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„Sprache in Bewegung - Alltagsintegrierte Sprachbildung und Beobachtung in der Kita" Prof. Dr. Renate Zimmer Tagung der Fachberaterinnen und Fachberater des MFKJKS zur Neuausrichtung der Sprachförderung in Nordrhein-Westfalen 12.03.2014

„Sprache in Bewegung · 2014-05-05 · (z.B. in Bewegungslandschaften, am Frühstückstisch, im Spiel, im Sitzkreis). Integration in den alltäglichen Ablauf. Konzept ohne vorgegebene

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„Sprache in Bewegung - Alltagsintegrierte Sprachbildung

und Beobachtung in der Kita" Prof. Dr. Renate Zimmer

Tagung der Fachberaterinnen und Fachberater des MFKJKS zur

Neuausrichtung der Sprachförderung in Nordrhein-Westfalen

12.03.2014

1. SPRACHBILDUNG UND SPRACHFÖRDERUNG

Der Sprachbildung und -förderung

im Kindergarten wird dann Erfolg zugeschrieben, wenn sie alltagsorientiert ist und die frühpädagogische

Fachkraft die Bedeutung der Sprache als Schlüssel für Bildung als durchgängiges Prinzip der pädagogischen

Arbeit nutzt (DBL, 2008).

Mangelnde Effektivität

Aktuelle Fördermaßnahmen … verbleiben meist ohne Wirksamkeitsnachweis • Der Einsatz punktuell durchgeführter Sprachförderprogramme wirkt

sich nachweislich nicht effektiv auf die sprachlichen Kompetenzen von Vorschulkindern aus (DBL 2008).

• "EVAS" - Evaluationsstudie zur Sprachförderung von

Vorschulkindern (Roos, Polotzek & Schöler 2009).

• Evaluation des Projektes „Handlung & Sprache“ von Häuser & Jülisch (2006) .

Sprachbildung & Sprachförderung

Ziel: Den defizitorientierten Blick auf Sprache

aufgeben, stärker kompetenzorientiert arbeiten

Also:

weg von isolierten Programmen,

weg vom Blick auf die Schwächen und Defizite

hin zu alltagsbasierten, authentischen Erlebnissen, die

zum Sprechen verlocken, Förderung des Dialogs und

der kommunikativen Kompetenz

Neuausrichtung

Ziel: Künftig soll eine Sprachbildung umgesetzt werden, die…

sich an der Lebenserfahrung der Kinder orientiert,

die individuellen Lebenslagen der Familien berücksichtigt,

auf den Ressourcen und Interessen der Kinder aufbaut,

integriert in den pädagogischen Alltag stattfindet und zahlreiche Alltagssituationen für eine systematische Förderung der sprachlichen Entwicklung nutzt,

sich an Erkenntnissen aus prozessbegleitenden Beobachtungen der Sprachentwicklung orientiert und hieraus Förderstrategien ableitet,

eine Intensivierung einer nachhaltigen Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften vorsieht.

2. ALLTAGSINTEGRIERTE SPRACHBILDUNG

Alltagsintegrierte Sprachbildung = inklusive Sprachbildung

Erreicht alle Kinder der Einrichtung von Beginn an.

Sucht und schafft Sprachanlässe (z.B. Dialoge, Interaktionen).

Findet individuelle Zugänge (z.B. über Bewegung, Literacy).

Verständnis von Sprache als Querschnittsaufgabe.

Nutzung vielfältiger Sprachanlässe (z.B. in Bewegungslandschaften, am Frühstückstisch, im Spiel, im Sitzkreis).

Integration in den alltäglichen Ablauf.

Konzept ohne vorgegebene Materialien und Zeiten.

Pädagogische Fachkräfte als Sprachvorbild.

Aktiver Einbezug der Eltern.

Steigerung reflexiver Prozesse bei allen Beteiligten (vgl. Albers, 2011).

a. Pädagogik und Linguistik als Grundlage des Konzeptes der Alltagsintegrierten Sprachbildung (z.B. Anwendung von Sprachlehrstrategien)

b. Berücksichtigung individueller, sozialer und umweltbezogener Aspekte

c. Sicherstellung eines Theorie-Praxis-Transfers d. Einbezug der Familie in das Konzept der sprachlichen

Bildung e. Vorgaben für eine strukturierte Konzeptumsetzung f. Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte g. Langfristige Ausrichtung des Konzeptes

(modifiziert nach Mittag & Bieg, 2010)

Qualitätskriterien alltagsintegrierter Sprachbildung

… sieht die Entwicklung von Sprache als kontextuell bedingt an. Sprache ist nicht losgelöst vom pädagogischen Alltag zu betrachten, weshalb alle Bildungsbereiche im Rahmen einer alltagsintegrierten Sprachbildung zum Tragen kommen.

Sprachliches Potenzial in allen Bildungsbereichen nutzen!

Alltagsintegrierte Sprachbildung…

sinnhafte Handlungen

Beispiel: Bewegungshandeln als Ausgangspunkt für sprachliche Prozesse

Durch Handeln gewonnene Erfahrungen werden in

Verbindung mit Sprache zu Begriffen

In Bewegungshandlungen, die das Kind in Zeit und Raum

variiert, erfährt es

zeitliche Begriffe wie langsam und schnell räumliche Begriffe wie hoch und tief

(Zimmer, 2010)

allta

gsb

asie

rt

Sprachliches Potenzial in den Bildungsbereichen

3. ENTWICKLUNGS- UND PROZESSBEGLEITENDE BEOBACHTUNG UND DOKUMENTATION

Die sprachliche Entwicklung des Kindes soll zukünftig durch die pädagogischen Fachkräfte beobachtet und dokumentiert werden. Geplant ist die Abkehr von einem punktuellen Testverfahren für alle (nur im Einzelfall erforderlich). Punktuelle Messungen können den Prozess der Sprachentwicklung nur unzureichend abbilden, die Beurteilung erfolgt in künstlich herbeigeführten Situationen.

Eine prozessbegleitende Beobachtung von Anfang an ermöglicht • die Beurteilung der kindlichen Sprachkompetenzen im Alltag, • die Beobachtung und Dokumentation in realen Alltagssituationen

Sie liefert Erkenntnisse als Basis für alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung.

Ziel ist die Entwicklungs- und prozessbegleitende Beobachtung und

Dokumentation der Sprachkompetenzen zur Unterstützung der Alltagsintegrierten Sprachbildung

(vgl. Neugebauer & Becker-Mrotzek, 2013, Lengyel, 2012; Lüdtke & Kallmeyer, 2007)

Durch eine alltagsintegrierte & prozessbegleitende Beobachtung und Dokumentation…

können relevante Sprachkompetenzen in realen Alltagssituationen erfasst und dokumentiert werden,

erhalten die pädagogischen Fachkräfte einen differenzierten Eindruck über die Sprachentwicklung eines Kindes,

wird der Austausch mit den Eltern erleichtert und bereichert,

lassen sich Maßnahmen alltagsintegrierter Sprachbildung und Sprachförderung ableiten.

(vgl. Jampert et al., 2011)

Verfahren für Kinder unter 3 Jahren*:

• liseb 1 und 2 : „Literacy- und Sprachentwicklung beobachten (bei Kleinkindern)“

(Mayr & Kieferle, 2014)

• BaSiK: Begleitende alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung in Kindertageseinrichtungen

(Zimmer et al., 2014)

• DJI-Beobachtungsleitfaden: DJI- Die Sprache der Jüngsten entdecken & begleiten

(Jampert et al., 2011)

* Weitere Informationen zu den Verfahren finden Sie unter den im Literaturverzeichnis aufgeführten Links.

Verfahren für Kinder über 3 Jahren*:

• sismik: Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen

(Ulich & Mayr, 2004)

• seldak: Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig- aufwachsenden Kindern

(Ulich & Mayr, 2006)

• BaSiK: Begleitende alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung in

Kindertageseinrichtungen (Zimmer et al., 2014)

* Weitere Informationen zu den Verfahren finden Sie unter den im Literaturverzeichnis aufgeführten Links.

4. QUALIFIZIERUNG

Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte für eine alltagsintegrierte Sprachbildung

Verantwortung liegt bei dem gesamten Team, nicht bei einzelnen Sprachförderkräften!

Ein nachhaltige Qualifizierung sollte inhaltliche, formale und strukturelle Aspekte der Ausgestaltung berücksichtigen.

Formale und strukturelle Aspekte:

- Orientierung der Inhalte an der Praxis

- Intensive und mehrtägige Fortbildungen

- Einsatz verschiedener Methoden

- Fachlicher und praxisnaher Austausch durch Begleitung und Coaching

- Verankerung selbstreflexiver Prozesse zur Sicherung der Nachhaltigkeit

Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte für eine alltagsintegrierte Sprachbildung

Inhaltliche Aspekte

Theoretisches Hintergrundwissen über Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit

Module mit Bezug zu Sprachbeobachtung

Module mit Bezug zu Sprachbildung

Motivation, Haltung & Selbstreflexion

Multiplikatorenweiterbildung

Für die Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte sollen Multiplikatoren und Multiplikatorinnen geschult werden. Das Weiterbildungsangebot richtet sich an Personen, die…

in der Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der frühkindlichen Bildung, insbesondere in der Sprachförderung tätig sind,

über eine möglichst elementarpädagogische Qualifikation verfügen und Erfahrungen im Bereich der frühen Sprachförderung haben,

eine Multiplikatoren- oder Beratungstätigkeit anstreben.

Multiplikatorenweiterbildung

Das Weiterbildungsangebot besteht aus…

fünf aufeinander aufbauenden Modulen

Zu den Inhalten gehören u.a. …

die Aufarbeitung neuester Erkenntnisse einer in den Alltag der Kindertageseinrichtung integrierten Sprachbildung unter Berücksichtigung der Unterstützung mehrsprachig aufwachsender Kinder,

der Einsatz und die Vermittlung von prozess- und entwicklungsbegleitenden Beobachtungsverfahren,

der Einsatz moderner Fortbildungsformate zur Unterstützung einer nachhaltig angelegten Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte und Teams der Kindertageseinrichtungen.

Für weitere Informationen bzgl. der Multiplikatorenweiterbildung wenden Sie sich per Mail an folgende Adresse

[email protected]

Vielen Dank

für Ihre Aufmerksamkeit!

Literatur

• Albers, T. (2011). Sag mal! Krippe, Kindergarten und Familie: Sprachförderung im Alltag. Weinheim: Beltz. • DBL – Deutscher Bundesverband für Logopädie (2008). Sprachstandserhebung. Sprachförderung. www.dbl-

ev.de/fileadmin/media/1_eltern_patienten_etc/fuer_eltern/pospapier_sprachstandserh.pdf (Abruf 17.01.2011) • Fried, L. (2008). Delfin 4 – Diagnostik, Elternarbeit und Förderung der Sprachkompetenz Vierjähriger in NRW. Dortmund: Technische Universität. • Jampert, K., Thanner, V., Schattel, D., Sens, A., Zehnbauer, A., Best, P., & Laier, M. (Hrsg.) (2011). Die Sprache der Jüngsten entdecken und begleiten –

Sprachliche Bildung und Förderung für Kinder unter Drei. Berlin: Verlag das Netz.

• Kieferle, C. & Mayr, T. (2014). Liseb, Literacy- und Sprachentwicklung beobachten (bei Kleinkindern). Freiburg: Herder. • Lengyel, D. (2012). Sprachstandsfeststellung bei mehrsprachigen Kindern im Elementarbereich. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische

Fachkräfte (WIFF) Expertisen, (29). München: Deutsches Jugendinstitut. • Lüdtke, U. M., & Kallmeyer, K. (2007). Kritische Analysen ausgewählter Sprachstandserhebungsverfahren für Kinder vor Schuleintritt aus Sicht der

Linguistik, Diagnostik und Mehrsprachigkeitsforschung. Die Sprachheilarbeit Jg., 52 (6), S. 261-278. • Mittag, W., Bieg, S. (2010). Die Bedeutung und Funktion pädagogischer Interventionsforschung und deren grundlegende Qualitätskriterien. In. T.

Hascher (Hrsg.) und B. Schmitz (Hrsg.). Pädagogische Interventionsforschung. Theoretische Grundlagen und empirisches Handlungswissen (31-47). Weinheim: Juventa.

• Neugebauer, U., & Becker-Mrotzek, M. (2013). Die Qualität von Sprachstandsverfahren im Elementarbereich. Eine Analyse und Bewertung. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.

• Ulich, M., & Mayr, T.(2004). Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen (SISMIK). Freiburg: Herder.

• Ulich, M., & Mayr, T. (2006). Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern. Freiburg: Herder. • Zimmer, R. (2010). Handbuch Sprachförderung durch Bewegung (4. Aufl.). Freiburg: Herder.

Links Sismik/ Seldak/ Liseb • http://www.ifp.bayern.de/materialien/beobachtungsboegen.html • http://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/jahresbericht_2013_web.pdf • http://nifbe.de/component/themensammlung/item/76-themensammlung/lebenswelten-und-erfahrungsfelder/kommunikation-und-sprache/284-

beobachtungsverfahren-sismik-und-seldak BaSiK • http://www.bewegtesprache.de/index.php/aktuelles.html • http://www.nifbe.de/infoservice/aktuelles/575-basik-neues-nifbe-modell-der-alltagsintegrierten-sprachbeobachtung • http://www.nifbe.de/das-institut/forschung/bewegung/bewegung-aktuelles/574-basik-die-alltagsintegrierte-sprachbeobachtung-geht-in-die-2-runde