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Stereo–System–Vorschl¨ age Prof. Dr.–Ing. Dietmar Rudolph 20. Juli 2013 Zusammenfassung Bei der akustischen ¨ Ubertragung zun¨ achst ¨ uber Telephone gab es zuerst nur eine monophone Wiedergabe. Aber schon fr¨ uh kam der Wunsch auf, beidohrig und damit transparenter“ zu lauschen, wie z.B. 1881 bei der stereophonen telefonischen ¨ Ubertragung aus der Pariser Oper anl¨ aßlich der Pariser Elektrizit¨ atsausstellung. Da die meisten fr¨ uhen ¨ Ubertragungsverfahren (und deren Wiedergabeger¨ ate) monophon waren, ergab sich die Notwen- digkeit, daß eine Stereo¨ ubertragung kompatibel zu einer Mono¨ ubertragung sein mußte. Aus Links–“ und Rechts–“ Signalen wurde so ein Summen–“und ein Differenz–“ Signal gebildet. Monophone Wie- dergabeger¨ ate k ¨ onnen das Summen–Signal wiedergeben. ur das Differenz–Signal wird ein zus¨ atzlicher ¨ Ubertragungsweg ben¨ otigt. Hierf ¨ ur eine zus¨ atzliche Sendefrequenz zu ver- wenden, verbot sich aufgrund der Frequenzknappheit. Das f¨ uhrte (als L ¨ osung f¨ ur UKW FM–Sender) zu einer hierarchischen Modulation f¨ ur das Differenzsignal, welches dadurch erst einer Vor–Modulation unterzogen wurde, ehe es gemeinsam mit dem Summensignal zur Modulation des Senders verwendet werden konnte. Die fr¨ uhesten Stereo¨ ubertragungen gehen auf Armstrong im Jahre 1934 zur¨ uck. Armstrong als Pionier der UKW FM ¨ Ubertragung hatte noch keine kompatible L¨ osung vorgeschlagen. Andererseits war zum damaligen Zeitpunkt die FM ¨ Uber- tragung noch v ¨ ollig neu und ungewohnt und von vielen auch unverstanden. In den USA bestand Ende der 1950er Jahre großes Interesse an Stereo¨ ubertragungen, sowohl im AM–Bereich, als auch auf UKW. Am 20. April 1961 entschied die FCC (Federal Communications Commission), das Stereo–Verfahren auszuw¨ ahlen, das heute unter dem Namen Pilotton–Verfahren“ bekannt ist und sich in den westlichen L¨ andern durchgesetzt hat. In dem Papier werden die damals zur Auswahl stehenden Verfahren zur Stereo– ¨ Ubertragung vorgestellt. c Prof. Dr.–Ing. Dietmar Rudolph I compiliert f¨ ur Radiomuseum.org

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Stereo–System–Vorschlage

Prof. Dr.–Ing. Dietmar Rudolph

20. Juli 2013

Zusammenfassung

Bei der akustischen Ubertragung zunachst uber Telephone gab es zuerst nur eine monophone Wiedergabe. Aber schonfruh kam der Wunsch auf, beidohrig und damit ”transparenter“ zu lauschen, wie z.B. 1881 bei der stereophonen telefonischenUbertragung aus der Pariser Oper anlaßlich der Pariser Elektrizitatsausstellung.

Da die meisten fruhen Ubertragungsverfahren (und deren Wiedergabegerate) monophon waren, ergab sich die Notwen-digkeit, daß eine Stereoubertragung kompatibel zu einer Monoubertragung sein mußte.

Aus ”Links–“ und ”Rechts–“ Signalen wurde so ein ”Summen–“und ein ”Differenz–“ Signal gebildet. Monophone Wie-dergabegerate konnen das Summen–Signal wiedergeben.

Fur das Differenz–Signal wird ein zusatzlicher Ubertragungsweg benotigt. Hierfur eine zusatzliche Sendefrequenz zu ver-wenden, verbot sich aufgrund der Frequenzknappheit. Das fuhrte (als Losung fur UKW FM–Sender) zu einer hierarchischenModulation fur das Differenzsignal, welches dadurch erst einer Vor–Modulation unterzogen wurde, ehe es gemeinsam mitdem Summensignal zur Modulation des Senders verwendet werden konnte.

Die fruhesten Stereoubertragungen gehen auf Armstrong im Jahre 1934 zuruck. Armstrong als Pionier der UKW FMUbertragung hatte noch keine kompatible Losung vorgeschlagen. Andererseits war zum damaligen Zeitpunkt die FM Uber-tragung noch vollig neu und ungewohnt und von vielen auch unverstanden.

In den USA bestand Ende der 1950er Jahre großes Interesse an Stereoubertragungen, sowohl im AM–Bereich, als auchauf UKW.

Am 20. April 1961 entschied die FCC (Federal Communications Commission), das Stereo–Verfahren auszuwahlen, dasheute unter dem Namen ”Pilotton–Verfahren“ bekannt ist und sich in den westlichen Landern durchgesetzt hat.

In dem Papier werden die damals zur Auswahl stehenden Verfahren zur Stereo–Ubertragung vorgestellt.

c© Prof. Dr.–Ing. Dietmar Rudolph I compiliert fur Radiomuseum.org

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INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis1 Drahtgebundene Stereophonie 1

1.1 Stereophone Ubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.1 M/S und X/Y Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2 Fruhe Rundfunk–Stereophonie 32.1 Das Armstrong–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.1.1 Armstrong FM System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.2 Armstrong Stereo–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Weitere fruhe Systemvorschlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2.1 AM/FM Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2.2 Das Griese–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2.3 Crosby–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.4 AEM–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.5 Perceival–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3 Systemvorschlage 1959 — 1961 93.1 Die hochfrequenten Ubertragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.2 Bei der NSRC eingereichte Systemvorschlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.3 In Europa diskutierte Systemvorschlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.4 Blockschaltbilder einiger Stereo–Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4 Das FCC Stereo–Verfahren 14

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis1.1 Stereo per Telefon: Ubertragung aus der Pariser Oper 1881 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Stereo per Telefon: Werbeplakat 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Prinzip der Stereo–Ubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.4 Prinzip von M/S Stereo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5 Richtcharakteristik der M und S Mikrofone (links) und Prinzip der X/Y Stereofonie (rechts) . . . . . . . . . 32.1 Das Zeigerdiagramm der Schmalband–FM/PM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Blockschaltbild des originalen FM Senders von Armstrong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 Blockschaltbild eines einfachen Stereo–Sytems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.4 Blockschaltbild der Sendeseite des Stereo–Sytems nach Armstrong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.5 Blockschaltbild des (A) Zweiges eines Stereo FM–Senders nach Armstrong . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.6 Blockschaltbild des Modulationszusatzes fur Stereo nach Armstrong (Subcarrier FM Generator) . . . . . . . 52.7 Sender mit zwei AM Modulatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.8 Sender mit Amplituden– und Phasen–Modulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.9 Sender mit A/ϕ Modulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.10 PM→ AM Umwandlung bei schmalen Bandfiltern im Empfanger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.11 PM→ AM Umwandlung an den Flanken eines Filters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.12 Blockschaltbild des Griese Stereo–Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.13 Blockschaltbild des Crosby Stereo–Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.14 Pegelplan eines Kanals des AEM–Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.15 Blockschaltbild der Senderseite des AEM–Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.1 Prinzipielles Blockschaltbild der stereofonen Rundfunkubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.2 FM Basisband–Spektrum mit Stereo und SCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.3 Blockschaltbild des von der FCC gewahlten ”Pilotton–Verfahrens“ (CCIR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.4 Blockschaltbild des Vorschlages Nr. (5); modifizierte Form als OIR Stereo–Verfahren . . . . . . . . . . . . . 133.5 Blockschaltbild des Vorschlages von Mullard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.6 Blockschaltbild des Vorschlages von Loewe und Philips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.7 Blockschaltbild des PAM Vorschlages von Siemens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.1 Matrix–Decodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.2 Zeitmultiplex–Decodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

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1 DRAHTGEBUNDENE STEREOPHONIE

1 Drahtgebundene StereophonieDie fruhesten stereophonen Ubetragungen erfolgten drahtgebunden per Telefon. Beispiele sind die Pariser Elektrizitatsaus-stellung 1881, bei der diese Ubertragung großes Interesse fand, Bild 1.1, und fur die auch wahrend der Pariser Weltausstellung1889 geworben wurde, Bild 1.2.[2]

Bild 1.1: Stereo per Telefon: Ubertragung aus der Pariser Oper 1881

Bild 1.2: Stereo per Telefon: Werbeplakat 1896

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1.1 Stereophone Ubertragung 1 DRAHTGEBUNDENE STEREOPHONIE

Die Qualitat der Ubertragung war zwar bescheiden und die Abonnements–Kosten sehr hoch, aber das Interesse fur einestereophone Ubertragung war vorhanden, zumindest bei den ”hoheren Kreisen“, die sich einen solchen Gag leisten konnten.

1.1 Stereophone UbertragungDie drahtgebundene Stereophonie findet sich entsprechend wieder bei der stereophonen Ubertragung, die auch bei der Schall-aufzeichnung angewendet wird und deren Prinzip Bild 1.3 zeigt, wobei fur die Mikrofone ein ”Kunstkopf“ verwendet wird[1].

Bild 1.3: Prinzip der Stereo–UbertragungBild 1.4: Prinzip von M/S Stereo

Aus dieser Prinzipschaltung erkennt man, daß fur eine stereophone Ubertragung (selbstvertandlich) zwei identische Ubertra-gungswege (hier: Leitungen) erforderlich sind.

1.1.1 M/S und X/Y Methode

Die Audioaufzeichnung wird heute nach der M/S oder der X/Y Methode vorgenommen. Die folgenden Bilder sind jedochin so weit vereinfacht, als die eigentliche ”Ubertraguns–Stecke“, namlich die Schallplatte bzw. heute eher die CD, nichtdargestellt ist.Bei der M/S Methode gibt es ein Mikrofon fur das Summensignal mit Kugel–Charakteristik (M) und eines fur das Differenz-Signal mit Acht–Charakteristik (S), Bild 1.4 [1].Das Mikrofon mit Kugel–Charakteristik nimmt das gesamte Orchester auf. Sein Ausgangssignal ist also fur eine monofoneUbertragung geeignet. Dagegen nimmt das Mikrofon mit Acht–Charakteristik insbesondere die beiden Seiten des Orchestersauf, wahrend Schall aus der Mitte des Orchesters kaum ubertragen wird, Bild 1.5 (links). Werden die Signale (M) und (S)addiert, entsteht das ”Links“–Signal (Kanal A), wahrend bei der Subtraktion von (M) weniger (S) das ”Rechts“–Signal (KanalB) entsteht, wie in Bild 1.4 dargestellt ist.Bild 1.4 zeigt auch das Prinzip der Kompatibilitat, die besonders bei einer Rundfunk–Ubertragung unverzichtbar ist. EinMono–Gerat kann nur die (M) Signale wiedergeben, also das Orchester als Ganzes. Ein Stereo–Gerat bildet aus den (M) und(S) Signalen die Signale fur ”Links“ und ”Rechts“. Wie man aber sofort auch sieht, wird bei der Ubertragung nur des (M)Signals das Stereo-Gerat mit beiden Lautsprechern nur das (M) Signal wiedergeben. Also besteht Kompatibilitat in beidenRichtungen, aufwarts und abwarts.Wahrend die M/S Methode unmittelbar also kompatible Signale liefert, besteht die praktsche Schwierigkeit darin, zwei ent-sprechend ”gleichwertige“ Mikrofone zu finden, entsprechend zu den Richtcharakteristiken in Bild 1.5 (links). Diese Schwie-rigkeit umgeht die X/Y Methode, bei der zwei identische Mikrofone (z.B. mit Nierenformiger Charakteristik) verwendetwerden, Bild 1.5 (rechts) [1].

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2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

Bild 1.5: Richtcharakteristik der M und S Mikrofone (links) und Prinzip der X/Y Stereofonie (rechts)

Weil Kompatibilitat (bezuglich Mono/Stereo) bei der Ubertragung notwendig ist, werden bei der X/Y Stereophonie die

”Links“ (L) und ”Rechts“ (R) Signale in die (M) und (S) Signale umgewandelt, wie Bild 1.5 zeigt.Die Umwandlung von (L) und (R) Signale in (M) und (S) Signale wird mit ”Matrizierung“ bezeichnet. Diese ”Matrix“hat zwei Eingange und zwei Ausgange. Die senderseitige ”Matrizierung“ ist in Bild 1.5 (rechts) dargestellt, wahrend dieempfangsseitige ”De–Matrizierung“ in Bild 1.4 zu sehen ist, wobei es sich jeweils um prinzipielle Schaltbilder handelt.

2 Fruhe Rundfunk–StereophonieDa man fur eine Stereo-Ubertragung zwei (von einander unabhangige) Ubertragungs–Kanale benotigt, bestand die primitivsteMethode darin, hierfur zwei Sender zu verwenden, je einen fur ”Links“ und einen fur ”Rechts“ Signale. Entsprechend werdenauf der Empfangsseite zwei geeignete Empfanger benotigt. Solche Versuche, die sich relativ einfach bewerkstelligen lassen,hat es gegeben, teils mit zwei UKW–Sendern, teils mit je einem UKW und einem MW Sender. Aber auch diese waren imGrunde nicht viel mehr als ein Gag, womit die Horerschaft zum Kauf kunftiger neuer Gerate angeregt werden sollte.Die Nachteile eines derartigen ”Systemvorschlages“ sind zudem beachtlich:

• Doppelte Kosten auf der Senderseite und der Empfangerseite.

• Keine Kompatibilitat beim Empfang mit einem Empfanger.

• ”Verschwendung“ von sowieso knappen Frequenz-Kanalen.

2.1 Das Armstrong–VerfahrenEdwin Howard Armstrong (∗1890, †1954) war ein Pionier der Frequenzmodulation, die er untersucht und als erster praktischangewendet hat.

2.1.1 Armstrong FM System

Armstrong verwendete noch keinen direkten Frequenz–Modulator, bei dem die Frequenzanderung uber eine Reaktanz–Rohreerfolgt. Solche FM–Modulatoren sind (ohne zusatzliche Regeleinrichtungen) nicht frequenz–stabil. Ausgehend von einemQuarz–Oszillator erzeugte er eine Doppel–Seitenband–Modulation (DSB) mit unterdrucktem Trager und setzte den Tragerum 900 gedreht wieder hinzu. Dadurch entstand eine Phasen–Modulation (PM).

ωN

−ωN

Bild 2.1: Das Zeigerdiagramm der Schmalband–FM/PM

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2.1 Das Armstrong–Verfahren 2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

In Bild 2.1 ist die Methode zur Gewinnung einer PM/FM nach Armstrong mit Hilfe eines Zeigerdiagramms dargestellt.†1[5]Diese Methode gemaß Bild 2.1 liefert nur fur sehr kleine Phasenwinkel–Hube ϕ eine verzerungsfreie FM/PM, namlich nur solange wie die Naherung sin(ϕ) ≈ ϕ gilt, wobei ϕ der maximale Winkel zwischen dem Trager–Zeiger und der Resultierendenist.Da sich der Winkel-Hub proportional zu einer Frequenz–Vervielfachung erhoht, startet die FM–Erzeugung nach Armstrongauf einer niedrigen Frequenz (z.B. 200 kHz) und vervielfacht so oft, bis die End–Frequenz mit dem gewunschten Hub(z.B. ±75 KHz) erreicht ist. Damit sich unterschiedliche Endfrequenzen realisieren lassen, befindet sich in der Frequenz–Vervielfacher Kette eine Frequenz–Umsetzungs–Stufe, Bild 2.2Damit mit Hilfe des Armstrong’schen Phasenmodulators eine Frequenzmodulation entsteht, muß die NF zuerst einen Tief-paß (genauer: einen Integrierer) durchlaufen. Da aber senderseitig eine Pre–Emphase angewendet wird, benotigt man als

”Korrektions–Netzwerk“ ein PI–Glied.[5]Bild 2.2 zeigt das Blockschaltbild des originalen FM Senders von Armstrong.[6]

Bild 2.2: Blockschaltbild des originalen FM Senders von Armstrong

2.1.2 Armstrong Stereo–Verfahren

1934 gelang es ihm, uber einen FM Sender auf ca. 40MHz gleichzeitig mehrere Programme zu ubertragen, wofur er fre-quenzmodulierte Hilfstrager benutzte.Ein vereinfachtes Blockschaltbild eines solchen Verfahrens ist in Bild 2.3 dargestellt.[7]

Bild 2.3: Blockschaltbild eines einfachen Stereo–Sytems

Dieses fruhe Stereo–Verfahren hat zwei von einander unabhangige Ubertragungs–Kanale, jedoch ist es nicht kompatibel zueiner Mono–Ubertragung. Der Mono–Empfanger kann nur den (A) Kanal wiedergeben. Aber auch bei Stereo–Empfang ist

†1Das Armstrong–Verfahren zur Gewinnung einer FM entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Die Frequenz–Stabilitat wird heute mit Hilfe einerPhasen–Regelschleife (PLL) realisiert.

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2.2 Weitere fruhe Systemvorschlage 2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

das System unbefriedigend. Das liegt daran, daß der (B) Kanal ein geringeres Signal–zu–Gerausch Verhaltnis hat als der (A)Kanal. Außer bei ganz exzellenten Empfangsverhaltnissen wird also der (B) Kanal deutlicher rauschen als der (A) Kanal.[7]Das Blockschaltbild des Armstrong Stereo–Senders ist gegenuber Bild 2.3 etwas modifiziert, Bild 2.4. Sein Stereo–Systemleidet jedoch unter den gleichen Schwachen wie das einfache Stereo–System.

Bild 2.4: Blockschaltbild der Sendeseite des Stereo–Sytems nach Armstrong

Ein ausfuhrlicheres Blockschaltbild des (A) Zweiges ist in Bild 2.5 dargestellt.[4] Siehe hierzu auch Bild 2.2.

Bild 2.5: Blockschaltbild des (A) Zweiges eines Stereo FM–Senders nach Armstrong

Der ”Modulations–Zusatz“ fur den Differenzkanal, Bild 2.6, ist bei diesem Verfahren praktisch genau so aufwandig wie derder Rest des Senders in Bild 2.5. Das liegt daran, daß Armstrong die Frequenzmodulation (FM) mit Hilfe einer Phasenmodu-lation (PM) erzeugte. Das war zu dieser Zeit die einzige Moglichkeit, die Mittenfrequenz der FM quarzszabil zu halten.

Bild 2.6: Blockschaltbild des Modulationszusatzes fur Stereo nach Armstrong (Subcarrier FM Generator)

Da Armstrong bei seinem Modulationszusatz aufgrund der zur Gewinnung des notwendigen Phasenhubs erforderlichenVervielfachung auf einer zu hohen Endfrequenz ankommt, ist eine Frequenzumsetzung auf eine tiefere Frequenz (in der

”Uberlagerungs–Stufe“) notwendig.

2.2 Weitere fruhe SystemvorschlageEs ist von technisch historischem Interesse, diese fruhen Systemvorschlage zu analysieren, auch deshalb, weil manche Prin-zipien daraus sich bei modernen Digitalen Ubertragungs–Systemen wieder finden.

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2.2 Weitere fruhe Systemvorschlage 2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

Wahrend das Armstrong–Verfahren nicht kompatibel zur Mono–Ubertragung war, †2 bemuhen sich die 1958 vorgeschlagenenVerfahren bereits um Kompatibilitat zur Mono–Ubertragung, auch wenn es nicht immer befriedigend gelang.Einen tabellarischen Uberblick uber die vorgeschlagenen Verfahren und deren Eigenschaften findet sich in [4].

FM/AM : Verfahren ohne Hilfstrager; Doppel–Modulation des Tragers

Griese : Große Ahnlichkeit mit Armstrong–Verfahren

Crosby : Ursprungliche Version mit FM–Hilfstrager fur Differenz-Kanal

AEM : ”Trick–Stereophonie“, bei der im Differenzkanal Steuersigale (als Pilot-Tone) ubertragen werden.

Perceival : ”Trick–Stereophonie“ ahnlich wie AEM

Wie aus dieser Tabelle ersichtlich wird, waren nicht alle Parameter von diesen System–Vorschlagen bekannt.Alle Verfahren, die einen ”Hilfstrager“ verwenden, wenden fur diesen Kanal eine hierarchische Modulation[14] an. Die dabeiverwendete erste Modulationsstufe ist so gewahlt (AM bzw. FM), daß im Empfanger zur Demodulation ein asynchronesVerfahren (ohne synchronen Hilfstrager) verwendet werden kann.Bei den Systemen mit FM im zweiten HF Ubertragungs-Kanal fuhrt das dazu, daß nicht der volle NF–Frequenzbereichubertragen werden kann, weil ein FM–Spektrum bekanntlich (abhangig vom Hub) breiter als die doppelte NF–Bandbreiteist. Um spektrale Uberlappungen mit dem ersten Kanal zu vermeiden, muß daher der zweite Kanal in seiner Bandbreitebeschnitten werden und es darf nur ein geringer Hub verwendet werden.

2.2.1 AM/FM Verfahren

Zu diesen Verfahren, die prinzipiell nicht nur fur UKW, sondern auch fur MW anwendbar sind, finden sich Angaben in [8],[9] und [10].†3

Um einen HF–Trager in seiner Amplitude und seiner Phase zu modulieren, gibt zwei gleichwertige Verfahren, die jeweilszum gleichen Ergebnis fuhren:[16]

†2Da Armstrong die FM–Ubertagung ja erst erfunden hatte, gab es noch keinen Standard dafur und die Frage der Kompatibilitat stellte sich noch nicht.Als sich der Bedarf fur Stereophone Ubertagungen ergab, war Armstrong bereits verstorben. Sein fruhes Verfahren spielte dann keine Rolle mehr.

†31959 war in den USA der UKW Rundfunk noch nicht sehr verbreitet. Die Mehrzahl der Stationen arbeiteten auf MW. Daher war Stereo auf Mittelwellevon großem Interesse. Naheres zu Stereo auf MW findet sich in [14].

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2.2 Weitere fruhe Systemvorschlage 2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

• I/Q–Verfahren, bei dem ein Cosinus– und ein Sinus–Trager (der gleichen Frequenz) von einander unabhangig in ihrerAmplitude moduliert werden.

• A/ϕ–Verfahren, wobei die Amplitude und die Phase des Tragers von einander unabhangig moduliert werden.

Die in [8] hierfur vorgeschlagenen Blockschaltbilder fur die Sender zeigen Bilder 2.7 und 2.8.

Bild 2.7: Sender mit zwei AM Modulatoren

Bild 2.8: Sender mit Amplituden– und Phasen–Modulation

Das Stereo–Verfahren nach Bild 2.7 ist nicht kompatibel. Zwar erhalten beide Kanale die tieferen NF–Frequenzen, die dasOhr sowieso nicht orten kann, aber die hoheren NF–Frequenzen sind auf die Kanale aufgeteilt, so daß ein Mono–Empfangerein Summensignal nur bezuglich der tiefen Frequenzen erhalt.Ein weiteres A/ϕ–System wurde von Westinghouse vorgeschlagen [9]. Hier werden die NF–Kanale in einer Matrix in (A+B)und (A-B) aufgespalten. Der Summenkanal (A+B) als AM [Amplitude: A] und der Differenzkanal (A-B) als Phasenmodula-tion [Phase: ϕ] ubertragen wird, Bild 2.9.

Bild 2.9: Sender mit A/ϕ Modulation

Bild 2.10: PM → AMUmwandlung bei schmalenBandfiltern im Empfanger

Bild 2.11: PM → AM Um-wandlung an den Flanken ei-nes Filters

Die AM/PM Verfahren leiden darunter, daß an der Durchlaßkurve des ZF–Verstarkers im Empfanger PM→ AM Umwand-lungen entstehen, Bilder 2.10 und 2.11, was hier zu Ubersprechen fuhrt.†4

Die ”Weiterentwicklungen“ dieser Modulationsverfahren zu digitalen I/Q bzw. A/ϕ Verfahren finden sich heute bei jederDigitalubertragung.†5

2.2.2 Das Griese–Verfahren

Das Griese–Verfahren, Bild 2.12, hat Ahnlichkeit mit dem Armstrong–Verfahren. Nach [4] soll es technisch jedoch einfachersein. †6

Der FM–Hilfstrager liegt bei 40 kHz. Diese Frequenz ergibt sich aus der Frequenz von 200 kHz des FM modulierten Oszil-lators (1) und der Frequenz von 160 kHz des Oszillators (2). Der Frequenzhub fur den zweiten Kanal betragt ∆f = ±10kHz. Bei lauten NF–Signalen (starke Aussteuerung des Senders) konnen die Spektren von Hauptkanal (Modulation (I)) undHilfskanal (Modulation (II)) im Empfanger nicht mehr sauber getrennt werden. Dies ist ein Problem, das grundsatzlich alle

†4Ein ahnliches Problem gab es bei dem nur zeitweise realisierten Datendienst ”AMDS“ fur LW, MW und KW. Die Deutsche Welle hatte – als sie nochKW Sender betrieb – AMDS versuchsweise eingefuhrt.

†5Wer interessiert sich denn heute noch fur Hochfrequenztechnik? — Bei uns geht namlich alles ”wireless“!†6Das konnte daran liegen, daß die FM direkt mittels einer Reaktanzrohre erzeugt wird, im Gegensatz zum Armstrong–Verfahren. Die Veroffentlichung

[4] macht dazu aber keine Aussage.

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2.2 Weitere fruhe Systemvorschlage 2 FRUHE RUNDFUNK–STEREOPHONIE

Verfahren haben, die eine FM fur den Hilfskanal verwenden, also nicht nur beim Griese–Verfahren.†7 Der einzige Vorteilder Verwendung einer FM besteht darin, daß diese im Empfanger bzw. im Stereodecoder einfacher (asynchron) demoduliertwerden kann.†8

Bild 2.12: Blockschaltbild des Griese Stereo–Systems

Nach [4] liegt keine Information daruber vor, ob beim Griese–Verfahren ein Summenkanal (A +B) fur die Modulation (I) undein Differenz–Kanal (A - B) fur die Modulation (II) verwendet bzw. vorgeschlagen wurde.

2.2.3 Crosby–Verfahren

Das Crosby–Verfahren ist wiederum dem Griese–Verfahren ahnlich, verwendet jedoch andere Parameter fur die Modulation.Es ist ein kompatibles Verfahren, in soweit als uber eine Matrix–Bildung©± aus links (A) und rechts (B) ein Summen–SignalΣ′ = (A + B) und ein Differenz–Signal ∆′ = (A − B) gebildet wird. Das Crosby–Verfahren, Bild 2.13, [11] ist 1961 einKandidat, der vom NSRC in die engere Wahl genommen wurde.

Bild 2.13: Blockschaltbild des Crosby Stereo–Systems

Da das Crosby–Verfahren wie auch das Griese–Verfahren eine FM fur den Differenz–Kanal verwendet, hat es ahnliche Ei-genschaften wie jenes.

2.2.4 AEM–Verfahren

Das AEM–Verfahren wird in [4] zwar als ”Pilot–Verfahren“ bezeichnet. Es darf aber aufgrund dieser Namensgebung nichtmit dem 1961 von der NSRC gewahltem und schließlich genormten Pilotton–Verfahren verwechselt werden.

†7Die Bandbreite dieser FM ist nach Carson B ≈ 2∆f+15 kHz. Da die Mittenfrequenz 40 kHz betragt, ist somit die untere Bandgrenze des Zusatzkanalsfu = 40 kHz −B/2 = (40 − 25) kHz = 15 kHz. Das bedeutet, daß sich die Spektren von Hauptkanal und Hilfskanal mindestens beruhren, sich aberdurchaus teilweise uberlappen konnen, was dann zu Storungen fuhrt.

†8Im Unterschied zum spater eingefuhrten ”Pilotton–Verfahren“, kann eine FM asynchron demoduliert werden. Dagegen benotigt das Pilotton–Verfahreneinen synchronen Hilfstrager (auf 36 kHz) zur Demodulation. Die Synchronitat wird dadurch erreicht, daß dieser Hilfstager an den Pilot–Ton (auf 19 kHz)frequenz– und phasen–richtig ”angebunden“ wird.

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3 SYSTEMVORSCHLAGE 1959 — 1961

Die beiden Pilote, die das AEM–Verfahren anwendet, liegen im NF–Spektrum im Bereich zwischen 14 kHz und 15 kHz, Bild2.14.

Bild 2.14: Pegelplan einesKanals des AEM–Verfah-rens Bild 2.15: Blockschaltbild der Senderseite des AEM–

Verfahrens

Das AEM–Verfahren ist (bis auf die geringere Grenzfrequenz von 14 kHz) kompatibel zu einer Monoubertragung.Aber es handelt sich nur um eine ”Trick–Stereophonie“, weil das ubertragene Summensignal im Empfanger — gesteuertdurch die Pegel der beiden Pilote — abhangig von den Pegeln der beiden Aufnahme–Kanale, mal links, mal rechts lauterwiedergegeben wird. Ein gewisser ”Stereo–Effekt“ ergibt sich so auch, jedoch kann z.B. ein Instrument in einem Orchesterso nicht geortet werden.

2.2.5 Perceival–Verfahren

Uber dieses Verfahren liegen in [4] nur sehr ungenaue Angaben vor. Es wurde 1958 von EMI entwickelt und damals vonder BBC uber einen Londoner UKW Sender erprobt. Es hat gewisse Ahnlichkeit mit dem AEM–Verfahren, jedoch mit demUnterschied, daß die Steuerinformationen fur die momentane Lautstarke der beiden Kanale oberhalb von 15 kHz ubertragenwird. Die dafur benotigte Bandbreite soll in der Großenordnung von 100 Hz liegen.

3 Systemvorschlage 1959 — 19611959, also 10 Jahre nach Einfuhrung des UKW–Rundfunks in Deutschland, befaßte sich das CCIR (Comite ConsulatatifInternational des Radiocommunications, Genf) mit der Frage der Stereoubertragung im Rundfunk.In den USA bestand das großte Interesse an dieser Problemstellung, was zur Grundung der NSRC (National StereophonicRadio Committee) fuhrte.‡1 Der NSRC lagen 14 Systemvorschlage vor, von denen 6 in die engere Wahl genommen wurden. Ineinem Papier von K. Wilhelm[11] erfolgt eine sehr systematische Gegenuberstellung der zur damaligen Zeit konkurrierendenVerfahrensvorschlage.Die Systemvorschlage berucksichtigen auch Stereoubertragung in den AM–Bereichen, also auf Mittelwelle.‡2

Fur eine Stereoubertragung werden zwei Ubertragungskanale (d.h. Informations–Kanale) benotigt. Allerdings schied die

”Losung“ mit zwei Sendern auf unterschiedlichen Frequenzen bereits aus. Die beiden erforderlichen Ubertragungskanalemußten also mit einem Sender und in einem HF-Kanal realisiert werden.Die beiden Informations–Kanale, die in einem HF-Kanal zu ubertragen sind, mussen orthogonal zu einander sein, damit dieseim Empfanger wieder getrennt werden konnen.Zur Erfullung der Orthogonalitat gibt es mehrere Moglichkeiten.‡3

1. Jede Information wird in einem eigenen Frequenzband (gleichzeitig) ubertragen. Die Frequenzbander durfen sich nichtuberlappen. (Frequenz–Multiplex)

‡1Den Europaern war die Einfuhrung von Stereo nicht so dringlich. Hier diskutierte man auch noch nach der Festlegung auf das ”Pilotton–Verfahren“durch die USA, ob man sich diesem Verfahren auch anschließen wolle. Damals gab es ja auch noch eine nationale Empfanger–Industrie. Daß die Radiosschließlich nur noch in Fernost produziert wurden, lag außerhalb der Vorstellungskraft.

‡2AM-Stereophonie wird hier nicht betrachtet. Siehe hierzu die Veroffentlichung ”Stereo auf Mittelwelle“ [14].‡3Von der Orthogonalitat machen alle digitalen Ubertragungsverfahren Gebrauch. Außer der auch im analogen Fall moglichen frequenzmaßigen, zeitlichen

und phasenmaßigen Orthogonalitat kommt digital auch noch eine Orthogonalitat fur die Codes in Frage. Beim Mobilfunk nutzt man zusatzlich eine raumlicheOrthogonalitat durch Begrenzung der Sendeleistung und mit Hilfe von Richtantennen. ”Orthogonal“ als ”senkrecht zu einander“ ist wortwortlich bei derI/Q–Modulation auf einen Cosinus–Trager (I) und einen Sinus–Trager (Q) gegeben. cos und sin unterscheiden sich in ihrem Phasenwinkel ϕ = 900, stehenalso, als Zeiger betrachtet, genau senkrecht auf einander.

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3.1 Die hochfrequenten Ubertragungsverfahren 3 SYSTEMVORSCHLAGE 1959 — 1961

2. Jede Information wird abgetastet und die Abtastwerte zeitlich verschachtelt (im gleichen Frequenzband) ubertragen.(Zeit–Multiplex)

3. Jede der beiden Informationen wird auf je einen HF–Trager (gleicher Frequenz) moduliert. Die beiden HF–Tragerunterscheiden sich in Bezug auf ihren Phasenwinkel um exakt 900. (I/Q–Modulation oder A/ϕ–Modulation [15], [16])

3.1 Die hochfrequenten UbertragungsverfahrenDie Tafel 2 [11] gibt eine Ubersicht uber die fur eine Stereo–Ubertragung denkbaren hochfrequenten Ubertragungs–Verfahren.‡4

Alle ausgewahlten Verfahren sind (weitestgehend) kompatibel zu einer Mono–Ubertragung. Sie konnen daher prinzipiell mitdem Blockschaltbild 3.1 [11] dargestellt werden.

Bild 3.1: Prinzipielles Blockschaltbild der stereofonen Rundfunkubertragung

Der Signal–Umsetzer entspricht der Stereo–Matrix. Der Vor–Modulator sorgt dafur, daß die Kanale α und β orthogonal uberden Sender ubertragen werden konnen. Der Nach–Demodulator entspricht dem Stereo–Decoder.

‡4Von der NSRC ausgewahlt wurde ein Verfahren gemaß der #2.4.

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3.2 Bei der NSRC eingereichte Systemvorschlage 3 SYSTEMVORSCHLAGE 1959 — 1961

Nr. 2.1 Verfahren ist ISB (independent side band) und nur fur AM bedingt geeignet.

Nr. 2.2 Diese I/Q bzw. A/ϕ Verfahren sind bereits in Punkt 2.2.1 behandelt.

Nr. 2.3 Bei diesen Systemen wird der Differenz–Kanal als FM ubertragen. Typisch dafur ist das Crosby–Verfahren, Punkt2.2.3

Nr. 2.4 Hier wird der Differenz–Kanal als AM bzw. als DSB ubertragen. DSB (double side band) benotigt einen synchronenDemodulator. Ein Verfahren, das einen synchronen Demodulator benotigt war zur damaligen Zeit eine revolutionareEntscheidung. Zur Synchronisation dient hier der Stereo–Pilot auf 19 kHz.

Nr. 2.5 Damalige Zeitmultiplex–Verfahren benotigten eine erhohte Bandbreite.‡5

3.2 Bei der NSRC eingereichte SystemvorschlageDie bei NSRC eingereichten Vorschlage sind in Tafel 4 [11] aufgelistet.

Die Entscheidung fiel am 20.04.1961 zu Gunsten des Verfahrens (4/4a) [Zenith / General Electric]. Dies war in so weiteine zukunftsweisende Entscheidung, als hierbei im Empfanger zur Ruckgewinnung des Differenz–Signal eine synchroneDemodulation zum Einsatz kam.‡6

3.3 In Europa diskutierte SystemvorschlageIn [11] findet sich in Tafel 5 eine Aufstellung der in Europa diskutierten Stereo–Verfahren.

‡5Moderne digitale Ubertragungen verwenden verrundete Symbole und ausgefeilte Zeitmultiplex–Verfahren, wodurch mehrere virtuelle Kanale realisier-bar werden.

‡6Digitale Ubertragungen verwenden ausschließlich synchrone Demodulation, allerdings im Unterschied zu Stereo ohne Pilotton. Die Ruckgewinnungdes fur die synchrone Demodulation erforderlichen empfangseitigen Hilfstragers erfolgt direkt mit Hilfe des hochfrequenten Datenstromes. Prinzipiell gehtdas auch fur die Demodulation des Differenz–Signals, ist aber wesentlich aufwandiger als die Losung mit dem 19 kHz Pilotsignal.

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3.4 Blockschaltbilder einiger Stereo–Verfahren 3 SYSTEMVORSCHLAGE 1959 — 1961

Die vom FCC gewahlte Losung schopft die Bandbreite des Basis–Bandes nicht voll aus und laßt damit noch Raum fureine Zusatzubertragung (SCA, Subsidiary Communications Authorizations, Hintergrundmusik mit reduzierter Bandbreite,kostenpflichtig), Bild 3.2.

Bild 3.2: FM Basisband–Spektrum mit Stereo und SCA

Am SCA Kanal mit der Hintergrundmusik z.B fur Kaufhauser hatte man vor allen Dingen in den USA ein Interesse, wohingegen in Europa gerade hieran wenig Interesse bestand. Daher gab es auch noch nach der Entscheidung der FCC Diskus-sionen daruber, ob man sich der vom FCC getroffenen Entscheidung anschließen konne, oder ob einzelne Lander in Europasich nicht vielleicht doch besser anders festlegen sollten.‡7

3.4 Blockschaltbilder einiger Stereo–VerfahrenIm Blockschaltbild kann das von der FCC gewahlte System gemaß Bild 3.3 [11] dargestellt werden. Die Matrix–Bildung istwieder als Rechteck mit©± dargestellt.Der Vorschlag NSRC Nr. 5, Bild 3.4, fand in leicht modifizierter Form als OIR Stereo–Verfahren Anwendung.[14]

‡7Damals gab es halt noch weitestgehend nationale Empfanger–Hersteller.

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3.4 Blockschaltbilder einiger Stereo–Verfahren 3 SYSTEMVORSCHLAGE 1959 — 1961

Bild 3.3: Blockschaltbild des von der FCC gewahlten ”Pilotton–Verfahrens“ (CCIR)

Bild 3.4: Blockschaltbild des Vorschlages Nr. (5); modifizierte Form als OIR Stereo–Verfahren

Das Blockschaltbild des Empfangers (a) in Bild 3.4 zeigt, wie bestechend einfach der Stereo–Decoder bei diesem Verfah-ren sein kann. Der Nachteil besteht jedoch darin, daß die Ubertragung der Hilfstager–Schwingung den Aussteuerbereich(des FM–Senders) sowohl fur das Summensignal, als auch fur das Differenz–Signal reduziert, wodurch ein schlechteresSignal/Gerausch–Verhaltnis resultiert.Das von der Englischen Firma Mullard vorgeschlagene Verfahren zeigt Bild 3.5.

Bild 3.5: Blockschaltbild des Vorschlages von Mullard

Man darf sich durch das Blockschaltbild des Empfangers in Bild 3.5 nicht irritieren lassen. Das sieht genau so aus, wie dasBlockschaltbild Bild 3.3 des von der FCC gewahlten Vorschlages. Aber Blockschaltbilder sagen nur etwas zur grundsatzlichenFunktionsweise aus, i.a. jedoch nichts zur praktischen Realisierung.Der Vorschlag von Loewe und Philips ist in Bild 3.6 dargestellt.

Bild 3.6: Blockschaltbild des Vorschlages von Loewe und Philips

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4 DAS FCC STEREO–VERFAHREN

Siemens ging einen eigenen Weg, indem eine Puls–Amplituden–Modulation (PAM) vorgeschlagen wurde, Bild 3.7.[12]

Bild 3.7: Blockschaltbild des PAM Vorschlages von Siemens

Die in [12] benannten Parameterwerte fur das Siemens–Verfahren, namlich Grenzfrequenzen von 15 kHz fur die Audiokanale,die mit 30 kHz (Abtastgenerator) umgeschaltet werden, erfullen das Shannon’sche Abtasttheorem in der Praxis nicht. Furdiesen Grenzfall, bei dem die Abtastfrequenz genau die doppelte Grenzfrequenz ist, mußte der nachgeschaltete Tiefpaß (TP)eine exakt u formige Durchlaßkurve haben, was aber nicht realisierbar ist. Die Beschreibung des Siemens–Systems in [12]ist also zu optimistisch dargestellt.

4 Das FCC Stereo–VerfahrenAuch wenn man in manchen Landern in Europa zunachst noch Bedenken gegen das FCC–Stereo–Verfahren hatte, speziell ge-gen den SCA Zusatzkanal, hat sich in den westlichen Landern faktisch das FCC Stereo–Verfahren als von CCIR empfohlenes

”Pilotton–Verfahren“ durchgesetzt. Außerhalb der USA hat man jedoch meist auf den SCA–Kanal verzichtet.Im Jahre 1963 machte der Hessische Rundfunk im Januar eine dreitagige Versuchssendung mit diesem Stereoverfahren undder Sender Freies Berlin sendete wahrend der Funkausstellung 1963 stereophon. Damit boten sich der Industrie Gelegenhei-ten, um ihre Gerate fur UKW–Stereophonie zu erproben bzw. vorzustellen.Das FCC/CCIR Stereoverfahren erlaubt den Empfangerherstellern die Wahl zwischen ”Matrix–Decodierung“ und ”Zeitmulti-plex–Technik“ fur das Demodulationsverfahren, Bilder 4.1 und 4.2.[13] §1

Bild 4.1: Matrix–DecodierungBild 4.2: Zeitmultiplex–Decodierung

§1Systemvorschlage, die unterschiedliche Realisierungen erlauben, werden von CCIR (heute ITU) bevorzugt. Durch die konkurrierenden Losungsansatzeergeben sich oftmals vollig unerwartete Losungen. Bei der Standardisierung durch die ITU wird daher entweder nur der Sender–Teil oder der Empfanger–Teilbeschrieben.

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LITERATUR LITERATUR

Literatur[1] Pitsch, H.: Lehrbuch der Funkempfangstechnik, Bd. 2, 4.A., VAG, 1964

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Theatrophon

[3] Papiere zum Download im Radiomuseum.org (∗):

http://www.radiomuseum.org/forum/ukw_stereo_systeme.html#2

[4] (∗) Rundfunk–Stereophonie–Systeme, Funktechnik 22, 1958, pp. 746 — 749

[5] http://www.diru-beze.de/modulationen/skripte/SuS_W0506/Frequenz_Modulation_WS0506.pdf

[6] Rider, J.F., Ulsan S.D.: FM Transmission and Reception, 2nd ed., Rider, 1951

[7] Walker, A.P. (Editor): NAB Engineering Handbook, 5th ed. McGraw–Hill, 1960

[8] (∗) Schopper, J.: Stereo–Rundfunk in den USA, Funktechnik 12, 1959, pp. 417 — 418

[9] (∗) Rundfunk–Stereophonie im Ausland, Funktechnik 14, 1959, pp. 508 — 509

[10] (∗) Wagner, R.; Brauns, H.: Wege zum Stereo–Rundfunk, Radio-Mentor 5, 1959, pp. 337 — 342

[11] (∗) K. Wilhelm: Ubersicht uber die wichtigsten Vorschlage, Stereophonie uber Rundfunk zu ubertragen, NTZ 3, 1961,pp. 129 — 141

[12] Langer, E.; Risak, V.: Stereophoner Rundfunk, Osterreichische Radioschau 9, 1961, pp. 368 — 372, 414 — 417, 462 —465

[13] (∗) Wilhelm, K.: Rundfunkstereophonie, ETZ 15, H. 18, 1963, pp.497 — 500

[14] Rudolph, D.: Stereo auf Mittelwelle (AM Bereich) ,

http://www.radiomuseum.org/forum/stereo_auf_mittelwelle_am_bereich.html

[15] http://www.diru-beze.de/modulationen/skripte/SuS_W0506/Amplituden_Modulation_WS0506.pdf

[16] http://www.diru-beze.de/funksysteme/skripte/DiFuSy_S06/DiFuSy_Mod_SS06.pdf

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