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Einleitung Karate (Karate-Do = der Weg der leeren Hand) hatte seinen Ursprung in China und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in Japan ein Kampfsport mit eigenem Regelwerk [14]. Diese Sportart erfreut sich seit mehreren Jahrzehnten auch in der westlichen Welt großer Be- liebtheit. So waren beispielsweise 2012 im Österreichischen Karatebund etwa 12 000 Mitglieder registriert [10]. Heute unterscheidet man im traditionellen Karate vier große Grundstilrichtungen, nämlich das Shito-Ryu, Goyju-Ryu, Sho- tokan-Ryu und Wado-Ryu [2]. Diese vier Karatestile sind auch durch die World Karate Federation (WKF) anerkannt und werden dem Semikontaktkarate zuge- ordnet [3]. Neben dem traditionellen Karate haben sich aber auch andere Stilrichtungen entwickelt, wobei vor allem das Vollkon- taktkarate zu nennen ist. Zählt Shotokan zur populärsten Stilrichtung im Semi- kontaktkarate, so ist Kyokushinkai die dominierende Stilrichtung im Vollkon- taktkarate. Diese spezielle Kampfsport- art wurde von Masutatsu Oyama in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhun- derts in Japan aus verschiedenen Karate- stilrichtungen entwickelt [6]. Bei allen Karatearten besteht das Basistraining aus drei Elementen, die man als Grund- lage betrachten kann, auf die immer wei- ter aufgebaut wird. Die einzelnen Fun- damente sind dabei die Grundschule (Kihon), der Schattenkampf (Kata), sowie der Freikampf (Kumite)(Abb. 1 und 2). Um das Karatetraining in seiner Komple- xität zu perfektionieren, müssen alle drei Elemente ständig trainiert werden, wo- bei sich bei den Karateka häufig ein ge- wisser Trainingsschwerpunkt als Ten- denz feststellen lässt. Als Wettkampfdis- ziplinen gelten Kata und Kumite [13]. Der Hauptunterschied zwischen beiden Karatestilen liegt darin, dass es im Semi- kontaktkarate beim Kumite (Freikampf), nie zu vollem Körperkontakt kommt, vielmehr wird kurz vor Berührung des Gegners der Schlag, Tritt oder Stoß abge- stoppt, beziehungsweise nur eine leichte Berührung zugelassen (sogenannte Non- Contact-Regel), wo hingegen beim Kyo- kushinkai-Karate voller Kontakt zum Körper erlaubt ist. Zudem darf der Geg- ner beim traditionellen Karate nicht am Kopf getroffen werden [14]. Faustschläge zum Kopf sind wegen der hohen Verlet- zungsgefahr zwar auch im Vollkontakt- karate verboten, Fußtritte zum Kopf (Abb. 2) sind hingegen eine häufige an- gewandte Technik um eine Wertung bei Wettkämpfen zu erzielen [13]. Auch bzgl. Schutzausrüstung unterscheiden sich beide Stilrichtungen. Werden im traditionellen Karate beispielsweise Zahn-, Faust-, Schienbein- und Fußscho- ner getragen, so sind diese im Kyoku- Zusammenfassung Hintergrund: Karate erfreut sich so- wohl im Profi- als auch im Breiten- sport großer Beliebtheit. Die Eintei- lung der verschiedenen Stilrichtungen erfolgt anhand des Impacts in Voll-, Halb- und Lowkontakt. Ziel dieser Ar- beit war die Analyse von Sportverlet- zungen im Kyokushinkai- (Vollkon- takt) und traditionellem Karate (Semi- kontakt). Methoden: Im Rahmen einer Quer- schnittsbefragung wurden insgesamt 215 aktive Amateurkarateka (114 Voll- kontakt- und 101 Semikontaktkarate- ka) mittels eines standardisierten Fra- gebogens nach sportarttypischen Ver- letzungen der letzten 36 Monate be- fragt. Die Verletzungen wurden nach Verletzungsschwere in vier Gruppen unterteilt. Schweregrad I bedeutete, dass keine ärztliche Behandlung er- folgte, Schweregrad II beinhaltete eine einmalige ärztliche Behandlung, Schweregrad III eine mehrfache ambu- lante medizinische Behandlung und bei Schweregrad IV erfolgte eine sta- tionäre Behandlung. Ergebnisse: 217 Verletzungen wurden im Einzelnen beschrieben wobei 125 Verletzungen (58%) bei Vollkontakt- und 92 Verletzungen (42%) bei Semi- kontaktkarateka auftraten. Es ergab sich eine expositionszeitbezogene Verletzungsrate von 1,9/1000 Stunden für Vollkontakt- und 1,3/1000 Stunden für Semikontaktkarateka (p < 0,05). Die häufigsten Verletzungsarten wa- ren muskuloskelettale Kontusionen (33% Vollkontaktkarate; 20% Semi- kontaktkarate), gefolgt von Distorsio- nen mit 19 bzw. 16 %. Die untere Extre- mität war bei den Vollkontaktkarateka mit 40% doppelt so häufig betroffen wie bei Semikontaktkarateka (20%). 80% der Vollkontakt- und 77% der Semikontaktkarateka gaben an, sich während des Trainings verletzt zu ha- ben. Sowohl im Training als auch im Wettkampf kam es beim Kumite (Frei- kampf) zu den meisten Verletzungen. 75% der Verletzungen bei Vollkontakt- und 70% bei Semikontaktkarateka ent- fielen auf leichte Verletzungen (Grad I oder II). Schlussfolgerung: Die hohe Verlet- zungsrate im Training und im Kumite (Freikampf) weist auf spezifische Prä- ventionsziele hin. Hier sollte verstärkt auf propriozeptives Training und auf ein konsequentes Aufwärmen Wert gelegt werden. Zur Prävention im Wettkampf selbst kommt den Schieds- richtern eine wichtige Aufgabe zu. Dieser Artikel wurde erstmalig publiziert in Sportverl Sportschad 2014; 28: 3135. Sportverletzungen im Vollkontakt- und Semikontaktkarate (Ein Vergleich von Kyokushinkai- und traditionellem Karate) & n Klaus Greier, Herbert Riechelmann, Julia Ziemska OP-JOURNAL 2016; 32: 1519 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-110667 15 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. 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Sportverletzungen im Vollkontakt- und Semikontaktkarate ... · PDF fileund Stände im Kyokushinkai-Karate eher fließend, im traditionellen Karate jedoch schneller und abrupter, was

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Neben dem traditionellen Karate habensich aber auch andere Stilrichtungenentwickelt, wobei vor allem das Vollkon-taktkarate zu nennen ist. Zählt Shotokanzur populärsten Stilrichtung im Semi-kontaktkarate, so ist Kyokushinkai diedominierende Stilrichtung im Vollkon-taktkarate. Diese spezielle Kampfsport-art wurde von Masutatsu Oyama in den50er-Jahren des vergangenen Jahrhun-derts in Japan aus verschiedenen Karate-stilrichtungen entwickelt [6]. Bei allenKaratearten besteht das Basistrainingaus drei Elementen, die man als Grund-lage betrachten kann, auf die immer wei-ter aufgebaut wird. Die einzelnen Fun-damente sind dabei die Grundschule(Kihon), der Schattenkampf (Kata), sowieder Freikampf (Kumite) (Abb. 1 und 2).Um das Karatetraining in seiner Komple-xität zu perfektionieren, müssen alle dreiElemente ständig trainiert werden, wo-bei sich bei den Karateka häufig ein ge-wisser Trainingsschwerpunkt als Ten-denz feststellen lässt. Als Wettkampfdis-ziplinen gelten Kata und Kumite [13].

Der Hauptunterschied zwischen beidenKaratestilen liegt darin, dass es im Semi-kontaktkarate beim Kumite (Freikampf),nie zu vollem Körperkontakt kommt,vielmehr wird kurz vor Berührung desGegners der Schlag, Tritt oder Stoß abge-stoppt, beziehungsweise nur eine leichte

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Sportverletzungen im Vollkontakt- undSemikontaktkarate (Ein Vergleich vonKyokushinkai- und traditionellem Karate)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Karate erfreut sich so-wohl im Profi- als auch im Breiten-sport großer Beliebtheit. Die Eintei-lung der verschiedenen Stilrichtungenerfolgt anhand des Impacts in Voll-,Halb- und Lowkontakt. Ziel dieser Ar-beit war die Analyse von Sportverlet-zungen im Kyokushinkai- (Vollkon-takt) und traditionellem Karate (Semi-kontakt).Methoden: Im Rahmen einer Quer-schnittsbefragung wurden insgesamt215 aktive Amateurkarateka (114 Voll-kontakt- und 101 Semikontaktkarate-ka) mittels eines standardisierten Fra-gebogens nach sportarttypischen Ver-letzungen der letzten 36 Monate be-fragt. Die Verletzungen wurden nachVerletzungsschwere in vier Gruppenunterteilt. Schweregrad I bedeutete,dass keine ärztliche Behandlung er-folgte, Schweregrad II beinhaltete eineeinmalige ärztliche Behandlung,Schweregrad III einemehrfache ambu-lante medizinische Behandlung undbei Schweregrad IV erfolgte eine sta-tionäre Behandlung.Ergebnisse: 217 Verletzungen wurdenim Einzelnen beschrieben wobei 125Verletzungen (58%) bei Vollkontakt-und 92 Verletzungen (42%) bei Semi-

nleitung

arate (Karate-Do = der Weg der leerenand) hatte seinen Ursprung in Chinad erst zu Beginn des 20. Jahrhundertststand in Japan ein Kampfsport mitgenem Regelwerk [14]. Diese Sportart

eser Artikel wurde erstmalig publiziert inortverl Sportschad 2014; 28: 31–35.

-JOURNAL 2016; 32: 15–19Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-110667

kontaktkarateka auftraten. Es ergabsich eine expositionszeitbezogeneVerletzungsrate von 1,9/1000 Stundenfür Vollkontakt- und 1,3/1000 Stundenfür Semikontaktkarateka (p < 0,05).Die häufigsten Verletzungsarten wa-ren muskuloskelettale Kontusionen(33% Vollkontaktkarate; 20% Semi-kontaktkarate), gefolgt von Distorsio-nenmit 19 bzw. 16%. Die untere Extre-mität war bei den Vollkontaktkaratekamit 40% doppelt so häufig betroffenwie bei Semikontaktkarateka (20%).80% der Vollkontakt- und 77% derSemikontaktkarateka gaben an, sichwährend des Trainings verletzt zu ha-ben. Sowohl im Training als auch imWettkampf kam es beim Kumite (Frei-kampf) zu den meisten Verletzungen.75% der Verletzungen bei Vollkontakt-und 70% bei Semikontaktkarateka ent-fielen auf leichte Verletzungen (Grad Ioder II).Schlussfolgerung: Die hohe Verlet-zungsrate im Training und im Kumite(Freikampf) weist auf spezifische Prä-ventionsziele hin. Hier sollte verstärktauf propriozeptives Training und aufein konsequentes Aufwärmen Wertgelegt werden. Zur Prävention imWettkampf selbst kommt den Schieds-richtern eine wichtige Aufgabe zu.

erfreut sich seit mehreren Jahrzehntenauch in der westlichen Welt großer Be-liebtheit. So waren beispielsweise 2012im Österreichischen Karatebund etwa12000 Mitglieder registriert [10]. Heuteunterscheidet man im traditionellenKarate vier große Grundstilrichtungen,nämlich das Shito-Ryu, Goyju-Ryu, Sho-tokan-Ryu und Wado-Ryu [2]. Diese vierKaratestile sind auch durch die WorldKarate Federation (WKF) anerkannt undwerden dem Semikontaktkarate zuge-ordnet [3].

Berührung zugelassen (sogenannte Non-Contact-Regel), wo hingegen beim Kyo-kushinkai-Karate voller Kontakt zumKörper erlaubt ist. Zudem darf der Geg-ner beim traditionellen Karate nicht amKopf getroffen werden [14]. Faustschlägezum Kopf sind wegen der hohen Verlet-zungsgefahr zwar auch im Vollkontakt-karate verboten, Fußtritte zum Kopf(Abb. 2) sind hingegen eine häufige an-gewandte Technik um eine Wertung beiWettkämpfen zu erzielen [13]. Auchbzgl. Schutzausrüstung unterscheidensich beide Stilrichtungen. Werden imtraditionellen Karate beispielsweiseZahn-, Faust-, Schienbein- und Fußscho-ner getragen, so sind diese im Kyoku-

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shinkai-Karate nicht vorgesehen. Män-ner müssen in beiden Karatestilen einenTief- und Frauen einen Brustschutz tra-gen. Bei jugendlichen Karateka sind zu-sätzliche Schutzvorkehrungen erforder-lich [5,13].

Wissenschaftliche Studien [9,17] identi-fizierten das traditionelle Karate im Ver-gleich mit anderen asiatischen Kampf-sportarten als Sportart mit relativ gerin-gem Verletzungsrisiko. Zetaruk et al. [17]stuften beispielsweise das Verletzungs-risiko bei Taekwondo dreimal so hochein. Hingegen gibt es nur sehr wenigeUntersuchungen im Kyokushinkai-Ka-rate, wodurch Daten über Entstehungs-mechanismus, Art und Häufigkeit vonVerletzungen bei Vollkontaktkaratekakaum vorliegen. Ziel dieser Arbeit wares deshalb, den Kenntnisstand über Ver-letzungsformen, ‑ursachen und ‑häufig-keiten bei Voll- und Semikontaktkarate-ka zu erweitern.

Material und Methode

Aktive österreichische Amateurkaratekawurden mithilfe eines standardisiertenOnlinefragebogens zu sportartspezifi-schen Verletzungen befragt. Der Linkzum Fragebogen wurde zwischen Febru-ar und März 2013 auf der Plattform desÖsterreichischen Karatebundes (ÖKB)„My Dojo“ zu Verfügung gestellt. Bedin-gungen für eine Teilnahme waren einemindestens dreijährige Ausübung desSportes sowie eine Mindestaltersgrenzevon 15 Jahren. Neben anthropometri-schen Daten wurden individuelle Trai-

ningsintensität und Leistungsniveaumithilfe von durchschnittlicher Übungs-zeit in Stunden/Woche und Angabe desLeistungsgrades (Kyu oder Dan) ermit-telt. Zudem wurden im Rahmen des Ka-ratesports erlittenen Verletzungen dervergangenen drei Jahre (2010–2012) er-mittelt. Dazu wurden Informationen zurVerletzungshäufigkeit, Verletzungsursa-che, Verletzungsart und Schweregradder Verletzung eingeholt. Die Verletzun-gen wurden nach Verletzungsschwere invier Gruppen unterteilt. Schweregrad Ibedeutete, dass keine ärztliche Behand-lung erfolgte, Schweregrad II beinhalteteeine einmalige ärztliche Behandlung,Schweregrad III eine mehrfache ambu-lante medizinische Behandlung und beiSchweregrad IV erfolgte eine stationäreBehandlung.

Intervallskalierte Variable wurden alsMittelwerte und Standardabweichung(SD) dargestellt. Die Anzahl der Verlet-zungen pro tausend Trainingsstundenwurde berechnet und mittels Mann-Whitney-U-Test verglichen. Korrela-tionsberechnungen erfolgten nach demPearson-Verfahren. Das alpha-Fehler-niveau wurde auf 0,05 gesetzt. Die statis-tischen Routinen wurden mit SPSS (Ver-sion 18) durchgeführt

Ergebnisse

Aus den 215 retournierten und vollstän-dig ausgefüllten Fragebogen resultierteeine Datenbasis von 101 Semikontaktka-rateka (♀ 28%; ♂ 72%) und 114 Vollkon-taktkarateka (♀ 33%; ♂ 67%). Das durch-

schnittliche Alter, wöchentliche Trai-ningsstunden und Karateerfahrung inJahren lassen sich in Tab. 1 ablesen. Fort-geschrittene Karateka mit Schwarzgurt(Dan-Träger) waren in beiden unter-suchten Gruppen (Vollkontaktkarate46%; Semikontaktkarate 48%) etwagleich verteilt.

Ursachen, Häufigkeiten, Art,Schweregrad und Lokalisationvon Verletzungen

Die Gesamtsumme von 217 beschriebe-nen Verletzungen verteilte sich insge-samt auf 125 Verletzungen (57,6%) beiVollkontaktkarateka und 92 Verletzun-gen (42,4%) bei Semikontaktkarateka.Die durchschnittlich angegebene Verlet-zungshäufigkeit der letzten 36 Monatebetrug 1,2 (Vollkontaktkarateka 1,33 vs.Semikontaktkarateka 1,06). Es ergibtsich eine expositionszeitbezogene Ver-letzungsrate von 1,9/1000 Stunden fürVollkontaktkarateka und 1,3/1000 Stun-den für Semikontaktkarateka (p < 0,05).Geschlechtsspezifische Unterschiede la-gen keine vor.

Ältere (31–45-jährige) Karateka erlittenweniger Verletzungen als 15–30-jährigeKarateka (r = − 0,2; p = 0,015).

66% der Vollkontaktkarateka sowie 56%der Semikontaktkarateka berichtetenüber mindestens eine sportartspezifi-sche Verletzung innerhalb der letzten36 Monate. Vollkontaktkarateka zogensich jede fünfte Verletzung bei Wett-kämpfen und 80% beim Training zu, wo-bei sich im Wettkampf alle Verletzungenbeim Freikampf (Kumite) ereigneten.Während des Trainings kam es beim Ku-mite zu 56% und durch das Schlagpols-tertraining zu 14% aller Verletzungen.

Im Semikontaktkarate ereigneten sich23% der Verletzungen bei Wettkämpfen(95% Kumite, 5% Kata) und 77% beimTraining, wobei hier der Freikampf für39% und das Kihontraining für 17% allerVerletzungen verantwortlich waren.

In der Einzelanalyse der Verletzungs-arten zeigten sich muskuloskelettaleKontusionen sowohl im Vollkontaktka-rate mit 33%, als auch im Semikontakt-karate mit 20% am Häufigsten. Distor-sionen waren im Vollkontaktkarate mit19% und im Semikontakt mit 16% diezweithäufigste Verletzungsart. Muskel-verletzungen und Frakturen traten inbeiden Karatestilen etwa gleichhäufigauf (Tab. 2).

Abb. 1 Kataübung mit hohem Seitkick. Abb. 2 Kumite im Kyokushinkai-Karate miterlaubter Fußtechnik zum Kopf.

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Die Schwere der Verletzungen, unterteiltin die Schweregrade I–IV, lässt sich ausTab. 3 ablesen.

In Abb. 3 wird die relative anatomisch-topgrafische Verletzungsverteilung vonSemikontakt- und Vollkontaktkaratekadargestellt. Im Vollkontaktkarate über-wiegen mit 22% die Verletzungen derFuß- und Zehenregion, während Hand-und Fingerverletzungen (14%) im Semi-kontaktkarate die häufigsten Verletzun-gen darstellen.

Diskussion

Im Rahmen einer Onlinefragebogen-erhebung wurden 215 österreichischeAmateurkarateka (114 Vollkontakt (Kyo-kushinkai) und 101 Semikontakt) zusportartspezifischen Verletzungen be-fragt. Über einen dreijährigen Zeitraum(2010–2012) kam es zu insgesamt 217Verletzungen (125 Vollkontakt vs. 92 Se-mikontakt). Mehrere Studien [9,13,17]konnten belegen, dass traditionelles Ka-rate (Semikontakt) im Vergleich zu an-deren asiatischen Kampfsportarten einrelativ geringes Verletzungsrisiko auf-weist. Das Risiko, Verletzungen zu erlei-den, wird bei Taekwondo beispielsweisedreimal so hoch eingestuft [17].

Die durchschnittlich angegebene Verlet-zungshäufigkeit der letzten 36 Monatelag im Durchschnitt bei 1,2 Verletzungenmit einer expositionszeitbezogenen Ver-letzungsrate von 1,9/1000 Stunden fürVollkontakt- und 1,5/1000 Stunden fürSemikontaktkarateka. Sowohl im Voll-kontakt- als auch im Semikontaktkarateereigneten sich die meisten Verletzun-gen im Training und beim Kumite (Frei-kampf). Dies kann auf die Tatsache zu-rückgeführt werden, dass das Verlet-zungsrisiko beim Freikampf mit Gegner-kontakt gegenüber den isolierten Kata-übungen höher ist. Bei der Kataaus-übung sind die Übergänge der Technikenund Stände im Kyokushinkai-Karateeher fließend, im traditionellen Karatejedoch schneller und abrupter, was hierdie höhere Verletzungsrate bei Semikon-taktkataturnieren erklären könnte.

Beim Semikontaktkarate wurde auch dieGrundschule (Kihon) als verletzungspro-vozierendes Trainingselement angege-ben, während beim Vollkontaktkaratedas Schlagpolstertraining ein erhöhtesVerletzungsrisiko aufweist. Der Grunddafür könnte wohl in den unterschiedli-chen Trainingsformen zu finden sein.Beim Vollkontaktkarate muss der Athlet

in der Lage sein, seinen Gegner währenddes Kampfes kraftvoll und ohne Scheumit Schlägen und Tritten anzugreifen.Dies wird beispielsweise durch gezieltesSchlagpolstertraining geübt. Da diesesim Semikontaktkarate gänzlich wegfällt,hat diese Art von Training hier wenig Re-levanz.

Ältere Karateka erlitten bei der vorlie-genden Untersuchung weniger Verlet-zungen als Jüngere, dieser Zusammen-hang war jedoch sehr schwach aus-geprägt (r = − 0,2). Die Ergebnisse ver-schiedener Studien sind diesbezüglichjedoch nicht konsistent. So konnte in ei-nigen Studien [4,16] beobachtet werden,dass junge und unerfahrene Kämpfer ein

höheres Verletzungsrisiko aufweisen alsAmateure und Professionelle. AndereStudien [8,13,17] ergaben hingegen,dass ältere Kämpfer über 20 Jahren undmit mehr als drei Jahren Karateerfah-rung häufiger von Verletzungen betrof-fen waren. Zudem stieg die Verletzungs-gefahr bei einem Trainingspensum vonmehr als drei Stunden pro Woche [17].

Die vorliegende Untersuchung ergab beibeiden Karatestilen bzgl. der anato-misch-topografischen Verletzungsver-teilung ein ähnliches Bild (Abb. 3). Esüberwiegen sowohl beim Vollkontakt-,als auch Semikontaktkarate Verletzun-gen der Fuß- und Zehenregion, sowieder Hand und Fingerbereiche. Die untere

Tab. 1 Durchschnittsalter von 114 Vollkontaktkarateka und 101 Semikontaktkarateka,sowie durchschnittliche wöchentliche Trainingszeit und Karateerfahrung in Jahren.

Merkmale VollkontaktkaratekaMW (SD)

SemikontaktkaratekaMW (SD)

Alter 31,2 (SD ± 10,6) 31,6 (SD ± 12,8)

Trainingsstunden/Woche 4,5 (SD ± 2,5) 5,2 (SD ± 2,7)

Karateerfahrung in Jahren 12,6 (SD ± 8,9) 12,5 (SD ± 9,1)

Tab. 2 Absolute und relative Häufigkeiten der Verletzungsart von 114 Vollkontakt- und 101Semikontaktkarateka bei 217 Verletzungen.1

Verletzungsart Vollkontaktkarate n (%) Semikontaktkarate n (%)

1. Frakturen 16 (13) 15 (16)

2. Band-/Sehnenrupturen 8 (6) 7 (8)

3. Meniskusverletzungen 1 (1) 6 (7)

4. Distorsionen 24 (19) 15 (16)

5. Kontusionen 41 (33) 18 (20)

6. Muskelverletzungen 17 (14) 12 (13)

7. Riss./Quetschverletzungen 9 (7) 4 (4)

8. sonstige 9 (7) 15 (16)

Verletzungen insgesamt 125 (100) 92 (100)

1 Prozentwerte wurden gerundet.

Tab. 3 Absolute und relative Häufigkeiten der Schweregrade der Verletzungen von 114 Voll-kontakt- und 101 Semikontaktkarate.1

Verletzungsschweregrad Vollkontaktkarate n (%) Semikontaktkarate n (%)

Schweregrad I 51 (41) 33 (36)

Schweregrad II 43 (34) 31 (34)

Schweregrad III 24 (19) 20 (21)

Schweregrad IV 7 (6) 8 (9)

Verletzungen insgesamt 125 (100) 92 (100)

1 Prozentwerte wurden gerundet.

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Extremität ist jedoch beim Vollkontakt-karate doppelt so häufig betroffen wiebeim Semikontaktkarate.

Beim Vollkontaktkarate treten Ober-schenkelverletzungen mit 18% fast drei-mal so häufig auf wie beim Semikontakt-karate (7%). Ursache dürfte der für dasVollkontaktkarate typischeundeffizienteLow-Kick gegen den Oberschenkel sein.

Einige Studien [1,8,11] lokalisiertenbeim traditionellen Karate den Hals-Kopf-Bereich als dominierende Verlet-zungsregion. Dies konnte in unsererUntersuchung jedoch nicht beobachtetwerden. Müller-Rath et al. [8] nanntenals möglichen Grund für die häufigenVerletzungen im Kopfbereich die man-gelnde Kontrolle der Karateka, dieSchlagtechnik im letzten Moment abzu-stoppen, um den Gegner nicht, bezie-hungsweise nur sehr leicht, zu berühren.Die Verwendung von Faust- und Fuß-schützern führte beim Kumite kaum zueiner Verringerung der Verletzungsrateim Kopfbereich [8,17], hingegen nahmnach Meinung von Rosso et al. [13] seit

Einführung der Schienbein- und Fuß-schoner die Inzidenz an schweren Ver-letzungen ab.

Kontusionen stellen in der vorliegendenUntersuchung sowohl im Vollkontakt-als auch im Semikontaktkarate die domi-nierende Verletzungsart dar, gefolgt vonDistorsionen. Selbst bei Verwendungvon Schutzausrüstung kann es zu Kon-tusionen kommen, da die Trefferflächedes Gegners sehr groß ist und diese un-möglich zur Gänze geschützt werdenkann. Im traditionellen Karate sind etwafünf bis zehn Prozent der Kampfsportlerauch von chronischen Überlastungsschä-den betroffen [12]. Hier wird ebenso derFuß als häufige Verletzungsregion ge-nannt. Die Überlastungsschäden kom-men hauptsächlich von den immerwieder repetitiven Technikübungen imKihon.

Internationale Studien [12,13] belegen,dass schwerwiegende Verletzungen imtraditionellen Karate einen geringen An-teil innerhalb des Verletzungsspektrumsausmachen. Harsch et al. [5] konnten in

ihrer Studie nachweisen (durchgeführtwährend der Kyokushinkai Karate Eu-ropameisterschaft 1997), dass schwereVerletzungen auch bei Vollkontaktkarateeher selten sind.

Dies konnte in der vorliegenden Unter-suchung ebenfalls beobachtet werden.Anhand anamnestischer Angaben wur-den die Verletzungen nach vier Schwere-graden klassifiziert. Geringgradige undleichte Verletzungen (Schweregrad Iund II) dominierten sowohl im Vollkon-takt- (75%) als auch im Semikontaktka-rate (70%). Schwere Verletzungen (GradIV) waren in beiden Karategruppen ge-ring. Das mag auf den ersten Blick ver-wundern, assoziiert man doch mit Voll-kontaktkarate meist eine harte und ver-letzungsträchtige Sportart. Dass demnicht so sein muss, wurde häufig mitder Tatsache begründet, dass sich meistsehr erfahrene und gut ausgebildeteKämpfer gegenüberstehen. Diese weiseneinen hohen konditionellen Level aufund verfügen über perfekte Abwehr-techniken [5].

Präventive Maßnahmen

Ausgedehnte Regeländerungen konntendie Verletzungsquote im Karate insge-samt nur gering beeinflussen. Es kam je-doch zu Veränderungen bzgl. Lokalisa-tion, Art und Ursache der Verletzungen[15]. Die Verwendung eines Tiefschutzesbei Männern und eines Brustschutzesbei Frauen führte zu einer Verletzungs-reduktion [14], wo hingegen die Verlet-zungsprävention durch Implementie-rung von Hand-, Schienbein- und Fuß-schonern weiterhin kontrovers disku-tiert wird [8,13].

Propriozeptives Training (z.B. Balance-disc) und nicht sportartspezifisches Trai-ning wie etwa Krafttraining, verbessernnicht nur die intramuskuläre Koordina-tion, sondern kräftigen auch Gelenke,Rumpf- und Rückenmuskulatur, wo-durch Verletzungen reduziert werdenkönnten [7]. Bei Wettkämpfen liegt esvor allem an den Schiedsrichtern, Verlet-zungen der Kämpfer zu vermeiden, in-dem sie Simulationen vonWirkungstref-fern unterscheiden und richtigeWertun-gen abgeben [1].

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend zeigt die vorliegendeUntersuchung, dass vor allem schwereVerletzungen im Vollkontakt- und Semi-kontaktkarate selten sind. Dies wird

9 %

6 %

14 %

7 %

13 %

6 %

10 %

21 %

18 %

22 %

Semikontaktkarate VollkontaktkarateAbb. 3 Relative ana-tomische-topogra-fische Verteilung vonVerletzungen beimSemikontaktakt-(links) und Vollkon-taktkarate (rechts).

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auch in anderen Studien bestätigt. Umvor allem die Verletzungshäufigkeit imTraining und Freikampf (Kumite) zu ver-ringern, wird entsprechend der Ergeb-nisse dieser Studie empfohlen, ein um-fassendes Aufwärmen, sowie ein kon-sequentes propriozeptives Trainingdurchzuführen. Das vollständige Aushei-len von Krankheiten bzw. Verletzungenist unabdingbar. Wie auch in anderenSportarten spielt dabei das stufenweiseAufbautraining eine wichtige Rolle.

Interessenkonflikt: Nein

Literatur

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Institutsangaben

Klaus Greier1, 2, Herbert Riechelmann3, JuliaZiemska41 Pädagogische Hochschule Stams, Bewe-

gungs- und Sporterziehung, Stams, Austria2 Institut für Sportwissenschaft der Universität

Innsbruck, Austria3 Medizinische Universität Innsbruck, Univer-

sitätsklinik für HNO, Innsbruck, Austria4 Fachhochschule Kufstein, Sport-, Kultur- und

Eventmanagement, Kufstein, Austria

Prof. PD Dr. Klaus GreierLeiter des Studiengangs Bewegungs-und Sporterziehung

Bewegungs- und SporterziehungKirchliche Pädagogische HochschuleStamsStiftshof 16422 StamsAustria

[email protected]

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OP-JOURNAL 1/2016

Klaus Greier et al.: Sportverletzungen im Vollkontakt- und Semikontaktkarate

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