalin-, Kupfersulfat-, sog. Natronprobe). Besonders bew~hrt hat sieh bei uns immer die Tanninprobe. Alle anderen Todesursaehen konnten dureh die Sektion und das bei ihr gefundene gute Erhaltensein der Organe ausgesehlossen werden. Natiirlieh wurden auch mikroskopisehe Untersuchungen angestellt, dureh die abet keine besonderen Befunde mehr erhoben werden konnten, auger ganz fraglichen kleinen Bhtaustr i t ten im Gehirn.

Dieser Fa l l l ehr t also wieder, dab noah nach sehr ]anger Zai t naah dem Tode (hier nach 144 Tagen) der CO-Naahwais gal ingt und dab besser immar , wenn e inmal dar Verdach t einer C0-Vergi fgung in F r a g a k o m m t , die Sekt ion ausgef i ihr t werden soll. 1tier war m a n genaig~, einfach deswegen, wail angebl iah in dam A r b e i t s r a u m ain F e n s t a r aufges~anden haben sollta, die M6glichkei~ ainer CO-Varg i f tung auszu- schlieBan. Man n a h m an, dab bei e inem Manne hSheren Al te rs (55 Jahre) aher ein Herz- oder H i r n t o d (Coronarvarschlug, Apoplexie) in F r a g e k/tree. Dabe i war aber aus Zeuganaussagen n iah t s icher zu arfahran, ob a m Naahmit~ag wirkl ich ein Fensger aufs~and. Die Aussagen waren widersprechend. Das aufs tehende Fensger konnte ja der Verungl i ickte auch wagen der K/t l te am A b e n d selbst geschlossen haben. E r k a n n es auch, als as i bm schlecht wurde, wieder ge6ffnat haben . H a t as immer offengestanden, so is t na t i i r l ich m6glieh, dab durch besondare StrS- mungsvarh/~ltnisse in der Luf t des Arbe i t s r aumas das CO gerada in den Bereich des am Boden a rbe i t enden Verungl i ick tan ge langt ist. Wi r

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df i r fen e b e n n i c h t ve rgessen , d a b CO ein sehr g i f t iges Gas ist , das be i

1/ ingerem E i n a t m e n n u r zu 1/4--1/2% in de r L u f t e n t h a l t e n zu sein

b r a u c h t , u m tSd l i ch w i r k e n zu kSnnen .

Literaturverzeichnis. Ho/mann-Haberda, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin. 1927. - - Laguna,

D~sch. Z. gerichtl. Med. 21 (1933). - - Raestrup, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 6 (1925). - - Schultze, Mfinch. reed. Wschr. 1928. - - Strassmann, ~rztl.. Sachverst.ztg 1928. - - Weimann, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 17 (1931). - - Wiethold, Dtsch. Z. gerichtl. Med. 14 (1929).