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Spin-Bahn-Kopplung in Grenzschichten: Mikroskopische Zusammenhänge und Strategien zur Manipulation Dissertation zur Erlangung des naturwissenschaftlichen Doktorgrades der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vorgelegt von Hendrik Bentmann aus Göttingen Würzburg 2012

Spin-Bahn-Kopplung in Grenzschichten: Mikroskopische ... · kann die Spin-Bahn-Kopplung gänzlich neue magnetische Ordnungphänome- ne induzieren, die sich in komplexen, spiralförmigen

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  • Spin-Bahn-Kopplung in Grenzschichten:

    Mikroskopische Zusammenhnge

    und Strategien zur Manipulation

    Dissertation

    zur Erlangung des naturwissenschaftlichen Doktorgrades derJulius-Maximilians-Universitt Wrzburg

    vorgelegt von

    Hendrik Bentmannaus Gttingen

    Wrzburg 2012

  • Eingereicht am: 31.08.2012bei der Fakultt fr Physik und Astronomie

    1. Gutachter: Prof. Dr. Friedrich Th. Reinert2. Gutachter: Prof. Dr. Matthias Bode3. Gutachter:der Dissertation

    1. Prfer: Prof. Dr. Friedrich Th. Reinert2. Prfer: Prof. Dr. Matthias Bode3. Prfer: Prof. Dr. Giorgio Sangiovanniim Promotionskolloquium

    Tag des Promotionskolloquiums:

    Doktorurkunde ausgehndigt am:

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    Zusammenfassung

    Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss der Spin-Bahn-Kopplung (SBK) auf die zweidimensionale elektronische Struktur von Fest-krperoberflchen und -grenzflchen. Aufgrund der strukturellen Inversions-asymmetrie kann die SBK in derartigen Systemen eine Spinaufspaltung derelektronischen Zustnde herbeifhren und eine charakteristische impulsab-hngige Spinstruktur induzieren (Rashba-Effekt). Die Studien in dieser Ar-beit sind zum einen darauf gerichtet, das physikalische Verstndnis der mi-kroskopischen Zusammenhnge, die die Spinaufspaltung und die Spinorientie-rung elektronischer Zustnde an Grenzflchen bestimmen, zu verbessern. DesWeiteren sollen Mglichkeiten zur Manipulation der SBK durch kontrollier-te Variationen chemischer und struktureller Grenzflchenparameter erforschtwerden. Als Modellsysteme fr diese Fragestellungen dienen die isostrukturel-len Oberflchenlegierungen BiCu2 und BiAg2, deren elektronische Strukturmittels winkelaufgelster Photoelektronenspektroskopie (ARPES) und spin-aufgelster ARPES untersucht wird. Die Resultate der Experimente werdenmithilfe von ab initio-Rechnungen und einfacheren Modellbetrachtungen in-terpretiert. Die Arbeit schliet mit einer ausblickenden Prsentation von Ex-perimenten zu dem topologischen Isolator Bi2Se3(0001).

    Vergleichende ARPES-Messungen zu BiAg2/Ag(111) und BiCu2/Cu(111)

    zeigen, dass bereits geringe Unterschiede in der Grenzschichtmorphologie dieGre der Spinaufspaltung in der elektronischen Struktur um ein Vielfachesverndern knnen. Zudem belegen spinaufgelste Experimente eine invertier-te Spinorientierung der elektronischen Zustnde in BiCu2 im Vergleich mitdem Referenzsystem Au(111). Beide Resultate knnen durch eine theoreti-sche Analyse des Potentialprofils und der elektronischen Ladungsverteilungsenkrecht zu der Grenzflche in Kombination mit einfachen Modellbetrach-tungen verstanden werden. Es stellt sich heraus, dass Asymmetrien in derLadungsverteilung das direkte mikroskopische Bindeglied zwischen der Spin-struktur des elektronischen Systems und den strukturellen und chemischenParametern der Grenzschicht bilden. Weitergehende ARPES-Experimentezeigen, dass die spinabhngige elektronische Struktur zudem signifikant durchdie Symmetrie des Potentials parallel zu der Grenzflchenebene beeinflusstwird. Eine Manipulation der SBK wird in BiCu2 durch die Deposition vonAdatomen erreicht. Hierdurch gelingt es, die Spinaufspaltung sowohl zu ver-grern (Na-Adsorption) als auch zu verringern (Xe-Adsorption).

    ARPES-Experimente an dem ternren Schichtsystem BiAg2/Ag/Au(111)

    belegen erstmalig eine Kopplung zwischen elektronischen Bndern mit ent-

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    gegengesetztem Spincharakter in einem zweidimensionalen System mit Spin-aufspaltung (Interband-Spin-Bahn-Kopplung). Der zugrundeliegende Kopp-lungsmechanismus steht in bemerkenswerter Analogie zu den Auswirkungender SBK auf die spinpolarisierte elektronische Struktur in ferromagnetischenSystemen. Variationen in der Schichtdicke des Ag-Substratfilms erlauben es,die Strke der Interband-SBK zu manipulieren.

  • 5

    Abstract

    This thesis deals with the effects of the spin-orbit coupling (SOC) on thetwo-dimensional electronic structure of crystal surfaces and interfaces. Dueto the structural inversion asymmetry the SOC can provoke a spin splittingof the electronic states in such systems and thereby induce a characteristicmomentum-dependent spin structure (Rashba effect). The studies presen-ted in this work are directed towards an improved understanding of themicroscopic mechanisms that govern the size of the spin splitting and thespin orientation of two-dimensional electronic states. Furthermore, possibi-lities to manipulate the SOC via controlled variations of the chemical andstructural interface properties shall be investigated. In order to address theseissues the spin-dependent electronic structure of the two isostructural sur-face alloys BiCu2 and BiAg2 is scrutinized by angle-resolved photoelectronspectroscopy (ARPES) and spin-resolved ARPES experiments. The expe-rimental results are interpreted using ab initio electronic structure theoryas well as more simple free-electron-type models. The thesis closes with aforward-looking presentation of experimental results on the topological insu-lator surface Bi2Se3(0001).

    ARPES measurements for BiAg2/Ag(111) and BiCu2/Cu(111) reveal that

    already small changes in the interface morphology can result in sizeable dif-ferences of the spin splitting. Moreover, spin-resolved experiments provideevidence for an inverted spin orientation of the electronic states in BiCu2when compared to the reference system Au(111). Both results can be un-derstood through a careful theoretical analysis of the potential profile andthe electronic charge distribution perpendicular to the interface in combi-nation with simple model considerations. It turns out that asymmetries inthe charge distribution represent the central microscopic link between thespin structure of the electronic system and the structural and chemical inter-face properties. Further ARPES experiments show that the spin-dependentelectronic structure is also significantly influenced by the symmetry of thepotential parallel to the interface. A manipulation of the SOC is achieved inBiCu2/Cu(111) by the deposition of adatoms. Thereby it is possible both toincrease the spin splitting by the adsorption of Na and to decrease it by theadsorption of Xe.

    ARPES experiments for the ternary layer system BiAg2/Ag/Au(111)

    show for the first time a coupling between electronic bands of oppositespin character in a spin-orbit split electron system (interband-spin-orbit-coupling). The underlying coupling mechanism shows remarkable analogies

  • 6

    with the effect of SOC on the spin-polarized electronic structure in ferroma-gnetic systems. Variations of the layer thickness of the Ag-film allow for amanipulation of the interband-SOC.

  • Inhaltsverzeichnis 7

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 10

    2 Spin-Bahn-Kopplung an Festkrperoberflchen 14

    2.1 Rashba-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    2.2 Rashba-Effekt an Oberflchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    2.3 Oberflchenlegierungen als Modellsysteme . . . . . . . . . . . . 19

    2.4 Topologische Isolatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    3 Methodik 24

    3.1 Photoelektronenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    3.1.1 ARPES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    3.1.2 Spin-ARPES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    3.2 Dichte-Funktional-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    3.3 Experimentelle Aufbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    3.3.1 Messapparatur in Wrzburg . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    3.3.2 Messapparatur in Chiba . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

    3.4 Probenprparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

    3.4.1 BiCu2/Cu(111) und BiAg2/Ag(111) . . . . . . . . . . . 36

    3.4.2 Bi2Se3(0001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

    4 Rashba-Effekt in BiCu2/Cu(111) 41

    4.1 Elektronische Struktur von BiCu2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    4.2 Spinstruktur von BiCu2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

  • Inhaltsverzeichnis 8

    4.2.1 Charakterisierung und Messprozedur . . . . . . . . . . 45

    4.2.2 Messung der Spinpolarisation . . . . . . . . . . . . . . . 49

    4.2.3 Spinaufgelste Bandstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 51

    4.3 Rashba-Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

    4.3.1 Quantitative Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

    4.3.2 Vergleich mit BiAg2

    und Au(111) . . . . . . . . . . . . 57

    4.3.3 Modell fr den Rashba-Parameter . . . . . . . . . . . . 59

    4.3.4 Interpretation der experimentellen Ergebnisse . . . . . 60

    4.4 Zusammenfassung und weitergehende Fragestellungen . . . . . 64

    5 Einfluss von Adsorbaten in BiCu2/Cu(111) 67

    5.1 Na-Adsorption auf BiCu2/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    5.2 Xe-Adsorption auf BiCu2/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . . . . 73

    5.3 Modifikation des Rashba-Parameters . . . . . . . . . . . . . . . 77

    5.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    6 Systematische Substratmodifikation in BiAg2/Ag/Au(111) 84

    6.1 Charakterisierung des Filmwachstums . . . . . . . . . . . . . . 84

    6.2 Elektronische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

    6.3 Interband-Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

    6.4 Schichtdickenvariation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

    6.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

    7 Anisotropieeffekte in Oberflchenlegierungen 101

    7.1 Vorbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

    7.2 Anisotrope Spin-Bahn-Kopplung in BiAg2

    . . . . . . . . . . . . 102

    7.3 Anisotrope Dispersion in BiCu2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

    7.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

    8 Diskussion 111

  • Inhaltsverzeichnis 9

    9 Ausblick: Topologische Isolatoren 116

    9.1 Edelgas-Adsorption auf Bi2Se3(0001) . . . . . . . . . . . . . . . 117

    9.2 Fe-Adsorption auf Bi2Se3(0001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

    9.2.1 Rashba-Effekt in Fe/Bi2Se3(0001) . . . . . . . . . . . . 120

    9.2.2 Streuung von Oberflchenzustnden . . . . . . . . . . . 121

    Literaturverzeichnis 126

    Lebenslauf 144

    Publikationsliste 146

    Danksagung 148

  • 10

    Kapitel 1

    Einleitung

    Die Spin-Bahn-Wechselwirkung ist fr zahlreiche Phnomene aus der mo-dernen Festkrperphysik von zentraler Bedeutung. Sie koppelt den Spin desElektrons an dessen Impuls und an das Potential des Kristallgitters und in-duziert folglich charakteristische Spinabhngigkeiten in der elektronischenStruktur von Festkrpersystemen. So manifestiert sich die Kopplung desSpins an die Kristallsymmetrie sehr anschaulich in der Richtungsabhngig-keit magnetischer Materialeigenschaften und ruft beispielsweise die magne-tokristalline Anisotropie in Ferromagneten hervor [1]. Fr bestimmte Kris-tallverbindungen oder in niedrigdimensionalen Strukturen an Oberflchenkann die Spin-Bahn-Kopplung gnzlich neue magnetische Ordnungphnome-ne induzieren, die sich in komplexen, spiralfrmigen Anordnungen der ma-gnetischen Momente uern [2, 3]. Auch in nicht-magnetischen Systemen be-wirkt die Spin-Bahn-Kopplung grundlegende Effekte, die zudem praktischeAnwendungsmglichkeiten in aufkommenden Technologien wie der spinba-sierten Elektronik versprechen (Spintronik) [4]. Ein Phnomen von funda-mentaler Bedeutung ist hierbei die Aufhebung der Spinentartung in derelektronischen Struktur von Systemen mit gebrochener Inversionssymme-trie, zu denen insbesondere zweidimensionale Grenzschichten zhlen [5, 6].Als Folge des Symmetriebruchs induziert die Spin-Bahn-Wechselwirkung ei-ne charakteristische Spinstruktur in dem impulsabhngigen elektronischenSpektrum der Grenzflche, ohne jedoch eine Magnetisierung hervorzurufen(Rashba-Effekt). Zahlreiche spinabhngige Transportphnomene in halblei-terbasierten Heterostrukturen, wie der intrinsische Spin-Hall-Effekt [7], undanwendungsorientierte Konzepte der Spintronik, wie der Spin-Feld-Effekt-Transistor [8, 9], beruhen auf diesem Mechanismus und werden derzeit in-tensiv erforscht [10, 11, 12, 13]. Auch in der elektronischen Struktur vonOberflchen- und Adsorbatsystemen tritt der Rashba-Effekt prominent in

  • 11

    Erscheinung [14, 15, 16, 17]. Hieraus ergibt sich die reizvolle Mglichkeit, dieumfangreiche Methodik der Oberflchenphysik einzusetzten, um den Ein-fluss der SBK auf Grenzflchenzustnde durch hochauflsende spektroskopi-sche Experimente zu untersuchen [18, 19, 20, 21]. Die Inhalte der vorliegen-den Arbeit ordnen sich in dieses letztgenannte Gebiet ein und widmen sichder Erforschung des Rashba-Effekts und der spinpolarisierten elektronischenStruktur in Grenzschichten. Das wissenschaftliche Interesse an diesem The-menkomplex wurde 2007/08 durch die Entdeckung der topologischen Isolato-ren nochmals enorm gesteigert [22, 23]. Topologische Isolatoren sind neuartigeMaterialien mit starker Spin-Bahn-Wechselwirkung, die nicht-triviale, metal-lische Oberflchenzustnde innerhalb der globalen Bandlcke des Volumen-kristalls aufweisen [24]. hnlich wie in Grenzschichten nicht-topologischerMaterialien ruft der Rashba-Effekt eine Spinpolarisation dieser Oberflchen-zustnde hervor [25]. Aufgrund der Vielzahl von neuartigen Effekten, dienach theoretischen Vorhersagen an den Oberflchen topologischer Isolatorenzu erwarten sind, stehen diese Materialien im Brennpunkt der derzeitigenFestkrperforschung [26, 24, 27].

    Trotz seiner konzeptionellen Klarheit ist ein grundlegendes physikalischesVerstndnis der mikroskopischen Ursachen des Rashba-Effekts bisher nur inAnstzen vorhanden [28, 4]. Die Gre der Spinaufspaltung in der elektro-nischen Struktur wird demnach durch ein komplexes Wechselspiel zwischender atomaren Spin-Bahn-Kopplung und lokalen, symmetriebrechenden Po-tentialgradienten an der Grenzflche bestimmt. Fr experimentelle Unter-suchungen dieser mikroskopischen Zusammenhnge sind Grenzschichtsyste-me an Oberflchen aus verschiedenen Grnden besonders geeignet. So trittder Rashba-Effekt hier zumeist durch betrchtlich grere Spinaufspaltun-gen in Erscheinung als in blichen Halbleiter-Heterostrukturen [20]. Wei-terhin sind Oberflchen mit spektroskopischen Methoden, die eine direkteMessung der elektronischen Struktur der Grenzschicht ermglichen, zugng-lich. Insbesondere die winkelaufgelste Photoelektronenspektrospie mit derOption zur zustzlichen Spinauflsung hat sich als prdestinierte Messme-thode fr die Erforschung des Rashba-Effekts ausgewiesen [29]. Von her-ausragender Bedeutung sind zudem erprobte Verfahren der Oberflchenphy-sik wie Gas-Adsorption, Substrat- und Adsorbatwechsel, Adatom-Depositionoder Schichtwachstum, die in situ eingesetzt werden. Diese Methoden bie-ten die Mglichkeit zur systematischen Manipulation atomarer, chemischerund morphologischer Parameter, welche die Wechselwirkung zwischen Ad-sorbat und Substrat sowie strukturelle und elektronische Eigenschaften inden untersuchten Grenzschichtsystemen bestimmen [30, 31]. Messungen derSpinaufspaltung unter Variation dieser kontrollierbaren Parameter knnen

  • 12

    Trends aufzeigen, die Schlsse auf relevante physikalische Mechanismen zu-lassen [15, 18, 19]. Nicht zuletzt ist die Untersuchung wohldefinierter, einfa-cher Strukturen, die an Oberflchen hergestellt werden knnen, vorteilhaft,da sie einen direkten Vergleich der Messergebnisse mit der Theorie, also ins-besondere mit ab initio-Rechnungen, erlauben.

    Den zentralen Themenkomplex der vorliegenden Arbeit bilden grundlegen-de Fragestellungen zu den Auswirkungen der Spin-Bahn-Kopplung auf diezweidimensionale elektronische Struktur an Grenzflchen: Welche mikrosko-pischen Mechanismen an der Grenzflche beeinflussen den Rashba-Effekt undwie bestimmen sie insbesondere die Gre der Spinaufspaltung und die Spin-orientierung der elektronischen Zustnde? Wie wird der Rashba-Effekt durchchemische und strukturelle Parameter der Grenzschicht beeinflusst? WelcheMglichkeiten zur Manipulation der Spinaufspaltung ergeben sich durch ge-zielte Modifikationen dieser Parameter? Induziert die Spin-Bahn-Kopplungweitere Effekte in der elektronischen Struktur, die nicht durch das Rashba-Modell erfasst werden? Als Grundlage zur Untersuchung dieser Fragen dienenelektronenspektroskopische Experimente an geeigneten metallischen Oberfl-chenstrukturen. Die zentralen Modellsysteme sind hierbei geordnete Oberfl-chenlegierungen des Elements Bi auf den (111)-Flchen der Edelmetalle Cuund Ag. Bi ist das schwerste nicht-radioaktive Element des Periodensystemsund eignet sich daher zur Erforschung relativistischer Effekte wie der Spin-Bahn-Wechselwirkung. Die Oberflchenlegierungen stellen eine flexible Klas-se von Materialsystemen dar, die durch Wechsel von Adsorbat und Substrateinfach variiert werden knnen.

    Die Inhalte der Arbeit gliedern sich in drei Teile, die im Folgenden kurzbeschrieben werden.

    Der erste Teil fasst die wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen zu-sammen. Hierzu erfolgt in Kap. 2 eine kompakte Darstellung wesentlichertheoretischer Konzepte, die den Einfluss der Spin-Bahn-Kopplung auf dieelektronische Struktur in zweidimensionalen Systemen betreffen. Des Weite-ren werden die Ergebnisse relevanter Vorarbeiten dargestellt, auf denen dieFragestellungen und Experimente dieser Arbeit aufbauen. Kap. 3 beleuchtetzunchst die verwendeten Messmethoden: die winkelaufgelste und die spin-aufgelste Photoelektronenspektroskopie. Weiterhin erfolgt eine Erluterungder experimentellen Apparaturen sowie eine Beschreibung der Probenprpa-ration und -charakterisierung.

    Der zweite Teil beschreibt die experimentellen Ergebnisse und deren Analyse.Den Ausgangspunkt hierbei bildet eine detaillierte spektroskopische Unter-suchung der Oberflchenlegierung BiCu2/Cu(111) in Kap. 4, auf deren Basis

  • 13

    diese Grenzschicht als geeignetes Modellsystem fr den Rashba-Effekt iden-tifiziert wird. Ein anschlieender Vergleich mit den verwandten SystemenBiAg

    2/Ag(111) und Au(111) in Verbindung mit geeigneten Modellen und ab

    initio-Rechnungen ermglicht es, mikroskopische Mechanismen an der Grenz-flche abzuleiten, welche die Spinaufspaltung und die Spinorientierung derelektronischen Zustnde entscheidend beeinflussen. Die Ergebnisse aus Kap. 4stellen die unmittelbare Grundlage fr die nachfolgenden Experimente dar. InKap. 5 wird die chemische Umgebung der Grenzschicht BiCu2/Cu(111) durchdie Deposition der Adatomspezies Na und Xe gezielt modifiziert, was sichin charakteristischen nderungen in der Spinaufspaltung manifestiert. Ei-ne neue Strategie zur systematischen Manipulation der Spin-Bahn-Kopplungwird in Kap. 6 diskutiert. Hierzu werden ternre Schichtstrukturen beste-hend aus der Oberflchenlegierung BiAg

    2, einem dnnen Ag-Film und dem

    Substrat Au(111) hergestellt. Das Schichtsystem Ag/Au(111) stellt dabei einber die Schichtdicke modifizierbares Substrat fr BiAg

    2dar. Es stellt sich

    heraus, dass diese Methode subtile nderungen der Spin-Bahn-Kopplung er-mglicht. Der experimentelle Teil schliet mit Kap. 7, in dem eine genauereAnalyse von Anisotropieeffekten parallel zur Grenzflche in der elektroni-schen Struktur der Oberflchenlegierungen durchgefhrt wird.

    Innerhalb des dritten Teils erfolgt in Kap. 8 zunchst eine Diskussion derzentralen Ergebnisse des zweiten Teils. Inbesondere stellt sich die Frage derbertragbarkeit der Konzepte und Mechanismen, die im zweiten Teil derArbeit abgeleitet wurden, auf die nicht-trivialen Oberflchenzustnde topo-logischer Materialien. Diese Fragestellung wird in Kap. 9 anhand von Ad-sorptionsexperimenten an der Oberflche des topologischen Isolators Bi2Se3ausblickend errtert.

    Die Ergebnisse, die in dieser Arbeit prsentiert werden, wurden teilweisebereits in Fachjournalen publiziert. Im Detail betrifft dies Teile der Inhaltevon Kap. 4, Kap. 5, Kap. 6 und Kap. 9.2, die jeweils in Refs. [32, 33], Ref. [33],Ref. [34] und Ref. [35] verffentlicht sind.

  • 14

    Kapitel 2

    Spin-Bahn-Kopplung anFestkrperoberflchen

    Die Spin-Bahn-Kopplung (SBK) ist ein Korrekturterm des Hamiltonopera-tors in der Schrdinger-Gleichung, der sich aus einer nicht-relativistischenNherung der Dirac-Gleichung ergibt [36]. Dieser Korrekturterm nimmt da-bei die folgende Form an:

    HSBK = h

    4m2ec2 p V. (2.1)

    Es ist der Vektor der Pauli-Matrizen als Spinoperator, p der Impulsopera-tor, V das Potential, me die Masse des freien Elektrons, c die Lichtgeschwin-digkeit und h die Planck-Konstante. Nach Gl. 2.1 skaliert die SBK mit demPotentialgradienten V , der aufgrund des atomaren Coulomb-Potentials inder unmittelbaren Nhe der Atomkerne besonders gro wird. Die SBK wirktsich demzufolge stark auf Rumpfelektronenspektren aus, in denen Spin-Bahn-Aufspaltungen SO der atomaren Energieniveaus von mehreren eV bis weitber 100 eV beobachtet werden. Der Potentialgradient V nahe den Atom-rmpfen und ebenso die Strke der SBK skalieren mit der KernladungszahlZ; fr wasserstoffartige Atome findet man SO Z4/n3, mit der atomarenHauptquantenzahl n [37]. Die SBK ist demnach insbesondere fr schwereElemente von hoher Bedeutung. Auch die Valenzbandstrukturen von Fest-krpern werden durch die SBK mageblich beeinflusst. So induziert sie bei-spielsweise eine energetische Aufspaltung des obersten Valenzbandes in derVolumenbandstruktur der Halbleiter Si und Ge (heavy-hole light-hole split-ting).

  • 2.1. Rashba-Modell 15

    Neben derartigen Auswirkungen kann die SBK eine Spinpolarisation P elek-tronischer Zustnde hervorrufen [5]. Hierzu betrachte man zunchst ein nicht-magnetisches System mit rumlicher Inversionssymmetrie. Als Folge der Zeit-umkehrsymmetrie gilt E(k) = E(k) fr die Energien und P(k) = P(k)fr die Spinpolarisation elektronischer Zustnde mit Wellenvektor k [38]. Zu-stzlich hat man aufgrund der Inversionssymmetrie P(k) = P(k). Hierausfolgt unmittelbar, dass die Spinpolarisation in Systemen mit beiden genann-ten Symmetrien verschwindet. Wird jedoch die rumliche Inversionssymme-trie gebrochen, ist eine endliche Spinpolarisation elektronischer Zustnde er-laubt. Ein solcher Symmetriebruch geschieht insbesondere an Oberflchenund Grenzflchen von Festkrpern, in deren elektronischer Struktur die SBKfolglich eine Spinpolarisation induzieren kann. Dieser Mechanismus wurdeerstmals von Rashba und Bychkov beschrieben und wird blicherweise alsRashba-Effekt bezeichnet [6].

    2.1 Rashba-Modell

    Innerhalb des Rashba-Modells werden die elektronischen Zustnde einer Grenz-schicht als freies, zweidimensionales Elektronengas (2DEG) in der xy-Ebeneparallel zur Grenzflche beschrieben, welches in der senkrechten Richtungdurch ein asymmetrisches Potentialprofil V (z) gebunden wird. Unter diesenAnnahmen reduziert sich Gl. 2.1 zu:

    HR = (ez k), (2.2)wobei die Konstante als Rashba-Parameter bezeichnet wird und die Strkeder SBK quantifiziert. Fr ein ideales 2DEG ist proportional zum Gradi-enten des Potentials V (z) [39]. Die Bercksichtigung von HR fhrt zu einerAufspaltung der parabolischen Dispersion des 2DEGs in die zwei Bnder E+und E:

    E(k ) = EB +h2k 2

    2m k . (2.3)

    Die energetische Aufspaltung durch die SBK ist proportional zum Betragdes Wellenvektors k mit dem Betrag des Rashba-Parameters als Pro-portionalittsfaktor. Die effektive Masse wird durch m bezeichnet. Um dieSpinpolarisation P der Bnder E zu bestimmen, wird der ErwartungswertEE ausgewertet und man erhlt:

  • 2.1. Rashba-Modell 16

    (b)(a)

    m*

    m*

    EB

    Emax

    kx

    E+

    E0E

    2k0

    E-

    E0

    k0kx

    E+

    EB

    E

    2k0

    E-

    kx

    kx kx

    kx

    kyky

    ky ky

    Abbildung 2.1: Dispersion in (a) und Spinpolarisation in (b) eines zwei-dimensionalen, freien Elektronengases gem dem Rashba-Modell. Die Spin-Bahn-Kopplung spaltet die parabolische Dispersion freier Elektronen in diebeiden Zweige E+ und E auf. Die Spinpolarisation wird in (b) durch Pfeilein den kreisfrmigen Flchen konstanter Energie der Bandstruktur dargestellt.Das Vorzeichen des Rashba-Parameters bestimmt hierbei die Helizitt in derSpinstruktur, da es nach Gl. 2.4 das Vorzeichen der Spinpolarisation festlegt.

    P(k ) = (ky, kx,0)/k . (2.4)

    Die Rashba-aufgespaltenen Zustnde E sind somit fr k > 0 vollstn-dig spinpolarisiert: P = 1. Zudem ist die Spinpolarisation senkrecht zumWellenvektor und zu der Oberflchennormalen orientiert: Pk ez. Es istinsbesondere zu beachten, dass die Spinpolarisation von dem Vorzeichen desRashba-Parameters abhngt.

    Graphische Darstellungen der Dispersion aus Gl. 2.3 und der Spinpolarisationaus Gl. 2.4 sind in Abb. 2.1 gezeigt. Es werden vier Flle mit m > 0, m < 0, > 0 und < 0 unterschieden, da diese im spteren Verlauf der Arbeitrelevant sein werden. Die Bandstruktur in (a) besteht aus einem inneren undeinem ueren Bandzweig. Abhngig vom Vorzeichen der effektiven Massesind diese Bandzweige entweder E+ oder E zuzuordnen. E+ und E sind umeine energieunabhngige Wellenvektoraufspaltung 2k0 separiert.

  • 2.2. Rashba-Effekt an Oberflchen 17

    Fr k0 ergibt sich:

    k0 =m

    h2. (2.5)

    Die charakteristische Energiedifferenz E0 zwischen der SchnittpunktsenergieEB der Bnder E+ und E und dem Extrempunkt der Dispersion (Emaxfr m < 0) betrgt: E0 = 2m/h2. In (b) werden die kreisfrmigen Fl-chen konstanter Energie (FKE) gezeigt, die sich aus der isotropen Band-struktur ergeben. Zustzlich ist jeweils die Richtung der Spinpolarisationdurch Pfeile dargestellt. Es ist zu erkennen, dass ein Vorzeichenwechsel desRashba-Parameters zu einer Umkehrung der Helizitt der Spinstrukturfhrt (vgl. Gl. 2.4). Das Rashba-Modell beinhaltet demnach zwei experimen-tell bestimmbare Gren, die den Einfluss der SBK charakterisieren. Der Be-trag des Rashba-Parameters bestimmt die Aufspaltung der Bnder E+ undE, welche durch die Messung der Dispersion mittels winkelaufgelster Pho-toelektronenspektroskopie (ARPES) bestimmt werden kann. Das Vorzeichendes Rashba-Parameters / bestimmt die Spinpolarisation der Bnder E+und E, die durch spinaufgelste Photoelektronenspektroskopie (SARPES)vermessen werden kann [29].

    2.2 Rashba-Effekt an Oberflchen

    Die erste Beobachtung einer Spinaufspaltung elektronischer Zustnde an ei-ner Grenzflche gem dem Rashba-Modell gelang fr den Oberflchenzu-stand von Au(111) mittels ARPES [14]. Diese Oberflche stellt seitdem einzentrales Modell- und Referenzsystem fr den Rashba-Effekt in Grenzschich-ten dar. Abb. 2.2.(a) zeigt ein typisches ARPES-Spektrum des Oberflchen-zustands von Au(111) [ eine Beschreibung der experimentellen MethodeARPES erfolgt in Kap. 3]. Das Spektrum zeigt hohe bereinstimmung mitder nach dem Rashba-Modell vorhergesagten Bandstruktur in Abb. 2.1.(a).Die parabolische Dispersion des Oberflchenzustands mit positiver effektiverMasse m ist in zwei Bnder E+ und E aufgespalten, die um die Wellenvek-toraufspaltung 2k0 separiert sind.

    Bereits in der wegweisenden Arbeit in Ref. [14] wurde die Frage nach denzugrundeliegenden mikroskopischen Mechanismen der Spinaufspaltung dis-kutiert. Die Autoren zeigten anhand von einfachen Abschtzungen, dass dieGre der energetischen Aufspaltung nicht durch den Potentialgradienten derOberflchenbarriere zum Vakuum sondern nur durch die um Grenordnun-gen strkeren Gradienten in der Nhe der Atomkerne verursacht werden kann.

  • 2.2. Rashba-Effekt an Oberflchen 18

    Nachfolgende Arbeiten zu Au(111) besttigten die Ergebnisse und Interpre-tationen in Ref. [14] durch hochauflsende ARPES-Messungen [15, 40], abinitio-Rechnungen [40, 15, 41, 39] und spinaufgelste ARPES-Experimente[39, 16].

    Die wichtige Rolle des atomaren Potentialgradienten fr eine mikroskopischeBeschreibung des Rashba-Effekts wurde durch verschiedene weitere Expe-rimente unter Beweis gestellt. So konnte die Rashba-Aufspaltung in dn-nen Ag-Filmen auf Au(111) kontinuierlich mit der Schichtdicke reduziertwerden [42, 18]. Die Aufspaltung verhlt sich hierbei proportional zu derschichtdickenabhngigen Anzahl schwerer Au-Atome, der die Wellenfunktiondes Oberflchenzustands ausgesetzt ist. hnliche Experimente zum Rashba-Effekt in einer Monolage (ML) Au auf W(110) und Mo(110) zeigten ebenfallseine deutliche Abhngigkeit der energetischen Aufspaltung von der Kernla-dungszahl, in diesem Fall jedoch von der Kernladungszahl des Substrats [19].Auf der theoretischen Seite wurde gezeigt, dass sich ein Beitrag der atoma-ren SBK zu der Rashba-Aufspaltung auf natrliche Weise aus einem Tight-Binding-Modell ergibt [43]. Der Rashba-Parameter ist demnach proportionalzu dem Produkt aus zwei Parametern, die jeweils die Strke der atomarenSBK und den Potentialgradienten der Oberflchenbarriere quantifizieren.

    Messungen zu anderen Systemen belegen jedoch, dass weitere Effekte dieRashba-Aufspaltung beeinflussen und dass insbesondere die elektronischeWellenfunktion genauer betrachtet werden muss [15]. So wurden in verschie-denen Adsorptionsexperimenten Verstrkungen des Rashba-Effekts beobach-tet und auf Modifikationen in der Wellenfunktion als Resultat der Adsorpti-on zurckgefhrt [44, 15, 45, 46]. Weiterhin zeigt ein Vergleich der durch abinitio-Rechnungen bestimmten Rashba-Aufspaltungen auf den OberflchenAu(111) und Ag(111) deutliche Abweichungen von einer einfachen Proportio-nalitt zu den atomaren SBK-Konstanten der entsprechenden Niveaus [15].

    In der jngeren Vergangenheit wurden aufgrund der bestehenden Diskre-panzen genauere Anstze fr eine mikroskopische Beschreibung des Rashba-Effekts vorgeschlagen. Insbesondere die theoretische Analyse in Ref. [47] aufder Basis von ab initio-Rechnungen brachte wichtige neue Impulse. Die Au-toren belegten zunchst, dass die Rashba-Aufspaltung tatschlich innerhalbeines sehr kleinen Bereiches (0.5 ) um die Atomkerne bestimmt wird. Zu-stzlich wiesen sie erstmalig auf die Bedeutung einer asymmetrischen Formder Wellenfunktion um die Kerne als zentralen mikroskopischen Aspekt desRashba-Effekts hin: Eine ausgeprgte Asymmetrie, die auch als eine Vermi-schung unterschiedlicher Orbitale aufgefasst werden kann, resultiert demnachin groen Spinaufspaltungen. Diese Betrachtungsweise wurde in Ref. [48] auf-gegriffen und dort durch zustzliche theoretische Analysen besttigt. Als wei-

  • 2.3. Oberflchenlegierungen als Modellsysteme 19

    -0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4

    Wave vector [1/]

    k0

    E0

    E1

    E1+

    E2+

    E2

    BiAg2/Ag(111)-0.8

    -0.6

    -0.4

    -0.2

    0.0

    E-E

    F [e

    V]

    -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2

    Wave vector [1/]

    2k0

    E

    E+

    EB

    Au(111)

    -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2

    Wave vector [1/]

    Bi2Se3(0001)

    D

    D+DP

    CBM

    VBM

    (a) (b) (c)

    Abbildung 2.2: Typische winkelaufgelste Photoemissionsspektren zu dendrei Oberflchensystemen Au(111), BiAg2/Ag(111) und Bi2Se3(0001), derenelektronische Struktur durch spinaufgespaltene Oberflchenzustnde charak-terisiert ist [ in Kap. 3 erfolgt eine Beschreibung der experimentellen Metho-de ARPES]. (a) Der Oberflchenzustand von Au(111) mit positiver effektiverMasse m > 0 zeigt eine Aufspaltung der parabolischen Dispersion in die Bn-der E+ und E. Die Wellenvektoraufspaltung 2k0 der beiden Bandzweige isteingezeichnet (vgl. Abb. 2.1).(b) Die elektronische Struktur der Oberflchenle-gierung BiAg2 besteht aus zwei Bndern E

    1

    und E2

    mit Rashba-Aufspaltungund negativer effektiver Masse m < 0. Die Parameter k0 und E0 fr das BandE

    1sind eingezeichnet. (c) Der topologische Isolator Bi2Se3(0001) zeigt einen

    spinaufgespaltenen Oberflchenzustand mit Dirac-artiger, linearer DispersionD in der globalen Volumenbandlcke zwischen dem LeitungsbandminimumCBM und dem Valenzbandmaximum VBM. Die Lage des Dirac-Punkts DP istgekennzeichnet.

    terer Aspekt wurde die Rolle eines zustzlichen Symmetriebruchs innerhalbder Oberflchenebene diskutiert [49].

    2.3 Oberflchenlegierungen als Modellsysteme

    Eine wichtige Voraussetzung fr die Experimente dieser Arbeit ist die Wahleiner geeigneten Klasse von Materialsystemen, welche die Untersuchung derin der Einleitung genannten Fragestellungen ermglichen. Ideale Modellsys-teme im Zusammenhang dieser Fragestellungen zeichnen sich aus durch, ers-tens, eine einfache, wohldefinierte geometrische Struktur, zweitens, eine ein-fache elektronische Struktur mit starker SBK und wenigen, spektroskopischklar identifizierbaren Zustnden, und drittens, eine mglichst hohe Flexi-

  • 2.3. Oberflchenlegierungen als Modellsysteme 20

    K

    M

    kx

    kya1a2

    x

    y(a)

    (c)

    (b) z

    y

    z

    Abbildung 2.3: Geometrische Struktur einer geordneten Oberflchenlegie-rung auf der (111)-Oberflche eines fcc-Kristalls, wie etwa BiAg2/Ag(111) oderBiCu2/Cu(111). Die x-, die y- und die z-Achse sind jeweils entlang der kristal-lographischen Richtungen [1,1,2], [1,1,0] und [1,1,1] orientiert. Die Aufsicht in(a) zeigt die Atome der ersten drei Kristallschichten, wobei abnehmende Sym-bolgren tiefere Lagen kennzeichnen. Die Adsorbatatome (rot) substituierenjedes dritte Substratatom der obersten Lage, was in einer (

    3 3)R30-

    Rekonstruktion der Oberflche mit den neuen Basisvektoren a1 und a2 resul-tiert. Die xz-Ebene, normal zur [1,1,0]-Richtung, definiert eine Spiegelsymme-trieebene der Struktur. In (b) ist eine Seitenansicht der obersten zwei Kristall-schichten gezeigt. Die Position der Adsorbatatome entlang der z-Achse weichtvon derjenigen der Substratatome in der ersten Lage um den Relaxations-parameter z ab. Der Parameter z hngt von der jeweiligen Kombinationvon Adsorbat- und Substratspezies ab. Die Oberflchenbrillouinzone der re-konstruierten Oberflche ist in (c) dargestellt. Man findet, dass die K- bzw.die M-Richtung parallel zu den Richtungen [1,1,2] bzw. [1,1,0] orientiert ist.

    bilitt zur Vernderung chemischer und morphologischer Parameter. EineMaterialklasse, die diese Anforderungen erfllt und deshalb in dieser Arbeituntersucht wird, ist diejenige der geordneten Oberflchenlegierungen (surfacealloys) auf den (111)-Oberflchen der Edelmetalle Cu und Ag.

    Der Begriff Oberflchenlegierung bezeichnet hier eine Klasse adsorbatindu-

  • 2.3. Oberflchenlegierungen als Modellsysteme 21

    zierter kommensurabler Rekonstruktionen auf Metalloberflchen, deren Aus-bildung Substitutionen von Substratatomen durch Adsorbatatome in derobersten kristallinen Lage involviert. Ein Beispiel fr eine solche geordneteOberflchenlegierung ist das System BiAg

    2/Ag(111), das nach der Deposition

    von 1/3 Monolage (ML) Bi auf Ag(111) geformt wird [20]. Hierbei substituiertjedes Bi-Atom ein Ag-Atom der obersten atomaren Schicht und man erhlteine Oberflchenlegierung der Stchiometrie 1:2 (BiAg

    2). Die geordnete Sub-

    stitution resultiert in einer (3 3)R30-Rekonstruktion der Oberflche.

    Ein atomares Strukturmodell ist in Abb. 2.3 gezeigt. Neben BiAg2

    existieri-en zahlreiche weitere isostrukturelle Oberflchenlegierungen, wie etwa PbAg

    2

    [50], SbAg2

    [51], SbCu2 [51] und BiCu2 [52]. Die geometrische Struktur die-ser Oberflchenlegierungen unterscheidet sich lediglich durch die jeweiligeSubstratgitterkonstante und den Relaxationsparameter z, der die Positiondes Adsorbatatoms in Bezug auf die oberste atomare Lage des Substratsbeschreibt (vgl. Abb. 2.3.(b)).

    Der Rashba-Effekt in der elektronischen Struktur von BiAg2

    und PbAg2

    auf Ag(111) wurde erstmalig in Refs. [20], [53] und [54] experimentell undtheoretisch untersucht. Diese Studien belegen einvernehmlich, dass die elek-tronischen Zustnde dieser Oberflchenlegierungen sehr groe Spinaufspal-tungen zeigen. In Ref. [55] wurde kurz darauf die Spinpolarisation der Zu-stnde durch spinaufgelste ARPES-Messungen experimentell nachgewiesen.Ein typisches ARPES-Spektrum fr die Oberflchenlegierung BiAg

    2ist in

    Abb. 2.2.(b) gezeigt. Die elektronische Struktur der Oberflchenlegierungsetzt sich aus den zwei Bndern E

    1und E

    2mit negativer effektiver Masse

    zusammen, wobei lediglich E1

    vollstndig in den besetzten Zustnden liegt.Die Parameter k0 und E0, die sich aus dem Rashba-Modell ergeben, sind inAbb. 2.2.(b) eingezeichnet (vgl. Abb. 2.1). Bereits ein qualitativer Vergleichmit dem Spektrum zu Au(111) in (a) zeigt, dass die Rashba-Aufspaltung inBiAg

    2deutlich grer ist.

    Oberflchenlegierungen stellen vielversprechende Modellsysteme fr die Ex-perimente dieser Arbeit dar. Sie zeichnen sich durch eine wohldefinierte geo-metrische Struktur aus und ihre Zusammensetzung kann durch einfache Wech-sel von Adsorbat und Substrat variiert werden. Ihre elektronische Strukturist durch groe Rashba-Aufspaltungen gekennzeichnet und wird demzufol-ge stark durch die SBK beeinflusst. Ein weiterer positiver Aspekt ergibt sichaus der elektronischen Struktur der Substrate Ag und Cu(111), die nahe demFerminiveau eine geringe Zustandsdichte und eine lokale Volumenbandlckeum den -Punkt zeigen [56]. Die Messung der Zustnde der Oberflchen-legierung wird daher nur schwach durch unerwnschte Beitrge von Volu-menzustnden in den Spektren beeinflusst. hnlich wie saubere Oberflchen

  • 2.4. Topologische Isolatoren 22

    knnen Oberflchenlegierungen direkt durch zustzliche Adatome modifiziertwerden. Zudem besteht die Mglichkeit, die Oberflchenlegierung auf einemdnnen Film anstatt auf einem Einkristall herzustellen [57, 58, 59].

    2.4 Topologische Isolatoren

    Neben den bisher diskutierten Systemen exisitiert die Materialklasse der to-pologischen Isolatoren (TIs), deren Oberflchen ebenfalls spinaufgespaltene2DEGs aufweisen [22, 24]. Whrend TIs im Volumen des Kristalls isolie-rend sind, zeigen ihre Oberflchen metallische Zustnde, die das Leitungs-und das Valenzband des Volumenkristalls lokal miteinander verknpfen. DieExistenz dieser topologischen Oberflchenzustnde ist eine Konsequenz ausder nicht-trivialen Volumenbandstruktur von TIs und man geht daher davonaus, dass sich die Oberflchenzustnde durch eine hohe Robustheit gegenberUnreinheiten an der Oberflche auszeichnen [60].

    hnlich wie fr die bereits angesprochenen Oberflchen Au(111) oder BiAg2

    zeigen topologische Oberflchenzustnde eine Spinaufspaltung als Folge derSBK. Anders jedoch als im Fall dieser konventionellen 2DEGs ist die Di-spersion topologischer Oberflchenzustnde nherungsweise linear, sodass diekinetische Energie in Gl. 2.3 verschwindet. Als Folge ergibt sich fr die Di-spersion ein einzelner Dirac-Kegel D(k ) = EB k [60]. In Analogie zuGl. 2.3 und Gl. 2.4 ergibt sich aufgrund der Zeitumkehrsymmetrie ein Ent-artungspunkt bei (Dirac-Punkt) und eine helikale Spinstruktur. Allerdingsbestehen die Flchen konstanter Energie anders als in Abb. 2.1.(b) ledig-lich aus einer einzelnen kreisfrmigen Kontur. Dieser Unterschied dient alsKriterium zur Unterscheidung zwischen konventionellen und topologischenOberflchenzustnden [60].

    In ARPES-Experimenten und ab initio-Rechnungen wurden in der jngerenVergangenheit verschiedene Materialien als topologische Isolatoren identifi-ziert, die Oberflchenzustnde mit Dirac-artiger Dispersion zeigen [61, 62,63]. Hierzu gehren insbesondere die Halbleiter Bi2Se3 [64] und Bi2Te3 [65].Ein typisches ARPES-Spektrum fr Bi2Se3(0001) ist in Abb. 2.2.(c) gezeigt.Die Messung zeigt das Leitungsbandminimum CBM und das Valenzbandma-ximum VBM der Volumenbandstruktur. Innerhalb der Bandlcke befindetsich ein topologischer Oberflchenzustand mit annhernd linearer DispersionD um den Dirac-Punkt DP. Man beachte, dass anders als fr Au(111) inAbb. 2.2.(a) und BiAg

    2in (b) entlang positiver bzw. negativer Wellenvek-

    toren jeweils nur ein einzelner Bandzweig existiert. Die relativ groe Ener-gieskala des topologischen Oberflchenzustands von Bi2Se3(0001) und von

  • 2.4. Topologische Isolatoren 23

    verwandten Materialien, welche durch die Gre der Volumenbandlcke von300 meV bestimmt wird, erlaubt es, die fundamentalen Eigenschaften topo-logischer Isolatoren mit oberflchenspektroskopischen Methoden detailliertzu untersuchen und diese mit Ergebnissen zu konventionellen 2DEGs zu ver-gleichen.

  • 24

    Kapitel 3

    Methodik

    3.1 Photoelektronenspektroskopie

    Die Photoelektronenspektroskopie (PES, photoelectron spectroscopy) ist ei-ne Messmethode zur Erforschung der besetzten elektronischen Struktur vonAtomen, Moleklen und Festkrpern [66]. Die Methode bedient sich des pho-toelektrischen Effekts [67, 68, 69], der das Herauslsen eines Elektrons aus ei-ner Festkrperoberflche als Folge der Anregung durch ein Photon beschreibt.Die Energiebilanzgleichung des Photoeffekts lautet:

    h = EB +Ek +P , (3.1)mit der Photonenenergie h, der Bindungsenergie EB eines elektronischenZustands relativ zum Ferminiveau, der kinetischen Energie des Photoelek-trons Ek und der Austrittsarbeit der Probe P . Das Prinzip der PES bestehtin der Spektroskopie der Photoelektronen nach ihrer kinetischen Energie, wo-durch Informationen ber die Bindungsenergie EB erlangt werden.Die PES ist eine oberflchensensitive Methode, da die mittlere freie Weglngeder angeregten Elektronen im Anregungsenergiebereich zwischen 20 eV und1000 eV typischerweise weniger als 2 nm betrgt [70]. Sie ist daher besonderszur Untersuchung der elektronischen Struktur von Festkrperoberflchen undAdsorbatsystemen geeignet. Eine detaillierte Beschreibung der PES findetsich in Ref. [66].

    In den meisten PES-Apparaturen sind die Probe und der Detektor gemein-sam geerdet. In diesem Fall stellt das Ferminiveau eine geeignete Referenz-energie dar [71]. Es ist zu beachten, dass die kinetische Energie des Photo-elektrons keine Erhaltungsgre ist, da sich die Austrittsarbeiten von Probe

  • 3.1. Photoelektronenspektroskopie 25

    und Detektor und daher die entsprechenden Vakuumniveaus im Allgemeinenunterscheiden. Um die kinetische Energie Ekin des Photoelektrons im Spek-trometer zu bestimmen, muss in Gl. 3.1 die Austrittsarbeit der Probe durchdiejenige des Detektors ersetzt werden [71]:

    Ekin = h EB Det. (3.2)

    Die Austrittsarbeit des Detektors Det kann durch eine Messung der kineti-schen Energie Ekin am Ferminiveau (EB = 0) bestimmt werden.

    3.1.1 Winkelaufgelste Photoelektronenspektroskopie

    Werden Photoelektronen zustzlich zu der kinetischen Energie auch nach ih-rem Austrittswinkel aus der Probe spektroskopiert, so spricht man von derwinkelaufgelsten PES (ARPES, angle-resolved PES ), welche Zugang zu derDispersion von Energieniveaus EB(k) im Festkrper erlaubt [66, 72]. DerAustrittswinkel ist definiert durch den Azimutalwinkel e in der Probeno-berflchenebene und den Polarwinkel e relativ zur Oberflchennormalen. Inder Nherung freier Elektronen im angeregten Zustand ergeben sich einfachegeometrische Beziehungen zwischen den Winkeln e und e und den Wel-lenvektorkomponenten im Vakuum kx,vac und ky,vac parallel zur Oberflchesowie kz,vac senkrecht zur Oberflche. Unter Vernachlssigung des Photonen-impulses und durch Ausnutzung der Impulserhaltung parallel zur Oberflcheerhlt man [66]:

    kx = kx,vac =

    2me

    h2Ekin sine cose

    ky = ky,vac =

    2me

    h2Ekin sine sine.

    (3.3)

    Hierbei bezeichnen kx und ky die Wellenvektorkomponenten des Elektrons imFestkrper. Die Komponente kz ist im Photoemissionsprozess aufgrund derOberflchenpotentialbarriere nicht erhalten und kann nur durch systemati-sche, photonenergieabhngige Messungen nherungsweise bestimmt werden.In dieser Arbeit wurden lediglich zweidimensionale Zustnde untersucht, de-ren Dispersion keine Abhngigkeit von kz zeigt. Auf eine Bercksichtigungvon kz konnte daher verzichtet werden.

    Ein vollstndiger ARPES-Datensatz fr ein zweidimensionales System be-steht aus der Photoemissionsintensitt I(EB, kx, ky), die sich nach Gl. 3.1und Gl. 3.3 aus der gemessenen Intensitt I(Ekin, e, e) ergibt. Fr eine

  • 3.1. Photoelektronenspektroskopie 26

    genauere Beschreibung der Aufnahme und Umrechnungsprozeduren dieservierdimensionalen Datenvolumina sei auf Refs. [71, 73, 74] verwiesen. DieARPES-Daten werden zweckmig durch zweidimensionale Darstellungender Intensitt wie I(EB = const., kx, ky) (Flche konstanter Energie) oderI(EB, kx, ky = const.) (Dispersion) visualisiert. Zur quantitativen Analyse ei-nes Datensatzes werden eindimensionale Spektren bei konstantem Wellenvek-tor I(EB) (EDC, energy distribution curve) oder bei konstanter Bindungs-energie entlang einer Wellenvektorkomponente I(kx) (MDC, momentum dis-tribution curve) betrachtet. Die aus diesen Daten bestimmten Wertepaare(EB, kx, ky), an denen Maxima in der Photoemissionsintensitt I auftreten,knnen im Ein-Teilchen-Bild des Festkrpers mit der Bandstruktur des un-tersuchten Systems (kx, ky) identifiziert werden [71]. Man hat also:

    I(EB, kx, ky) EB(kx, ky)I=max = (kx, ky). (3.4)

    Die Linienform eines Peaks in den EDC- und MDC-Schnitten setzt sich zu-sammen aus intrinsischen und extrinsischen Beitrgen. Der intrisische Bei-trag resultiert aus der Lebensdauer des Photolochs, die aufgrund von Viel-teilchenwechselwirkungen endlich ist, und wird meist durch ein Lorentz-Profil beschrieben [71]. Der extrinsische Beitrag geht auf das endliche Aufl-sungsvermgen der Messapparatur zurck und wird blicherweise durch einGau-Profil angesetzt. Genauere Beschreibungen der ARPES im Kontextvon Vielteilcheneffekten im Festkrper stehen in der Literatur zur Verfgung[66, 71, 72, 75, 56]. Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit ist die SBK undihr Einfluss auf die Ein-Teilchen-Bandstruktur E(kx, ky). Die experimentel-len Daten werden daher nach Gl. 3.4 analysiert.

    3.1.2 Spin- und winkelaufgelste Photoelektronenspek-troskopie

    Die spin- und winkelaufgelste Photoelektronenspektroskopie (SARPES, spin-and angle-resolved PES ) ist eine erweiterte Variante der ARPES zur zustzli-chen Messung der impulsabhngigen Spinpolarisation elektronischer Zustn-de im Festkrper [76, 29, 77]. Die Detektion des Photoelektronenspins gelingtblicherweise durch die Ausnutzung spinabhngiger Streuprozesse an Streu-krpern, die entweder magnetisierbar sind oder aus Elementen mit starkerSBK bestehen. Im zweiten Fall spricht man von der Mott-Streuung bzw. demMott-Detektor [78]. Diese Methode ist verbreitet und wurde auch im Rah-men dieser Arbeit angewendet. Hierbei werden die Photoelektronen zunchstdurch ein ARPES-Experiment nach kinetischer Energie und Austrittswinkel

  • 3.1. Photoelektronenspektroskopie 27

    vorselektiert, um daraufhin zu hohen Energien um 25 keV beschleunigt und insenkrechter Einfallsrichtung auf einen Streukrper aus beispielsweise Au oderTh gelenkt zu werden. Die anschlieende Detektion der Elektronen erfolgt inRckstreugeometrie. Der schematische Aufbau eines Mott-Detektors ist inAbb. 3.1 dargestellt. Fr ein einfallendes Elektron mit spin-up (spin-down)in Bezug auf eine Spinquantisierungsachse entlang der y-Achse besteht inder gezeigten Anordnung eine hhere Wahrscheinlichkeit, nach links (rechts)in der xz-Ebene gestreut zu werden [29]. Betrachtet man also beispielsweiseeinen Strahl von Elektronen, die sich berwiegend im Zustand spin-up befin-den, so kann dies durch ein erhhtes Messsignal in Detektor C2 gegenber C4gemessen werden. Analoge berlegungen gelten fr eine Spinquantisierungs-achse entlang der z-Achse und die Detektoren C1 und C3 in der xy-Ebene.Die gemessene Asymmetrie A in Bezug auf eine bestimmte Spinquantisie-rungsachse ergibt sich zu:

    A = IL IRAexpIL + IRAexp =

    IL IRAexpItot

    , (3.5)

    wobei IL und IR die Intensitten der nach links und rechts gestreuten Elek-tronen und Itot deren Summe bezeichnen. Der Korrekturfaktor Aexp berck-sichtigt Unterschiede in der Detektionseffizienz und andere instrumentelleAsymmetrien zwischen den Detektoren C2 und C4 bzw. C1 und C3. Aexpwird typischerweise durch Charakterisierungsmessungen an unpolarisiertenElektronen bestimmt. Die Spinpolarisation P des Photoelektronenstrahls imVakuum entlang der gewhlten Achse ist dann gegeben durch:

    P = A/Seff . (3.6)

    Die Gre Seff (effective Sherman function) gibt die gemessene AsymmetrieA fr den Fall eines vollstndig polarisierten Elektronenstrahls mit P = 1an und ist detektorspezifisch. Sie muss wie Aexp durch Charakterisierungs-messungen bestimmt werden und liegt typischerweise bei Werten zwischen0.05 und 0.2. Die Spinpolarisation P bezieht sich wie die Asymmetrie A aufeine bestimmte Quantisierungsachse, die durch die Position der jeweiligenDetektoren bestimmt wird. Dies kann durch einen weiteren Index gekenn-zeichnet werden, z.B. Py. Es ist weiterhin sinnvoll, die Spinpolarisation alsVektor P = (Px, Py, Pz) einzufhren. Die Richtung des Vektors P wird imFolgenden auch als Spinorientierung bezeichnet. Die beiden zentralen Grender SARPES sind die Spinpolarisation P und die Gesamtintensitt Itot, diesich direkt aus den Messsignalen IL und IR ergeben. Aus ihnen lassen sichdie separierten Spektren I der spin-up- und I der spin-down-Elektronen

  • 3.1. Photoelektronenspektroskopie 28

    x

    yz

    e-

    Mott target

    25 keV

    C1

    Py

    C4

    C2

    C3

    Pz

    Abbildung 3.1: Schematische Skizze eines Mott-Detektors zur Messung derSpinpolarisation eines Elektronenstrahls. Die Elektronen werden bei hohenEnergien (25 keV) im senkrechten Einfall entlang der x-Achse auf einen Streu-krper beschleunigt. Die Detektorpaare C1 und C3 bzw. C2 und C4 ermgli-chen die Messung von Streuasymmetrien innerhalb einer geometrischen Ebenedes Laborkoordinatensystems. Eine Streuasymmetrie in der xz-Ebene ergibtsich im Falle einer Spinpolarisation Py des Elektronenstrahls senkrecht zu die-ser Ebene entlang y. Die Achsen- und Detektorbezeichnungen wurden entspre-chend dem experimentellen Aufbau gewhlt, der in Kap. 3.3.2 beschrieben wirdund der fr die spinaufgelsten Messungen in Kap. 4.2 verwendet wurde.

    berechnen:

    I = (1 + P ) Itot/2I = (1 P ) Itot/2 (3.7)

    Misst man also P und Itot als Funktion der Emissionswinkel e und e so-wie der kinetischen Energie Ekin, so wird ein spin- und winkelaufgelstesPhotoelektronenspektrum aufgenommen.

    Es ist anzumerken, dass der Zusammenhang zwischen der gemessenen Spin-polarisation P der Photoelektronen und der intrinsischen Spinpolarisation Pi

  • 3.2. Dichte-Funktional-Theorie 29

    des Anfangszustands komplex ist und dass im Allgemeinen keine quantita-tive bereinstimmung der beiden Gren besteht. Die Ursache hierfr sindverschiedene Effekte neben einer Spinpolarisation Pi des Anfangszustands,die eine Spinpolarisation der Photoelektronen P hervorrufen knnen (siehez.B. Ref. [79] und weitere Referenzen darin). Insbesondere in ferromagne-tischen Systemen sind spinabhngige Vielteilcheneffekte und spinabhngigemittlere freie Weglngen der Photoelektronen als Faktoren bekannt, die zuUnterschieden zwischen P und Pi fhren. Im Kontext des in dieser Arbeituntersuchten nicht-magnetischen und schwach korrelierten Materialsystemssind diese Prozesse nicht zu bercksichtigen. Allerdings kann auch die SBKdie Spinpolarisation P beeinflussen, indem sie spinabhngige bergangsma-trixelemente hervorruft [41]. Diese Effekte hngen zudem von der Polarisationder anregenden Photonen und der experimentellen Geometrie ab. Die mgli-chen Einflsse der SBK auf P sind fr die vorgestellten Experimente relevantund mssen beachtet werden. Der Zusammenhang zwischen P und Pi in denExperimenten dieser Arbeit wird in der Ergebnisprsentation in Kap. 4.2.2genauer diskutiert werden.

    Fr die Spinpolarisation P wird blicherweise der statistische MessfehlerP = (Seff

    Itot)1 angegeben. Die Fehler in I und I ergeben sich durch

    Fehlerfortpflanzung. Mit dem Mott-Sreuprozess geht eine deutliche Verringe-rung der Signalstrke einher, sodass das Verhltnis zwischen den Intensittender gezhlten und der einfallenden Elektronen typischerweise etwa drei bisvier Grenordnungen betrgt [29]. Im Vergleich mit der ARPES mssenaufgrund dieser Detektionsineffizienz deutliche Einbuen in der Energie- undWinkelauflsung sowie lngere Messsignal-Integrationszeiten in Kauf genom-men werden.

    3.2 Dichte-Funktional-Theorie

    Die Dichte-Funktional-Theorie (DFT) ist eine Methode, die fr die Berech-nung der elektronischen Struktur von Atomen, Moleklen und insbesonderevon kondensierter Materie eingesetzt wird [80, 81]. Sie bentigt keine empiri-schen Parameter, um physikalische Vorhersagen zu treffen, und gehrt daherzu der Gruppe der ab initio-Methoden [82]. Die DFT wird in einem weitenBereich der naturwissenschaftlichen Forschung bis hin zur Materialwissen-schaft angewendet.

    Die Grundlage der DFT bildet das Theorem von Hohenberg und Kohn, wel-ches besagt, dass, erstens, die Gesamtenergie eines wechselwirkenden Viel-teilchensystems in einem statischen externen Potential ein eindeutiges Funk-

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 30

    tional der Elektronendichte ist, und dass, zweitens, eine Minimierung derGesamtenergie unter Variation der Elektronendichte die physikalische Grund-zustandsenergie und- elektronendichte des Systems liefert [80]. Unter der An-nahme fixer Atompositionen (Born-Oppenheimer-Nherung) kann die DFTalso fr die theoretische Bestimmung des elektronischen Grundzustands ei-nes Festkrpers herangezogen werden. Allerdings mssen in der Praxis N-herungen angewendet werden, da kein exakter Ausdruck fr die elektroni-sche Korrelationsenergie vorliegt. Fr schwach korrelierte Systeme liefert dieDFT oft quantitative bereinstimmungen mit Experimenten, whrend sichin Systemen mit starken Korrelationseffekten deutliche Diskrepanzen erge-ben. Die Minimierung der Gesamtenergie nach der Elektronendichte mn-det in einem Gleichungssystem (Kohn-Sham-Gleichungen), das formal iden-tisch zu einem Satz von Ein-Teilchen-Schrdinger-Gleichungen eines nicht-wechselwirkenden Systems ist [81]. Hufig werden die Eigenwerte und Eigen-funktionen der Kohn-Sham-Gleichungen in schwach korrelierten Systemenals Bandstruktur und Einteilchen-Wellenfunktionen aufgefasst. Dieser Vor-gehensweise wurde auch in dieser Arbeit gefolgt. Weitergehende Literatur zuden Grundlagen und den zahlreichen Mglichkeiten zur numerischen Umset-zung der DFT findet sich beispielsweise in Ref. [82].

    Die Berechnungen in Kap. 4 zu dem System BiCu2/Cu(111) wurden vonDr. Gustav Bihlmayer (Forschungszentrum Jlich) durchgefhrt. Dr. Sa-mir Abdelouahed (Texas A&M University at Qatar, Doha, Qatar) und PD Dr.Jrgen Henk (Universitt Halle) fertigten Rechnungen zu dem System BiAg

    2

    auf Ag/Au(111) in Kap. 6 an. Als Grundlage aller Berechnungen diente dasComputerprogramm FLEUR [83], das auf der DFT basiert. Die numerischenDetails der Rechnungen sind in den entsprechenden Verffentlichungen ange-geben und es wird hier lediglich darauf verwiesen: fr BiCu2/Cu(111) sieheRef. [32] und Ref. [33], fr BiAg

    2/Ag/Au(111) siehe Ref. [34].

    3.3 Experimentelle Aufbauten

    Die experimentellen Ergebnisse dieser Arbeit wurden an zwei verschiedenenApparaturen erzielt. Der Hauptanteil der Messungen wurde im Labor frwinkelaufgelste Photoelektronenspektroskopie in Wrzburg durchgefhrt.Ergnzende Daten wurden im Labor fr spin- und winkelaufgelste Pho-toelektronenspektroskopie in Chiba aufgenommen, um die Mglichkeit zurzustzlichen Messung der Spinpolarisation auszunutzen.

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 31

    3.3.1 Messapparatur in Wrzburg

    Die ARPES-Apparatur wird im Ultrahochvakuum (UHV) mit Basisdrckenunter 21010 mbar betrieben. Die Anlage besteht aus drei Edelstahlkammern,welche durch Ventile voneinander getrennt sind. Diese Kammern dienen je-weils dem Ein- und Ausschleusen von Proben, der in situ-Probenprparationund der Durchfhrung des ARPES-Experiments. Die wesentlichen Kompo-nenten der Apparatur sind ein Halbkugelanalysator SCIENTA R4000 derFirma GAMMADATA zur Spektroskopie der Photoelektronen, ein 4-AchsenManipulator mit Kryostat zur Khlung der Probe mit flssigem He, einemonochromatisierte Edelgaslichtquelle fr Anregung im ultravioletten (UV)Energiebereich und eine monochromatisierte Rntgenrhre fr hherenerge-tische Anregung.

    Die Detektion der Photoelektronen nach Durchlaufen der abbildenden, elek-tronenoptischen Elemente des Analysators erfolgt durch ein Multichannelpla-te (MCP) und einen rckseitig des MCPs gelegenen Phosphor-Leuchtschirm,der mit einer CCD-Kamera aufgenommen wird. Beim Eingang in den Halb-kugelplattenkondensator passieren die Photoelektronen einen Eintrittsspaltvariabler Breite, dessen Wahl die Energie- und Winkelauflsung sowie dieTransmission des Spektrometers mitbestimmt. Der Analysator kann in un-terschiedlichen Messeinstellungen betrieben und damit den Anforderungendes jeweils geplanten Experiments angepasst werden. Grundstzlich stehenein winkelintegrierter (Transmission) und ein winkelaufgelster (Angular)Modus zur Verfgung. Der Transmissionsmodus eignet sich zur Spektrosko-pie dispersionsloser Strukturen wie etwa Rumpfniveaus, kann aber auch frortsaufgelste Messungen verwendet werden. Der Angularmodus erlaubt diezeitlich parallele Auflsung des Austrittswinkels e innerhalb der Eintritts-spaltebene sowie der kinetischen Energie Ekin der Photoelektronen und er-mglicht daher nach Gl. 3.1 und Gl. 3.3 die Spektroskopie impulsabhngigerEnergieniveaus in einer einzelnen Messung. Das grtmgliche, parallel de-tektierbare Austrittswinkelintervall betrgt 15, welches zu Gunsten derWinkelauflsung auf 7 verringert werden kann. Der Analysator kann unterVerwendung verschiedener Pass-Energien zwischen 1 eV und 200 eV genutztwerden. Hhere Pass-Energien steigern die Transmission des Spektrometersund das parallel detektierbare Intervall der kinetischen Energie; sie verringernjedoch die Energieauflsung.

    Als Photonenquellen im UV-Bereich dienen mikrowellengetriebene Gasent-ladungslampen mit entsprechenden Monochromatoren. Die Experimente zudieser Arbeit wurden unter Verwendung von zwei verschiedenen Lampen-systemen, L1 und L2, durchgefhrt. Die Ergebnisse aus dem Wrzburger

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 32

    Labor in den Kapiteln 4, 5, 6 und 7 wurden mit dem System L1 der FirmaGAMMADATA gewonnen. Es besteht aus einer Gasentladungslampe vomTyp VUV 5010 fr He und einem Monochromator. Fr die Messungen zuden Resultaten in Kap. 9 wurde das System L2 der Firma MB Scientificgenutzt. Dieses System beinhaltet zwei monochromatisierte Gasentladungs-lampen fr die Edelgase He und Xe. Fr beide Systeme ist die geometrischeOrientierung der Probe in Normalemission und des Monochromators derart,dass das einfallende Licht teilweise s-polarisiert ist. Whrend des Betriebs derHe-Lampen stieg der Druck in der Messkammer durch Gasdiffusion aus demLampenbrennraum auf 1 109 mbar (L1) und 6 109 mbar (L2). Fr die Mes-sungen im Wrzburger Labor wurden ausschlielich He-Lampen verwendet.Die mglichen Anregungsenergien sind h = 21.22 eV (He I), h = 23.09 eV(He I), h = 40.84 eV (He II) und h = 48.37 eV (He II). Zur Rumpfelek-tronenspektroskopie wird eine Rntgenrhre mit Aluminiumanode (Al-K)betrieben, welche ber einen fokussierenden Siliziummonochromator verfgt(h = 1486.6 eV).Die Charakterisierung der Realraumstruktur von Probenoberflchen erfolgtdurch Elektronenstreuung mittels einer LEED-Einheit (Low Energy ElectronDiffraction) in der Prparationskammer. An dieser Kammer sind des Weite-ren verschiedene Verdampferquellen zur Epitaxie von Metallen installiert. In-besondere gehren hierzu mehrere Elektronenstrahlverdampfer und Knudsen-zellen sowie ein Alkalimetallverdampfer. Zur chemischen Suberung der Pro-ben steht eine Sputtergun zur Verfgung, die unter der Verwendung von Ar-Gas betrieben wird. Weiterhin knnen die Proben durch ein W-Glhfilamentgeheizt werden. Das Filament kann auf Hochspannung (400600V) gelegtwerden, um durch Elektronenstoheizung hohe Heiztemperaturen zu errei-chen.

    Zur Durchfhrung des Photoemissionsexperiments werden die Proben aufeinen entsprechenden Aufnehmer am Manipulatorkopf platziert. Der Mani-pulator erlaubt die Translation der Probe in die drei Raumrichtungen so-wie ihre Rotation um die Kammerachse entlang derer auch der Eintrittss-palt des Spektrometers orientiert ist. Durch winkelaufgelste Messungen frschrittweise vernderte Drehwinkel der Probe kann somit der Photostrom alsFunktion der beiden Austrittswinkel e und e und der kinetischen EnergieEkin vermessen werden [73, 74]. Der Manipulator ist weiterhin mit einemVerdampferkryostaten mit offenem Heliumkreislauf bestckt. Der Kryostaterlaubt es, die Proben bis zu einer Temperatur von knapp unter 10 K zukhlen.

    Die Energieauflsung der Apparatur wurde in vorangegangenen Arbeiten ein-gehend charakterisiert [84, 73, 74]. Sie unterscheidet sich nicht signifikant

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 33

    fr die beiden Lichtquellen L1 und L2 [74]. Die hchstmgliche Auflsungergibt sich zu 2.20 meV. Fr Auflsungen unter 3 meV mssen allerdingssehr geringe Zhlraten des Spektrometers in Kauf genommen werden, welchedie notwendigen Integrationszeiten in den Messungen erhhen. Insbesonderefr oberflchenlokalisierte Zustnde sind lange Messintegrationszeiten nach-teilig, weil bereits nach wenigen Minuten messbare Probenalterungseffekteauftreten knnen [84]. Die hier vorgestellten ARPES-Experimente an derWrzburger Apparatur wurden bei Pass-Energien von 5 eV und 10 eV so-wie einem Eintrittsspalt von 0.3 mm durchgefhrt. Die Energieauflsungenfr diese Parameter sind 5 meV und 7.6 meV [73, 74]. Die resultierendenZhlraten ermglichten es, winkelaufgelste Spektren mit hohem Signal-zu-Rausch-Verhltnis innerhalb weniger Minuten und zweidimenisonale Flchenkonstanter Energie innerhalb weniger Stunden aufzunehmen. In allen Mes-sungen wurden Photoelektronen in einem Austrittwinkelintervall von 15parallel detektiert. Die Winkelauflsung liegt bei etwa 0.3 (vgl. Ref. [71]).In der Datenprsentation der spteren Kapitel werden die MessparameterAnregungsenergie h, Energieauflsung E und Messtemperatur T in denjeweiligen Bildunterschriften angegeben.

    3.3.2 Messapparatur in Chiba

    Die SARPES-Apparatur in Chiba wird betreut von Prof. Dr. Kazuyuki Saka-moto (Universitt Chiba, Japan). Sie besteht aus drei, durch Ventile vonein-ander getrennten UHV-Kammern. Eine kleine Kammer wird zum Ein- undAusschleusen von Proben genutzt und ist zustzlich mit einer Sputtergunbestckt. Weiterhin existieren eine Kammer zur Probenprparation und ei-ne Kammer zur Durchfhrung des Photoemissionsexperiments. Die zentralenInstrumente der Apparatur sind ein SCIENTA R4000 Elektronenanalysatorin Verbindung mit zwei Mott-Detektoren der Firma GAMMADATA, einemonochromatisierte Xe-Gasentladungslampe der Firma MB Scientific undeine unmonochromatisierte He-Gasentladungslampe der Firma Specs. Wei-terhin steht ein Manipulator zur Verfgung, der die Bewegung der Probe aufder Messposition und deren Khlung mit flssigem Stickstoff ermglicht. ZurProbenprparation sind an der Apparatur eine LEED-Einheit, ein Heizfila-ment und mehrere selbstgebaute Verdampfer mit resistiver Heizung instal-liert.

    Der Elektronenanalysator ist bis auf eine modifizierte Detektoreinheit bau-gleich zum Spektrometer in Wrzburg und bietet daher die bereits im voran-gegangenen Kapitel beschriebenen Messmodi. Zustzlich besteht am Spek-trometer in Chiba die Mglichkeit zur Messung der Spinpolarisation der

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 34

    x

    y

    z

    P

    He

    Xe

    e-Mott target

    25 keV

    Pz

    Pye-

    entrance

    slit

    e

    ee

    sample

    Abbildung 3.2: Schematische Skizze zur Messgeometrie an der Apparaturfr spin- und winkelaufgelste Photoemission in Chiba. Die Abbildung zeigtdie wesentlichen Komponenten des SARPES-Experiments und deren Orientie-rung innerhalb des Laborkoordinatensystems. Die Probe ist um die y-Achserotierbar und liegt fr Normalemission in der xy-Ebene. Der Eintrittsspalt desAnalysators ist entlang der y-Achse orientiert. Der Mott-Streukrper liegt inder yz-Ebene und ist daher sensitiv auf die Spinpolarisationen Py und Pz (vgl.Abb. 3.1). Weiterhin sind die beiden Lichtquellen He und Xe eingezeichnet.Die Emissionswinkel e gegen die Oberflchennormale und e innerhalb derProbenebene sind eingezeichnet. Entlang positver x-Richtung gilt e = 0.

    Photoelektronen bezogen auf alle drei Raumrichtungen mittels zweier Mott-Detektoren. Hierzu ist das MCP (Radius 40 mm) des Analysators ersetztdurch ein MCP mit kleinerer Flche (Radius 25 mm) und zwei Austritts-aperturen variabler Gre. Hinter den Aperturen befindet sich jeweils eine90-Transferlinse zur Ablenkung der Photoelektronen in den entsprechen-den Mott-Detektor. Die Detektoren bestehen aus einem Th-Streukrper so-wie vier Channeltrons und arbeiten bei einer Beschleunigungsspannung von25 kV (vgl. Abb. 3.1).

    Abb. 3.2 stellt die Messgeometrie des SARPES-Experiments schematisch dar.

  • 3.3. Experimentelle Aufbauten 35

    Die Probe besitzt die Translationsfreiheitsgrade entlang der drei rumlichenAchsen des Laborkoordinatensystems. Des Weiteren besteht die Mglichkeitzur Probenrotation p um die y-Achse. Der Eintrittsspalt des Analysatorsist entlang der y-Achse orientiert. Im spinaufgelsten Modus werden diejeni-gen Elektronen durch die Austrittsapertur in den Mott-Detektor abgelenkt,die entlang der z-Achse emittiert werden. Spinaufgelste Spektren bei unter-schiedlichen Wellenvektoren kx knnen somit durch Variation des Proben-winkels p aufgenommen werden. Im Gegensatz zu einer Standard-ARPES-Messung musste in den SARPES-Experimenten auf das Vorzeichen von kxgeachtet werden, da die absolute Spinorientierung in die Richtungen kx undkx bestimmt werden sollte. Deshalb muss beachtet werden, dass bei posi-tiver bzw. negativer rechtshndiger Rotation p aus der Normalemission beinegativen bzw. positiven Wellenvektoren kx gemessen wird, da fr Elektro-nen, die entlang der z-Achse emittiert werden, im ersten Fall e = 180 und imzweiten Fall e = 0 gilt. Man vergleiche hierzu Gl. 3.3. In der Diskussion derspinaufgelsten Daten in Kap. 4.2 werden winkelabhngige Spektren durchden Winkel e = e cose bezeichnet, sodass die Vorzeichen von Winkel- undWellenvektorangaben bereinstimmen.

    In den Experimenten zu dieser Arbeit wurde nur einer der beiden verfgbarenMott-Detektoren genutzt. Dieser ist so orientiert, dass der Th-Streukrper inder yz-Ebene liegt (siehe Abb. 3.2). Die Messungen sind somit sensitiv aufdie Py- und die Pz-Komponenten der Spinpolarisation. Man vergleiche hier-zu auch Abb. 3.1, in der die gleichen Achsenbezeichnungen wie in Abb. 3.2verwendet werden. Der Mott-Detektor wurde durch Charakterisierungsmes-sungen an einer Bi(001)- und einer Si(001)-Oberflche kalibiriert [85]. DerWert fr Seff wurde hieraus zu 0.18 und die Werte fr Aexp zu 0.98 fr diey-Achse (Detektoren C2 und C4) sowie zu 0.95 fr Pz bestimmt (DetektorenC1 und C3).

    Die Anregung der Photoelektronen geschieht durch zwei Gasentladungslam-pen. Die mikrowellengetriebene, monochromatisierte Lampe von MB Scien-tific nutzt Xe-Gas und stellt Photonen der Energie h = 8.44 eV (Xe I) zurVerfgung. Der Brennraum der Lampe ist durch ein transmittierendes MgF-Fenster von der UHV-Anlage getrennt. Es ist daher mglich, PES-Messungenbei dem Basisdruck der Kammer von 2 1010 mbar durchzufhren und somitProbenalterungseffekte zu reduzieren. Dies ist insbesondere fr die SARPESvorteilhaft, da hier lange Integrationszeiten der Spektren erforderlich sind.Des Weiteren ist eine unmonochromatisierte He-Lampe der Firma Specs in-stalliert. Bei der Verwendung dieser Lichtquelle stieg der Druck in der Mess-kammer auf etwa 2108 mbar. Aufgrund des erheblich verschlechterten Kam-merdrucks wurde vornehmlich mit der Xe-Lampe gearbeitet. Die Einfallsebe-

  • 3.4. Probenprparation 36

    nen der Lichtquellen sind die xz-Ebene fr Xe, bei e = 180, und die yz-Ebene fr He, bei e = 90. Die Einfallswinkel betragen 45 fr He und 55 frXe, wenn die Probe in Normalemission liegt (p = 0). Der Monochromatorder Xe-Lampe ist so orientiert, dass das Licht teilweise s-polarisiert (entlangder y-Achse) ist (vgl. Abb. 3.2).

    Die nominelle Energie- und Winkelauflsung der SARPES-Messungen ergabsich im Wesentlichen aus der Pass-Energie sowie aus den Gren des Ein-trittsspalts und der Austrittsapertur des Halbkugelkondensators. Die Breitender verwendeten Eintrittsspalte betrugen 1.5 mm und 4 mm. Als Austrittsa-pertur wurde eine rechteckige Blende (2 mm auf 3 mm) und eine kreisfrmigeBlende (Durchmesser 4 mm) verwendet. Bei Messungen mit der Xe-Lampe(He-Lampe) wurden Pass-Energien von 5 eV und 10 eV (20 eV) verwen-det. Die resultierenden Energieauflsungen fr die verwendeten Einstellun-gen liegen nach Abschtzungen zwischen 100 meV und 160 meV. Die Winke-lauflsungen innerhalb der Spaltebene betragen laut Herstellerangaben 1.5(rechteckige Blende) und 3 (runde Blende). In der Datenprsentation inKap. 4.2 werden die Parameter Anregungsenergie, Energieauflsung E undMesstemperatur T in den jeweiligen Bildunterschriften angegeben.

    3.4 Probenprparation

    3.4.1 BiCu2/Cu(111) und BiAg2/Ag(111)

    Die Prparation chemisch reiner und wohlstrukturierter Cu(111)- und Ag(111)-Oberflchen erfolgte durch Sputtern und Heizen von einkristallinen, poliertenProben im UHV ohne weitere Vorbehandlung auerhalb des Vakuums. DieSputter-Vorgnge wurden bei einem Ar-Partialdruck von 5 105 mbar undBeschleunigungsspannungen von 0.53 kV durchgefhrt. Die Heiztemperatu-ren betrugen typischerweise 750850C. Zur Bestimmung der Oberflchen-qualitt dienten in erster Linie Messungen der Photoemissionslinienbreitender Oberflchenzustnde der Edelmetallsubstrate, die eine sensible Sonde frdie Existenz von Defekten auf der Oberflche darstellen [84]. Hierbei wurdedie Probenqualitt als hinreichend fr weitere Experimente erachtet, wenndie Linienbreiten weniger als 20 meV fr Ag(111) und weniger als 40 meVfr Cu(111) betrugen. Weiterhin wurde die Realraumordnung der Oberfl-chen durch LEED berprft. Ein Beispielspektrum des Oberflchenzustandsvon Cu(111) ist in Abb. 3.3.(a) gezeigt. Die maximale Bindungsenergie am-Punkt betrgt 435(5) meV, in guter bereinstimmung mit Literaturwerten[86].

  • 3.4. Probenprparation 37

    (a) (b) (c)

    64 eV 64 eV(1x1) (3x3)

    -0.5

    -0.4

    -0.3

    -0.2

    -0.1

    0.0

    E-E

    F [e

    V]

    -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2Wave vector [1/]

    Abbildung 3.3: Charakterisierung der sauberen Oberflche Cu(111) undder Oberflchenlegierung BiCu2/Cu(111). Das winkelaufgelste Spektrum ent-lang M in (a) zeigt den Oberflchenzustand von Cu(111) [He I, T = 74 K,E = 7.6 meV]. Die gestrichelte Linie in (a) deutet die Kante der projizier-ten L-Bandlcke an, deren Dispersionsparameter Ref. [31] entnommen wurden.Die LEED-Aufnahme in (b) zeigt die (1 1)-Periodizitt des unrekonstruier-ten Substrats. In der LEED-Aufnahme in (c), die nach der Legierungsbildungaufgenommen wurde, sind zustzliche Reflexe sichtbar. Diese verifizieren dieAusbildung einer (

    33)R30-Rekonstruktion und besttigen somit die er-

    folgreiche Prparation der Oberflchenlegierung.

    Zur Herstellung der Oberflchenlegierungen BiCu2 und BiAg2 wurde Bi mit-tels einer kommerziellen Knudsenzelle (Wrzburg) oder eines selbstgebautenVerdampfers (Chiba) bei Tiegeltemperaturen um 500C deponiert. Die Aus-bildung der Oberflchenlegierungen umfasst atomare Substitutionen und esist notwendig, die ntige Aktivierungsenergie fr diesen Prozess bereitzustel-len. Hieraus ergeben sich im Wesentlichen zwei verschiedene Prparations-mglichkeiten. Im ersten Fall erfolgt die Bedampfung von 1/3 ML direkt aufein geheiztes Substrat. Im zweiten Fall wird zunchst eine grere MengeAdsorbatatome aufgedampft, um anschlieend durch Tempern berschssi-ges Material abzudampfen und die Legierung auszubilden. Innerhalb dieserArbeit wurde fr alle ARPES-Experimente im Wrzburger Labor die ersteMethode angewendet. Hierzu wurde das saubere Substrat zunchst mild aufca. 200C geheizt und danach, whrend der Abkhlphase, fr 510 Minutenbedampft. Diese Vorgehensweise ermglichte die Prparation wohlgeordneterOberflchen, die Photoemissionsdaten hervorragender Qualitt lieferten. Diezweite Methode wurde ausschlielich fr die SARPES-Experimente in Chi-ba an BiCu2/Cu(111) aufgrund technischer Gegebenheiten benutzt. Dazuwurden zunchst wenige ML Bi deponiert. Anschlieend wurde bei sukzes-

  • 3.4. Probenprparation 38

    siv steigenden Heizleistungen getempert bis im LEED-Experiment die Aus-bildung der Oberflchenlegierung zu beobachten war. Auch in diesem Fallkonnten Daten hoher Qualitt gewonnen werden, wobei wegen der unter-schiedlichen Messtemperaturen kein direkter Vergleich mit den Daten ausWrzburg mglich ist. Die Dampfraten betrugen in allen Fllen zwischen0.03 und 0.06 ML/min.

    Nach jeder Prparation wurde ein LEED-Experiment durchgefhrt, um dieAusbildung der kommensurablen (

    33)R30-Rekonstruktion der Oberfl-

    chenlegierungen zu berprfen. Abb. 3.3 zeigt LEED-Aufnahmen, die diesenCharakterisierungsschritt verdeutlichen. In (b) ist die hexagonale (1 1)-Struktur der sauberen Cu(111)-Oberflche sichtbar. In (c) ist eine LEED-Aufnahme nach der Prparation der Oberflchenlegierung BiCu2 gezeigt, inder die (

    3 3)R30-Rekonstruktion zu erkennen ist. Bei Bedeckungen,

    die 1/3 ML leicht berstiegen, wurden sehr intensittsschwache, zustzlicheReflexe beobachtet (vgl. Ref. [87]). In ARPES-Messungen wurden bei diesengeringen Abweichungen von der genauen Bedeckung keine nderungen desMesssignals festgestellt.

    3.4.2 Bi2Se3(0001)

    Die Bi2Se3(0001)-Probe wurde durch Molekularstrahlepitaxie unter UHV-Bedingungen am Lehrstuhl fr Experimentelle Physik III (Universitt Wrz-burg) unter Leitung von Prof. Dr. Karl Brunner und Prof. Dr. Laurens Molen-kamp hergestellt. Der Bi2Se3-Film hatte eine Dicke von 2m und wurde aufeinem undotierten Si(111)-Substrat wachsen gelassen. Nach dem Wachstumwurde die Stchiometrie und die Kristallstruktur der Probe mittels energiedi-spersiver Rntgenspektroskopie (EDAX), Elektronenbeugung (RHEED) undRntgenbeugung (HRXRD) charakterisiert.

    Nach der Herstellung und Charakterisierung wurde die Probe Atmosphren-druck ausgesetzt und in die ARPES-Apparatur eingeschleust. Um die Probechemisch zu reinigen wurden Sputter-Heiz-Zyklen durchgefhrt. Gesputtertwurde bei Beschleunigungsspannungen von 500 V und Ar-Partialdrcken von5 105 mbar fr etwa 12 Minuten. Anschlieend wurde die Probe auf etwa200C geheizt. Abb. 3.4 zeigt Charakterisierungsmessungen an der Oberfl-che nach den genannten Prparationsprozeduren. Die LEED-Aufnahme in(c) besttigt die geordnete hexagonale Srtuktur der Oberflche. Abb. 3.4.(b)zeigt ein ARPES-bersichtsspektrum von Bi2Se3(0001). Das Spektrum zeigtdiverse dispergierende Bnder im Bindungsenergiebereich von etwa 0.5 eVbis 5 eV, die dem Valenzband von Bi2Se3 zugeordnet werden. Die ARPES-

  • 3.4. Probenprparation 39

    -0.8

    -0.6

    -0.4

    -0.2

    0.0

    E-E

    F [e

    V]

    -0.2 0.0 0.2

    Wave vector [1/]

    -5

    -4

    -3

    -2

    -1

    0

    E-E

    F [e

    V]

    0.40.20.0-0.2-0.4 Wave vector [1/]

    (a) (b)

    (c) (d)

    DP

    VBM

    CBM

    27 eV 26 eV

    Abbildung 3.4: Charakterisierungsmessungen zu einer Bi2Se3(0001)-Oberflche. Das ARPES-Detailspektrum nahe dem Ferminiveau in (a) zeigtdas Leitungsbandminimum (CBM) und das Valenzbandmaximum (VBM) derVolumenbandstruktur von Bi2Se3 sowie den topologischen Oberflchenzustandinnerhalb der Bandlcke [He I, T = 22 K, E = 7.6 meV]. Der Dirac-Punkt(DP) liegt bei einer Bindungsenergie von 300 meV. In dem bersichtsspektrumin (b) sind mehrere dispergierende Strukturen des Valenzbands erkennbar. Diebeiden ARPES-Spektren wurden entlang der M-Richtung aufgenommen. Dasgestrichelte Rechteck kennzeichnet die Achsenintervalle des Spektrums in (a).Die LEED-Aufnahme der sauberen Bi2Se3(0001)-Oberflche in (c) besttigtdie hexagonale Symmetrie der rhomboedrischen Kristallstruktur. (d) zeigt eineLEED-Aufnahme der Oberflche nach der Adsorption von Xe, in der schwa-che zustzliche Reflexe der inkommensurablen Xe-berstruktur sichtbar sind(markiert durch Pfeile).

    und LEED-Resultate lassen auf eine langreichweitig geordnete Oberflchen-struktur schlieen.

    Ein Detailspektrum zur elektronischen Struktur nahe dem Ferminiveau ist inAbb. 3.4.(a) gezeigt. Die Messung zeigt eine parabolische Struktur um den-Punkt mit einer maximalen Bindungsenergie von 110 meV. Diese Strukturist aus frheren ARPES-Experimenten bekannt und kann als Leitungsband-

  • 3.4. Probenprparation 40

    minimum (CBM) der Volumenbandstruktur von Bi2Se3 identifiziert werden[64]. Die vorliegende Probe ist demnach stark n-dotiert, sodass die Fermi-energie deutlich ber dem CBM liegt. Bei hheren Bindungsenergien ist eineM-frmige spektrale Struktur sichtbar, welche dem Valenzband zugeordnetwird. Das Valenzbandmaximum (VBM) liegt demzufolge bei einer Bindungs-energie von 420 meV, was in einer Volumenbandlcke von 310 meV resultiert.Innerhalb der Volumenbandlcke ist der topologische Oberflchenzustand zuerkennen. Der Dirac-Punkt liegt bei einer Bindungsenergie von 300 meV. Diebeschriebenen spektralen Strukturen sind in bereinstimmung mit vorheri-gen Messungen an einkristallinen Proben [64]. In Abb. 3.4.(a) ist zustzlich zudem topologischen Zustand eine weitere, schwache spektrale Struktur erkenn-bar, die durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet ist. Eine solche Strukturwurde bisher in der Literatur nicht beobachtet und ihr Ursprung ist unklar.Mglicherweise spielen Inhomogenitten in der Probenmorphologie oder derOberflchenterminierung eine Rolle, die durch den Sputter-Prozess hervor-gerufen werden. Durch ab initio-Rechnugen wurde gezeigt, dass derartigeEffekte zustzliche, oberflchenlokalisierte Zustnde oder Modifikationen inder Dispersion des topologischen Oberflchenzustands hervorrufen knnen[88, 89].

    Zur Adsorption von Ar und Xe auf Bi2Se3(0001) wurde die saubere Probebei konstanten Temperaturen von 20 K (Ar) und 60 K (Xe) fr 2 Minuten ei-nem Edelgas-Partialdruck von 3108 mbar ausgesetzt. Die Adsorption wurdedurch Messungen der 3p1/2- bzw. 5p1/2-Niveaus von Ar bzw. Xe charakteri-siert und die Schichtdicken der Edelgaslagen konnten hieraus zu etwa 2 MLabgeschtzt werden. Obwohl aufgrund experimenteller Gegebenheiten keineLEED-Experimente an aktiv gekhlten Proben mglich waren, konnte ei-ne LEED-Messung an einer Xe-Lage auf Bi2Se3(0001) durchgefhrt werden.Hierzu wurde die Probe auf dem Manipulator auf etwa 10 K gekhlt unddann innerhalb weniger Sekunden unter die Elektronenkanone der LEED-Apparatur transferiert. Das resultierende Beugungsbild ist in Abb. 3.4.(d)gezeigt. Im direkten Vergleich mit (c) sind zwei zustzliche Reflexe sicht-bar, die durch Pfeile markiert sind und der Xe-Lage zugeordnet werden. DieXe-Schicht bildet demnach eine geordnete, inkommensurable berstrukturaus. Fr die Deposition von Fe auf Bi2Se3(0001) wurde ein Elektronenstrahl-verdampfer verwendet, dessen Dampfrate von 0.2 ML/min durch das Film-wachstum von Fe auf einem W(110)-Substrat bestimmt wurde.

  • 41

    Kapitel 4

    Rashba-Effekt inBiCu2/Cu(111)

    Der Rashba-Effekt in zweidimensionalen Systemen wird durch die Strke deratomaren SBK der beteiligten Elemente beeinflusst. Um zustzliche Einfs-se der strukturellen und der chemischen Zusammensetzung der Grenzflcheauf die Rashba-Aufspaltung zu identifizieren, ist es deshalb vorteilhaft, Mo-dellsysteme zu vergleichen, fr die dieser atomare Beitrag mglichst hnlichist und daher nicht als Ursache fr mgliche Unterschiede in der Spinauf-spaltung in Frage kommt. Zwei Systeme, die sich fr einen solchen Vergleicheignen, sind die Oberflchenlegierungen BiCu2/Cu(111) und BiAg2/Ag(111),in denen die schweren Bi-Kerne die atomare SBK dominieren. In diesemKapitel wird zunchst die elektronische Struktur und die Spinstruktur vonBiCu2/Cu(111) untersucht. Anschlieend werden die Ergebnisse mit Resul-taten zu BiAg

    2/Ag(111) und Au(111) verglichen.

    4.1 Elektronische Struktur von BiCu2

    Zur Untersuchung der elektronischen Struktur des Systems BiCu2/Cu(111)wurden ARPES-Experimente durchgefhrt, deren Ergebnisse in Abb. 4.1 an-hand der Fermiflche in (a) und der Bandstruktur entlang K in (b) vorge-stellt werden. Der Oberflchenzustand des sauberen Cu(111)-Substrats ist inden Spektren nicht sichtbar und es kann daher davon ausgegangen werden,dass die BiCu2-Legierungsbildung dessen Ausbildung unterdrckt. Stattdes-sen sind drei neue Bnder mit negativer effektiver Masse sichtbar, die inAbb. 4.1.(b) mit E

    1, E+

    1und E

    2bezeichnet sind. Da diese Zustnde auf

  • 4.1. Elektronische Struktur von BiCu2 42

    -1.6

    -1.2

    -0.8

    -0.4

    0.0

    E-E

    F [e

    V]

    0.40.20.0-0.2-0.4

    Wave vector kx [1/]

    (a)

    (b)

    K

    M

    G

    -0.2

    0

    0.2W

    ave

    vect

    or k

    y [1

    /]

    (a)

    M

    K

    E1+

    E2

    E1

    Abbildung 4.1: Winkelaufgelste Photoemissionsspektren zu BiCu2/Cu(111)[He I, T = 50 K, E = 7.6 meV]: (a) zeigt die Fermiflche und (b) die Band-struktur entlang der K-Richtung der Oberflchenbrillouinzone. Die drei di-spergierenden Strukturen E+

    1, E

    1und E

    2bestimmen die elektronische Struk-

    tur von BiCu2 nahe dem Ferminiveau. Die gestrichelte Parabel in (b) repr-sentiert die Kante der projizierten L-Bandlcke des Cu(111)-Substrats. [DieseAbbildung wurde bereits in [32] verffentlicht.]

    dem reinen Substrat nicht auftreten, knnen sie der elektronischen Struk-tur der Oberflchenlegierung zugeordnet werden. Die Bandzweige E

    1und

    E+1

    schneiden die Fermienergie innerhalb der projizierten Volumenbandlckedes Substrats, deren Kante durch die gestrichelte Linie in (b) hervorgeho-ben wird. Die entsprechenden Fermivektoren betragen 0.105(10) 1 und0.17(1) 1. E

    1und E+

    1formen die beiden konzentrischen, kreisfrmigen

    Strukturen in der Fermiflche. Es ist interessant zu beobachten, dass die

  • 4.1. Elektronische Struktur von BiCu2 43

    Bnder ein deutlich unterschiedliches Verhalten beim Passieren der Volumen-bandkante aufweisen. Whrend das Band E+

    1sehr stark an spektraler Inten-

    sitt verliert, zeigt das Band E1

    nur eine schwache Abnahme. Diese Beob-achtung legt den Schluss nahe, dass der uere Zustand E+

    1 deutlich strker

    mit Volumenzustnden hybridisiert und daher auerhalb der Volumenband-lcke den Charakter einer Oberflchenresonanz annimmt. Bei 0.30(1) 1schneidet das Band E

    2die Fermienergie. Die zugehrige Struktur in der Fer-

    miflche weist klare Abweichungen von der Kreisform auf, welche fr dieinneren Bnder beobachtet wird, und zeigt vielmehr eine ausgeprgte hexa-gonale Deformation.

    Die Beobachtung zweier konzentrischer Fermikonturen fr die beiden inne-ren Bandzweige E

    1und E+

    1legt gem Abb. 2.1 eine Interpretation dieser

    Strukturen als Paar Rashba-aufgespaltener Bnder E mit negativer effek-tiver Masse nahe. Allerdings sind prinzipiell auch andere Szenarien fr dieBandstruktur mglich. So ist etwa eine Verknpfung der Bnder E

    1und

    E2

    oberhalb von EF denkbar. Um weitere Informationen zur elektronischenStruktur von BiCu2/Cu(111) zu erhalten, wurde eine ab initio-Berechnungunter Bercksichtigung der SBK durchgefhrt.

    Die berechnete Bandstruktur von BiCu2 entlang der Hochsymmetrierichtun-gen der OBZ ist in Abb. 4.2 gezeigt. Gefllte, schwarze Symbole stellen Zu-stnde dar, deren Ortswellenfunktionen hauptschlich in der Oberflchenle-gierung lokalisiert sind. Insgesamt knnen vier Bnder identifiziert werden,die der elektonischen Struktur der Oberflchenlegierung zuzuordnen sind (sie-he Kennzeichnung in Abb. 4.2). Hierbei sind E3 und E4 fr den Vergleich mitden experimentellen Daten irrelevant, da sie in den unbesetzten Zustndenliegen. Fr das Band E

    1zeigt die Rechnung eine energetische Aufspaltung

    in Einklang mit dem Rashba-Modell (vgl. Gl. 2.3), woraus sich sowohl inK- als auch in M-Richtung zwei Schnittpunkte mit der Fermienergie beiden Wellenvektoren 0.12 1 und 0.18 1 ergeben. Die resultierende Fer-mikontur ist demnach in beiden Fllen kreisfrmig. Dieses Ergebnis ist inbereinstimmung mit den experimentellen Resultaten. Die Rechnungen un-tersttzen demzufolge die Identifizierung der beiden Bnder E

    1und E+

    1in

    den experimentellen Daten als Bandpaar mit Rashba-Aufspaltung. Weiter-hin zeigt die berechnete Bandstruktur das Band E

    2, welches die Fermienergie

    bei greren Wellenvektoren schneidet. Bei hheren Energien nahe weistdieses Band eine hnliche Aufspaltung wie E

    1auf. Fr Energien nahe dem

    Ferminiveau und darunter ist diese jedoch nur noch sehr klein oder sogar garnicht mehr klar identifizierbar. Es ergibt sich daher nur jeweils ein Schnitt-punkt mit der Fermienergie entlang der beiden Hochsymmetrierichtungen.Die Fermivektoren betragen 0.3 1 entlang K und 0.35 1 entlang M

  • 4.1. Elektronische Struktur von BiCu2 44

    E2

    E1

    E4

    E3

    QWS

    Abbildung 4.2: Ab initio-Berechnung der Bandstruktur von BiCu2/Cu(111)entlang der Hochsymmetrierichtungen der Oberflchenbrillouinzone. Gefll-te, schwarze Symbole kennzeichnen Zustnde mit oberflchennaher rumlicherLokalisierung. Die vier Bnder E

    1, E

    2, E3 und E4 sind der elektronischen

    Struktur der Oberflchenlegierung zuzuordnen. Die vertikalen Linien zeigenden Fermivektor des Bandes E

    2entlang der K- und M-Richtung an. [Diese

    Abbildung wurde bereits in [32] verffentlicht.]

    (siehe Kennzeichnung in Abb. 4.2). Die Dispersion des Bandes E2

    zeigt somiteine hexagonale Anisotropie. Auch dieses Ergebnis stimmt mit den experi-mentellen Daten berein. Eine detaillierte Diskussion der Anisotropieeffektein der elektronischen Struktur von BiCu2 erfolgt in Kap. 7.3. Ein weitererinteressanter Befund der Rechnungen kann beobachtet werden, wenn mandie Dispersion des Bandes QWS genauer analysiert (siehe Kennzeichnungin Abb. 4.2). Dieses Band reprsentiert einen Quantentrogzustand des inder Rechnung endlich dicken Cu-Films und kann nherungsweise als Volu-menzustand aufgefasst werden. Man betrachte nun den Schnittpunktsbereichdieses Bandes mit den Zweigen E+

    1und E

    1: Whrend die Bnder QWS und

    E1

    sich fast ohne Hybridisierung schneiden, ist zwischen den Bndern QWSund E+

    1eine Hybridisierungslcke von etwa 350 meV sichtbar. Die Rechnung

    reproduziert also qualitativ die deutlichen Unterschiede in den Hybridisie-rungsstrken der Bandzweige E+

    1und E

    1mit den Volumenzustnden des

    Cu(111) Substrats, welche im Experiment beobachtet wurden.

    Die spinintegrierten ARPES-Experimente zeigen, dass die elektronische Struk-

  • 4.2. Spinstruktur von BiCu2 45

    tur der Oberflchenlegierung BiCu2 nahe dem Ferminiveau durch drei Bnderbestimmt wird. Insbesondere legen die gemessene Bandstruktur und Fermi-flche eine Identifizierung der beiden inneren dieser Bnder E+

    1und E

    1als

    Bandpaar mit Rashba-Aufspaltung nahe. Die Messdaten konnten mit hoherGenauigkeit und sogar in Hinblick auf kleinere Details, wie Anisotropien inder Dispersion und Hybridisierung mit Volumenzustnden, durch eine ab-initio-Rechnung reproduziert werden. Die Rechnung untersttzt insbesonde-re die Vermutung der Rashba-Aufspaltung der beiden inneren Bnder. Eszeichnet sich daher bereits vermge der spinintegrierten Untersuchungen ab,dass die SBK, hnlich wie in den verwandten Systemen BiAg

    2[20, 55, 54] und

    PbAg2

    [53, 55, 54], die elektronischen Zustnde in BiCu2 mageblich beein-flusst und zu einer Aufhebung der Spinentartung durch den Rashba-Effektfhrt. Um die nach Gl. 2.4 vorausgesagte Spinstruktur der elektronischenZustnde E+

    1 und E

    1 in BiCu2 zu untersuchen, wurden spinaufgelste

    ARPES-Experimente und weitere Berechnungen durchgefhrt, deren Ergeb-nisse im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

    4.2 Spinstruktur von BiCu2

    4.2.1 Charakterisierung und Messprozedur

    Spinaufgelste PES-Experimente unter Ausnutzung der Mott-Streuung lei-den unter einer niedrigen Detektionseffizienz (siehe beispielsweise Ref. [77]und weitere Referenzen darin). So mussten auch bei den im Folgenden vor-gestellten Messungen gegenber den ARPES-Experimenten in Wrzburg si-gnifikante Einbuen von ber einer Grenordnung in der Energie- und Win-kelauflsung in Kauf genommen werden, um ausreichende Zhlraten zu er-reichen. Es war daher angezeigt, die elektronische Struktur der untersuchtenProben zunchst umfassend durch spinintegrierte Messungen mit hhererAuflsung zu charakterisieren. Dieses Vorgehen ermglichte zudem einen di-rekten Vergleich mit den in Wrzburg gewonnenen Daten. Fr die im Fol-genden beschriebenen Experimente wurde die Probenorientierung so gewhlt,dass die M-Richtung mit der y-Achse des Laborkoordinatensystems zusam-menfiel (vgl. Abb. 3.2). In den winkelabhngigen Messungen unter Vernde-rung des Emissionswinkels e wurde somit bei Wellenvektoren entlang derK-Richtung gemessen. Die Definition von e ist in Kap. 3.3.2 angegeben.

    Abb. 4.3 zeigt spinintegrierte, winkelaufgelste Spektren