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Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischem Aspekt Author(s): Heinz Haller Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 13, H. 2 (1951/52), pp. 266- 287 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908733 . Accessed: 17/06/2014 06:38 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.229.101 on Tue, 17 Jun 2014 06:38:52 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischem Aspekt

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Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischemAspektAuthor(s): Heinz HallerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 13, H. 2 (1951/52), pp. 266-287Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908733 .

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Sparen und Investieren unter einkommensanaly tisdiem und einkommens-

theoretischem Aspekt von

Heinz Haller

Als Κ e y n e s in seiner „General Theory" die heute in der Volksein- kommens- und Sozialproduktrechnung (national income analysis) verwen- deten Definitionen der Ersparnis und Investition einführte, die so beschaf- fen sind, daß diese beiden Größen in jeder beliebigen Wirtschaftsperiode gleich sind, entstand zunächst eine gewisse Verwirrung durch den Wider- spruch, in dem diese Übereinstimmung zu der seit Wicksells Zeiten von ungezählten Autoren aufgestellten und auch heute in der Einkommens- theorie (theory of income and employment) als unwiderlegbar betrachteten Behauptung, daß in einer „expandierenden" Wirtschaft die Investition die Ersparnis, in einer „kontrahierenden" die Ersparnis die Investition übersteige, zu stehen scheint. Wenn beides zugleich gelten soll, so kann die Lösung des Widerspruchs natürlich nur darin liegen, daß die verwendeten Begriffe nicht identisch sind, daß also unter Ersparnis und Investition nicht beidemal dasselbe verstanden wird.

Die Überlegungen, die sofort angestellt wurden, um die Verwirrung zu beseitigen, forderten die Unterschiede bald zutage. Man brauchte nur zurückzugreifen auf die Periodenanalyse D.H. Robertsons, um exakt darlegen zu können, in welchem Sinne von einer Ungleichheit von In- vestition und Ersparnis gesprochen werden kann. Man stellte fest, daß hier die Begriffe in dem engeren Sinne einer „gewollten" Investition bzw. „ge- wollten", aus verfügbarem Einkommen vorgenommenen Ersparnis ver- wendet werden, in der Κ e y n e s sehen „gleichmacherischen" Definition dagegen in einem weiteren. Um die Verbindung zu dieser herzustellen - es müssen sich natürlich in beiden Terminologien dieselben Sachverhalte dar- stellen lassen - benötigt man geeignete Ergänzungsbegriffe, die die Lücken zwischen den Umfangen der weiteren und engeren Ersparnis- und Investi- tionsbegriffe ausfüllen1). Die prozeßanalytische Betrachtung im Anschluß

l) Die Diskussion, die im Anschluß an das Erscheinen der „General Theory " über die verschiedenen Definitionen von Investition und Ersparnis - hauptsäch- lich im angelsächsischen Sprachgebiet - entstanden ist, ist sehr gut zusammen-

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an Robertson ist nun aber insoweit noch nicht allgemein genug, als die Perioden willkürlich so gewählt werden, daß das in der Vorperiode er- zielte Einkommen erst in der laufenden ausgegeben wird1). Es kann jedoch gezeigt werden, daß man auch für den Fall der beliebig langen Periode ge- nau so wie für die kurze Robertson sehe von einer Diskrepanz zwi- schen Investition und Ersparnis exakt sprechen und mit den entsprechen- den Ergänzungsbegriffen die Deckung mit der Κ e y n e s sehen „ Investi- tionsgleichung" herbeiführen kann. Wir wollen dies im folgenden tun und dabei den Zusammenhang mit der Robertson sehen Darstellung geben. Wir werden mit Nutzen von dem von Binder eingeführten Be- griff der ,,transitorischen Abgrenzungsposten der Bilanz der Kaufkraft- bewegungen" 2) Gebrauch machen können. Es wird sich erweisen, daß man mit den in der registrierenden Einkommensanalyse verwendeten Κ e y - η e s sehen Begriffen der Investition und Ersparnis zwar nachträglich die- selben Sachverhalte erfassen kann wie mit den in der erklärenden Ein- kommenstheorie benutzten traditionellen, aber eben nur in einem rein rechenhaften Sinn, hinter dem das eigentlich Interessante versteckt bleibt. Soweit die Einkommensanalyse sich nicht nur mit der Entstehung, sondern auch mit der Verwendung des Einkommens befaßt, muß sie sich, wenn sie genau sein will, auch der in der Einkommenstheorie verwendeten Begriffe bedienen.

I.

Zunächst sollen die Begriffe, mit denen wir in dieser Analyse arbeiten, definiert werden, sodann wollen wir, bevor wir an die eigentliche Aufgabe herantreten, kurz eine vereinfachte Wirtschaft, in der Einkommenszahlung und -Verwendung in gewissen Intervallen simultan verfolgen, ferner die Ro- bertson sehe Prozeßanalyse betrachten.

a) Wir unterscheiden : Investition im einkommens- analytischen Sinn (/), d. i. der in Geld ausgedrückte Betrag, um den sich das Sachvermögen in der Produktionssphäre der Wirtschaft in einer bestimmten Zeitperiode vergrößert ; gewollte Investition (Ig), d. i. der in Geld ausgedrückte Betrag, um den dieses Sachvermögen auf Grund entsprechender Entschlüsse der Investoren zunimmt 3) ; unge- wollte Investition (Iu), d. i. der in Geld ausgedrückte Betrag

gefaßt bei Friedrich A. Lutz, The Outcome of the Investment- Saving Discussion, Quarterly Journal of Economics, Vol. 52, S. 588 ff., abgedruckt in: Readings in Business Cycle Theory, Philadelphia-Toronto, 1944, S. 131 ff., ferner bei Gottfried Haberler, Prosperität und Depression, Übersetzung der 3. Auflage von Prosperity and Depression, Bern 1948, S. 166 ff.

l) Vgl. Lutz.a.a.U. 2) Paul Binder, Die Schalthebel der Konjunktur, München und Berlin

1939, S. 57. 3) Man könnte genau so gut von „freiwilliger oder „aktiver (Hawtrey)

Investition sprechen, wir halten es jedoch nicht für zweckmäßig, den Ausdruck ex ante oder „geplant" im Sinne der Stockholmer Schule zu verwenden (hierauf wird noch zurückzukommen sein).

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der sich ohne Hinzutun der Unternehmer infolge der Ansammlung unver- käuflich gebliebener Lagerbestände ergebenden Vergrößerung dieses Sach- vermögens1). Iu kann auch negativ sein, es liegt dann ungewollte Des- investition vor.

Hinsichtlich der Ersparnis unterscheiden wir : Ersparnis im einkommensanalytischen Sinn (S), d. i. der Betrag der- jenigen verdienten Einkommensteile einer Periode (gleichgültig, ob sie schon ausgezahlt sind oder nicht), der die Konsumausgaben dieser Periode übersteigt; gewollte Ersparnis (Sg), d. i. der Betrag derjenigen ausbezahlten Einkommensteile, die auf Grund entsprechender Sparent- schlüsse der Einkommensbezieher nicht für Konsumzwecke verwendet werden 2); ungewollte Ersparnis (Su), d. i. der Betrag der Ein- kommensteile (schon ausbezahlt oder nicht), über die überhaupt noch nicht verfügt worden ist, da noch keine Zeit oder Möglichkeit zur Verausgabung vorhanden war oder da sie für die Überbrückung der Periode bis zur näch- sten Einkommenszahlung dienen, und von denen noch nicht feststeht, ob sie für Konsumzwecke ausgegeben werden oder nicht3). Auch Su kann negativ sein, und zwar im Fall einer Einkommensreduktion.

Die gewollte Ersparnis teilen wir schließlich unter in investierte gewollte Ersparnis (Sgi), d. i. diejenige gewollte Ersparnis, die für die Finanzierung gewollter Investition verwendet wird, und in g e - hortete gewollte Ersparnis (Sgk), für die dies nicht der Fall ist, wobei es keine Rolle spielt, an welcher Stelle die betreffenden Ein- kommensteile „brachgelegt" werden, ob beim Sparer selbst oder bei einem Kreditnehmer.

Weitere Erläuterungen dieser Begriffe dürften sich erübrigen. b) Wir stellen uns nun zunächst eine gedanklich konstruierte Wirt-

schaft vor, die so beschaffen ist, daß die Einkommen zwar auch in bestimm- ten Intervallen ausgezahlt, aber nicht langsam, sondern unverzüglich ver- wendet werden. Am Ende einzelner Produktionsperioden soll also die Ein- kommenszahlung stehen, und die Einkommen sollen ohne Zeitbedarf ver- ausgabt werden und die Produktion der betreffenden Periode kaufen. Im Verlauf der einzelnen Perioden sammeln sich ungewollte Ersparnisse der Einkommensbezieher an, denen im gleichen Umfang „vorübergehende" Investitionen der Unternehmungen gegenüberstehen. Nach Auszahlung und Verausgabung der Einkommen sind beide Posten verschwunden.

Wenn das Gesamteinkommen gegenüber der Vorperiode unverändert ist und die Produktion sich auf die Konsum- und Sparrate eingestellt hat,

*) Gleichwertige Bezeichnungen wären „unfreiwillige" oder „unbeabsich- tigte" oder „passive" (H a w t r e y) Investition.

2) Andere, ebenso passende .Bezeichnungen waren „freiwillige oder „beab- sichtigte" Ersparnis.

°) uen AusarucK „ungewollte .Ersparnis verwenden wir leuigiicn aus oyiu· metriegründen; er ist insofern nicht besonders glücklich, als er die Vorstellung eines „erzwungenen" Sparens hervorrufen kann, das im üblicherweise gemeinten Sinn hier natürlich nicht vorliegt. Am besten wäre die Bezeichnung „Ersparnis aus technischen Gründen", auch die Ausdrücke „vorläufige" oder „vorüber- gehende" Ersparnis wären brauchbar.

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so wird Ig von Sgi gekauft. Es ist weder eine Expansion noch eine Kontrak- tion gegeben. Wird die Produktion (durch Beanspruchung vorhandener Keserven) zugunsten der Investitionsgüter ausgedehnt, so ist es hier denk- bar, daß das Zusatzeinkommen in vollem Umfang gespart und für die Fi- nanzierung der Zusatzinvestition verwendet wird, so daß wieder nur Sgi und Ig vorkommen. Wahrscheinlich ist jedoch dieser Fall nicht, da ver- mutlich das Zusatzeinkommen zum Teil für Konsumzwecke ausgegeben wird. Nur wenn in diesem Umfang die Zusatzproduktion in Konsumgütern bestehen würde, könnte eine Deckung zwischen Produktion und Einkom- mensverwendung erwartet werden. In dem Umfang, als eine Inkongruenz vorliegt, stehen sich schließlich doch wieder Ersparnis und Investition in gleicher Höhe gegenüber. Die Ersparnis kann dann entweder eine unge- wollte sein (in dem Fall, wo die Zusatzeinkommen nicht im gewünschten Umfang für Konsumgüter ausgegeben werden können, weil hierfür die Zu- satzproduktion zu gering ist und die Produzenten die überhöhte Nachfrage nicht durch Preiserhöhungen, sondern auf andere Weise abstoppen) oder eine gewollte (wenn Preiserhöhungen auf den Konsumgütermärkten ein- treten und zu entsprechenden Sondergewinnen der Produzenten führen, die nicht für Konsumausgaben in Frage kommen). Soweit dem Ig (wir kön- nen annehmen, daß ein Iu nicht entsteht, daß vielmehr die gesamte Zusatz- produktion von Investitionsgütern auf Grund von Aufträgen investieren- der Unternehmer vorgenommen wurde) ein Su gegenübersteht, bleibt für die Investoren nur eine Finanzierung durch zusätzlichen Bankkredit übrig und im entsprechenden Betrag verbleiben für die folgende Periode nicht ausgegebene Einkommensteile. Im anderen Fall wird Ig voll durch Sgi ge- deckt und es braucht kein solcher Posten „vorgetragen" zu werden.

Wird ein Teil der gewollten Ersparnis gehortet, so entsteht in gleichem Umfang ungewollte Investition, so daß gilt:

I = S,Ie+Iu = Sai + Sgh. In der nächsten Periode wird dies natürlich zu einer Produktions- und Ein- kommensschrumpfung führen. Es ist aber auch möglich, daß die Produzen- ten durch Preissenkungen ihre sonst nicht absetzbaren Investitionsgüter losschlagen, wobei sie einen Verlust erleiden in Hohe von S^. Der mit Hilfe von Bankkrediten zu deckende Verlust kann mit Sgh aufgerechnet werden, so daß sich schließlich nur Sgi und Ig gegenüberstehen.

c) Wenden wir uns nun der wirklichen Wirtschaft zu und berücksich- tigen wir, daß die am Ende bestimmter Perioden ausgezahlten Einkommen im Verlauf der jeweils folgenden Periode ausgegeben werden. Wir betrach- ten die Perioden, die durch die Einkommenszahlungen bestimmt sind und begrenzen sie durch diese. Es ergibt sich so die Kobertson sehe Perio- denanalyse1).

1 ) Neuerdings in der deutschen Literatur von Paulsen dargestellt. (Andreas Paulsen, Neue Wirtschaftslehre. Einführung in die Wirtschafts- theorie von John Maynard Keynes und die Wirtschaftspolitik der Voll- beschäftigung, Berlin und Frankfurt 1950, S. 88 f.) Vgl. auch A 1 ν i η Η. Η a n - sen, Business Cycles and National Income, New York 1951, S. 156 ff.

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Nehmen wir zwei aufeinanderfolgende Perioden 0 und 1, bezeichnen wir das Einkommen mit E, den Konsum mit C, die Investitions- und Er- sparnisgroßen mit den bereits eingeführten Symbolen und versehen wir diese mit den Indizes der Periodennummer, so ergibt sich, wenn wir nach- einander den Fall des „Gleichgewichts", der Expansion und der Kontrak- tion ins Auge fassen, folgendes:

1. ,,G 1 eichgewich t". Am Ende der Periode 0 wird das Einkom- men Eo ausbezahlt, das aus der Produktion Co + Io entstanden ist. Eo wird nun in der Periode 1 zum Ankauf der Produktion dieser Periode, die aus C± und Ιλ besteht, verwendet. Aus der Produktion im Werte von C± +/x ist am Ende der Periode 1 neues Einkommen in Hohe von Ex entstanden, das in der folgenden Periode verwendet wird. Wenn Eo in der Periode 1 voll ausgegeben wird und keine zusätzliche, nicht aus Eo stammende Kauf- kraft auf dem Markt nachfragend auftritt, so ist das neue Einkommen E± dem alten, also Eo, gleich. Die aus dem Einkommen der Vorperiode vorge- nommene Ersparnis Sg^ kauft die laufende Investition Igv Man kann also sagen, daß die aus dem verfügbaren Einkommen gebildete ,, gewollte" Er- sparnis die ,,ge wollte" Investition finanziert. Das ist die traditionelle Aus- drucksweise, wie sie in der Einkommenstheorie verwendet wird. In unserem Beispiel ist nun aber auch die Differenz zwischen dem in Periode 1 erzeug- ten Einkommen Ex und dem Konsum dieser Periode Ct der Ersparnis Sgit gleich, weil Ex = Eo ist. Wir können also den einkommensanalytischen Er- sparnisbegriff verwenden und 8t definieren als E1 - C1 oder den traditio- nellen Sgii = Eo - Cl9 beidemal kommen wir auf dieselbe Größe. Es gilt:

S1 = /x = E^C, = Ε,-C, = S9il = In. 2. Expansion. In Periode 1 tritt nicht nur Eo nachfragend auf,

sondern ein nicht aus Eo stammender Betrag, der durch Kreditschöpfung der Banken oder dadurch, daß in früheren Perioden gehortete Einkommens- teile verwendet werden, in die Wirtschaft einströmen kann. Nehmen wir an, dieser Zusatzbetrag (K) werde für Zusatzinvestitionen verwendet, die durch Heranziehung vorhandener Produktionsreserven zum bisherigen Preis ver- fügbar gemacht werden können. Die in Periode 1 erstellte und gekaufte Investitionsgüterproduktion wird also bezahlt mit Sg^, das aus Eo stammt, und mit K. Ig ist um Κ größer als Sgiv so daß man in der traditionellen Ausdrucksweise sagen kann, die Investition sei größer als die Ersparnis. Durch die Zusatzproduktion von Investitionsgütern in Hohe von Κ ver- größert sich aber Ex gegenüber Eo um diesen Betrag, so daß die Ersparnis im einkommensanalytischen Sinn S1 = E1 - Cx gleich Ix ist. Bei dieser Definition ergibt sich eine zwangsläufige Gleichheit von Ix und Sl9 da beide die Differenz zwischen Ex und Cx darstellen. Zur Ermittlung von Sx wird der mit Hilfe des Einkommens der Vorperiode vorgenommene Konsum mit dem Einkommen, das sich in der laufenden Periode ergibt, verglichen, so daß S± keineswegs die Ersparnis aus der laufenden Periode darstellt. Über Ex ist ja am Ende der Periode noch gar nicht verfügt.

Dem mit Hilfe von Κ finanzierten Teil der Investition steht nun aber auch eine Ersparnis gegenüber, nämlich die ungewollte Ersparnis derjeni-

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gen Einkommensbezieher, die das Zusatzeinkommen erhielten, dies aber bis zum Ende der Periode nicht ausgeben können. Durch Berücksichtigung dieses Postens SU1 wird auch bei Verwendung des traditionellen Erspar- nisbegriffs die Deckung zwischen Investition und Ersparnis herbeigeführt. Es gilt:

h = Igi = E1 - C1 = Sgil + SU1.

3. Kontraktion. In der Periode 1 wird ein Teil (Sg^) von Eo gespart, aber nicht zum Ankauf von Investitionsgütern ausgegeben. Es kommt also zu einer Geldstillegung in Höhe von Sg^, die Investition ist in der traditionellen Ausdrucksweise um diesen Betrag kleiner als die Erspar- nis. Reagieren nun die Unternehmer unverzüglich auf den Absatzrückgang mit Produktionseinschränkung, so sinkt während der Periode das Einkom- men entsprechend und es ist Ex = Eo - Sg^. In Höhe der Einkommens- minderung ergibt sich für die Produktionsfaktoren ein negatives Suv Es ist dann

$i = 8gi - $ui = Sgii = Igv

Reagieren die Unternehmer nicht auf den Nachfrageausfall, so bleiben Investitionsgüter im Werte von Κ unverkäuflich, so daß sich eine unge- wollte Investition in dieser Hohe ergibt. Wenn wir diese berücksichtigen, so ist die Verbindung zwischen den beiden Formulierungen wiederum her- gestellt. Es gilt:

Ii = Igi + lui = Ex - G1 = Sx = Sgii + SghV

Wenn die Situation anhält, wird es in späteren Perioden zu Produktions- drosselung und Einkommensminderung kommen.

Falls der unverkäufliche Bestand durch Preisherabsetzung vermieden wird, wird wieder Ex um Sgjn kleiner als Eo infolge des eintretenden Ver- lustes. Berücksichtigt man die zur Deckung des Verlustes notwendig wer- dende Kreditinanspruchnahme und verrechnet diese mit SghV so ergibt sich auch für die traditionelle Betrachtungsweise wieder Übereinstimmung von Ersparnis und Investition (Sg^ = Igi).

II.

Was für die Robertson sehen Perioden in vollem Umfang gilt, trifft immer weniger zu, je länger wir die betrachteten Perioden wählen. Für eine sehr lange Periode, die viele kurze Perioden der Einkommens- zahlung umfaßt, stammt nur noch ein verhältnismäßig kleiner Teil des in der Periode ausgegebenen Einkommens aus der Vorperiode und ebenso wird ein relativ kleiner Teil des in der Periode gebildeten Einkommens nicht in dieser selbst, sondern in der folgenden ausgegeben. Je länger also die be- trachtete Periode ist, desto eher können diese „Grenzposten" vernach-

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lässigt werden, ganz verschwinden tun sie jedoch nie1). Läßt man eine lange Periode zusammen mit einer Robertson sehen anfangen und mit einer solchen aufhören, so treten unter der Voraussetzung, daß für die gesamte Wirtschaft die Einkommenszahlungen zu denselben Terminen er- folgen, lediglich Grenzposten der eben beschriebenen Art auf, die man im Anschluß an Binder als Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz der Kaufkraftbewegungen bezeichnen kann, wobei unter Kaufkraftbe- wegungen die Geldströme aus dem Banksystem in die Wirtschaft und um- gekehrt zu verstehen sind. Sie stellen nichts anderes dar als die jeweils in Umlauf befindliche Geldmenge. Läßt man die betrachtete Periode zu einem ganz beliebigen Zeitpunkt beginnen und enden, d. h. verzichtet man auf jede künstliche Auswahl, und berücksichtigt man ferner, daß die Einkom- menszahlungen in Wirklichkeit nicht für die ganze Wirtschaft synchroni- siert sind, so muß man noch eine zweite Art von Abgrenzungsposten in Rechnung stellen, die dadurch entstehen, daß in beliebigen Zeitpunkten verdiente, aber noch nicht ausgezahlte Einkommen aufgelaufen sind (in verhältnismäßig geringem Umfang ist auch das Umgekehrte der Fall). Diese transitorischen Posten schlagen sich im Gegensatz zu den erstgenann- ten in den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der Unterneh- mungen nieder. Sie bedingen die kaufkraftmäßigen Abgrenzungsposten: würde jedes verdiente Einkommen sofort ausbezahlt, so wäre das Halten einer Geldreserve, wenn wir von der Akkumulation für die Anschaffung teurer Gebrauchsgüter absehen, nicht notwendig. Dadurch, daß die Ent- stehung, Auszahlung und Verwendung der Einkommen hintereinander ge- schaltet sind und time-lags zwischen diesen Stufen liegen, entstehen die Ab- grenzungsposten. Bezeichnen wir die Abgrenzungsposten der ersten Art mit A, die (sich in den Unternehmungsbilanzen niederschlagenden) der zweiten Art mit G (Guthaben), so können wir sagen, daß je nach dem gewählten Zeitpunkt die noch nicht ausgegebenen Einkommen mehr in G oder in A bestehen. Fassen wir (G + A) zusammen, so ist im Zeitpunkt der Einkom- menszahlung dieser Posten mit A identisch, unmittelbar davor jedoch mit G, zu allen übrigen Zeitpunkten besteht er zu wechselnden Teilen aus G und A, und zwar so, daß G nach der Einkommenszahlung laufend anwächst, A dagegen abnimmt, bis es schließlich null geworden ist (falls die Einkommen bis zum neuen Auszahlungstermin voll ausgegeben werden). Die Termine, zu denen sich G in A verwandelt, sind nun für einzelne Gruppen von Ein- kommensempfängern verschieden, so daß wir für die gesamte Wirtschaft praktisch keinen Zeitpunkt finden können, in dem nur A vorhanden ist. Aus diesem Grund und weil ja jede künstliche Periodenauswahl vermieden werden soll, berücksichtigen wir im folgenden nur die Summe (6? + A), also den Betrag der verdienten, aber noch nicht ausgegebenen Einkommen, den

2) Man kann daher nur dann mit E. Schneider sagen, daß „der nicht zum Kauf von Konsumgütern verwendete Teil des Einkommens [das in der be- treffenden Periode verdient wurde. Der Verfasser] zum Kauf der Nettoinvestition verwendet worden" sei (Erich Schneider, Einführung in die Wirtschafts- theorie, I. Teil: Theorie des wirtschaftlichen Kreislaufs, Tübingen 1947, S. 49), wenn man eine „unendlich lange" Periode zugrunde legt.

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wir mit R bezeichnen wollen. Um die Zusammensetzung von R in dem jeweiligen Zeitpunkt kümmern wir uns nicht. Wir könnten, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, für R auch A setzen, ohne daß sich am Er- gebnis etwas ändert. In der Kegel ist ja das verdiente, aber noch nicht aus- gegebene Einkommen dem kaufkraftmäßigen Abgrenzungsposten gleich, da in dem Umfang, wie G anwächst - bei kontinuierlicher Verausgabung der Einkommen - Teile von R an die produzierenden Unternehmungen flie- ßen. Auch bei Einkommenssteigerungen wird mit zunehmendem G die in den Händen der Unternehmungen befindliche Kaufkraft anwachsen. Ana- loges gilt für den Fall der Einkommensschrumpfung. Wir können also sagen, daß R zwar nicht mit A identisch ist, sich aber in der Regel größenmäßig mit ihm deckt.

Betrachten wir nun unter Berücksichtigung des allgemeinen Rech- nungsabgrenzungspostens Perioden von beliebiger Begrenzung und Aus- dehnung wiederum für die drei Fälle des „Gleichgewichts", der Expansion und der Kontraktion!

a) ,,G 1 e i c h g e w i c h t". Zu Beginn der Periode ist ein Rechnungs- abgrenzungsposten (Ro) vorhanden, bestehend aus ausbezahltem, noch nicht ausgegebenem und aus verdientem, noch nicht ausbezahltem Ein- kommen. Zunächst wird der erste Bestandteil zum Teil für Konsumgüter, zum Teil (überwiegend indirekt durch Überlassung der betreffenden Ein- kommensteile an die Investoren mittels Wertpapierkäufen usw.) für Pro- duktionsmittel ausgegeben. Nach Erreichung der neuen Termine der Ein- kommensauszahlung stehen die inzwischen verdienten Einkommen in Geld zur Verfügung, die in der Periode bis zur nächsten Einkommenszahlung für Anschaffungen der beiden Arten verwendet werden. Während dieser Periode sammeln sich neue verdiente Einkommen an, die in der nächsten ausgegeben werden, usf. Lassen wir die von uns betrachtete Gesamtperiode irgendwo, nachdem sie eine größere oder kleinere Zahl von Einkommens- zahlungsperioden durchlaufen hat, zu Ende gehen, so ergibt sich hier wie- der ein Rechnungsabgrenzungsposten (Βχ)9 bestehend aus ausbezahltem und nicht ausbezahltem Einkommen. Wenn nun in der Gesamtperiode weder neue Kaufkraft in die Wirtschaft eingeflossen ist (durch Kreditschöpfung oder Inanspruchnahme früher „stillgelegter" Mittel) noch Hortungen vorgenommen worden sind, so muß R± = Ro sein, gleichgültig, wie die Zusam- mensetzung der beiden Posten aus A und G aussieht. Für die Periode gilt :

R0+E-R1 = C+Ig = C+Sg. Da Ro und Rx gleich sind, ist der Betrag, der C + Ig kauft, gerade gleich dem in der Periode entstandenen Einkommen, ohne aber mit diesem iden- tisch zu sein, und dieser Betrag, der gerade die Produktion abnimmt, stammt nur aus Einkommen. Es ist

S = E - C = I = Ig = Sg= Ro+ E - Rx - C, d. h. Ersparnis und Investition stimmen im einkommensanalytischen Sinn und im Sinne der ,, gewollten" Größen überein, / und Ig sind identisch, S und Sg sind gleich, aber nicht identisch.

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b) Expansion. Nehmen wir an, daß in der betrachteten Periode weder aus Ro noch aus dem laufenden Einkommen stammende Mittel (K) in die Wirtschaft einfließen und für Zusatzinvestition ausgegeben wer- den. Die entsprechenden Investitionsgüter sollen durch Zurückgreifen auf vorhandene Produktionsreserven zu den bisher geltenden Preisen bereit- gestellt werden können. Das Sozialprodukt C + Ig der Periode wird ge- kauft von Ro -f- Κ -f- (E - Rx). Aus seiner Herstellung ist Ε entstanden. Es gilt also:

RQ+K+(E-R1) = E = C+I. Hieraus ergibt sich:

R±= Ro-{- K.

Das bedeutet : insoweit, als Κ nicht in der Periode selbst wieder durch zu- sätzliche Sparakte aus dem erhöhten Einkommen getilgt wurde, schlägt es sich in einer Erhöhung von Rx gegenüber Ro nieder. Die Differenz R± - Ro ist nun nichts anderes als ungewollte Ersparnis der Einkommensbezieher, zu deren Gunsten sich das erhöhte Rx angesammelt hat1).

Der Investition der Periode Ig steht gewollte Ersparnis, die aus Ro und (E - Rx) vorgenommen wurde, und ungewollte Ersparnis in Hohe von R± - -ß0 = Κ gegenüber. Es gilt :

S = E -G = I = Ig = Sg+ Su [= (£„+ (JB - ÄJ ~C)+(R1-E0)].

Wenn man das Bindeglied Su= Rx - Ro hereinnimmt, besteht also auch in der einkommenstheoretischen Terminologie, obwohl ,,die Investition die (gewollte) Ersparnis übersteigt", eine Übereinstimmung beider.

Muß nun Su in einer expandierenden Wirtschaft auftreten ? Wäre es nicht auch möglich, daß die Zusatzinvestition sofort aus laufender Ersparnis voll finanziert wird ? In einer Robertson sehen Elementarperiode geht dies offenbar nicht. Das Zusatzeinkommen ist hier ganz in Rx enthalten, so daß kein Sg daraus vorgenommen werden kann. Eine zusätzliche Investi- tion könnte nur aus R0 = E0 durch gewollte Ersparnis finanziert werden, also auf Kosten des Konsums, und damit wäre keine Expansion mehr ge- geben. Aber auch für lange Perioden gilt das eben Festgestellte immer zu einem gewissen Grade, weil in denjenigen Elementarperioden, in denen eine gewisse Menge Κ einströmt, der Abgrenzungsposten am Ende gegenüber demjenigen am Anfang um diesen Betrag großer ist und die Differenz fort- gewälzt wird. Das zeitliche Auseinanderfallen der Einkommensentstehung und -Verwendung macht es unvermeidlich, daß in einer expandierenden

x) Dies kommt klar in einem Satz von L e r η e r , der von den nicht-K e y - η e s sehen Terminologien an sich nicht viel hält, zum Ausdruck: . . . ,,what is included in the saving of an individual, apart from the saving that he has used to buy assets other than money, is the excess of the money he holds at the end of a period over the money he had at the beginning." (Abba P. Lerner, Saving Equals Investment, Quarterly Journal of Economics, Februar 1938, abgedruckt in The New Economics, herausgegeben von Seymour E. Harris, New York 1947, S. 624.)

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Wirtschaft ungewollte Ersparnis, und zwar in Höhe des in der gesamten Periode eingeströmten Zusatzkredits, gebildet wird. Nur dann könnte im ganzen Ig von Sg finanziert werden, wenn in Höhe der Differenz 2^ - Ro eine zusätzliche Finanzierung aus Ro, also auf Kosten des Konsums er- folgen würde, womit die Expansion aufgehoben wäre. Diese Feststellung darf aber nun nicht mißverstanden werden: nicht die Zusatzinvestition der gesamten Periode, die ein Vielfaches von Κ = Su betragen kann, wird durch ungewollte Ersparnis finanziert, sondern nur diejenige im einmaligen Betrag von K, um die die Geamtinvestition der Elementarperiode am Schluß gegenüber derjenigen am Anfang gestiegen ist.

Wenn die Empfänger der Zusatzeinkommen überhaupt kein zusätz- liches S g daraus bilden, so bleibt allerdings die Zusatzinvestition auf den Betrag von Κ beschränkt. Doch ist sowohl dieser Fall als auch der andere, in dem jedes Zusatzeinkommen, sobald es verfügbar geworden ist, in vol- lem Umfang gespart wird, irreal. Beide sind extreme Grenzfälle. In der Kealität wird stets ein Teil gespart und der Kest konsumiert, wobei der Anteil der Ersparnis desto größer ist, je höher das Gesamteinkommen liegt.

Wird nach einer Zusatzinvestition, die zu einem entsprechenden Zu- satzeinkommen geführt hat, von der nächsten Elementarperiode ab die weitere Zusatzinvestition je Elementarperiode soweit beschränkt, daß sie mit Hilfe der aus dem Zusatzeinkommen gebildeten Zusatzersparnis finan- ziert werden kann, so hört die Expansion auf, das Einkommen je Elemen- tarperiode bleibt unverändert, es entsteht keine weitere ungewollte Er- sparnis mehr. Wird dagegen die Zusatzinvestition je Elementarperiode auf einem anderen Niveau konstant weitergeführt, so entstehen Multiplikator- prozesse, während deren Ablauf neue Zusatzkredite (zur Finanzierung des nicht durch Zusatzersparnis gedeckten Teils der Zusatzinvestition) bzw. Kückzahlungen früher in Anspruch genommener Zusatzkredite (aus den Überschüssen der Zusatzersparnis gegenüber der aufrecht erhaltenen Zu- satzinvestition) auftreten. Diese Prozesse dauern so lange, bis Su = Κ so- weit gestiegen bzw, gefallen ist, daß in den folgenden Elementarperioden mit Hilfe der daraus gebildeten Zusatzersparnis die konstante Zusatzinve- stition gerade finanziert werden kann. Zwei besonders ausgezeichnete Fälle aus der Fülle der möglichen ergeben sich, wenn die erstmalig vorgenom- mene Zusatzinvestition in den weiteren Elementarperioden aufrecht er- halten bleibt, und wenn nur in einer einzigen Elementarperiode eine Zusatz- investition vorgenommen und in den folgenden wieder auf das alte Niveau zurückgegangen wird. Im zweiten Fall ist nach Ablauf des Prozesses der ursprüngliche Zusatzkredit durch das laufend gebildete Sg abgetragen, so daß kein Su mehr vorhanden ist, wenn man jetzt die Gesamtperiode zu Ende gehen läßt. (Das rührt daher, daß der ursprünglichen Expansion eine Kontraktion gefolgt ist.) Bis der Multiplikatorprozeß zu Ende ist, müssen theoretisch unendlich viele, praktisch (für eine annähernde Erschöpfung) immerhin eine gewisse Anzahl von Kreisläufen der Einkommenserzeugung und -Verwendung vollendet sein1).

*) Daß also die Multiplikatorwirkung nicht herangezogen werden kann zum Beweis der Übereinstimmung von Investition und Ersparnis (im traditionellen

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276 Heinz Haller

Wenn in einer expandierenden Wirtschaft mit Hilfe zusätzlich ein- strömender Kaufkraft Zusatzinvestitionen durchgeführt werden, denen im Umfang von Κ ungewollte Ersparnis gegenübersteht, fehlt in eben diesem Umfang in einem gewissen Sinne der endgültige Sparer. Irgend jemand wird dafür „hingehalten". Nun darf dies aber nicht falsch aufgefaßt werden, als ob hier eine Art Schwindel beteiligt sei. Im Umfang der Vergrößerung des Reehnungsabgrenzungspostens ist ja auch ein vergrößertes Sozialprodukt vorhanden, allerdings nicht, d. h. nur zum Teil, in der Form, wie es die Geld- besitzer wünschen. In der ganzen Höhe des Zuwachses sind Produktions- mittel vorhanden, während die Geldbesitzer vorwiegend Konsumgüter ha- ben möchten. Diese können sie sich auch bei der Einkommensverwendung im gewünschten Umfang verschaffen, wenn wir annehmen, daß für die Konsumgüterproduktion genügend Produktionsreserven vorhanden sind. Durch die Verausgabung der ungewollten Ersparnis für Konsumgüter schaffen sie die zu ihrer Befriedigung notwendige Produktion1). Diejenigen,

Sinn verstanden) in einer zu beliebigem Zeitpunkt endenden Wirt- schaftsperiode, leuchtet ein. (Vgl. Haberlers Kritik an JoanRobin· son, a.a.O., S. 170 f.)

x) Man kann natürlich auch die Annahme machen, daß die Konsumgüter- produktion, zumindest vorläufig, nicht erhöht werden kann und die Verwendung der Zusatzeinkommen lediglich zu Preissteigerungen und entsprechenden Sonder- gewinnen der Konsumgüter produzen ten führt. Unter dieser Annahme erörtert Preiser die In vestitions- Ersparnis-Relation (Erich Preiser, Sparen und Investieren, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 159 (1944), S. 263, 267 f., 291, 302 f. -Preiser behandelt in diesem Aufsatz den Zusam- menhang von Sparen und Investieren in umfassender Weise - siehe ferner seine Ausführungen in: Geldschöpfung oder Sparen? Jahrbücher für Nationalökono- mie und Statistik, Bd. 162 (1950), S. 253, 256.) Bei ihm treten die sich durch Zusatz- investitionen bildenden Zusatzeinkommen als Unternehmergewinne (Q) der Kon- sumgüterproduzenten auf (wie bei Κ e y n e s im „Treatise on Money"). Dieser Tall ist natürlich möglich, sein Eintreten ist jedoch unwahrscheinlich, wenn bei den Investitionsgütern eine Produktionsausweitung ohne Preiserhöhung vorge- nommen werden kann. Es ist anzunehmen, daß wenn die Investitionsgüterindu- strie auf eine Nachfrageerhöhung mit Produktionserhöhung reagieren kann, dies auch für die Konsumgüterindustrie möglich ist, obschon zugegeben werden muß, daß die Produktionsreserven hier normalerweise nicht ganz so groß sein werden als dort, weil in Depressionszeiten die Konsumgüterproduktion nicht so darnieder- liegt, wie die der Produktionsgüter. Soweit die Produktion zu den bisherigen Kosten erhöht werden kann, wird jedenfalls genau so wenig eine Preissteigerung eintreten, die zu Sondergewinnen führt, wie bei den Produktionsgütern. Daß die Konsumgüterindustrie zuerst Investitionen vornehmen muß, bevor sie die Pro- duktion erhöht, wie Ρ r e i s e r annimmt, wird normalerweise nur in ziemlich be- grenztem Umfang zu erwarten sein, solange die Investitionsgüterproduktion ohne weiteres ausgedehnt werden kann, nämlich insoweit, als eine Erhöhung der Lager- bestände bei verbreiterter Produktion notwendig ist. Man darf im wesentlichen annehmen, daß in beiden Sektoren die Situation etwa gleich ist und daß die Pro- duktion sich an die vermehrte Nachfrage elastisch anpaßt. (Nur bei landwirt- schaftlich erzeugten Rohstoffen besteht eine gewisse Ausnahme, ferner ist mit gewissen Verzögerungen zu rechnen.) Wenn die Zusatzeinkommen sich in Q ver- wandeln, so geschieht dies erst in der folgenden Elementar période. Läßt man die betrachtete Periode früher zu Ende gehen, so bildet nicht Q, sondern Su der „Produktionsfaktoren" den Gegenposten zum zusätzlichen /. Die generelle For- mulierung muß es also offen lassen, ob und inwieweit 8u aus noch nicht verwende-

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Sparen und Investieren 277

die Rx - Ro(= Su = K) verdient und noch nicht ausgegeben haben, sind die jeweiligen Financiers der Zusatzinvestition in Hohe dieses Betrags. Wenn die Zusatzinvestition je Elementarperiode konstant ist, so wird sie erst nach Ablauf des Multiplikatorprozesses voll mit Hilfe von zusätzlichem Sg finanziert, so daß keine zusätzliche Kaufkraft mehr nötig ist, um die Investition aufrecht zu erhalten1). Bei demjenigen Sonderfall eines Multi- plikatorprozesses, wo nur in einer einzigen Elementarperiode eine Zusatz- investition vorgenommen wird, in den folgenden aber wieder unterbleibt, deckt sich nach Ablauf des Prozesses für die Gesamtperiode die Zusatz- investition mit der gewollten Zusatzersparnis, es ist niemand mehr vor- handen, der einen Teil der Zusatzinvestition mit Su finanziert2). Dieses Ergebnis stellt sich aber nur ein, weil sich an den Expansionsschritt ein kontrahierender Multiplikatorprozeß anschließt.

Sind für die Expansion nur beschränkte Produktionsreserven vorhan- den, so daß sie sich zum Teil in einer Preissteigerung auswirken wird (und zwar für Produktions- und Konsumgüter in ähnlichem Umfang), so gilt das für den eben betrachteten Fall Gesagte durchaus in gleicher Weise. Auch hier stehen der Zusatzinvestition, soweit sie gelingt, noch nicht ausgegebene Zusatzeinkommen, also SUf in dem Umfang gegenüber, als nicht zusätzlich gewollte Ersparnis (Sg) gebildet wird. Soweit die Zusatzeinkommen auf die Preisaufblähung zurückzuführen sind, steht ihnen allerdings kein ver- größertes Sozialprodukt gegenüber. Einem Teil der Differenz (R1 - Ro) entspricht also kein I. Wir sehen, daß zwar stets demjenigen Teil von /, der nicht durch Sg gedeckt ist, ein Su gegenübersteht, daß man aber nicht um- gekehrt behaupten kann, jedem Su entspreche auch ein gleich hoher Betrag von /. Im Grenzfall der reinen Preisinflation, wo keinerlei Produktions- reserven vorhanden sind, kann eine Zusatzinvestition nur für ganz kurze Zeit gelingen. Auch hier finanzieren diejenigen, die erhöhte Einkommen er- zielen, ohne sie im Augenblick zu verwenden, die Zusatzinvestition, soweit

tem Einkommen, das aus produktiver Tätigkeit entstanden ist, oder aus Sonder- gewinnen besteht.

l) Hansen spricht davon, daß dann das „actual saving zum „normal saving", die „actual consumption" zur „normal consumption" geworden seien, während sie vor Beendigung des Multiplikatorprozesses auseinanderklafften (a. a. O., S. 162 f., vgl. auch Hansen, Monetary Theory and Fiscal Policy, New York-Toronto-London 1949, S. 225). Diese Ausdrucksweise paßt nur für die einzelnen Elementarperioden bei Aufrechterhaltung der Zusatzinvestition je Elementarperiode in der erstmaligen Höhe. Für die Gesamtperiode, in die der Multiplikatorprozeß fällt, ist das „actual saving" um Su größer als das „normal" oder „desired" saving. Wenn unmittelbar nach einer Elementarperiode mit Kre- ditausweitung die Zusatzinvestition auf das aus dem Zusatzeinkommen gebildete zusätzliche Sg reduziert wird, so ist schon in dieser Elementarperiode eine Über- einstimmung von „actual" und „normal" saving gegeben. Beim Fortschreiten des Multiplikatorprozesses können in jeder Elementarperiode diejenigen, die an ihrem Anfang ungewollte Ersparnis in Händen hatten, sowohl ihre consumption, als auch ihr saving auf den gewünschten Stand bringen, gleichzeitig entsteht aber ein höheres „actual" saving durch das in Höhe des neuen Zusatzkredits sich bildende zusätzliche Su.

2) Hier kann man in der Hansen sehen Ausdrucksweise sagen, daß für die gesamte Periode das „actual" saving dem „normal" saving gleich sei.

Finanzarchiv. N.F. 13. Heft 2. 19

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Page 14: Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischem Aspekt

278 Heinz Haller

nicht erhöhtes Sg vorliegt. Durch den hier notwendigerweise im Umfang der Investitionssteigerung zurückgehenden Konsum wird der Gegenposten gesparten oder noch nicht verwendeten Einkommens entsprechend erhöht. Wer den Konsumverzicht schließlich auf sich nehmen muß, soll hier nicht untersucht werden.

Vollzieht sich die Expansion so, daß zunächst zusätzlicher Kredit für Konsumzwecke verwendet wird, so stehen auch hier der zusätzlichen In- vestition, die mit der Zeit durch den vergrößerten Konsum induziert wird, zum Teil zusätzliches Sg aus dem vergrößerten E, zum Teil die Differenz zwischen R± und Ro gegenüber. Wenn die Zusatzeinkommen, die aus den mit Hilfe der ursprünglichen Zusatzkredite vorgenommenen Konsumgüter- käufen entstanden sind, nicht wieder in vollem Umfang für Konsumzwecke ausgegeben werden, so ist eventuell die Finanzierung der (zumindest durch die Erhöhung der Lagerbestände bei einer Verbreiterung des Produktions- stroms der Konsumgüter notwendigen) Zusatzinvestition aus Sg möglich. Der Differenz Rx - Ro steht dann keine Investition gegenüber.

Schließlich ist noch die Möglichkeit zu erwähnen, daß in dem eben be- trachteten Fall und in dem der Investitionsexpansion die vermehrte Kon- sumnachfrage zunächst zu einem Lagerabbau bei den Konsumgütern führt, weil bei Fertigungen, die längere Zeit beanspruchen von der Eohstoff stufe bis zum Endprodukt, die vermehrte Nachfrage nicht sofort durch höheren Ausstoß befriedigt werden kann und die Unternehmer auch nicht durch Preiserhöhung reagieren. In einem gewissen Umfang ist mit einem solchen Produktion s-time-lag zu rechnen. Es kann zu Desinvestitionen kommen, die die Expansion in entsprechendem Umfang kompensieren. Dem Über- schuß der gewollten Investition über die gewollte Ersparnis steht im Um- fang der Desinvestition nicht ungewollte Ersparnis gegenüber, sondern eben die Desinvestition. Auch in der einkommenstheoretischen Ausdrucks- weise decken sich also Ersparnis und Investition. Die durch die Desinvesti- tion freiwerdenden Gelder werden entweder denjenigen zur Verfügung ge- stellt, die die gewollte Investition durchführen oder „brachgelegt", wo- durch die Zusatzkredite in entsprechendem Umfang kompensiert werden. Bezeichnen wir die (ungewollte) Desinvestition mit - Iu, so können wir generell formulieren:

Ig Iu = I = Sg + Su.

c) Kontraktion. In der betrachteten langen Periode wird aus dem verfügbaren Einkommen ein Betrag Sgh an irgendwelchen Stellen ge- hortet. Die Hortung wird zu einem (mit der Länge der Periode kleiner wer- denden) Teil aus RQ, im übrigen aus Ε - R± vorgenommen. Insgesamt wer- den in der Periode ausgegeben : Ro + (E - RJ - Sgk, so daß gilt :

1^+ (E - R1)-8gh = Ε = C + I.

Rx ist um Sgh kleiner als Ro, eben durch die Stillegung dieses Betrags. Analog zum Expansionsfall können wir sagen: soweit - bei gleichbleiben- dem Konsum - der Investitionsminderung nicht eine verminderte Erspar- nis infolge Einkommensreduktion gegenübersteht, ist eine Differenz RQ - R±

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Sparen und Investieren 279

gegeben. Die Gesamtinvestition ist kleiner als die Gesamtersparnis um diesen Betrag der Hortung. Nun kann man aber auch sagen: die Einkom- mensreduktion durch den Investitionsausfall führt pari passu zu einer nega- tiven ungewollten Ersparnis (wie im Expansionsfall die Zusatzinvestition zu einem positiven Su führt, ehe sich vermehrte ge wollte Ersparnis bilden kann). Wenn das reduzierte Einkommen ausgegeben wird, kann die ge- wollte Ersparnis der beschränkten Investition gerade entsprechen, es kann aber auch in den folgenden Elementarperioden eine Inkongruenz zwischen diesen beiden Größen vorliegen, also neue gehortete Ersparnis auftreten, die im gleichen Umfang zu negativem Su führt, oder Verwendung früher stillgelegter Mittel vorkommen. Es wird hier angenommen, daß die Unter- nehmungen sich in jeder Elementarperiode mit Hortung unverzüglich durch Produktionseinschränkung an die verminderte Nachfrage anpassen (so wie im Expansionsfall der vermehrten Nachfrage sofort eine erhöhte Produktion entspricht).

Wird nach einem Investitionsausfall, der zu einer Einkommensreduk- tion im gleichen Umfang geführt hat, von der nächsten Elementarperiode ab ein konstantes Investitionsniveau beibehalten, das von demjenigen ab- weicht, das sich auf Grund der jetzt gegebenen gewollten Ersparnis ermög- lichen ließe, so entwickeln sich wieder Multiplikatorprozesse. Hier sind nun auch zwei ausgezeichnete Fälle zu nennen: Derjenige, wo das Investitions- niveau auf dem Stand, den es nach dem ersten Investitionsausfall erreicht hat, beibehalten wird, und wo so lange immer wieder neue Hortungen vor- kommen, bis schließlich das Einkommen je Elementarperiode so weit ge- sunken ist, daß gewollte Ersparnis und gewollte Investition für jede solche Periode sich wieder decken. Der andere liegt vor, wenn das Investitions- niveau nach dem einmaligen Ausfall wieder auf den alten Stand gebracht wird. Hier ist am Ende des Prozesses die ursprüngliche Stillegung von Kauf- kraft durch immer kleiner werdende Zusatzkredite (Wiedermobilisierungen) je Teilperiode kompensiert. Die zu der laufenden Ersparnis je Elementar- periode hinzukommenden ,, Kaufkrafteinspritzungen" sind notwendig, weil infolge des gesunkenen Einkommens die Ersparnis nicht zur Aufrecht- erhaltung des ursprünglich gegebenen Investitionsniveaus ausreicht. Wenn die betrachtete Gesamtperiode früher aufhört, so ist in irgendeinem Um- fang noch eine Differenz Ro - Rx vorhanden, die gehortete Ersparnis gleich negative ungewollte Ersparnis darstellt. Nach Beendigung des Pro- zesses ist dies nicht mehr der Fall.

Unter der Annahme sofortiger Reaktionsfähigkeit der Unternehmun- gen steht also jeder Investitionsminderung, der keine Verkleinerung der gewollten Ersparnis entspricht, eine negative ungewollte Ersparnis in Hohe der Hortung gegenüber. Wenn wir diesen Posten berücksichtigen, so gilt auch hier im einkommenstheoretischen Sinn, daß die Ersparnis der Investi- tion entspricht. Es ist:

Ogi = Og bgk = lg. Es ist nun aber auch möglich, daß die Unternehmungen auf Nach-

fragerückgänge infolge Hortung nicht sofort mit Produktionseinschrän- kung reagieren. Am Ende einer Elementarperiode mit Hortung verbleibt

10*

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280 HeinzHaller

ihnen dann, wie wir in Abschnitt I schon sahen, ein Bestand nicht abgesetz- ter Produkte in Höhe des ausgefallenen Betrags. Dieser Bestand stellt eine ungewollte Investition dar. Er muß mit Bankkrediten, genauer: durch das Unterlassen der Kückzahlung von Betriebskrediten, finanziert werden. In der nächsten Elementarperiode werden nun die Unternehmer die Pro- duktion auf das neue Niveau des Absatzes drosseln. Das Einkommen wird sich entsprechend vermindern. Aus der Vorperiode ist aber noch das unge- schmälerte Einkommen vorhanden. Wenn nun keine Hortung mehr vor- kommt, so werden die in der Vorperiode entstandenen Ladenhüter diesmal abgesetzt. Am Ende der zweiten Elementarperiode hat sich dann die Hor- tung als Einkommensminderung ausgewirkt, es ist negative ungewollte Er- sparnis im Betrag der Hortung entstanden. Wird auch in der zweiten Teil- periode der gleiche Betrag wie in der ersten gehortet, so bleibt die unfrei- willige Investition bestehen und dem Gesamtbetrag der Hortung am Ende der zweiten Periode steht zur Hälfte diese, zur Hälfte das negative Su, das gleich Ro - Rx ist, gegenüber. Es kann natürlich auch eine kleinere Menge gehortet werden in der zweiten Periode, wodurch sich der Bestand der Ladenhüter reduziert, oder eine größere, was diesen Bestand erhöht. Im letzten Fall wäre eine neue Einkommensreduktion in der nächsten Elemen- tarperiode die Folge. In einer beliebig langen Periode stehen dem Gesamt- betrag der Hortung in irgendeiner Zusammensetzung ungewollte Investi- tion und negative ungewollte Ersparnis gegenüber. Für die Finanzierung der ungewollten Investition werden im gleichen Umfang Mittel in Anspruch genommen, wie sie durch die Hortung stillgelegt werden. Wir können daher in der Gesamtrechnung die unfreiwillige Investition und die ihr entspre- chenden Hortungsbeträge weglassen, wodurch wir auf dasselbe Ergebnis kommen wie im zuerst besprochenen Fall mit sofortiger Unternehmer- reaktion.

Nun gibt es noch die dritte Möglichkeit, daß die Unternehmer zwar die Produktion dem Nachfragerückgang nicht sofort anpassen, daß sie aber auch keine Ladenhüter entstehen lassen, sondern jeden sich ansammelnden Bestand unverkauft gebliebener Produkte durch Preissenkungen abzu- stoßen suchen. Wenn ihnen dies gelingen soll, so müssen sie insgesamt auf Einnahmen in Höhe des gehorteten Betrags verzichten, sie erleiden also in dieser Höhe einen Verlust. Zur Verlustdeckung müssen sie genau so Bank- kredit in Anspruch nehmen wie zur Finanzierung von Ladenhütern. In den- jenigen Elementarperioden, in denen die Verluste eintreten, entsteht keine Einkommensminderung bei den Produktionsfaktoren, keine Differenz der Ä-Posten. In den nachfolgenden, wo die Produktion angepaßt wird, ist dies jedoch der Fall. Zum Teil stehen in der Gesamtperiode der Hortung die Verluste der Unternehmungen, zum Teil das negative Su der Einkommens- bezieher gegenüber. Wenn wir die Kreditinanspruchnahme zur Verlust- deckung mit der gehorteten Ersparnis aufrechnen, so liegt insoweit keine Kontraktion im Sinne der Geldstillegung vor (sondern lediglich eine Ver- mögensverschiebung zwischen den Produktionsmittelproduzenten und den Investoren). Wir können daher die Verluste unberücksichtigt lassen und kommen dann wieder zu demselben Ergebnis wie unter der ersten Annahme.

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Page 17: Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischem Aspekt

Sparen und Investieren 281

III.

Die Zusammenhänge, die wir nun für den Expansions- und Kontrak- tionsfall der Wirtschaft festgestellt haben, lassen sich noch durchsichtiger machen, wenn man beliebig lange Wirtschaftsperioden in die einzelnen Elementarperioden aufspaltet, die Vorgänge in diesen verfolgt und sie dann auf summiert zum Ergebnis der Gesamtperiode. Auf diese Weise ergibt sich auch unmittelbar der Anschluß der Gesamtbetrachtung an die Robert- son sehe Elementarperiodenbetrachtung. Die erste Teilperiode wird bei beliebigem Beginn der betrachteten Gesamtperiode eine Rest-Elementar- periode sein, die letzte bei beliebiger Beendigung eine unvollendete. Wir erhalten für die Expansion und Kontraktion folgendes Ergebnis :

a) Expansion. Am Beginn der ersten (Rest-)Elementarperiode ist ein Rechnungsabgrenzungsposten Ro vorhanden, der aus dem noch nicht verausgabten Geldeinkommen der Vorperiode Ao und dem im bisherigen Verlauf der ersten Elementarperiode angesammelten verdienten, aber noch nicht ausbezahlten Einkommen Go besteht. Bis zum Ende der Restperiode soll außer Ro - Go = Ao zusätzlich einströmende Kaufkraft im Betrag von Kx ausgegeben werden, letztere für Investition. Gekauft wird dafür das Sozialprodukt der Restperiode Cx + Iv Das neugeschaffene Einkom- men ist Ev es ist in Rt enthalten und beträgt i^ - Go. Es gilt also :

^o - ^o + %i = @i + h = Ei - Ri - ^o· Zu Beginn der Elementarperiode 2 ist nicht ausgegebenes Geldeinkommen in Hohe von R1 vorhanden, das um Kx größer ist als Ro. Der mit Hilfe von Kx erfolgten Investition steht ein Su in gleichem Umfang gegenüber, da ja das Zusatzeinkommen in der Periode nicht ausgegeben werden konnte. Rx = Av da sich Go inzwischen ganz in verfügbares Einkommen verwan- delt hat1). Während der Elementarperiode 2 sollen zusätzliche Geldmittel K2 für weitere Zusatzinvestitionen einströmen. Es ergibt sich dann, wenn wir die einzelnen Großen mit dem Index 2 versehen :

Ri + K2 = C2 + I2 = E% = R2. Ein Teil von 72 wird aus Sffi2, der Rest aus K2 gekauft, das zu SU2 wird. Das in Ri steckende Zusatzeinkommen der Elementarperiode 1 in Hohe von Kv das bisher ungewollte Ersparnis war, wird jetzt in irgendeinem Verhältnis für Konsum und Investition ausgegeben, ein Teil mag auch zur Schulden- rückzahlung an die Banken verwendet werden, wodurch sich K2 entspre- chend verkleinert. Die Entwicklung setzt sich nun für die weiteren Elemen- tarperioden in der beschriebenen Weise fort. Am Schluß steht eine unvoll- endete Elementarperiode n, an deren Anfang JRW_1 vorhanden ist. In ihrem Verlauf wird Rn-1 - An aus dem Einkommen und dazu Kn ausgegeben für Cn + In. Es gilt somit:

Rn_1-An+ Kn = Cn+ In = En= Rn - An. *) Wir vereinfachen also insoweit, als wir einheitliche Einkommenszahlungs-

termine für die gesamte Wirtschaft annehmen. Das Ergebnis kann trotzdem un- mittelbar auf die wirkliche Wirtschaft angewendet werden.

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282 HeinzHaller

Von dem am Schluß vorhandenen Abgrenzungsposten ist An in noch nicht ausgegebenem Geldeinkommen vorhanden. Um den nicht ausgegebenen Betrag ist En kleiner als Rn.

Stellen wir die Investition dem von ihr erzeugten Einkommen und dem für sie ausgegebenen Geldbetrag gegenüber, so ergibt sich für die ein- zelnen Elementarperioden und für die Gesamtperiode:

I, =Et - C, = Ro -Go + K, - Cx -*2 :==z -^2

^2 ==

-"Ί ι "■%

^2

^3 - ^3 ^3 - ^2 ~l· ^3 ^3

In = En - Cn = Rn _x - An -f- Kn - @n η η η η - 1 η η

2h =ΣΕ* -Σ0* =2Ri -G° - Α« +ΣΚ* -2e*· i=l i=l i=J i=0 i=l i=l

η - 1 η η η

Nun ist 2^ =2«i - (Rn - Ro) oder, da^i =2Ä< + ^o + ^ i=Q i=l i=l i=*l

η

= ̂ 2ÀEi-{Rn-R,)+GQ+ An. i=l

Wir erhalten also, wenn wir das Summenzeichen, das überall für dasselbe Intervall gilt, weglassen:

1 = E - C = E - (Rn-R0) + K - C.

Hieraus ergibt sich, daß Κ = Rn - Ro.

Für die Gesamtperiode, an deren Ende Rn als Rechnungsabgrenzungs- posten steht, ist Κ über die laufende Ersparnis hinaus für / ausgegeben worden. Dieser Betrag schlägt sich in der Vergrößerung des Abgrenzungs- postens nieder1), in seiner Hohe ist also am Schluß ein Su vorhanden. Ε - (Rn - Ro) ist das in der Gesamtperiode ausgegebene Einkommen. Dieser Betrag ist selbstverständlich größer als er im Gleichgewichtsfall wäre, wo Ε sich nicht durch das Einfließen von Κ vergrößert hätte, son- dern so groß geblieben wäre wie in einer gleich langen Vorperiode. Außer den Zusatzinvestitionen, die sich in jeder Elementarperiode aus den zu- sätzlich einfließenden Mitteln ergeben, treten jeweils noch solche auf, die mit Hilfe der aus dem Zusatzeinkommen vorgenommenen ge wollten Zusatz- ersparnisse fin anziert werden, wenn wir von dem in der Realität nicht vor- kommenden Grenzfall absehen, in dem alle Zusatzeinkommen für den

η Vgl. Binder, a. a. O., S. 56.

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Sparen und Investieren 283

Konsum ausgegeben werden1). Insoweit wird also die Zusatzinvestition aus der ,, lauf enden* '

ge wollten Ersparnis finanziert. Der uns interessierende restliche Teil der Zusatzinvestition ist mit Κ gekauftem seiner Hohe ist am Ende der Eechnungsabgrenzungsposten gewachsen oder, was dasselbe ist, es ist ungewollte Ersparnis gebildet. Es ist durchaus möglich, daß ein Teil der Zusatzmittel durch spätere gehortete Ersparnis wieder abgebaut wird. Dann geben die einzelnen Z-Posten nur Salden an, den Zusatzkrediten oder Kaufkraftmobilisierungen je Elementarperiode stehen in bestimmtem Um- fang Stillegungen gegenüber, die aber in unserem Beispiel jeweils kleiner sind als diese.

b) Kontraktion. Hier erhalten wir bei gleicher Betrachtungs- weise analoge Ergebnisse.

In der ersten (Rest-)Elementarperiode wird ein Betrag gehortet, den wir aus Symmetriegründen mit ( - ) Kx bezeichnen wollen. Die Ausgaben betragen also Ro - Go - Kx und wir können schreiben :

^o - ^o - K1 = C1-'- Ix = Ελ - Rx - Go. Wir nehmen an, daß die Hortung durch sofortige Anpassung der Unter- nehmer paripassu zu einer Einkommensreduktion führt. Für die Elementar- periode 2 gilt:

R' - K2 = C2 -f- I2 = E% = R2, für die übrigen Elementarperioden ergeben sich analoge Gleichungen bis (n-1), bei der nten müssen wir von Rn^ und Rn wieder An absetzen, das am Ende dieser Periode noch nicht ausgegeben ist.

Für η Elementarperioden und die Gesamtperiode erhalten wir so wie- der, wenn wir die Investition einmal von der einkommenschaffenden und einmal von der ausgaben verursachenden Seite her betrachten:

Ix = E, - C, = Ro -ff0 -Kx -Cx 1% = ^2

- ^2 = ^1 ^2 ^2

i3 = E3 Cs - R2 a3 C3

2*« =|£i -2Ci =2Ri - G° - A" ~2Ki ~2Ci- i=l i=l i=l i=0 i=2 i=l

In gleicher Weise wie im Expansionsbeispiel ergibt sich hieraus : / = Ε - C = Ε - (Rn - Ro) - Κ - C.

Da Ro > Rn, ist Rn - Ro negativ. Dem negativen Κ entspricht 2) also eine Schrumpfung des kaufkraftmäßigen Abgrenzungspostens. Die Investi- tionsausfälle - gegenüber der Gleichgewichtssituation - während der ge-

x) In der Periode 2 wird aus dem in Ex enthaltenen Zusatzeinkommen in Höhe von K1 eine Zusatzinvestition J2 {Κ^ vorgenommen, in Periode 3 aus dem in Ε 2 enthaltenen (Κλ + K2) eine solche von 73 {K^l + Kj usf.

2) Vgl. Binder, a.a.O., S. 57.

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Page 20: Sparen und Investieren unter einkommensanalytischem und einkommenstheoretischem Aspekt

284 HeinzHaller

samten Periode sind wieder viel größer als K, da aus den reduzierten Ein- kommen der einzelnen Elementarperioden entsprechend weniger gespart und investiert wurde. Den Stillegungen können Zusatzkredite oder Mobili- sierungen gegenüberstellen, so daß die K- Werte, soweit sie (wie in unserem Beispiel für jede Teilperiode) negativ sind, die Überschüsse der Stillegung darstellen. Die Einkommensminderung, die unmittelbar durch die Hortung entsteht in Hohe von K, stellt zugleich eine negative ungewollte Ersparnis dar. Setzt man diese von der gewollten Ersparnis ab, so verbleibt eine Er- sparnisgröße, die der gewollten Investition gleich ist.

In dem Fall, wo infolge verlangsamter Keaktion der Unternehmungen sich zunächst ungewollte Investitionen ergeben und erst im weiteren Ver- lauf Produktions- und Einkommensreduktion eintreten, vermindert sich Κ = Ro - Rn um den Betrag des sich während der Gesamtperiode an- sammelnden Iu. In der zweiten Elementarperiode erfolgt eine Einkom- mensreduktion in Höhe von Kv in der dritten um K2 usf., in der nten schließlich um Kn-V Im ganzen entsteht so eine negative ungewollte Er- sparnis in Hohe von Κ x + K2 -f- . . . +l£w-i = Κ - Kn. In diesem Umfang steht also der Hortung ein durch die Einkommensreduktion herbeigeführ- tes negatives Su gegenüber. Der in der nten Elementarperiode gehortete Betrag Kn führt zu ungewollter Investition in derselben Hohe, die also in- soweit den Gegenposten zur Hortung bildet. Dieser Verlauf ergibt sich, wenn die Unternehmungen die Produktion einer Teilperiode immer um den Betrag der ungewollten Investition der Vorperiode reduzieren. Sie können sich natürlich auch anders verhalten und eine geringere oder größere Ke- duktion vornehmen. Dementsprechend wird die ungewollte Investition größer oder kleiner sein als der Hortungsbetrag der letzten Elementar- periode. Im Grenzfall der vollen Antizipation der in der folgenden Teil- periode eintretenden Hortung durch die Unternehmungen ergibt sich am Schluß überhaupt keine ungewollte Investition. Gleichgültig, wie groß der Posten der ungewollten Investition ist, der Sg^ gegenüber steht, in seinem Umfang kann man sagen, daß keine Kontraktion im eigentlichen Sinne vorliegt, da der Ausfall von Kaufkraft kompensiert ist durch die Inan- spruchnahme eines entsprechenden Kreditbetrags zur Finanzierung der überhöhten Lagerbestände. Rechnet man diese Kreditinanspruchnahme mit der Hortung auf, so reduziert sich das Ergebnis auf das im oben be- trachteten Fall festgestellte.

Das gleiche gilt schließlich für den Fall, daß die Unternehmungen jeden überhöhten Lagerbestand sofort durch Preissenkungen abstoßen und damit Verluste in Höhe der gehorteten Ersparnis auf sich nehmen. Im gleichen Umfang, in dem im eben betrachteten Beispiel der gehorteten Ersparnis ein Iu gegenüber stand, ergibt sich hier als Gegenposten ein Ver- lust der Unternehmungen, der mit Hilfe von zusätzlichen Krediten ge- deckt werden muß. Insoweit ist also keine eigentliche Kontraktion gegeben. Soweit eine Einkommensreduktion der Produktionsfaktoren infolge Pro- duktionseinschränkung folgt, steht der gehorteten Ersparnis ein negatives Su der Produktionsfaktoren gegenüber. Wenn die Unternehmungen selbst Ersparnisse ansammeln in Form nicht verteilten Gewinns, so brauchen

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Sparen und Investieren 285

zur Verlustdeckung u. U. keine Kredite in Anspruch genommen zu werden. Es kommt dann zu Wiedermobilisierungen. Es steht der gehorteten Er- sparnis somit immer ein negatives Su gegenüber, soweit nicht zusätzliche Kreditinanspruchnahme oder Wieder mobilisierungen erfolgen. Eine Ein- kommensreduktion ergibt sich hier stets (in Geld gemessen) im vollen Um- fang der gehorteten Ersparnis entweder bei den Unternehmungen oder den Produktionsfaktoren.

IV.

Mit Hilfe der von uns verwendeten Zusatzbegriffe kann der Übergang hergestellt werden von der einkommenstheoretischen Betrachtung zur ein- kommensanalytischen und es kann gezeigt werden, wie für beliebig lange Perioden von einer Inkongruenz von Sparen und Investieren gesprochen werden kann und wie doch gleichzeitig eine Übereinstimmung vorhanden ist. Unter welchen Bedingungen ein Gleichgewichtszustand, eine Expan- sion oder eine Kontraktion vorliegt, läßt sich auf Grund unserer Analyse für eine beliebig lange Periode und nicht nur für eine Robertson sehe Elementarperiode exakt angeben.

Die von uns skizzierten Vorgänge sind noch in verschiedener Hinsicht vereinfacht, doch nicht so, daß die Ergebnisse nicht auch für die wirkliche Wirtschaft Geltung haben. Die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten der Unternehmungen stellen durchaus grenztypische Fälle dar: in der Wirk- lichkeit werden immer gewisse Kombinationen der extremen Möglichkeiten auftreten. Deren Ergebnisse sind hier sehr einfach als additive Zusammen- fügungen der sich bei grenztypischer Reaktion ergebenden Resultate zu verstehen.

Wir haben in unserer Analyse absichtlich nicht mit ex ante-Begriffen gearbeitet und an keiner Stelle von geplanten oder beabsichtigten (also noch nicht verwirklichten) im Gegensatz zu den sich nachher ergebenden Ersparnis- oder Investitionsgrößen gesprochen, die vorkommenden Größen sind vielmehr die sich realisierenden bzw. realisierten. Wir unterscheiden allerdings zwischen ,, gewollten" und „ungewollten" Größen und das gleiche meinen auch diejenigen, die mit ex ante-Begriffen operieren. Es entsteht bei dieser Terminologie jedoch der Anschein, als ob die geplanten Investi- tionen oder Ersparnisse nicht dem Plan gemäß verwirklicht werden könn- ten, was natürlich nicht zutrifft. Es ergeben sich nur außer ihnen eben noch „ungewollte" Posten. Daher rührt ja gerade die Verschiedenheit zwischen I und Ig bzw. S und Sg. Bei der einkommensanalytischen Betrachtung fällt alles in einen Topf, die Einkommenstheorie dagegen arbeitet mit „gewoll- ten" Größen, die im Falle der Expansion und Kontraktion auseinander klaffen. Die „ungewollten" Posten (Iu, Su, und die „kompensatorischen" Ausgleichsposten des negativen IU) des negativen Su und der Unternehmer- verluste) sind Verbindungsglieder zur einkommensanalytischen Betrach- tung und stellen als Gegenposten den Ausgleich her. Nur in einer Hinsicht, so scheint uns, kann man in gewissem Sinne von einem Auseinanderfallen von geplanten und realisierten Großen sprechen. Wenn man von einer Wirt-

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286 Heinz Haller

schaft ausgeht, in der nur gewollte Investition vorkommt, die von der in- vestierten ge wollten Ersparnis finanziert wird, und nun annimmt, daß die Investition gleichbleibt, die Einkommensbezieher sich aber entschließen, mehr oder weniger zu sparen als bisher, so tritt im ersten Fall eine Ein- kommensschrumpfung, im zweiten eine Einkommenserhöhung ein mit der Folge, daß der absolute Betrag der Ersparnis das eine Mal sinkt trotz des erhöhten Sparwillens und das andere Mal steigt trotz der geringeren Spar- neigung. Durch eine Veränderung der Sparquote ergibt sich also eine ent- gegengesetzte Änderung des absoluten Betrags. Dies ist eine unbeabsich- tigte Wirkung. Aber auch hier wird die beabsichtigte Ersparnis zur reali- sierten aus dem jeweils gegebenen Einkommen. Das Einkommen verändert sich zwar, aber die Sparquote kann trotzdem beibehalten werden. Ja es ist sogar möglich, daß der absolute Betrag (bei gleichzeitiger Änderung der Sparquote) aufrechterhalten wird und dadurch weitere Einkommensver- änderungen entstehen. Das Einkommen ergibt sich aus dem Verhältnis der weitgehend voneinander unabhängigen Größen der gewollten Investition und der gewollten Ersparnis, die Sgi und Sgh umfaßt. Es ist also eine ab- hängige Große und kann nicht in bestimmter Höhe geplant und realisiert werden.

Abschließend sei nochmals auf den rein formalen Charakter der ein- kommensanalytischen Betrachtung hingewiesen. Es geht bei ihr immer alles auf. Sie ist ,, blind" für die Situation, in der sich die Wirtschaft be- findet. Selbst wenn diese eine schwere Störung erleidet, die sich durch Ab- satzlosigkeit auf vielen Märkten anzeigt, ist in der betreffenden Periode nach der formalen Kechnung insoweit alles in Ordnung, als Ersparnis und Investition übereinstimmen. Beim Vergleich mit früheren Perioden wird man allerdings vermutlich eine Schrumpfung des Volkseinkommens und Sozialprodukts feststellen. Wieso es zu der Schrumpfung gekommen ist, kann die einkommensanalytische Betrachtung nicht ermitteln. Die Be- ziehungen zwischen den Größen der „sozialökonomischen Buchhaltung" geben keine Kausalzusammenhänge wieder1). Da, wo irgendwelche Großen zwangsläufig gleich sind, handelt es sich um Doppelbetrachtungen gleicher Phänomene oder, anders ausgedrückt, um die Verwendung umfangsglei- cher Begriffe, wie sie in jeder mehrfachen Buchhaltung auftritt2). Wie ohne weiteres ersichtlich, sind das Sozialprodukt und das Volkseinkommen solche umfangsgleichen Begriffe. Dasselbe gilt aber auch für die Investition und die Ersparnis in dieser Buchführung auf Grund der für beide verwende- ten Definitionen: die Investition ist derjenige Teil des Sozialprodukts, der nicht konsumiert wurde, die Ersparnis der Teil des Volkseinkommens, der nach Abzug des Konsums der betreffenden Periode übrig bleibt. Sozial- produkt und Volkseinkommen sind gleich, also müssen auch die beiden Kestgrößen gleich sein. Investition und Ersparnis haben gleiche Begriff s- umfänge.

x) Vgl. S c h η e i d e r , a. a. O., S. 49. a) Vgl. hierzu Hans Hölzer, Zur Axiomatik üer isucniunrungs- una

Bilanztheorie, Stuttgart und Berlin 1936, S. 14.

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Sparen und Investieren 287

Mit einer solchen Definition läßt sich einkommenstheoretisch gar nichts ausrichten. Für die Einkommenstheorie muß die Ersparnis eine solche aus ,, verfügbarem" Einkommen sein, sie ist eine Art der Einkom- mens Verwendung. Nur dann kann man von einer Konsumfunktion sprechen1). Im Gleichgewichtsfall sind zwar, wie wir gesehen haben, ver- dientes und verfügbares Einkommen gleich, nicht aber in den praktisch relevanten Fällen der Expansion und Kontraktion.

Sobald sie die Kechnungsabgrenzungsposten der noch nicht verwende- ten Einkommen einbezieht, kann auch die einkommensanalytische Be- trachtung ein genaues Bild der Einkommensverwendung ergeben. Es kann dann z. B. für den Expansionsfall festgestellt werden, daß der Rechnungs- abgrenzungsposten am Schluß der Periode um einen bestimmten Betrag größer ist als am Anfang und zur Investitionsfinanzierung im entsprechen- den Umfang zusätzlich in die Wirtschaft einströmende Kaufkraft verwen- det worden ist, während der Rest der Investition aus der Ersparnis finan- ziert wurde, die aus dem während der Periode verfügbaren Einkommen ge- bildet worden ist. Eine solche buchhalterische Feststellung der Einkom- mensverwendung stellt eine nützliche Ergänzung der üblichen Volksein- kommen-Sozialprodukt-Rechnungen dar. Aber auch sie ist eine ex post- Feststellung. Die Einkommenstheorie dagegen, die aus der Differenz zwi- schen Ersparnis und Investition bei einer gegebenen Konsumfunktion eine Einkommensveränderung ableitet, ist keine ex post-Betrachtung. In ihr läßt man bestimmte Größen sich ändern und betrachtet nun den Ablauf und das Endresultat.

Solange man sich auf der rein registrierenden Ebene der Einkommens- analyse oder volkswirtschaftlichen Buchführung bewegt, muß jeder noch so geringe Anschein einer theoretischen Aussage („was sich unter der An- nahme bestimmter Änderungen ergibt") vermieden werden.

x) Dies zeigt sich deutlich bei Richard Ruggles' Introduction to National Income and Income Analysis (New York-Toronto-London 1949). Unter Income Analysis wird hier die Einkommenstheorie verstanden. In dem Augen- blick, wo der Sparprozeß, die Konsumfunktion usw. behandelt werden, tritt das Sparen plötzlich als ein solches aus verfügbarem Einkommen auf, allerdings ohne daß dies ausdrücklich gesagt wird.

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