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Ina Bornkessel-Schlesewsky MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften Sprache und Gehirn 1 Sprache ist ... • Kulturgut www.biblio.tu-bs.de shop.spiegel.de I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008 2 Sprache ist ... Kulturgut Soziales Identifikationsmerkmal www.pons.de en.wikipedia.org I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008 3 Sprache ist ... Kulturgut Soziales Identifikationsmerkmal Zentrales Medium der Kommunikation www.bundeskanzlerin.de I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008 4

Sprache ist - Universität Leipzighome.uni-leipzig.de/muellerg/su/bornkessel.pdf · unbelebten Nominativ! I. Bornkessel-Schlesewsky ¥ Leipzig 01/2008 Roehm, Schlesewsky , Bornkessel,

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Ina Bornkessel-SchlesewskyMPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Sprache und Gehirn

1

Sprache ist ...

• Kulturgut

www.biblio.tu-bs.de

shop.spiegel.de

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

2

Sprache ist ...

• Kulturgut

• Soziales Identifikationsmerkmal

www.pons.de

en.wikipedia.org

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

3

Sprache ist ...

• Kulturgut

• Soziales Identifikationsmerkmal

• Zentrales Medium der Kommunikation

www.bundeskanzlerin.de

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Kommunikation?

5

Sprache ist ...

• Kulturgut

• Soziales Identifikationsmerkmal

• Zentrales Medium der

menschlichen Kommunikation

• Eine der wichtigsten kognitiven

Fähigkeiten des Menschen

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Das Gehirn von Paul Brocas Patient Leborgne ("Tan"), der die Fähigkeit zu sprechen verloren hatte

Sprache, Kognition und Gehirn ...

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Ziele für heute

• Einblicke in die "verborgene Welt" des Sprachverstehens

• Was muss passieren, damit Sprache verstanden werden kann?

• Was passiert im Gehirn vor der bewusst wahrgenommenen Kommunikation?

• Ist das Sprachverstehen in allen Sprachen gleich?

• Was eint verschiedene Sprachen und worin unterscheiden sie sich?

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Sprachverstehen:

Die Herausforderung

Unsegmentierter Lautstrom

!!Komplexe Bedeutung

"Es zieht"

www.moench-bremen.de

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MessmethodenElektroenzephalographie (EEG) /Funktionelle Magnetresonanz-tomographie (fMRT)

Neurophysiologie ("Zeit") Neuroanatomie ("Raum")

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Eine EEG-Messung

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Was messen wir?

• Ereigniskorrelierte Potentiale (EKPs) sind kleine Veränderungen der spontanen elektrischen Aktivität des Gehirns, welche „zeitlich relatiert“ zu einem kognitiven oder sensorischen Stimulus auftreten

• Charakterisiert durch:

• Latenz (Zeit nach Stimulusbeginn)

• Topographie (welche Elektrode?)

• Polarität (negativ oder positiv relativ zu einer Kontrollbeding.)

• [Amplitude (“Stärke“)]

• Die Interpretation erfolgt stets relativ zu einer Kontrollbedingung

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Was passiert im Gehirn vor der bewusst

wahrgenommenen Kommunikation?

Wie wird Sprache verstanden?

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Beobachtung 1: Geschwindigkeit

• Die wichtigsten Verstehensschritte für ein Wort, welches innerhalb eines Satzes gehört oder gelesen wird, sind bereits nach ca. 500 ms (einer halben Sekunde) nach Beginn des Wortes abgeschlossen!

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Zeit

100 ms 200 ms 300 ms 400 ms0

Zugriff auf ein Wort im "mentalen Lexikon"

(Speicher für alle Worteigenschaften wie

Bedeutung, Wortart, Geschlecht etc.)

~100-150 ms

~150-200 ms

Überprüfung der Wortart auf Passbarkeit im Satz

z.B. Der Delphin wurde im trainiert.

~250-500 ms

Integration des Wortes in den Satzkontext

1. Worteigenschaften(z. B. Häufigkeit, Erwartung, Voraktivierung)

2. Bedeutungseigenschaften(Bedeutungsrelationen im Satz)

3. Formale Relationen(z.B. Kongruenz)

500 ms

www.carllewis.com

www.tigerwoods.com

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!!

!

"#$%

Satzintegration 1:

Worteigenschaften

Erleichterung der Integration für:

• Häufige vs. seltene Wörter

• Bäcker vs. Urologe

• Erwartete vs. unerwartete bzw. nicht vorhersehbare Wörter

• Das Gegenteil von schwarz ist ...

• Im Supermarkt gibt es ...

• Wörter, die bereits durch ein ähnliches Wort voraktiviert wurden

• Bipasha litt unter ihrer jährlich wiederkehrenden Frühlingsallergie.

Ihr juckten die Arme und die Beine. /

Ihr juckten die Augen und die Beine.

weiß.

Babynahrung.

~400 ms

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Satzintegration 2:

Bedeutungseigenschaften

In welcher Relation stehen zwei

Handlungsteilnehmer zueinander?

• Bei der letztjährigen Gartenparty des Bundespräsidenten erschlug den bekannten Schauspieler unglücklicherweise

• ein überraschter Einbrecher

• ein unerwarteter Blitz

• Kosten für einen unbelebten (und damit nicht "idealen") Handlungsverursacher

• Aber: kein Unterschied zwischen Ein Einbrecher ... und Ein Blitz ...

!!

!

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~400 ms

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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!!

!

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Satzintegration 3:

Formale Relationen

z.B. "Kongruenz" zwischen Subjekt und

Verb

• Der Mann schläft. vs. Die Männer schlafen.

• Probleme bei der Integration:

• Der Mann schläft.

• Der Mann schlafen.

• Gleicher Zeitverlauf wie die elektrophysiologische Signatur der Bedeutungseigenschaften

• Andere topographische Verteilung, d.h. Beteiligung anderer Hirnregionen

~400 ms

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Zeit

600 ms 700 ms 800 ms 900 ms

Während die Eröffnungsfeier der neuen Galerie ihrem Höhepunkt zustrebte, versuchte ein gerade erst entlassener Straftäter, das Bild der Madonna unbemerkt von der Wand zu nehmen.

Plötzlich entdeckte den Einbrecher ein Detektiv.Beispiel:

1000 ms500 ms

~500-1000 ms

Zusammenführung der unterschiedlichen Informationsarten

Einbettung in den Gesamtdialog

Überprüfung der Wohlgeformtheit

www.autounfall.at

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Beobachtung 2: Mehrdeutigkeit

• Sprachliche Äußerungen enthalten eine Vielzahl von Mehrdeutigkeiten

• Diese treten auf allen sprachlichen Ebenen auf

• Wortbedeutung: Ton

• Wortart: Flying planes is/are dangerous.

• Gruppierung der Wörter in größere Einheiten:

Peter beobachtete den Einbrecher mit dem Fernglas.

Die Lehrerin mochte die Ärztin, die gestern aus Frankreich wiederkam.

• Funktion eines Handlungsteilnehmers im Satz:

Welche Studentin besuchte den Dozenten / der Dozent?

• Kommunikative Funktion eines Satzes:

Das hast Du jetzt aber wirklich toll gemacht!I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Wie geht das Verarbeitungssystem mit

mehrdeutigen Informationen um?

"Warten" (im schlechtesten Fall bis zum Ende

des Satzes) ist keine Lösung!

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Beobachtung 3: Es gibt Interpretationsstrategien

• Der Pathologe untersuchte den Patienten nackt.

• Der Landwirt überfuhr den Hamster mit dem Muttermal.

• Die Blinde beobachtete die Ärztin.

• Die Vase zerstörte das Mädchen.

• Die Vase zerstörte der Museumswärter.

Die "Subjektspräferenz":

Analysiere den ersten

Handlungsteilnehmer

als Subjekt des Satzes

Interpretationsstrategien wie die Subjektspräferenz

sorgen dafür, dass Sprachverstehen in Echtzeit

überhaupt funktionieren kann. Sie stellen sicher, dass

jedem neuen Wort so schnell als möglich eine Bedeutung

zugewiesen werden kann.

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Beobachtung 4:

Möglichkeiten zur "Reanalyse"

Die Subjektspräferenz muss unter bestimmten Umständen revidiert werden

a. Ich hörte, dass Dietmar Tänzerinnen danken.

b. Ich hörte, dass Dietmar Tänzerinnen gefallen.

Das Problem: Subjekt Objekt Plural

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Zusammenfassung I

• Sprache wird extrem schnell verstanden ...

• ... obwohl das Sprachsystem auf allen sprachlichen Ebenen mit vielfältigen Mehrdeutigkeiten konfrontiert wird

• Mehrdeutigkeiten werden mit Hilfe von Präferenzstrategien aufgelöst (wie z.B. der "Subjektspräferenz")

• Trifft das System eine falsche Entscheidung, muss diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückgängig gemacht werden ("Reanalyse")

• Reanalysen sind meist schnell und problemlos - und damit "unbewusst" (aber messbar)

• ab und zu gibt es allerdings auch bewusste Probleme:

• Peter wusste, dass der Prinz von Bali erst bei seiner Ankunft erfahren hat.

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Sind alle Sprachen

gleich?

Es gibt über 6000 Sprachen auf der Welt ...

World Atlas of Language Structures

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Ein Vorschlag

• Die Grundeigenschaften der inkrementellen Interpretation (Schnelligkeit, Mehrdeutigkeit, Präferenzen, Reanalyse) sind in allen Sprachen gleich

• Ein sprachübergreifendes Prinzip für die Satzinterpretation (Bornkessel & Schlesewsky, 2006):

Unterscheidbarkeit (= "Vermeide Konkurrenz")

Die Handlungsteilnehmer in einem Satz sollten so

verschieden voneinander wie möglich sein

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Ein erstes Beispiel

Der Pirat hat die Prinzession geraubt.

Der Pirat hat den Schatz geraubt.vs.

• Erhöhte Aktivierung im posterioren Anteil des linken Sulcus temporalis superior (pSTS), wenn beide Handlungsteilnehmer belebt sind

• Konkurrenz um die Rolle des Handlungsträgers?

• Der pSTS ist auch bei nicht-sprachlichen Aufgaben an der Identifikation von Agentivität und Intentionalität beteiligt (z.B. Frith & Frith, 1999)

Grewe et al. (2007 - Neuroimage)

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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"Unmarkierte Transitivität"

In the transitive construction, there is an information flow that involves two entities, the A

[Agent] and the P [Patient]. Although in principle either of A and P can be either animate or definite, it has been noted that in actual discourse there is a strong tendency for the information flow from A to P to correlate with an information flow from more to less definite. In other words, the most natural kind of transitive construction

is one where the A is high in animacy and definiteness, and the P is lower in animacy and

definiteness; and any deviation from this pattern leads to a more marked construction.

Comrie (1989: 128)

In einer zweistelligen Relation besteht ein Informationsfluss zwischen zwei

Handlungsteilnehmern, dem Handlungsträger ("Agens") und dem Handlungserleidenden

("Patiens") [...] Die natürlichste zweistellige Relation ist eine, in der das Agens hochgradig

belebt und definit und das Patiens weniger belebt und definit ist.

Eine ideale Relation besteht also z.B. in dem Satz Der Mann sah einen Stein.

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Wie funktioniert dies in Echtzeit?

NOMINANIM

NOMANIM

AKK führt zu einer

Interpretation als

"Handlungs-

erleidender"

Vorhersage

eines idealen

"Handlungs-

verursachers"

Mismatch bei

-belebt

• Klaus fragte sich ...

• welchen Gärtner [...] der Abt besuchte.

• welchen Gärtner [...] der Zweig streifte.

Kein vergleichbarer Effekt bei einem initialen

unbelebten Nominativ!I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

Roehm, Schlesewsky, Bornkessel, Frisch,

& Haider (2004 - Neuroreport)

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• Ähnliche Befunde im Tamil:

• dravidische Sprache (Südindien)

• SOV; NOM-AKK

Sprachübergreifende Validität

R. Muralikrishnan et al. (in Vorbereitung)

Manoovai Sivaa mirattinaan Manoo-AKK Sivaa bedrohen-PST-3sg('Sivaa bedrohte Manoo.')

1s

-3

3

!V

Informationen wie Kasus und Belebtheit werden sprachübergreifend bereits vor dem Verb eingesetzt,

um Handlungsrollen zuzuweisen und Vorhersagen über weitere Handlungsteilnehmer zu treffen

NOMINANIM

NOMANIM

(n = 26)

1s

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Unterscheidbarkeit

NOM

"Handlungsverursacher"

AKKDAT

> "Handlungserleidender"

belebt unbelebt

definit indefinit

1./2. Person 3. Person

Dativ? Ich habe die Vase zerbrochen.

Mir ist die Vase zerbrochen.

Der Dativ markiert Abweichungen

von maximaler Unterscheidbarkeit!

"Prominenz"

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Unterscheidbarkeit

• Sprachen unterscheiden sich darin, welche Informationen zur Unterscheidbarkeit beitragen (genutzt werden)

• Zum Beispiel: Belebtheit im Fore (Papua Neuguinea)

yaga: wá a-egú-i-e

pig man 3sP-hit-3sA-INDIC

'The man kills the pig.' (Not: 'The pig kills the man.')

yaga:-wama wá a-egú-i-e

pig-ERG man 3sP-hit-3sA-INDIC

'The pig attacks the man.' (Not: 'The man attacks the pig.')Scott (1978)

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Unterscheidbarkeit

• vs. lineare Abfolge im Englischen:

The eggs ate Joe.

• oder Kasus im Deutschen:

Den Hund biss der Mann.

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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"Unterscheidbarkeit" als

Metaprinzip

Zwei Argumente sollten bzgl. ihres Prominenzstatus' maximal unterscheidbar sein

Unterscheidbarkeit: vermeidet konkurrierende

Repräsentationen (minimiert Interferenz)

SEQUENZIERUNG RELATIONIERUNG

pars opercularis des linken IFG

erhöhte Aktivierung sobald, bei einer

Abfolge A-B, B prominenter als A ist

posteriorer Anteil des linken STS

erhöhte Aktivierung sobald die

Argumente in einer transitiven Relation

nicht maximal unterscheidbar sind

Bornkessel et al. (2005), Grewe et al. (2005, 2006, 2007)

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Evidenz aus dem Chinesischen

Universelle vs.

sprachspezifische EigenschaftenI. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Mandarin Chinesisch

• Basiswortstellung: Subjekt-Verb-Objekt

• Isolierende Sprache (ohne Kasus, Kongruenz etc.)

• Entscheidende Rolle semantischer und pragmatischer Faktoren

vgl. Der Mann liess die Wassermelone fallen und platzte.

Wie werden Handlungsteilnehmer im

Chinesischen interpretiert?

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

(Bickel, im Druck)

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Die Rolle der Belebtheit im Chinesischen

• Ein einfaches Experiment:

• ARGANIM bèi ARGANIM V

• ARGANIM bèi ARGINANIM V

• ARGINANIM bèi ARGANIM V

• ARGINANIM bèi ARGINANIM V

!"#$%&'()*Prinz bèi Kontrahent erstechen-PERF

'Der Prinz wurde vom Kontrahenten erstochen.'

z.B.

Philipp, Bornkessel-Schlesewsky, Bisang, & Schlesewsky (im Druck - Brain & Language)

Die bèi-Konstruktion:

Beide Handlungsteilnehmer

vor dem Verb

(Handlungserleidende-

zuerst; "Passiv")

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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• Ist die Vorhersage eines idealen Handlungsverursachers durch

einen Handlungserleidenden universell, sollte sich Chinesisch

ähnlich verhalten wie Deutsch und Tamil:

• Erhöhte Kosten für einen unbelebten zweiten

Handlungsteilnehmer in bèi-Konstruktionen

Die Rolle der Belebtheit im Chinesischen:

Vorhersage

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Die Rolle der Belebtheit im Chinesischen:

Ergebnisse für den Handlungsverursacher

Philipp et al. (im Druck)

Handlungsverursacher:

CZ

(n = 27)

BELEBT

UNBELEBT

-4

4

!V

1s

Chinesisch verhält sich wie Deutsch und Tamil: Ein Handlungserleidender führt zur Vorhersage eines "idealen"

(also belebten) Handlungs-verursachers!

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Ein unerwarteter Effekt

Philipp et al. (im Druck)

(n = 27)

BELEBT

UNBELEBT

-4

4

!V

1s

CZ

bèi:

Sobald bèi wahrgenommen wird, entstehen erhöhte Kosten für einen unbelebten Handlungs-

teilnehmer an erster Position, d.h. für einen unbelebten

Handlungserleidenden!

vgl. Das Messer wurde gestohlen.

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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"Passiv" im Chinesischen

• Die bèi-Konstruktion wird dann benutzt, wenn der Handlungserleidende (psychologisch) negativ von der Handlung affiziert ist

W" bèi t# zhème yí zuò, jiù shénme d$u kàn-bu-jiàn le

Ich bèi er/sie so sobald sitzen dann alles nicht sehen können PERF

'Sobald er so vor mir saß, konnte ich gar nichts mehr sehen.'

W" bèi xi%ot$u t$u-le qiánb#o.

Ich bèi kleiner.Dieb stehlen-PERF Portemonnaie

'Mir wurde von einem Taschendieb das Portemonnaie gestohlen.'

Nur belebte Handlungsteilnehmer können (psychologisch) negativ affiziert sein. Daher führt ein unbelebter Handlungserleidender + bèi zu einem größeren Verstehensaufwand.

(! Passiv in europäischen Sprachen!)I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Zusammenfassung:

Was eint Sprachen und wie unterscheiden sie sich?

• Unterscheidbarkeit liegt dem (unbewussten) Satzverstehen in allen Sprachen zugrunde

• sprachübergreifendes Inventar an relevanten Informationsarten (z.B. Belebtheit)

• Sprachen unterscheiden sich ...

• in der Wichtung von Informationsarten zur Bestimmung der Unterscheidbarkeit von Handlungsteilnehmern

• in der sprachspezifischen Hervorhebung bestimmter Bedeutungseigenschaften

• (vgl. Der herabfallende Eiszapfen erschlug den Gärtner.)

• ...

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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Gibt es "einfache" und "komplexe" Sprachen?

• Die einfache Antwort: Nein!

• Unterschiedliche Mechanismen zum Ausdruck von komplexen Bedeutungen

• Ökonomie vs. Expressivität

• I broke the vase. / Mir ist die Vase zerbrochen.

• Fore vs. Deutsch

• Belebtheit als ebenbürtiges grammatisches Mittel

I. Bornkessel-Schlesewsky • Leipzig 01/2008

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In Zusammenarbeit mit

Kamal Choudhary

Susann Wolff

!ükrü Barı! Demiral

Markus Philipp

Tanja Grewe

Dietmar Röhm

Friederike Haupt

Katja Brüning

Matthias Schlesewsky

Luming Wang

R. Muralikrishnan

Safiye Genç

Franziska Kretzschmar

Sabine Keller

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