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Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Spirituelle Dimensionen
komplementärer
Behandlungsformen
in Palliative Care
Andreas Heller & Claudia Wenzel
Alpen-Adria Universität Klagenfurt I Wien I Graz
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
(IFF Wien)
Institut für Palliative Care und Organisationsethik
Schottenfeldgasse 29/4, 1070 Wien, Österreich
“Spiritualität und Gesundheit” München, 6.- 8.10.2011
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Die IFF in Wien
Interdisziplinäre Organisation von Wissenschaft
Transdisziplinäre Arbeitslogiken
Wissenschaft mit gesellschaftlicher Wirksamkeit
organisieren
Forschung in Weiterbildung übersetzen
Institut für Palliative Care und Organisationsethik
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Spiritualitäten & Religionen
Operative Verständigungen:
Wir sprechen von Spiritualitäten und Religionen im Plural.
Wir verstehen unter Spiritualitäten und Religionen Erfahrungs-
und Bewusstseinsdimensionen, die über die materielle Welt
hinausweisen.
Wir respektieren, dass nicht alle Menschen spirituelle Bedürfnisse
haben, die anamnestisch erhoben werden müssen.
Wir sehen, dass viele Diskussionen um Spiritualität lernen
könnten aus den geschichtlichen Debatten in Theologie,
Religionssoziologie und –wissenschaft seit Mitte des 19. Jhdt`s.
Wir sehen in Spiritualitäten eine wichtige komplementäre
Paradigmatik für die Wissenschaften. (Walach 2011)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Projekt:
Alternative Versorgungsformen
in Hospizarbeit und
Palliative Care
Projektteam: Univ. Prof. Dr. Andreas Heller
Mag.ª Claudia Wenzel
Anna Hostalek
Projektlaufzeit: Oktober 2008 – September 2010
Förderung: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Explorative qualitative Studie
Methodologie: Grounded Theory (Strauss & Corbin 1996, Charmaz 2006)
Theoretical Sampling
Literaturrecherche
Multiperspektivische qualitative Interviews (n = 20)
Gruppendiskussionen (n = 6)
Feldarbeit: in Deutschland
Studiendesign & -durchführung
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Sampling Gruppendiskussionen (n=6)
Anonymi=
sierung
Anzahl
Teilnehmer=
Innen
Multiprofessionelle Zusammensetzung
der Gruppendiskussionen
Dauer
GD
GD_A n = 6 4 Pflegepersonen (davon 1 männlich); Shiatsu-
Praktikerin; Craniosacrale Osteopathin 1:46:01
GD_B n = 5 3 Pflegepersonen (davon 1 männlich);
Medizinerin; Kunsttherapeutin 1:41:50
GD_C n = 6 Hospizleiterin; Koordinatorin für das Ehrenamt;
Ehrenamtliche; 3 Pflegepersonen 1:47:45
GD_D n = 7 6 Pflegepersonen (davon 2 männlich);
Sozialarbeiter 1:19:16
GD_E n = 5 Palliative Körpertherapeutin; 3 Pflegepersonen;
2 Medizinerinnen 1:23:26
GD_F n = 5 2 Pflegepersonen; 2 Ehrenamtliche;
Kunsttherapeutin 1:47:49
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Komplementäre Angebote & AnbieterInnen
in deutschen Hospizen
Pflegende Externe
PraktikerInnen
Mediziner =
Innen Leitende
Aromatherapie (Wickel,
Auflagen, Einreibungen,
Ausstreichungen,..)
Kunst- und
Musiktherapie Homöopathie Aromatherapie
Massagen Shiatsu Akupunktur Reiki
Reflexologie
(Fußreflexzonenmassage,.)
Craniosacrale
Osteopathie
Traditionelle
Chinesische Medizin Shiatsu
Farbtherapie mit
Farblampen
“Palliative
Atemtherapie” Phytotherapie
Bachblüten “Palliative
Körpertherapie” Anthroposophie
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Begrifflichkeiten
Die Begriffe „Spiritualität“ oder „spirituell“
wurden von Professionellen im Rahmen
der Interviews und Gruppendiskussionen
nur sehr selten verwendet.
Der Begriff „spirituell“ wurde jedoch im
Zusammenhang mit der Definition bzw.
Inklusionskriterien komplementärer
Heilverfahren gebraucht.
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Zitat einer Pflegenden:
„Na, diese komplementären
Heilverfahren, sind das
grundsätzlich alternative
zusätzliche Dinge, die ich eben
auf spiritueller Ebene, auf
Entspannungsebene [zuordnen
kann], oder wo fängt das an, wo
hört das auf?“
(A_P3: 288)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Spiritualität als Merkmal
komplementärer Verfahren
Für eine Kunsttherapeutin zeichnen sich
komplementäre Verfahren dadurch aus, dass dort
„Spirituelles mit anklingt“ (B_KU: 1287-1309)
sowie durch die Möglichkeit zu
Transzendenzerfahrungen.
In einem Interview beschreibt eine Atemtherapeutin, dass sie durch die palliative Atemtherapie Zugang zu den Menschen auf einer „geistig spirituellen Ebene“ findet. (Atemtherapeutin: 189-194)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Spirituelle Erfahrungen
von Gästen, An- und Zugehörigen
im Rahmen komplementärer
Behandlungen im Hospiz
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Definition Spiritueller Erfahrung
Spiritualität als „innere Erfahrung“:
Spirituelle Erfahrung als eine „direkte,
unmittelbare Erfahrung einer über das
Ich hinausgehenden größeren
Wirklichkeit.“ (Walach 2011: 25)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Körperliche Integrität: “Sich als ganzen Menschen spüren”
„Und [dem Menschen] so ein bisschen eine
bessere körperliche Integrität zu beschaffen auch.
Sich einfach wieder als Ganzes zu spüren, nicht
nur seinen schmerzenden Rücken, seinen
schmerzenden Hintern, sondern sich wirklich
wieder als ganzer Mensch zu spüren.“
(Ärztin 1: 262)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Integration & Sinnfindung: “Ja, da gehört es wirklich richtig zusammen
in diesem Dritten” „Und manchmal ist einfach die Frage ‚Gibt es eine Farbe, die heute gerade gut tun könnte?„. Und das war neulich zum Beispiel ‚Ach grün wär genau richtig, ich hab so eine Sehnsucht nach grün„. Und dann hat sie grüne Farbe abgedruckt. Und es entstanden ganz viele feine Gräser, Moose und Farne. Und sie hat sich so rein vertieft und wurde ganz traurig, weil sie gedacht hat, ich möchte so gerne weiter leben. Und sie hatte drei Abdrucke gemacht. Und hat dann in den nächsten rote Farbe rein gebracht. Und das drückte ihren Schmerz aus. Hat den aber eingebettet wieder in grün. Und da war irgendwie schon so eine Milderung drin. Und in dem dritten Abdruck hat sie das rot ganz klar und kräftig reingesetzt. Und das sah wie eine Seerose aus in knallrot mit einem grünen Kranz da drum. Und sie sagte: ‚Ja, da gehört es wirklich richtig zusammen in diesem Dritten„.“
(B_Kunsttherapeutin: 89)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Heilsein trotz Erkrankung:
“Ich bin nicht nur Schmerz, sondern ich bin ich”
„In der halben Stunde der Nachwirkung der rhythmischen Einreibung der Füße, Schwester, da hab ich das Gefühl, ich bin im Bett und ich bin ganz ich, ich bin ganz ein Mensch. Ich habe das Gefühl, ich bin nicht nur Schmerz, sondern ich bin ich.“ (Pflegende, Wickel und Auflagen: 231)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Transzendenz: “Manches geht mir einfach voraus..”
„Und Frau Kramer fing an zu malen, also Meer und weiten Himmel und erzählte auch schon von ihrem Mann, worüber sie später so sehr traurig war. Und dann malte sie oben die Vögel. Malte mehrere Vögel. Ich zähl die so nach und es waren tatsächlich neun. Und frage sie: ‚Wie viel Geschwister hatten Sie denn, sind Sie wirklich, sind Sie neun Kinder?„. Und dann war sie so angerührt. Und sagte: ‚Ja, manches geht mir einfach voraus. Das hab ich gar nicht entschieden. Und es wird sichtbar einfach in dem ich das so male„.“ (B_Kunsttherapeutin: 834)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Atmosphäre:
“was da alles anklingen kann..” „Ich hatte dann die Idee, eine klingende Fußwaschung zu machen mit dieser Frau. Das ist noch etwas anderes als ein Fußbad, weil es sehr stark die Atmosphäre im Krankenzimmer verändert. Ich hab dann im Bett diese Fußwaschung gemacht die so geht, dass ich den Fuß hochhebe und das Wasser schöpfe über den Fuß. Das geschah in einer Abendstimmung. Ich hab gar nichts gesagt, die beiden sagten auch nichts, aber durch diese Stimmung .. der Fuß wird dann auch in die Wanne im Verlauf eingetaucht. Man kann sich vorstellen, was da alles anklingen kann durch so eine Fußwaschung. (..) die Erinnerung vielleicht an das Meer. Manch ein Patient denkt an die Fußwaschung aus dem Evangelium. Das muss aber auch überhaupt nicht sein. Das öffnet auf jeden Fall, wenn diese Geräusche erklingen. (..) Während dieser Fußwaschung brach der Lebenspartner in Tränen aus, legte sich auf das Bett von der Frau und die beiden konnten ins Weinen kommen, so dass ich mich nur noch entfernen musste.“ (Pflegende, Wickel und Auflagen: 147-160)
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Forschung und Fortbildung
Vertrauen: “Das Wasser trägt wirklich..”
„Da war einmal eine Frau, die nicht mehr malen konnte und der hat das einfach gut getan dass ich einfach zum Thema Wasser gesprochen hab und einfach alles beschrieben hab, was mir in den Sinn kam. (..) Und die Frau sagte immer, ‚noch mehr von Wasser erzählen„, wie ein Kind irgendwie und ich hab ja einfach so alle Bereiche berührt. Zum Beispiel, mit Wasser kann Segen erteilt werden und das ist segensreich für viele und so weiter. Und der Mann saß mit dabei, der wohnte mit in ihrem Zimmer und ich wusste gar nicht wie das auf ihn wirkt. Und irgendwann gab der seinen Kommentar dazu und sagte einfach, ‚Ja die Erfahrung haben wir beide auch gemacht: Das Wasser trägt wirklich, wir waren am toten Meer und wir konnten uns einfach so da drauf legen„. Und da merkte ich, das der einfach richtig mitgegangen war, dass ihm das auch gut getan hat.“ (Kunsttherapeutin 1: 354-355)
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Forschung und Fortbildung
Verbundenheit: “..dass er irgendwie mit dazugehören wird”
„Und dann malte sie so Pflanzen und Wiesen und so weiter. Und einen weiten Himmel. Und zog da eine ziemlich starre Linie so dazwischen. Und erzählte dann einfach von einer Tochter, die sie verloren hatten. Die früh gestorben war. Und dass sie in dieser Familie auch so Rituale immer hatten für den Umgang mit dieser Tochter. Dass sie immer ein Licht mit aufgestellt hat für sie. Und das wurde ihr im Laufe der Zeit so bewusst. Und der Mann lag dabei. Und dann irgendwann sagte sie einfach ‚Und später wird es mit meinem Mann auch so sein, dass der irgendwie mit dazugehören wird„. Und hat die Horizontlinie mit Wasser vermalt, dass sie durchlässig wurde. Und dann flossen die Tränen und es tat einfach gut.“ (Kunsttherapeutin: GD_B: 1586-1587)
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Forschung und Fortbildung
Spirituelle Erfahrungsdimensionen
komplementärer Verfahren
Körperliche
Integrität
Heil-sein
Transzendenz
Verbundenheit
Atmosphäre
Vertrauen
Integration
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Forschung und Fortbildung
Resümee
Spirituelle Erfahrungen können über
Narrationen “sichtbar” und fühlbar werden
Spirituelle Erfahrungsdimensionen können
nicht als getrennt voneinander betrachtet
werden
Spirituelle Erfahrungen können nicht
erzwungen bzw. evoziert werden, sondern
“bedürfen”:
Beziehung & absichtsloser Begegnung,
Haltung, (Zwischen)Räume, ..
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Kontakt
www.uni-klu.ac.at/pallorg
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Publikationen
Wenzel, Claudia & Heller, Andreas: Komplementäre Ansätze in Hospizarbeit und Palliative Care. In
Knipping, C. et al.: Lehrbuch Palliative Care, Bern: Huber, in print
Wenzel, Claudia & Heller, Andreas (2011): Multidisciplinary perspectives on involvement of family
members of terminally ill in complementary therapy use. Poster presentation at the EAPC,
Lisbon, May 18th – 21st.
Wenzel, Claudia (2011): Selbstsorge tut allen gut. Wie Professionelle für sich und andere sorgen
können. Praxis Palliative Care, 10: 12-13.
Wenzel, Claudia (2010): “Und die Bauchschmerzen waren weg!” – Komplementäre Ansätze der
Schmerzbehandlung in Palliative Care. Praxis Palliative Care, 8: 33-35.
Wenzel, Claudia & Heller, Andreas (2010): The effect of complementary therapies on multidisciplinary
teamwork in palliative care. Palliative Medicine. Abstract supplement to Vol. 24(4): Abstracts:
432.
Wenzel, Claudia & Heller, Andreas (2009): Complementary therapies in German hospices – An
exploratory study of current practices. European Journal of Palliative Care, 11th Congress of the
European Association of Palliative Care, Vienna, 7-10 May 2009, Abstracts: 162.
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Literatur
Heller, Birgit & Heller, Andreas (2010): Spiritualität und
Spiritual Care. Jahresheft Praxis Palliative Care -
Spiritualität und Spiritual Care: 9-11.
Walach, Harald (2011): Spiritualität. Warum wir die
Aufklärung weiterführen müssen. Drachen Verlag: Klein
Jasedow.