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Notfall Rettungsmed 2008 · 11:234–239DOI 10.1007/s10049-008-1055-3Online publiziert: 18. Mai 2008© Springer Medizin Verlag 2008
J. BraunDeutsche Rettungsflugwacht, Filderstadt
Stellenwert der Luftrettung in der präklinischen Notfallversorgung in Deutschland
Leitthema
Strukturen
Die Organisation der präklinischen Notfallversorgung ist Aufgabe der Bundesländer. Die Einzelheiten sind in den jeweiligen Rettungsdienstgesetzen teilweise sehr unterschiedlich geregelt. Ein gemeinsames Kennzeichen ist das dem Prinzip Martin Kirschners folgende Notarztsystem, das bodengebunden flächendeckend vorgehalten wird. Über 2 Mio. Notarzteinsätze werden jährlich in der Bundesrepublik Deutschland geleistet. Ergänzend im Sinne des sogenannten Subsidiaritätsprinzips kommen Luftrettungsmittel zum Einsatz. Ihr Anteil an den Notarzteinsätzen beträgt ca. 3–4%. Etwa 80 Luftrettungsstützpunkte, sogenannte Rettungs und IntensivtransporthubschrauberStandorte (RTH/ITHStandorte), bilden inzwischen ein dichtes, größtenteils historisch gewachsenes Netz an Standorten mit einem Einsatzradius von 50–70 km im Primäreinsatzbereich. Die Luftrettung des Allgemeinen Deutschen AutomobilClubs (ADACLuftrettung), die Deutsche Rettungsflugwacht e. V. (DRF) mit ihren Teampartnern HDM Luftrettung gGmbH und HSD Hubschrauber Sonder Dienst Flugbetriebs GmbH & Co. KG sowie die Bundespolizei stellen die Luftrettung in Deutschland größtenteils sicher. Die Bundeswehr ist noch im „search and rescue“Dienst (SARDienst), bei den Havariekommandos sowie mit Großraumrettungshubschraubern in der präklinischen Notfallversorgung fliegerisch vertreten.
Die im Vergleich zu den USA relativ geringe Anzahl an Flugunfällen im deutschen Luftrettungsdienst spiegelt die vielfältigen
Bestrebungen des Bundes, der Länder und der Betreiber wieder, Flugsicherheit zur obersten Maxime des Handelns zu erklären [18]. Die Vorgaben des europäischen Luftrechts, der sogenannten JAR OPS 3 („joint aviation requirements, helicopter operations“), machen bis Ende 2009 die Einführung neuer Hubschraubertypen erforderlich. Die Typen Eurocopter EC 135 und EC 145, BK 117 sowie Bell 412 vornehmlich für den Intensivtransport werden künftig flächendeckend eingesetzt werden, die langjährig erfolgreich eingesetzten Muster BO 105 und Bell 222 (militärische Version Bell UH1D) müssen ausgemustert werden. Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift vom November 2006 setzt behördlicherseits die Vorgaben der internationalen Luftfahrtbehörde (ICAO, „International Civil Aviation Organization“) bezüglich der Hubschrauberlandeplätze an Luftrettungszentren und Großkliniken konsequent um.
Einsatzgrundsätze und Einsatzbereitschaft
Einsatzgrundsätze
RTH werden zum einen als schneller Notarztzubringer eingesetzt, andererseits erfüllen sie eine zunehmend wichtigere Transportfunktion vom Einsatzort zur nächstgeeigneten Klinik.
RTH sollen bei Vorliegen einer Notarztindikation eingesetzt werden, wenn der bodengebundene Notarzt, also ein Noteinsatzfahrzeug/Notarztwagen (NEF/NAW), nicht verfügbar ist oder die Einhaltung der Hilfsfrist durch den bodengebundenen
Notarzt (sofern für Notärzte in dem betreffenden Bundesland eine Hilfsfrist normiert ist) nicht möglich ist oder der RTHEinsatz einen medizinisch relevanten Zeitvorteil gegenüber dem verfügbaren bodengebundenen Notarzt bringt. Für den Notfalltransport sollen RTH eingesetzt werden, wenn der bodengebundene Transport aus medizinischen Gründen kontraindiziert ist oder deutliche medizinische Nachteile mit sich bringt, der Notfallpatient schnellstmöglich einer adäquaten klinischen Versorgung zugeführt werden muss und der Lufttransport medizinisch relevante Zeitvorteile erbringt oder der Notfallpatient in eine weiter entfernte Klinik transportiert werden muss und sich der bodengebundene Notarztwagen/Rettungswagen mit Notarzt (NAW/RTW+NA) unvertretbar lange vom Standort entfernen müsste.
> Ideales Transportmittel bei der Verlegung kritisch kranker Patienten sind ITH und RTH
Im Bereich des Interhospitaltransfers kommen ITH und RTH zum Einsatz. Der schonende schnelle Transport über weite Strecken macht diese Transportmittel – insbesondere bei zeitkritischen Verlegungen – zum idealen Verlegungsmittel kritisch kranker Patienten zu Einrichtungen überwiegend höherer Versorgungsstufe.
Zunehmend etablieren sich sogenannte „dualuse”Systeme, die personell wie ausstattungsmäßig in der Lage sind, sowohl Primärrettung als auch anspruchsvolle Sekundärverlegungen durchzuführen. Sie sind sehr flexibel und damit wirtschaftlich einsetzbar.
RedaktionJ. Beneker, BerlinM. Helm, UlmU. Kreimeier, München
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Einsatzindikationen für RTH ohne Notarztindikation sind selten, kommen jedoch z. B. bei der Rettung aus unzugänglichem Gelände oder Rettung aus Gewässern vor. Die in früherer Zeit häufiger durchgeführten zeitkritischen Organ oder Bluttransporte sind sehr selten geworden.
Einsatzbereitschaft
Die meisten RTH werden im Tagflugbetrieb, d. h. zwischen 7:00 Uhr und Sonnenuntergang (+30 min) betrieben. Witterungsbedingte Einflüsse wie Nebel, Schneefall, Eis oder starker Regen können zu Einschränkungen der für gewöhnlich nach Sichtflugregeln (VFR, „visual flight rules“) operierenden Luftrettungsmittel führen. ITH sind in vielen Bundesländern im 24hBetrieb, vornehmlich für die Verlegung von Patienten von Klinik zu Klinik, verfügbar, teilweise können diese sogar nach Instrumentenflugregeln (IFR, „instrument flight rules“) operieren. Die ITH stehen somit im Sinne des „dualuse“Prinzips grundsätzlich auch für Notfalleinsätze z. B. vor 7:00 Uhr im Sommer zur Verfügung. Nächtliche Außenlandungen in unmittelbarer Nähe der Notfallstelle sind nicht ungefährlich, da Hindernisse wie Leitungen, Bäume, etc. nur schwer zu erkennen sind. Die Alarmierung zu Primäreinsätzen in der Nacht geht daher ausschließlich subsidiär an den bodengebundenen Rettungsdienst und nur nach Lagesichtung durch vor Ort befindliches Rettungsdienstpersonal. Die Durchführung nächtlicher luftgestützter Primäreinsätze erfordert einen längeren zeitlichen Vorlauf zur Flugplanung als am Tage und ist mit einem erhöhten logistischen und personellen Aufwand verbunden und damit kostenintensiv [19, 20].
> Nur wenige Luftrettungseinsätze finden derzeit in der Nacht statt
Ein Hauptgrund der grundsätzlichen Zuweisung einer Ergänzungs und Unterstützungsfunktion der Luftrettung ist daher die derzeit eingeschränkte Verfügbarkeit während der sogenannten fliegerischen Nacht [17]. Die tageszeitliche Einsatzverteilung von 38394 Luftrettungseinsätzen des TeamDRF im Jahr 2007 zeigt, dass derzeit nur ein sehr geringer Teil der Lufttransporte oder Luftret
Zusammenfassung · Abstract
Notfall Rettungsmed 2008 · 11:234–239 DOI 10.1007/s10049-008-1055-3© Springer Medizin Verlag 2008
J. BraunStellenwert der Luftrettung in der präklinischen Notfallversorgung in Deutschland
ZusammenfassungDie derzeitigen gesetzlichen Vorgaben sehen Luftrettungsmittel als subsidiär tätige Rettungsmittel vor. Rettungshubschrauber (RTH) sind schnelle Notarztzubringer, deren Bedeutung als schnelles, überregionales Transportmittel in die für das jeweilige Krank-heits-/Verletzungsbild am besten geeignete Klinik zugenommen hat. Zunehmend etablie-ren sich sogenannte „dual-use“-Systeme, die flexibel einsetzbar sowohl Primärrettung als auch anspruchsvolle Sekundärverlegungen durchführen. Insbesondere in ländlichen Ge-bieten hat die Luftrettung bereits heute viel-fach eine Ersatzfunktion übernommen. Die
Etablierung von überregionalen Netzwerk-strukturen zur leitliniengerechten Versorgung von Polytrauma, Myokardinfarkt, Schlag-anfall, etc. ist nur unter Einbeziehung der Luft-rettung sinnvoll möglich. Die Verlängerung von Einsatzzeiten an einzelnen Standorten muss dabei in diese Überlegungen mit ein-fließen, wobei den Aspekten der Flugsicher-heit ein hohes Maß an Bedeutung zukom-men muss.
SchlüsselwörterLuftrettung · „Dual-use“-System · Netzwerke · Leitlinien · Einsatzzeiten · Flugsicherheit
Value of air rescue services in preclinical emergency care in Germany
AbstractCurrent legal stipulations regard air rescue services as a subsidiary system to ground-based rescue service. Rescue helicopters are routinely used for quick transport of emer-gency physicians and the importance as a rapid, interregional transport method to the most suitable clinic in the network has in-creased. The so-called dual-use systems have increasingly become established because of the ability to carry out primary as well as challenging secondary missions. Air rescue services now provide an alternative function especially in rural areas, network structures
have been established for guideline-based treatment of multiple trauma, myocardial in-farction, stroke etc. which can only be consid-ered effective using the air rescue services. In-creased operation times from some air rescue bases have to be taken into consideration be-cause the issues of flight safety at night must be given precedence.
KeywordsAir rescue · Dual-use system · Network · Guidelines · Operation times · Flight safety
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tungseinsätze in der Nacht stattfindet (. Abb. 1), ganz im Gegensatz zum benachbarten Ausland wie z. B. in der Schweiz.
Einsatzdisposition
In vielen Bundesländern sind RTHIndikationskataloge für Rettungsleitstellen als einsatztaktische und medizinische Dispositionshilfe entwickelt worden, jedoch sind die Verfahren uneinheitlich und die gesetzlichen Grundlagen hierzu ebenfalls länderspezifisch. Die heute eingesetzten Leitstellentechnologien ermöglichen es grundsätzlich, sowohl boden als auch luftgestützte Systeme sinnvoll regional als auch überregional einzusetzen. Neuere durch globale Positionsbestimmungssysteme (GPS, „global positioning systems“) gestützte Ortungshilfen (z. B. Rescuetrack®) können durch kartographische
Darstellung aktueller Flugbewegungen einschließlich Statusmeldung von RTH/ITH, aber auch Intensivtransportwagen (ITW), eine deutliche Verbesserung für den Einsatz überregional tätiger Rettungsmittel bieten. Durch die visuelle Verfolgbarkeit können die Leitstellen im Bedarfsfall auf das zum Einsatzort nächstgelegene System zugreifen, auch wenn es nicht das eigene ist. Hierdurch wird das Gesamtsystem medizinisch wie einsatztaktisch optimiert und damit überdies noch ein wirtschaftlicherer Einsatz der zur Verfügung stehenden Rettungsmittel erzielt [11].
Materielle Ausstattung
Die materielle Ausstattung der RTH und ITH in Deutschland wird durch die vom Deutschen Institut für Normung e. V. angenommene Europäische Norm DINEN 13718 grundsätzlich geregelt. Darüber
hinaus sind Beatmungsgeräte mit druck und volumenkontrollierten Beatmungsmodi, Spontanatmungsmodi sowie der Möglichkeit zur nicht invasiven Beatmung, 12KanalEKGGeräte, Kapnographie, Möglichkeit der invasiven Druckmessung, mehrere Spritzenpumpen und Hilfsmittel zum alternativen Airwaymanagement nahezu flächendeckender Standard. Einige Luftrettungsstützpunkte führen darüber hinaus Sonographiegeräte mit sich, deren letztendliche Bedeutung in der präklinischen Patientenversorgung jedoch derzeit noch kontrovers diskutiert wird.
Im Sinne des bereits erwähnten „dualuse“Konzepts gleichen sich die materiellen Ausstattungen der RTH und ITH zunehmend an, wobei die spezialisierten ITHSysteme nach wie vor maschinenbedingt über ein deutlich höheres Platzangebot für Patienten und entsprechende Zusatzsysteme wie Herz LungenMaschine (HLM), extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), intraortale Ballonpumpe (IABP) sowie häufig über einen 230 VoltAnschluss verfügen (. Abb. 2).
Qualifikation der Teams
Der Facharztanteil betrug im Jahr 2007 innerhalb der Luftrettungsstützpunkte des TeamDRF rund 85% und liegt somit deutlich über dem Bundesdurchschnitt arztbesetzter Rettungsmittel. Eine aktuelle Untersuchung von Gries et al. [12] konnte anhand rund 45.000 luftgestützter und 80.000 bodengebundener Notarzteinsätze zeigen, dass RTHNotärzte mit komplexeren Notfallsituationen, z. B. polytraumatisierten Patienten, pädiatrischen Notfällen deutlich häufiger konfrontiert werden. Es lies sich auch zeigen, dass die Erfahrung mit invasiven Maßnahmen wie z. B. Anlage einer Thoraxdrainage, Koniotomie etc. im Luftrettungsdienst höher ist [12, 1]. Es existieren bisher zwar keine Studien, in denen das Outcome von Patienten in Abhängigkeit vom Erfahrungsgrad der Notärzte untersucht wurde. Es erscheint jedoch naheliegend, dass gerade in zeitkritischen Notfallsituationen, die Häufigkeit, mit der ein Arzt eine bestimmte Maßnahme durchführt, einen Einfluss auf die Versorgungsqualität hat und sei
230
500
1000
1500
2000
2500
3000
0Uhrzeit Einsatzbeginn
Anz
ahl E
insä
tze
Primäreinsätze Sekundäreinsätze Fehleinsätze
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Abb. 1 8 Tageszeitliche Verteilung der Luftrettungseinsätze des TeamDRF im Jahr 2007 (Quelle DRF)
Abb. 2 9 Notfallmedi-zinische Ausstattung der RTH/ITH im „dual-use“-Einsatz (Foto)
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Leitthema
dies nur ein Zeitgewinn bei der Durchführung. So werden Hubschrauber gerade auch zur Unterstützung bei invasiven Maßnahmen nachgefordert. Neben einer entsprechenden materiellen Ausstattung ist eine verstärkte Fortbildung der RTHNotärzte bezüglich invasiver Maßnahmen unverzichtbar [15].
Sowohl die Deutsche Rettungsflugwacht mit ihren Teampartnern (TeamDRF) als auch die ADACLuftrettung führen inzwischen simulatorgestützte Fortbildungen durch, welche neben dem sogenannten „skill training“ wichtiger invasiver Notfalltechniken insbesondere auch den Aspekten des „crew ressource management“ (CRM) Rechnung tragen [10]. Zur Unterstützung tragen hier auch anonymisierte Berichte aus „incident reporting“Systemen (z. B. DRFPatientenSicherheitsInfomationssystem, DRFPaSIS) bei, die u. a. auch zur Weiterentwicklung realitätsnaher Szenarien verwendet werden [9].
Einsatzspektrum
Nach wie vor nimmt an einigen Luftrettungszentren der Anteil traumatologischer Patienten einen herausragenden Stellenwert mit bis zu 50% der primären Einsätze ein. Im Gesamtdurchschnitt bilden jedoch mit rund 64% die akuten Erkrankungen rund zwei Drittel der Einsätze ab, wie 27.794 Primäreinsätze der in der medizinischen Datenbank MEDAT des TeamDRF im Jahr 2007 dokumentierten Luftrettungseinsätze zeigen (. Tab. 1, . Abb. 3). Die den Luftrettungszentren im Rahmen eines strukturierten Qualitätsmanagements regelmäßig zur Verfügung gestellten Datenauswertungen ermöglichen die genaue Analyse des Einsatzspektrums, die Entwicklung strukturierter „standard operating procedures“ (SOPs) und spektrumadaptierter Fortbildungen.
Strukturwandel im Gesundheitswesen
Zum 01.01.2009 endet die Konvergenzphase für die Einführung der „diagnosisrelated groups“ (DRGs) in bundesdeutschen Krankenhäusern. Durch die Einführung der DRGs fand und findet eine intensive Überprüfung des Leistungs und Angebotspektrums der Krankenhäuser statt. Durch die
zunehmend wirtschaftlichkeitgeprägte Ausrichtung sind Spezialisierungs und Konzentrationstendenzen unübersehbar. Gründung von Klinikverbünden sowie Übernahmen durch private Träger sind an der Tagesordnung. Neben den rein ökono
mischen Aspekten führen die nahezu flächendeckende Einführung von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherungsprogrammen, die geforderte Herausgabe von Qualitätsberichten und die Vorgabe von Mindestmengen z. B. für invasive Maßnah
Tab. 1 Verteilung nach Einsatzart und -dauer, Erkrankungsspektrum bei Primär-einsätzen des TeamDRF (Jahr 2007, n=17.222). Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind im Diagnosespektrum mit 7858 Einsätzen führend
Anzahl der Einsätze gesamt, 2007
38.394
Einsatzverteilung nach Stunden
Stunde Primäreinsätze Sekundäreinsätze Fehleinsätze
0 32 102 23
1 26 80 3
2 21 65 5
3 20 60 5
4 24 36 3
5 29 43 2
6 119 62 12
7 1024 125 68
8 1908 413 110
9 2383 662 173
10 2569 725 180
11 2626 830 183
12 2539 754 208
13 2334 750 174
14 2209 742 171
15 2265 668 161
16 2167 542 150
17 1892 466 129
18 1544 360 105
19 1140 322 89
20 618 259 42
21 206 200 22
22 51 163 12
23 46 128 6
27.792 8557 2036
Anzahl der Erkrankungen
Erkrankung1 Primär Sekundär
Zentralnervensystem 5095 2062
Herz-Kreislauf 7858 3518
Atmung 6879 3179
Abdomen 978 406
Psychiatrie 613 33
Stoffwechsel 972 149
Pädiatrie 255 65
Gynäkologie 104 76
Trauma – Non-Trauma
Verletzung Primär Sekundär
Erkrankungen 17.222 6729
Verletzungen 9802 1466
auswertbare Datensätze 27.024 8195 1Mehrfachnennungen möglich.
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men oder Operationen in verschiedensten Fachgebieten zu einer zunehmenden räumlichen Konzentration von Schwerpunkt und Kompetenzzentren. Evidenzbasierte Akkreditierungen durch die entsprechenden Fachgesellschaften, z. B. im Rahmen des Traumanetzwerks der deutschen Gesellschaft für Unfallmedizin (DGU) [6] unterstützen die Transparenz im Gesundheitswesen und führen zu einer detaillierten Leistungsbeschreibung der Kliniken, aber auch zu möglichen Leistungseinschränkungen in der Fläche. Die Kooperation verschiedener Kliniken ist künftig nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig, um jeden Patienten der für ihn optimalen Behandlung zuführen zu können. Ohne zusätzliche Investitionen in leistungsfähige Transportsysteme gerade auch für den überregionalen Transport schwersterkrankter und verletzter Patienten steht jedoch zu befürchten, dass diese Anstrengungen wenig effektiv bleiben werden.
Auswirkungen auf die präklinische Notfallversorgung
Besetzung von Notarztstandorten
Gravierendste Folge der Straffung der Krankenhausstrukturen sind Krankenhausschließungen, aber auch die Reduzierung von an der Grundversorgung beteiligten Fachabteilungen wie innere Medizin oder Chirurgie kann erhebliche Auswir
kungen auf den Rettungsdienst und z. B. die Besetzung von Notarztstandorten haben. Hinzu kommen Verschärfungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sowie eine teilweise vorhandene Unterfinanzierung der Notarztgestellung. Dies führt im Folgenden zu einem relativen Notärztemangel, der sich in vielen Gebieten vor allem in der zunehmend schwierigeren Besetzung von Notarztstandorten mit geringen Einsatzfrequenzen ausdrückt. Hierdurch wird insbesondere die flächendeckende notärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten gefährdet [16]. Gegensteuernd versuchen viele Länder inzwischen, einen gesetzlichen Anspruch auf Kostenausgleich durch Aufnahme in die Rettungsdienstgesetze zu verankern, um sicherzustellen, dass den Krankenhäusern durch die Teilnahme an der Notfallrettung keine finanziellen Nachteile entstehen. Dies behebt jedoch nicht das grundsätzliche Problem der kostenintensiven Vorhaltung von Notarztstandorten mit geringer Einsatzfrequenz.
Längere Anfahrtswege
Eine schwierige Besetzung oder gar Ausdünnung von Notarztstandorten bedingt zwangsläufig längere Anfahrtswege zum Patienten. Häufig kommen noch bundeslandspezifische Schwierigkeiten in der Überplanung hinzu. Zunehmende
Schwierigkeiten, die gesetzlich vorgegebenen Hilfsfristen einzuhalten, sind die zwangsläufige Folge. Ein verstärkter Einsatz der Luftrettung ist ein Lösungsansatz. So konnten Lackner et al in einer Auswertung der Luftrettung in Bayern bereits 2004 zeigen, dass die Luftrettungsmittel in 112 Gemeinden mit knapp 300.000 Einwohnern die vorwiegend disponierten arztbesetzten Rettungsmittel tagsüber darstellten. Hauptursache war die in diesen Regionen teilweise problematische Erreichbarkeit durch bodengebundene Noteinsatzfahrzeuge/Noteinsatzwagen (NEF/NAW) bei geringer Einsatzhäufigkeit. Luftrettungsmittel sollten daher in die regionale Gesamtplanung verstärkt fest mit aufgenommen werden.
Längere Transportwege
Durch die Zunahme diagnostischer und therapeutischer Spezialeinrichtungen an Zentren der Maximal und Schwerpunktversorgung bei gleichzeitiger Reduzierung der Aufnahmekapazitäten für Notfallpatienten in einzelnen Kliniken kommt es darüber hinaus zu längeren Patiententransportzeiten sowie einem steigenden Bedarf von Patientenverlegungen. Der Transport in die geeignete Zielklinik wird künftig zu einem weiteren Gradmesser adäquater Not-fallversorgung werden. Die Luftrettung kann einen entscheidenden Beitrag zur Verkürzung prähospitaler Transportzeiten leisten.
Schaffung von Netzwerkstrukturen
Überragende Bedeutung gewinnt daher die Schaffung von Netzwerkstrukturen, um die flächendeckende notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung auch in von Maximal und Schwerpunktkrankenhäusern weiter entfernten Gebieten sicherstellen zu können. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, die vorhandenen rettungsdienstlichen Ressourcen vor Ort nicht durch zu lange Abwesenheitszeiten vom Standort zu überlasten.
Gerade hier gewinnt die Luftrettung zunehmend an Bedeutung, ist sie häufig doch die einzige Möglichkeit, Patienten rechtzeitig innerhalb der vorgegebenen Zeitfenster in die für sie geeignete Spezialklinik zu bringen und gleichzeitig die
ZNS22%
Herz-Kreislauf36%
Atmung30%
Psychiatrie3%
Abdomen4%
Sto�wechsel4%
Pädiatrie1%
Gyn0%
Abb. 3 9 Erkrankungs-spektrum und Häufig-keiten von Primärein-sätzen des TeamDRF (Jahr 2007, n=17.222). Herz-Kreislauf-Erkran-kungen sind im Dia-gnosespektrum mit 7858 Einsätzen füh-rend (Quelle DRF). Gyn Gynäkologie; ZNS Zen-tralnervensystem
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Leitthema
vor Ort befindlichen rettungsdienstlichen Mittel zu entlasten [14, 4].
Sowohl für Traumapatienten als auch für Patienten mit Myokardinfarkt und Schlaganfall konnte ein positiver Einfluss von RTHEinsätzen in den vergangenen Jahren gezeigt werden [2, 5, 8]. Gerade im Bereich des akuten Koronarsyndroms wurde die Verbesserung leitlinienkonformer Behandlung durch die Schaffung überregionaler Netzwerke von verschiedenen Autoren beschrieben [13, 3]. Alarmierende Meldungen lassen jedoch aufhorchen: Noch immer haben z. B. rund die Hälfte der Schlaganfallpatienten keinen Zugang zu Stroke Units, betroffen sind dabei vor allem ländliche und strukturschwache Gebiete [7]. Die Anbindung dieser Patientengruppen ist daher nur durch z. B. Einrichtung weiterer Stroke Units oder den verstärkten Einsatz überregionaler Rettungsmittel wie z. B. RTH zu gewährleisten.
Steigende Einsatzzahlen und Wirtschaftlichkeit
Die Einsatzzahlen der Luftrettung, insbesondere im Primäreinsatzbereich, stiegen in den letzten Jahren nahezu kontinuierlich um 3–6% pro Jahr an, mit über 90.000 Luftrettungseinsätzen in Deutschland wurde im Jahr 2007 der vorläufige Höhepunkt der Einsatztätigkeit verzeichnet. Diese Steigerung ist multifaktoriell bedingt und ergibt sich aus den oben genannten Veränderungen im Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren.
> Der wesentliche Anteil der Kosten der Luftrettung sind Vorhaltekosten
Der wesentliche Anteil der Kosten der Luftrettung sind Vorhaltekosten. Eine erhöhte Auslastung durch zusätzliche Einsätze trägt somit nur unerheblich zur Verteuerung bei und muss unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten begrüßt werden, an vielen Standorten sind hier sogar noch zusätzliche Auslastungspotenziale gegeben. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob unter Nutzung der bereits bestehenden technischen Möglichkeiten oder dem Einsatz von Hilfsmitteln wie Nachtsichtgeräten eine Ausweitung der Einsatzbereitschaft medizinisch sinnvoll, tech
nisch sicher durchführbar und ökonomisch vertretbar ist.
Die Einbindung des jeweiligen ärztlichen Leiters eines Luftrettungsstützpunkts in die Planungen der Bereichsorganisationen wie Zweckverbände oder Bereichsausschüsse und ein verstärkter Austausch mit dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD), wo etabliert, ist sowohl unter medizinischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten wünschenswert und notwendig, um abgestimmte und zweckmäßige Versorgungsstrukturen unter Einbeziehung der Luftrettung weiterzuentwickeln.
Fazit für die Praxis
Insbesondere in strukturschwachen und dünn besiedelten Gebieten hat bereits heute die Luftrettung vielfach eine Er-satzfunktion für nicht mehr bzw. nicht mehr flächendeckend zur Verfügung ste-hende bodengebundene Systeme über-nommen. Ein wesentlicher Vorteil der Luftrettung ist, dass schwerverletzte oder -erkrankte Patienten zeitnah in die für sie wirklich geeignete Klinik gebracht wer-den können. Die Luftrettung kann und muss daher bei der Etablierung regio-naler und überregionaler Netzwerkstruk-turen einen wichtigen Beitrag leisten.Gerade vor dem Hintergrund inzwischen nicht mehr flächendeckend zur Verfü-gung stehender bodengebundener Sys-teme muss im Zuge abgestimmter Ver-sorgungskonzepte auch über eine Aus-weitung der Luftrettung an einzelnen Standorten nachgedacht werden, um eine flächendeckende notärztliche Ver-sorgung auf hohem Niveau auch weiter-hin zu garantieren.
KorrespondenzadresseDr. J. BraunDeutsche RettungsflugwachtRita-Maiburg-Str. 2, 70794 [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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