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Stäger, R. (1903). "Infectionsversuche mit Gramineen-bewohnenden Claviceps-Arten." Botanisches Zeitung 61: 111-118

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Cross-infection experiments with ergot and host grasses

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Infectionsversuche mit Gramineen-bewohnenden(;"1aviceps-Arten.

Von

Rob. Stiger.

Die vorliegende Arbeit, deren Hauptresultate bereits im Jahre 1900 kurz mitgetheiltworden waren 1), wurde während eines Zeitraumes von vier Jahren (1898 bis mit 1901) imbotanischen Institut der Universität Bern unter der glitigen Leitung des Herrn Prof. Dr. Ed.Fischer ausgeführt, welchem ich für die Anregung zu der Untersuchung sowohl, als fürdie mannigfaltige Unterstlitzung während derselben meinen wärmsten Dank ausspreche. Zugrossern Dank verpflichtet mich ferner Herr Dr. Stebler, Director der schweizerischen Samen­controllstation in Zürich, rur seine mehrmalige und bereitwillige Zusendung von sehr zahl­reichen Versuchspßanzen, sowie Herr Dr. Theod. Steck, Conservator der entomologischenSammlung des naturhistorischen Museums in Bern, für die sorgfältige und mühevolle Bestim­mung der am Schluss der Arbeit aufgeführten Insecten.

Nicht zum Wenigsten verdanke ich auch das Zustandekommen meiner Arbeit HerrnSchenk, Obergärtner am hiesigen botanischen Garten, welcher im Verein mit seinen Ge­hülfen sich um das Gedeihen der sehr zahlreichen Versuchspßanzen besonders verdient machte.

Dass die Arbeit trotz länger herdatirendem Abschluss der Infectionsversuche erst jetzterscheinen kann, liegt einzig an den vielen anderweitigen Berufspflichten des als Arztprakticirenden Autors.

I. Kapitel.

Geschichtliches.

Von den älteren Botanikern unter den Namen Sclerotium Glavus (de Candolle),Spermoedia Clavus (Fries), Sphacelia segetum (J. H. Leveille) und anderen Benennungenbeschrieben, blieb das Mutterkorn seiner wahren Natur nach ein mycologisches Räthsel, bis

S) Siehe Botanisches Centralblatt. 1900. 88. S. 2.ao*alliaoJle Zeituq. 1903. Ren VlfVll. 17

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L.-R. Tulasne in seiner grundlegenden Arbeit: »Memoire sur l'ergot des glumacees« 1)dasselbe löste und die als verschiedene Pilzspecies angesehenen Fructificationsformen inihrem genetischen Zusammenhang aufhellte. In der gleichen Arbeit begrtindet er bereitsnach den morphologisch-anatomischen Differenzen der Keulensphäridien drei Arten desClavieeps-Pilzes und zwar 1. Claviceps purpurea Tul., welcher nach dem Autor identischsein soll mit dem Mutterkorn des Roggens, Weizens, Hafers, dem Mutterkorn auf Brachy­podium silvatWum, Daetylis glomerata, Alopeeurus agrestis, Pan aquatica, Glycerin Iluitans,Antlwxomthum odmatum, Amnwphila rorenaria, Latium perenne, L. temulentum, L. if,(rlieum ete.

2. Clav~ceps micraccphala Tu!. mit den Wirthspßanzen: Phragmites commu/t1$,J[olinia cofffU1ea, Arundo Calamag-rostis.

3. Claviceps nigricans Tul. mit den Wirthspßanzen: Scirzn18 multicaulis, S. Baeo­thryon und S. uniglumis.

Wenn wir heute die einschlägige Litteratur durchgehen, so finden wir noch weitere,von anderen Autoren aufgestellte Claviceps-Arten und zwar:

4. Claviceps setulasa Quelet, vorkommend auf Poa-Arten des Jura und der Vogesen.5. Claviceps Wilsoni Cooke auf Glycerin fluitans in England.6. Claviceps pusillaCesati auf Andropogan in Italien.

Auch erweiterte sich der Kreis der Nährpßanzen durch neue Beobachtungen für dieeinzelnen Claviceps-Species immer mehr. So zählt z. B. A. B. Fran k in seinem bekanntenWerk: »Die pilzparasitären Krankheiten der Pßanzen« als Wirthe von Cla17icbPS JYUrpureanicht weniger als 30 Gräser auf, unter denen auch Nardus stricta und Motinia coeruleafiguriren.

Die Frage liegt nun nahe, ob diese sechs nach morphologisch-anato­mischen Merkmalen unterschiedenen Arten wirklich specifisch different seienund ob nicht innerhalb derselben sich eine Specialisirung in Rassen geltendmache. Ja, stellen vielleicht die auf den verschiedenen Gramineen wachsendenClaviceps-Pilze ebenso viele Rassen dar, welche allein wieder ihre specifischenNährpflanzen befallenY

Frank hat in seinem schon citirten Buch der pilzparasitären Pßanzenkrankheitendiese Fragen wohl zuerst aufgeworfen, aber auch offen gelassen. Zwar meint er, ohne denexperimentellen Beweis anzutreten, es sei äusserst wahrscheinlich, dass der Mutterkornpilzder grösseren, dem Getreide ähnlicheren Gräser, von diesen auf den Roggen übergehenkönne. »An Feldrainen, Weg- und Grabenrändern sind die dort gewöhnlichen Gräser, vorAllem Latium pererune häufig strotzend mit Mutterkorn bedeckt. Es kannen also Clavieeps­Sporen als Honigthau dieser Gräser auf Getreide übertragen werden« (Frank).

Inwiefern diese Annahmen Fran k's sich bewahrheiten, wird sich im Verlaufe unsererUntersuchungen zeigen.

Gewiss bleibt kein anderer Weg offen, eine zuverlässige Antwort auf die gestelltenFragen zu erhalten, als der des Culturversuchs. So ausgiebig derselbe z. B. bei den Uredineengepßegt wurde, so unbekannt ist er bisher bei den Pyrenomyceten geblieben. Wir habenes uns daher zur Aufgabe gemacht, durch ein erstes Unternehmen nach dieser Richtung indie Lücke zu treten und durch zahlreiche Culturversuche womöglich einen Lirlltschimmer indas Dunkel zu werfen.

I) Annales d6s scienc6s naturelles. 3. ser: tome 20. Paris 1853.

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Wohl liegen vereinzelte Infectionsveriluche älteren DatUIIlB vor, wie diejenigen vonMeyen 1), Bonorden 2), Jul. Kühn S); aber sie alle gipfelten nur in dem experimentellenBeweis der Zusammengehörigkeit der verschiedenen Entwickelungsformen des Claviceps­Pilzes im Allgemeinen.

Aus äusseren Gründen konnten wir unsere eigenen Infectionsversuche nur auf1. Claviceps purpurea Tul. und 2. Claviceps microcephala Tul. ausdehnen.

II. Kapitel.

Infectionsversuche und deren Ergebnisse.

Die nachstehenden Infectionsversuche wurden in den Jahren 1899 und 1900, einzelneControllversuche noch 1901 ausgeführt. Um Impfmaterial zu gewinnen, wurden je imSpätherbst des vorhergehenden Jahres im Freien gesammelte Sclerotien der verschiedenstenWirthspßanzen, in Terrinen und Töpfen gesondert und etikettirt, in grosser Zahl ausgesäet.Die im nächsten Frühling in den Keulensphäridien entwickelten Ascosporen bildeten jeweilenden Ausgangspunkt der Impfungen, die nach einigen tastenden Vorversuchen meistens derartvollzogen wurden, dass die Gramineenblüthen die im Wasser suspendirten Claviceps-Asco­sporen durch directes Eintauchen oder vermittelst Zerstäubungsapparat empfingen.

Sobald sich an einer Versuchspßanze das erste Honigthautröpfchen zeigte, bildetedieses nach stattgehabter mikroskopischer Controlle, der leichteren Handhabung wegen undweil die Keulensphäridien doch nicht den ganzen Sommer über zu erhalten waren, in ähn­licher Weise den weiteren Ausgangspunkt der folgenden Infectionsversuche. Es sind dem­nach die Versuche, bei denen die Conidien als Impfmaterial di~nten, viel zahlreicher alsdiejenigen, bei denen die Ascosporen zur Anwendung kamen.

Die Versuchspflanzen wurden theils aus Samen gezogen, theils lange vor der An­these im Freien ausgegraben und eingetopft. Eine grosse Anzahl Gräser lieferte in sehrverdankenswerther Weise die Schweizerische Samencontrollstation in Zürich.

Sämmtliche Gräser wurden in den Gewächshäusern des botanischen Gartens, oder zurAbhaltung der, die Clamceps-Conidien häufig übertragenden Insecten (siehe am Schluss derArbeit!) in besonderen dazu hergestellten Gaze-Verschlägen, welche zum Theil in den Ge­wächshäusern, zum Theil in der Orangerie Aufstellung fanden, unter möglichster Absonde­rung der verschiedenen Versuchsreihen unter einander, in geschilderter Weise geimpft.

Die so behandelten Gräser kamen mit ihren Blüthenständen während einiger Tageunter feucht gehaltene Glasglocken zu stehen. - Trat nun in der Folge ein positives Re­sultat ein, so war dasselbe ohne weiteres (von Versuchsverunreinigungen abgesehen) be­weiskräftig. Es ist aber klar, dass negative Resultate erst dann etwas Bestimmtes auszu­sagen vermögen, wenn sie in demselben Versuch an mehreren Individuen derselben Species

1) Me yen, Pflanzenpathologie. Berlin 1841.2) Bonorden, Beobachtungen über die Bildung der Spermoedia Clavus. Bot. Ztg. 16. S.97.3) J ul. K ii h n, Untersuchungen über die Entwickelung und das kilnstliche Hervorrufen nt'bst

Verhütung des Mutterkorns. Mitth. a. d. physiol. La.bor. d. landw. lnst. d. Univ. Halle. l. Heft. Halle 1"li:!.lj.

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sich wiederholen oder noch besser bei wiederholten Infectionsversuchen mit Hinsicht aufein und dieselbe Species der Versuchspflanzen constant bleiben.

Es muss noch bemerkt werden, dass, wo es immer möglich war, die Entwickelungeiner Cla;viceps auf einer Versuchspflanze bis zur Sclerotienbildung verfolgt wurde, dassaber auch schon das Entstehen der Sphaeelia als ein Resultat im positiven Sinne aufgefasstwurde, da. ja die Sclerotienbildung nur die genetische Folge der Sphacelia darstellt.

Eine besondere Schwierigkeit ist in dem Umstande gegeben, dass man bei denClaviceps-Impfungen stets Gräser im blühenden Stadium benöthigt. Sind die Versuchs­pflanzen in Bereitschaft, fehlt es oft an Infectionsmaterial und umgekehrt. Auch »verstrohen«manche Gramineen (besonders die Getreidearten) gern bei Topfcultur und im geschlossenenRaume eines Gewächshauses.

Wir mussten daher darauf bedacht sein, unsere Vorbereitungen so zu treffen, dasswir den ganzen Sommer und bei jeder Zeit eine MenHe blühender Gräser zur Verfligunghatten. Sie durften aber erst im Versuchsraume zur Blüthe kommen, um die Möglichkeiteiner Infection von aussen her zu eliminiren. Bis ca. 8 Tage vor der Anthese dagegenblieben sie in Töpfen cultivirt, den natürlichen Bedingungen des Freilandes des botanischenGartens unterworfen.

Alle diese Verhältnisse mussten zuerst studirt und ausgeprobt werden, da uns hierbeikeine Erfahrungen Anderer zu Gebote standen. Erst von jetzt an konnte an ein planmässigesArbeiten gedacht werden. Trotzdem verhehlen wir uns nicht, dass noch eine Menge Fragenoffen stehen, deren Beantwortung späteren Versuchen und Studien überlassen.sein mag.

1. Clo.viceps purpurea Tulo.sne.Der gewöhnlich'e Mutterkornpilz des Roggens, der, wie im historischen Theil der vor­

lieHenden Arbeit erwähnt wurde, angeblich die Grosszahl der unter den Wirthspflanzen vonClaviceps rnic:rocephala Tul. nicht angegebenen Gramineen befallen kann, kennzeichnet sichdurch purpurschwarze, bis 3 cm lange, leicht gebogene, cylindrische Sclerotien, durch die aufdrehrundem, ziemlich gedrungenem Stiel sitzenden, kugelig-abgeplatteten, oft flachlappig ein­gezogenen Stromata, welche ihren Träger an der Insertionsstelle nur lose umschliessen, durchdie den »Kl>pfchen« dicht neben einander eingesenkten, flaschenförmigen Perithecien, mitschmalen, kugelig-cylindrischen, acht fadenförmige, einzellige Sporen enthaltenden Asci undferner durch die ovalen, ca. 6-7 l.I. langen und 3-4 l.I. breiten Conidien.

Um die angebliche Identität a11 dieser, auf den für Claviceps purpurea Tul. charakte­ristischen Wirthspfianzen wachsenden ClavzCeps-Pilze auf biologischem Wege festzustellenund einschlägige Fragen zu beantworten, wurden die folgenden Infectionsversuche angestellt.

I. Infectionsversuch mi t Claviceps purpurea Tul. von Secale cel'cale stammend.

Im Spätherbst (1. November) 1898 wurden in mehrere mit Sand und Erde beschickteTöpfe Sclerotien von Claviceps purpurea Tul.,. die in der Umgebung Berns auf Roggen ge­sammelt worden waren, ausgesäet und zur Ueberwinterung in einen FreilandkaBten desbotanischen Gartens gestellt. Im Frühling des folgenden Jahres keimten die Sclerotien

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sehr zahlreich und am 2. Mai (1899) wurden mit den ascosporentragenden Keulensphäridienfolgende Pflanzen belegt:

11 Anthoxanthum odmatumI12 AntJwxanthum odo1"atum1

3Anthoxanthum odoratum aus dem Botan. Garten genommen.

14 Anthoxanthum odmatum

Genau 14 Tage nach der Impfung (am 15. Mai) trat an 13 der erste Honigthautropfenauf, dessen mikroskopische Untersuchung das Vorhandensein einer Unmenge von Conidien 1)ergab. Am 27. Mai war die Ausscheidung vollendet, ohne dass sich sichtbare Sclerotiengebildet hätten. Mittlerweile war auch an den anderen Pflanzen der Versuchsreihe Honigthauaufgetreten und die Sphaceliabildung setzte sich succedan bis in den Juli hinein von selbstfort, indem sich die nachwachsenden jungen Aehren mit den schon befallenen berührtenund sich so selbst inficirten.

Der Versuch beweist, dass das Mutterkorn vom Roggen leicht auf Anthoxanthum 000­mtum überzugehen vermag. - Eigenthümlich ist die Erscheinung, dass sich trotz derabundanten Honigthauabscheidung entweder gar keine oder nur rudimentäre Sclerotien her­ausbildeten und dass häufig statt ihrer normale Caryopsen zur Reife gelangten.

Schon Tulasne hatte am Ruchgras, ebenso wie an Alopecurus geniculatus das näm­liche Verhalten der ClavWeps purpurea beobachtet. Wenn es im Allgemeinen wahr seinmag, dass das Vorhandensein des Pilzes die Befruchtung des Ovulums verhindere, so giebtes doch Ausnahmen, wo gesunde, keimfähige Caryopsen trotzdem entstehen. Man darf sichübrigens nicht täuschen lassen. Es kann auch vorkommen, dass man einen normalen, vonder Vor- und Deckspelze eingeschlossenen Anthoxanthurn-Samen vor sich zu haben glaubt,bis man näher zusieht. Die mikroskopische Untersuchung belehrt uns dann, dass das, was wirflir einen normalen Samen hielten, nichts anderes als ein winziges, von den Spelzen allseitigumschlossenes Mutterkorn ist. Eine am 26. Januar 1900 vorgenommene Untersuchung dervon den Versuchspflanzen 11-14 gewonnenen Samen liess uns in drei Fällen diese That­sache bestätigen. Zweimal war das Mutterkorn von den Vor- und Deckspelzen eingeschlossenund einmal ragte ein ganz klein wenig die Spitze des Mutterkorns zwischen den wenigklaffenden Spelzen hervor.

Warum sich bei Anfhoxanfhum odoratwn der Pilz fast nie zu einer grösseren Scle­rotiumproduction versteigt, dürfte vielleicht an der derben Beschaffenheit seiner innerstenSpelzen liegen, welche dem weichen Hyphengebilde des Pilzes und seiner Entfaltung hinder­lich sind.

Neulich glaubt C. Enge Ik e 2) nachgewiesen zu haben, dass, wenigstens beim Roggendie Infection mit den Clal'iceps-Sporen nur dann von Erfolg gekrönt sei, wenn dieNarbe noch nicht befruchtet war, das Pollenkorn noch keinen Keimschlauch" getriebenhabe. ,.In diesem Falle kann die Spore oder Conidie in der NarbenflÜ8sigkeit zum Keimenkommen. Das entstandene Mycel wächst in dem leitenden Zellgewebe nach dem in derFruchtknotenhöhle sitzenden Eichen und beginnt hier die Veränderung durch das Mycel. c

Eine Infection durch die Spaltöffnungen des Fruchtknotens ist nach Engelke ausgeschlossen.

I) Dieselben waren durchschnittlich 7 fJ.lang und 3,5 fJ. breit (Zeiss Ocular:3, Object 7).2) Neue Beobachtungen über die Vegetationsformen der GlaMceps purpu,rea Tu!. Hedwigia. 1902.

01. Heft 6.

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Unsere Beobachtungen an AntJwxanthum odoratum scheinen aber doch eher für die alteTulasne'sche Ansicht zu sprechen, gemäss welcher der Pilz seine Entwickelung ausserhalbdes Ovariums durchmacht.

II. Infectionsversuch mit Claviceps purpu'1'ea Tul. vom Roggen herstammend.

Um den Versuch I zu wiederholen und zugleich Conidienmaterial zu weiteren Impfun­gen zu erhalten, wurden am 5. Mai 1900 mit den Ascosporen von Sclerotien, welche imJuli 1899 bei Villmergen (Ct. Aargau) von Roggen abgelesen, am 14. November desselbenJahres im botanischen Garten zu Bern in Töpfe ausgesäet worden waren und daselbst EndeApril 1900 gekeimt hatten, folgende Gräser durch den Zerstäubungsapparat geimpft:

II1 Antlwxanthum odoratum }11

2Anthoxanthum odoratum dienten schon letztes Jahr zur Impfung mit Cl. purpurea.

IIs Anthoxanthum odoratum (Samencontrollstat. Zürich. Hatte nie zu Impfzweckengedient).

II, Anthoxanthum odoratum (am 30. April 1900 lange vor der Anthese aus dem bot.Garten ausgegraben).

IIr; Hierochloa borealis (Samencontrollstation Zürich, 1900 bezogen).

Mehrere Controllpflanzen wurden schon am 4. Mai abgesondert.Beim vorliegenden Versuch trat schon nach neun Tagen, d. h. am 14. Mai das erste

makroskopisch sichtbare Honigthautröpfchen auf und zwar an IIi . Es war leicht getrübtund dünnflUssig. Die mikroskopische Untersuchung desselben ergab zahlreiche (aber nochnicht das ganze Gesichtsfeld erfUllende) Conidien. Das Wetter war bisher warm gewesenund dies hatte jedenfalls die frUhe Entwickelung des Pilzes zur Folge gehabt. Nun abertrat vom 1J. Mai ab unfreundliche, kalte Witterung ein, die ziemlich constant bis zum22. Mai anhielt. Ebenso lange unterblieb die weitere Honigthauabscheidung, obwohl mitden Fingern an vielen Aehrchen auch bei II2, IIs und II, eine teigige weisse Masse zwischenden Spelzen hervorgedrückt werden konnte, welche sich unter dem Mikroskop als reichlichConidien abschntirende Sphacclia erwies.

Die Entwickelung des Pilzes war also nicht sowohl unterdrtickt, als vielmehr dieProduction des als Honigthau bekannten, zuckerhaltigen Saftes. Diese Erscheinung möchtenun allerdings für die Auffassung C. Engelke's I) sprechen, insofern er behaupt,et, derHonigthau sei nichts anderes als vermehrte Narbenflfissigkeit und kein Abscheidungsproductdes Pilzmycels. Bekanntlich scheiden auch Nectarblüthen nur bei warmem Wetter reich'"lichen Honig ab. - Der Reiz, den der wachsende Pilz sonst auf die Narbe der befallenenGramineenblUthe ausübt, vermag sie bei kaltem Wetter doch nicht zu grösserer Saftproductionanzuspornen.

Sob'ald aber vom 22. Mai ab wieder wänneres Wetter eintrat, zögerte bei unserenvier Antlw.mntlwm-Stöcken die Honigthaubildung keinen Augenblick. Sämmtliche vierPflanzen von IIi -II4 tropften geradezu von dem jetzt bernsteingelben, eine unendlicheMenge Conidien fl.ihrenden Saft,

An Ur; (Hieroddoa lHtrealis) machte sich aber auch jetzt und bei der erneuten Revisionam 26. Mai immer noch kein Honigthau bemerkbar und wir glaubten bereits, es hier mit

I) Neue Beoba.chtungen über die Vegetationsformen der C/fll"i(,l'p.q purpurra Tul. Hedwigia.. 1901.öl. Heft 6.

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einem negativen Resultat zu thun zu haben,. bis uns die auf Fingerdruck zwischen denSpelzen hervorquellende, weisse, teigige Masse, die sich unter dem Mikroskop als Sphaceliaentpuppte, eines andern belehrte. Auch Hierochloa borcalis war ausgiebig von dem Pilz be­fallen. Entweder verlangt aber diese Graminee zur Honigthaubild\mg andere (wärmere)Temperaturbedingungen, oder sie gehört zu jenen Wirthspflanzen der Gattung Clavic",ps,welche, wie z. B. Phragmites communis (siehe daselbst!) überhaupt nicht oder nur ganz ver­einzelt makroskopisch sichtbare Mengen Honigthau hervorbringt.

Der Versuch 11 aber bestätigt im Ganzen das Resultat des Versuches I vom vorigenJahre, nämlich, dass Clavicrps pu?"JYll1'ea Tu!. vom Roggen leicht auf Antho.Tanthu?J/ odorafmllübertragbar ist. Des Weiteren belehrt uns der positive Erfolg bei Ur" dass auch Hiroehlooborealis von eben demselben Pilz befallen werden kann. Diese Thatsache wird um so mehrinteressiren, als bisher meines Wissens Hierochloa bo?"(xdis überhaupt noch nicht als Wirths­pflanze irgend einer Claviccps-Species bekannt war.

Was die Controllpflanz9n anbelangt, blieben sie während der ganzen Zeit des Ver­suches vollständig intact.

Zu vielen der folgenden Versuche benutzten wir nun als weiteren Ausgangspunktunserer Impfungen die Conidien der unter I und 11 befallenen Antho.ranthurn-Stöcke, da jader auf dem Ruchgras durch das Experiment erzeugte Pilz identisch ist mit Clavicpps ]1ur­purea Tulasne des Roggens.

IH. Infectionsversuch mit Claviceps pu?'purea Tu!. von Anthoxanthum od01'atumstammend.

Am 23. Mai 1899 wurde mitte1st des Zerstäubers conidienhaltiger Honigthau von 13

(AntllOxanthum odoratwn) auf folgende Pflanzen, d. h. auf deren blühende Aehren gebracht.

UII ROggen} Als die Aebren noch »im Halme waren, aus der Umgebung BernsIII2 Roggen eingetopft.

III2 musste beim Ausgraben gelitten haben, denn das Exemplar ging rasch ein, nach­dem es geimpft und mit einer Glasglocke bedeckt worden war.

An HIt dagegen, welches zwei kräftige Aehren besass, zeigte sich am 5. Juni, alsoam 13. Tag nach der Impfung, das erste Honigthautröpfchen, dem bald an beiden Aehrenmehrere folgten. 'Die Tropfen waren milchig getrübt, ins Gelbe spielend und so gross, dasssie an der Pflanze herunterrannen. Am 20. Juli ernteten wir an der einen Aehre 6, an deranderen sogar 14 schön ausgewachsene Sclerotien.

An eine Infection von draussen her kann hier nicht gedacht werden, da die Pflanzenlange bevor nur eine Aehre sichtbar war, hereingebracht wurden. Der Versuch zeigt zwarnichts wesentlich Neues, aber er lehrt uns doch, dass Clavierps purpurea Tu!. des Roggensauch dann sehr leicht wieder auf diese Gramineen zurlickzugehen vermag, wenn er eine Zeitlang auf.dem Ruchgras gelebt hat. Er muss demnach hier wie dort dieselben oder wenigstenssehr ähnliche Existenzbedingungen antreffen. - Um des erhaltenen Resultates noch sichererzu sein und weitere, uns interessirende Fragen zu studiren, wiederholten wir den Versuch:

IV. Infectionsversuch mit Claviceps purpurea Tu!. von Anthoxanthum odoratumherstammend.

Am 5. Juni 1899 inficirten wir mitte1st des Zerstäubers folgende Gramineen mit denConidien von It und I, (Antlwxanthum odoratum):

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IVI Roggen (Höhepunkt der Anthese)IV2 Roggen (im Verblühen)IVs Roggen (im Verblühen)IV, Roggen (im Verblühen)IV& Roggen (im Verblühen)IV6 Roggen (abgeblüht)

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Sämmtliche Pflanzen waren schon lange bevordie Aehren sichtbar wurden, vom Felde herein­gebracht und eingetopft worden.

Den ersten deutlichen Honigthautropfen gewahrte ich am 12. Juni an IVh also schon am7. Tage nach der Infection. Das Wetter war flir die Pilzentwickelung ausserordentlich günstig.Die Signatur desselben zumal in dem betreffenden Gewächshaus, wo der Versuch ausgeführtwurde, lautete auf feuchtwarm. Auch an IV2• IV3, IV, und IV& trat die Bonigthauabsonde­rung abnorm früh, nämlich am 14. Juni, oder am 9. Tag nach der Infection auf. Bei IVsaber harrten wir vergebens auf das Zeichen des Befallenseins. Es entwickelte sich keinHonigthau und in der Folge kein Mutterkorn. Die Versuchspflanzen lVI bis mit IVr; setztendagegen reichlich Sclerotien an. Am 21. Juli bei der Revision las ich ab: von lVI an dereinen Aehre 4 kleine, schlechtentwickelte und an der anderen Aehre 6 kleine, ebenfallsrudimentär gebliebene Sclerotien; von IV2 an einer Aehre 4, an der anderen 3 und aneiner dritten 5 ziemlich gut entwickelte Mutterkörner. An IVa waren an der einzigen Aehre4 schöne, an IV, an einer Aehre 6 und an einer zweiten Aehre gar keine Mutterkörner zusehen. IV& hatte 4 Aehren getrieben und an jeder derselben prangten 3-4 grosse, kräftigeSclerotien.

Da bei diesem Versuch auch Controllpflanzen vorhanden waren, welche völlig intsetgeblieben, so bestätigt er mit aller wUnschenswerthen Sicherheit das unter 111 gewonneneResultat. Die Versuchsreihe giebt uns aber noch weiteren Aufschluss allgemeiner Natur.Dass lVI schon nach 7 Tagen Honigthau zeigte, ist jedenfalls nicht zufällig. Vielmehrscheint der Fruchtknoten um so rascher vom Pilz ergriffen zu werden, je jUnger er ist(IV. lItand zur Zeit der Impfung in schönster BlUthe). IV2 bis und mit IV& waren am Ver­blUhen und boten daher dem Pilz schon mehr Widerstand. Die Honigthau-Abscheidung tratan denselben consequent zwei Tage später auf. Unsere Beobachtungen bei den Impf­versuchen mit dem Roggen zwingen uns, entgegen der Behauptung Engelke's, anzu­nehmen, eine Infection mit dem Pilz sei auch dann uoch möglich, wenn die Befruchtungbereits stattgefunden habe. IV21 IVs, IV, und IV& mUssen doch entschieden als befruchtetangesehen werden. Vollends abgeblühter Roggen (IV6) nimmt den Pilz nicht mehr auf.

Seiner leichten Empfänglichkeit wegen schien uns der Roggen die passendste Gramineezu seiu, um an die Frage heranzutreten, wie fruh denn schon eine Claviceps-Infection möglichwäre. Nach dem VerblUben wurde der Roggen nicht mehr befallen (IV6); sollte hingegendie Infectiou schon vor der Anthese möglich sein"

Wir opferten dieser Frage die folgenden Versuche:

V. Infeetionsversuch mit Claviceps purpurea Tul. von Anthoxanthum odoratumherstammend.

Am 26. Mai 1900 wurden mit den Conidien III' II2, 113 und 11, (AntJwxanthum odo­ratum) in Mischung folgeude 6 Gramineen durch Eintauchen ihrer Aehren in die Impffttlssigkeit(d. h. mit viel Wasser verdünntem Honigthau) inficirt:

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Herbstsaat 1899. BotanischerGarten Bern.

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Vi Roggen (eben aufgebll1ht)V2 Roggen (noch nicht bll1hend)Vs Roggen (vor der Bll1the stehend)V, Roggen (vor der Blnthe stehend)V" Roggen (Aehre kaum aus der Blattscheide heraus)V6 Roggen (Aehre kaum aus der Blattscheide heraus)

Am 6. Juni, also nach 11 Tagen, trat an VI prompt Honigthau auf, wie ungefahr zuerwarten war. Die übrigen Roggen-Exemplare der Versuchsreihe verhielten sich um dieseZeit noch passiv. V2 , Vs und V" die am Tage der Infection noch nicht blUhten, traten,begünstigt durch die feuchte Wärme unter den Glasglocken, die nächsten 3-4 Tage in denZustand der Anthese. V2 schied am 13. Juni an drei Aehren stark Honigthau ab; Vs folgteam 14. Juni und V, am 15. Juni mit der nämlichen Erscheinung.

Die Versuchspfianzen V" und V6 , welche erst am 10. Tag nach der Impfung zu bllihenbegannen (sm 5. Juni), brachten in der Folgezeit weder Honigthau noch Sclerotien zumVorschein.

Nach diesem Ergebniss zu schliessen , scheint ClalJweps purpurea Tu!. in Form derConidien sich allerdings drei bis vier Tage auf dem noch nicht blühenden Roggen keim­fähig halten zu können. Die Versuchspfianzen V2 , Vs und V, bllihten erst drei bis vier Tagenach der Impfung auf, und doch erzeugten sie nach ca. 13, 14 und 15 Tagen nach einge­tretener Anthese richtigen Honigthau. Die Sporen müssen unter dem Schutz der die Aehrenfeuchthaltenden Glasglocken auf den Spelzen günstige Bedingungen gefunden haben, umentweder als solche oder als Keimschläuche die erst später aufgehenden Bll1then des Roggensdoch noch mit Erfolg inficiren zu können. Nach J. K ühn'a Erfahrungen keimen die Conidienvon Claviceps purpurea günstigen Falls nach fünf bis sechs Stunden aus und die Keim­schläuche vermögen nach ca. sechs Tagen wiederum Conidien abzuschnüren.

Am 22. Mai 1899 machten wir selbst einen kleinen Culturversuch mit den von Antho­mnthwn odoratum stammenden Conidien auf einem Objectträger. Am folgenden Tage warendie Conidien scheinbar noch unverändert. Am 24. Mai aber begann bereits die Keimung derSporen mit ein und zwei Keimschläuchen, welche sich in der nächsten Zeit dicht verflochtenund nach acht Tagen in seitlichen Köpfchen zahlreiche Conidien abschnürten.

Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass bei Impfversuchen die Conidien oder derenKeimschläuche resp. Mycelien viele Tage lang auf nicht blühenden Gräsern und ohne densie ernährenden Fruchtknoten aushalten können j denn sonst müssten unsere beiden Ver­suchspflanzen V" und V6 doch schliesslich noch befallen worden sein. Wir sahen aber,dass sie intact blieben, obwohl sie unter den günstigsten Bedingungen (beständige Feucht­haltung) am Tage der Impfung wohl mit Tausenden und Tausenden von Conidien besprengtworden sein mögen. Um so weniger ist anzunehmen, dass dieser Modus der frlihen Infection(d. h. viele Tage vor der Anthese, wenn die Aehre kaum dem Blatt entschlüpft ist) in derfreien Natur mit ihren oft weniger glinstigen Bedingungen statthaben wird. - Aber auchselbst eine Infection kurz (3 -4 Tage) vor der Anthese dürfte im Freien nur bei ausnehmendgl1nstiger, warmer, regnerischer Witterung anzunehmen sein.

Die Regel wird die sein, dass die Gramineen zur Zeit ihrer höchsten Blnthe ange­steckt werden.

Immerhin zogen wir aus den Ergebnissen des Versuchs V die Lehre, unsere Versuchs·pflanzen möglichst frnhzeitig, also lange vor ihrem Aufblühen, in die betreffenden Impfräume(Gewächshäuser) zu verbringen.

BQtani",he Zeitung. I !lOS. ließ \"I/VII. 18

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Nach dieser kleinen Abschweifung wenden wir uns wieder dem Hauptthema zu undsuchen uns klar zu werden, welche weiteren Gramineen Clariceps p/lrpurea Tu!. zu befallenvermag und welche der Pilz unbertihrt lässt.

VI. Infectionsve rsuch mit Cla1'1:ceps purpurea Tul. von Secale cM'eale stammend.

Am 20. Mai 1899 wurden mit den Ascosporen von im Spätherbst 1898 ausgesäetenRoggensclerotien folgende Gräser geimpft:

VIt Poa alpinaIVI

2Poa alp1:na Alle in sc~önster.Blüthe, sehr üppige Exemplare, aus der Samen-

VIs Poa alpina controllstation Zürich.

Der Erfolg war ein völlig negativer. Bei keiner Revision konnte eine Spur vonHonigthau wahrgenommen werden. Auch setzten sich keine Sclerotien an, obwohl alle dreiPflanzen unter den günstigsten Versuchsbedingongen inficirt worden waren.

Ohne von diesem negativen Resultat beeinflusst zu sein, wurde vier Tage späterfolgender Versuch angestellt:

VII. Infectionsversuch mit Claviceps purpurea Tu!. von An thoxanthmn odoratumherstammend.

Da gerade in dem Versuchshaus noch zwei Exemplare Poa alpina zu blühen begannen,wurden dieselben mit den Conidien des Versuches I (Anthoxanthum odorat/lm) am 24. Mai1899 mitte1st des Zerstäubers geimpft.

VIIi Poa alPina}VII

2Poa alpina Samencontrollstation Zürich, 1899 bezogen.

Der Erfolg war auch hier ein negativer. Trotz der genauesten Untersuchung derBlüthen konnte kein Befallensein mit dem Pilz constatirt werden. Ebenso erfolglos warein am 31. Mai 1899 eingeleiteter Impfversuch mit den Conidien gleicher Herkunft und miteinem einzigen, frisch aufgeblühten Exemplare von Poa alpino, mit welchem zugleich eineRoggenpflanze inficirt wurde. Poa alpina blieb intact, während der Roggen am 11. Juniabundante Honigthau-Absonderung zeigte und am 21. Juli mit vier prächtig entwickelten,grossen Mutterkörnern besetzt war.

Die Hartnäckigkeit der Poa alpina dem Versuchspilz gegenüber, reizte uns, im fol­genden Jahre nochmals hierauf zurtickzukommen, indem wir mit Absicht die nämlichenPoa-Exemplare benutzten, welche schon 18H9 zu den obigen negativ verlaufenen Impfungengedient hatten.

VIII. Infectionsversuch mit Claviceps purpu'I'ea Tu!. von Anthoxanthumod01'atum herstammend.

Am 26. Mai 1900 wurden

VIII t Poa alpina }VIII2 Poa alpina '.. .VIII

3Poa alpiJlu alle lD schonster Blüthe.

VIII, Poa alp/:namit den Conidien des Ruchgrases der Versuchsreihe II mitte1st Zerstäubers inficirt undmehrere Tage wie immer mit Glasglocken feucht gehalten.

Am 4. Juni beim Wegnehmen der Glocken war noch alles intsct; ebenso auch nocham 14. Juni bei erneuter Revision. Dagegen konnte man am 21. Juni an VIII2 zwei winzig

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kleine, helle Tröpfchen wahrnehmen, welche laut mikroskopischer Controlle die fUr denHonigthau charakteristischen Conidien in beträchtlicher Zahl einschlossen. Die Tröpfchenverschwanden aber in den folgenden Tagen und Sclerotien entwickelten sich trotz desguten Gedeihens der Pflanzen nicht. Auch trat an keiner der übrigen Versuchspflanzenweiterer Honigthau auf.

Wir glaubten zur Zeit unserer vorläufigen Mittheilung im Botan. Centralblatt (1900) aufGrund dieses immerhin positiven Resultates, Poa alpina unter die Wirthspflanzen vonClm:keps purpurea Tul. aufnehmen zu müssen, gelangen aber heute bei der eingehendenDarstellung unserer Versuche zu der Ansicht, dass Poa alpina in der freien Natur demMutterkornpilz des Roggens gegenüber so gut wie immun sein dürfte. Die Graminee bietetdem Pilz sicher nicht jene günstigen Bedingungen zur Entwickelung, wie etwa der Roggenoder das Ruchgras, sonst müssten die vielen Versuchs-Poa der Reihen VI, VII und VIII nichtnur zwei, sondern eine Unmasse von Honigthautröpfchen an ihren Blüthenständen entwickelthaben, wie wir dies später bei anderen Poa-Arten sehen werden.

Die Bedingungen zum Aufnehmen der CWLiceps purpu1'ea scheinen bei den verschie­denen Gramineen sehr ungleich zu sein. Von der gänzlichen Immunität bis zur leichtenEmpfänglichkeit lassen sich allerlei Gradunterschiede wahrnehmen; Poa alpina, die sichwohl nur durch den Zwang wiederholter Impfungen unter den allergünstigsten Verhältnissenspärlich inficiren liess, begrenzt jedenfalls die Stufenleiter jener Gradunterschiede nach unten.

Da wir einmal bei Poa stehen, wollen wir gleich sehen, wie sich andere Arten dieserGattung der Claviceps purp1l'rea gegenüber verhalten.

IX. Infectionsversuch mit Claviceps purpu1'ea Tul. von Secale cereale stammend.

Am 8. Juni 1899 unterlagen folgende Pflanzen der Infection mit Conidien, welche vomRoggen der Versuchsreihe IV herstammten:

IXi Poa fm·tilis }IX2 Poa fertt"lis Aus der Samencontrollstation Zürich, 1899 bezogen; gesunde, kräftigeIX3 Poa fertilis Exemplare in schönster Blüthe.IX4 Poa fertilis

Bei verschiedenen Revisionen am 15., 20. und 30. Juni war nichts von Infection zubemerken. Unser Versuchsprotocoll verzeichnet einen total negativen Erfolg. In diesemVersuchsfall waren nun allerdings die sonst immer verwendeten Glocken zum Feuchthaltenausnahmsweise nicht gebrR.ucht worden. Man kann sich daher mit Recht fragen, ob die In­fection nicht stattgehabt hätte, wenn die Blüthen, resp. Blüthenstände der Poa fertilis feuchtgehalten worden wären? Atmosphärische Einflüsse, zumal starke Trockenheit der Luftkonnten hier mit im Spiel gewesen sein, ui:n ein positives Resultat zu verhindern.

So fand daher im folgenden Jahre eine Wiederholung des Versuches statt, wobei zu­gleich auch das Verhalten anderer Gräser dem Pilz gegenüber geprüft werden sollte.

X. Infeetionsversuch mit Claviceps purpurea von Secale ce reale stammend.

Am 19. Juni 1900 inficirten wir mit den Conidien von Secale cm'eale der Versllchs-reihe V vermittelst des Zerstäubers folgende Gräser:

Xl Poa fertilis (hatte letztes Jahr schon zur Impfung gedient).X2 Poa fertilis}X

3Poa fm·tiLis Samencontrollstation Zürich, 1900 bezogen.

18*

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X 4 Pon cae.~ia }X

sPoa caesia Samencontrollstation Zürich, 1900 bezogen.

X6 Poa caesia (Samencontrollstation Ztirich, 1899 bezogen).

Es wurde besonders darauf geachtet, dass die Versuchspflanzen alle zur Zeit derImpfung auf dem Höhepunkt .der Anthese standen und dass sie gut und lange feucht ge­halten wurden. Die Glasglocken wurden daher vor 8 Tagen nicht abgehoben. Kaum warenaber dieselben entfernt, zeigten sich schon am folgenden Tag (2i3. Juni) an Xs (Poo ooesm)die ersten Honigthautröpfchen, denen bald eine Menge, nicht nur an Xs, sondern auch an X4

und X6 ,folgten, sodass die Rispen an der betastenden Hand kleben blieben. Weder am28. Juni, noch bei einer zweiten Revision am 21. Juli gewahrte man aber eine Spur vonInfection bei den drei Poo {ertilis der Versuchsreihe.

Wir sind daher wohl berechtigt, eine starke Immunität der letzteren Poa-~pecies

gegenüber der Claviceps purpurea anzunehmen. Auch noch so oft erneute Impfversuchewerden an dieser Thatsache nicht viel zu ändern vermögen. 1'00 {ertilis ist keine Nähr­pflanze des gewöhnlichen Mutterkornes. Dagegen muss nach unserem schönen Erfolg beiPoa caesia diese Graminee als Wirthspflanze der Clal'iceps purpurea angesprochen werden.

Es wären nUll des Weiteren Impfversuche dartiber anzustellen, ob Poa alpinG undPon t'ertilüs vielleicht in den Nährpflanzenkreis der von uns nicht geprtiften C1aviceps selu10MQuelet gehören.

XI. Infectionsversuch mit Clavir:eps pu'rpnrca von Secale cM'eale herstammend.

Zum Ausgangspunkt dieses Versuches benutzten wir die Conidien des Roggens derVersuchsreihe IV. Damit impften wir am 22. Juni 1899

XI! Poa pratensis (aus dem botan. Garten lange vor der Anthese eingetopft).XI2 Pan pratemsis (Samencontrollstation Zürich. 1899 bezogen).XIa Phalaris arwuHnacea (war früher von Herrn Prof. Fischer zu Uredineen-

Impfungen gebraucht worden).XI4 Plm/aris al'lfluUI/(l('ea (vor der Anthese aus dem Freien hereingebracht).

XIs Bromits ercctus lXI

6BrolJlus erectus Aus der freien Natur lange vor dem Blühen hereingebracht

XI7

Brol1/us erectlls und eingetopft.

Genau 14 Tage nach der Impfung (am 6. Juli) war XI2 (1'00 pratensis) WIe von einemSprühregen getroffen. Die ganze Rispe blitzte silbern im Sonnenlichte. Am folgenden'rage begann es auch an XI! zu funkeln, während die Tröpfchen an XI2 jetzt leicht milchig­getrübt erschienen und bei der mikroskopischen Untersuchung sich in lauter Conidien auf­lösten, sodass das Gesichtsfeld von ihnen wie gepflastert aussah. Der Honigthau währteaber nicht lange. Sehr bald siedelten sich bei der damals im Versuchsraum herrschendenHitze und grossen Feuchtigkeit Schimmelpilze auf den Honigthauträpfchen an und die Ab-­sonderung sistirte. Der Beweis war aber factisch erbracht, dass Poo pmtensis sehr leichtvon Clat·jeeps purp,wea befallen werden kann. ,Die Graminee ist eine typische Wii'thspflanzedieses Pilzes.

Am 6. Juli producirte auch Phalaris arundinacea (XIa) enorme Mengen von Honig­thau. Es war schwer eine einzige Blüthe zu finden, die sich passiv verhielt. Zwei Tagespäter brachten auch hier Schimmelpilze die Weiterentwickelung des Pilzes zum vorzeitigenStillstand. Das andere Pha1al'l:~-Exemplar (XI.) war leider der »Verstrohungc anheim ge-

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fallen, ehe der Pilz Honigthau absondern konnte. Das massenhafte Auftreten jener Ab­sonderung auf XIs genügt aber, um die Graminee den typischen Wirthspflanzen der Clavi­ceps purpurea anzufUgen. Wir werden übrigens später noch sehen, dass Phalmu a1"1.uuliJUWeawiederholt mit Erfolg sich mit dem nämlichen Pilz inficiren liess.

Ganz negativ verhielten sich die drei B1'omus erectus (XIs, XIs und XI,) trotz gutemBestand ihrer Blüthen. Es war dies um so auffallender, als die übrigen Pflanzen der Reihe,wie erörtert, sehr leicht den Pilz annahmen. Die Frage konnte nur durch erneute Infectionengelöst werden.

Vorerst aber wenden wir uns anderen Gramineen, zumal den Ubrigen Vertretern desGenus Poa zu.

XII. Infectionsversuch mit Clariceps purpurert von Beeale cercale stammend.

Einer der ersten Impfversuche, welcher im Jahre 1900 ausgeflihrt wurde, fand stattmit Poa cmu:inna, welche ich durch die gütige Vermittelung des Herrn Prof. Ed. lfischer ausdem Canton Wallis erhielt. Die Stöcke blühten noch nicht, als sie im Frlihjahr 1900 in Bernankamen. Sie hatten durch den Transport etwas gelitten, erholten sich aber bald bei guterPflege, sodass sie am 11. Mai zu blühen begannen und folglich inficirt werden konnten. Undzwar belegten wir mit den Ascosporen von im Herbst 1899 ausgesäeten Roggen-Sclerotienfolgende Exemplare (am 11. Mai 1900):

XII. Poa oondnnaXII2 Poa coneinnaXIJs Poa cmlCinnaXII, Anthoxanthum odoratulIt} aus dem botan. Garten eingetopft. t 900. DientenXII5 Anthoxantlnun odoratllln schon letztes Jahr zu Impfzwecken.

Am 23. Mai bemerkten wir an XII2 (Poa conciww) einige kleine Tröpfchen, welcheConidien enthielten. Sie versiegten aber bald und eine Sclerotienbildung unterblieb. An.den anderen Port rOlldnna trat keine Honigthau-Abscheidung auf und auch Bphacdia-Ent­wickelung macht sich nirgends bemerkbar. Aber auch die beiden Anthoxantkllm-Stöckezögerten merkwürdig lang mit dem Zeichen des Befallenseins, und erst am 28. Mai erschienendie ersten deutlichen Honigthautr5pfchen, denen allerdings rasch eine Menge folgten.

Vergessen wir nicht, dass der Versuch XII zusammen mit dem Versuch 11 in die un­günstige Zeit jenes schon erwähnten Kälterückschlages des 15.-22. Mai fiel. Zu einer wär­meren Zeitperiode wäre vielleicht POrt concinna stärker befallen worden. Allein, das leichtzu inficirende Ruchgras (AnthoxanfllUlII) überwand die Hemmung der Temperatur gleichwohlund nahm den Pilz schliesslich günstig auf. Es scheint uns daher doch ein tieferer Grundfür den schwachen Erfolg auf Poa cmu:inna vorzuliegen.

Immerhin sollte uns ein erneuter Versuch näheren Aufschluss geben I

XIII. Infectionsversnch mit Claviceps pUrplt1'ea von Becale ce1'eale stammend.

Am 27. Mai 1900 hatten drei weitere, aus dem Wallis stammende Poa cOllcinna nochspäte Blüthen getrieben. Dieselben wurden an jenem Tag mit den Ascosporen von imHerbst 1899 ausgesäeten Roggen-Sclerotien belegt wie folgt:

XlIII Poa concinnalXIII2 Poa C.()lIcinlla alle wie üblich mit feuchten Glocken gut bedeckt.XIIIs Poa cOlu:inna

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Am 7. Juni glaubten wir an XIII3 die ersten Spuren einer stattgefundenen Infectionin Form eines schleimig-schmierigen Ueberzuges an einzelnen Theilen der Rispe constatirenzu können. Aber bei der mikroskopischen Untersuchung wimmelte jener Schleim vonBacterien. Der vorgetäuschte Honigthau sistirte denn auch rasch und zu einer Spltacelia­bildung und echtem Honigthau kam es auch in den folgenden acht Tagen nicht, obwohldas Wetter der Entwickelung des Pilzes nicht hinderlich gewesen wäre. Auf Grund derbeiden Infectionsversuche XII und XITI müssen wir daher Poa cmwiwta als immun odernahezu immun für Clavlaps purpurea betrachten. Die Graminee stellt sich demnach unge­fähr auf die gleiche Stufe mit Poa alpilta.

XIV. Infectionsversuch mit Claviceps pllrpll'rea von Allthoxanthullt orloratll mstammend.

Am 28. Mai 1900 wurden mit den Conidien von Antlwxartthllm odaratum der Versuchs-reihe II mit HnIfe des Zerstäubers folgende Gramineen inficirt und mit Glocken bedeckt.

XlVt Poa annuo,IXIV2 Poa annua letztes Jahr um Bem ausgegraben und eingetopft.XIV, Poa annuaXIV4 AJ'1·ltettatherum elatiu.8 lXlV5 Arrhettatherum elatius vor drei Wochen aus dem botan. Garten hereingebracht,XIV6 Dactylis glomerala J als noch keine Blüthenstände da waren.XIV7 Daciylis glnmerat.a

Es braucht wohl nicht immer wiederholt zu werden, dass die Versuchspßanzen zurZeit der Infection, wo nicht das Gegentheil angegeben ist, aufgeblüht sind.

Die ersten zahlreichen Honigthautropfen machten sich an XlV5 (Arrhenatherum elatius)und XIV7 (Dactylis glomerata) schon am 4. Juni, also 7 Tage nach der Versuchsanstellungbemerkbar, was bei dem günstigen Wetter nicht verwunderlich war. Auch alle übrigenArrheltatlwrmll- und Daciylis-Pßanzen bejahten am 7. und 8. Juni ihre Leichtempfindlichkeitmit dicken, gelben Honigthautropfen, welche die mikroskopische Controlle aushielten. Vonaussen her eine Infection anzunehmen, wäre angesichts ihrer frühen Verbringung in denVersuchsraum und bei der völligen Reactionslosigkeit zahlreicher Controllpßanzen nicht an­gebracht. Daciylis und Arrhenatherum sind entschieden zwei typische Nährpßanzen vonClmriceps purpurea, welche auch in der freien Natur häufig genug von dem Pilze befallen sind.

An den drei Poa annua gewahrten wir zu keiner Zeit eine Spur von einer Infection.Wir impften inzwischen nachgewachsene und frisch blühende Rispen der nämlichen Pflanzennoch ein zweites Mal mit Conidien gleicher Herkunft; allein auch diesmal war nur einnegativer. Erfolg zu verzeichnen. Der Zufall müsste wunderlich mitgespielt haben, wennalle Exemplare des Versuchs XIV befallen sein sollten, nur Poa annuo, nicht und zwar ineiner Vertretung von drei Individuen. Es ist daher für Poa annu.a der eza",iceps p'llrpureaTul. gegenUber eine völlige und strenge Immunität anzunehmen. - Es ist sogar möglich,dass der von uns auf Poa annua gefundene Mutterkornpilz eine besondere biologischeArt der ClavWeps purpurea Tul. darstellt (siehe Versuch XLI). Dass Arrhe1tatherum elatiussehr leicht der Infection mit Claviceps purpurea Tul. sich unterzieht, haben wir schon imJahre 1899 gesehen, wo wir zwei Exemplare impften. Holen wir den Versuch hier nach:

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XV. Infectionsversuch mit Claviceps purp1l1'ea von Anthoxanthum odoratumherrührend.

Am 31. Mai 1899 nahmen wir Honigthau von Anthoxantlunn odaratum der Versuchs­reihe I und brachten ihn, mit Wasser gehörig verdünnt, mitte1st des Zerstäubers auf dieblühenden Rispen folgender Pflanzen:

XVI Arrhenatheruln e1a#US}XV

2Arrhenatherllm e1a#us aus dem botan. Garten lange vor der Anthese eingebracht.

XVI war leider eingegangen, XV2 dagegen tropfte am 12. Juni bald überall vonHonigthau, der sich bernsteingelb färbte und der Sclerotienbildung wich, welche rasch vonstatten ging, aber durch Schimmelpilzbildung gestört wurde.

XVI. Infectionsversuch mit Clrt1'1:ceps pU1'purect von AnthoTantJmln odoratumherrührend,

Am 4. Juni 1900 wurden mit Conidien, herrührend von Antho.mntJmm odomtum derVersuchsreihe II, durch den Zerstäuber folgende Pflanzen geimpft:

XVII Poa sudetica IXVI2 Poa sudeticaXVI

3Poa sudetica Samcncontl'ollstation Zürich, 1898 bezogen.

XVI4 Hordeum munnum

XVIs Festuea pratensisIX VI6 Poa pratensisXVI7 Poa pratensis IHerbstsaat 1899. Botan. Garten Bern.XVIs GersteXVIg GersteXVlio Spanischer Doppelroggen (Herbstsaat 1899).XVIl1 Nardu..~ sfrida (Samencontrollstation Zürich, 1900 bezogen).X VI12 Nard:us str/".eta }XVI

13Nardlls stricta waren letztes Jahr schon zu Impfzwecken gebraucht worden.

Fast gleichzeitig, d. h. sm 19. Juui sonderten die drei Poa S1ldetica (XVII' XVI2

und XVI3), Festuca pratensis (XVIs), die beiden Poa pratensis (XVI6 und XVI7l, die Gerste(XVIs und XVlol und der spanische Doppelroggen (XVllo ) beträchtlich Honigthau ab, nach­dem Hordeum murinwl1 (XVI4) schon am 14. Juni in den Zustand der Infection getretenwar. GUnstige Witterung vorausgesetzt, wird demnach der Pilz so ziemlich bei allenGramineen im Mittel 14 Tage zu seiner Entwickelung bis zur Honigthau-Abscheidungbrauchen.

Die drei Nardus strida (XVIlI' XVII2 und XVII3) blieben sowohl am 19. Juni als auchspäterhin völlig frei von jeder Clariceps-Infection. Wir werden später, wenn wir die Ver­suche mit Clam".eeps mir:rocephala Tul. anführen, sehen, mit welcher Leichtigkeit Nardus vondiesem letzteren Pilze befallen wird. Es war übrigens im Voraus zu erwarten, dass Nm'dusstricta den Mutterkornpilz des Roggens nicht annehmen wUrde, da ja Clam".eeps purpurea Tu!.und Clavireps microcephala Tul. zwei nach morphologisch-anatomischen Merkmalen geschie­dene Species darstellen.

Wir wollten aber trotzdem auch den biologischen Beweis dieser Artdifferenz erbringenund dies ist UDS in den noch aufzuflihrenden Versuchen mit Nardus und MolinUt ebenfallsgelungen.

~J

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Dass der Roggen (XVIlOJ befallen wurde, erwarteten Wll' mit Sicherheit. Poa pra·tensis konnten wir schon im Versuch XI leicht inficiren. Der jetzige positive Erfolg beiXV.Ia und XVI7 ist eine glänzende Bestätigung jenes Resultates bei Versuch XI und das umso mehr, als die zur Controlle abgesonderten Poa pratensis-Stöcke ganz intset blieben.

Neu war fUr uns in dem vorliegenden Infectionsversuch das Befallensein der Gerste(XVIs und XVltJJ, der PestlUXL pratensis (XVIsJ, des Hordeum mllrinum (XVI4J und vorAllem der Poa sudetica (XVIi, XVI2 und XVI3).

Da auch hier zahlreiche Controllexemplare frei von Infection blieben, kann der posi­tive Erfolg nur auf unsere Impfung bezogen werden. Dafür spricht auch das prompte Er­scheinen des Honigthaus nac.b ca. 14 Tagen. Leider konnten aus Mangel an billhendenExemplaren nur die Gerste und Hordellm mUT/:nuln in späteren Versuchen zum zweiten Malgeprllft werden. POrt sllde#m in den drei Exemplaren XVIi, XVI2 und XVI3 war übrigensso gedrängt voll von Honigthautröpfchen, dass eine Versuchswiederholung nicht einmaldringend nothwendig schien.

XVII. Infectionsversuch mit Clariceps purpll1'ea von Berale cereale stammend.

Am 6. Juni 1900 benutzten wir den soeben an Beeme (,RreaJe (Vtl aufgetretenenHonigthau und impften damit nach gewohnter Weise mitteist des Zerstäubungsapparates diefolgenden Gramineen:

XVIII .Alopecurus pratensis} .XVII

2AlopecZtrllB pratensis SamencontrollstatlOn Zürich, 1900 bezogen.

XVII3 Hordeum murinum (Herbstsaat 1899).

X VII4 Brixa media 1XVIIs Bri;;a media ..X VII

6Poa ltylm:da Samencontrollstabon Zlinch, 1900 bezogen.

X VII7 Poa hybrüfa

An Al'()pcl'III'1lS prafNN"'l:S (XVII!) trat gar kein Honigthau auf und an Alopecurus pra­ümsis (XVII2) erst am 21. Juli, obwohl die Bedingungen recht glinstig waren. Wir könnennach den bisher gemachten Erfahrungen mit Clavi<:eps purpurea nicht wohl annehmen, dassjener Honigthau am 21. Juli auf unsere Infection sm 6. Juni zurlickzufGhren sei. Ehermusste AlopecurllB (XVII2) nachträglich von einer benachbarten Grsminee befallen wordensein. Dann war es immerbin auch Cla/'iceps purpllrea, was da an Alopecurus jenen Honig.thau erzeugte, denn mit anderen Clariceps-Species wurde in dem betreffenden Versuchsraumnicht experimentirt.

Es wäre sehr leicht gewesen die Natur des Pilzes auf jenem .A/,()pccuJ'lls-Exemplsr zuerforschen; wir hätten den Honigtbau nur auf eine typische Wirthspflanze von Cl. purpurea,z. B. auf Roggen oder AntllOJYmtJlII1lt odoratum ete. zu überimpfen gebraucht, aber leiderunterblieb die Stichprobe im Drang anderweitiger Geschäfte und somit mUssen wir Alope­CIlrus prrttern>l:~ (XVII2), resp. die betreffende Clrt/'iceps darauf mit einem kleinen Frage­zeichen verseben.

HordeulJl muriulIln (XVH3) war am 22. Juni reichlich befallen; der positive Erfolgbestätigt das unter XVI erhaltene Resultat.

Auch die beiden Brim media (XVU4 und XVIIs) reagirten sm 23. Juni mit sehr.vielen Honigthautröpfchen, welchen sogar Sclerotien folgten. Wir haben in der Litteraturnicht gefunden, dass in der freien Natur auf Briw media Mutterkörner angetroffen worden

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wären. Die Sclerotien, welche wir von Brixa media (XVII,) am 25. Juli ablasen, unterschiedensich in nichts von den gewöhnlichen Mutterkörnern des Roggens, als durch ihre kleinerenDimensionen. Die Controllexemplare waren frei von Infection geblieben. Brixa mediascheint alle Bedingungen einer typischen Wirthspflanze von Clo;viceps purpurea in sich .zuvereinen. Eine Nachprüfung wurde unterlassen.

Poa hylnida (X.VII6 und XVII7) war schon am 16. Juni sehr stark befallen. Leiderhatten wir vergessen, Controllexemplare abzusondern, aber zwei blühende Poa hylm'da-Stöcke,welche in unserem Vorrathskasten des Freilandes des Botan. Gartens standen, wurden wenig­stens nicht befallen. Auch hier sind Nachprlifungen nicht überflüssig. Eine solche folgtunter XVIII.

XVIII. Infectionsversuch mit Clav,;ceps P'U1'pu1'ea von Secn.le ccren.lc stammend.

Am 15. Juni 1900 benutzten WIr den auf Roggen (Vd immer noch vorhandenenHonigthau zu folgender Impfung:

XVIII1 Gerste (blühend) 1. ~

XVIII2 Gerste (Aehre noch im Blatt) f eIgene Saat.

XVIII3 Triticum spelta} .XVIII, Triticum Spelta eIgene Saat.

XVIIIs Poa hybrida (Samencontrollstation Zürich).XVIIIß Phala1'l~~ rrntllfliul1f'ea (Botan. Garten Bern).

Die Gerste (XVIII2), die sich schön entwickelte und in Anthese trat, unterlag demPilz nicht. Die auf die Pflanzen gespritzten Conidien müssen zu Grunde gegangen sein,bevor sie ihren günstigen Nährboden fanden. Das darf nicht befremden, und aus dem nega­tiven Verhalten dieses Exemplars der Gerste auf deren Immunität schliessen zu wollen, wäreganz falsch. Wir haben schon bei Versuch V gesehen, dass die beiden Roggen (V{; und V6),

welche geimpft worden. waren, als die Aehre kaum •aus dem Halm« war, auch nicht be­fallen wurden.

Die Gerste (XVIII1) im vorliegenden Versuche, welche bei voller Blüthe inficirt wurde,reagirte denn auch prompt am 30. Juni mit vielen grösseren Honigthautropfen. Wir findenhierin eine Bestätigung des positiven Erfolges, welchen wir bereits an den beiden Gerstender Versuchsreihe XVI zu verzeichnen hatten.

Wider Erwarten reagirten die beiden Versuchspflanzen XVIII3 und XVIII4 ('PritirmnSpelta) auf unsere Impfung nicht, obwohl sie in schönster Bllithe standen. Wir könnennicht annehmen, dass an der Versuchsanstellung etwas gemangelt hätte, da andere Gliederder Reihe doch Honigthau absonderten. Vielleicht liegt der Grund in der festen Geschlossen­heit der Spelzen. Auch in der freien Natur sahen wir Tritieum Spelta weit weniger häufigbefallen als z. B. den Roggen. Vielleicht könnte gar das Mutterkorn auf 'l'riti('um Speltaeine besondere biologische }I'orm der Clm,i.cpps pu:rpurea Tu!. darstellen. Leider konntenalle diese Fragen aus äusseren GrUnden von uns bisher nicht gelöst werden.

Dagegen war uns der am 26. Juni an XVIIIs (Paa hybrüla) üppig hervorquellendeHonigthau eine sichere Gewähr fIlr das unter XVI~ und XVII7 erhaltene positive Resultat.Das einzige Controllexemplar war während der Versuchszeit intact geblieben. Pon. hyl»idabietet zweifelsohne der C/at,iceps purpurea einen recht glinstigen Nährboden. Phalarisarondinacea kennen wir schon von Versuch XI her als gute Nährpflanze des Pilzes. XVII.I.!bestätigt nur das dort erzielte Resultat; denn schon am 24. Juni war unsere Phalaris aron­dinacea XVlI~ über und über voll von bernsteingelben Honigthautröpfchen, inde88 die Controll­pflanzen pilzfrei blieben.Bo~. Zeüuc- llKll1. Heft VlfVU. 1\1

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XIX. Infectionsversuch mit Claviceps pU1'purea von Anthoxanthum odoratumstammend.

Anthoxantkum odmatum der Versuchsreihe II erzeugte, wie wir dies schon frtlherbei. der Versuchsreihe I gesehen haben, bis tief in den Juli hinein an frisch entspro88enenAehrchen durch Selbstinfection Honigthau. Damit impften wir am 3. Juli (1900) folgendeGramineen:

XIX1 Ph1eum pratense }XIX

2Phleum pratense eigene Saat. Botan. Garten Bem.

XIXa Calarnagrostis arundinacea } ..XIX, Calamag-rostis arundinacea Samencontrollsta.tlOn Zürich. 1900 bezogen.

XIX& Poa cmrtpressa lXIXe Poa compressa ~ Samencontrollstation Zlirich. 1900 bezogen.

XIX., Ammophila arenarea (Samencontrollstation Z1irich. 1900 bezogen).XIXs C?f1Wsurus cristatus (aus dem botan. Garten ausgegraben).XIKe Melica altissitna (Samencontrollstation Zürich).

Von den Pflanzen gingen leider, meistens durch» Verstrohung« XIX1 und XIX2 (Phleumpratense), XIX7 (Ammophila arenarea) , XIXs (Cyrwsurus cristatus) und XI~ (Melica altissima]zu Grunde, bevor eine Infection durch Clavieeps purpurea hätte manifest werden können. ­Um so erfreulicher war der Erfolg bei XIXa und X~ (Calamagrostis arundinacea), wo sicham 13. Juli eine Masse Honigthau zeigte. Auch Poa cmrtpressa (XIX& und XIXs) überraschteuns am 16. Juli mit derselben Erscheinung. Zwar war am 14. Juli im Raum (Gazeverschlagin der Orangerie) der Controllpflanzen an einem Exemplar von Poa cmnpressa ebenfallsHonigthau aufgetreten, aber dessen Ueberimpfung auf eine blühende Roggenpflanze stellteam 29. Juli die Identität des Pilzes mit Claviceps purpurea fest, da an jenem Termin (29. Juli)von Secale cereale reichlich Honigthau abgesondert wurde.

Die Controllpflanzen von Calamagrostis arundinacea dagegen waren pilzfrei geblieben.Poa compressa und CalarnagrostU,· arundinacea scheinen demnach der Claviceps purpurea Tu!.günstige E:ristenzbedingungen zu bieten und gehören jedenfalls mit in den Kreis ihrerNährpflanzen.

Wir lassen hier nun eine Anzahl zumeist negativ ausgefallener Versuche folgen, welchebesonders wegen des Verhaltens von Bromus e1'ectus, Brmnus sterüis, Lolium pe1'enne, Loliumitoli<:uln, Glycerin fluitans, Glyceria distans, Nardus strWta und l~olinia coeruJR,a interessantsind. Weil wir all diesen Versuchspflanzen später nochmals näher treten und mit den auf ihnenlebenden Claviceps-Pilzen Impfungen veranstalten werden (siehe weiter hinten!), so glaubtenwir hier diese Gramineen im engen Aneinanderschluss abhandeln zu sollen, um uns eindeutliches Bild ihrer Beziehungen zu ClavWeps purpurea zu verschaffen. Einzig Nardusstricta mnd wir bereits bei Versuch XVI begegnet, und auch bei Versuch XI sahen wirbereits, dass Bromus erectus dem gewöhnlichen Mutterkorn des Roggens gegenüber sichimmun zeigte, während die übrigen Glieder der Versuchsreihe (Poa pratensis und PhaJari.~

arondif'tacea) auf die Impfung prompt reagirten.Hier also die übrigen diesbezüglichen Infectionsversuchel

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XX. Infectionsversuch mit Glaviceps purpurea von Anthoxanthum odoratumstammend.

Am 30. Mai 1899 wurden mit Conidien von Anthoxanthum odoratum der Ver-suchsreihe I mitte1st des Zerstäubers geimpft:

XX! Roggen (lange vor der Bltlthe ausgegraben).

XX2 Lolium perenne IXXs Lolium perennexx. Lolium perenne Samencontrollstation Ztlrich.

~ Lolium perenneXXe Arrhenatherum elatius (Samencontrollstation Ztlrich).

Insofern es sich um die vier Lolium perenne (XX2, XXs, XX, und X~) handelt, fielder Versuch durchaus negativ aus, obwohl die vier Exemplare zur Zeit der Impfung schönblühten und während der Versuchszeit in sehr gutem Zustand waren. DasR XX. (Roggen)und~ (Arrhenatherum ela.fius) am 15. und 16. Juni sehr stark mit Honigthau reagirten,bestätigt die Immunität von LoliuJn perenne nur um so mehr, denn alle sechs Pßanzen derVersuchsreihe wurden genau gleichen Bedingungen unterworfen und standen neben einander.

XXI. Infectionsversuch mit Claviceps purpurea von Anthoxanthum od01'atumstammend.

Am 5. Juni 1900 wurden mit Conidien der Versuchsreihe 11 (A-ntlwxanthurn odoratum)folgende Pßanzen inficirt:

XXI,. Lolium perenneIXXI2 Loliu'1Jt perenn~

XXIs Lolium perenne Alle in schönster Bltlthe. Samencontrollstation Ztlrich.XXI, Lok'um italieu In

XXII) Loliwn itaJieuln

Es wurde beim vorigen Versuch angenommen, der enge Schluss der Spelzen möchtedas Eindringen der Sporenschläuche in den. Fruchtknoten verhindern. Wir stellten daher denVersuch XXI mit ganz besonderer Sorgfalt an, indem wir die Spelzen von einander drängtenund die Conidien dazwischen brachten. Wir hofften in der That, auf diesem Wege zu einempositiven Resultat zu gelangen. Denn dass das auf Lolium vorkommende Mutterkorn sichvom Mutterkorn des Roggens biologisch unterscheiden wUrde, wagten wir nicht einmal zuahnen. Wir waren noch viel zu sehr von der in allen Handbtlchern niedergeigten AnsichtFrank's eingenommen, der Roggen würde ganz gewöhnlich vom Lolium aus inficirt. Daherflihrten wir unseren Misserfolg mit Lalium stets auf äussere Gründe zurück. Als aber auchder vorliegende Versuch XXI wiederum total negativ ausfiel, ohne dass etwa eine »Ver­strohungc der Pßanzen vorgekommen wäre, wurde unser Autoritätsglaube doch erschüttertund wir mussten innere Gründe annehmen. .

Trotzdem verlangte es uns, am 11. und 19. Juni 1900, nachdem die Frage eigentlich schongelöst war (siehe die Impfversuche mit Glaviceps Lolii pere1/;ni.~I), zur Sicherheit noch zweiVersuche mit je vier Exemplaren L()lium temukntum (11. Juni) und Lolium itaJicum (19. Juni)anzustellen. Aber immer erhielten wir dasselbe negative Resultat. Es ist daher mit Be­stimmtheit anzunehmen, dass Ckwweps purpurea Tul. des Roggens auf den Loliwm-Artennicht zu leben vermag.

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XXII. Infectionsversuch mit Claviceps purpurea von Secale cereale stammend.

Mit dem auf !Vi (Roggen) aufgetretenen Honigthau wurden am 13. Juni 1899 auf diegewöhnliche Weise folgende PfllUlZen inncirt:

XXII! Bromus erectus }XXII2 Bromus erectusXXIIs Bromus erectus aus dem Botan. Garten vor der Blüthe eingetopft.

XXII, Bromus erectus

Im gleichen Topf mit XXIIs fand sich eine POrt pratensis, welche nach 10 Tagen eineunendliche Zahl feiner Honigthautröpfchen absonderte. Alle Brornus erectu..<; aber bliebenpilzfrei, so oft wir uns nach ihnen umsahen. Es traten an den Bromus auch nie Sclerotienauf, noch liess sich etwa. Sphacelul zwischen den Spelzen hervorpressen.

Das Impfmaterial liess nichts zu wünschen übrig, sonst wäre die Poa pratensi.<; nichtso reichlich inncirt worden.

XXIII. Infectionsversuch mit Cla.viceps p1l1'purea von Anthoxanthum odora.tulJl.stammend.

Mit dem auf AntlwxanthuUl odoratum der Versuchsreihe n stets reichlich vorhandenenHonigthau wurden am 20. Mai 1900 folgende Gräser inBcirt:

XXIIIi Bromu,... sterili~IXXIII2 BromlIS sten~l:<; Samencontrollstation Zürich.XXIIIs Bromu... ...terillSXXIII, Pha/a..,"is a:nnulinaeea. (Botan. Garten Bern).XXIII5 Bromws erectwi (Samencontrollstation Zürich).XXIII6 Bromu.<; eredllR} aus dem Botall. Garten Bern. Dienten schon zum Ver­XXIII7 Bm11lu... ered'llS such XXII. 1899.

Phalaris wrundiUMPa (XXIII,), die nur den Beweis leisten sollte, dass das Impfmaterialgut sei, reagirte richtig schon am 29. Mai mit Honigthau, der in den nächsten Tagen sichrasch vermehrte. Am 4. Juni bemerkten wir aber auch auf XXIII2 (Bmmns sferilis) za.hl­reiche Honigthautropfen, die die mikroskopische Prüfung mit Erfolg bestanden, denn siebeherbergten enorme Mengen von Conidien. Bmmu~ sterili.. (XXIII! und XXIII,) folgtemit derselben Erscheinung am 6. Juni nach. Nun erwarteten wir nichts anderes, als Bromuserectus der Versuchsreihe würde doch schliesslich auch befa.llen werden, nachdem seinenächsten Anverwandten 80 wenig immun sich gezeigt hatten. Aber alle drei Brornus erectus,so schön sie auch am Tage der Infection geblüht haben mochten, blieben absolut pilzfrei.Nicht ein einziges Honigthautröpfchen quoll aus ihnen hervor; es war keine SphaceUa-Bildungvorhanden und folgerichtig konnten sich auch keine Sclerotien entwickeln.

Der Unterschied im Verhalten der zwei Bromus-Arten der Impfung gegenüber warhier zu auffällig, als dass bloss Zufälligkeiten hätten angenommen werden können. Bromuserectus musste wirklich der Claviceps des Roggens keine Existenz bieten. Dagegen konntees sich bei dem positiven Resultat bei Bromus sferilis vielleicht um eine Versuchsverunreini­gung handeln.

Wir unterliessen es daher nicht, eine Stichprobe anzustellen und den Pilz auf Brdmussteri/i,s um seine Herkunft zu befragen. Wir leiteten zu dem Zwecke den folgenden Ver­such ein:

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XXIV. Infectionsversuch mit Honigthau von Bromus sterilis (XXIII!, XXIII2 undXXlIIa) herstammend.

Am 6. Juni 1900 brachten wir verdünnten Honigthau genannter drei Bromus sterilismit dem Zerstäubungsapparate auf die folgenden Gramineen:

XXIV! Arrhenatherum elatiUS} .XXIV

2Arrhenatherum elatius EIgene Saat. Bomn. Garten Bern.

XXIVa Lolium per~n/,w} .XXIV. Lolium pere:nne EIgene Saat. Botan. Garten.

Es ist klar, dass wir zu dieser Versuchsanstellung die vier Pßanzen von XXIV1-XXIV.nicht in die Nachbarschaft der übrigen von Glaviceps purpU1"ea Tul. befallenen Gramineenbrachten, sondern dass wir sie im Gegentheil möglichst von ihnen entfernt hielten, indemwir sie sammt den befallenen Bromus steriNs des Versuchs XXIII in einen, auch für In­secten undurchdringlichen Gazeverschlag stellten.

Am 21. Juni zeigte sich an XXIV2 das erste Tröpfchen Honigthau, dem bald zahl­reiche folgten. An XXIV! trat am 23. Juni Honigthau auf und schon in den nächstenTagen machte die Sphaceliabildung solche Fortschritte, dass sie als leicht gebräunte Zapfenda und dort zwischen den Spelzen hervorguckte. Das waren also schon die jungen Mutter­körner. Es kamen aber im Ganzen nur zwei zur vollen Ausbildung, da die übrigen baldverschimmelten. Oontrollexemplare blieben intact. Die beiden Lolium peremw (XXIV3

und XXIV.) blieben von PilzinfectiQn ganz verschont.Damit ist der strikte Beweis erbracht, dass Brornlls sterilis im Versuch XXIII that­

sächlich durch die Sporen von Glaviceps p'1l1"purea Tul. inficirt worden war und dass dieGraminee wirklich zu den Niihrpßanzen dieses Pilzes gehört. Daher konnte in unsererStichprobe auch Lolium pe1"enrw wiederum nicht inficirt werden und dies ist ein Beweismehr für die Clavi.('eps purpurell-Natur jenes Pilzes auf Bromw; stelilis. Obwohl das positiveResultat auf Arrheuatherwn elatiu.'i (XXIV) als voller Beweis gelten konnte, dass es sichum keinen anderen Pilz handelt, als um CÜl1'weps purpurea, so wollten wir doch noch gerneine Probe auf Roggen machen, den wir zur Zeit der letzten Versuchsanstellung nicht geradeblUhend zur Verfügung hatten.

Am 18. Juni gab es an Bromus steriNs (XXIII3) noch Honigthau. Damit impften wirzwei Exemplare von selbst gesäetem Roggen (Berale ('preltle var. apstü'um). Am 30. Juni warda& eine Exemplar verdorrt, das andere aber hatte vier grosse, schwere Honigthautropfenam Grunde der Spelzen hängen.

Damit glaubten wir zufrieden sein zu können und hoben den Versuch auf.

XXV. InfectioBsversuch mit Clrtl,i('elJs purpurea von An thoxall th 11m odorrt I/lmstammeud.

Am 8. Juni 1899 wurden mit dem Honigthau von A""thox(lIttllllln odoratmn des Ver­~uchs I durch directes Eintauchen der blUhenden Aehren resp. Rispen in die ImpfßUssigkeitfolgende Gräser in:6.cirt:

XXV! Glyceria fluitansIXXV2 Glyceria ftuitansXXV

aGlyceria fluitans Samencontrollstation Zürich. t 899 bezogen. Alles üppige

XXV. Glyceria distans IPßanzen.XXV.. Glyceria distans

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Wie wir uns auch bemflhten, Honigthau zu erspähen, der Versuch war und blieb er­folglos, ebenso wie jene, am gleichen Tag geimpften vier Poa fertilis der Versuchsreihe IXimmun blieben, welche wir vom Roggen aus geimpft hatten. Wir möchten vielleicht ge­neigt sein, zu fragen, ob denn an der Ausführung des Versuchs etwas gefehlt habe? Alleinfllr die vorliegende Versuchsreihe XXV trifft dies wenigstens nicht zu, da sämmtliche Gräsernach der Infection mit Glocken feucht gehalten und überhaupt gut gepflegt wurden. Wirwiederholten den Versuch im nächsten Jahre mit aller nur möglichen Sorgfalt und GewiBBen­haftigkeit.

XXVI. Infectionsversuch mit Clnviceps purpurea von Anthoxanthurn od01'atu,rnherstammend.

Mit dem Honigthau von Anthoxanthurn odoratum der Versuchsreihe 11 wurden durchEintauchen der Inflorescenzen in die Impfflüssigkeit am 4. Juni t900 folgende Gräser derInfection unterworfen:

XXVII Glyceria {luitans }XXVI

2Glyceria {luitaus Controllstation Zürich. 1900 bezogen.

XXVI3 Glyceria fluitans }XXVI. Oiyceri4 dl:'1tan.~ dienten schon letztes Jahr im Versuch XXV zur Impfung.

XXVI5 Glycerin, distans lXXVI

6Glyceria distans ~ Samencontrollstation Zürich. 1900 bezogen.

Sämmtliche Pflanzen gediehen prächtig, aber der Pilz entwickelte sich auch diesesJahr nicht auf ihnen. Es war auch nicht die leiseste Andeutung dazu vorhanden, 80 oftdie Pflanzen durchmustert wurden.

Dasselbe negative Resultat zwei Jahre hinter einander an so manchen Pflanzen musstedenn doch einen tieferen Grund haben.

Wir erinnern uns auch, dass Versuch XVI am gleichen Tage und mit demselbenSporenmaterial ausgeführt wurde und dass dabei Pua sudetü.:a in drei Exemplaren, zweiPoa pratellsl:'1, ein J;'e.'1llfc(( pra,fcl/,'I':'1, zwei Gersten und ein spanischer Doppelroggen reichlichbefallen wurden.

Das negative Verhalten der OI!J('eritt kann demnach nur auf eine gänzliche Immunitätdieses Grases gegenüber dem Mutterkorn des Roggens zurückgeflihrt werden. .

Auch eine dritte, am 7. Juni 1900 an Glyl,eria tluz:lrtn,'l (zwei Exemplare) mit Honig­thau von S(!('(tle cert'ale des Versuches V ausgeführte Impfung hatte nur ein negatives Resultatzur Folge und bestätigt somit die bisherigen Erfahrungen mit der Graminee.

Endlich sei hier noch ein Versuch aufgeführt, welcher Ende Juli 1900 eingeleitet wurde.

XXVII. fnfectionsversuch mit Clal'i(·ejl.'l jJltrp/lrca vom Roggen herstammend.

Am 29. Juli 1900 fanden wir in der Umgebung Herns an einer verspäteten Roggen-flftanze noch Honigthau. Damit impften wir nach gewohnter Weise folgende Gräser:

XXVIII Molinia coI;ruJf!aIXXVII2 Mulin;a cot:ruwa Samencontrollstation Zürich. 1900 bezogen.XXVII3 J-lotiuia cuerulea

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XXV~ Molinia coerulea (selbst eingetopft aus der Umgebung Berns. 1900).XXm Ca/o,magrostis MUrulinacea } ..XXVII

6Calamagrostis arundinaeea Samencontrollstation Zllrich.

An Calamagrostis arundinacea (XXVII6) trat am t 6. August 1900 reichlich Honigthauauf. Das andere Exemplar war »verstrobt«. Molinia coeru1ea (XXVII2) war ebenfalls ein­gegangenj die übrigen Molinien (XXVIIi' XXVIla und XXVU,) waren frisch, zeigten aberkeine Spur einer Claviceps-Entwickelung. Am 30. August wurde der Versuch aufgehoben.

Gern hätten wir noch Sporen von Claviceps purpu1'ea Tul. auf Phragmites cornmunisübertragen, allein der Versuch wurde durch die so sehr schwere Heranzucht von blühendemSchilf innerhalb eines Versuchsraumes vereitelt.

Rtlekblick auf die in den Infectionsversuchen I-XXVII mit Claviceps purpurea Tulasneerzielten Resultate.

Aus den angeführten Infectionsversuchen ergiebt sich, dass Claviceps purptt1'ea Tul.leicht übertragbar ist auf folgende Gräser: SeaJle cereale, Anthoxanthum odaratmn, Hiero­ckloa borealis, Arrhenatherum elatius, Dacrylis glomerata, Hm'deum murinum, l/'estuca, pra­fellsis, Gerste, Pluilo/ris arundinaeea, Brim media, Calamagrostis arundinacea. Ebenso leichtkonnten inficirt werden: Poa prateMis, Poa~, Poa sudetica, Poa hyorida, Poa caftt­pressa, während Poa alpi'na und Poa caneinna mit nur ganz geringem und theilweisem Er­folg reagirten und Poa fertilis und Poa annua völlig immun blieben.

Ein völlig negatives Verhalten zeigten ferner Nardus stricta und Molinia coerulea.Man konnte dies um so mehr erwarten, als die im Freien auf diesen beiden Gramineenbeobachtete Claviceps (Claviceps microcephakJ, Tulasne) schon morphologisch-anatomisch sichvom Mutterkorn des Roggens unterscheidet.

Ein negatives Resultat erhielten wir auch bei Triticum Spelta. Eine endgültigeSchlussfolgerung lässt sich indess hieraus nicht ziehen, da es nur einen vereinzelten Ver­such betrifft. Unsicher ist auch das Resultat bei AZopecurus pratensi", da erst am 45. Tagenach stattgehabter Infection Honigthau auf dem einen von zwei Versuchsexemplaren auftrat.

Sichere negative Resultate lieferten Lolium perenne, Lolium itali.rnm, Brmnus er~tus,

GlyceriD, {luitans und Glyceria distans.

Auf Brmnus sterilis aber trat Honigthau auf, der mit Erfolg auf ArrhenatherwnelatitUJ überimpft werden konnte. Während die angeführten Loliwn-, BrOTltUS- und Glyeeria­Arten der Infection mit den Claticeps-Sporen des Roggens gegenüber constant immunblieben, nahm Brmnus sterilis denselben Pilz recht leicht an. Aus dem regelmässig nega­tiven Verhalten obiger Gräser ergiebt sich die Vermuthung, es möchten die auf ihnen imFreien wachsenden Mutterkörner besondere specialisirte Formen oder biologische Arten dertypischen Claviceps purpurea darstellen, da morphologisch-anatomische Unterschiede in derLitteratur wenigstens nicht angegeben werden. Die folgenden Impfungen werden der Fragebald näher treten. Vorerst aber mag eine Uebersichtstabelle das bisher Gewonnene an­schaulich zusammenstellen,

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-- --Uebersichtstabelle zu den Infectionsversuchen mit Claviceps purpurea Tul. von J bis und mit XXVll.

Versuchsmlloterial und Versuchs-Nummer.

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. . . I. I" IHlerochlollo borealls I' + . . . . . . . . . . . . . . . . . . I .Roggen. . • . . . '1' • + +1) +1). . . . . . . . . . + . . . + I •

Arrhen.llotherum eillot... . . . . . . . . . . I· . + + . . I' . +!. I' IDactyhs glomerata . . • . . • . . . . '.' . + . . . . . .'.Hordeum murinum . . . . • . . • . .'. I' . . " + + I' . . .Festuca pratensis. . . . . • . • . . . . . . I' . + . . . . .Gerste . • . • .. . . . . . • . . • . I . I' • • • + . I + . I • I •

Triticum Spelts.. . '. . . . . • • . . ' ..Alopecurus pratens. I .Phalaris arundinacea :BrizD. media. . . . ICalD.m~rostis arond.Poa alplDa .POlio fe>:tilis .Poa caesia .POD. pratensisPOlio concinnaPOlio annuaPoa sudeticaPoa hybrida.Poa compressD.Nardus stricts..Molinia coerulea.Bromus erectusBromus sterilisLolium perenneLolium italicum .GlyceriD. f1uitans.Glyceria distB.ns .

~~-

Zeichonerltlirnng: + = positiver Erfolg; *= theü"elser Erfolg; CD = lheilwelaer und sohwaeher Erfolg; - = negativer Erfolg.

An m e r k u nge n: 1) Von sechs Roggen-Exemplaren wurden aUe befallen, mit Ausnahme eines einzigen, welches zur Zeit der Impfung ablfeblühtwar. 2) Von sechs Roggen-Exemplaren == zwei nicht befallen, welche erst 10 Tage nach der Impfung zu blühen begannen. 3) Von Vler PoaalpWia = 1 Exemplar mit nur zwei Tropfen Honigthau befallen. 4) Von vier Poa concimza = I Exemplar mit einigen kleinen Tröpfchen befallen.5) Von zwei Alopecurus pratensis = 1 Exemplar erst 110m 45. Tag nach der Impfung befallen, ob von CUJ.fJiceps purpurea Tul. nicht ganz sicher .'?).

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a. Intedioosversuehe mit Clavlceps von Glyceria ftnitaos herstammend.

XXVIII. Infectionsversuch mit den Conidien von Clal·iceps auf Glyceria fluitansherstammend.

Am 24. Juni 1899 fand ich in einem Graben bei Garmiswyl (Canton Freiburg) auf Gly­cerUt tluitans reichlich Honigthau. Ich brachte ein Quantum davon in einem Flacon, welchesWasser enthielt, mit nach Hause und inficirte damit am folgenden Tage:

XXVIII. Bromus erectus)XXVIII2 Brmnus ereetus An der Aare bei Bern ausgegraben und eingetopft 1899.XXVIII. Brmnus erectusXXVIII, Glyceria fluitans }XXVIII/i Glyceria fluitall.'J Samencontrollstation Zßrich, 1899 bezogen.

Gleichzeitig leiteten wir im Laboratorium einen Culturversuch mit den betreffendenConidien ein, indem wir dieselben am 25. Juni in verdlinnten sicilianischen Traubenmostauf Objectträger brachten. Nach zwei Tagen keimten die Sporen mit ein und zwei Keim­schläuchen. Nach sechs Tagen schnürten die Mycelfäden bereit.s wieder Conidien ab, die inKöpfchen standen. Diese Conidien massen in der Länge 7 fJ. und in der Breite 3,5 fJ.. Am4. Juli war leider die Cllitur verschimmelt.

Jedenfalls war aber durch diesen Laboratoriumsversuch die Keimfähigkeit des Impf­materials nachgewiesen.

Es traten dann auch am 7. Juli an beiden Glycerien (XXVIII, und XXVUI/i) eineganze Anzahl grosser, prächtiger Honigthautropfen auf, welche von Ameisen beständig besuchtwurden. Am 14. Juli war die Abscheidung beendet und am 20. Juli waren schon fertige Scle­rotien vorhanden, die ebenfallB von Ameisen besucht und benagt wurden. Die drei BromitSerectus wurden nicht befallen. Zwei Controllpflanzen von Glyceria blieben ebenfallB intact.

Interessant ist Folgendes: Die beiden Glycerien (XXVIII, und XXVIII/i) waren schoneinmal und zwar am 8. Juni 1899 mit Claviups purpurea von Antlwxanthum odoratum alsXXV. und XXV2 geimpft worden. Wie wir wissen, blieb aber ein Erfolg aus. Die Rispenentwickelten neue Aehrchen und diese wurden, wie bereits geschildert, sm 25. Juni mit Honig­thau von Glyceria fluitans inficirt. Um nun ganz sicher zu sein, dass es sich nicht um einenachträglich doch noch eingetretene Infection vom 8. Juni handelte, machten wir folgendeStichprobe.

XXIX. Infectionsversuch mit dem auf Glyccda fl?titans (XXVIII, und XXVlII/i)aufgetretenem Honigthau.

Am 8. Juli 1899 impften wir mit dem Honigthau der genannten zwei Versuchspflanzendurch Eintauchen folgende Gramineen:

XXIX. RoggenIXXIX2 Roggen vor Entfaltung der Aehren ausgegraben und in Töpfe versetzt 1899.XXIX, RoggenXXIX, Oyrwsurus cristatus}XXIX/i Gyrwsurus cristatus Botan. Garten Bem. 1899.

Der Versuch wurde erst nach drei Wochen beendet, aber es zeigte sich während derganzen Zeit keine Spur von Honigthau oder Sphacelia-Bildung an den fUnf Gramineen.Demnach musste der positive Erfolg bei XXVIII, und XXVIIIs wirklich auf die Infectionvom 25. Juni zurückgefllhrt werden. Um die typische Claviceps purpurea Tul. des Roggens

Bol&ai8ahe ZelhDg. 1903. Heft VIfVD. 20

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konnte es sich unmöglich handeln, sonst wäre gewiss bei seiner grossen Empfanglichkeitdas eine oder andere Exemplar von Secale cereale des vorliegenden Versuchs befallen worden.

Die beiden Versuchsreihen XXVIII und XXIX scheinen zu beweisen, dass die Clavi­ceps der Glycerin, flllitalls nur auf dieser Pflanze zu leben vermag. Uebrigens wurden nochweitere Versuche angestellt.

XXX. Infectionsversuch mit Ascosporen von Claviceps auf Glyceria fluitansstammend.

Am 16. November 1899 säeten wir in sieben Töpfe (im Freiland des BotanischenGartens) Sclerotien aus, welche wir im Laufe des Sommers auf Glyceria fluüans in derUmgebung Berns und bei Freiburg gesammelt hatten.

Bei der Revision am 3. Mai des folgenden Jahres (1900) zeigten sich beinahe in allensieben Töpfen ungestielte, gelbliche Keulensphäridien, welche sich im Laufe des Mai undAnfang Juni zur Reife entwickelten. Wir werden auf die Morphologie dieser Gebilde späterzurtlckkommen und wenden uns jetzt dem Infectionsversuch zu, den wir am 7. Juni 1900mit den Ascosporen des in Frage stehenden Pilzes einleiteten. Wir hatten hierzu einenGazekasten anfertigen lassen, wie wir ihm frUher schon begegnet sind, und stellten denselbenin der Orangerie auf. Dahinein kamen alle jene Gramineen, welche wir zu impfen ge­dachten, und vier Töpfe mit Keulensphäridien von Glyceria fluitans. Die tlbrigen drei Töpfeim Freiland wurden vernichtet, um Fehlerquellen möglichst zu verhtlten. Es braucht nicbtbemerkt zu werden, dass die Versuchspflanzen lange vor ihrer Bltlthe in den Kasten ge­bracht wurden.

Unter diesen Kautelen inficirlen wir' am besagten Termin (7. Juni 1900) durch Ein-tauchen der Bltlthenstände in die Impffitlssigkeit:

XXXI Roggen }XXX

2Arrhenatherum e./atius Herbstsaat 1899.

XXX3 Glyceria fluitans (war letztes Jahr schon geimpft worden).XXX, Poa pratens1s und AntltOT,anthum odoratum (in demselben Topf).XXXII Lolium perenne (Herbstsaat 1899).

Am 20. Juni war Glyceria fluitans (XXX3) stark von Honigthau befallen; in grossenTropfen quoll derselbe zwischen den Spelzen hervor. Die tlbrigen Versuchspßanzen warennoch intact geblieben. Lolium perenne (XXX,,), Poapra~, Antlwxanthum odoralum (X-XX.)und Roggen (XXXd zeigten auch am 6. Juli noch keine Spur von Infection. Dagegen tratan Arrhenatherum elatt'1J.S (XXX2) am 22. Juni Honigthau auf und zwar in einem einzigenTropfen. Zur Stichprobe wurde damit am 25. Juni 1900 der folgende Versuch angestellt:

XXXI. Infectionsvenuch mit Honigthau, aufgetreten an Arrhenatherum elatius(XXX2)·

Die Impfung erfolgte durch Eintauchen der Bltltbenstände in den mit reinem Wasserverdllnnten Honigthau und zwar an folgenden Versuchspflanzen :

XXXII Glyceria flUitans}XXXI

2Glyceria fluitans Samencontrollstation Ztlrich.

XXXIa AntlwioJnthum odoratum}XXXI. Roggen eigene Saat.

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Bis zum 27. Juli war an Glyceria fluitans kein Honigthau aufgetreten. Eine Infectionblieb auch in der Folgezeit aus.

Dagegen bemerkten wir an Anthoxanthum oduratum schon nach elf Tagen reichlicheHonigthau-Abscheidung. Der Roggen (XXXII) war »verstrobte. - Somit handelte es sichbei XXX2, wie vermuthet, um eine Versuchsverunreinigung und zwar mit der typischen Clal'icepspurpurea Tulasne des Roggens. Um weitere Verunreinigungen möglichst auszuschliessen,wurde der Gazekasten vor der nächsten Impfung mit frischen Pflanzen beschickt.

Versuch XXX und XXXI im Verein mit einander scheinen aber zu beweisen, dassder Claviceps der Glyceria tluitans streng an diese eine Pflanze gebunden ist.

Es sollten noch weitere Impfungen folgen, um das Verhältniss zu studiren.

XXXII. Infectionsversuch mit Ascosporen von der Claviccps auf Glyce1·ia fluitansstammend.

Am 6. Juli 1900 wurden mit Ascosporen derselben Provenienz wie bei Versuch XXXdurch Eintauchen der Blüthenstände in die Impffltlssigkeit folgende Gräser inficirt:

XXXII! Bromus erectus (ausgegraben und eingetopft Bem 1900).

XXXII2 Poa pratensis IXXXII3 Sommerroggen eigene Saat.XXXII4 SommerroggenXXXII5 Poa sudetica (Samencontrollstation Zürich).

Keine der Pflanzen reagirte. Noch nach einem Monat waren alle mit einer einzigenAusnahme intact. An Poa sudef:ica (XXXIIr;) zeigten sich nämlich am 12. Juli oder am6. Tage nach stattgehabter Infection einige wenige Tröpfchen Honigthau. Aber schon dasfrühe Auftreten des Honigthaus kam uns verdächtig vor. Eine Stichprobe damit auf Roggenbewies eine Versuchsverunreinigung mit Clavieeps purpurea Tulasna. Woher sie rührenmochte, blieb uns ein Räthsel. .

Wir gaben uns daher noch nicht zufrieden und impften weiter.

XXXIII. Infectionsversuch mit Conidien von Claviceps auf Glyceria fluitansherstammend.

Am 25. Juli 1900 fanden wir bei Bern in einem Sumpfgraben eine Masse Honigthauauf Glyceria fluitans. Damit impften wir mi~te1st des Zerstäubers folgende Pflanzen andemselben Tage:

XXXIII! Poa sudetica }XXXIII

2Poa sudetica Samencontrollstation Zurich.

XXXIII3 Glyceria fluitans (eigene Saat).XXXIII4 Calamagrosti.s arundiruwea lXXXIIIr; Nardus Stricta

jt Samencontrollstation Zürich.

XXXIII6 Nardus strictaXXXIII7 Bromu.~ erectus (wurde letztes Jahr erfolglos mit Clal'iceps purpurea Tul.

des Roggens geimpft).Befallen wurde nur das einzige Exemplar von Glyceria tluitans (XXXIII3) und zwar

am 6. August. Alle anderen Gräser der Versuchsreihe blieben intact. Der Versuch fieldeutlich genug aus, um die Anpassung dieses Pilzes an Glyceria fluitans zu erkennen.

Trotzdem konnten wir uns nicht versagen, noch mehr Infectionsversuche anzustellen.20·

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XXXIV. Infectionsversuch mit Conidien von Claviceps auf Glyceria flu-itansherstammend.

Am 27. Juni 1901 fand ich bei der Gasanstalt im Marzili bei Bem in einem GrabenHonigthau auf Glycffria /luitans in überreicher Menge. Damit wurden an demselben Tagefolgende Gräser inficirt:

XXXIVt' Glyceria tluitansIXXXIV2 Glycffria tluitans eigene Saat.XXXIVs Glycffria fluitansXXXIV, Aira flexuosa (Samencontrollstation Zürich).XXXIV/) Festuca pratensis (eigene Saat).XXXIV6 Anthoxanthum odoratumIXXXIV

7Anthoxanthum odoratum im Botan. Garten Bem ausgegraben und einge-

XXXIVs Anthoxanthum odoratum topft. 1900.

XXXIV9 Lolium perenne }XXXIVlo Lolium perenne Samencontrollstation Zürich.

XXXIVtt Roggen IXXXIVt2 Roggen .XXXIV13 Dactylis glomerata eigene Saat.

XXXIVt, Dactylis glomerataXXXIVlli Bromus erectus}XXXIVt6 Bromus erectus an der Aare bei Bem ausgegraben.

XXXIV17 Poa annua }XXXIVts Poa annua ausgegraben und eingetopft. Botan: Garten 1900.

Sämmtliche Versuchspflanzen blieben in gutem Zustand, aber trotzdem reagirten vonallen nur die drei Glycerien (XXXIVt, XXXIV2 und XXXIV3) mit Honigthau. Dieser wurdevom 4. Juli an in mächtigen Tropfen abgesondert und schon in den nächsten Tagen bräuntesich die rasch wachsende Sphacelia und es entstanden ca. 11h cm lange Sclerotien.

xxxv. Infectionsversuch mit Conidien von Claviceps auf Glyceda fluitallsstammend.

Dieser abschliessende letzte Versuch mit der Cla~'ieeps der Glycffria fluitans fand am7. Juli 1901 statt. Wir benutzten hierzu den Honigthau der drei Glycerien des vorigenVersuchs (XXXIV) und inficirten damit durch den Zerstäuber:

XXXVI Holeus mollis } .x..'CXV2 Festuca pratensis eIgene Saat.

XXXVs Ammuphila arellaria (Samencontrollstation Zürich).

XXXV, Roggen I• XXXVI) Roggen eigene Saat.

XXXV6 Dactylis glomerataXXXV7 Bradtypodium sylmtü:um (aus dem Bremgarten-Wald bei Bem. 1901).

Der Versuch verlief trotz sorgfliltiger Anstellung absolut negativ. Weder am t3.,noch 15., noch 25. Juli, noch späterhin konnte Honigthau nachgewiesen werden. Sclerotienentwickelten sich keine.

Der in Frage stehende Pilz scheint wirklich nur auf Glycffria fluitans leben zukönnen. Ob ihm andere Glyceria-Arten ebenfalls glinstige Bedingungen bieten, konnten wir

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aus Mangel an diesbezUglichen Versuchspßanzen leider nicht emiren. Es ist dies aber inhohem Maasse wahrscheinlich, denn wir erinnern uns (Versuchsreihen XXV und XXVI), dassmit der typischen C/o,viceps purpurea Tulasne des Roggens weder Glyceria fluitans nochGlyceri4 distans erfolgreich inficirt werden konnte.

Die Clavieeps auf Glyceria tluitans meidet nicht nur die fiir das gewöhnliche Mutter­korn des Roggens charakteristisc}len Gramineen (Roggen, Arrhenatherum elatius, Poa pra­tensis, Poa sudetica, Anthoxanthum odoratum, Dactylis glomerata, Festuca pratensis, Calama.grostis arundinacea), sondern auch die Nährpßanzen von C/o,vicqJs microcephala Tul. (worunterNardus stricta und Aira {kxuosa) und diejenigen, worauf die Clavieeps des Lolches gedeiht(Lolium perenne und Bramus erectus; siehe später!). Ausserdem bieten der ClavicqJs derGlyceria keine giinstigen Bedingungen: Poa annua uDd Brachypodium silvatieum, von welchenebenfalls noch die Rede sein wird.

Da die bei un s auf Glyceria fluitans gedeihende ClavicqJs von den Autoren allge­mein als identisch mit Clavweps purpurea Tulasne angesehen wird und besondere morpho­logische Unter:schiede nicht namhaft gemacht werden, glaubten wir es anfänglich lautunseren Impfresultaten mit einer besonderen biologischen Abart oder Rasse des gewöhn­lichen Mutterkornes des Roggens zu thun zu haben; dass es sich aber mit grosser Wahr­scheinlichkeit um die in England auf Glyceria fluitans vorkommende Claviceps WilsoniCooke handelt, kam uns erst zum Bewusstsein, als wir bei Gelegenheit unserer Sclerotien- .Aussaaten, resp. an den gekeimten Keulensphäridien des Glyceria-Mutterkornes morphologischeEigenschaften wahrnahmen, welche sich mit der von J. Wilson gegebenen Beschreibung zudecken scheinen.

Wir beobachteten nämlich durchweg, dass die Sclerotien auf Glyceria tluitans mitnie mehr als höchstens fUnf, meistens aber nur zwei bis vier» Köpfchen c keimten,welche, auf strohgelben, leicht rosa angehauchten, ziemlich dUnnen und kurzen Stielen(kürzer als bei Clmiceps purpur~ des Roggens) sitzend, röthlich-gelbe, der Kugelform ziem­lich nahe kommende Körperchen von Hirsekorngrösse repräsentirten. Eingehendere anato­mische Studien und Messungen der Ascosporen unterblieben leider.

Die von J. Wilson in der Grevillea (XII., p. 77) gegebene und von uns nachSaccardo (Sylloge fungorum. IX. Bd. Supplementum universale) citirte Beschreibung derbetreffenden C/o,'/;iceps lautet: »Mycelio sclerotioideo, cylindrico, subarcuato, atro-purpureo,nigrescente; stromatibus solitariis vel binatis vel ternatis, simplicibus carnosis,albo-flavidis, clavula elongato-clavata, flavo-carnea, e peritheciis laDs, subliberis, pro­minentibus asperula; perithecüs 0,4-0,18 mm diam.; stipite ßexuoso, abbreviato,cylindrico, primum albido; ascis angustissimis, linearibus; sporidiis filiformibus, 140 l-'- longis.

Hab. in sclerotio Glyceriae ßuitantis in Brittania (J. Wilson).cUm die Identität der in unseren Gegenden auf Glyce:ria tlltitan~ wachsenden Clavi·

cep..~ mit der in England auf derselben Nährpßanze vorkommenden Clal'we-ps JVüsoni Cookesicher festzustellen, mUssten natiirlich noch eingehendere vergleichende Studien und Impfungenmit dem englischen Pilze angestellt werden. So lange dies nicht geschehen, können wir dieIdentität nur fU.r wahrscheinlich halten.

Ganz sicher scheint es sich aber bei der Claivice-ps unserer Glyceria tluitans um einebesondere (nicht bloss biologische) Art der Gattung Clal'iceps zu handeln, die eben an jeneGramineen-Species streng gebunden ist.

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Uebersichtstabelle zu den Infectionsversuchen mit der Claviceps von Glyceria fluitans.(XXVIII bis und mit XXXV.)

Infectionsmaterial und Versucbsnummer

Versuchspßanze

Bromus erectus .Glyceria fluitans. .Roggen .Cynosurus cristatusArrhenatherum elatius .Poa pratensis • . . . .Anthomnthum odoratum .Lolium perenne . . . . .Poa sudetica. • . . • . .Calamagrostis arundinacea .Nardus stricta. .Aira flexuoBa . . .Festuca pratensis .Dactylis glomerata.Poa annua.....HolcUB mollis . . .Ammopbila arenaria .Braehypodiom silvaticum.

+ +

[:+:]

[:+:1

+ +

mit Honigthau von Lotiuln perenne herstammend.

fanden wir beim Gaswerk der Stadt Freiburg auf LoliumDamit wurden am folgenden Tag durch »Eintauchen. fol-

Ze ie he ne r kläro n g: + .... positiver Erfolg; [:+:1 = positiver Erfolg auf Fremdinfection zurilekfllhrba.r;- = negativer Erfolg.

b. Infeetlonsversuche mit der Clavlceps von LoUum perenne stammend.

Gleich wie Glyceria {luitans und andere Gramineen konnten Lolium perenne undverschiedene andere Lolium-Arten bekanntlich mit der typischen CkLl'iceps des Roggens nieerfolgreich inficirt werden. Um zu eruiren, welches denn der Niihrpflanzenkreis der im~"'reien auf Lolium perenne vorkommenden Glal'ieeps sei, machten wir mehrere Impfversuche.

XXXVI. Infectionsversuch

Am 16. September 1899perenne massenhaft Honigthau.gende Gramineen inficirt:

XXXVII Bromus ereclus lXXXVI

2Bromus erectus J an der Aare bei Bern ausgegraben 1899.

XXXVI3 Poa pratellsisIXXXVI4 Poa pratensis Samencontrollstation Zürich.XXXVI:> Poa pratensisXXXVIs Panü:um sall.guillale (aus dem Botan. Garten Bern 1899).

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Am 25. September, oder acht Tage nach der Impfung trat an Bromus eredus (XXXVI2)

das erste Honigthautröpfchen auf, dem bald viele folgten. Das andere Bromus-Exemplar bliebintact. Auch alle anderen Gramineen des Versuches verhielten sich negativ. Der Honigthau­Abscheidung an XXXVI2 folgte die Sclerotienbildung auf dem Fusse nach, aber trotzdemhörte der Honigthau nicht völlig zu fliessen auf, sondern machte sich an etwa drei Sclerotien(und zwar an deren Basis) bis in den October hinein immer noch bemerkbar. Wir hattenden Honigthau an Bromus bei seinem ersten Auftreten mikroskopisch untersucht und ihnvoller Conidien gefunden. Es war ausser Zweifel echter Clalieeps-Honigthau. Der Beweisliegt ja auch in der Entwickelung der Sclerotien.

Was aber später noch aus der Basis der Sclerotien hervorsickerte und als Honigthauerschien, war kein solcher mehr, sondern sogenannter »falscher Honigthauc, resp. eineZersetzung der Mutterkörner selbst, wie sie schon Tulasne in seinem oft citirten »Memoiresur l'ergot des glumacees< beschreibt. Das Mikroskop zeigte denn auch gar keine Conidienmehr, sondern neben Detritus oder Gewebstrlimmern des Sclerotiums eine ungeheure Mengevon Bacterien. Die betroffenen Mutterkörner selbst wiesen bei der näheren Betrachtung anihrer Oberfläche Risse auf, welche bis ins Innere drangen und in den dort durch die Zer­setzung der Mutterkorn-Substanz entstandenen Hohlkanal mündeten.

Wir hatten dieses Zersetzungsproduct lange für echten Honigthau gehalten und damitam 6. October 1899 noch eine Impfung auf Poa annua (vier Exemplare) ausgeführt. DerVersuch musste begreiflicher Weise unter solchen Umständen misslingen.

Der vorgerückten Zeit wegen mussten wir unsere Untersuchungen für dieses Jahrüberhaupt abbrechen und nahmen solche im folgenden Frühjahre um so intensiver auf, alswir im Herbst 1899 mit der Clal'Weps von Lolium perenne doch immerhin einen positivenErfolg auf Bromus erectuB zu verzeichnen hatten.

Um eine Fremdinfection, namentlich durch Insecten (Sporenübertragung!) möglichst zuverhöten oder ganz auszuschliessen, liessen wir, wie bei dem GlyGf'ria-Versuch, wiederumeinen Gazekasten herstellen, in welchen wir die zu impfenden Versuchspflanzen viele Tage(10-12) vor ihrer Anthese hineinstellten.

XXXVII. Infectionsversuch mit Ascosporen von Clal'iceps des Lolium perennestammend.

Unter den geschilderten Verhältnissen inficirten wir am 9. Juni 1900 mit Ascosporen,welche wir durch Aussaat von Sclerotien des Lolium pe'renne erzielt hatten I), durch denZerstäuber folgende Pflanzen:

XXXVIII Lolium perenne} ..XXXVII

2Lolium perenne Samencontrollstation Zürich.

XXXVII3 Anthoxanthum odmatumIXXXVII4 Roggen Herbstsaat.XXXVIIs RoggenXXX~ A1npecurus pratensis (Samencontrollstation Zürich).XXXVII7 Bromus e'rectus} letztes Jahr selbst ausgegraben und eingetopft aus derXXXVIIs Bromus erectus Umgebung Berns. .

I) Die Mutterkörner von LaUum perenne wurden im Herbst 1899 an den Wegrändern um Bern ge­sammelt und am 16. November desselben Jahres ausgesll.et. Sie keimten am 17. Mai 1900 mit Stromata,welche sich von denen des Roggen-Mutterkorns in nichts unterschieden.

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Schon am 16. Juni reagirte Dolinln pcrmnc (XXXVII j und XXXVII2), das bisher jederInfection mit Clavieeps purpurea Tulasne des Roggens getrotzt hatte, mit vielen grossen,dicken Honigthautröpfchen, welche zahllose Conidien enthielten, die in Form und Grössedenjenigen vom Roggen-Mutterkorn gleichkamen. An anderen Versuchspflanzen, auch anBmmus erectus trat kein Honigthau auf, so oft wir die Pflanzen revidirten. Bromus Will

allerdings zur Zeit der Impfung schon ziemlich am Abblühen gewesen. Möglicher Weiseist derselbe für Ascosporen weniger leicht empfindlich. Mit Conidien hatten wir doch beiVersuch XXXVI an Bromus erectus einen theilweisen Erfolg gehabt.

XXXVIII. Infectionsversuch mit Conidien von Lolium perenne (XXVIIdherstammend.

Am 27. Juni 1900 wurden mit dem oben genannten Material durch den Zerstäuberfolgende Pflanzen inficirt:

XXXVIII! Bromu-s erertus }XXXVIII

2Hromus erect'/l..~ Samencontrollstation Zürich.

XXXVIII3 Roggen (eigene Saat).XXXVIII. Poa prate1'l.cW,s}XXXVIII

5Poa pratensis eigene Saat.

Am 8. Juli strotzten die zwei Bromus e-reetus (XXXVIII j und 2) von Honigthautropfenund es entwickelten sich auch einige Mutterkörner. Der Roggen und Poa pratellsis bliebauch später völlig intact.

Dieser Versuch scheint allerdings dafür zu sprechen, dass der Pilz eher in Form derConidien, denn als Ascosporen auf Brnmus erectll-s überzugehen vermag. Wir möchten übri­gens kein abschliessendes Urtheil nach dieser Richtung fällen, da, wie schon angedeutet,auch ganz äussere GrUnde für das negative Verhalten des Bm1nus erectu.~ bei Versuch XXXVUgeltend gemacht werden können (zu spätes Impfen 'bei vorgerückter Anthese).

Dass aber die Clavi<:eps des Doliwn perenne auf Bromus erectus im Allgemeinen undbei richtiger Versuchsanstellung gute Existenzbedingungen findet, scheint nach den bisherigenErfahrungen ausser Zweifel zu sein. Gleichwohl schritten wir zu weiteren Infectionen.

XXXIX. Infectionsversuch mit Conidien von Doliu1n perenne herstammend.

Am 13. Juli 1900 brachten wir Honigthau, den wir auf Lolium perenne an Wegrändernin der Umgebung von Bern gesammelt hatten, mit Wasser verdünnt, mitte!st des Zerstäubersauf folgende Pflanzen:

XXXIX! Lolium perenrw 'IXXXIX2 Lolium itolicumXXXIX3 Lolium itolieum eigene Saat.XXXIX. Lolium temuJentumXXXIX6 Lolium temu1entumXXXIXa Lolium rigidum (Botan Garten ausgegraben).XXXIX7 Bromus macrostachys }XXXIXs Aegilops biwrnis Botan. Garten Bern.

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XXXIXg Arrhellniherum elatiUS}XXXIX10 Arrheootherum elatius eigene Saat.XXXIXu Brachypodium trilmticum (Bremgarten-Wald bei Bem).XXXIX12 Bromus erectlls IXXXIXj3 Bromus f>'reetus f vom letzten Jahre her.

LolilInl perenne ging aus nicht bekannten Ursachen nach fflnf Tagen ein. LoliumilaJü.'wlI (beide Exemplare), LoliulIl femuleutllm (beide Exemplare), Lolium rigidum und diebeiden Bl'omll1i c-rectus der Versuchsreihe reagirten prompt nach einander bis zum 27. Julimit zahlreichen Tropfen conidienhaltigen Honigthaus. B1'Omlls 'ln(wrostachys, Aegüops bicomis,Arrhenathemm elatius und Brachypodium silmticum blieben völlig pilzfrei. Controllexemplarevon verschiedenen Lolium-Arten und von Bl'omus e:rectus blieben ebenfalls intact.

Von den nicht befallenen Versuchspflanzen blieben ausser B1'omus macrostachys undAegilops bkomis, welche unter allzugrosser Trockenheit litten, die übrigen, also A.rrhenar'herum elatiw~ und Bra(~hypodillm silmticwn in sehr gutem Zustande, sodass nicht etwa »Ver­strohungc als Grund ihres negativen Verhaltens angesprochen werden kann. Es müssenrein innere Ursachen vorhanden sein, warum die Cln/I.'iceps von Lolium perenne nicht aufdie für Clavieeps purpw'ea Tu!. des Roggens charakteristischen Nährpflanzen zu gehen vermag,

XL. Infectionsversuch mit Conidien der Clal'iceps von LoUum perenne.

Dieser letzte hier einschlagende Versuch fand am 31. Juli 1900 statt. Wir benutztendazu Honigthau, der im Freien, in der Umgebung Berns auf Lolium peremw gesammeltworden war. Es wurden damit folgende Gramineen besprengt:

XLI BrOTliUS gigantmlsX~ Bromus giganteusXLa Bromus erectus

Von den drei Pflanzen sonderte nach 14 Tagen (15. August) einzig BromttS erectusHonigthau ab und es entwickelten sich sogar in der Folge Sclerotien. An Bromus giganteus(heide Pflanzen) war auch Ende August nicht die Spur einer stattgehabten Infection zu ent­decken. Die Pflanzen waren sehr frisch und üppig.

Blicken wir auf die fHnf mit der Clam:Ceps des Lolium perenne ausgeflihrtenInfectionsversuche zurück, so gewahren wir eine leichte Uebertragbarkeit des Pilzes aufBromus erectus, Latium perenne, Lolium italicwn, Lolium temulentum und Lolillm rigidum,während andere Versuchspflanzen, wie Poa IJrate1l.-<ris, Panimtm sa111Juinale, Antlwxanthumodoratum, Roggen, Alopecuru$ pratensis, Bromus m<wrostaehys, Aegilops bü:ornis, Arrheoo­therum elatius, Brachypodi7l1n si/.l'atiewn und Bro1Uus giganteus eine bemerkenswerthe Immu­nität zur Schau tragen.

Unter den letzteren Gramineen sind viele, welche zum Nährpflanzenkreis der typischenC/n,rieeps purpurea Tulasne gehören. Da die Clat'iceps des Lolium perenne nicht auf sieüberzugehen vermag, morphologische Unterschiede zwischen beiden Cla1JU:eps aber nichtvorzuliegen scheinen, so muss die Clal'U:eps purpurea auf Lolium als besondere biologischeArt angesprochen werden.

Bo\ui.aile ZeitUIIg. IlIOlI. HerL VlfVIL 21

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Uebersichtstabelle zu den Infectionsversuchen mit derClaviceps von Lolium perenne(XXXVI bis und mit XL).

Infectionsmaterial und Versuchsnummer

+

XL

_'1)

+++

XXXIX

Conidi:'D Ton Cla,vil"4'llS aufLolinm pE"renno Allii der

Umgebung Borns

XXXVIIIXXXVIIXXXVI-----',--------~---'----~

Conidien von I Ascosporen 'Von I (loni~ien von IClavicops auf ClaVlcops dos ('1~\"Ic"p8 auf

Lolium pPrenne Lo1ium perenne TJohuID perennpXXXVII, ,tamm.

--~-*~I)--=;-= I----~-~

+

Versuchspflanzen

IZeichenerklärung: + = positiver Erfolg; - =a negativer Erfolg; * = positiver, theilweiser Erfolg

(nicht alle Versuchspflanzen inficirt).Anmerkungen: 1) Pflanzen waren bereits am Abblühen. 2) Aus nicht beka.nnten Gründen eingegangen.

Br(\mus erectus . ,POil. pratensis . , .Panicum sanguinaleLolium perenne . .Anthoxanthum odoratulll .Roggen .Alopecurus pratensiR .Lolium italicum . .Lolium temulentum .Lolium rigidum . . .Bromus macrostachysAegilops bicornis . .Arrhenatherum elatius .Brachypodium silvaticum.Bromus giganteus . . . .

c. Infectionsversuch mit Claviceps von Poa annua herstammend.Wir sahen schon frliher, dass Poa annua weder mit der typischen Clarlf'Rps des

Roggens, noch mit der Clal'iceps der Glycerin, mit Erfolg inficirt werden konnte. Der Zu­fall flihrte uns am 13. September 1900 bei Ausserholligen (Bern) an einem Kartoffelfeldvorüber, an dessen Rande eine Anzahl Exemplare von POG. annua mit Honigthau befallenwaren. Insecten, welche die Pflanzen umschwärmten und zeitweise daran sogen, hatten unsaufmerksam gemacht. Der Honigthau erwies sich denn auch zu Hause als conidienflihrend.

Damit leiteten wir noch am gleichen Tage folgenden Versuch ein:

XLI. Infectionsversuch mit Conidien der Clwviecps auf Poa annua.

Die Infection geschah durch Eintauchen der blühenden Poa-Rispen in die Imptll.üssig-keit. In Frage kamen folgende Gramineen:

XLII Poa annuaIXLI2 Poa annuaXLI

sPoa amma aus dem Botan. Garten Bern ausgegraben und eingetopft; t 9011.

XLI. Poa annuaXLI& Lotium rigidum (Botan. Garten Bern 1900).

XL~ Lolium perenneIXLI, Lolium perenne ..XLI~ Lolium perenne Samencontrollstabon Zürich.

XLIg Lolium. itah'm1m

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Am 19. September war mit Ausnahme von Nr. XLI2 an allen nbrigen Poa annuamassenhaft Honigthau bemerkbar, der in anfangs wasserhellen Tröpfchen an den Blnthchenhing und der mit fortschreitender Entwickelung der hirnrindenarti~ gestalteten Sphaceliaimmer mehr Conidien aufwies. Am 21. September reagirte XL2 ebenfalls mit Honigthau.

An den übrigen Versuchspflanzen konnte auch späterhin keine Spur von Pilzinfectionconstatirt werden. Controllpflanzen von Poa annua blieben ebenfalls pilzfrei.

Da besondere morphologisch-anatomische Eigenschaften nicht vorzuliegen scheinen,welche hinreichend wären, den Pilz von Clol'ieeps purpurea Tulasne abzutrennen, so sindwir nach den Ergebnissen unserer Infectionsversuche gezwungen, ihn als besondere bio I0­

gisch e Art der genannten Claviceps-Species aufzufassen. Welche weiteren Nährpflanzen derPilz von Poa annua noch hat, konnte aus äusseren Gründen nicht mehr erforscht werden.

d. Infeetionsversuche mit CIBvieeps von Brachypodium sihBticum herstammend.

Die Clavieeps auf Brachypodium silraticum wird von den Autoren allgemein alsidentisch mit Claviceps purpurea Tulasne aufgefasst. Ob das Mutterkorn des Roggens aufBrachypodium silvatieum zu gehen vermag, darliber haben wir keine Versuche angestellt.Wir haben aber gesehen, dass Brachypodium silmticwn weder von Glyceria noch von Laliumaus inficirt werden konnte.

Um der Frage nach dem Nährpflanzenkreis der Clariceps von Brachypodium silmticwnnäher zu treten, sammelten wir im Bremgarten-Wald bei Bern Honigthau von der be­treffenden Graminee, die dort sehr stark befallen zu sein pflegt, und fnhrten damit folgendeImpfversuche aus:

XLII. Infeetionsversuch mit Conidien der Clariceps von B,.achypodiumsilraticum stammend.

Am 1. August 1900 wurden mit dem mikroskopisch eontrollirten Honigthau vonBmchY}Jodiwn silvaticum geimpft:

XLIII Brachypodium silraticwn (1899 im Bremgarten-Wald ausgegraben).XLII2 &sleria coerulea (Botan. Garten Rern).XLII:l Molinia coerulea} ..XLII~ Molinia coeru!ea SamencontrollstatlOn ZÜrIch.

Am 8. August war XLIII Ubervoll von Honigthau. An den anderen Versuchspflanzenzeigte sich auch Ende August noch nichts. Eine Controllpflanze von Bra{;hypodillilt silm­tiNtm war ebenfalls pilzfrei geblieben. Sesleria coerulea litt etwas unter Trockenheit; diebeiden Molinien aber blieben gut erhalten und hatten ein frisches Aussehen.

XLIII. Infeetionsversuch mit Conidien der Clal'iccps von Brachypodilf1!&silvaticum herstammend.

Am 3. August 1900 impften wir mit Conidien derselben Provenienz wie im vorigenYersuche folgende Pflanzen:

XLIIlI Braehypodiulll silrafi('utnXLIII2 Arrhenathermn e[atiusXLIII A l.' I t' Samencontrollstation Zürich und eigene Saat.• :J rrtlenattlerwn (':a 1I1.'f

XLIII4 Loliutn italif'llll/

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XLIIIs Roggen IXL:II4 RoggenXLIII7 Anthoxanthum odoratwnXLIIIs Holcus mol/;is Samencontrollstation Zürich und eigene Saat.XLIIlo Aira ccwspitosaXLlII IO Aira caespitosaXLIIII1 Poa pratensis

Von den Versuchspßanzen litten XLIII2, 7, sund 11 sehr unter der Hitze; die übrigenblieben frisch. Am 15. August reagirte XLIII1 prompt mit Honigthau. Sonst bemerktenwir keine Claviceps-Infection bei den anderen Gramineen der Reihe. Braehypodium ent­wickelte sogar Sclerotien.

Jedenfalls ist die betreffende Clm'iceps nicht identisch mit Claviceps purpurea Tu!.,sondern eine biologische Art derselben; denn es ist doch sehr auffallend, dass unter sovielen Versuchsexemplaren immer nur wieder Braehypodium silvaticum erfolgreich inficirtwerden konnte.

e. Infectionsversueh mit ClaTiceps von Illltum etfusom stammend.

Da wir Brachypodium silvatieum und j,filium effus1l11l fast stets gleichzeitig und nahebei einander befallen fanden (Bremgarten-Wald bei Bern), ahnten wir eine Zusammengehörig­keit der beiden Pilze, weshalb wir folgende Infectionsversuche anstellten:

XLIV. Infectionsversuch mit Conidien der Clul'iceps auf "JIilium e{{usum.

Mit dem Honigthau auf Milium effus1l1n des Bremgarten -Waldes wurden am14. Juli 1900 geimpft:

XLIV1 Holeus moUis } .XLIV2 Arrhenatlterwn elaHus eIgene Saat.XLIVa Bra.,hypodium silraticu,UI (Bremgarten-Wald ausgegraben 1900).

XLIV, Roggen IXLIV!) Ii'estum pratensis eigene Saat.XLIV6 I/'estuc.Q, pratensi.s

Am 27. Juli trat an Roggen (XLIV4) ein einziger Tropfen Honigthau auf; am 28. Julifolgte Brachypodiwn silraticwn mit Honigthautropfen fast an allen Bllithen. Später zeigte sichSc1erotienbildung an letzterer Graminee. Alle anderen Versuchspflanzen blieben intact. Dassder Rog~en so spärlich reagirte, war auffallend. Vielleicht handelte es sich um eine Ver­unreinigung. Leider blieb eine Stichprobe aus. Jedenfalls aber scheint Brachypodiurn sit­vatir:lult der Clalweps von .Mih'um effu.~'Um weit glinstigere Bedingungen zu gewähren alsder Roggen; denn gesetzt auch, der Erfolg bei XLIV, wäre entschieden auf keine Verun­reinigung zurückzuführen, so würde doch Seca1c cel'eale weit schwächer reagirt haben als dasmit Honi~thau vollbehangene Brachypodiwn silvaticllln. Letztere Graminee scheint daherhervorragend zum Nährpßanzenkreis der Claviceps von Milium effusum zu gehören.

Ob Brachypodium sih'atlemn und Miliwn effu.'>um dieselbe Claviceps beherbergen,kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, da der zweifelhafte positive Erfolg bei XLIV.durch keine Stichprobe geklärt wurde. Die Cla~'icep8 von Brachypodium .~ilvaticum miedRoggen bekanntlich vollständig.

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Dass aber auf Braehypodium sü'vatWum zwei verschiedene Claviceps-Arten vorkommensollten, ist auch nicht recht verständlich, und so bleibt, bis weitere Infectionsversuche dasRäthsel lösen, doch nicht viel anderes Ubrig, als anzunehmen, der Erfolg bei Secale ('Boolesei das Product einer Verunreinigung.

Weitere Infectionen wurden von uns nicht mehr eingeleitet.

Beobaehtungen im Freien tlber Clavlceps purpurea Tnlasne und deren biologischeArteu, sowie über Claviceps Wilsoni Cooke ('I) der Glyceria ftuitans.

Nachdem wir innerhalb des Artkreises von Clat-ieeps pUl'pu-rea Tulasne, Rassen, resp.biologische Arten gefunden, gaben wir uns viele MUhe, den Verhältnissen in der freienNatur nachzuspüren.

Ueberall in den Handbüchern findet man die Anschauung, der Roggen werde haupt­sächlich von lAlium perenne der Ackerränder aus inficirt. Nun blüht aer Roggen Ende Maiund Juni. Zu dieser Zeit aber konnte ich höchst selten auf Lolium peremw oder anderenLolium-Arten Honig1hau entdecken. Erst im Juli, August und gegen den Herbst hin be­ginnt an den Lolium-Arten eine rege Honigthau-Entwickelung, und erst dann werden auchdie betreffenden Gramineen von sporenübertragenden Inseeten umschwärmt (siehe Insecten­verzeichniss!). Angenommen, die Clat:iceps des Roggens und des !.Jolium wäre (auch biolo­gisch) dieselbe, so könnte der Roggen doch nicht von LolilUn aus inficirt werden, weil derPilz am Roggen zuerst auftritt. Häufig fand ich auch Roggenfelder sehr stark inficirt, woam Ackerrande Uberhaupt kein Lolium gedieh, und wieder konnte ich anderwärts (Seihofenbei Bern) eine Unmasse befallener Lolium-Exemplare am Wegrand constatiren, wohingegendas benachbarte Roggenfeld sozusagen pilzfrei war.

Am 28.•Juli 1900 gab es am Aareufer im Marzili bei Bern viele befallene Lolünll­stöcke; am gleichen Orte zeigten viele Exemplare von Bromus erectw; Sclerotien.

Lolium entwickelt bis tief in den Herbst hinein noch Hp/media und Sclerotien. Sofand ich am 16. September 1899 bei Freiburg den Lolch noch sehr stark befallen, ebensoam 29. September 1899 bei Bern und anl 5. October gleichen Jahres beim Dählhölzli an derAare bei Bern. Im letzteren Falle hatte sich noch ein gelber Schimmelpilz hinzugesellt,der auf den Sclerotien schmarotzte. Am 6. 0 c to be r 1899 machte ich auf dem Spitalackerbei Bem an Lolium perenue eine interessante Beobachtung Uber den Infectionsweg des betr.Pilzes. Es war scheussliches Regenwetter seit manchem 'l'ag gewesen. Die Aehren befallenerLolchswcke waren ihrer ganzen Länge nach schmierig anzuflihlen. Die mikroskopischeUntersuchung zu Hause stellte fest, dass diese schmierige Feuchtigkeit voller Conidien war.Der Gang der Infection an ein und derselben Aehre bei Lolillm und zwar bei Regenwetter,wo die Insecten ausblieben, war nun klar. Die Conidien fliessen mit dem Regenwasser vonoberen Partien des Bluthenstandes nach nnten, der wässrige Schleim staut sich vor Allemin den Winkeln der Aehrchen; daher fand ich auch meistens an jenen Loliwll-Stöcken dasaxenstö.ndige, innerste Blüthchen der Aehre befallen.

Ich erwähne hier auch einige Notizen über die Clal'icpps auf Glyceria. Unterm15. Juli 1899 finde ich in meinem Protocolle ~'olgendes: .Heute fand ich beim Wasser- undElectricitätswerk (Barrage) bei Freiburg viel Honigthau auf Plw1,arl:<i arundinacea, währendgleich daneben Glycel'üt fluitans keine Spur von Infection zeiKte. c • Sollte die Clacicepsvon Phalaris und Glycen'.a verschieden sein1. schrieb ich schon damals hinzu.

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Leider habe ich in der Folge die Claviceps der Glyceria fiuitans auf Phalaris arur'-t-­dinacea nicht zu überimpfen Gelegenheit gehabt, aber da Phalaris arundinacea eine Niihr­pflanze von Cla'l/iceps purpurea Tul. des Roggens ist, so ist woW mit grosser Sicherheit an­zunehmen, dass die beiden Pflanzen einander betreffs Claviceps-Infection sehr fern stehen.

Dass sich von Glyceria tluitans die Sclerotien sehr rasch, innerhalb drei bis vierTagen nach der Honigthau-Abscheidung entwickeln, haben wir sowoW bei unseren Infections­versuchen als im Freien beobachten können. Die jugendlichen Mutterkörner werden sehrgern von Ameisen benagt.

Am 16. August 1900 beobachtete ich sehr schön an Glycerin, fluitans bei der Gas­anstalt (Bern) die Conidien-Uebertragung von Pflanze zu Pflanze durch zahlreiche Insecten(siehe Insectenverzeichnissl). Die Insecten flogen bald an den Honigthau, um daran zusaugen und bald an die noch intacten Blilthen, um Pollen zu naschen. Der Weg der In­fection ist somit klar.

Am 13. September 1900 trafen wir am Rande eines Kartoffelfeldes Poa annua undLalium perenne gleich daneben sowohl mit Honigthau als mit Sclerotien reichlich besetzt.Dass man aber aus dem gleichzeitigen und benachbarten Auftreten der Glaviceps auf zweioder mehreren Gräsern nicht ohne Weiteres auf die Identität der betreffenden Pilze scWiessenkann, haben wir andernorts schon angedeutet und hat uns auch der diesbezügliche Infections­versuch mit den Conidien der 1'oa anrtua gelehrt (siehe Versuch XLI I).

Es mögen zum Schluss noch einige Beobachtungen erwähnt werden, welche ich anGlaviceps von Brachypodium silvatir.:um und JIJilium effusum anstellte.

Jfilium elTuswn gehört, wie Antho.ranthum odoratwn zu denjenigen Gramineen, welchesehr viel Honigthau produciren, aber nicht dementsprechend zu.Wreiche Sclerotien ansetzen.Sehr oft sind die letzteren nur rudimentär. Meistens bilden sich trotz abundanter Honig­thau-Absonderung gesunde, normale Caryopsen aus.

Am 26. Juli 1900 traf ich am Weg nach dem Glasbrunnen im Bremgarten-Wald eineMenge ][üium effusum mit Honigthau. In der Nähe derselben blühte IJrachypod:ium sil­vatieum in grosser Menge. Auch hier begann da und dort an einer Rispe die Abscheidungvon Honigthau. Am 28. Juli 1900 zeigten die Brachypodien schon sehr viel Honigthau undam 31. Juli gleichen Jahres waren schon da und dort an Brachypodiwn junge, violett ange­hauchte Sclerotien zu entdecken. - Amt. August 1900 führte mich der Weg durch denselbenWald nach Bethlehem bei Bem. Auf einer lichten Waldstelle wuchsen daselbst enormeMengen von Brachypodiwu silraticum, aber unter 100 Proben konnte ich nicht ein einzigesMal Spltrwelia oder Honigthau constatiren. Am gleichen Standort gediehen auch sehr vieleUppige Exemplare von J.lfüi!un effusum, ebenfalls ohne Spuren Ton Claviceps. Wo demnachdie eine Pflanze nicht befallen ist, scheint auch die andere nicht inficirt zu werden. Diesspricht aber auch für die Identität der beiden Pilze. Auf dem Wege der Impfung konntedies von mir, wie schon bemerkt, bisher nicht mit voller Sicherheit entschieden werden.Es sind weitere Infectionsversuche anzustellen, die sicher zu interessanten Ergebnissenfuhren werden.

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2. Claviceps mieroeephala Tnlasne.Der Pilz unterscheidet sich von CI(/ri('("}J.~ purp/ll'ffI morphologisch-anatomisch durch

seine geringeren Grössenverhältnisse, die streng kugelige Form der auf langen, dlinnenStielen sitzenden und dieselben an der Insertionsstelle knapp ulllschliessenden Stromata,welche gewöhnlich nur einzeln, höchstens zu zweien oder dreien aus einem Sclerotium her­vorbrechen und einen den ganzen Pilz imprägnirenden hyazinthrothen Farbstoff, sowie dieetwas grösseren Conidien. Er befällt nach Tu 1asn e den Schilf (Pltragmitc,~ C01Jl1nWlis), Jlo­linia coerulea, J:{ardlls sÜ'icta und Arll1u!o CalolJlagrostis (Calal1lagrosti.~ al'um!iIlGl'c(( Roth.).Saccardo 1) giebt als Wirthspflanzen auch noch A!opcc/lrus und lIolclis an.

Nachdem oben gezeigt worden ist, dass die Impfung von Clal'ieeps ]JU1"jJllrea-Sporenauf Sardus strida und ~lfolinüt (~}('I'III('(f negativ ausfiel, diejenige auf ('alamagrostis anm­dinace.a dagegen Erfolg hatte, soll in den vorliegenden Versuchen eruirt werden, welcheGräser mit der Clal',{'eps mieroc(1J/1fl1a-Spore inficirbar sind.

A. Infectionsversuch mit ela,.iccps micl'ocl'pltala Tu!. von Jfolinia cocruleastam me nd.

Am 21. August 1S99 fanden wir bei Nessenthal im Gadmenthal (Bemer Oberland)eine üppige Sp/mcI'Jia-Absonderung auf den Wapen von Molil/ia coerlilm. Eine Anzahl solcherbefallener Inflorescenzen wurde in einer Blechdose nach Hause gebracht und sm folgendenTage nach mikroskopischer Controlle in einem Glas mit reinem Wasser abgespUlt. Mitdieser conidienhaltigen Flüssigkeit wurden vermittelst eines Zerstäubers folgende Pflanzeninficirt:

AI Nardus strieta lA

2N(l1'du.~ s/ricta am Susten gegen die Passhöhe ausgegraben und eingetopft am

AJ

Kardus stricta J 21. August 1809.

Es muss hier bemerkt werden, dass am Sustenpass in der Nähe der ausgegrabenendrei Versuchspßanzen und ebenso dreier heimgebrachter Controllpflanzen eine Menge mitSclerotien besetzte Nardus-Stöcke vorkamen. Die Versuchspßanzen wählten wir aber unterintacten Exemplaren aus und schnitten nberdies alle Aehrchen weg, welche entweder ver­blüht hatten oder soeben in Blüthe standen. Es blieben also nur diejenigen Aehrchen be­stehen, welche noch nicht in Anthese sich befanden. Da aber fast alle, wahrscheinlich durchdie grössere Wärme des Gewächshauses, in denen die mitgebrachten Nardus standen, schonam folgenden Tage (22. August) blUhten, zögerten wir nicht mit deren Impfung.

Am 31. August zeigten sich dann an A2 und A3 die ersten zwei Tröpfchen Honigtbauam Grunde der Spelzen. Die sofortige Untersuchung ergab einen reichlichen Conidiengehalt.Und zwa.r schwankte deren Länge zwischen 7,0 und 8,5 po. Die Breite mass 3,5 po. Die Formunterschied sich in keiner Weise von derjenigen der Claviceps pU1fJurea-Conidien. In dennächstfolgenden Tagen trat die Honigthau-Absonderung an vielen anderen Blutben der Ver­suchspfla.nzen, auch an At auf, und auch die Sclerotien-Entwickelung blieb nicht aus. Am18. September konnten zwölf woW ausgebildete Sclerotien geerntet werden.

I) Sylloge fungorum omnium hucusque cognit. U. Bd. p. 564-566.

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Die drei Controllpftanzen blieben dagegen während der ganzen Zeit des Versuches,also vom 22. August bis 18. September, völlig frei von jeder Clariceps-Infection.

Der Zufall müsste daher arg mitgespielt haben, wenn die drei Nardus At, A2 und A3

trotz aller angewandten Vorsicht von aussen her inficirt gewesen sein sollten, während ebensoviele Controllpftanzen frei geblieben waren. Immerhin geben wir zu, dass die Versuchs­anstellung am Tag nach der Ausgrabung der Nardus ein wenig riskirt war und das Resultatder Untersuchung betreffs der Sicherheit etwas zu beeinträchtigen vermag.

Mit um so grösserer Bestimmtheit beweist der folgende Versuch, dass Nardus strietavon Phmgmites aus befallen werden kann.

B. Infectionsversuch mit Clavieeps microcephala von Phragmites com1nU nisstammend.

Am 25. Mai 1900 wurden mit Ascosporen, welche durch Aussaat von Schilfsclerotlenerzielt worden waren, folgende zwei Gramineen geimpft:

Bt Nardus strida}B

2Nardus sf:ricta Beide Exemplare aus der Samencontrollstation in Zürich bezogen.

Beide Pflanzen wurden mit der nöthigen Vorsicht und lange bevor sich ihre Blnthenentwickelt hatten, nach Ausscheidung von einigen Controllpflanzen in ein eigenes, nur flirJfirrocephala-Impfungen bestimmtes Gewächshaus gebracht.

Am 15. Juni zeigten sich an BI zwei Aehrchen stark von Honigthau befallen, B2 folgteam nächsten Tage. Die Infection beanspruchte hier etwas längere Zeit, was mit der da­maligen Trockenheit in dem betreffenden Gewächshaus zusammenhängen mag. Die raschereoder langsamere Entwickelung des Pilzes kann, wie wir schon bei den Versuchen mit Cla­nccps purpurea. zu sehen Gelegenheit hatten, je nach dem Feuchtigkeitsgehalt der Atmo­sphäre bedeutend variiren.

Die Controllexemplare blieben die ganze Zeit über total frei von Infection. DerEinwurf, die Versuchspftanzen möchten schon vor der Impfung befallen gewesen sein, fällthier ganz ausser Betracht, da dieselben, aus der Samencontrollstation in Zürich stammend,schon viele Tage vor der Anthese in das betreffende Versuchshaus gebracht worden waren.

Ein unzweideutiger Versuch, welcher das unter A gewonnene Resultat vollauf bestätigt,wurde am 2. August 1!H)O eingeleitet:

C. Infeetionsversuch mit Clal'ir'eps mirrocephala von Jfolinia coeruleastammend.

Als Impfmaterial dienten Conidien, welche am gleichen Tage von Molinw, r.Qef"ulea inder nächsten Umgebung Berns an der Aare gesammelt worden waren. Damit wurden durchden Zerstäuber folgende Gräser geimpft:

CI Nardus s[ric[aC2 Nardus strlctaC3 ~lolinia coerulea alle aus der Schweiz. Samencontrollstation Zürich bezogen.C4 Molinia cocruleaCb Mob:nia coerulea

Am 17. August waren sämmtliche Versuchspflanzen, mit Ausnahme von C3, welches»verstrohte war, über und über mit Honigthau befallen. Aus Platzmangel konnte der ProCe81

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nicht bis zur ScIerotienbildung verfolgt werden. Auch wäre eine solche kaum eingetreten,da die Pflanzen sehr unter der damaligen Hitze zu leiden hatten. Da aber die Sclerotien­bildung nur die genetische Folge der Sphaeelia ist, so konnte hier, wie in den übrigen Ver­suchen das Heranreifen von ausgebildeten Mutterkörnern als belanglos angesehen werden.

Der Versuch beweist aber, dass die Clal'ieeps der Molinia sehr leicht auf diese und.Vardus striela flberzugehen vermag.

Der wünschenswerthe Versuch, von J{olinia oder Nm'du,<; ausgehend, Phragrnites eommunis,die Hauptwirthspßanze der Clal'ü'eps mieror:~ha.la zu inficiren, konnte leider nicht ausgeführtwerden, da trotz aller Mühe die Anzucht von blühendem Schilf, zumal im geschlossenenRaume eines Gewächshauses, völlig misslang.

Dagegen wurde der Versuch im Laufe des Spätsommers in umgekehrter Weise angestellt.

D. Infectionsversuch mit Clariceps microcephala von Ph1'agmites c01Jb1ltunisherstammend.

Da um diese Zeit die selbstgezüchteten Stromata der im Herbst vorher ausgesäetenSchilfsclerotien längst eingegangen waren, mussten wir uns Conidien resp. Honigthau zuverschaffen suchen. Die Aufgabe war nicht so leicht. Wir hatten erwartet, dass diePhmgmites-Rd.spen, ähnlich wie andere Gräser, von Honigthau geradezu tropfen würden ­sahen uns aber in der Erwartung bald genug getäuscht. Wir konnten längere Zeit, trotzeifriger Beobachtung und mancher Excursion das gewünschte Material absolut nicht finden.Und doch gab es um diese Zeit schon an mancher Phragmifes-Rispe ausgebildete Sclerotien.Also sagten wir uns: vielleicht entwickelt der Schilf gar keine sichtbare Menge Honigthau,wie wir dies schon bei unseren fruher geschilderten Versuchen mit Hierochloa bm'calis beob­achtet hatten. Nachdem wir daher am 13. September 1900 im Seihofenmoos bei Bernwiederum den Schilf zu Hunderten von Exemplaren nach Sphacelia resp. Honigthau abge­sucht hatten, ohne eine Spur desselben zu entdecken, nahmen wir eine Anzahl blflhender, aberbereits verstäubter Phragmites-Rispen mit nach Hause und steckten dieselben über Nachtkopfüber in ein mit reinem Wasser gefülltes Spitzglas. Am folgenden Morgen wurde dieSpühlflflssigkeit einer mikroskopischen Controlle unterworfen und siehe, das Gesichtsfeldzeigte eine Masse von Sporen, deren Maasse denjenigen entsprachen, welche wir für Clavi­('cps microcephala als charakteristische fanden. Die Impfung mit dieser Flflssigkeit wardenn auch von Erfolg begleitet.

Am 14. September inn.cirten wir damit

D1 Molinia coeru1ea (1899 selbst eingetopft; abgeblflht).D2 Molinia coeru1ea}Da Molinia coerulea aus der Samencontrollstation Zürich, 1900 bezogen (in Blüthe).

Am 25. September waren die beiden Versuchspflanzen D2 und Da an ihren Rispenwie mit einem feinen Regen über und über besprengt. Die einzelnen Tröpfchen warenwasserhell und führten, wie das Mikroskop entschied, eine Unmenge Conidien. In dennächsten Tagen trlibten sich die Tröpfchen mehr und mehr durch Zunahme der Conidien.Dass D1 nicht befallen wurde, kann uns nicht befremden, da seine Anthese schon vorüberwar. Der Versuch beweist wohl, dass die Cla,l'iceps auf Phragmites cmnmunis identisch istmit derjenigen auf Moliniia coerulRa.

Da aber die Clariceps von Phragmites auch auf Nardus sfricta zu gehen vermag(Versuchsreihe B!) und da ferner die Ckwiceps von Molinia coerulea auf Nardus stricta(Versuchreihe A und Cl) überimpft werden kann, so gehen wir wohl nicht fehl, wenn wir

Betuieclle Zeikq. 11103. Beft VlfVll. 22

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die drei Pilze als identisch erklären. Damit ist allerdings nichts Neues entdeckt, aberimmerhin eine auf morphologisch-anatomische Verhältnisse gestützte Annahme zum erstenMal durch den Culturversuch bestätigt worden.

Um die Frage zu lösen, ob ClalJWepS miC'rocephala Tulasne noch auf andere Gräserüberzugehen vermöge, wurde schon im Jahre 1899 ein kleiner Versuch gemacht. Mit denConidien von Molim4 coerulea aus der Umgebung der Stadt Bem wurden am 9. Septemberfolgende zwei Gräser belegt:

EI Poa (nicht näher bestimmte Species; aus der Umgebung der Stadt eingetopft),E:z Sesleria coerulea (aus dem Botan. Garten Bem eingetopft).

Eine am 29. September vorgenommene Revision ergab ein negatives Resultat. Auchin der Folge blieben beide Versuchspfianzen intact. Dies bewies immerhin noch nicht sehrviel, obwohl zur Zeit der Impfung beide Gramineen in schönster Blllthe standen. Ein ein­zelner negativer Erfolg giebt keine Gewähr für dessen Richtigkeit. Es können momentaneäussere Veranlassungen und Zustände die Infection zurnckgehalten haben. Erst bei Wieder­holung eines solchen Versuchs und Constanz des Verhaltens kann mit Sicherheit ein ScblUBSauf die Immunität einer Versuchspflanze gezogen werden.

Wir erneuerten daher noch in demselben Jahre (13. September) den Versuch undzwar diesmal mit Conidien, herstammend von Nardus sfJrUJta der Versuchsreihe A. Aberauch hier trat kein Erfolg ein. Die Versuchspfianzen entwickelten weder Honigthau nochSclerotien. Danach scheint in der That Claviceps microcephala Tu!. nicht auf Poa (spec.)und nicht auf Sesleria coerulea übergehen zu können. Um noch grössere Gewissheit,namentlich in Hinsicht auf Poa und andere, als Wirthspftanzen von Cladeeps purpurea er­kannte Gramineen zu erlangen, wurden aie folgenden Versuche ausgeführt:

F. Infeetionsversuch mit Cla'viceps microcephala von Phragmites communisherstammend.

Als Impfmaterial dienten Ascosporen, welche durch eigene Zucht gewonnen wordenwaren. Am 5. Juni 19()O wurden damit durch den Zerstäuber inficirt:

F1 Poa sudetü:a (Samencontrollstation Zürich) in voller Blüthe.F2 Poa sndetica (Samencontrollstation Zürich) noch nicht in Blüthe.F3 H(yrdeum mwrinwn (Zürich) blühend.F« Arrhenatherum datiUS} .F

IIAl'rhcnatherum datins vom letzten Jahre her selbst emgetopft.

Fo Spanischer Doppelroggen }F

7Spanischer Doppelroggen Saat vom letzten Herbst her, 1899.

Mit Ausnahme von F2 waren alle Gräser in schönster Blüthe und überhaupt starke,üppige Exemplare. Auch wurden sie während des Versuchs gut feucht gehalten. Trotzdemtrat an keiner der Versuchspfianzen bis zum 23. Juni Honigthau auf. Eine am 24. Junian F2 beobachtete Infection kann kaum als Folge unserer Impfung aufgefasst werden, dabei den sonst gllnstigen Bedingungen (Feuchtigkeit!) die Infection hätte eher auftretenmüssen. Auch blieben alle anderen Pflanzen der Reihe F völlig gesund. Dagegen zeigtesich an einer Controllpfianze von Poa sudetica ebenfalls zur nämlichen Zeit Honigthau. Esscheint sich daher bei F2, ebenso wie bei der betreffenden Controllpfianze um eine nach­trägliche Verunreinigung gehandelt zu haben.

Eine solche konnte um so eher vorkommen, als die Gewächshäuser natürlich nichtganz gegen Insecten abgeschlo88en werden konnten. Dass solche aber in der freien Natur

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sehr zu der Verschleppung der Clariceps-Conidien beitragen, werden WIr 1m Verlauf dieserArbeit noch sehen.

Leider wurde mit dem Honigthau von F2 keine Stichprobe auf Roggen oder eine derWirthspßanzen von Cl. mierocephala gemacht. Auch die Messung der Conidien unterblieb.

Vielleicht ist das Verhalten der Poa-Arten im folgenden Versuch dazu angethan, unseinen noch tieferen Blick thun zu lassen.

G. Infeetionsversuch mit Claviceps microcephala von Phragmitcs communtsherstammend.

Am t 3. Juni t900 unterlagen folgende Gräser der Impfung mit demselben Materialwie bei Versuch F:

Gi Lolium perenneG2 Lolium perenl/.{'Ga Poa nemarali.<:G4 Poa nemoralisGI) Poa trivialisG6 Poa hylnidaG7 Alopecurus pratensis.

Wiederholte Revisionen bestätigten immer wieder ein total negatives Verhalten dieserGräser gegenüber der Impfung mit Clal'leepsmicrorephala-Sporen. Nirgends war in derFolge Honigthau aufgetreten. Die Poa-Arten scheinen wirklich dem Pilz gegenüber einebedeutende Immunität zn bewahren. Aber auch die übrigen, in den bisherigen Versuchs­reihen angeführten Gräser scheinen nicht in den Kreis der Nährpßanzen von Cl. microcephalaZu gehören, denn es wäre undenkbar, dass nicht eine dieser Versuchspßanzen (&steria, Hm'­deum, Arrhenatherum, Roggen, lAlium, Alopecunls) befallen worden wäre, nachdem Moliniaund Nardu:~ so leicht der Infection erlagen. Clal'iceps mierocephala geht weder 'auf LoliwlInoch auf die für Cl. purpure-a charakteristischen Gramineen. Die letztere Behauptung findetauch in den zwei folgenden Versuchen ihre Bestätigung. Bekanntlich erwies sich AntllO­.ranthum odoratum nächst dem Roggen als eines der empfindlichsten Reagentien auf Claliicepspllrpurea. Diese Graminee gilt daher als typischer Wirth jenes Pilzes. Geht nun Clavic(~ps

mierocephala auch auf Ruchgras, so könnte es auch im Stande sein, alle übrigen Nährpßanzenvon Cl. purpurea zu inficiren.

Wir brachten aber trotz aller Sorgfalt des Verfahrens und trotz Wiederholung desVersuches Claviceps 'mü:roc('plwlfl niemals auf AntllOxantlul11t odmYtlum.

H. Infeetionsversuch mit Clal'1:ceps microcephala von Phragmites cO/llmunisherstammend.

Am t 2. :Mai 1900 impften wir durch den Zerstäuber mit den Ascosporen von imHerbst t 899. ausgesäeten Schilfsclerotien:

H1 Antho.rantlntln OdoratulII} am 2. Mai dieses Jahres aus dem Botan. Garten BernsH2 Anthoxanthwn odoratwit eingetopft.

Obwohl zur Zeit der Infection in schönster Blüthe und trotz langer It'euchterhaltungder blühenden Rispen zeigten die zwei Stöcke bei der Revision am 21. Mai keine Spur vonHonigtbau. Auch eine erneute Revision am 26. Mai förderte nichts Positives zu Tage. AuchSclerotien, wiewohl f[ir dieses Gras Uberhaupt selten, konnten nicht beobachtet werden. Am31. Mai wurde der Versuch mit dem Vermerk »nega.tiver Erfolg~ kassirt.

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Am gleichen Tage (3t. Mai) wiederholten wir den Versuch, indem wir gleiches Sporen­material anwandten.

I. Infectionsversuch mit Cl. microcephala von Phragmites commum:sherstammend.

11 Anthoxantltum odomtu1ltI12 Anthoxantltllllt odoratum dieses Jahr aus dem Botan. Garten Bern eingetopft.13 Antho,ranthum odomtum .

Ende Juni waren alle drei Stöcke noch frisch und zeigten nicht die Spur einer statt-gehabten Infection. .

Ein besonderes Interesse mag noch der folgende Versuch bieten:

K. Infectionsversuch mit Cl. microcephala von lflolinia coe1'ulea herstammend.

Am 2-1. Juli 11)QO fanden wir auf Molinia cON'ulea am Ufer der Aare bei Bern massen-haft Honigthau. Damit impften wir an demselben Tage:

K t .i1folinia coemlea} .K

2Molinia coe1wlea 1899 selbst emgetoft.

K 3 Calmnagrostis U1'undinaceaIK. Calamagrostis arundinilr'ea Schweizer. Samencontrollstation Znrich, 1900 bezogen.Kr. Aira caespitosa

Am 11. August 1900 fanden wir die zwei Molinia (K1 und K2J über und über mitHonigthau befallen, während Calamagrostis (Ks und K.J intact waren. Dagegen war auch K5

(Aira caupitosaJ sehr stark befallen. Die Folgezeit änderte nichts an dem negativen Be­fund hei Ks und K•.

Wir haben früher schon gesehen, dass Calamagrostis auch der Clal'Weps der Lolium­Arten und ebenso derjenigen der Glyceria fluitlln~ gegeniiber sich immun verhielt. Dagegenwurde diese Graminee von Clal'il!/ps pur]Jllrert Tu!. inficirt. Calamagrostis scheint demnachzu den typischen Clrwi.eeps purpurea-Wirthen zu gehören. Immerhin ist eine Wiederholungdes Versuches erwiinscht, da wir eine solche nicht mehr vornehmen konnten,

Dass K1 und K2 (Molinia COf'/·ulea.) mit gewohnter Leichtigkeit die Infection annahmen,konnte uns nach den bisherigen Erfahrungen nicht frappiren. Dagegen mussten wir Kr. (Airacaespitosa) fUr so lange als eine Verunreinigung ansehen (obwohl die einzige zur Verfllgungstehende Controllpflanze intact blieb !), bis die Stichprobe entschied. Wir stellten daherfolgenden Versuch an:

L. Infectionsversuch mit Honigthau von Aira caespitosa (Kr.J herstammend.

Am 12. August 1900 brachten wir durch Eintauchen der Blüthenstände in eine mitden Conidien von Kr. geschwängerte Fllissigkeit die unten verzeichneten Gramineen mit derin Frage stehenden Claviceps in Contact.

LI 11101inü/' coerulea} .. }~ il{olinia coel'lllea SamencontrollstatlOn Zünch alle vier Pflanzen in schöner

Ls SeeaJ.e cereale } Blüthe und völlig gesund,L. Secak cereale Aussaat 1900

Dem Pilz war dadurch ein Dilemma gestellt: Entweder befiel er Molinia, dann warer identisch mit Cla,·/".r·eps 'III/{~ro,~hala Tul., oder er befiel 8eea1~ (','reak, dann konnte eridentisch mit C'larw,ps pW]JIlrea Tu!. sein. Am 23. August entschied die Revision zu Gonsten

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von Claviceps microceplwla, denn beide Molinia waren tüchtig voll von Honigthau, währenddie beiden Roggen unversehrt blieben.

Wir glauben, dieser Versuch sei klar genug ausgefallen, um den Wirthspfianzenkreisvon ClaLieeps mierocephala um Aira caespitosa zu erweitern.

Fassen wir die Ergebnisse der Versuche A- L zusammen, s 0 k ö nn e n wir dieUebertragbarkeit der Claviceps mic1'ocephala Tu!. von der typischen NährpflanzePh1'agmites communis auf J.Vartlus stricta, Moli'nia coe1'ulea und Aira caes]J1:­tosa mit Sicherheit be haupten. Rassen innerhalb dieser Pilzspecies scheinen,soweit wenigstens wir die Verhältnisse untersuchen konnten, nicht vorzu­kommen. Ebenso ist wahrscheinlich, dass diese Mutterkornart nur einenkleinen Kreis von Nährpflanzen besitzt und jedenfalls so stark an dieselbenangepasst ist, dass die für Cla1!l:ceps purpurea typischen Wirthspflanzennicht mit Clal'iceps microcephala-Sporen erfolgreich inficirt werden können.

Uebersichtstabelle zu den Versuchen mit Claviceps microcephala Tu1.

Infectionsmaterial und Versuchs-Chiffre.

Asrosporpomaterialvon

Phragmites commnnis

L!__u_1~ 1 -;---1_K__l~,_I E

" .oll"Il,,0"'u...~~8~~'"

Versuchepßanzen

Nardus stricta.Molinia coeruleaPoa species. . .Sesleria coeruleaPOil. sndeticaHordenm mnrinllmArrhenatherum datins.Spanischer DoppelroggenLolium perenne.POil. nemoralisPOil. trivialisPOil. hybridaAlopecurus pratensisADthoxanthnm odoratumCalamagroetie arundinaceaAira caespitosa

+ + ++ +

[:+:1

+

+

+

Zeichenerklil.rung: + = positiver Erfolg; - = negativer Erfolg; [:+:] = positiver Erfolg, auf Fremd­infection zurllckführbar.

Beobachtungen im Freien tlber Claviceps micrOtephala Tul.Schon bei Versnch D haben wir bemerkt, wie schwer es hält, an Phragmites communi.~

Bonigthau zn finden, trotz dem so häufigen Gedeihen des Pilzes auf dieser Niihrpßanze, dassselten eine normale Caryopse zu entdecken ist, Dass aber auch zuweilen jene süsse Ab­scheidung vorhanden sein kann, bewies uns eine Beobachtung, welche wir am HI. Sept. 1899bei Freiburg am Teich hinter dem Wasserwerk zu machen Gelegenheit hatten. Daselhst gabes an schattigen Stellen viele Exemplare von 11folinul, (,o(,'rlllea, welche zum 'I'heil mit Sclerotien

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besetzt waren, zum Theil noch von Honigthau troffen. Nicht weit davon bllihten mehrerekräftige Stöcke Phragmites comrnunis und auf einer einzigen Rispe derselben bemerkte ichmehrere winzige, glänzende, fadenziehende Tröpfchen, die sich bei der Untersuchung zuHause wirklich als Honigthau erwiesen, der eine Masse Conidien fllhrte. - Es ist wohl denkbar,dass sich die Abscheidung eher im Schatten hält, als an einem sonnigen Standort, wo dieVerdunstung gross ist. Aber immerhin ist die Tendenz zur Bildung von sichtbaren MengenHonigthau bei der in Frage stehenden Graminee überaus gering. Woran das liegen mag,kann hier nicht entschieden werden. In nächster Nähe des befallenen Schilfes gab es auchmehrere stark inficirte Exemplare von Lolium perenrw.

Wenn man aber glaubte, aus dem nämlichen Standort und dem gleichzeitigen Befallenseinverschiedener Nährpfianzen auf die Identität ihrer Parasiten schliessen zu dürfen, so wlirdeman sich häufig einer Täuschung hingeben. Wir haben diese Erscheinungen bereits beiGla'IJweps purpurea Tul. erörtert und gesehen, dass mit den Sporen der Glaviceps auf Loliumz. B. der Roggen nicht inficirt werden kann, obwoW lJich sehr oft beide Pilze in nächsterNachbarschaft von einander entwickeln.

Die folgenden Beobachtungen mögen einen Einblick geben in die Reihenfolge derInfection bei den Nährpfianzen von GlavicqJs microeephala.

An den im Selhofenmoos bei Bern massenhaft vorkommenden Molinien fand ich am6. September 1899 den Entwickelungsprocess des Pilzes vollkommen abgescWossen, währendder Schilf kaum seit einigen Tagen in Blüthe stand. Die Molinien können daher unmöglichvom Schilf aus inficirt werden, insofern es sich um die Ueberimpfung mit Conidien (in derfreien Natur!) handelt, wohl aber umgekehrt. Und wäre auch die Honigthauquelle zur Zeitder Schilf'blüthe an Molinia, coe:rulea bereits versiegt, so genügte der an der Basis der aus­gebildeten Sclerotien befindliche mehlartige Belag zur Ansteckung des Ph1·agmiie-s. Denndieser Belag besteht aus lauter Conidien und behält nach Bonorden's Impfversuch seineInfectiosität nach dem Eintrocknen des Honigthaus einstweilen noch bei. Wie lange diesgeschehen kann, müsste allerdings noch eigens geprüft werden. Jedenfalls bietet dieserUeberzug immer noch gewissen Insecten Zuckerstoff, denn speciell an den 8clerotien vonMolinia habe ich häufig noch Fliegen naschen sehen, als für das blosse Auge keinHonigthau mehr da war. Auch kann der Wind dieses lose aufsitzende, weisse -Pulvere leichtauf die Schiltblüthen transportiren. - Natürlich wird auch jede Nährpfianze für sich von denAscosporen befallen werden können, worauf die rasche Verbreitung des Pilzes von Individuenzu Individuen ein und derselben Grasspecies durch die Conidien vermittelst der zur Zeit derHonigthau-Entwickelung massenhaft sich einstellenden Insectenwelt besorgt werden mag (sieheInsectenverzeichniss I).

Aehnliche Verhältnisse traf ich gelegentlich einer Excursion auf den Sustenpass. Am21. August 1899 war der Pilz bei Nessenthal an den dort häufigen Molinien bis zur 8phaadia­bildung vorgerückt, während an demselben Standort der Schilf noch nicht einmal in Blnthe stand.Folglich wird auch hier, insofern es sich um Conidieninfection handelt, der Pilz niemals vonPhragmites auf llIolinia gehen können, sondern der Schilf wird event. von Molinia ange­steckt werden.

Zur gleichen Zeit bot Nardus am Aufstieg zur Passhöhe (ca. 2100 m) bereits zahl­reiche, ausgebildete Sclerotien dar. Wäre das Vorkommen von Schilf oder Molinien in jenerHöhe möglich, so folgten sich in der Ansteckung durch Conidien: Nardus, Molinia, Phragrnite-s.Dass aber die Molinien im Nessenthal, welches ca. 1100 m tiefer liegt, von jener hochalpinenNardu~ aus inficirt wUrde, ist bei der grossen Höhendifferenz der heiden Arten auch durchInsecten undenkbar.

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Jedenfalls wird Nardus daselbst immer wieder von den Ascosporen der im Vorjahreerzeugten Sclerotien befallen, ebenso wie Molinza den ersten Infectionskeim durch eine Asco­spore der von der Graminee im Herbst der Erde übergebenen Sclerotien erhalten muss.

Anhang.Veneichniss der die mit lIonigthau befallenen Gräser besuchenden und dieUebertragung der Conidien vermittelnden Inseeten nach der Bestimmung von

Herrn Dr. Th. Steck.Erklll.rung der Abkürzungen: p. f. = pollenfressendj h. n. = Honigthau nll.Bchend.

Unbestritten spielen die Insecten bei der Verbreitung der Gattung Clari.cC':ps durch dieConidien eine grosse Rolle. Eine ganze Anzahl Insecten, besonders. Fliegen, gehen demPollen, auch auf Grasblüthen, eifrig nach, wohl weil derselbe, wie ich vor einem Jahrnachgewiesen zu haben glaube I), Zuckerstoff enthält. Kommt nun ein Insect conidienbeladenzu einer gesunden BlUthe, so ist auch sie inficirt. Wir konnten sehr häufig diesen Weg derInfection direct verfolgen, indem wir sahen, wie Insecten von Honigthau absonderndenBlüthen, nachdem sie an denselben genascht, auf noch gesunde Blüthenstände flogen, umdaselbst an den Bluthen herumzusuchen, oder Pollen zu verzehren. Günstige Objecte zurBeobachtung bieten Phalaris arundinacea, Lolillmarten, Jlolinia C()erulea, Brachypodium silm­ti~"Um einerseits und Melanostmna mellina, Rhagonycha {ulra, Me1ithreptus ew. andererseits.Die Insecten finden sich da, wo Honigthau vorhanden ist, so zahlreich und regelmäsllig ein,dass sie uns denselben geradezu sehr oft verriethen. Es seien die hier in Frage kommendenInsecten, nach den betreffenden Pflanzen geordnet, aufgezählt:

L Brachypodium sill'at-icum.Melithreptus menthastri (in grosser Zahl) p. f. und h. n.Ophyra anthrax Meig. h. n.Q Melanostoma mellina p. f. und h. n.Platycheirus peltatus h. n.Miris holsatus (eine Wanze. Sie steckte mit dem RUssel fest im Basaltheil eIDes

Sclerotiums).Egeria Pararge (Schmetterling, blieb mit dem Saugrohr zwischen den Spelzen hängen

und flatterte hängend hin und her); wohl nur zufälliger Gast.2. Lolium-Arten.

Rhagonycha fulva h. n. in sehr grosser Anzahl.Melanostoma mellina h. n. und p. f. sehr häufig.Anthomyidae genus? h. n. und p. f.Sapromyza quadripunctata p. f. und h. n. sehr oft.Vespa, öfters, direct an jungen Sclerotien nagAnd.Coccinella septempunctata, häufig h. n.Eurygaster Maura (Wanze) h. n.Ameisen, sehr häufig h. n.

1) R. Stll.ger, Chemischer Nachweis von Necmrien bei Pollenblumen und Anemophilen. (Beiheft-ezum Botan. Centralblatt. 12. Heft 1.)

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3. GLy e C1'ia flui taus.Lonchaea (fumosa1) ziemlich häufig, p. f. und h. n.Sapromyza apicalis, häufig, h. n.Tetanocera ferruginea, selten.Sarcophaga nigriventris oder depressifrons ('t), sehr häufig, in Schwärmen h. n. und p. f.Dilophus vulga.ris, 2 Stnck.Coccinella septempunctata, gemein.Melanostoma mellina, häufig.Rhagonycha fulva (sehr oft).

4. Molinia coeruLea.Melithreptus menthastri, häufig, p. f. und h. n.Pipicella virens Fbr., seltener, h. 0.

Melanostoma mellina, sehr oft, h. n. und p. f.Cheilosia species (?).Dolerus pratensis (Blattwespe) 2 Stnck.Lucilia sylvarum, ziemlich häufig, h. n.Q Amblytheles subsericans (Ichneumoniden), 110m Grund eines jungen Sclerotiums nagend.Rhagonycha fulva, häufig.

5. PltaLaris al'undinacea.Apis mellifica, in ganzen Schwärmen, h. n.Sarcophaga spec. (')Coccinella septempunctata, häufig an Honigthau und Sclerotien.Pompylus viaticus (Ichneumon.) wenige, h. n.Coccinella quinquepunctata, h. n.Mimesa Dahlbomi, 2 Sttlck.Rhagonycha fulva, in nberreicher Menge.

6. Pltragmites communis.Melanostoma mellina, zahlreich, p. f. und h. n.Sarcophaga spec.Tachina (Genus' und Species't).Lucilia sylvarum, zahlreich, p. f. und h. n.Pollemia vespillo (zahlreich) h. n.Brachytropis calcaratus (Wanze mit deren Larven, sehr zahlreich, zugleich mimetische

Anpassung!).Wespe.Blattwespen.Sciara spec.? (in Masse) h. n.Ameisen, sehr häutig.

Die Ameisen stellen sich nberall ein, wo es Zucker zu naschen giebt. Sie tragenaber wohl nicht viel zur Verbreitung der Clariceps bei, da SIe anscheinend honigthauloseBlUthen nicht besuchen.

Wie wir sehen, sind Melanostoma mellina und Rhagonycha fulva ziemlich constanteBesucher der mit Clal'l{;eps inficirtell Gräser, während die übrigen Insecten je nach der be­sonderen Nährpflanze wechseln.