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Linguistische Grundlagen 5. Syntax 2. Teil: Phrasenstrukturgrammatik Gereon M ¨ uller Institut f¨ ur Linguistik Universit¨ at Leipzig www.uni-leipzig.de/muellerg Gereon M ¨ uller (Institut f¨ ur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 20. Dezember 2016 1 / 25

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Linguistische Grundlagen5. Syntax

2. Teil: Phrasenstrukturgrammatik

Gereon Muller

Institut fur LinguistikUniversitat Leipzig

www.uni-leipzig.de/∼muellerg

Gereon Muller (Institut fur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 20. Dezember 2016 1 / 25

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Allgemeines

Literatur

Relevante Literatur:

• Freidin (1992)

• Gazdar et al. (1985)

• Grewendorf et al. (1987)

• Jackendoff (1977)

• Lasnik (2000)

• Stowell (1981)

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Allgemeines

Ziel

Ziel: Postulierung der Regeln (und Beschrankungen) der Syntaxkomponente einerGrammatik, so dass gilt:

1 Beobachtungsadaquatheit:Korrekte Vorhersage der Grammatikalitat bzw. Ungrammatikalitat von Satzen(Ketten von Wortern)

2 Beschreibungsadaquatheit:Beobachtungsadaquatheit bei Zuweisung korrekter Strukturen fur Satze.

3 Erklarungsadaquatheit:Beschreibungsadaquatheit bei Losung von Platos Problem.

Annahme:

• Die Syntaxkomponente einer einzelsprachlichen Grammatik besteht auskontextfreien (Phrasenstruktur-) Regeln.

⇒ Im Folgenden werden exemplarisch Phrasenstrukturregeln (PS-Regeln) fur dasDeutsche eingefuhrt.

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Phrasenstrukturregeln

Phrasenstrukturregeln: VPs und NPs

(1) Verbalphrasen (VPs):

a. VP→ V schlaft; verschlaft; arbeitet; gearbeitet; gesehen; hatb. VP→ NP V den Fritz sieht; ein Buch kauftc. VP→ PP V fur den Tee dankt; zum Arzt gehtd. VP→ NP NP V der Maria Steine gibt; ihn seiner Tante vorstellte. VP→ NP PP V ihn zu ihr schickt; Heu auf den Wagen ladt; den Wagen mit Heu beladtf. VP→ VP V gearbeitet hat; der Maria Steine zu geben versuchte; Fritz sehen wollteg. VP→ V CP glaubte dass es schneith. VP→ NP V CP dem Fritz sagte dass sie schlafti. VP→ IP V ihn schlafen sieht; ihn schlafen lasst

(2) Nominalphrasen (NPs):

a. NP→ DP N′ der Mann; eine Frau; viele Autosb. NP→ NP N′ Karls Buch; des Konigs Untertanenc. NP→ N Karl, ihnd. N′ → N Uberzeugung; Tische. N′ → AP N′ kalte Milch; schone milde Wetterf. N′ → N NP Verdrangung der Schuld; Freunde der Kinderg. N′ → N PP Buch uber die Liebe; Haus von meinem Onkel; Hoffnung auf Friedenh. N′ → N NP PP Bericht des Kollegen uber die Tagungi. N′ → N VP Versuch die Maria zu treffenj. N′ → N CP Vermutung dass es regnet; Vermutung die er hatk. N′ → N NP CP Hoffnung der Menschen dass es aufwarts geht

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Phrasenstrukturregeln

Phrasenstrukturregeln: Andere Phrasen(3) Adjektivphrasen (APs):

a. AP→ A schon; interessanteb. AP→ NP A seiner Frau treu; seiner uberdrussige; sie beangstigende; mir unangenehmenc. AP→ PP A auf seine Kinder stolz; fur die Planerfullung verantwortliched. AP→ A VP willens zu sterben; begierig zu lernene. AP→ NP A CP mir sicher dass es regnen wirdf. AP→ A CP dankbar dass ihm geholfen wurde

(4) Prapositionalphrasen (PPs):

a. PP→ P NP fur sie; in der Schule; bis zum Zaun; wegen des Regensb. PP→ NP P da-fur; da-r-in; des Regens wegenc. PP→ P PP bis zum Zaun; aus dem Zimmer heraus

(5) Determinativphrasen (DPs):DP→ D der; eine; viele; diese

(6) Satzphrasen (IPs und CPs):

a. IP→ NP VP I(nfl) Fritz schlaft; sie ihn magb. CP→ C(omp) IP dass Fritz schlaft; obwohl sie ihn mag

Bemerkungen:

• Infl ist ein abstraktes Element (es ist eine Menge von Tempusmerkmalen sowie Person- undNumerus-Merkmalen fur die Subjekt-Pradikat-Kongruenz).

• CP ersetzt das alte Startsymbol S.Gereon Muller (Institut fur Linguistik) 04-006-1001: Linguistische Grundlagen 20. Dezember 2016 5 / 25

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Lexikalische Regeln

Lexikalische Regeln

Die bisherigen Regeln haben nur praterminale Symbole eingefuhrt; es fehlen Regeln, die terminaleSymbole (lexikalische Elemente, d.h., Wortformen) einsetzen. Strenggenommen gibt es fur jedeslexikalische Element eine Regel; hier wird mit Kommas abgekurzt.

(7) Verben:V→ schlaft, arbeitet, sieht, kauft, dankt, geht, verschlaft, gearbeitet, zu geben, sehen, hat,wollte, glaubte, ...

(8) Nomina:N→ Frau, Mann, Autos, Buch, Untertanen, Uberzeugung, Tisch, Karl, Maria, Fritz, er, ihn, sie,es, Milch, Wetter, Vermutung, Tagung, ...

(9) Adjektive:A→ schon, schones, interessante, beangstigende, verantwortliche, willens, sicher, dankbar, ...

(10) Prapositionen:P→ fur, in, bis, zum, aus, wegen, ...

(11) Determinative:D→ der, des, die, eine, ein, viele, alle, solche, dieser, ...

(12) Infl:I→ [prat,3.sg], [pras, 2.pl], ...

(13) C:C→ dass, obwohl, weil, nachdem, ...

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Phrasenstrukturbaume

Phrasenstrukturbaume: Beispiel 1

(14) CP

C IP

dass NP VP I

N NP V [pras,3.sg]

Karl DP N′ kauft

ein AP N′

schones N

Buch

Bemerkung:Bisher kann die Grammatik nur durch Konjunktionen eingeleitete Nebensatze des Deutschenerzeugen; andere Nebensatze und Hauptsatze erfordern weitere Annahmen (s.u.).

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Phrasenstrukturbaume

Phrasenstruktkurbaume: Beispiel 2

(15)

CP

C IP

weil NP VP I

DP N′ V CP [prat,3.sg]

D AP N′ glaubte C IP

die PP A N dass NP VP I

P NP verant- Frau N V [pras,3.sg]wortliche

fur DP N′ es schneit

D N

die Plan-erfullung

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Subkategorisierung

Problem: SubkategorisierungDie derzeitige Theorie lasst noch viel zu viele Satze zu; sie ubergeneriert.

(16) VP→ V

a. (dass Fritz) schlaftb. *(dass Fritz) beherrschtc. *(dass Fritz) gibtd. *(dass Fritz) uberzeugt

(17) VP→ NP V

a. *dass Fritz eine Sprache schlaftb. dass Fritz eine Sprache beherrschtc. *dass Fritz eine Sprache gibtd. *dass Fritz eine Sprache uberzeugt

(18) VP→ NP NP V

a. *dass Fritz der Maria ein Buch schlaftb. *dass Fritz der Maria ein Buch beherrschtc. dass Fritz der Maria ein Buch gibtd. *dass Fritz der Maria ein Buch uberzeugt

(19) VP→ NP PP V

a. *dass Fritz ihn von der Idee schlaftb. *dass Fritz ihn von der Idee beherrschtc. *dass Fritz ihn von der Idee gibtd. dass Fritz ihn von der Idee uberzeugt

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Subkategorisierung

Losungsvorschlag 1

Annahme:Die lexikalischen Regeln sind nicht mehr kontextfrei, sondern kontextsensitiv.

(20) Lexikalische Regeln fur ausgewahlte Verben (genauer: Verbformen):

a. V→ schlaft/[VPb. V→ beherrscht/[VP NPc. V→ gibt/[VP NP NPd. V→ uberzeugt/[VP NP PP

Die verschiedenen Phrasensturkturregeln fur VP konnen nun vereinfacht werden; “( )” signalisiertOptionalitat.

(21) VP→ (NP) (NP) (PP) V

Probleme:

• Damit ist die generative Kapazitat erhoht: Die Grammatik muss kontextsensitiv sein.

• Die Theorie wird redundant, denn die lexikalische Ersetzungsregel wiederholt de facto nocheinmal die nicht-lexikalische Phrasenstrukturregel.

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Subkategorisierung

Losungsvorschlag 2

Annahme:Lexikalische Elemente haben im mentalen Lexikon einzeln aufgelistete Subkategorisierungsrahmen.Die dort angegebene Information muss bei der Anwendung einer lexikalischen Regel beachtetwerden; bei Abweichung kann die Regel nicht angewendet werden.

(22) Subkategorisierungsrahmen ausgewahlter Verben:

a. schlafen: V, [–]b. beherrschen: V, [NP]c. geben: V, [NP NP]d. uberzeugen: V, [NP PP]

Bemerkung: Subjekte sind demgemaß nicht subkategorisiert.

Probleme:Die Probleme sind wie vorher Kontextsensitivitat und Redundanz: Der einzige Unterschied ist, dass dieInformationsverdopplung aus der Syntax in das Lexikon verlagert ist; die Kontextsensitivitat bleibt beider Einsetzung.

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Subkategorisierung

Losungsvorschlag 3

Annahme:Lexikalische Einsetzung ist eine Operation, die einen Phrasenstrukturbaum P nimmt und daraus einenmodifizierten Phrasenstrukturbaum P′ macht, wobei in P′ ein terminaler Knoten X durch einkompatibles lexikalisches Element α ersetzt worden ist; dabei muss wie vorher derSubkategorisierungsrahmen von α dem syntaktischen Kontext entsprechen.

(23) Beispiele:

a. [VP V ]⇒ [VP schlaft ]b. [VP NP V ]⇒ [VP NP beherrscht ]c. [VP NP NP V ]⇒ [VP NP NP gibt ]d. [VP NP PP V ]⇒ [VP NP PP uberzeugt ]

Probleme:Zum Redundanzproblem kommt erschwerend hinzu, dass die Regeln in (23) noch nicht einmal mehrkontextsensitive Ersetzungsregeln sind (geschweige denn kontextfreie Regeln); es handelt sich umTransformationen (siehe nachste Vorlesung).

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Subkategorisierung

Losungsvorschlag 4

Annahme:Verschiedene Typen von Verbkategorien werden unterschieden, und diese unterschiedlichen Typentauchen in (nicht-terminalen) Phrasenstrukturregeln und in lexikalischen Regeln gleichermaßen auf.

(24) Phrasenstrukturregeln:

a. VP→ Vib. VP→ NP Vtc. VP→ NP NP Vdtd. VP→ NP PP Vdt/p

(25) Lexikalische Regeln:

a. Vi → schlaftb. Vt → beherrschtc. Vdt → gibtd. Vdt/P → uberzeugt

Problem:Alle Regeln sind jetzt zwar kontextfrei, aber es sind lauter neue Kategorien geschaffen worden; es gibtgar keine Kategorie V mehr, und damit konnen die Gemeinsamkeiten aller Verben einer Sprache nichtmehr ausgedruckt werden. Wie kann man sich gleichermaßen auf z.B. intransitive oder transitiveVerben und Verben allgemein beziehen?

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Subkategorisierung

Losung: 5, erster Teil

Annahme:Kategorien sind keine Primitive. Kategorien sind Mengen von Merkmalen.

(26) Kategoriale Merkmale:

a. [+N,–V]: Nominab. [–N,+V]: Verbenc. [+N,+V]: Adjektived. [–N,–V]: Verben (usw. fur andere Kategorien)

(27) Projektionsstufenmerkmale:

a. [+max,–min]: Phrasen (XP, “X2-Kategorien”)b. [–max,+min]: minimale Kategorien (X, “X0-Kategorien”)c. [–max,–min]: Zwischenkategorien (X′, “X1-Kategorien”)d. [+max,+min]: vielleicht DP/D (also grundsatzlich nicht verzweigende Kategorien)

(28) Subkategorisierungsmerkmale:

a. [Sub 1]: intransitives Verb ([–])b. [Sub 2]: transitives Verb ([NP])c. [Sub 3]: ditransitives Verb ([NP NP])d. [Sub 4]: ditransitives Verb mit PP ([NP PP]) (usw.)

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Subkategorisierung

Losung: 5, zweiter Teil

• [Sub n] ist ein Merkmal von lexikalischen Elementen (n steht fur eine beliebige Zahl).

• Es gibt nur noch eine lexikalische Regel, namlich (29).

(29) Lexikalische Einsetzung:X→ α, wobei gilt:

a. X ist [–max,+min] (eine praterminale syntaktische Kategorie).b. α ist ein lexikalisches Element.c. Die kategorialen Merkmale und die Subkategorisierungsmerkmale von X und α sind

identisch.

(30) Phrasenstrukturregeln (prazise):

a. {[–N,+V],[+max,–min]}→ {[–N,+V],[–max,+min],[sub 1]}b. {[–N,+V],[+max,–min]}→ {[+N,–V],[+max,–min]} {[–N,+V],[–max,+min],[sub 2]}c. {[–N,+V],[+max,–min]}→ {[+N,–V],[+max,–min]} {[+N,–V],[+max,–min]}

{[–N,+V],[–max,+min],[sub 3]}d. {[–N,+V],[+max,–min]}→ {[+N,–V],[+max,–min]} {[–N,–V],[+max,–min]}

{[–N,+V],[–max,+min],[sub 4]}

(31) Phrasenstrukturregeln (abkurzend):

a. VP→ V[1]b. VP→ NP V[2]c. VP→ NP NP V[3]d. VP→ NP PP V[4]

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Subkategorisierung

Losung: 5, dritter Teil

(32) Eintrage fur lexikalische Elemente (partiell; dazu phon., sem., morph. Information):

a. schlafen: {[+V,–N],[–max,+min],[sub 1]}b. beherrschen: {[+V,–N],[–max,+min],[sub 2]}c. geben: {[+V,–N],[–max,+min],[sub 3]}d. uberzeugen: {[+V,–N],[–max,+min],[sub 4]}

Vorteile:

• Alle Regeln sind kontextfrei.

• Information aus Phrasenstrukturregeln wird nicht an anderer Stelle wiederholt: Es gibt keineRedundanz.

• V[1], V[2] usw. sind keine primitiven Kategorien; deshalb kann man sich per Unterspezifikationimmer noch auf die Kategorie “Verb” beziehen: V (genauer: [–N,+V]).

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Rektion und Kongruenz

Rektion 1

Problem:Ein der Subkategorisierung vergleichbares Phanomen: Verben (und andere Kategorien) regierenbestimmte unterschiedliche Kasus, bei potentiell gleicher Subkategorisierung. Dasselbe gilt furDeterminativ und Nomen in der NP. Wieder muss Ubergenerierung vermieden werden.

(33) a. dass sie [NPakkden Mann ] kennt

b. dass sie [NPdatdem Mann ] dankt

c. dass sie [NPgendes Mannes ] gedenkt

d. dass sie [NPnomder Mann ] war

(34) a. *dass sie [NPakkden Mann ] dankt

b. *dass sie [NPdatdem Mann ] war

c. *dass sie [NPgendes Mannes ] kennt

d. *dass sie [NPnomder Mann ] gedenkt

Losung:Wie vorher: Kasus ist ein weiteres Merkmal: [kas:nom], [kas:akk], usw. (oder genauer: [kas: [–obl,–obj]],[kas: [–obl,+obj]]; vgl. die Vorlesung zur Flexion).

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Rektion und Kongruenz

Rektion 2

(35) Exemplarische Phrasenstrukturregel mit Kasusmerkmal (prazise):{[–N,+V],[+max,–min]} →

{[+N,–V],[+max,–min],[kas:akk]} {[–N,+V],[–max,+min],[sub 2],[kas:akk]}

(36) Exemplarischer Lexikoneintrag fur ein Verb (prazise):kennen: {[+V,–N],[–max,+min],[sub 2],[kas:akk]}

(37) Phrasenstrukturregeln mit Kasusmerkmalen (abkurzende Schreibweise):

a. VP→ V[1]b. VP→ NP[akk] V[2],[akk]c. VP→ NP[dat] V[2],[dat]d. VP→ NP[gen] V[2],[gen]e. VP→ NP[nom] V[2],[nom]f. VP→ NP[dat] NP[akk] V[3],[dat,akk]g. VP→ NP[akk] PP V[4],[akk]

Nebenbemerkung:Vielleicht muss man nicht all die Regeln in (37) als Primitive annehmen, sondern kann diesePhrasenstrukturregeln nach einem Schema ableiten, das den Kasus auf einer NP und den Kasus aufV identifiziert.

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Rektion und Kongruenz

Rektion 3

Eine weitere Phrasensturkturregel mit Kasusinformation: Die IP-Regel. In finiten Satzen hat eine durchdiese Regeln eingefuhrte Subjekt-NP Nominativ (in Infinitiven ist das anders). (Weil aber alle finiten Issich hier gleich verhalten, muss man nicht noch mal ein besonderes Kasusmerkmal auf I annehmen.)

(38) IP→ NP[nom] VP I[+fin]

(39) a. dass [IP [NPnomsie ] [VP den Fritz schlagt I[pras,3.sg]]]

b. dass er [IP [NPakksie ] [VP den Fritz schlagen I[–fin]]] lasst

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Rektion und Kongruenz

Exkurs: Lexikoneintrage

• [kas:akk] ist eine inharente Eigenschaft von (bestimmten) transitiven Verben.

• [kas:akk] ist keine inharente, sondern eine erworbene von Nomina (inkl. Pronomina, undDeterminativen und Adjektiven).

Annahme:

1 Lexikon: Fur lexikalische Elemente werden all jene (phonologischen, morphologischen,syntaktischen, semantischen) Merkmale gespeichert, die invariant und nicht durchgrammatische Regeln und Beschrankungen ableitbar sind. (Z.B.: Welchen Kasus regiert einVerb? Aber nicht: Welchen Kasus hat ein Nomen?)

2 Morphologie: In dieser grammatischen Komponente werden auf der Basis von Lexikoneintragenmithilfe grammatischer Regeln und Beschrankungen neue Worter (Derivation, Komposition) undWortformen (Flexion) gebildet; fur letzteren Prozess werden nicht-inharente Merkmalehinzugefugt (z.B. Kasus fur Nomina, Person fur Verben).

3 Syntax: Die in der Morphologie gebildeten Wortformen werden durch lexikalische Regeln inPhrasenstrukturbaume eingesetzt.

4 Semantik: Die so entstandenen werden interpretiert.

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Rektion und Kongruenz

Kongruenz• Rektion:

Verben weisen Kasus an NPs zu; aber Verben tragen selbst (im Deutschen) keinen Kasus (inanderen Sprachen konnen Verben auch selbst Kasus-markiert sein).

• Kongruenz:In NPs sind alle Elemente vor dem Nomen (potentiell) Kasus-markiert. Determinativ und Nomenin (40) kongruieren bzgl. Kasus.

(40) a. [NPnom[DP [D der ]] [N′ [AP [A alte ]] [N′ [N Mann ]]]]

b. [NPakk[DP [D den ]] [N′ [AP [A alten ]] [N′ [N Mann ]]]]

c. [NPdat[DP [D dem ]] [N′ [AP [A alten ]] [N′ [N Mann ]]]]

d. [NPgen[DP [D des ]] [N′ [AP [A alten ]] [N′ [N Mannes ]]]]

(41) Phrasenstrukturregeln mit Kasuskongruenz in NPs:

a. NP[nom]→ DP[nom] N′[nom]b. NP[akk]→ DP[akk] N′[akk]c. NP[dat]→ DP[dat] N′[dat]d. NP[gen]→ DP[gen] N′[gen]e. NP[nom]→ NP[gen] N′[nom] (usw.; pranominaler Genitiv hangt nicht vom N-Typ ab)f. N′[nom]→ AP[nom] N′[nom]g. N′[akk]→ AP[akk] N′[akk] (usw.)h. N′[nom]→ N[nom] (usw.)i. AP[nom]→ A[nom] (usw.)j. DP[nom]→ D[nom] (usw.)

Wie vorher muss man die Regeln nicht einzeln auflisten. Sie sind durch ein allgemeines Schemaabgleitbar; die Kasusmerkmale werden instantiiert.

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Rektion und Kongruenz

Weitere Kongruenzphanomene

... konnen auf dieselbe Art und Weise behandelt werden.

(42) Subjekt-Verb-Kongruenz (Person und Numerus):

a. dass der Fritz die Menschen kenntb. *dass der Fritz die Menschen kennenc. *dass der Fritz die Menschen kennst

(43) PS-Regeln, revidiert:

a. IP→ NP[nom],[3.sg] VP[3.sg] I[+pras, 3.sg](usw., fur andere Person-Numerus- sowie Tempus-Kombinationen)

b. VP[3.sg]→ V[1],[3.sg] (usw.)c. VP[3.sg]→ NP[akk] V[2],[akk],[3.sg] (usw.)

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Rektion und Kongruenz

X-bar-Theorie 1: Kopfprinzip

Beobachtung:Die bisher vorgeschlagenen Phrasenstrukturregeln haben wiederkehrende (kategorieneutrale; deshalbX-bar) Eigenschaften: Dies ist wohl kein Zufall: Es gibt offensichtlich Beschrankungen fur PS-Regelnnaturlicher Sprachen, die nicht allein durch das Format der kontextfreien Regeln gegeben sind.PS-Regeln mussen z.B. immer zu PS-Baumen fuhren, die das Kopf-Prinzip respektieren.

(44) Kopfprinzip:Jede Phrase hat genau einen Kopf (‘head’).

(45) a. Kopf-Vererbung:Bestimmte Merkmale (‘Kopf-Merkmale’) liegen in einer Phrase auf allen Kategorien in derProjektionslinie vor (sie werden morphologisch am X0-Kopf realisiert). (Also: DieseMerkmale werden in einer Phrasenstrukturregel links vom Pfeil und auf dem Kopfinstantiiert.)

b. Projektionslinie:Der Weg von einer komplexen Kategorie zu ihrem lexikalischen Kopf heißtProjektionslinie oder Kopflinie.

Folgende Regeln verletzen dieses Prinzip:

(46) a. S→ NP[nom] VP (John likes Mary)b. NP→ NP[gen] VP (John’s reading a book)

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Rektion und Kongruenz

X-bar-Theorie 2: Phrasenprinzip

(47) Phrasenprinzip:Jeder Nicht-Kopf ist eine Phrase.

Folgende Regeln verletzen dieses Prinzip:

(48) a. VP→ N′ V (*altes Buch lesen)b. NP→ N′ N (*alten Mannes Bucher)

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Rektion und Kongruenz

X-bar-Theorie 3:

(49) Ebenenprinzip:In der Projektionslinie kann die Projektionsstufe (0, 1, 2=XP) von unten nach oben nicht kleinerwerden (sie darf aber gleich bleiben).

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Literatur

Literatur:

Freidin, Robert (1992): Foundations of Generative Syntax. MIT Press, Cambridge,Mass.

Gazdar, Gerald, Ewan Klein, Geoffrey Pullum & Ivan Sag (1985): GeneralizedPhrase Structure Grammar. Blackwell, Oxford.

Grewendorf, Gunther, Fritz Hamm & Wolfgang Sternefeld (1987): SprachlichesWissen. Suhrkamp, Frankfurt.

Jackendoff, Ray (1977): X-bar Syntax. A Study of Phrase Structure. MIT Press,Cambridge, Mass.

Lasnik, Howard (2000): Syntactic Structures Revisited: Contemporary Lectures onClassic Transformational Theory. MIT Press, Cambridge, Mass.

Stowell, Tim (1981): Origins of Phrase Structure. PhD thesis, MIT, Cambridge,Mass.

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