136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976 http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 1/136  

Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 1/136

 

Page 2: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 2/136

Page 3: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 3/136

Page 4: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 4/136

 

Page 5: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 5/136

Die Jahre 1975 1976: Humor ist eingepl nt

Page 6: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 6/136

Page 7: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 7/136

 

975 976

umor ist ein e n t

eltbild

Page 8: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 8/136

4 J•

Edgar Külow Wolln wir doch mal ehrlich sein . 7

1 Kapitel: Humor ist eingeplant 9

Edgar KülowGenossinnen und Genossen 10

Solo Abend in der istel

Ottokar DommaWann und wie darf ein Schüler lachen 17

Erwin F B. Albrecht

Der H11morist

Horst von Tümpling

itte lacht nicht

Günter Krone

20

22

Der Berufsaffe 26

2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes

_Humorvolles aus dem Alltag 27Angela GentzmerDie Verkäuferinnen

Sketch mit Helga Hahnemann und Dagmar Gelbke 8

Peter Ensikat

Kein Kapitel Zärtlichkeit

Johannes ConradHurra, ich habe ein Fremdwörterbuch

John Stave

Der allgemeine TrendErnst RöhlMUTTERsprache, MUTTERlaut

C. U. WiesnerFrisör Kleinkorte als Universalgenie

30

32

36

42

42

Page 9: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 9/136

Inhalt

3 Kapitel: Lernen lernen nochmals lernen

Als wir Schüler und Pioniere waren

Ottokar Domma

Unsere Schulwanderung

Renate Holland Moritz

Ein ElternabendJohannes Conrad

Familienszene

Hans Krause

Toast für einen frisch Geweihten

4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen

ir erktätigen in Stadt und Land

Jochen Petersdorf

Die Arbeitszeit

Sketch der rei ialektiker

Jochen Petersdorf

Laufkundschaft

Manfred Strahl

Das Erfolgserlebnis

Alfred Schiffers

Am Tag als die Kohlen kamen

Lothar KuscheWie wir unser Bestehen feierten

Alfred Schiffers

45

46

s

52

54

55

56

58

6

62

65

Tagebuch eines Bockwurstverkäufers 72

5 Kapitel: Heißer Sommer

Von Ostseestrand Datsche und Jugendclubs ... 73

Jochen Petersdorf

Picknick im Walde 74Hansjoachim Riegenring

Einmal rückwärts E1·furt 79

Heinz Erkler

Hellende Natur 82

rnst Röhl

Nach uns die Sintflut 84

5

Page 10: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 10/136

6

ul ns lll t t =t n 

6 Kapitel: Höher schneller weiter

Sportlich sportlich

John StaveEine strapazierfähige Sportart

Ernst RöhlPetri

heilFrank KleinkeIn Dur und Moll und Fußballschuhen

Jochen PetersdorfGesunde Lebensweise

Sketch der rei ialektiker

7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete

Ralph WienerLeben mit Antje

Heli Busseer Freizeit Lust und Last

Ernst RöhlDä11melinchen 75

Gerd W HeyseAbendspaziergang

8 Kapitel: Wo wir sind ist vorn

Es geht seinen sozialistischen Gang

John Staveer Tod im Neubau

Heinz WinklerDas Auftragswerk

Heinz HelmHilfe, es kommt Besuch

Nils WernerTeils, teils

Edgar Külow

Der Genosse Bornschein

Ernst RöhlKorrektur

Zeittafel

Rechtliches

Inhalt

85

96

87

88

92

95

96

99

104

105

106

108

112

115

117

118

119

120

128

Page 11: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 11/136

Was für ein heater 7

w r oe a

o tlie soiH ••.Was war das für eine bewegte Zeit im Kulturleben der DDR-

Bürger Wie Heuschrecken fielen die Künstler in die Produktionsbetriebe, interviewten und störten die Arbeiter, schrie

ben Drehbücher, Romane und Gedichte. Den Satirikern fielendie Stoffe ins ständig geöffnete Maul. »Kommt ein Einkäufer

in eine Pumpenfabrik. Sagt er zu einem Arbeiter: >Weißt dueigentlich, Kollege, was ihr für beschissene Pumpen produziert?< Sagt der Angeredete: >Moment mal, ich bin überhaupt

kein Arbeiter, ich bin Schriftsteller.< Meint der Einkäufer: >Ach

daher <«

Der Leiter des Hallenser Kabaretts »Die Taktlosen« schrieb insProgrammheft: »Schauspieler beraten Volkskunstschaffende «Und ADN meldete: »20 Künstler vom Bergarbeitertheater Senf-

tenberg leiten Volkskunstgruppen an. Ihre Hilfe trägt unter an-

derem dazu bei, das Kabarett des BKK Senftenberg zu einem

Arbeitertheater zu entwickeln.« Woraufhin sich das Kabarett»Die Taktlosen« verpflichtete, eine Arbeiteroper zu werden.Das Theater Senftenberg gibt es heute noch. Vom Arbeiter

theater hört man nichts mehr.

Dafür sind einige operettenreife Szenarien in Erinnerung geblie-ben, die von den Kulturpolitikern geschrieben wurden. Sie nah-

men die Kollegen Kulturschaffenden im allgemeinen und die

Kabarettisten und Satiriker im besonderen unter ihre Fittiche,feuerten sie zu kämpferischem Humor an oder zeigten ihnen -

zumeist mit Verweis auf eine »jähe politische Wendung« oderdie »besonders angespannte politische Großlage« - die Dau-

menschrauben. Kinder, Kinder, was habe ich an der Leipziger

Pfeffermühle, an der Berliner Distel und auf anderen Bühnenfür ein Auf und Ab von Genehmigung und Verboten, von Bei-

fall und Rückzügen erlebt. Da ließen sich Geschichten erzählen Und das waren keine Sternstunden des Humors Um sobesser, daß uns diese Anthologie das einstige Tun und Treiben

der Kabarettisten, Fernsehkomiker und Humorautoren nocheinmal vor Augen führt. Viel Spaß wünscht Ihnen

Ihr Edgar Külow

· ......::i

Page 12: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 12/136

 

Page 13: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 13/136

Page 14: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 14/136

1 • Hum o r ist i n g ~ 1an t= = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = =

Edgar ülow

OSSI O ~Solo-Abend in der Distel

Bitte keine Zwischenrufe, wenn Sie was zu sagen haben, mel

den Sie sich bei Ihrem Zehnergruppenleiter.

Genossinnen und Genossen, ich begrüße und beglückwünsche

Sie zum Welttheatertag, verlese Ihnen die Tagesordnung der

Zentralen Delegiertenkonferenz der Sonderkommission zur Un

tersuchung der gesellschaftlichen Relevanz des real existie-

renden Theaters, zur Beantwortung der gravierenden Frage:

Muß das Theater hier und heute unterhaltenden Charakter

haben?

Unser Lachen kommt weder aus

dem Kopf noch aus der Lende,

weder aus der Kehle noch aus

Kollegen, die Tagesordnung: Wahl des Präsidiums.

Zwotens: Kulturprogramm. Drittens: Referat. Vier

tens: Diskussion. Fünftens: Schlußwort. Sechstens:

Gemeinsamer Gesang der Hymne. Wer mit dieser Ta

gesordnung nicht einverstanden ist, den bitte ich umem Herzen. s kommt aus der

Faustdas Handzeichen. Keiner?

Wo ist die Bezirksdelegation Halle? Der Bezirksverband Halle

war vom Sekretariat angewiesen, eine Nein-Stimme zu stellen.

Warum ist das nicht erfolgt? Wir haben es mit Cottbus ver-

sucht, aber da wollte der Delegierte mit der Nein-Stimme auchzugleich die Ausreisegenehmigung haben.

Teilen Sie sich s ein es dauert drei Stunden. Das ist weiter

nicht tragisch, schreib ins Protokoll: Einstimmig.

Punkt 2 der Tagesordnung: Referat. Genossinnen und Genos

sen, Kolleginnen und Kollegen, Schauspieler und Schauspiele-

rinnen, Sänger, Genossen Sänger, heute begingen die Werktä-

tigen des Theaterwesens ihren internationalen Kampf- und Fei

ertag für sozialistischen Realismus und höhere Löhne. Liebe

Freunde, während es in Westdeutschland immer trauriger, nichtwahr, wird, ist seit dem IX. Parteitag der Frohsinn Bestandteil

unseres täglichen Lebens geworden. Früher waren unsere Men

schen vergnatzt, wenn es mal etwas nicht gab eine Schrank-

wand, einen Reißverschluß, ein Fahrrad. Heute lachen wir nurnoch darüber.

Welch ein bedeutender Fortschritt gegenüber dem EisenacherKongreß von 1869.

Wer hat denn in der Kunst so viel goldenen Humor wie die

DDR?

Page 15: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 15/136

1 1umor ist eingepl nt~ = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Keiner Wer hat denn Herricht/Preil? Wrr Wer hat denn Rei

ner Süß und Ingeborg Springer? Wir. Wer hat denn EkkehardSchall? Wir

Ja, manche mußten wir schon an den Westen abgeben.Und dieser Humor wird im nächsten 5-Jahr-Plan noch um 27,4Prozent zunehmen. Siegfried Wagner, Minister für Batik und

Kartoffelsiebdruck, wies auf der Unterhaltungskonferenz darauf hin, daß wir durch die selbstlose Mitarbeit der seriösenKünstler wie Reiner Süß, Gisela May, Jochen Thomas, IngeborgSpringer, Peter Schreier, Theo Adam, DieterMann den Humor planmäßig vorangebrachthaben.Ich wurde vor der Konferenz von einigen Dele

gierten gefragt, warum ich nicht auf der Konfe

renz der Unterhaltungskunst gewesen wäre. Es

ging nicht. Auf meinem Mandat saß schon derandere. Und ich wurde weiter gefragt, warum ichdenn nicht an der Gala-Schau der Komiker teilgenommen hätte, da saß auch schon der andere.Immer, wenn ich in der Heiteren Muse aufkreuze, schreit der andere: »Ich bin schon da « Naja,

vielleicht, liebe Freunde, ist der andere wirklichkomischer als ich. Auf alle Fälle ist er immer da,

der Genosse Professor Wolfgang Heinz.

Und schon, liebe Freunde, kommt in uns wiederdiese ungeheure Fröhlichkeit hoch. Aber, Genos

sen, diese Fröhlichkeit muß eine parteiliche sein.Sie muß Klassencharakter haben. Sie ist scharfund zupackend. Die Fröhlichkeit unserer Funktionäre ist kurz und vernichtend für den Gegner.

Es gilt, die Scheißfreundlichkeit kleinbürgerlicher Philanthropen zu überwinden. Unser Lachen kommt wederaus dem Kopf noch aus der Lende, weder aus der Kehle nochaus dem Herzen. Es kommt aus der Faust

Sie nehmen's mir nicht übel, aber schlagen Sie bitte noch malim Rechenschaftsbericht nach, da werden Sie an dieser Stellelesen: »Langanhaltender Beifall, der sich zu Ovationen steigert « Da hab ich nichts von bemerkt.Natürlich müssen wir uns beim Finden von neuem Humor aufbereits vorhandenen stützen. Unser klassisches Humor-Erbe

liegt zum Beispiel im Faschingstreiben, da liegt es volkstümlich verankert. Diese positiven Ansätze müssen von uns poli

tisch gelenkt werden. Wir müssen also heute darüber beraten,

Das Who is who der re-

volutionären Traditionen

Unser Bester Kabaret-

tist Edgar Külow - inder Mitte zwischen den

Helden von 1976.

Page 16: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 16/136

~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = : : : = 1 = = = = ~ = = : : = = = = = = = = = = = _ ; ; = = = = = = = = = = u m o r ist ein   fJ epl nt

Hennann x e n ~ Ho- ;neckers engster Mit7 .;arbeiter, besucht einelandwirtschaftlicheProduktionsgenossenschaft. Die Presseleute haben einpaar Fotos gemacht,die Axen inmitteneiner Herde Schweine

zeigen. Nunmehr entsteht in der Redaktion des »Neuen   ··. · ,Deutschland« ein, k · .

Streit über den  Textder Bildunterschrift.

.

Der erste Redakteurschlägt vor: »Axenunter Schweinen.<<

Der zweite Redakteur: »Das geht nicht.Besser ist: Axen i n ~mitten von Schwei

nen.« Darauf der.diät:.. " · · ~

. , ,

te Redakteur: »Urli · Y. .

Gottes willen das ·gibt Probleme m t derZensur. Ich schlagevor: Vierter von links:Hennann Axen.«

ob wir die Elferräte im Karneval zum Beispiel in Parteileitungen umwandeln - oder die Parteileitungen in Elferräte. Was j

in der Praxis bedeuten würde, daß der Parteisekretär den ver

pflichtenden Beinamen Prinz Karneval verliehen bekäme.Wie dem auch sei, liebe Freunde. Entscheidend ist nicht, ob du

eine Pappnase auf hast, sondern wie du zur Sowjetunion stehst.

Heute, am Welttheatertag, läuft im Fernsehen Richard III.Heinz Adameck hat also richtig erkannt, daß am Welttheatertag in der DDR Köpfe rollen müssen.Aber auch der Humor soll nicht zu kurz kommen. Im erstenProgramm läuft ein Ufa-Lustspielfilm von 1943. Naja ich bittedas, was jetzt kommt, nicht zu protokollieren: Hitler hatschließlich nicht nur Schlechtes gemacht, man denke nur andie Autobahnen und die Ufa-Filme. Überdies hat Grete Weisermal gesagt, Westberlin sei eine großartige Insel im kommuni

stischen Meer. Dafür müßte sie eigentlich schon mal bald im»Kessel Buntes« zu sehen sein.Entscheidend ist j schließlich immer der Aspekt, unter dem

man eine Sache sieht. Es hat zum Beispiel im abgelaufenenBerichtsjahr einige Theaterbrände im Süden der DDR gegeben.Uns liegt unter anderem ein Bericht über einen Theaterbrandim Süden vor darin meldet der Intendant dem Oberbürgermeister: »Mein Theater hat dank eines heldenhaften Einsatzesdie Feuerprobe heute bestanden.« Der OB meldet an den Rat

des Bezirkes: »Dank meines heldenhaften Einsatzes hat dasTheater ein glühendes Bekenntnis abgelegt.« Der Rat des Be

zirkes ans Ministerium für Kultur: »Unser Theater hat einenzündenden Beitrag geleistet.« Das Ministerium an den Mini

sterrat: »Der Süden unserer Republik ist ein leuchtendes Vor

bild geworden.« Und »leuchtendes Vorbild« wollen wir dochschließlich alle sein. Wir müssen alle brennen, oder? Ich denkdabei natürlich nicht an irgendwelche Selbstverbrennungen.Das wäre für unsern Staat auch zu teuer. Die Tonne Erdölkostet doch heute keine sechzehn Rubel mehr wie vor zehn

Jahren.Genossinnen und Genossen, das sozialistische Lager, insbesondere die DDR hat große Erfolge zu verzeichnen, und des

halb kann schon heute, und nicht erst, wie beabsichtigt, 1980,auf die grünen Essenmarken wahlweise auch Pudding abgegeben werden.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Sie hören nun dasübliche Kulturprogramm.

Page 17: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 17/136

  umor ist eingeplant 3= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = =

Prolog

rr standen einst geschlossen hinter allen

Beschlüssen, die Partei und Staat gefaßt.

Doch sind dann leider ejnjge abgefallen

Und von zehn andern möcht ich sagen, fast.

Inzwischen haben wir sie umgemodelt.

Sie wissen wieder, wo sie hingehören.

Auch Volker Braun hat jüngst für uns gejodelt,

Und Jurek Becker will uns nicht mehr stören.

Verschiedene Mimen mimen jetzt im Westen,

So wird man von der DDR verwöhnt,

Ernst Kahler darf bei uns hier weiter spielen,

So sind die Künstler allesamt versöhnt.

Naja, die Kunst geht letztlich doch nach Brötchen,

Und so ein Schauspieler, der braucht viel Brot.

Der apportiert, gibt auf Kommando Pfötchen,

Schart Geld zusammen, und dann ist er tot.

n seinem Grabe grinsen die Kollegen,

Und sieben Witwen stehen hier schwarzbetucht.

Minister Hoffmann gibt den letzten Segen.Die kleinen Kinder wirken ausgeruht.

Wir denken heute aller dieser Mimen,

Die sich durch viel Theater intrigiert,

Die Funk und Femsehn tausendmal beschissen,

Und letzten Endes immer nur kassiert.

Doch gibt es Treue, echte deutsche Treue,

Und diese Treue gibt es im Verband,

Und sie ist frei, selbst bei Betrug, von Reue,

Und diese Treue nennt sich Hermann Kant.

Er steht geschlossen, hab ich jüngst gelesen.

Das rufen wir auch unserm Nachwuchs zu.

Hast du im eigenen Hause deinen Besen ...

Schön, kann ich die Zeile weglassen ...)

Auch für den Mimen bleibt der beste Job

ne Genexmucke und Synchron bei Intershop.

Page 18: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 18/136

4l .

Humor ist eingeplant

Bereits in der ersten Stunde unserer Konferenz liegen zahlrei

che Grußadressen vor. Einige verlese ich:Anläßlich der Delegiertenkonferenz der Freunde des 1. April

verpflichtet sich das ND in der Sonnabendausgabe statt einesbekannten Staatsmanns auf der Titelseite einen weiblichen Akt

zu bringen. Bewerberinnen müssen mindestens eine vierzigjährige Parteizugehörigkeit haben.Doktor Manfred Wekwerth grüßt die Delegierten und läßt wis

sen, daß er einen Film über Thomas Müntzer dreht. Den Münt

zer spielt Renate Richter.Die vom Fernsehen der DDR für den 1. April geplante Gala-

1 h h ff d ß. h h schau des Humors ist durch den Vorsitzenden einige

c o e, a 1c morgen noc Mal . hn·tt d ·· d rt d · t ··gtd. z t. d0 1

. rt e emgesc 1 en un veran e wor en. 1e ra

die

2usAim ml er e egie en jetzt auf allgemeinen Wunsch den Namen »Aktuelle

es . pr1 r1ege. Kamera«.

Der Verband der Harzer Natur- und Heimatroller grüßt die De

legierten. »FrräundewirrrgrrüßendieDeligrrrrrtenundrrrmpen

brrrpendrmmmten errrundrrrmpenbrrrpendrmmmtenterrr ...«Die Fußballnationalmannschaft der DDR grüßt die Delegiertenaus Athen vom Olympia-Qualifikationsspiel.

»Wrr sind hier auf der Akropolis. Die Griechen, sieht man hier,

hatten es schon immer schwer. Alles Krüppel: dem einen feh

len die Arme, dem andern die Ohren, einigen sogar die Köpfe.

Croy meint, das sei alles Tarnung, und wir sollten uns auf voll

ständige Gegner gefaßt machen. Georg Buschner will Vogelals Griechen einsetzen.«

Ich wurde in der Pause von zwei oder drei Delegierten ange

sprochen, ob es stimme, daß - ich will keine Namen nennen -der und der im Publikum wäre. Es sind zweifelsohne ein paarKöpfe da, die sehen wie ein paar andere Köpfe aus. Sind es aber

Gott sei Dank nicht.Es ist ein Antrag ans Präsidium gegangen von der Delegation

aus Krumhermersdorf. Dort macht man sich Gedanken ... Siewissen, wo Krumhermersdorf liegt? - Lieben Freunde, wenn

Sie wissen, was man dort für Antennen bauen muß, um über

haupt ... Da kaufen Sie sich hier in Berlin Autos für - Und die

haben gefragt, wie das ist bei der Kunstauswahl, ob die Wahl

des Stoffes dabei eine entscheidende Rolle spielt ... Ich will s

hier erklären.

Ja, sie spielt eine entscheidende Rolle. Sie spielt eine solch

große Rolle, daß man ein bißchen was dazu sagen muß.

Der Aufhänger zu dieser Angelegenheit ist: Ich sah jetzt imFernsehen aus Dresden den »Revisor«. Ich hab den »Revisor«

Page 19: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 19/136

15umor ist eingeplant~ = = = = = = : = = = = = = : = D = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

schon sehr oft gesehen, aber was da losgelassen wird Ich habemal ein Laientheater ohne Anleitung gesehen, die Klassikerwaren gegen das, was da kam. So was Schlimmes hab ich nochnie gesehen und dachte: Das kann nicht sein Selbst Wolfgang

Dehler, ein durchaus seriöser Mensch, der ließ da die Hosenrunter. Und dann las ich die Kritik im ND und die war un-ge

heu-er guuut. Also das ist das Größte, was je auf unserm Theater lief Der Regisseur kam aus Leningrad

Ich habe Sie darauf hinzuweisen, daß schon inder ersten Stunde Glückwunschtelegramme ein-

gegangen sind. Ich möchte verlesen, von welchen Einrichtungen uns Glückwunschtelegram

me zugingen ... und auch von Einzelpersonen ...wahren wir den feinen Unterschied, jawoll, der

muß sein.Bertolt Brecht.Besamungsanstalt Pablo Picasso, Torgau.

Kreisparteischule Apostel Paulus, Wolmirstedt... vielleicht von der CDU?

Das Hilfswerk Vater und Kind ...

Das erste möchte ich verlesen. Es kommt vom

Fernsehen der DDR.»Anläßlich eurer Delegiertenkonferenz verpflich

ten wir uns, im kommenden Jahr >Distels Nacht-musik<, >Die Leiden des jungenW und >Die Kip

per< nicht zu senden. Darüber hinaus ist wederan Fernsehsatire noch irgendwelchen geistvollen Fernsehspaßgedacht. Ihr kennt das ja, zu leicht gerät man in die Situation,

daß, wenn man Gutes bringt, die Menschen dann immer mehrdavon haben wollen, während bei ständigem Mittelmaß doch

eine rechte Zufriedenheit herrscht. Ihr Intendant.«So, die anderen verlesen wir vielleicht später ...

So, ich hab die ersten Zahlen von den Kommissionen. Die Re

daktionskommission teilt mit: Auf unserer Delegiertenkonfe

renz befinden sich 6 hervorragende Persönlichkeiten, 24 Per

sönlichkeiten, 356 Delegierte, 48 Gäste. Der Frauenausschußergänzt, daß von den Delegierten heute abend 187 Frauen sind,

von diesen 187 Frauen nehmen 129 die Pille, 51 haben Angst,sieben sind emanzipiert.Wrr treten in eine viertelstündige Pause ein. Bitte die Dele

gierten pünktlich wiederdie

Plätze einnehmen

•••

Page 20: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 20/136

  6

zr machen alles nur

m t Netz <<

Die Delegierten haben eine Grußadresse an die UNO, SektionApril verfaßt. Der Wortlaut: >>Angesichts der Tatsache des Um-

standes versichern wir, daß die DDR immer, stets und dau-

ernd Herzliche Grüße an Waldheim und die anderen Österrei-cher Die Delegierten des 1. April.«

Wer gegen diese Resolution ist den bitte ich ums Handzei-

chen. Ich hoffe, daß ich morgen noch die Zustimmung der De-

legierten des 2. April kriege. Du, Genosse? Ach so, schon fürmorgen

rr kommen zum Punkt 6 unserer Tagesordnung Aufforderungan das Präsidium und Publikum zum Singen der Hymne ...Und die Stelle mit »Deutschland einig Vaterland« summen wireinfach weg

Page 21: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 21/136

  7umor ist e i n g e ~ l n t~ = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : ; : ~

Ottokar Domma

' '

Das Lachen in der Schule gehört zu den schönsten Vorkomm-nissen im Leben eines Schülers. Man kann das Lachen in drei

Abteilungen einteilen:Erstens das normale Schülerlachen

zweitens das unfreiwillige Schülerlachen

und drittens das verbotene Schülerlachen.Einer der nicht mehr zur Schule geht denkt vielleicht Lachen

ist Lachen aber da irrt er sich mächtig und ich werde das aneinigen Beispielen erklären.

Das normale Schülerlachen ist am häufigsten und es entstehtmeist von ganz allein. Als Schüler könnenwir über alles lachen

zum Beispiel über Witze Blödheiten Versprecher Fratzendoofe und lustige Antworten auch über Tintenkleckse öffent-liche Kleidungsstücke ulkige Figuren beim Sport Witzzeich-

nungen nackichte Fotos Liebesbriefehen und Liebespärchen

Kaugummiblasen manche Bücher und Filme schlafende Schü-

ler Affen im Tierpark Clowns oder auch über moderne Damen

und Lackaffen über komische Stimmen betrunkene Werktäti

ge Aprilscherze Gesellschaftsspiele beim Faschingsfest undüberhaupt wenn die Erwachsenen sich wichtig machen und an-

geben. Manchmal lachen wir, wenn wir ausgeschimpft werdendamit keiner merkt wie es uns ärgert. Die Mädchen lachen oft

nur so dahin und wissen gar nicht warum. Es genügt schon

wenn sie sich bloß angucken. Man bezeichnet dies auch als al-

bernes Lachen und es entspricht nicht dem hohen Lachniveau.

Das normale Lachen muß man vom Auslachen unterscheiden.Das Auslachen ist pioniergesetzlich verboten macht aber Spaß.

Auch ist es nicht immer leicht zwischen diesen beiden Lach-

arten zu differenzieren wissenschaftlich ausgedrückt. Wenn

man nicht genau weiß ob jetzt ein erlaubtes oder ein verbote

nes Lachen dran ist braucht man nur zu gucken ob der Pio-

nierleiter oder der Lehrer mitlachen muß. Wenn ja dann istman gesetzlich geschützt wenn nein dann kann man immer

noch durch die Nase lachen. In diesem Falle ist es aber ange

bracht ein sauberes Taschentuch bei sich zu haben sonst ver-

geht auch dem lustigsten Lehrer die Lache.

•-• • •• • •

Page 22: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 22/136

18

1

Humor ist eingeplant~ ~ l n i i i i i l i i l ' m i i l : l i l ; . ~ 1 i + J b t : i : : : i . 1 l ;r ;;;;;;;:• „  i.,.ans„ &:, ··: „idf dll:Su:u.....-..ill:® 1/ W llilillll •R · >W4: .

Das unfreiwillige Schülerlachen, auch künstlerisches Lachengenannt, hat große Bedeutung für die Aufrechterhaltung derLehrerstimmung. Das künstlerische Lachen haben die Erwach

senen als schlechtes Vorbild erfunden

und ist meistens ganz schön falsch.

Dazu ein Beispiel:

Wenn der Herr Lehrer Kurz in unsereKlasse kommt, dann ist es besser, wir

stellen uns auf einen ernsten Gesichtsausdruck ein. Der Herr Kurz sprichtimmer sehr gebildet und wissenschaftlich, und in der Wissenschaft sinddumme Witze nicht erlaubt. Abermanchmal hat auch der Herr Kurz einen

Tag, an dem er lustig sein möchte. Das geht so vor sich. Er

kommt in die Klasse, zeigt ein künstlerisches Lächeln undspricht sehr schön hochdeutsch: Und nun wollen wir einmaleine Blüte der Wissenschaft anhören, was sie uns und derNachwelt zu sagen hat.« Er ruft dann meistens den armen

Schweine-Sigi auf. Das ist für manche Schmeichler und Krat

zer das Zeichen, dem Herrn Kurz zuzulachen,

und der Herr Kurz freut sich, wie es ihm ge

lungen ist, wenigstens einige Schüler fröhlichzu machen. Wer nicht mitlacht, ist die näch

ste wissenschaftliche Konifäre oder so wasähnliches.Ich war auch einmal ein Auserwählter, nämlich als wir unsere Klassenarbeiten zurückbe

kamen. Der Herr Kurz sprach lobend zu mir:

»Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«,

und ich antwortete dankend: »Und ein alterGockel muß Federn lassen « Alle lachten,

aber das war schon ein verbotenes Lachen.

Denn der Herr Kurz fragte gleich streng, wie ich das meine. Ichsagte, biologisch, damit er mir nichts anhängen konnte.Es kommt auch vor, daß manche Lehrer ein richtiges Witzchenmachen. Trotzdem muß man dabei vorsichtig sein und darfnicht an der falschen Stelle lachen.

Das verbotene Schülerlachen tritt meistens dann in Erscheinung, wenn es nichts zu lachen gibt. Und das passiert öfter.

Aber manchmal kann man sich auch täuschen. Dazu ein wei

teres Beispiel:

Page 23: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 23/136

  9umor ist eingeplant~ = = = - = - - = = = = = ~ = = = = = = = : : : = = = = = = = = ~ ~ ~ = = = = = ~ = : : : : = = = = = - = - -

Wenn ich Witzzeichnungen sehe, muß ich immer lachen, weil

die Figuren so ulkig sind. Manchmal schneiden w r sie aus und

kleben sie im Flur an die kritische Wandzeitung. Gestern standich wieder davor und habe mich über eine Figur halb kaputt ge-

lacht. Ich sagte zu meinem Freund Harald: »Guck mal, der dasieht aus wie der Herr Burschelmann. So ein Bauch und so eine

Knollennase « Der Harald hustete und gab mir einen Tritt vonder Seite. Ich dachte, es ist Freude, und fuhr fort: »Und die

Hosen sind genauso verbeult wie beim Herm Burschelmann «

Der Harald fing plötzlich leise an zu singen: »Paß auf, paß auf,sonst gibt's was drauf « Ich dachte, er besingt die Knollenna

se und ergänzte meine Bildbetrachtung: »Wenn ich jetzt nocheine Brille dranmale, dann ist es ganz der Herr Burschelmann «

Da sprach hinter mir eine tiefe Stimme: »Darf ich dir meinen

Filzstift dazu leihen?« - Es war tatsächlich der Herr Burschel

mann. Ich wollte mich schon entschuldigen, aber da geschahetwas Seltsames. Der Herr Burschelmann malte selbst die Bril-

le auf die Witzfigur, und danach lachte er, daß sein Bauch nur

so wackelte.Aber das hatte noch ein Nachspiel. In der Mathestunde tauch

te plötzlich der Herr Direktor Keiler auf. Er hatte die Witz-

zeichnung in der Hand und fragte: »Wer war das?« Auf die Figurwurde nämlich inzwischen noch ein Schnurrbart gemalt, und

jetzt sah sie aus wie der Herr Direktor persönlich. Ich wollte

nicht, daß der Herr Burschelmann reinfällt, und meldete michgleich als der Täter. Da sprach der Herr Keiler zum Herrn Bur-

schelmann: »Na, das erledigen Sie wohl am besten selbst « und

ging. Der Herr Burschelmann rief: »Ottokar, dein Tagebuch «

Ich war ganz erschrocken, denn nie hätte ich dem Herm Bur-

schelmann zugetraut, daß er mich dafür auch noch bestraft. Als

ich dann nachschaute, hätte ich beinah ein bißchen geheult,

aber ich riß mich zusammen. Nur dem Harald zeigte ich, wasder Herr Burschelmann hineingeschrieben hatte, nämlich die-

sen Satz: »Lob und Dank für Dein kameradschaftliches Verhal-ten « Harald bekam auch schon rote Augen, und so könnenwir

sagen, daßwir schon lange nicht mehr so fröhlich waren, abermehr nach innen. Die anderen in der Klasse freuten sich jetzt

auch - aber mehr aus Schadenfreude.

r•t

--

Page 24: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 24/136

2

Erwin F B Albrecht

Sauer wie ein Faß Essiggurken betrat der Humorist Peter Pilsator, in Kollegenkreisen auf »Pepi« abgekürzt, die örtliche Um

tauschzentrale, wurde vom Pförtner registriert, abgestaubt undunter aufmunternden Zurufen in das Büro der Aufnahme, Buch

stabe P, geführt.»Was hätten Sie denn gerne umgetauscht?« Der Mann amSchreibtisch sah den Besucher an wie eine Dackelmama ihrefrisch geworfenen Jungen. »Ihren Pfeifkessel oder die Ehefrauoder das Auto oder Ihr flämisches Barockspeisezimmer?«»Ich möchte meinen Beruf umtauschen«, erklärte Pepi, »denn

mich wurmt, daß trotz meines hohen Alters noch kein einziger

E  MMM t t d Dampfer meinen Namen trägt. Es müßte ja nicht unbe-in neues en s an : dingt . Kri hiff · d h k · z hnt dt

Männermode von morgen. em egssc sem un auc em e ausen on-nenfrachter - wenn es nur einer von den kleinen grünen

Vergnügungsdampfern wäre, wie sie bei uns auf dem Dollbrägensee verkehren ...«Dem Dezernenten kommen die Tränen. »Sie haben recht - demHumoristen flicht die Mitwelt keinen Lorbeer.« Er betätigteeinen Druckknopf. »Wollen sehen, was unser Computer Ihnenzum Tausch anbietet.«

Auf dem Bildschirm erschien eine Wanderschrift: ,,peter pilsator, humorist, geb. 13. 7.16, im umtausch geeignet als 1. soßenkoch, 2. irrenwärter, 3. modeschöpfer. ende.«»Als Herrenmodeschöpfer hätte ich vielleicht ne gute Idee«,

meinte Pepi.Ein halbes Jahr später sah sich der Humorist als Objektleitereines »Herrenausstatters«, dessen Bestimmung als Versuchsanstalt kaum erkennbar war, weil Pepis Vorgänger, wie Experten sagten, nicht einmal den Versuch eines Versuches versucht

hatten, die Herrenmode zu beleben. Unter dem Slogan »Für dieGleichberechtigung des Mannes « schöpfte Pepi Mode. Einneues »MMM« entstand, der Begriff »Männermode von mor

gen«, die sich ausschließlich an den bisherigen Privilegien un

serer lieben Frauen orientierte.Neuartig wirkte auch das Herrenparfüm mit der Benzin- undÖlduftnote, und als apart durften nicht nur die Ohrclips mit denFußballanhängern gelten, sondern auch die Männerhandtaschen mit Kognakflakon. Die Nahtlosen, Modell »Bis oben

ran«, wurden dagegen mehr mit Zurückhaltung aufgenommen.»Wegen eurer Stachelbeerbeene«, meinte eine junge Dame.

Page 25: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 25/136

21umor ist eingeplant= = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : : = : = : : = : : : = = = : : = = : : = = = = : : : : = ~ = = - - - -

Doch was tat s - von Tag zu Tag waren Pepis Schaumodelledichter umlagert, und bald schon kam die Stunde, wo der

Wagen des Generaldirektors der Vereinigung der Umtauschbetriebe vor dem Laden hielt. Der hohe Besucher lachte dezent,aber wegweisend. »Natürlich alter Hut, das da Damenimitato

ren gab s schon zu Ben Akibas Zeiten. Aber der Objektleiter hat

nicht nur Mutter-, sondern auch Vaterwitz. Und wie nötig brauchen wir Humoristen Werden ihm Engagement besorgen. Wozu

sind wir schließlich eine Umtausch-Organisation?«

So kehrte Pepi auf die Bühne zurück. Durch die direktorale Be

lobigung mächtig aufgepulvert, beschloß er, kühn dem Beispielder Herrenmode zu folgen und beim alten zu bleiben. Und kamnun, als »Ben Akiba des Humors«, erst richtig in Mode, nicht

zuletzt durch seine Fernsehreihe »Die heitere Mottenkiste«.Pepis Titel »Heute wird noch mal gesumpft, / Mor

gen kommt der Wendepumpft« wurde ein Karnevalsknüller. »Immer wieder, immer/ Knie ich mich ins

Zimmer, / Rufe froh, wo bleibst du nur, du Schlim

mer « - mit diesem Spaß also hat Pepi sogar zu einerVermehrung der Kaviarimporte durch den DIA bei

getragen.Doch all das war nur ein Anfang. Während die Män

nerhosen gerade wieder mal schlotterweit und mit

Umschlag um unsere Fesseln schlenkerten, ermun

terten Pilsators Erfolge eine wachsende Zahl jungerTalente, mit Witz und Ironie die verkalkte Schnulzezu liquidieren. »Der Humor besiegt den Wimmer

kitsch« schrieb bissig ein führender Kritiker. »Ein

völlig neues Zwerchfellgefühl überkommt die Men-

schen, während die abgelösten Schnulzentexter · · ·

durch unsere Umtausch-Organisation zu den Her-   _ - ·- · _____

renausstattern vermittelt werden, so daß der Einfallslosigkeit

in der Männermode auch künftig nichts im Wege steht.«

Pepi aber konnte sich nun bald zur Ruhe setzen. Zur Erinnerung an den Applaus kultivierte er fortan in seinem GartenKlatschmohn. Und als er sechzig wurde, buk seine Wirtschaf-terin ihm eine Butterkremtorte.

Zur gleichen Stunde, da Frau Strietzel sie anschnitt, taufteman übrigens am Gestade des Dollbrägensees den jüngsten

Dampfer der grünen Flotte auf den Namen »PILSATOR«. Aller

dings wurde damit nicht des Humoristen Pepi gedacht, sondernder Erfindung eines gewissen Bierbrauers Eugen Pilsat, der jaauch Verdienste, gewissermaßen mehr geistiger Art an seineFahne geheftet hat.

So was äßt sich eben

nicht erzwingen

Page 26: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 26/136

22 • umor ist ·eingeplant

orst von Tümpling

Als die Szene kam in welcher der Verkehrspolizist auf seinem

Podest inmitten des flutenden Straßenverkehrs mit seinerMütze zu kämpfen begann da wollten sogar die beiden abge-

brühten Aufnahmeleiter fast zerplatzen vor Lachen.Auch der Regisseur warf prustend seinen Oberkörper vor und

zurück; seine Sonnenbrille die er weiß Gott warum immer im

Haar statt vor den Augen trug flog in weitem Bogen über drei

Stuhlreihen des Abnahmeraumes und zerbrach knirschend

unter den Absätzen des Kameramannes der vor Vergnügen mit

den Füßen stampfte.Währenddessen rutschte vom auf der Leinwand dem Verkehrs-

posten seine Mütze abwechselnd vor die Augen und in den

Nacken; der Mann stand so zeitweise im Dunkeln und mußte

sogleich der tückischen Kopfbedeckung mit der Kra-

genbinde einen unsicheren Halt geben. Auf dem rech-

ten und auf dem linken Ohr hing die Mütze abenteu-

erlich immer in Gefahr ganz herabzufallen. Endlich

Selbstverständlich sollen unsere

Menschen auch mal herzlich

lachen. s fragt sich eben immer

nur worüberklemmte sie sich der Unglückliche zwischen die Knie

aber sofort zeigte es sich daß ihm nun die vorschriftsmäßige

Wendung unmöglich wurde mit der er den Einbiegeverkehr

freizumachen hatte.

Jemand machte im Abnahmeraum Licht.In den Stuhlreihen sahen sich schweißnasse vom Lachenge-

rötete Gesichter verlegen an. Alle schwiegen betreten nur die

Ateliersekretärin in des letzten Reihe stieß noch einen letzten

spitzen Jauchzer aus.Der Regisseur erhob sich fuhr sich durchs Haar wo er die

Brille vermißte. Er wandte sich den Umsitzenden zu:

»Na?« fragte er.

»Ja ich glaube auch ... Ich fürchte sogar ...« stammelte der Pro-duktionsleiter dessen Kurzatmigkeit von dem soeben glücklich

überlebten Lachkrampf herrührte.

Der Regieassistent blätterte verlegen im Drehbuch.

»Ja« sagte der Regisseur »ich glaube das geht nicht. Es ist

nun ja es ist eine Klamotte. Einfach zu albern. Zu wenig Sub-

stanz ja.«

»Viel zu wenig Substanz« setzte der Produktionsleiter den Ge-

danken fort »das denke ich auch ...«

Der Regieassistent aber bemerkte entschlossen: >>Nicht nur

Page 27: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 27/136

  3umor ist e i n g e ~ l n t = = = = = = i = = = = = = = = = = = = = ~ ~ = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = ~

das, es ist auch falsch. Denn was sagt uns diese Szene? Sie sagt

doch, daß unsere Verkehrspolizei keine passenden Mützen hat.

Und wollen wir das, frage ich?« Alles schwieg betroffen.

Der Kameramann aber wandte ein: »Aber er hat doch, Einstel

lung römisch sechs Strich vier, in der Inspektion nur versehent

lich eine fremde Mütze gegriffen. In der Eile. Weil er verliebt

ist, darauf beruht doch die ganze Story ... «»Trotzdem«, behauptete sich der Regisseur und schwitzte,

»trotzdem, und sehen Sie mal: Wie sagt zum Beispiel Brecht?

Brecht sagt: Nicht mehr fehlte mit der vierten Wand zugleich

der Erzähler. In seinem Aufsatz über

das epische Theater. Es trifft j viel-

leicht nicht ganz unser Problem, aber

immerhin, Brecht wußte, was er

sagte.«

Die Versammelten waren nun dochnachdenklich geworden. Dann mel-

dete sich der Regieassistent zu Wort:

»Ich denke so: Eine Mütze verwech

seln, was heißt das? Wollen wir

Wirklichkeit vielleicht so darstellen,

als ob in den Reihen unserer Volks-

polizei, ich will mal sagen, Schlampe

rei und Unordnung herrschen? Wie

ist denn unsere Wirklichkeit? Unse-re Wirklichkeit ist doch so, daß ge-

rade der Kampf gegen die Schlampe

rei und für eine noch bessere Einhal

tung der Ordnung ... «

»Es ist doch ein Lustspiel ... « wagte

sich der Kameramann wiederum her

vor. >>Und wir zeigen das doch auch,

hier im Drehbuch steht es ja «

Er reichte das Manuskript dem Regisseur, der reichte es dem

Produktionsleiter, der sofort mit fliegendem Auge über den

Text herfällt. Und was er sucht, das findet er auch:

»Na, bitte, hier steht deutlich: Während Leutnant Karstens ge-

lassen zum Telefon greift, hastet Wachtmeister Gerd zu seinem

Spind, greift dort, ohne hinzusehen, eine Mütze, die er - Schnitt

- auf der Straße aufsetzt ... Ja, merkt ihr denn nichts, Kolle-

gen? Gelassen der eine, hastig der andere. Wozu diesen künst

lichen Gegensatz in das Kollektiv einer Polizei-Inspektion hin

einkonstruieren? Und dann noch: ohne bjnzusehen Also han-

Page 28: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 28/136

  4

. -· _ " -_ -. . . . 

_ Elli Vo1Kspoiizist · · · . ·. sitz:lmit seinen,Fra.11· i l l r ~ t . ·Die . r i l ~ -· .

ß z ~ n ~ z e i g t e ~ e n · •.. ·

~ c l i w ~ k : e n d e n Steg,.

·uoer d e n ein Polizist·.1äuft >>Weften<t,, sagt. .

"'seine·Frau )>daß :aer,. • . . ' . „ . . .

g t ~ i c l t ins Wa.sseF < , ·

:·fälJ;tl« ·Der Mann:.   ~ g e g e n ..Dacn · . M ~ · . ·

···gleicli darauf -ällt: .-den P o l i z i ~ t i t i s W a s - ·

s e t ~ Eer l?oliZist · ·. .' ·

:  ~ R f s c ~ ü t t e r l 1 ~ : ·JJfGh · 

na}a : e n R i l m g e s t e m

. < sehon gesehen uiid ·4 ä t t e : nie g e ~ ~ c n t -· ·

. < aß der p l l e g e tten•gleichen .Fehler n o c h·  i n m ~ p i i c h t < • • • • •

• • •  ;; ' i; •. „ w < :·

:r - -

\\\

-

Humor ist eingeplantMi l l IJJS&Jdl IWmalW'&Nll'' =m· i :l C · Y · S ·  1;

delt unsere Volkspolizei sozusagen blindlings, kopflos, unüber

legt, was? Also, ich verstehe euch nicht, Kollegen ... «

»Ein Lustspiel ... «, wiederholte der Kameramann erneut. Man

blickte sich erstaunt an.

»Also, diese Frage des Lustspiels ist, denke ich, ausdiskutiert.

Selbstverständlich sollen unsere Menschen auch mal herzlich

lachen. Es fragt sich eben immer nur worüber « sagte der Pro

duktionsleiter scharf.

»Nur über meine Leiche « ließ sich der Regisseur hören, der

aber bloß falsch verstanden hatte. Dann zuckte er die Achseln .

»Man könnte vielleicht«, schlug er vor, »die Szene mit der Po

lizei noch einmal drehen. In anderen Uniformen. So daß das

ganze im Ausland spielt. Schweden vielleicht ... «

»Schweden Ich denke, wir haben keinerlei Grund, uns mit den

neutralen Ostseeländern anzulegen. Nachher heißt es, wir ma

chen uns über die Einführung des Rechtsverkehrs da oben lu

stig«, sagte der Produktionsleiter ernst.

»Lassen wir es doch bei der Szene, Kinder « rief der Kamera

mann mit gezwungener Munterkeit. »Was ist schon dabei: eine

Mütze ist zu groß. Sie rutscht. Hat eben danebengegriffen,

unser Wachtmeister. Das ist doch nur menschlich.«

Der Regisseur schlug einen Kompromiß vor: »Wir sollten viel

leicht einen echten Gegenspieler herausarbeiten. Also noch

besser das Besondere im Allgemeinen gestalten. Einheit von

Dings . na, Zeit und Ewigkeit, wie Lessing das mal gesagthat.« Er hatte aber Zweifel daran, verstanden worden zu sein.

Alles redete jetzt durcheinander.

»Was heißt hier im allgemeinen? Es wurde hier in bezug auf un

sere bewaffneten Organe genug verallgemeinert. Sie sollten

endlich einen Standpunkt ...«

».. soll doch überhaupt nicht typisch sein für die Volkspolizei «

versuchte der Kameramann noch einmal zu erklären. Umsonst.

»Was wir brauchen, das sind doch keine aufgebauschten nega

tiven Einzelfälle, sondern gerade die typischen Vertreter ...also, kurz gesagt, der Held als Träger des Neuen in unserem

Leben. Und das kann man nicht nur mit so ein paar Redensar

ten abtun. Das wäre ein glattes Zurückweichen, Kollegen « Der

Regieassistent schien während dieser Auseinandersetzung di

rekt ein Stück gewachsen zu sein.

Jetzt versuchte der Produktionsleiter zu vermitteln: »Greifen

wir doch den Gedanken eines echten Gegenspielers noch mal

auf. Wer ist denn dieser Gegenspieler?«

»Na, das ist doch klar, Kollegen « schrie der Aufnahmeleiter

Page 29: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 29/136

fröhlich. »Der Gegenspieler ist der, der nun eine zu kleine Mütze

aufhat. Das ist doch logisch «Niemand wollte aber diesen Knüller würdigen. Der Aufnahmeleiter war wegen seiner rüden Späße zu bekannt. Der Produktionsleiter erhob sich. Nach einer bedeutsamen Pause

sagte er: »Ich glaube wir brauchen kein Wort weiter zu sagen.Die Fronten sind nun klar denke ich. Alles weitere an ande

rer Stelle.«Damit ging er hinaus. In verzagter Reihe folgte der Drehstab.Zurück blieben der Aufnahmeleiter und die Ateliersekretärin.

Sie warteten daß es wieder dunkel wurde im Abnahmeraum.

Alles in allem so stellte sich später heraus war es ein nützlicher Meinungsstreit.

Noch jetzt lacht man manchmal herzlich im engeren Bekannten- und Freundeskreis von Regisseur Kameramann und Pro-duktionsleiter über den unglücklichen Verkehrspolizisten mit

der vertrackten Mütze. Vom oftmaligen Vorführen in den klima-tisch nicht immer günstig gelegenen Wohnsitzen der Filmschaf-fenden ist der kurze Streifen schon etwas brüchig geworden.Aber alle waren zufrieden und das ist die Hauptsache. Nur die

Volkspolizisten die an jenem Film als Statisten mitgewirkt hatten waren irgendwie enttäuscht als das Filmwerk in die Kinos

kam. Dabei erinnerten sie sich doch deutlich daß bei den Auf-

nahmen so viel gelacht worden war.Aber zum Glück wird gegenwärtig schon wieder ein neuesLustspiel gedreht.

25

>>Nelken in Aspik heißtdie DEFA-Komödie von

Günter Reisch aus dem

Jahr 1976. Im »Haus der

Werbung schwingt der

unbegabte Werbezeichner

Schmidt Armin MuellerStahl) große Reden, bis

er eines Tages insSchweigen fällt - ganz

einfach, weil er gerade

seine Schneidezähne ein

gebüßt hat. Sein Schwei

gen befördert seine Kar

riere, unfreiwillig bringter es bis zum General

direktor, ein vertrauens

würdiger, bedächtiger

sozialistischer Leiter, so

scheint es. ls er wieder

redet, ist es damit aller

dings vorbei.

Page 30: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 30/136

  6 umor ist e i ~ e p l n t-==..=:=====================================================

Günter Krone

Ein Affe   der  dressiert als Star

schon häufig aufgetreten war

behängt mit Hose und Jackettgrinst von der Bühne ins Parkett.

Das Publikum auf die Dressurgespa.nnt lacht amüsiert retour.

Der Affe tapst im Kreis herumdie Beine breit den Rücken krumm.

Er stolpert bis zum Bühnenrandund patscht mit der behaarten Hand

auf seinen Bauch und den Poponach rt des Affen von Niveau.

Und weil wenn er Grimassen macht

das Publikum erheitert lachtspreizt er die Lippen bis zum Ohr.

Der Affe kommt sich komisch vorund hält die Faxen für Humor.

Ein Irrtum der uns unbedingt

dem Affen menschlich näherbringt.

Page 31: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 31/136

Page 32: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 32/136

  8

Wat ziehsten du an zur

Brigadefeier?

'n j nz irren Fummel <<

l les zum Wohle des Volkes

Angela Gentzmer

ia llar äl ari OSketch mit Helga Hahnemann und agmar Gelbke

Henne und Dagmar Gelbke als Verkäuferinnen beobachten die

Kunden und unterhalten sich.Henne: Na, sag mal, die drängeln sich hier wieder rum, diese

Knalltüten Können die nich' mitten inne Woche einholen?Ausjerechnet freitags falln se über ein' her wie de Heuschrek

ken - machen hier allet mistig und meckern oben-drein noch, det se anne Kassen so lange anstehenmüssenDagmar: Schad' se gar nischt

Henne: Wat haben Se denn da eben rinjeschmis

sen, junge Frau? Wat? Dit Eis is' jar nich' mehrim Karton? Sie ham wat am Karton Bevor sie'tinne Pfoten hatten, sah et nämlich noch janz manierlich aus Da kannste mal sehen, Jacqueline,schmeißt dit einfach uff den andern Matsch wieder ruff Dabei sieht et in die Kühltruhe sowiesoschon aus wie bei Hempels untert SofaDagmar: Du - die will gar keen Eis - ich gloobe,die sucht Spinat

Henne: Na, dit schlägt doch wohl dem Faß denBoden aus Wenn Se noch lange suchen, jungeFrau, werden Se zwischen dit Sahne-Eis vielleichtnoch uff Öl stoßen, aber Spinat - den finden Se beiuns neben de Makrelen Wrr sind ja schließlich 'ne

jut aussortierte HalleDagmar: Wrr halten nämlich den Hallenrekord.Henne: Da is' keener drin? Na, denn isser eben alle Mann,

jetzt muß man die Leute ooch noch sagen, wat se kochen sollen Für die paar Piepen Wrrd Zeit, det et mal wieder 'ne Prämie gibt.

Dagmar: Wat ziehsten du an?Henne: Zur Brigadefeier? 'njanz irren Fummel. Grün mit Pai

letten Also, hier is allet so jezogen, wa? Tiefer Ausschnittkeen BH drunter und 'n Chiffon-Schal - den wickel ick mirdreimal so um'n Hals - wat is, Oma? Wieviel der Käse kostet? Steht doch clruff Wenn Se nich' lesen können, müssenSe 'ne Brille tragen Meine Jüte, Oma, wie kann man dennin Ihr' Alter noch so eitel sein?

Page 33: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 33/136

Alles zum Wohle des Volkes

Dagmar: Also ehrlich, hier loofen nu so viel junge Leute rum

- gönnde ihr da nich' mal eener was vorlesen?Henne: Ach, die ham doch alle keen Benimm Siehste, jetzt

haben se ihr sojar noch jeschubst Halten Se sich an't Ku chenrejal feste, Oma So, aber wenn't jeht, die Schrippen

nich' mitte Hände anfassen wegen der Hygiene Wat is' los,

Fräulein? Ob dit allet Angola is'? Wenn Se inne Schule besser uffjepaßt hätten, wüßten Se, det wir inne DDR leben

Dagmar: Du, die meint Cola zum Trinken

Henne: Ach - Cola? Ja, dit is' allet Oder wollen Se sich an Cola

etwa dotsaufen?

Dagmar gähnt.Henne: Ick hab ooch so schlecht geschlafen. Am

besten schlaf ick immer bei's Fernsehen. Aber

sobald ich im Bett liege, bin ich hellwach.

Dagmar: Ick habe ooch keen Ooge zujemachtHenne: Haste Egon wieder mal nach oben genom-

men, wat?

Dagmar: Na, was sollt'sch denn machen? Sonst re-

pariert der doch nich' mein Fernseher - ach, dakommt Karl

Henne: Wat'n, unser AGLer? Den hab ick gefres

sen Der wollte mir inne Versa.mmlung mal kritisieren Aber, dit hab ick gleich im Keim er-

stickt Den hab ick erst mal meine janzen Orden

und Ehrenurkunden unter de Neese jeriebenUnd dann hab ick mir jegen seine oberflächliche

und unsachliche Formjanz energisch verwahrtZum Schluß hat er sich mit 'ne Pulle Wein bei

mir entschuldigt Und ick hab ihm 'n mk jejeben, det er

mein anjekratztet Image mit 'ne Prämie wieder uffpolierenkann

Dagmar: Du, aber soviel ich weeß ...

Henne: Na, sage mal - is' denn sowat möglich? Jetzt stehn die

schon hier hintenhin Schlange Herrschaften, habt ihr dennnischt besseret zu tun, als hier unser Dienstjespräch zu be-

lauschen? Fahr fort, Jacqueline, aber 'n bißchen leiser Du

weeßt, wir sind JeheimnisträgerDagmar: Ich wollte bloß sagen, daß ich gehört habe, daß du

diesmals gar keene Prämie kriegen sollstHenne: Icke? Keene Prämie? Da biste aber schief jewickelt

Mensch, wenn ick als Verkoofskraft mit Weltniveau schonkeene Prämie verdient habe wer soll'n denn eene kriegen?

9

Herrschaften habt ihr

denn nischt besseret zutun als hier unser Dienst-

jespräch zu belauschen?«

Page 34: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 34/136

3

1

1

»Sie gucken mich im-

merzu an Kennen wir

uns? 

Alles zum Wohle des Volkes-

Peter Ensikat

I apitoll

Unsere Menschen werden ausgezeichnet, wenn sie gut arbei

ten. Sie werden von Presse, Funk und Fernsehen an ihren je

weiligen Ehrentagen gewürdigt. Sie bekommen Prämien, wennsie irgend etwas Besonderes geleistet haben oder gerade dran

sind. Aber sie werden hier und da noch miserabel bedient, wenn

sie ein Bier trinken gehen. Da nutzen auch keine noch so zahl

reichen und gewichtigen Eintragungen in der Kaderakte unter

der Rubrik »Staatliche Auszeichnungen«, es gibt Kellner, vor

denen sind wir alle gleich.

Gewiß, Kellner ist kein leichter Beruf. Aber ehe sie Gast in un

serer Gastronomie werden, entschließen sich doch viele, lieber

Kellner zu sein. Sei es im gemütvollen Dresden, im schnoddrigen Berlin oder gar an der Ostseeküste, wo sich zur Saison

1

-.·--

alles zu treffen scheint, was es in

der Republik an Unfreundlichkeit

und schlechter Laune gibt.

Ein Restaurant betritt der Gast

nicht ohne Lampenfieber. Am

schlimmsten ist es in den feineren.

Da beginnt die Ungeselligkeit

schon an der Tür und anonym. EinSchild bittet den Gast oder fordert

ihn einfach auf, sich einen Moment

zu gedulden, da der Restaurantlei

t r oder Oberkellner ihn »ordnungsgemäß« (im Dresdner »Sze

ged« steht wirklich ordnungsgemäß plazieren werde. Nichts

kann bei uns so lange dauern wie dieser Moment. Da steht

dann der Bittsteller, der diesen Service auch noch mit höherer

Preisstufe bezahlt, verlegen an der Tür starrt den bereits »Pla

zierten« auf die Teller und sehnt sich nach dem Selbstbedienungsding an der Ecke, in dem alle stehen müssen.

Aber jetzt heißt es durchhalten, vielleicht einen verirrten Kell

nerblick auffangen, das Gesicht in Bittfalten legen und insge

samt einen trinkgeldfähigen Eindruck machen. Der Schlips

wird nur noch in Nachtbars verlangt, Trinkgeld überall. Kommt

dann der Restaurantleiter doch mal vorbei, schaut r einen an

mit dem Blick, den ich von meiner Stieftante Elly kenne, die

an der Ostsee wohnt und jedesmal, wenn man bei ihr klingelt,

über den vielen Besuch stöhnt. Dann ist man schließlich froh,wenn man überhaupt unterkommt.

Page 35: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 35/136

Alles zum Wohle des Volkes•

Vorbei der Traum von einem Platz an einem der schönen frei

en Fenstertische Die feine Entschiedenheit des gequältenOberkellners, der eigentlich Einsiedler werden wollte, heißteinen dankbar sein, wenn man sich irgendwo mit ranquetschendarf. Was dann kommt, muß nicht näher beschrieben werden.Es ist zwar überall ein bißchen anders, aber das Prinzip ist das

gleiche: sitzen, warten, bestellen, warten, essen, warten, zahlen. Was man zu essen bekommt, wie man's bekommt und wasden Kellner sonst noch an den Gästen stört - das hat j wohljeder schon erlebt. So.

Spätestens jetzt ist der Moment zu sagen, daß die Kellner garnicht gemeint sind. Wo kämen wir hin, wenn wir eine ganze Be

rufsgruppe ... Und ganz bestimmt gibt es auch einen Berufsverband, der mit aller Entschiedenheit darauf hinweisen muß, daßhier ganz einseitig nur das Schlechte gesehen wird, noch dazu

übertrieben und falsch verallgemeinert wurde. Stimmt. Deshalb lasset uns nun erst mal richtig verallgemeinern: Es sitzenoder stehen jene Kellner nicht nur in der Gastronomie herum.Wir begegnen ihnen auf der Post, im Wohnungsamt, im Kon

sum an der Ecke, im Warenhaus, kurz überall dort, wo es wasgibt, was jemand haben will. Sei es eine Fahrkarte oder einenWohnungstauschantrag, ein neues Auto oder einen Staubsau

ger, überall muß man damit rechnen, einem jener Kellner zubegegnen.

Ich habe vor kurzem meine Fahrerlaubnis erworben. Bei derPrüfung nahm ein stummer, aber durchaus nicht freundlicherHerr im Fond Platz. Er war von jener unfreundlichen Höflich

keit, die man bei uns Korrektheit nennt und gegen die manchmal auch eine Dienstbekleidung nicht schützt. Nachdem wirzwei Prüflinge die Prüfung bestanden hatten, begann der Prüfer seine Auswert11ng. Zum eigentlichen Prüfungsgegenstandhatte er wenig zu bemerken. Um so mehr zur Haartracht mei

nes Mitprüflings. Wenn es nach ihm ginge, bekäme so jemand

überhaupt keine Fahrerlaubnis, bevor er sich nicht seine Haareschneiden ließe und überhaupt, wie er herumlaufe, und wiesein Ausweis aussehe ...Der junge Mann hatte tatsächlich lange Haare. Mir fiel sogarauf, daß seine Finger nicht ganz sauber waren. Er war näm

lich Dreher und hatte für die Prüfung zwei Stunden freibekom

men, wie er mir hinterher erzählte. Weil er gern die Fahrerlaubnis haben wollte, ließ er sich alles stumm gefallen. Und dasmeine ich: Wer was haben will, muß sich noch so viel gefallen

lassen, daß man eigentlich nur froh sein sollte, wenn man malnichts will.

31

»Warum setzen Sie· len Kelliler nicht anl iil: L . ; · ~ ? J,' .o.;. .·e rU1t. u l ~ T U , l

.

·-Gast den GeschiiftS„ ·führer eines Restau

rants. »Jeder weißdoch, daß er für die

i$tasi spioniertfw :

W a r u m s o l l t e . 1.

·erwiderte der Re-·staurantleiter, »der

.nächste Spitzel istmöglicherweise kein ·'

"  ; o ~ t e r Kellil,jlft• ·- ' . : 1 '

D   . - -

Page 36: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 36/136

32 l les zum Wohle des Volkes

Johannes Conrad

r r a e a o 1H

wö to ~Sie wissen ja, wie das ist: Kaum hat man die Zeitung aufge

schlagen, da springen einem auch schon die Fremdwörter wie

kleine Affen an, und man versteht oft nur die Hälfte des Arti-

kels. Dann kommt man sich dumm und häßlich vor, denkt gar,

man sei ungebildet, wenn nicht schlimmer, schlägt sich vor die

Stirn, und schnell hat sich ein Minderwertigkeitskomplex bei

uns eingeschlichen. Wrr kriegen in Gesellschaft dauernd eine

rote Nase oder ähnliches, treten verlegen auf den Füßen und

werden darum nie mehr zum kalten Büfett geladen: »Das ist dermit der roten Nase «

Aus diesen Gründen habe ich mir kürzlich ein Fremdwörterbuch

gekauft: 20000 Fremdwörter aus Gesellschaft,

Wissenschaft, Technik und Kultur Der Winter

wind blies. Ich kam mit kalten Ohren zu Hause

an und schlug sofort das Buch auf.

Ich fand im Fremdwörterbuch Soljanka

bei deren Nennung man sofort an den

Klang der Balalaika und an Moskaus

goldene Zwiebeltürme denken muß. Es war wie eine Reise ins Abenteuer, Freunde:

an den Orinoko, zum Alpha Centauri oder an die BAM Manfühlte sich in seine Robinson-Crusoe-Periode zurückversetzt.

Zuerst habe ich natürlich schnellstens einmal nachgeschlagen,

was »Bidet« bedeutet, denn das lag mir am Herzen, weil mein

Kollege Wustermann in Paris anläßlich einer Gastspielreise in

der Toilette unseres Hotelzimmers beim Anblick dieses merk

würdigen Porzellanbeckens bemerkte, die Franzosen hätten

aber kleine Badewannen Dann hat er sich die dreckigen Füße

drin gewaschen .••

Ubrigens war das jene Gastspielreise, wo spät abends, als wirgerade ins Hotel zurückgekehrt waren, das Licht ausging. Mein

Kollege Wustermann, der sich nachts immer noch einen star

ken Kaffee aufbrüht, wollte sich nach den Ursachen des Stromausfalls erkundigen, verließ unser Zimmer und sah im Treppen-

haus plötzlich zwei große, kluge, weiße Menschenaugen ohne

alles auf sich zukommen. Er schrie entsetzlich auf, aber daging glücklicherweise das Licht wieder an, und die zwei gro-

ßen, klugen, weißen Menschenaugen gehörten einem gewissenSambesi Bdemilla, Bürger aus Zaire, welcher in schwarzem

Bademantel aus dem Bad gekommen war, um sich ebenfalls

Page 37: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 37/136

Alles zum Wohle des Volkes

über die Stromausfallursachen zu informieren. Sambesi spen-

dierte uns am gleichen Abend auf seinem Zimmer noch mehre-re Dosen Bier. rr haben uns in der Zeichensprache unterhal-ten, obwohl er drei Sprachen sprach. Für uns Spracharmewaren es aber leider fast nur Fremdwörter. Da hätten wir auchein Fremdwörterbuch gebraucht

Jedenfalls bekam ich durch den oben beschriebenen Badewan-neneindruck, wie ich erst jetzt beim Studium meines Fremdwör-

terbuches feststellen konnte, ein völlig falsches Bild von derfranzösischen Nation, denn ein Bidet ist nun mal keine für den

ganzen Menschen gedachte Badewanne, sondern ein zur Säu-

berung eines wenn auch wichtigen, aber doch relativ kleinenKörperteils gedachtes Sitzbadedings. Außerdem konnte mandas Bidet auch noch verwechseln, wie

ich eruieren konnte, mit dem Bizeps.

Wie sternenhimmelweit wird doch derHorizont des Menschen durch einFremdwörterbuch Vom Transverterdachte ich beispielsweise jahrzehnte-lang, er sei ein Nachahmer des ande-ren Geschlechts, so eine rt Weib-

mann also. Ja, Pustekuchen mit Elek-trizität hat der Kerl zu tun Und einTrend ist auch kein Wettermantel-

stoff.Beim Nachschlagen kann man natür-lich auch höllisch aufs Maul fallenZufällig schlug ich »Colla Destra« auf. Ich dachte erst an so waswie eine ausländische Vita Cola, doch es hieß: »Mus mit derrechten Hand«. Aha, dachte ich, das ist also ein mit der rech-ten Hand zubereitetes Mus: Pflaumenmus, Kartoffelmus und

anderes. Mir lief schon das Wasser im Munde zusammen. Aberdann lese ich doch plötzlich, daß »con dolore« »Mus, schmerz-

voll, trauernd« sein sollte. Erst dachte ich da auch noch, sturwie man ist, es sei eine Speise für traurige Anlässe: für Pre-mierenfeiern und ähnliches. Dann begann ich positiv zu zwei-

feln und fand unter »Abkürzungen und Zeichen«, daß Mus

Musik bedeutete und nicht Kartoffelmus So überrascht kannman werden, wenn man ein Fremdwörterbuch unsachgemäßbenützt. Ansonsten aber nur schiere Freude, Freunde Und Auf-

klärung Die Wörter erwachen zum Leben Das ist so, wie mitmeiner Kollegin Agnes Kraus, die jajeder aus dem Fernsehen

33

Page 38: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 38/136

34

Zwei Coµsins, der · ·

enie aus"Köln .·:·der .;an.dere aus Ro.stoclr,,

· . · .,....... -

treffen sich. Zum Ab-

schied sagt <i er Kö1:ner: »Du schieibst, .

wie es dir geb..t u n ~ ... ,:_

wie bei euch so dieLage is tt« - »Bas

wird schwer«, meintder· o s t O c k e ~ » b e iuns geht die Postdtfrch ~ Z e n s u r « ~

, -  

»Macht i c h t ~ « , sagtder·Körner, »ist allesin Qrdntµig, s ~ h r e i b s t

u l n i t schwarzer . .

TiI1:te, ~ ~ n n P r obleine gibt, scllreibst

u dasselbe in Grün.«• :;   1 . ··- -   „ „,- . : - =N ,, • ' ,J.'f. ,   .„_,_. __ ,

Wochen ·später ernält. .

der; K ö l . A ~ r   n ;, .·· .c „r 1

Brief, mit schwarzer

TiQcte c h r i ~ v e n . .»Hier ist·alleswun

detbar. l1nserem . .....·.. _:- .

Land geht es immer

besser. · Bie Menschensind glücklich, undman kann kamen . . ~ ~ ; -

. ,was man will. Butter,

Eier, Apfelsinen, Rfu-derlilet - nur leiderkeille grilne Tinte.« \

Al les zum Wohle des Volkes

kennt, als wir einmal in Rostock waren und auf dem dortigen

Bahnhof eine fanatische Mutter ihr Kind hochriß und laut rief:

Na, nu gugge ma rischtsch, Danscha: Jädzd siehsdse ma lä

wändsch Und so läwändsch werden einem auch die Fremdwör

ter durch ein Fremdwörterbuch

»Non« beispielsweise ist kein geschwollenes Versammlungsredner-Nun, sondern es heißt »nicht«. Also, dachte ich mir, ein No

nagon ist so etwas wie das Gegenteil von Estragon, die Vernei

nung davon eben, ein negatives Gewürz also. Aber weit gefehlt

Es ist ein Neuneck. Nicht einmal ein Nichteck. Von der Char

meuse dachte ich schon als Knabe, sie sei ein charmantes Weib.

Ist aber ein maschenfestes Kunstseidengewirk Warum aber ein

charmantes Weib ein maschenfestes Kunstseidengewirk ist, das

konnte ich nicht feststellen. Das stand nicht drin.

Es steht aber das beliebte Biskuit drin, was wir ja alle kennen.Seltsam heimelig mutet es an zwischen Wörtern wie Biozöno

se und bizyklisch, was nicht etwa ein von einem Sachsen aus

gesprochenes »bezüglich« sein soll, sondern ganz etwas ande

res. Wie eben vieles ganz etwas anderes ist im Fremdwörter

buch

Selbst die Soljanka fand ich darin 0 Soljanka, bei deren Nen

nung man sofort an den Klang der Balalaika (auch die steht

drin ) und an Moskaus goldene Zwiebeltürme denken muß

0 liebliche, sahneveredelte Soljanka, bei deren Genuß meinKollege Lisewski vor Jahren anläßlich eines Ausflugs bei einem

Leningradgastspiel staunend fragte: »Det Soljanka sein?«, was

ich dann sofort in der EULE berichtete, wo man aber druckte:

Det soll Soljanka sein? Das war sehr traurig für mich, weil die

Kollegen mich daraufhin der pointenversauenden Bericht

erstattung und der Blödheit bezichtigten. Nur ein etwas vergeß

licher Kollege, dessen lieber Name hier ungenannt bleiben soll,

kam Wochen später, weil er einem jüngeren Freund die obige

Anekdote berichten wollte, zu mir und fragte mich: »Du, he, sagdoch mal, he, wo steckte denn gleich in dem Leningradwitz von

Lisewski >Det soll Borstsch sein?< der Witz, he? « Ich konnte es

ihm auch nicht beantworten. Aber es erfüllt mich mit Stolz, daß

ich das jetzt hier dank meines Fremdwörterbuches allen inter

essierten Schichten berichten kann, denn vorher wußte ich nie

so richtig, wie man Borstsch schreibt. Und sogar das wunder

bare Rumpsteak fand ich in meinem Fremdwörterbuch. Dage

gen ist ein Bootssteak nicht vorhanden. Also wird ein Boots

steak wahrscheinlich kein Fremdwort sein. Kein Wunder auch,wo man das Ding doch an jedem märkischen Tümpel findet.

Page 39: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 39/136

  lleszum Wohle es Volkes

Aber das lernt man dann eben aus so einem Fremdwörterbuchgleich mit. Allgemeinbildung, Freunde Ahnten Sie zum Bei-

spiel, daß die Differentialgeometrie die Anwendung der Infini-

tesimalrechnung auf die Untersuchung von Raumkurven undkrummen Flächen ist? Von krummen Flächen Wann je hört

man sonst von krummen Flächen Das kommt einem vor wie

die vierte Dimension bei Stanislaw LernMit einer weniger ausschweifenden

Phantasie darf man bei krummen Flä-

chen natürlich auch an das Erzgebirge,

an Thüringen oder alten Zuckerkuchen

denken. Wie man sieht, steckt eben

selbst in der Differentialgeometrie die

süßeste Romantik und Barbara Utt-

mann und der ganze Rennsteig.

Das ist mir schon eine erfreuliche Kistemit den Fremdwörtern, trotz ihrer

hundsgemeinen Orthographie So

etwas von eindrucksvoll Wußten Sie,

wie die Leuchterscheinung beim Zer-

brechen von Kristallen heißt? Ja, ja,

jetzt möchten Sie wohl auch ein Fremd-

wörterbuch haben? Nun, ich will es

Ihnen verraten: Tribolumineszens heißt

sie Welch ein stattliches Wort Alskäme Altmeister Goethe persönlich an-

geschritten Wenn Ihre Frau beim Ab-

waschen die teure Bleikristallvase von

Tante Emmi fallen läßt und es leuchtet,

können Sie ab heute rufen: »Mach doch

nicht so eine Tribolumineszenz, Klara «

Schön, so ein Fremdwörterbuch

Zum Beispiel ist es mir jetzt möglich,

die unverständlichsten Sätze zu bilden,

KULTUR

IST

JEDER

ZW ITHERZSCHL G

UNSERES

LEBENS

5

und trotzdem verstehe ich sie. Das wichtigste aber ist: Ich kann

meine Tagesgazette nun immer ohne Mißverständnisse lesen

Mit einem Fremdwörterbuch wird man eben zum Digger, wie

man als alter Fremdwörterbuchleser sagt, was Goldgräber

heißt und nicht etwa ein wohlbeleibter Leipziger ist. Es lebe

das Fremdwörterbuch Ich nehme es jeden Abend mit ins Bett.

Meine Frau ist schon eifersüchtig

ie sehen doch selbst -für Bilder habe ich kei-

nen Platz «

Page 40: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 40/136

36 lles zum Wohle des Volkes

John Stave

Einern allgemeinen Trend folgend habe ich mir jetzt gewisser

maßen ein Auto gekauft einen sogenannten Trabant weil er,

als Wagen des kleinen Mannes am ehesten meinem ganzen

Charakter oder auch Habitus entspricht.

Zunächst muß ich jedoch einmal mitteilen daß unser Haus in

dem wir wohnen kein typisches Haus ist. Es hat keinen Fahr

stuhl und mißt auch nur drei Stockwerke. Das Bauwerk ist

außen ohne jeden keramischen Zierat und etwa kurz nach der

Jahrhundertwende entstanden.Die Bewohner sind zum größten Teil ältere Menschen die mei

sten Rentner. Einige jedoch sind noch jünger also berufstätig

zum Beispiel in einer Röntgenabteilung in einem Massage

institut bei der Deutschen Post und so weiter.

Das alleruntypischste in diesem alten Haus ist allerdings die

Tatsache daß kein einziger Mieter bis dato ein Auto besaß was

S h·ß t t . f d st· mich so lange auch nicht im geringsten störte. Denn die

c we ra mir au e 1rn. . . .

1 h b d. Straße als solche m der das Haus sich befindet wrrd

c egann, an em a gemeinen k aft t ffb t · b G fäh rt h h. ·T d

f1

von r s o e ne enen e en o ne 1n ausre1-ren zu zwei e n.

chend benutzt. Sogar eine Omnibuslinie führt von mor-

gens 4.45 Uhr bis abends 23.45 Uhr direkt am Haus vorbei.Aber ein allgemeiner Trend zielt j wohl dahin daß jeder Bür

ger der DDR bis zum Jahr 2000 ein bis eineinhalb Autos besit

zen wird. Und wenn jedes Haus es rein autobesitzermäßig

wie unser verehrtes Haus halten wollte da geriete die ganze

Planung mächtig ins Wanken.

Noch vor einigen Wochen sagte Frau Baumstamm aus dem

zweiten Stock zu mir: »Na, höm Sie mal daß Sie keinen Wagen

besitzen - das widerspricht doch völlig Ihrem Status. Sie könn

ten doch Autos noch und noch haben ...«

Ich redete so drum herum daß ich an und für sich gegen Um

weltverschmutzung jeder rt sei und daß die Unfallquote

schon hoch genug sei und so weiter und so fort. Aber insge

heim war der Keim des allgemeinen Trends in mir doch schon

aufgegangen wie bei einer eingekellerten Winterkartoffel.

Kurz und gut ich habe dem Lager der Fußgänger den Rücken

gekehrt und bin quasi ins Lager der motorisierten Bevölkerung

konvertiert.

Natürlich fühlte ich mich in meiner Haut anfangs nicht gleichsauwohl sondern kam mir vor wie der Mann, der in der Bibel

Page 41: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 41/136

  lleszum Wohle des olkes

oder irgendwo anders immerzu den teuersten Wein trinkt, aber

lediglich Wasser predigt.Nun, jedenfalls eines Tages stand das betreffende Vehikel auf

der Straße vor dem genannten Haus. Es war kein nagelneuer

Wagen, er hatte 70 Kilometer herunter und bereits den er-

sten Besitzer hinter sich. Ich war der zweite. »Secondhand«,

sagt der Fachmann.Der Wagen war mir aus Freundeshand zugefallen, und zwar zu

einem so günstigen Preis 5000 Piepen), daß der betreffende

Freund mir sogar die Freundschaft aufkündigte, als er erfuhr,

was er unter Brüdern für den Schlitten hätte herausschindenkönnen, wobei mit den Brüdern keine leiblichen Geschwister

gemeint waren.

Ich stand also gewissermaßen auf der Straße und wusch den

Wagen. Er war von grauweißer Farbe, die nun langsam zum

Vorschein kam und in der Frühlingssonne blitzte. Hin und wie-der öffnete ich die Wagentür

und ließ sie bald darauf kra-chend wieder ins Schloß fallen,

einige Male betätigte ich die NMELDUNG

Hupe.

Hinter den Fenstern unseres

Hauses tauchten verstohlen

Gesichter auf. Zuerst das Ge-

sicht von Frau Lösche, danndas von Frau Baumstamm.

Frau Barley kämmte ihremschulpflichtigen Sohn Maximi-

lian auf dem Balkon die Haare.Herr Frei machte sich an seinem Fensterbrett zu schaffen. Sie

taten es alle sehr geschickt, aber ich merkte, daß ihr Interes-

se einzig und allein mir beziehungsweise dem Vehikel galt.

Um nun dem Wagen ein etwas besseres Aussehen zu verleihen,

hatte ich mir schon beim Zubehörzentrum eine rote Fondabla-ge zu 9,50 Mark angeschafft, des weiteren ein schwarzes

kunstledemes Lenkerband sowie eine chromblitzende Auspuff-

kralle, und zwar nicht nur angeschafft, sondern auch ange-

bracht.Herr Lösche kam mit seinem ewigen Rucksack aus dem Hausund ging offenbar in die Kaufhalle einholen. Der Nachbar sagte

freundlich »Guten Tag « und lief ohne Umschweife und ohne

meinen Wagen überhaupt zu bemerken weiter.

Auch der Knopflochfabrikant aus dem Nebenhaus nahm, als er

37

Und dabei habe ich nur

gesagt wenn er schnel-

ler bedient sein will

soll er die Scheiben

selber m t etwas Papier

abdecken. «

Page 42: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 42/136

38

»Als Trabantbesitzer

sollten Sie daran den-

ken daß mein VaterLeiter des rsatzteilla-

gers ist

-  --

Alles zum Wohle des Volkes

seinem knallgelben Shiguli entstieg zwar von mir, nicht je

doch von meinem sogenannten fahrbaren Untersatz Notiz.

Gerade bückte ich mich, um dem linken Vorderrad den nötigen

Glanz zu verleihen als die Stimme von Frau Baumstamm er

tönte. Sie rief aus ihrem Erkerfenster: »So ein billiges Auto

paßt gar nicht zu Ihnen. Sie müßten doch mindestens einen

Wartburg de luxe diese Preislage jedenfalls haben «

Peng schloß sie das Fenster und zog hastig die Gardine zu.

Herr Frei kam mit seinem Hund herunter. »Hattest du nicht ge

sagt wir wollten mal bei Gelegenheit ein Bier trinken gehen?«

fragte Herr Frei während sein Hund ungeniert an meinen

- „._

Wagen pinkelte. Ohne eine Antwort abzuwar

ten zogen die beiden weiter.

Dann öffnete sich die Tür und Frau Barley

betrat mit ihrem Sohn Maximilian die Straße.

Ich nahm die Mütze ab und wollte einen meiner üblichen netten Scherze anbringen etwa

sagen: »Sonne auf allen Wegen, Frühlings

königin und Maienprinz ...«

Aber Frau Barley hielt die Hand ihres Sohnes

fest umschlossen und als sie grußlos vorbei

schritten hörte ich, wie die junge Mutter zu

ihrem Sohn sagte: »Sieh einmal Mäxchen die

ser violette Zastava dort drüben gehört Doktor

Meisel, bei dem wir nächste Woche einen Termin haben.«

Ich stand wie bedeppert mit meinem nassen

Lederlappen in der Hand da. Schweiß trat mir

auf die Stirn. Ich begann an dem allgemeinen

Trend zu zweifeln. Ich verfluchte den allgemei

nen Trend.

Plötzlich sah ich, wie die Spatzen auf den Bäumen ihr rußiges

Gefieder putzten bemerkte daß eine Taube zaghaft aus einer

Olpfütze trank. Die ganze Umweltverschmutzung kam mir aufeinmal wie kalter Kaffee hoch. Ich schleuderte den Lederlap

pen in den Plasteimer und das herausspritzende Dreckwasserbenetzte mein Beinkleid.

Noch am selben Tag begab ich mich zur nahe gelegenen

DEWAG-Anzeigen-Annahmestelle. Ich füllte ein Anzeigenfor

mular aus: »Verkaufe Trabant 601 Sx, Baujahr 70 Garagenwagen viele Extras etwa 7000 - Mark.«

Den kleinen Aufpreis müssen Sie schon entschuldigen verehr

ter Leser. Damit folge ich nur einem allgemeinen Trend.

Page 43: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 43/136

• •

ut „ . . . . ~ : . . . u- ~ V I „ . . ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ : t f ~ ~men  un f Her,.,. .. o t n g ~ , , r  o.J· ~ ~ ~

PolyeR W · f. ,

. z.Z, keinei Auskunft/( W N TZUNG

. ' '

..

„Hauptsächlich benutzen wir ihniu',11 H ~ ' . ' s a p e l n " ' ~ ' ' ' ' ' ' • . ... i

_ _ i , ,r••1 '*' t•• ~ - ~ m -... " ..,..,bi ,.,.,, - ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ „ ~ ~ ~ ~ )

, ·Erich Honecker geht in Ost-Berlin spazieren. rsieht eine Frau, vollbepackt mit Einkaufstaschen. >>Na Genossin, da haben Sie aber flei

ßig eingekauft <<>Das kann man wohl sagen, Genosse Staatsratsvorsitzender. DreiStunden musste ich dafür anstehen << - »Aber Genossin Es gibtLänder, da müssen die Leute für einen Schluck Wasser einen ganzenTag anstehen << »Ja, die sind dann aber sicher schon länger sozialistisch als wir ...«

Page 44: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 44/136

4 l les zum Wohle des Volkes

Ernst Röhl

Runkelbauer hatte ich seit unserer Schulzeit so gut wie aus den

Augen verloren. Neulich begegneten wir einander per Zufall,

jeder in Eile, und verabredeten einen Lokal-Tennin in meiner

Stammkneipe »Zum halben Liter«.

Leicht verspätet traf ich ein. »Entschuldige, Runkelbauer«,

sagte ich außer Atem, »ich habe noch ein bißchen was einge-

kauft. Frische Semmeln, wenn dir so was ein Begriff ist.«

»Semmeln? Semmeln??« Er legte die Stirn in Falten und ver-

stand offenbar nicht so recht.

»Diese handlichen, faustgroßen, knackigen Apparate. Bröt-

1 h b. „

1 h F h b .t f chen, Knüppel, Schrippen ...«

c 1n nam 1c ac a r e1 er ur 11 r · kl · b k, gt» eizen einge ac . «sa e er.Transpiration. Früher nannte man »Genau. Und stell dir vor: Im Kaufhaus hab ich end-das Schweißer.

lieh einen Zollstock erwischt.«

»Zollstock?« fragte er zurück und fing wieder an zu grübeln.

Ich öffnete meine Tasche und hielt ihm den Zollstock unter die

Nase.

Er klatschte sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Holzglie-

dermaßstab«, rief er. »Daß ich darauf nicht gekommen bin «

»Bei der Gelegenheit hab ich auch gleich mal geguckt, ob ich

für meine Tochter nicht 'ne nette Lampe und einen passablenOfen sehe.«

»Lampe?« fragte er, und ich wurde nun doch langsam stutzig.

»Für die Stube, Mensch. Mehr Licht «

»Ach, eine Wohnraumleuchte Pardon«, fügte er hinzu, »aber du

befleißigst dich da einer unpräzisen, seltsam antiquierten Aus drucksweise.«

»Hauptsache, du weißt wenigstens, was ein guter, alter Ofen

ist.«

»Bedaure, nein.«

Prüfend blickte ich ihm in die Pupille, ohne allerdings etwas

anderes als aufrichtiges Unverständnis zu bemerken.

»Ein Ofen«, erläuterte ich geduldig, »ist ein Gerät zum Behei-

zen von Räumen.«

»Siehste, und darum heißt es Raumheizer. Ofen hieß es viel-leicht früher mal.«

»Na schön, ein Raumheizer. Weißt du, meine Tochter, die Ros-witha, die arbeitet als Sekretärin ...«

Page 45: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 45/136

Alles zum Wohle des Volkes

»Als ...«

».. als Tippse, genau. «

»Als Facharbeiterin für Schreibtechnik.«

»Auch gut. Also die ist verheiratet, mein Schwiegersohn ist üb-

rigens Sargtischler ...«»Sargtischler?«

»Der stellt Särge her wenn's recht ist.«»Du meinst Erdmöbel. Särge sagte man früher.«

»Meinetwegen Erdmöbel. Also die bei

den bauen ein Häuschen ...«»Ein Eigenheim.«

»Richtig. Und die haben Ofenheizung

also Raumheizerheizung ...«

In diesem Augenblick erschien Otto,der Kellner: »Wie immer - der Herr,

Pils und Doppelkorn?«»Für mich ja. Und für diesen Herm ein

Gerstenkaltgetränk und einen poten

zierten Getreidebrand.«Otto schwirrte, leicht verwirrt, ab.

»Wär doch gelacht, Runkelbauer«, er-

klärte ich »wenn w r beide keine ge

meinsame Sprache fänden.«

»Eigentlich«, bemerkte er »könnten wir

auch etwas zu essen kommen lassen.«»Um Himmels willen - bei meinem••Ubergewicht Ich nehm sowieso schon

Nahrungsbedarfsminimierer. «

Runkelbauers Miene verriet eine gewisse Ratlosigkeit.

»Appetitszügler, wie man früher sagte. Trinken«, fuhr ich fort,

»dürfte ich strenggenommen auch keinen Tropfen. Ich hab näm-

lich ein ambulantes Harnausscheidungsorgan, verstehste.«»Nein.«

»Was - nein?«»Ich verstehe nicht.«

»Wanderniere«, sagte ich ungerührt. »Stört mich im Beruf

manchmal ganz schön. Ich bin nämlich, falls du das nicht wis-

sen solltest, Facharbeiter für Transpiration. Früher nannte man

das Schweißer.«

Otto baute die Lage vor uns auf. Lächelnd erhob ich mein Glas:

»Prost, alter Schüttgutbehälter Oder wie es früher mal hieß,

mein lieber Runkelbauer: Prost, alter Sack «

- a  • • n

»Kein Zutritt ]ahres -

abschlußfeier

4

>Aber ich bin doch der

]ahresabschlußmann.

Page 46: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 46/136

41

Alles zum Woh l e des Volkes

C U  Wiesner

risöt lloi o orto

lls Hi sa J l lllNehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?

Wieder Nachtschicht gehabt? Dis geht gleich los. Die Arbeits

kräftesittuatzjohn wird immer komplessierter, jedenfalls in mein

Salong. Nehmse sich mal so lange 'ne Zeitung, ick muß bloß

noch den Laden ausfegen. Einkaufen war ick vorhin schon. Nee,

ick bin momentan völlig auf mir alleine anjewiesen. Mein Per

sonal, also Herr Kafforke und Muttern, die rennen nämlich von

Lehrjang zu Lehrjang. So, nu leg ich bloß noch 'n paar Preß

kohlen nach. Ick muß mir j beeilen, denn um halb sechse mach

ick dichte und begebe mir meinerseits selber aufm Lehrjang.Oder dachten Sie, ich bin ein Frosch und schließ mir von die

neue große Massenignazjatiefe aus?

Wat denn? Sie ham noch nischt von dis Schulungsprogramm

vonne KaWeVau jehört? Na, villeicht hat ausjerechnet unser

Stadtbezirk damit anjefangen und jewissermaßen die Nullnull-

serie von diesen dicken Extraknüller jekreiert. Kann j sind, deß

ihnen sonst nich jenug einjefallen is zu den berühmten »Mach

mit Schöner unsere Städte als unsere Jemeinden « Denn unter

diese Losung drunter laufen nu die Kursusse für Selbsthelfer.Wattensema, ick muß rasch den Eimer auskippen. Dis Rohrun

ters Becken is schon seit Aujust undicht.

Zuerst hab ick noch wien Geier auf der Klempner-PeJeHa »Rohr-

spatz« drauf rumjehackt, aber nu hab ick mir inwendig richtig

jehend entschuldigt. Ick konnt doch nich wissen, deß sich die

Klempner alle auf ihre Lehrtätigkeit als qualefessierte Fach

lektoren bei der aWeVau vorbereiten. Wie sollnse denn da noch

Zeit finden für sone porfane Arbeit wie Rohrbrüche und ver-

stoppte Lokusse. Nee, in diese Zeit bringense nu die Bevölke-rung bei, wie man selber mit die Lötlampe und die olle Scheiß

spirale hantieren tut. Nehmense mal den Kopp 'n bißken run

ter Diesen Kursus besuch ick nämlich eigenhändig.

Herr Kafforke war sich zu fein dazu, und Mutternwolltick diese

Schweinerei nich zumuten. Aber die machen dis da sehr ordent

lich. Meine Professoren sind Buletten-Meyer und Umstands

Emil vonne PeJeHa. Meyer macht die Theorie und erzählt, was

es bei die Klempner für Arbeitskräftesorgen gibt, und Emil is

mehr so für die praktischen Vorführungen zuständig. Dis is auch

Page 47: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 47/136

Alles zum Wohle des Volkes

besser so als wie umjekehrt, denn Umstands-Emil braucht sonst

zu ville Zeit, trotzdem die beiden Herren Fachlektoren da villenüchterner sind, als wenn se bei mir vor Ort jearbeitet ham. Lei-

der hab ick mir in dis Fach »Zeitspüler und Spülkastenanlage«

schon ne Vier einjehandelt, weil ick mit Fritze Ladenthin je-

schwatzt habe.

Wenn ick mit den Kursus fertig bin fang ick noch an Ofenset-zerarbeiten zu erlernen, und dabei denk ick sojar perschpektie

fisch. Sehnse, je mehr Wohnungen mit Fernheizung der Staat

baut, um so mehr Töpper hängen ihre Lehmmolle an Nagel und

auf diese Weise hab ick noch ne Schangse,

falls ick doch mal altershalber mein Salonganne PeJeHa »Wellenreiter«abtreten muß.

Hinten n bißken kürzer, wa?

Die andern vier Kurse teilen sich Muttern

und Kafforke. Muttern hat Tischlern undSchlossern belegt. Erstens, meintse, kannst

du sowieso kein Nagel grade einklappen, und

zweitens, meintse, haste schon dreimal die

Schlüssel vermasselt, und wir standen vor

verschlossene Türen. Und was Herrn Kaffor-

ken betrefft, der tut sich in die Kurse Maler

sowie Maurer, Putz, Beton und Fliesenleger

arbeiten als Musterschüler hervor.

Dis is natürlich wie immer bei diesem staubigen Kunden eine janz schnöde Berechnung.

Bis jetz malert er nur Wohnungen, zum Teil

sojar mitten inne Dienstzeit, und als Je-

schäftsstelle mißbraucht er meinen Salong.

Quasselt die Stammkunden beis Haare

schneiden an und sagt, er kann ihnen noch

•. -   . . f

< <

.. . „. - .

janz andre Sachen als bloß immer den Kopp verschönern. Ick

hätt ihn j längst rausjeschmissen, aber wo krieg ick denn n

andern Jehülfen her bei die komplessierte Arbeitskräftesittuatzjohn? Tschuldigense, dis is bloß n Kratzer, ick jeh gleich

mitm Blutstüller rüber. Nu denkt sich nämlich Herr Kafforke,

in Kürze kann er mit seine neue Fähigkeiten auch noch beim

Datschenbau groß rauskommen, aber da hat er sich jeschnit

ten. Sehnse, dis l ßt schon nach, brennt bloß noch n bißken.

Er rechnet j nich damjt, deß die andern Leute auch die janzen

Kurse besuchen und sich in Zukunft ihre Datschen janz alleine

hochleiern können. Dis is nämlich der Haken von die Medallje

und der endjültige Bankrott von bestimmte Handwerkerinnun-

 

,,

//

4

»Gottlob kann uns kei-

ner reinreden was wir

m t unseren vier Wän -

den anstellen.

Page 48: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 48/136

 

F v ~ ~ e i r r f { t i p o t l e r : , _ . · · ~ · · ·• · · • . ~ } > W f e lir ·Met:·•. ·;nufig ~ r i l iieilen ·

i a t t ~ t P i : ~ u i ~ ? · ·• ' ·:~ i n f i . i j c l i t 1 g . · ,·

· · ) > Y f / a s s a g ~ l S i . e z u ~ ·$ e l n f i s t e l l . e i 5 k ~ n : J _ ~ : ·

i j ~ ~ ~ t ~ . , i · ; ~ . : ~ x : - ~ i : ~ · . : : r . ; ; f · - ~ 1 ~ · l ~„ ; ~ · _ » R i g l t i g r g 1 1 ~ s . :

. ~ g t ; : : ~ ' . ' . \ ' . ; . : . f ~ ~ ; , : ; : } 0 · J : · ·>»Hab·en61e denn ; . >

~ e l i i ~ h ~ M ~ i ~ · : { f , : z ~ f :.·. i u ~ g ? ·:;, ·. . ~ : ; . : · · . ·?r:; ~ i . , . : ; : . ~ r . ~ ~ { : , . ~ ~:· · ~ & - i e· ~ · · ..: . ; ; . h   · • · ~ . , ~ ~ : / : ~:} ·:- ..: , : : : : _ :   7 . \ -   -~ · , ;.... · : : : ~ ~ - .'  cli'geraae· :n ''« ··.< :. .· „ ,

; ; . .y. : ;: . . : i · ; : , „ ~ . ; } ~ ' ~ ~ · ~ t .: . „ ;;{t ~ - ; ; •; · •.

Al les zum Wohle des Volkes

gen wo sich besonders schlau vorkommen. Jenau wie ein Zau-

berkünstler, der seine janzen Tricke dis Publikum verraten tut••

Uber den grinsen die Leute doch und denn kann er höchstensnoch als Pausenklohn auftreten.

Wenn ick nu nachts wieder mal nich schlafen kann, denn stim-

mulier ick so vor mir hin, ob die janze neue Schampanje nich

noch mächtig inne Kinderschuhe drinnesteckt. Der erste Fortschritt war die Selbstbedienung inne Kaufhallen bei de Post und

anne Tankstelle, aber nu tritt man schon in eine neue, höhere

Phrase rein, die Selbsthelferei. Damit überwindet man sozusa

gen hüstorisch die Stufe »Eine Hand wäscht die andere« -könn

se mir jeistig noch folgen? - und nu heißt es, jede Hand is so

universaljebüldet, desse sich selber wäscht, natürlich unter die

Anleitung von quallefessierte Fachlektoren wie Buletten-Meyer

und Umstands-Emil.

Aber nu muß man ebent sone hoffnungsvollen Anfänge weiterentwickeln. Wenn erst alle Frauen ihre Männer selber die Haare

schneiden können, dis grassiert ja immer mehr um sich, denn

bewerb ick mir beim Magistrat als Scheffignazjator und knall

ihm meine kühnen Ideen aufm Tisch. Beispielsweise könnte

man in alle Jaststätten die Küche in lauter kleine Kochnischen

aufteilen, wo sich die }äste selber ihr Kotlett braten. Wie ick je

stem meine kühnen Pläne vor Robert Köppen ausbreite, Sie

wissen doch der vonne Bezirksleitung, wollte er mir gleich mit

sein elektrischen Matrijalismus aufs Kreuz legen. Wenn sonejutjemeinten Kurse übertrieben werden, meint er denn hätten

wir ja noch weniger Arbeitskräfte als wie vorher: Wenn näm-

lich die Leute alle Dienstleistungen selber machen müssen,

hamse jar keine Zeit mehr auf ihre richtige Arbeit zu jehn. Wat

denn, sag ick, ihr wollt doch immer den allerseits jebüldeten

Menschen?

Grinst er bloß und meint, aber jeder kann doch nicht alles kön-

nen, oder willste dir ooch deinen Tabak wieder selber aufm Bal-

kong anbauen wie fümmenvierzig? Und denn wollter mir nochweismachen, sie sind eigentlich mehr für Arbeitsteilung und

Spezialisierung. Aber in diese Beziehung bin ich ein Fuchs und

warte erst mal den Parteitag ab. Und wenn Robert Köppen recht

hat, denn sag ick den Töpperkursus ab und laß mir lieber aufe

Volkshochschule griechische Jötterkunde einbimsen. Denn ver-

steh ick wenigstens die modernen Theaterstücke. Macht zwei-

fuffzig.

Page 49: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 49/136

Page 50: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 50/136

  6 lernen lernen nochmals lernen

Ottokar Domma

Zu den wichtigsten Jahreszeiten gehört auch der Frühling.

Wenn die schöne Frühlingszeit daherkommt und wir Knaben

unsere Lederhosen anziehen und die Mädchen dumm kicherndann sagt eines Tages unser Herr Direktor Keiler, morgen Kin

der, ist ein Wandertag. Wir fangen dann an freudig zu jauch

zen und der Herr Direktor Keiler macht dazu ein gütiges Ge

sicht wogegen unsere Lehrer mächtig zischen und öfter fragen

ob wir uns jetzt in einem Zirkus befinden oder wo.

Wir können dann kaum den anderen Tag erwarten. Mein

Freund Harald und ich und wir beide denken uns dann gleich

einige Geheimnisse aus und Schweine-Sigi darf auch mit uns

kommen weil er nicht petzt und seine Schinkenstullen gegenKeks tauscht. Sigi sagt seine Mutter hat genug mächtige

Schinken und sein Vater den Schweinestall unter sich nebst

einer individuellen Sau welche öfter ferkelt. Wir bilden dann

ein Triumphirat und schwören niemals auseinanderzugehen.

Aber meist sagt unser Herr Klassenlehrer daß er uns durch

schaut und er wird sein Auge auf uns werfen.

Die Wanderung beginnt immer mit einer Ermahnung von unse

rem Herrn Klassenlehrer. Er will sich alle gut merken die Blöd-

sinn treiben und aus der Reihe tanzen. Auch müssen wir Höflichkeit zeigen und unseren Sitzplatz den Erwachsenen anbie-

  h f t K hten. Dabei schaut mich unser Herr Klassenlehrer meist

c rag e unseren assen e rer, d . h h h ih h. uf · · artbl F bt an un 1c sc aue auc zu m 1na wie ein z es

wo es aue rauen 9 · Lamm. Zu unserer Schulwanderung gesellt sich immer

eine Klassenmutter oder auch zwei. Diese sind verschieden.

Wenn die Klassenmutter eine ordnungsliebende ist dann zupft

sie fortwährend an uns herum zum Beispiel am Halstuch oder

wenn das Hemd hinten raushängt. Neben den Zupfmüttern gibt

es noch Zählmütter die uns fortwährend zählen. Die meistenMütter machen ein freundliches Gesicht und freuen sich wenn

die Leute auf sie schauen und denken sie sind Lehrerinnen.

Manchmal ist auch eine Mutter dabei die nur ihr eigenes Kind

bewacht. Dieses tut uns leid. Es muß sich dauernd wie ein

dressierter Dackel benehmen und auf Kommando die Nase put

zen und immer laut danke und bitte sagen damit unser Herr

Lehrer hört wie gut das Kind dressiert ist.

Wenn wir marschieren dann latschen wir uns meist auf die

Hacken und sagen uns gegenseitig einige Schimpfwörter. Die-

Page 51: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 51/136

Lernen lernen nochmals lernen

ses ist dann die erste Prüfung für unseren Lehrer. Sind viele

Leute um uns drum herum dann besteht die Prüfung aus meh-

reren grausamen Blicken. Wenn wir in stiller Natur latschen 

dann läßt unser Herr Klassenlehrer halten und er erkundigt

sich wer ein altes Kamel ist und o er jemanden vormerken

soll. Auch tauscht er öfter die Kinder aus und nimmt die Lieb-

linge in seine Obhut. Ich war auch manchmal sein Liebling.Die zweite Prüfung besteht unser Herr Klassenlehrer wenn

wir ein Stückchen mit der Bahn fahren . Der schönste Platz ist

immer am Fenster und darum beginnt ein großes Geschubse.

Das dauert aber nicht lange undwir sitzen wie die Engel. Jetzt

kommt die Zeit wo wir unserem Herrn Lehrer eine Freude ma-

chen können indem wir uns beim Herannahen der Erwachse-

nen von den Plätzen erheben. Und diese Erwachsenen sind

auch verschieden.

Einmal kam eine alte Oma und ich sagtebitte hier ist mein Platz. Sie schenkte mir

ein freundliches Lachen und einen Apfel.

Dann kam eine vornehme Dame mit viel

Schminke und einem drolligen Pudel. Mein

Freund Harald sagte auch bitte und die Pu-

deldame setzt sich auf seinen Platz und hat

meinen Freund Harald überhaupt nicht ange-

sehen nur ihren Pudel. Ich sagte zu meinem

Freund laut »Danke mein Junge«und zu Sigi

ob er nicht weiß  wie man sich benimmt und

er möchte doch dem Herrn Pudel seinen

Platz anbieten. Unser Herr Klassenlehrer

nahm mich gleich wieder in seine Obhut weil die vornehme

Dame fortwährend fragte o die Kinder heute so erzogen wer-

den und sie möchte nicht meine Mutter sein.

Einmal kam ein besoffener Herr und sang uns lauter Lieder vor.

Unsere Klassenmutter ist ganz rot geworden und sagte immer-

zu wir sollen nicht hinhören. Ein andermal kam ein sowjeti-

scher Soldat und sagte strastwuitje und prüfte wie wir Rus-

sisch können. Auch setzte er uns seine Mütze auf. Manche

Leute steckten uns Bonbons zu und fragten ob wir einen Aus-

flug machen. Wir sagten dann ja.

Meistens machen wir hinterher eine längere Wanderung durch

Wald und Flur. Unterwegs läßt uns unser Herr Lehrer öfter

raten was wir für Bäume und Gräser sehen und wie man die

Himmelsrichtung bestimmen muß. Auch dürfen wir Spuren

lesen. Die tiefste Spur hinterlassen der Traktor die Wildsau

7

Schon eins Wo hast

du wieder rumgebum-

melt? Du kannst mir

nicht weismachen, daß

heute die letzte Stunde

nicht ausgefallen ist

Page 52: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 52/136

  8 Lernen lernen nochmals lernen

und unser Herr Klassenlehrer  weil er der Schwerste von uns

ist.

Wenn wir an einer Stelle mit schönem Ausblick sind dann

heißt es meist rasten. Die Stullen haben wir schon in der Bahn

aufgegessen jetzt kommen die Eier dran. Sind wir Ferkel dann

schmeißen wir die Eierschalen ins Gras. Sind wir naturlieben-

de Pioniere dann stecken wir die Schalen in unseren Brotbeu

Das Gemeine an Schulwanderun-

gen ist daß w r darüber einen

Aufsatz schreiben müssen.

tel oder in die Kapuze der Mädchen. Haben die Mäd-

chen die Schalen gefunden dann stecken sie die Scha-

len wieder heimlich in unsere Hosentaschen. Wenn

die Schalen mehrere Taschen und Kapuzen gesehen

haben dann landen sie am Schluß in Wallys Beutel. Wally gibt

sie dann zu Hause ihren Hühnern zu fressen damit sie neue

Eier legen. Harald nennt das eine Kalkverwertung und unser

Herr Klassenlehrer eine große Enttäuschung.

Manchmal rastenwir

auch in einer Gaststätte und trinken einGlas Limonade oder auch zwei je nachdem aus welcher Fa-

milie wir kommen. Die dicke Mia kommt aus einer Familie wo

man mit dem Geld nur so rumschmeißt. Die Mia zeigt uns meist

einen Zwanzigmarkschein und wir sollen uns ausdenken was

sie sich alles kaufen wird. Zum Beispiel Torte. Wir denken

aber daß ihr die Torte im Halse steckenbleibt. Einmal sagte

Mia zu unserem Herm Klassenlehrer sie will alles bezahlen

was er getrunken hat. Da ist unser Herr Lehrer furchtbar zor-

nig geworden wie noch nie und er hat der Mia vorgerechnet

wie lange man arbeiten muß bis zwanzig Mark zusammen

sind. Seitdem lieben wir unseren Herrn Klassenlehrer noch

mehr. Unterwegs haben wir Knaben Hühnerdreck gesammelt

und in Bonbonpapier gewickelt und zur Mia gesagt sie soll

nicht traurig sein und unsere Bonbons mitessen.

Am schönsten ist es wenn wir eine Fabrik oder eine LPG be-

sichtigen. Einmal waren wir auch in einem Burgmuseum. Wie

die anderen weitergegangen sind prüften mein Freund Harald

Schweine-Sigi und ich die Folterwerkzeuge aus zum Beispiel

die Daumenschrauben. Ich konnte am längsten zählen und habekeinen Mucks von mir gegeben. Nach vier Wochen ist wieder

ein neuer Nagel nachgewachsen.

Einmal waren wir in einer Bilderausstellung. Auf einem Bild

war eine Frau mit blauer Haut und violettem Haar. Es hieß»Die Sinnende«. Ich fragte unseren Herrn Klassenlehrer wo es

blaue Frauen gibt. Er sagte daß er auch noch keine blaue Frau

gesehen hat. Ein anderes Bild hieß »Die Feldbaubrigade«. Es

waren wieder verschiedene Frauen zu sehen. Sie waren alle

Page 53: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 53/136

Lernen le rnen nochmals lernen-==--======

sehr dick und in alten Klamotten. Daran kann man erkennen

daß ein Kunstmaler es schwer hat. Entweder ist ihm die Farbe

alle geworden und er hat nur noch Blau oder er sieht nur

dicke Frauen mit alten Lumpen. Die meisten Bilder waren

schön aber ich weiß nicht mehr welche weil wir uns beeilen

mußten. Denn unser Herr Lehrer wollte noch mit uns zum r-kus.So kann man auf einer Schulwanderung viel erleben. Das

Schönste an unseren Wanderungen ist wenn wir uns einmal

richtig austoben dürfen das Gemeine ist wenn wir darüber

einen Aufsatz schreiben müssen.

•• ..• •

--  -;::;

. ,. „ . 

-·. .,

9

»Warum ist die Schule

nicht etwas lustiger?«

»Weil sie euch auf den

Ernst des Lebens vorbe-

reitet < 

Page 54: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 54/136

5 Lernen lernen nochmals lernen

Renate Holland-Moritz

Wie üblich waren vornehmlich Mütter erschienen. Die Väter

mit Ausnahme von Herrn Baumann, waren entweder durch

Scheidung abhanden gekommen oder besuchten just in diesemAbend kulturelle Veranstaltungen beziehungsweise Weiterbil

dungslehrgänge. Die Ausmaße der Schulbänke machten einigen schwergewichtigen Elternteilen zu schaffen. Um der Un

ruhe Herr zu werden, klopfte Sabine Walter nachdrücklich mit

dem Bleistift auf den Lehrertisch. Sie war sichtlich aufgeregt.

Zu ihrer Unterstützung hatten Sebastian Lehmann, Silke Ge

rasch, Mike Göschler und Tamara Tamke neben ihr Platz ge

nommen. Sabine Walter räusperte sich noch einmal kräftig und

begann.

1 N d G t b»Liebe Eltern Im Namen des Gruppenrates der 5 b

m amen es ruppenra es e b ß . h · h t · Elt b d Wiß · h s· Elt b d egru e 1c 1e zu unserem eu 1gen erna en . rr

gru e ic ie zum erna en · wollen uns gar nicht erst mit der Auswertung der Pio-

nierleiterkonferenz, mit Spendenaktionen und der Renovierung

einzelner Klassenräume aufhalten, sondern gleich zum einzi

gen Tagesordnungspunkt kommen, nämlich zu Ihren Kindern.

Mit denen gibt es einige Probleme, bei deren Lösung Sie uns

vielleicht behilflich sein können. Ist Frau Hermann anwesend?«

Eine füllige Dame in der letzten Bankreihe meldete sich zaghaft.»Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Frau Hermann« sagte Sa

bine Walter beruhigend, »im großen und ganzen sind wir mit

der Arbeit Ihrer Tochter als Klassenlehrerin recht zufrieden.

Nur in letzter Zeit wirkt sie ausgesprochen unausgeglichen undlaunisch. Hat sie vielleicht privaten Kummer?«

Frau Hermann errötete heftig. »Na ja, da ist doch die Sache mit

ihrem Freund. Er ist ihr nämlich durchgebrannt, und zwar miteiner Sportlehrerin aus der 12 . Oberschule. Seither ist das

Mädel wie umgedreht. Statt sich auf den Unterricht vorzubereiten, schließt sie sich in ihrem Zimmer ein und heult. Ich binschon ganz verzweifelt.«»Ach Gott, die Arme« , rief Silke Gerasch mitleidig, »wenn ich

das gewußt hätte, wäre ich gestern nach ihrem Wutanfall nicht

so pan1pig zu ihr gewesen. Ich schlage vor wir beschließen

einen Monat der besonderen Rücksichtnahme auf Fräulein Her

mann. Bis dahin hat sie bestimmt einen neuen Freund gefun

den wo sie doch so urst schau aussieht «

Page 55: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 55/136

Lernen lernen no chmals lernen

Der Gruppenrat erklärte sich spontan einverstanden, und FrauHermann wischte sich die Tränen der Rührung aus den Augen.

»Weiter im Text « Sabine Wolter klopfte wieder mit dem Blei-

stift auf den Tisch. »Ein besonders trübes Kapitel sind die Ein-

tragungen. Die Lehrer fragen im allgemeinen gar nicht erst

lange, warum einer was tut, was er nicht soll. Sie verlangen••

sofort das Hausaufgabenheft, und wir haben abends den Argermit unseren Eltern.«

»Da möchte ich gleich ein Beispiel nen -

nen«, warf Sebastian Lehmann ein,

»gestern im Werkunterricht bei Herrn

Glaser haben wir Untersetzer gesägt.

Mir macht sowas großen Spaß, des

halb habe ich das Volkslied >Keine

Bange, wir holen eine Zange< gesun

gen. Darauf schrieb Herr Glaser dieEintragung: >Sebastian sang im Werk-

unterricht<. Als ich mich für die nette

Mitteilung an meine Eltern bedankte,

bekam ich zusätzlich einen Strich in

Betragen.«»Das verstehe ich nicht«, sagte Frau

Glaser, »als der Junge noch bei mir zu

Hause wohnte, haben wir immer beim

Abwaschen gesungen. Aber seit erdiese Frau hat, ist es aus mit Fröhlich

sein und Singen.«

Ehe sich Frau Glaser länger über ihre

Schwiegertochter auslassen konnte,

setzte Sabine Wolter fort: »Ich bitte Sie herzlich, liebe Eltern,

mit Ihren Kindern über Sinn und Zweck der Eintragungen zu

reden. Wenn jemand von uns eilig über den Flur rennt, hat er

unter Umständen nur Durchfall. Und wenn sich einer nicht

auf den Unterricht konzentriert, liegt s manchmal auch am Un-

terricht. Bei Herrn Baumann zum Beispiel ist es so langwei

lig, daß man sich beim besten Willen nicht konzentrieren kann.

Da helfen auch die Ausmeckereien zu Hause nichts.«

»Der Junge wollte j eigentlich auch gar nicht Lehrer werden«,

ließ sich Herr Baumann vernehmen, »ihn zogs schon immer

zur Wissenschaft.«

»Leider haben manche Lehrer auch zu wenig Humor«, sagte der

kleine Mike Göschler schnell. »Einmal sollten wir einen Auf-

51

•·-

Page 56: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 56/136

52

' . ..  . . . 

· >Welches.Tier hat ·• .··  s1ch am. e s t e ~ atif ·

die L e b e i j ~ b e d i n g u 1 1. ' . . · · . : • . '•

·gen ·in ·der DDR .ein- 

· .•gestellt?« fragt der

· · Lehrer.· . · · · · .  .· Fritzchel1 antwÖrtet:

Die Fliege, Herr .. . ..Lehrer. Sie fliegt.·.. ·

• . . - .. .

ohne .Benzfnund .  

. cheißt auf die Bett-  . . • · · . . • . . . ; . .

· wäsche.«' ·· ·· . · · · . .. .. ' · ' -; . „   · . . . ' '. . . ' . .

. .- . .

Ler nen lernen nochmals lernen~ - · - " i N f ' " ' • - - = a n r m l l i l l l l l l1 1 1 1 1 : . S . J ; Z l i i ~ • 1 =-· · • •P Z JWe•we:• 1 : 2 '   I r16 ?Tttt''W : r w

satz zu einem freigewählten Thema schreiben, und da hab ich

mir eine Ulkgeschichte ausgedacht. Unsere Deutschlehrerin,

Frau Ritter, gab mir dafür eine Fünf und schrieb drunter: >Höchstens für den Eulenspiegel geeignet<.«»Also Mike, nun hör auf mit den ollen Kamellen«, fuhr ihn Sabine Wolter an, »du weißt genau, daß Frau Ritter nicht mehr

an unserer Schule ist, sondern inzwischen bei der Lehrerzeitung arbeitet. Wenden wir uns doch wieder aktuellen Proble

men zu, wenn ich bitten darf «»Halt, halt, liebe Kinder«, rief die sonore Stimme des Direktors.

»Das war j schon alles recht hübsch, aber doch sehr zugespitzt

und allzusehr aus der Froschperspektive gesehen. Immerhin

beweist das Experiment, euch an einem Gruppennachmittag

einen satirischen Sketch nach eigener Wahl spielen zu lassen,

daß wir Lehrer sehr wohl Humor haben und auch Kritik nicht

scheuen. Aber nun singt noch ein paar fröhliche Pionierlieder,und dann ab in den Fernsehraum. Es läuft, wie immer im Ferienprogramm, der preisgekrönte DEFA-Film >Die Abenteuer

des Werner Holt< .«

Kürzlich war ich wieder mal auf dem Lande. Da hörte ich, wie

die fünfzehnjährige Tochter meines Freundes Knorr begeistert

rief: »Guckt mal, Mami und Papale, das Huhn und der Hahn

spielen Bremer Stadtmusikanten «

Ich glaube hieraus folgern zu dürfen, daß die Eltern Knorr docheinmal in sich gehen sollten mit der Frage: Was haben wir bei

der Erziehung unserer heranwachsenden Tochter versäumt?

Denn schließlich bestehen die Bremer Stadtmusikanten j nichtnur aus zwei Tieren

Johannes onrad

Page 57: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 57/136

Ver-ab.tw•. . -  l t ~ ~ .

. ·.  

'

. ·

; _ '

.

••

1*

f

j

11'

1

tl l· v_

>>Welches ist de; größte Strom der Erde?« fragt derGeografielehrer. . . .

» as ist die Elbe« sagt Fritzchen.

»Wie kommst du darauf?« wundert sich der Lehrer»Meine Großeltern haben gesagt, sie brauchen 60

. . .

'

'

t „

.ALER976

·

Page 58: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 58/136

54 Lernen lernen , nochmals lernen~

Hans Krause

ottst i r OI O riseA

Mein Sohn bevor wir von der Hühnerkeule

zu Kalbs- und Schweinebraten übergehn

gestatte daß ich mir das Wort erteile.

Ich bin gerührt doch glaub nicht daß ich heule

denn heute könnt ich dich nicht feixen sehn.

Moral verdaut man besser vor dem Essen.

Drum nutze ich die letzte Möglichkeit.

Es ist dein Tag doch du darfst nicht vergessen

man kann ihn nicht am Wert der Gaben messen

die man dir heut zu Jugendweihe weiht.

- d s werden wir Zum Moped wird es sicherlich nicht reichen

obwohl der Onkel Heinz nicht kleinlich war.

Doch ließest du dich nach dem est erweichen.

das Holz zu hacken und den Zaun zu streichen

so klappte es vielleicht im nächsten Jahr.

eunjährige posieren

fiir den X Parteitag -

1976

Man hat dich heute morgen reif gesprochen.

Nun trag die Würde stolz und unverzagt.

Ich rechne zwar nicht gleich mit Flitterwochendoch wenn du willst dann kannst du darauf pochen

daß man Kollege Krause zu dir sagt.

Doch mit den Rechten kommen auch die Pflichten.

Die Weihe selber war nur Richtefest.

Noch gibt es manche Ritze zu verdichten.

Es liegt bei dir, das Haus so einzurichten

daß es sich ehrenvoll drin wohnen läßt.

Und nun entfaltet wieder die Serviette.

Du aber Junge sei dir stets bewußt:

Das Herz und nicht die erste Zigarette

macht dich zum Glied in jenere großen Kette

in der du Wert beweisen mußt.

Page 59: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 59/136

Page 60: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 60/136

  6 Was des olkes Hände schaffen

Jochen Petersdorf

Sketch der Drei Dialektiker

Uhlig: Damen und Herren Wir kommen nunmehr zum populär-

wissenschaftlichen Teil des heutigen AbendsKöbbert: Im Rahmen unseres Weiterbildungszyklusses für ge

mischtes Publikum und Schauorchester ...

Stückrath: ... und getreu unserem Motto: Der Kessel macht

nicht nur Pläsier, nein, sondern auch er bildet Dir Hören Sie

nun eine Lektion zum Thema: Die Arbeitszeit.Uhlig: Die Arbeitszeit ist aus unserem heutigen Leben nicht

mehr wegzukriegen

Köbbert: Wegzudenken

Uhlig: Wie bitte? Ach so. Nicht mehr wegzudenkenStückrath: Das macht uns stolz und glücklich

Unsere Vorfahren kannten dieKöbbert: QuatschStückrath: Wieso denn Quatsch? Das ist 'ne offizielle

Meinungrzeit nicht die Arbeitszeit 

Uhlig: Aber die kommt jetzt noch nicht Wir gehn doch chrono

logisch vor

Stückrath: Ach so. Also Als unsere Vorfahren durch Einführung

des aufrechten Ganges langsam menschlich wurden, gab es

noch keine gesetzliche Arbeitszeit, sondern nur Urzeit.Köbbert: Heute ist es genau umgekehrt. Wrr haben eine feste

Arbeitszeit und die Uhrzeit spielt keine Rolle .••

Uhlig: Willste damit was gegen Uberstunden sagen?

Köbbert: Quatsch. Ich meine Urzeit ohne h. Wir gehen doch

chronologisch vor.

Stückrath: Genau. Also weiter In der Urzeit saß eines Tages

der große Denker Bitterlehmann, der später übrigens auch ein

gleichnamiges geistiges Getränk erfand, also Bitterlehmann

saß auf einem Stein und dachte.Köbbert: Die Sonne stand im Zenit.

Stückrath: »Hei nun «, rief da der große Bitterlehmann. »Es wird

Zeit, daß ich mal wieder was erfinde «

Uhlig: Und darauf erfand er die Arbeitszeit?

Köbbert: Genau Und als er die Arbeitszeit erfunden hatte ...

Stückrath: ...saß er da und wußte nich, was er machen soll.

Köbbert: Quatsch. Er wußte es genau. Er sagte sich: Die Erfin-

dung muß unter die Leute. Und er schritt zu Tal.

Uhlig: Zu wem?Stückrath: Zu Tal. Nach unten, Mensch

Page 61: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 61/136

Was des Volkes ände schaffen

Uhlig: Unsinn. Wenn man was erfunden hat, geht man doch

nach oben. Wie will man denn sonst 'ne Auszeichnung krie

gen?

Köbbert: Er wollte keine Auszeichnung, sondern seine Erfin-

dung anwenden

Uhlig: Junge, Junge Finsterste Urzeit

Stückrath: Ruhe und weiter: In der nächsten menschlichen Sied-lung war gerade ein munteres Volksfest im Gange. »Warum

feiert ihr Kollegen«, rief Bitterlehmann.

Köbbert: »Wrr feiern ohne Grund«, sagte der Vorsitzende.

Uhlig: »Das muß anders werden«, rief Bitterlehmann. »Ab sofort

habt ihr Grund. Denn ich habe die Arbeitszeit erfunden.«

Stückrath: »Das muß gefeiert wer-

den«, jubelten alle. Und dann

ging's rund.

Köbbert: Sie sangen: »Jetzt geht dieParty richtig los« - und am ande-

ren Morgen lagen alle flach.

Uhlig: Außer Bitterlehmann. Der

schritt durch die Siedlung und rief:

»Auf, auf - zum fröhlichen Jagen «

Stückrath: »Aber doch nich in der

Arbeitszeit«, murmelte der Häupt

ling.

Uhlig: »Das ist doch der Sinn der

Sache«, brüllte Bitterlehmann.

Köbbert: Und wer hat gewonnen?

Uhlig: Beide. Ein Teil ging jagen, und

ein Teil soff weiter.

Stückrath: Und damit war gleichzei-

tig die Ausbeutung des Menschen

durch den Menschen erfunden.

Uhlig: Genau

Köbbert: Das glaub ich nicht

Uhlig: Wieso?Köbbert: Dann müßten wir j heute

bei uns noch Ausbeutung haben. Denn wie oft wird während

der Arbeitszeit gebechert.

Uhlig: Das ist doch ganz was anderes. Heute gibts keine Anal-

phabeten mehr, sondern eine gebildete Nation.

Köbbert: Was hat'n das damit zu tun?

Stückrath: Ganz einfach. Wenn du früher gefeiert hast, anstatt

zu jagen, ging dir der Hase durch die Lappen. Heute kannste

schreiben. Stunden

7

Horst Köbbert Manfred

Uhlig utz Stückrath -

von links - als Die drei

Dialektiker.

Page 62: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 62/136

  8

. -  ,., .,_ ~ > C

• ·<· ' ,. . -.

. -

Was des olkes Hände schaffen

Uhlig: Und wenns hart kommt, drohste mit Kündigung

Köbbert: Hab verstanden. Außerdem ist ja alles 'ne Frage der

Proportion. Man hat noch nie gehört, daß zur selben Zeit 'ne

ganz VVB blau war.

Uhlig: Sehr richtig. Es sind ja höchstens einzelne Abteilungen,

und die Zeiten sind gestaffelt.

Stückrath: So isses Außerdem gibt es niemanden, der stupidevor sich hinkümmelt. Die Menschen sind gewachsen

Köbbert: Genau Man kann stundenlang in der Kneipe sitzen• •

Aber worüber wird geredet? Uber die Arbeit

Uhlig: Womit bewiesen ist: Man muß die Sache als Dialektiker

sehen.

Stückrath: Die Arbeitszeit ist eine Einheit. Man muß sie einhal

ten und zugleich ausnutzenUhlig: Ende der Lektion Es ist bedauerlich, daß sich keiner

von Ihnen Notizen gemacht hat.Köbbert: Denn diese Rede erscheint nicht im Dietz-Verlag

Stückrath: Woran man wieder mal sieht, wie viele geistige Ar

beit mitunter völlig sinnlos ist Guten Abend

»Na, Frau Lehmann, wo wolln Sie denn hin?«

»Nach Pankow, mein Eisen reparieren lassen.«

»Was für ein Eisen?«»Mein Bügeleisen.«

»Aber warum sagen Sie denn nur Eisen, wenn Sie Bügeleisenmeinen?«

»Das ist wegen der Spezialisierung. In Pankow reparieren sie

nämlich nur das Eisen. Mit dem Bügel muß man jetzt nach Kö

penick.«

»Aber Frau Lehmann Ein Bügeleisen hat doch keinen Bügel,sondern einen Griff.«

»Sehr richtig, und den Griff reparieren sie in Weißensee.«

»Aber da machen die in Köpenick doch eigentlich gar nichts.«

»Ist doch unwichtig. Hauptsache, sie haben sich spezialisiert.- So, nun muß ich aber rennen «

»Und warum hüpfen Sie nur auf dem rechten Bein?«

»Das mache ich nur hinwärts. Zurück benutze ich das linke.

Wenn man mehr herumrennen muß, ist eine gewisse Spezialisierung ganz nützlich. Tschüß «

ochen Petersdorf

Page 63: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 63/136

.• •• • • •

• •• •

• •

•·„ ••

•' . , . . ' . •„ • •

• •

.Zekhnvng: ein• Hiiiing

• ••

••

••

••- _ _ . . ,

••

• / 1 •

1 • : ?  .• .• • „

. .• •

••

Lothar ist 19 Jahre r arbeitet olsSattelschlepper beim VE Kraftver·lcehr dmuna e 1d der FDJ•

t

)

Page 64: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 64/136

60

))Ganz einfach Wzr fra-

gen den Chef, wer von

uns die Sache entschei-

den soll.  

Was des Volkes ände scha f fen

anfred Strahl

Nicht weniger als ein Dutzend Drohbriefe und mindestens dop

pelt so viele Bittschriften hatte Pradelbroth in den letzten Wo

chen verfaßt. Umsonst Der VEB Bolzen und Beschläge bliebstur. Die restlichen zwei Drittel der für das laufende Planjahr

benötigten Winkeleisen so antwortete der Betrieb stets lako

nisch könne er bestenfalls um die Weihnachtszeit liefern.

Pradelbroth der die letzten Vorräte sowie seinen guten Ruf als

Beschaffungsexperte schwinden sah

war außer sich. »So geht das nicht

mehr weiter« verkündete er grollend

»jedes weitere Fernschreiben ist pure

Zeit- und Geldverschwendung. Ichschlage vor, Kollegen, wir rücken dem

VEB Bolzen und Beschläge mal höchst-

persönlich auf die Pelle.«

Die fünfköpfige Delegation mit Pradel-

broth an der Spitze wurde wider Er

warten recht freundlich begrüßt. Sogar

mit Kognak. Doch Pradelbroth verspür-

te wenig Neigung, sich auf ein langwie

riges diplomatisches Vorgeplänkel einzulassen.

»Nichts für ungut Kollegen«, sagte er

und schob energisch das Glas beiseite»mir wäre es ganz lieb, Kollegen, wenn wir gleich zur Sache

kämen.« Und in kurzen aber zu Herzen gehenden Worten schil

derte er die mißliche Lage, in die sein Betrieb geraten mußte

falls der VEB Bolzen und Beschläge nicht unverzüglich liefer-te.

Danach herrschte betretenes Schweigen. Die bekannte Ruhevor dem Sturm der Entrüstung dachte Pradelbroth. Doch

Krawinke der Sprecher der Gegenseite wirkte eher niederge-

schlagen. » rr würden euch wirklich gerne helfen«, sagte er

ehrlich betrübt »aber momentan sind unsere Kollegen einfach•

überfordert. Jede Menge Aufträge und keinen Penny mehr im

Prämienfonds.« Das klingt j fast entgegenkommend dachte

Pradelbroth und blinzelte vielsagend den Seinen zu, die Seinen

blinzelten vielsagend zurück.

Page 65: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 65/136

  asdes Volkes ände schaffen

»An eine kleine finanzielle Zuwendung hatten wir ohnehin ge-

dacht«, erwiderte Pradelbroth.»Schön«, freute sich Krawinke, »unter diesen Umständen kön-

nen wir euch die ersten Wmkeleisen vielleicht sogar schon Ende

November liefern.«Pradelbroth glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Ende Novem-

ber? Das ist j lachhaft, Kollegen. Wir pfeifen doch jetzt schonauf dem letzten Loch.«

Krawinke zuckte bedauernd mit den

Schultern. »Was soll ich machen?«

fragte er. »Solange wir die neuen Au-

tomaten nicht montieren können,

geht s halt nicht.«

»Woran fehlt s denn?« erkundigte sich

Pradelbroth.

»Bloß an ein paar Handwerkern«,antwortete Krawinke. »Unsere eige-

nen sind leider voll mit der Instand-

haltung ausgelastet. Dabei könnten

drei qualifizierte Leute die Montage

bequem in zwei Tagen schaffen.«

Pradelbroth dachte eine Weile ange-

strengt nach. »Nun, wenn s weiter

nichts ist«, seufzte er schließlich, »die

stellen wir euch zur Verfügung.«»Wenn das so ist, könnt ihr vielleicht

schon übernächste Woche mit den

Winkeleisen rechnen«, räumte Kra-

winke launig ein.

»Was heißt hier vielleicht?« fragte

Pradelbroth. »Wir verlassen uns

drauf.«

»Etwas riskant ist die Sache natürlich noch«, erklärte Krawin-

ke. »Auf unseren Fuhrpark ist zur Zeit nämlich überhaupt keinVerlaß.«

»Na gut, wir holen uns die Wmkeleisen Montag in einer Woche

selber ab«, versprach Pradelbroth.

»Einverstanden«, sagte Krawinke, »für alles andere überneh-

men wir die Garantie. Ihr wißt ja, man hilft, wo man kann «

61

Page 66: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 66/136

62 Was des Volkes Hände schaffen

lf ed Schiffers

Um neun Uhr läutete es. »Das werden die Kohlen sein«, sagte

meine Frau. Ich war skeptisch: »Wo denkst du hin Die sind

zwar für neun Uhr angekündigt, aber erfahrungsgemäß trudelndie Herrschaften frühestens nachmittags ein, wenn nicht noch

später.«

Es läutete abermals. Meine Frau eilte auf den Balkon, warf

einen Blick nach unten und triumphierte: »Was ich gesagt habe,

die Kohlen «

Ich öffnete die Haustür. Vor mir stand ein feiner Mann, kein Koh-

lenträger, sondern ein Mensch in Zivil, mit Schlips und Kragen,

D b h

. d t . h d der seinen Hut mit vollendeter Armbewegung lüfte-

ann vera sc e e e s c as t d . h t d d h.. dritt zähn·K hl k kt' ·t H d hl e un mic mi en wun ersc onen en enen ° e iv mi an sc ag anstrahlte: »Einen guten, guten Morgen, Herr Meier

und allen guten Wünschen für eineallzeit glückhafte Heizperiode. Ihr Kohlenhändler, dem Sie im Mai diesen Jahres

das Vergnügen bereiteten, Ihre Bestellung aufzutra-

gen, gibt sich die Ehre rr haben die gewünschten achtund

zwanzig Zentner angefahren und sind - mit Ihrer gütigen Er-

laubnis - bereit, das schwarze Gold in Ihrem Keller unterzubringen «

Danach stellte er mir seine Mannschaft vor: Kohlenträger Au-

gust Schwemme , Kohlenträger Emil Kalkhahn und Kohlenträger Gottfried Lämmerwart. »Meine Leute werden mit der gewis

senhaften Einlagerung beginnen, sobald Sie die dafür vorgese

henen Räumlichkeiten geöffnet haben «

Bei einem Blick aufs rransportfahrzeug stellte ich fest, daß

man uns lose Kohlen zudachte. Krause reagierte schnell: »Wir

haben die Lieferung in dieser Gestalt bekommen und können in-

folgedessen - sehr zu meinem Bedauern - nur lose Kohlen brin

gen. Unsere vornehmste Aufgabe wird allerdings darin bestehen,

das Material so zu stapeln, daß Sie nach Beendigung des Lie-fervorganges das Gefühl haben, Sie hätten es von vornherein mit

gepackten Kohlen zu tun.«

Dann gab Herr Krause das Zeichen zum Beginn des Einkellerns.

Zu diesem Zwecke entrollte Kohlenträger Kalkhahn einen blitz

sauberen Läufer vom rransportfahrzeug über Gehsteig und Kel-

lertreppe bis vor Ort, womit jede Verunreinigung der genannten

Strecke ausgeschlossen werden sollte.

Die Träger eilten zügig hin und her. Sie vermieden sorgsam alle

Page 67: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 67/136

  asdes Volkes Hände schaffen

unnötigen Nebengeräusche, fluchten fast gar nicht, niesten aus

schließlich hinter vorgehaltener Hand und ließen ihr bekannt

phonreiches Husten nur in angemessenen Abständen vom Haus

ertönen. Am Rande sei vermerkt, daß Herr Lieferant Krause

gleich zu Beginn der Aktion erkannte, daß die Glühlampe im

Keller ein zu kümmerliches Licht spendete. Spontan schritt er

zur Zugmaschine, kletterte hinein, förderte eine weitaus stärkere Lampe zutage und wechselte diese eigenhändig gegen die

schwächere aus. Eine Berechnung erfolgte nicht: »Kunden-

dienst«, sagte er freundlich und lächelte mild.

Es wäre müßig mitzuteilen, daß die Träger auf ihren Rückwe

gen vom Keller zum Fahrzeug alle Kohlenkrümel gewissenhaft

aufnahmen, vorübergehend in ihren Kohlenträgermützen depo-

nierten und sie nach Erreichen des Hängers in eine eigens dafür

bereitgestellte Kiepe ablegten. Das uns, den Kunden, verloren

gegangene Gewicht wurde durch Herm Krause, der in diesemStadium des Geschehens an der Waage weilte, sofort und groß

zügig ersetzt. Herr Krause nämlich beobachtete das Einwiegen

mit Argusaugen und ließ lieber eine Kohle mehr als zuwenig

über die Waage gehen, die er nebenbei bemerkt, erst am Tage

zuvor hatte amtlich justieren lassen.

Nachdem über die Hälfte der vorgesehenen Menge in den Kel-

ler getragen und lotrecht gestapelt worden war kehrte einer der

Träger zurück, flüsterte Herrn Krause etwas ins Ohr der dar

aufhin bedeutungsvoll die Brauen hob mich belustigt anschau

te und meinte, daß wir die Menge der anfallenden Kohlen wohl

ein wenig unterschätzt hätten; denn die von uns freigemachte

Seite des Kellers reiche leider nicht für die achtundzwanzig

Zentner 24 bis 26 Zentner seien an der vorgesehenen Wand mit

Ach und Krach unterzubringen, vierzehn Doppelzentner leider

nie und nimmer »Aber ...«

»Kein Aber lieber Herr Meier« wehrte der Chef des Unterneh

mens, fast beleidigt, ab. »Das machen wir schon Mitdreihand

festen Männern ist das Gerümpel schnell fortgeschafft. Wenn

Sie gestatten, fahren wir es sogar gleich ab. Die Gelegenheit istgünstig - unsere Fahrzeuge stehen sowieso vor dem Haus, und

es besteht natürlich gar keine Frage, daß wir das kostenlos er-

ledigen. Kundendienst - ganz einfach Kundendienst «

Nach weiteren drei Viertelstunden war alles geschehen. An einer

Längs- und Querwand unseres Kellers lagerten achtundzwan

zig Zentner herrlich gestapelter Kohlen. Das Gerümpel war weg

und der Keller gefegt. Weder auf der Treppe noch im Hausflur

6

/

Page 68: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 68/136

64

Vorwärts zum IX ar-

teitag 97

Was des olkes ände schaffen

oder gar auf dem Gehsteig die geringste Spur eines Kohlen-

stäubchens Zu einem freudigen Ereignis kam es darüber hin

aus - beim Begleichen der Rechnung. Entschieden weigerten

sich die Kollegen Träger, ein Trinkgeld anzunehmen. Herr Krau-

se erklärte dezent, daß der Gedanke, die kleine Mühewaltung

der Bürger Schwemme , Kalkhahn und Lämmerwart durch dergestalt irdische Güter zu lohnen, durchaus lobenswert sei, in-

dessen wäre es eine unerschütterliche Maxime des Hauses, die

werte Kundschaft nicht mit zusätzlichen Ausgaben wie bei

spielsweise Trinkgeld zu belasten. Vielleicht, so erlaubte sich

Herr Krause vorzuschlagen, kämen die vorgesehenen Beträge

einer gesellschaftlichen Institution, der Freiwilligen Feuerwehr,

dem Kaninchenzüchterverband, et cetera, et cetera gelegen.

Dann verabschiedete sich das Kohlenkollek

tiv mit Handschlag und allen guten Wünschen für eine allzeit glückhafte Heizperiode

und in der aufrichtigen Hoffnung, auch in Zu-

kunft als stets dienstbereiter Lieferant beehrt

zu werden.

»Das Erstaunlichste an der Sache«, jubilierte

meine Frau, als wir wenige Augenblicke spä

ter im Keller unseren unvermuteten Reich

tum betrachteten, »ist daß wir in den ver

gangenen Jahren auch immer 28 Zentner beiKrause bestellten, aber jedesmal sehr gut mit

der Fläche von nur einer Wand auskamen.«

»Trotzdem hat sich Herr Krause diesmal kei

nesfalls geirrt«, warf ich ein. »Diese erstaun

liche Menge haben wir ganz offensichtlich

einem Umstand zu verdanken, der mir erst

jetzt in den Sinn kommt. Vor ein paar Tagen

nämlich begegnete ich Herrn Krause vor dem

Rathaus. Wir grüßten uns, und ich sagte

nichts weiter zu dem Mann als >Na in der kommenden Woche

wollen Sie uns j laut Mitteilungskarte wieder beliefern, wie?

Was glauben Sie wohl, wie sehr wir uns heute schon auf die

achtundzwanzig Zentner freuen <Sprach ich, grinste ihn vielsa

gend an und verschwand mit meinem alten Freund Peter, der

zufällig des Weges kam. Du weißt doch Peter Lehmann, der von

der Arbeiter- und Bauerninspektion.«

Page 69: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 69/136

  asdes Vo lkes Hände schaffen

othar Kusche

lt ~ S O toiortoH

Ich hätte gar nicht bemerkt dass unsere Firma schon seitzehn Jahren bestand wenn sie mich nicht eines schönen

Tages zur Feier eben dieses zehnjährigen Bestehens einge

laden hätten. Es gibt immer Leute die auf solche Jubiläen

achten und auch keinen Geburtstag vergessen können. Die

Vorstellung nichts vergessen zu können ist für mich schreck

lich; aber wahrscheinlich geht es anderen Leuten genau -

gekehrt und sie fürchten nichts so sehr als irgendeine Sache

zu übersehen.

Die Feierlichkeiten sollten in den Räumen der Firmastattfinden damit man das Geld sparen konn

te das die Saalmiete gekostet hätte und wir

waren auch alle der Meinung daß es in

den altgewohnten Räumen viel gemütli

cher sein müßte als in irgendwelchen

vornehmen Klubs oder Restaurants. Die

Feier sollte am Freitag um 13 Uhr mit

tags beginnen was meiner Frau etwas

zu früh vorkam. Aber Walter mit demich deshalb telefonierte meinte man

könne dem Pförtner nicht zumuten am

Tage unseres zehnjährigen Bestehens in

seinem Verschlag zu sitzen und deshalb

wolle man das Hauptportal gegen 14 Uhr mit

tags zusperren und danach würde es schwierig für

jedermann sein überhaupt noch in das Gebäude der Firma

hineinzukommen. Die Bezeichnung »Hauptportal« ist für den

betriebsfremden Leser womöglich irreführend; so nennen wirden Eingang den wir immer benutzen was wir schon aus

dem naheliegenden Grunde tun daß gar kein anderer Eingang

da ist.

Es war ungefähr um halb drei Uhr nachmittags als ich mit

meiner Frau an diesem Hauptportal ankam. Sie hatte soge

nannte feine Garderobe angelegt und sogar ich trug ein recht

weißes Hemd mit einem unbequemen Kragen denn ich weiß

was ich unserer Firma und ihrem zehnjährigen Bestehen

·-; . „.

; :.•.

·. ·

65

»Den Wert der Verwal-

tung erkennt man schon

daran daß wir einen

besseren Kaffee kochenals die meisten Gast-

stätten 

Page 70: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 70/136

66 Was des Volkes ände schaffen

schuldig bin. Das Hauptportal war übrigens nicht zugesperrt

sondern weit geöffnet und gleich dahinter im Hausflur stan

den einige Kollegen um ein Faß Bier das mit einer Flasche

Kohlensäure verbunden war. Unser alter Pförtner betätigte

sich als Zapfer so gut er konnte; er konnte es aber nicht sehr

gut. Es gelang ihm viel leichter Kohlensäure in die Gläser zu

befördern als Bier was daran lag daß man vergessen hatte

etwas Eis auf das Bierfaß zu legen. Ich fragte meine Frau ob

sie Lust hätte etwas warmes Bier zu trinken aber sie hatte

keine Lust und so gaben wir einigen Leuten die Hand und lä

chelten und blickten etwas verlegen umher ob nicht jemand

da wäre den wir intimer kannten und mit dem wir uns unge

zwungener unterhalten könnten. Der alte Pförtner war offen

bar etwas gekränkt weil wir nichts von dem Bier genommen

hatten und er sagte: »Hier sind auch Spritzkuchen wenn Sie

die wollen.« Neben dem Bierfaß war nämlich auf einem Tisch

eine ungeheure Menge von Spritzkuchen aufgebaut. Ich sagte

ihm daß wir erst etwas später essen wollten und bot ihm

Das gehackte Fleisch war auf

Suppentellern zu Bergen aufge-

häuft höher als ein britischer

eine Zigarette an die zwar nicht gut war aber teuer

und dann gingen wir in den Speisesaal um uns dort

ein wenig umzusehen.

Im Korridor der zum Speisesaal führt war ausS hutzmannshe m.

einigen Büromöbeln eine Bar improvisiert hinter

welcher der Oberbuchhalter Schnaps ausschenkte Davor

standen einige Kollegen und unterhielten sich über Fragen der

Berliner Architektur über den Neuaufbau des Stadtzentrums

und darüber ob es neue Bars geben würde. Der Direktor be

grüßte uns. Er vertrat die Ansicht das Wichtigste in Bars

seien die Bardamen aber seine Frau meinte von Bardamen

könne man wohl nicht sprechen es handle sich bestenfalls um

Barfrauen oder Barfräuleins. Wir machten einige Witze über

unsern Oberbuchhalter als Barfräulein die er aber nicht übel

nahm. Er selber trank übrigens nichts von dem Schnaps ganz

im Gegensatz zum stellvertretenden Leiter des Fuhrparksder an der Theke des Oberbuchhalters geradezu festgewach

sen zu sein schien.

Als wir in den Speisesaal gingen kamen uns zwei Frauen aus

der Expedition entgegen die sich gegenseitig stützten. Eine

von ihnen sah uns mit sehr großen Augen an und sagte zu

meiner Frau: »Mann bin ich blau.« Dann verschwanden sie in

der Toilette. Im Speisesaal gab es Musik vom Plattenspieler.

Einige Paare tanzten. n den Tischen saßen ältere Betriebs-

Page 71: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 71/136

Was des Volkes ände schaffen

angehörige mit ihren Frauen und tranken Kaffee oder Wein.

Die ganze Längswand war mit Pappe verkleidet und einige

Kollegen mit Talent zum Zeichnen hatten Karikaturen darauf

gepinselt von denen manche sehr lustig anzusehen waren.

Wir beglückwünschten unseren Freund Thomas der diese

Dekorationen arrangiert hatte. In diesem Moment kam Spie

gel auf uns zu der Lagerverwalter.»Na hört mal« sagte Spiegel »ihr steht hier

rum als wärt ihr in einem Museum. Das ist aber

nicht der Sinn des Tages. Heute wird gefeiert.

Hier hat keiner rumzustehen ohne ein Glas Bier

in der Hand und zwar ein volles denn Spiegel

hat vorgesorgt. Geht mal rauf es ist in allen

Etagen was los und nen kleinen Imbiß könnt

ihr auch oben kriegen.«

..-

Wir gingen hinauf um Spiegel nicht zu kränken.Die einzelnen Büros waren von lachenden Leu

ten bevölkert die fast alle gleichzeitig sehr laut

redeten. Auch Spiegels Büro war aufgeräumt

worden und auf seinem Schreibtisch lag nicht

die kleinste Aktennotiz. Ich hatte bis zu meinem

Ausscheiden vor einem Jahr insgesamt neun

Jahre in der Firma gearbeitet aber es war mir

niemals in den Sinn gekommen daß Spiegel

überhaupt imstande sein könne seinen Schreib-tisch aufzuräumen. Ich sagte es meiner Frau

die Spiegel daraufhin ein Kompliment machte.

»Was blieb mir anderes übrig« sagte Spiegel

»wir brauchten doch den Platz für die Gläser und

einen kleinen Imbiß.« Tatsächlich waren so weit

ich sehen konnte alle Schreibtische mit Gläsern

und vor allem mit gehacktem Fleisch und mit

Wurst bedeckt. Das gehackte Fleisch war auf

Suppentellern zu Bergen aufgehäuft höher alsein britischer Schutzmannshelm. Auf anderen

Tellern lagen daumenlange Stücke von Jagd- und

Fleischwürsten. Diese Berge waren allerdings

etwas niedriger denn wenn Spiegel sie so hoch

.

gebaut hätte wie die Hackfleischberge so wären sie unwei

gerlich zusammengebrochen.

Meine Frau sagte: »Solche Fleisch- und Wurstmengen habe

ich noch nie auf einem Haufen gesehen.« Spiegel entgegnete:

-- 

67

.

rfahrungsaustausch

Page 72: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 72/136

68 Was des Volkes ände schaffen

»Da müßten Sie mal die Schlachthöfe von Chicago sehen, die

haben da noch mehr von solchem Zeug. «

»In Chicago vielleicht«, sagte meine Frau, »aber das ist wahr

scheinlich auch der einzige Ort auf der Welt, an dem mehr

Fleisch und Wurst gelagert wird als hier.«

Ich kostete von der Jagdwurst, die fett und salzig war. Spie

gel lächelte befriedigt und sagte: »Wenn du die Wurscht so

trocken nicht runterkriegst, dann nimm dir ne Schrippe

dazu.«Die Schrippen hingen in einem Netz an der Türklinke.

Das Waschbecken war mit Weißweinflaschen gefüllt, über die

kaltes Wasser hinweglief, und unter dem Waschbecken stan

den etwa zwanzig Flaschen Rotwein und ungefähr zehn Fla

schen Dessertwein. In den Sesseln streckten sich einige mei

ner früheren Kollegen und tranken Wein. Manche aßen auch

von der Wurst, was ihren Durst steigerte, obwohl sie nur

wenig aßen.Meine Frau fragte mich, ob wir nicht in einen Raum gehen

konnten, in dem etwas weniger Fleisch und Wurst sei, und so

Ich trank mit Thomas ein Glasgingen wir nach nebenan. Von dort hatten wir schon

vorher das dröhnende Lachen von Erwin gehört, der

mit mir gemeinsam aus dem Betrieb ausgeschieden

war und gleich mir aus alter Anhänglichkeit zur heu

Wein um ihn über seinen

Schmerz hinwegzutrösten  

tigen Feier eingeladen worden war. Erwin, den jeder von uns

nur Onkel Erwin zu nennen pflegte, erzählte gerade von sei

nen Erinnerungen an die Zeit, in der er Repetitor und zweiter Kapellmeister bei einem Wandertheater gewesen war. Ich

kannte seine Geschichten; sie waren gut. Wir blieben da,

schon weil meine Frau Onkel Erwins gute Geschichten nicht

kannte, und er berichtete von dem Tag, an dem er mitsamt

dem Dirigentenpult zusammengebrochen war, und welche Po

pularität ihm dies bei sehr vielen Leuten eingebracht hatte.

Von jenem Tage an hatte man nämlich in einer ganzen Reihe

von Ortschaften Engagements des Wandertheaters davon ab

hängig gemacht, daß der Kapellmeister dirigieren müsse, dermitsamt dem Dirigentenpult zusammengebrochen war.

Als Onkel Erwin eine Pause machte, sagte meine Frau zu

ihm: »Jetzt müssen Sie sich aber stärken «Denn auch auf dem

Tisch neben Onkel Erwin standen Teller mit großen Hack

fleisch- und Wurstbergen. Die Leute aßen auch davon, aber

man konnte nicht sehen, daß es weniger wurde. » ein«, wehr

te Onkel Erwin den Vorschlag meiner Frau ab, »ich esse heute

weder Fleisch noch Wurst, denn ich mache eine Kur. « Dann

Page 73: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 73/136

Was des Volkes ände schaffen 69-  . •   II , , oa • , • lt • , . t '·a· d ·ult · lt ·Mil Z.Li Sill 5 • JSJl-:_'.,ß USS 221 Eil 2 i 1 ik 21 :3 Mali Si 5 s.;;:= R • M

trank er ein großes Glas Rotwein aus. »Ich mache nämlich

eine Rotweinkur; sie ist zwar teuer, aber gesund, denn Rot

wein ist das gesündeste Getränk, das es gibt.«

»Ich dachte, Milch ist das gesündeste Getränk«, sagte ich.

»Nein«, korrigierte mich Onkel Erwin, »Milch ist zwar gesund,

aber Milch ist kein Getränk. Meine Kur schreibt mir vier Fla

schen Rotwein pro Tag vor.«Er deutete mit der Hand auf dreinoch volle Flaschen Rotwein, die unter seinem Stuhl standen.

Meine Frau ging das Fenster öffnen, weil es ihr zu stark nach

Wurst roch. Eine Sekretärin kam herein und setzte sich auf

meinen Schoß und sagte: »Warum bist du so schrecklich nüch

tern?« Ich klopfte ihr auf den Rücken und wusste nicht recht,

UtJSElE ~ Z E l a i N U N uRL.6 SOZIALl Tl5CHESKOLLEKTIV ~ N N JliFEJERLIOI WERT EN "

ßl.1uJfDE·FEST

OHNfEH EfRJIUEN ?

was ich tun sollte, bis ihr Mann hereinkam und sie weghol

te. Unser Werbeleiter, der bis dahin stumm in der Ecke ge

sessen hatte erwachte aus seiner Lethargie und verkündete:

»Ich beherrsche drei Sprachen « Meine Frau war die einzige,

die den Witz noch nicht kannte; sie erkundigte sich bei ihm,

welche Sprachen das seien, und der Werbeleiter erläuterte:

»Laut, leise und langsam « Aus Gewohnheit lachten wir alle.

»Was lacht ihr denn?« fragte Spiegel, der in diesem Augen

blick das Zimmer betrat. »Habt ihr nichts mehr zu trinken?

Warum ißt niemand?« Er hatte beide Hände voller Weinfla

schen. »Wo ist Drops?« fragte er. Onkel Erwin gab Auskunft:

»Drops ist nicht hier, er muß unten sein. Wir wollten ihn nicht

Page 74: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 74/136

70

Es lebe der 1. Mai, der

Kampf und Feiertag

der Werktätigen der

ganzen Welt für Frie-

den Demokratie undSozialismu s 

Was des o lkes ände schaffen

hier haben. Er fing schon wieder an, leere Flaschen aus dem

Fenster zu werfen, und wir haben ihn weggeschickt. Ich hatte

Angst, es könne ihm noch einfallen, auch volle Flaschen aus

dem Fenster zu werfen.«

»Aha«, sagte Spiegel, »soll ich noch etwas zu essen holen?«

Aber es waren noch genügend Vorräte da. Meiner Schätzung

nach hatte sich Spiegel auf eine Speisung der Fünftausend

eingerichtet, obwohl höchstens achtzig Gäste da waren.

Meine Frau stellte plötzlich fest, daß wir Thomas Frau noch

gar nicht gesehen hatten Ich sagte: »Ent-

schuldigt uns mal, wir wollen mal sehen, wo

die Frau von Thomas steckt.« Dann gingen

wir sie suchen.

Im Erdgeschoß gab es an der Bar des Ober-

buchhalters gerade eine Auseinandersetzung

zwischen Drops, der spaßeshalber die

Schnapsgläser an die Wand werfen wollte,

und dem Barmann, der die Gläser lieber auf

dem Schanktisch gesehen hätte. Die Ausein-

andersetzung endete damit, daß Drops die

ganze Bar umwarf, dem Oberbuchhalter eine

Ohrfeige und einer dazwischentretenden on-

toristin einen Kinnhaken verabreichte und

daraufhin durch den Direktor von der weite-

ren Teilnahme an der Feier unseres zehnjäh-

rigen Bestehens beurlaubt und hinausgewor-

fen wurde. Die Kontoristin begann zu weinen,

so daß meine Frau sich bemühte, sie zu trö-

sten. »Er hat mir einen Kinnhaken gegeben«,

sagte die Kontoristin, »und nun kriege ich Nasenbluten.« Sie

kriegte es tatsächlich. Alle waren sehr nett zu ihr und mach-

ten Witze; so hörte sie bald zu weinen auf.

»Wir wollen doch die Frau von Thomas suchen«, erinnerte ich

meine Frau. Aber wir brauchten nicht mehr zu suchen, denn

sie kam gerade die Treppe herunter und machte ein ganz

böses Gesicht. »Wo ist mein rechter Schuh?«rief sie verärgert.

Sie hatte in der Tat nur noch einen Schuh an, und zwar genau

den rechten, wohingegen ihr der linke fehlte. Ganz offensicht-

lich war sie in einem Zustand der Erregung, in dem man wohl

links und rechts einmal verwechseln kann, und im Grunde

war ja auch nur wesentlich, daß ihr ein Schuh fehlte, und

nicht, welcher Schuh ihr fehlte. »Es war so ein guter Schuh«,

Page 75: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 75/136

  asdes olkes Hände schaffen

klagte die Frau von Thomas »und jemand muß ihn mir weg-

genommen haben.« Einige Kollegen machten sich auf die

Suche nach dem Schuh ausgenommen Thomas selbst.

Thomas tanzte im Speisesaal und war seiner Frau böse weil

ihr der Schuh abhanden gekommen war. »Natürlich« sagte er

»natürlich mußte sie den Schuh verlieren. Ich habe es vorher

gewußt. Sie läßt keine Gelegenheit vorübergehen mich zublamieren.« r schien davon überzeugt zu sein daß die Frau

den Schuh absichtlich verloren habe um ihn zu blamieren. Ich

trank mit Tho·mas ein Glas Wein um ihn über

seinen Schmerz hinwegzutrösten. Dann ging

ich wieder hinauf zu Onkel Erwin wo ich

neben anderen die Frau von Thomas und

meine Frau fand. Man hatte den verlorenen

Schuh wiedergefunden und nun weinte die

Frau von Thomas. Meine Frau gab ihr einBrötchen mit Wurst doch sie weinte weiter.

Spiegel brachte zwei neue Teller mit Wurst

sowie zwanzig Flaschen Wein und dabei

saßen doch höchstens zehn Gäste in diesem

Raum. Onkel Erwin schloß die Fenster denn

es war ihm inzwischen zu kühl geworden. Vor

den Fenstern war schon die Dunkelheit denn

wir feierten unser zehnjähriges Bestehen an einem Tag im

Frühjahr und da blieb es nicht lange hell am Abend.In allen Stockwerken war noch Betrieb als wir nach Hause

gingen; es wurde getanzt und getrunken gelacht und geweint

geredet und gesungen und Spiegel schleppte unermüdlich

neue Vorräte von Hackfleisch Jagdwurst Fleischwurst und

Wein herbei. » u bist mit deinen früheren Kollegen gar nicht

so richtig warm geworden« sagte meine Frau. »Vielleicht bist

du schon zu lange aus der Firma heraus.«

»Ich weiß nicht ob es das ist« sagte ich »wir haben uns ei-

gentlich immer sehr gut verstanden. Es ist ja gar nicht solange her daß ich in der Firma gearbeitet habe. Früher war

es ein bißchen anders. Da hatten wir auch nicht so schreck-

lich viel zu essen und zu trinken vor allem nicht so viel zu

essen. Vielleicht ist es das. Ich weiß nicht ob es das ist aber

vielleicht ist es das.« Mir war warm geworden und ich freu-

te mich schon darauf daß ich zu Hause mein Hemd auszie-

hen konnte.

71

00

DEINE HAND

FÜR DEIN · PR ODUKT

Page 76: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 76/136

7

Halberstädter Würstchen

- lecker und rar Zeitweise

verschwanden sie ganz

aus den Läden um in

Griechenland Zypern

oder der Bundesrepublik

wieder aufzutauchen.Mitte der siebziger Jahre

gab es die Halberstädter 

in den Delikat-Läden«- 

manchmal. Ubrigens: Aus

Halberstadt kamen 30

Prozent der gesamten

DDR-Wurst und -Fleisch

produktion.

Was des Volkes ände schaffen

Alfred Schiffers

a te oiHOS„

or ' ors

10.00:10.15:

10.50:

14.00:

14.10:

14.12:

14.15:

14.20:

15.00:

15.20:

15.25:

15.50:16.00:

16.15:

16.20:

16.45:

17.49:

17.59:

18.00:

18.01:

Ende.

••

Offnung der Bockwurstbude.Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude. Anruf im VEB Bockwurst:

Bockwürste liefern

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Vorübergehende Schließung der Bock-

wurstbude wegen Warenannahme Bock-

würste).

Einfüllen des Wassers in den Topf.

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude zwecks Beschaffung von

Streichhölzern.

Entfachung eines Feuers untenn Topf.

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Einlegen der Bockwürste in den Topf.

Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude zwecks Bestellung von Senf

beim VEB Mostrich.

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude wegen Warenannahme Senf).

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude. Anruf beim VEB Pappteller

zwecks Lieferung von Papptellern.

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Vorübergehende Schließung der Bock

wurstbude wegen Warenannahme Papp-teller).

Wiedereröffnung der Bockwurstbude.

Schließung der Bockwurstbude. Heraus

nahme der Bockwürste aus dem Topf,

Einlegen in Salzwasser.Blick in die Kasse. Feststell11ng, daß sich

stundenlanges Abrackern auch nicht

auszahlt.

Page 77: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 77/136

Page 78: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 78/136

7 eißer Sommer

ochen Petersdorf

Manche wissens ja bereits, meine Frau raucht auch. Und nicht

schlechter als ich. Wrr haben auch häufig Gäste. Alles Raucher.

Andere würden es nicht überstehen.Die Tapete unseres Wohnzimmers war vor zwei Jahren zart

gelb vorige Woche kaffeebraun. Und wir kochen keine Schmun

zelbrühe.

Kurz und gut, die Bude war fällig.

Das Tapetengeschäft gerammelt voll.

Von Menschen. Die Anzahl der Tapeten war nicht ganz so groß,

aber es gab fast dreißig Sorten.

Die Industrie stellt ein paar hundert Sorten her, habe ich in der

Zeitung gelesen. Der Leiter des Tapetengeschäfts liest wahrscheinlich nur das »Sportecho«.

Im Warenhaus stieß ich auf MischwaldMeine Frau fand trotzdem etwas Passendes.

Birkenwäldchen hatten sie nichtAuch was den Preis betraf. Da sah ich plötzlich

• •

diese Dinger. Ubem1annshoch und einen guten

Meter breit. Auf dem einen war ein hübscher

Kirschzweig, auf dem anderen ein Birkenwäldchen mit einem

schmalen Weg der nach hinten immer enger wurde und

schließlich hinter einem Gebüsch nach rechts abbog.

»Was ist das?«fragte ich die Verkäuferin.»Das sinn Dierfohdohs«, sagte sie.

»Aber es sind ja gar keine Tiere drauf.«

»Fier de Flur- oder Stupendiere « rief sie und beschoß mich mit

einem ungeheuer verächtlichen Blick.

»Ach so« murmelte ich und fragte meine Frau: »Gefällt dir so

was?« - »Nein«, meinte sie.

Daraufhin kaufte ich das Birkenwäldchen mit dem schmalen

Weg.

Unser Flur ist nicht sehr lang, aber immerhin länger als breit.An der Stirnseite, von der Wohnungstür aus gesehen, ist ein

Einbauschrank. Dort haben wir das Bettzeug drin und allerlei

anderen Krempel.

Ich klebte das Birkenwäldchen an den Einbauschrank. Die Wir

kung war verblüffend.

Betrat man nun die Wohnung glaubte man, am Anfang eines

romantischen Waldweges zu stehen, der sich durch einen Bir

kenhain schlängelt und in der Feme rechts hinter einem Ge-

Page 79: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 79/136

  eißerSommer

• • •• 1

••

••

..__

büsch im Schlafzimmer verschwindet. Auch meine rau fand

die Sache ganz putzig. Sie ist nämlich sehr naturliebend, hat

nur etwas gegen die weit verbreitete Fotografiersucht. Aber

die Orientierungswanderungen, die unsere Heimatzeitung regelmäßig veranstaltet, macht sie ebenso regelmäßig mit. Des

halb gefiel ihr nun wohl auch der Weg durchs Birkenwäldchen.

Aber mich störte etwas. Die Illusion hatte einen Haken. Einen

optischen Knick oder, wenn man so will, Stilbruch. Die alber

ne Streifentapete unseres Flurs ging nicht nahtlos ins Birken

wäldchen über. Man mußte von der Wohnungstür aus zu lange

laufen, bis man in der Natur war.

Ja, wenn der ganze Flur von vorn bis hinten mit Birken beklebt

wäre, sähe die Sache anders aus: Man kommt nach Hause,schließt die Tür auf und steht im Wald. Jetzt ahnen Sie schon

etwas? Jaja, aber so einfach war das nicht.

Ich klapperte alle einschlägigen Geschäfte ab. Alle Birken

wäldchen-Fotos waren gleich.

In der Mitte der Weg, der nach hinten immer schmaler wird und

schließlich hinter einem Gebüsch nach rechts abbiegt. So etwas

kann man natürlich nur an die Stirnseite kleben. Die gleichen

Bilder rechts und links den Flur entlang würden den Effekt

75

S c h u l z ~ s v o r l ·neben;; 

an wollen sich heute

~ b e n d lplSer: ~ a d i : ~ ilJorgen«, sagt die

l o c h t e J ; ~ .·

F ~ a g t J ~ ~Brdder:

»Wollen die etwat A ± l z e D ? < ii . . };i>

> Nein«, knurrt der

·Vater, >llie wollenschlafen.«

Page 80: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 80/136

7 eißer Sommer

einer großen Waldlichtung ergeben, von der nach allen Seiten

Wege abgehen. Man käme sich irgendwie hilflos, wenn nicht

sogar verirrt vor und könnte vor allem nachts beim gedämpften

Flurlicht auf dem Gang zur Toilette Angstzustände bekommen.

Also mußten einzelne Bäume her. Wald ohne Weg. Um es kurz

zu machen: Ich hatte Glück.

Nicht in Berlin, aber in Spremberg, wohin mich eine berufliche

Angelegenheit führte. Dort stieß ich im Warenhaus auf Misch

wald. Birkenwäldchen hatten sie nicht. Aber in diesem Misch-

wald kam auch etwas Birke vor so daß ich überzeugt war, er

D BV t lt· h ·t würde in unseren Flur passen.

er s e e sie m amen . . .

und Dienstgrad vor dann sagte

er uns die genaue Uhrzeit und

seine Meinung .

Außerdem kaufte ich noch einen Blick von der neuen

Dresdner Elbbrücke, unter der gerade ein Fahrgast

schiff mit fröhlich heraufwinkenden Menschen hin

durchfährt.

Das Dampferfoto klebte ich an eine Wand der Duschecke unserer Toilette. Natürlich überpinselte ich es noch mit Latex.

Wegen der Feuchtigkeit. Von nun an war das Duschen jedes

mal ein Erlebnis. Ich glaubte stets, in strömendem Regen auf

der Elbbrücke zu stehen und konnte mich nicht genug freuen

über die prächtigen DDR-Bürger auf dem Schiff, die trotz des

miesen Wetters fröhlich und optimistisch zu mir heraufwink

ten. Bald hatte ich mir ihre Gesichter alle eingeprägt. Den Dün

nen mit der auffällig großen Hakennase habe ich neulich sogar

mal im Warenhaus am Alexanderplatz getroffen. Er tat aber,als kenne er mich nicht. Was mich nicht wundert, denn die

Blondine, die er zärtlich am Händchen hielt, war wesentlich

knackiger als das untergehakte Muttel auf dem Dampfer.

Doch das nur nebenbei.

Zurück zum Flur.

Waren Sie schon mal auf dem Darß oder im Thüringer Wald?

Können Sie glatt vergessen, wenn Sie gelegentlich einen Blick

in meinen Flur werfen. Das ist ein Wald wie er im Bilderbuch

steht. Natur plus Fotokunst. Mit einem Wort: Kein schönerLand in dieser Zeit.

Ich habe ihn auch mit etwas Fauna durchsetzt. Auf der Rotbu

che an der Stubentür hockt eine prächtige ausgestopfte Eule,

und aus dem Haselnußstrauch neben der Toilettentür lugt ein

Rehkitz. Es ist ziemlich klein, denn ich habe es aus dem

»Bummi « ausgeschnitten.

In der NBI war mal ein größeres. Doppelseitig. Als Poster mit

der Jimmy-Wood-Combo drumrum. Und diese Jungs haben alle

Page 81: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 81/136

  eißerSommer

einen leichten Schimpansen-Look. Musikalisch sind sie j nicht

schlecht, aber in meinem Wald möchte ich ihnen nicht begegnen.

Vorigen Freitag rief ich meine Freunde an. Ernst, Manne, Elli

und Antek sowie Horst und Reni.

»Morgen läuft ein Ding«, sagte ich. »Picknick im Walde Wir

treffen uns um 19.30 Uhr vor unserem Haus «

Lediglich der schlaue Manne sagte: »Zu dieser Jahreszeit einPicknick? Und dazu noch nachts? Warum denn nicht am Tage?«

»Tagsüber muß meine Frau die Wohnung säubern und den Flur

harken.«

»Wieviel hast'n heute schon wieder genascht?«rief Manne und

kicherte anzüglich.

Aber er sagte zu.

Am nächsten Abend versammelten wir uns alle vor

unserm Haus. Antek war im Lodenmantel erschie

nen, und Elli trug Gummistiefel, denn es nieselte.»Wolln wir nicht lieber in deiner Wohnung picknik

ken? « fragte Reni, »wir holen uns j sonst alle die

Grippe.«

»Wie ihr wollt«, sagte ich. »Kommt hoch.«

Als sie die Wohnung betraten, standen sie wie vom

Donner gerührt. Meine Frau hatte die grüne Flur

lampe angeschaltet, und aus der Stereoanlage im

Wohnzimmer erscholl der Jägerchor aus dem Frei

schütz.»Ich glaub mich knutscht ein Elch«, schrie Ernst.

Er hatte sich als erster gefangen und brach denBann der Ergriffenheit. Ein riesiger Tumult begann. Alle quirl

ten durcheinander, beklopften die Bäume, streichelten das Reh,

tippten der Eule an den Schnabel, und Antek versuchte sogar,

seinen Lodenmantel an einen Ast der Rotbuche zu hängen.

»Garderobe dort hinter der Krüppelkiefer«, rief meine Frau.

»Und die Gummistiefel nicht ins Gebüsch, sondern auf die Toi-

lette in die Duschecke Die Toilette ist hinter der Rotbuche mit

dem Herzchen «

Elli verschwand hinter der Buche. Als sie wieder hervorkam,

rollte ihr eine Träne übers Gesicht. »Onkel Max«, schluchzte sie.

»Vorige Woche haben wir ihn begraben, und hier fährt er

quietschvergnügt aufm Dampfer und winkt sogar.«

Verflucht noch mal. Wer hätte das geahnt

»Kinder«, rief ich, »das Leben geht weiter Laßt uns einen zur

Brust nehmen. Prosit. Schirijoh «

77

>>Im Rahmen der allge-

meinen Umstellung auf

Selbstbedienung eröffne

ich die diesjährige agd-

saison

Page 82: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 82/136

  8 e i ßer Sommer

Wir breiteten ein paar Decken aus, hockten uns hin und ließen

die Gläser klingen. Es kam Stimmung auf. Elli fing an, recht

derbe Witze zu erzählen, die sie von Onkel Max geerbt hatte.

Meine Frau servierte Mititei, frisch aus der Bratröhre. Ich ver

sprühte Tannenspray. Gegen den Knoblauchduft.

Dann legte ich die Stimmungsplatte auf. »Denn im Wald da

sind die Roheuber, halli hallo, die Roheuber ...«Beim Kasatschok fiel die Eule herunter. Ich trug sie in die

Küche und legte sie in die Bratröhre. Meine Frau sagte: »Trink

nicht so hastig « und setzte sie wieder auf ihren Ast. Antek

hatte sich eine Flasche Wurzelpeter mitgebracht.

Als r keinen Tropfen mehr herausbekam, den Arm hob und

sang: »Er nahm die Büchse, schlug sie an ein' Baum«, riß ich

ihm die Buddel aus der Hand und versuchte sie zu vergraben.

Horst hatte unser Brotmesser aus der Küche geholt und be-

gann, ein Herz in die Rotbuche zu schneiden. Ich legte schnellseine Lieblingsplatte »La Paloma« mit Hans Albers auf und ret

tete den Baum.

Der ABV ist ein anständiger Kerl

s hätte teuer werden können

Antek machte plötzlich einen Heidenkrach, weil

seine Frau Elli sich weigerte, mit ihm Brüderschaft

zu trinken.

Ernst schlichtete den Streit mit dem genialen Vorschlag, eine

Treibjagd zu veranstalten. Wir schleppten alle verfügbaren

Topfdeckel zusammen und stolperten mit mörderischem Krach

durchs Unterholz.Manne stieß dabei mehrmals den Hetzruf aus: »Hussassa, pack

die Sau «

Da klopfte es an der Wohnungstür. Ich öffnete und rief: »Waid-

mannsheil, Herr Oberförster.«

Aber der Grüne war unser ABV. Er stellte sich mit Namen und

Dienstgrad vor, obwohl ich ihn genau kannte. Dann sagte er uns

die genaue Uhrzeit und seine Meinung. Ich versuchte gegen

zuhalten. Aber er hatte die besseren Argumente. »In Ordnung«,

sagte ich. »Ich blase jetzt zum Halali.«»Unterstehen Sie sich«, rief er. »Sonst sind Sie die Trompete los

und ein bißchen Taschengeld « Dann ließ er seinen Blick noch

kurz durch unseren Flur schweifen, schüttelte den Kopf und

ging mit kurzem Gruß.

»Ein anständiger Kerl«, sagte ich. »Es hätte teuer werden kön-

nen.«

»Wegen dem bißchen Krach?« krähte Antek.

»Quatsch«, sagte ich. »Deshalb doch nicht. Aber er hat groß

zügig übersehen, daß wir alle im Wald geraucht haben «

Page 83: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 83/136

  eißer Sommer•

Hansjoachim Riegenring

Da war vielleicht was los, als am Montag der Platzkartenschal

ter vorzeitig geschlossen wurde. Zwei Stunden hatten manche

angestanden, und dann durften sie abziehen, ohne überhauptnach ner Karte fragen zu können.Ich glaube, ich war der letzte, der bedient wurde. »Ich möchte

übermorgen nach Erfurt«, sagte ich, »erster Klasse, mit dem

D 138.«

Der Platzkartenverkäufer nahmeine Karte, schrieb Wagen- und

Platznummer drauf, verlangte

eine Mark und gab mir die

Karte. Ich hatte nichts gegenden Mann. Bestimmt nicht.

Ich betone das, weil mir am

Fahrkartenschalter folgendes

passiert war. Ich verlangte eine

Karte erster Klasse D-Zug nach

Erfurt. Die Fahrkartenverkäufe-••

rin fragte: »Uber Leipzig? « und

ich antwortete: »Wieso über

Leipzig? Ich will mit der Bahnfahren und nicht fliegen. «

•••; „ „

Daraufhin wollte die Kollegin wissen, ob ich etwas gegen sie

hätte.

Also noch mal: Ich hatte nichts gegen den Mann am Platzkar

tenschalter. Ich wollte nur ganz sicher gehen beziehungswei

se fahren und erkundigte mich höflich: »Es ist doch hoffentlich

ein Sitzplatz?«

»  st doch wohl klar«, meinte er.

So klar fand ich das gar nicht. »Ich habe mal für ein FußballLänderspiel eine Karte gekauft, zum doppelten Preis, auch an

geblich ein Sitzplatz. Und was durfte ich? Stehen «»Im D 138« sagte er »wird nicht Fußball gespielt. Beruhigt Sie

das?«

»Ungemein. Besten Dank. Dann ist ja alles in Ordnung.«

Ich sah mir die Karte flüchtig an. »Platz Nummer 53, ist das in

einem Raucherabteil?«»Wollen Sie damit andeuten«, fragte er aber nicht mehr ganz

79

[

Page 84: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 84/136

8 eißer Sommer

so freundlich, »daß Sie lieber in einem Nichtraucherabteil fah-

ren möchten?«

»Sie können Gedanken lesen« nickte ich anerkennend.

Er schrieb eine neue Karte aus. »So, bitte, D 138 übermorgen

erster Klasse Nichtraucher. Und nun machen Sie bitte für den

Nächsten Platz. Vorwärts «

»Gut, daß Sie daran gedacht haben. Rückwärtsfahren vertrage ich nämlich nicht. «

Er sah mich mit einem Blick an, den ich als außerdienstlich be-

zeichnen möchte. Ich kann mir nicht denken, daß ein Eisenbah

ner einen Reisenden dienstlich zum Teufel wünschen darf. Er

schrieb eine neue Karte aus. Er mußte sie dreimal schreiben,

weil seine Hand etwas zitterte.

»Vielen, vielen Dank « rief ich ihm herzlich zu und nahm die

Platzkarte. »Und sogar ein Eckplatz «

Meinen freundlichen Abschiedsblick konnte er nicht erwidern,weil er gerade eine Handvoll Beruhigungstabletten schluckte.

»Nur eine letzte, winzig kleine Bitte noch«, sprach ich ihn vor-

sichtig an, »ich glaube, Sie haben die Platzziffer falsch geschrie

ben.«

Seine Augen waren wie die Scheiben eines Vorartzuges. Trübe.

»Es ist doch ein Eckplatz «flüsterte er.

»Aber am Gang Jeder, der raus und rein will, klettert über

meine Beine.«

Er schrieb eine neue Karte aus. Beim achten Versuch gelang

Er legte einen Stapel Blanko-Platz

karten vor mich hin schloß das

Fenster und hängte ein Schild auf:

es ihm.

»So «, sagte er mit letzter Kraft, »mit dieser Karte

fahren Sie in einem Nichtraucherabteil auf einem

Fensterplatz des D 138 nach Erfurt, und zwar vor-

wärts Sind Sie nun endlich zufrieden?«egen Krankheit geschlossen.

»Vollkommen « rief ich. »Und nochmals herzlichen Dank Nur

eine Frage noch - ich fahre zwar vorwärts, aber nur bis Leip-

zig, stimmt's? Das ist ein Kopfbahnhof. Da müßte ich eigent

lich den Platz wechseln, sonst fahre ich von Leipzig nach Er-

furt rückwärts.«

Da legte er einen Stapel Blanko-Platzkarten vor michhin warf

seine Essenmarken, seine Angelkarte und einen Postabholer

ausweis dazu, schloß das Fenster und hängte das Schild auf

»Wegen Krankheit geschlossen«.

Eigentlich wollte ich noch beim Fleischer Gulasch kaufen.

Oder lieber nicht?

Es ist nämlich der einzige Fleischer in unserer Gegend.

Page 85: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 85/136

erte GiJstel

lhMA der·Aufonthalt in unsetcm\ Haus immer angonehmerbetatüht sich das gHOmf.e Kol6elctiv um Qine gute kulturelle

g o s t r o n o m ~ e Bettwung. die Sie w e i ~ unterstützen

Sie unsere Hausotdnung oinholten.

~ o U N r d n u n g verlangt von lhnon* . ·zv becachtea„ cloßwir nur noch Sibplclt:1kart• wHkouf4tn 11111d er:sudtt S . cforum„ RGdMI••• clo•Housauwedwndt ist. dcas a11tzw•

Wärt• vor d•m Houp1:ei119 a119 za val•lo11ea und noch Kaute

zugehen•

clcdl die TWM»tdnung eift9ehcaltiln wird

keine 6n.'1G.huae won Getränlultt bo St.II111

die Sa:u•11Wtw19 cler Thd..d1cflet1 uad d1s fulllnnlz•s

ke"9 ge9w l t lg Sratun auf dein Scl.e8 d e Arid,....„

bin SJelcf.en Tltdt

b i n Alkoholmiat.tauch.

kai•• Btrchlcllgung von Sodcwectila wie Tisdte„ Stahl.# GJa... „

At J11nb•d 1 r und Bawubsticman

keine lnsn11ierung waa e w o t t t a t i g ~eine TGM el'fonletfiche. Ktectuna

die Einholtungd ugeftCl1chuages1ba.

wünschen uns eine positiv• Untetstütiung Ihrerseits; urra genann-

Kriterffm unse r H a ~ n u n g dut<hzusetz«t. . ...

it werden ouf der gesetzlichen Gnmdlage gegen diejenigen vord;Q sida lJnS4INn Anordnungen w i d ~ c m .

tatkräftigen U n t e r s t ü t z ~ des gesamten Kolloktiw ist eine Ord- 'gebildet O f d e n ~ deren Mitad;)Qit Sie unbedingt respek

mÜSS8fl.

1_.

Konzm- und Veranslallungshaus

Lintkngarten KG

ga trieJnJ.Uung

. „....., ..... ~ „ „ ~ _ . I·t - - - ·::.:.;,.· ~ y , ; ; _ : ~ ~ - W W · , ( l ~ t \ < t • M f ; · - 4 , . . . . ~ J Y > : 111

~ • i a .Jl Oa Gesicht · . · : · · · o: ··

Der Rat der ~ t ~ ~ t ~ a t auch ...dieDienstleistungen für dit Badegaste

erweite1·t.. Ab diesem Jahr werdennicht nur Badsebegleitungen ausge-liehen. sondern auch Liegestühle

.

.•

1 .

,,

•--

 

-

1

Page 86: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 86/136

8 eißer Sommer

einz Eckler

t ~ rDer Arzt sagt: »Sie brauchen einen Garten. Ausgleichsbeschäf

tigung, ein bißchen körperliches Austun, Grünes für die Augen,

Vitamine für den Kreislauf, einen Liegestuhl zum Ausbaumelnder Nerven.« Wildbruch ist schockiert. Aha, denkt er, jetzt kom

men sie mir mit Naturheilverfahren. Er will schroff ablehnen

mit dem Hinweis auf seine beruflichen und gesellschaftlichen••

Verpflichtungen, auf seine Uberzeugungen und überhaupt. Aber

der Arzt handelt ihm das Zugeständnis ab, noch mal in Ruhe

darüber nachzudenken. Und als Wtldbruch hinaus ist, führt der

schlaue Doktor rasch einige Telefongespräche: mit dem Partei

sekretär, mit der Ehefrau, mit dem Chef Wildbruchs. Nach einer

Woche ist Genosse Wildbruch perspektivisch auf einen Schrebergarten ausgerichtet. Er glaubt mit der Kraft der Verzweif-

"ldb h . lung daran, daß er nur mit Hilfe eines Schrebergartens~ n o ~ s V' ' ruc ist vo . imstande ist, seine frühere Spannkraft wiederzugewin-, ~ e g r i e r t in das gesamte klein- nen. Er sieht sich mit einem Strohhut und mit halblangartner1sche Geschehen.

ger Pfeife an Rosenstöcken herumbosseln.

Wider Erwarten, ein wenig mit Nachhilfe höherer Gewalten, er

gattert Wildbruch recht bald eine Parzelle in der Anlage »Früh

lingserwachen«. Die Beete sind nur leidlich verunkrautet, und

die Laube kann mit erschwinglichem Aufwand zu einer Restnutzungsdauer veranlaßt werden. Nach vier Wochen hat Wild

bruch schon Schwung in der Sache. Die körperliche Arbeit be

kommt ihm wie Medizin nach Noten, und nun ist bereits jene

Phase in Aussicht, da er das Rackern im angenehmen Rhyth

mus mit Bosseln, Baumeln und Bräunen durchsetzen kann.

Da lehnt sich der Spartenvorsitzende über den Zaun.

»Na, Genosse Wtldbruch, schon eingelebt in unserer Gemein

schaft?«

Darüber hat sich Wildbruch noch keine Gedanken gemacht. Erist die ganze Woche über immerzu in Gemeinschaft und hatte

mit dem Garten eigentlich mehr die Ruhe und den Dialog mit

der Natur im Auge.

»Wird schon, wird schon, lieber Gartenfreund « setzt sich der••

Vorsitzende über Wildbruchs Sprachlosigkeit hinweg. »Ubri-

gens, am Sonnabend ist Großeinsatz am Spielplatz. Zaun strei

chen, das Karussell reparieren, ein bißchen planieren, frischen

Kies anfahren, na, du weißt schon, was so alles nötig ist für

das Kinderfest in vierzehn Tagen. Die Gartenfreunde rechnenmit dir. Glück auf «

Page 87: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 87/136

  eißer Sommer

»Glück ab « dankt Wtldbruch überwältigt und läßt einige Hoff

nungen auf Ruhe und Beschaulichkeit fahren.

Nach dem Arbeitseinsatz am Sonnabend verteilt der Vorsitzen

de die Aufgaben für das Kinderfest. Wildbruch wird die Ehrezuteil, die politische Einleitung mit einem kurzen Referat zu

geben, von der politischen Lage geschickt zum Glück der Kin

der und zu den Bratwürsten überzuleiten. »Du weißt schon, dirbrauchen wir ja nichts zu sagen, du stehst ja in der Materie.«

Nach dem Referat wird Wildbruch als Kampfrichter beim Sack

hüpfen arbeiten, später die Biermarken für die Erwachsenen

verteilen und abrechnen und schließlich m Sonntag einen klei

nen Bericht für den Kreisverband über das geistigkulturelle

Leben in der Anlage erarbeiten.

Aber dann ist erst mal Ruhe. Nicht lange. Dann kommt eine

Obstbaumzählung. Anschließend überträgt ihm der Vorsitzen

de Vertrauenssache, Genosse Wildbruch ) die Erfassung vonErdbeeren, Johannisbeeren, Kirschen, Schoten, Gurken, Toma

ten, Radieschen, Por

ree, Kornäpfeln - Wild

bruch nimmt ehrfürch

tig eine nie geahnte

Breite des Anbausorti

ments zur Kenntnis. In

der Jahresversamm

lung, die Gartenfreunde erwarten das von

ihm als politisch expo

niertem Menschen und

Bürger, tritt er mit einem Diskussionsbeitrag auf, der ihn sofort

geeignet erscheinen läßt, im Vorstand mitzuarbeiten.

Damit ist Genosse Wildbruch voll integriert in das gesamte

kleingärtnerische Geschehen. Auf seine Erfahrungen in der Ar

beit mit den Menschen vertrauend, beauftragt ihn der Vorstand

mit Aussprachen: Liederliche Gartenfreunde sind unkrautfreizu erziehen, die gesamte Kolonie ist von einer einheitlichen

Zaunfarbe zu überzeugen, der sparsame Umgang mit Wasser

ist zur Herzenssache eines jeden Gartenfreundes zu machen.

Wildbruch arbeitet in seinem eigenen Gärtchen hektisch wie vor

Quartalsschluß, um Zeit für die gesellschaftliche Arbeit in der

Kolonie herauszuwirtschaften. Am Arbeitsplatz betrachten ihn

die Kollegen besorgt. Die sich anbahnende Bräune seines Ge

sichts weicht sorgenvoller Blässe. Der Chef läßt ihn kommen.

»Genosse Wildbruch, jetzt mal ernsthaft, das ist eineWeisung:

Zieh dich zurück von den gesellschaftlichen Aufgaben im Be-

8

»Siehste Paul, seit wirdie Grünanlage parze-

liert haben, klappt s mitder Pflege ausgezeich-

net

Page 88: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 88/136

8 Heißer Sommer.  .

trieb und im Wohngebiet, ist doch alles mit der Partei abgespro

chen Verschwinde in deinen Garten Schalte ab Die Welt bleibt

nicht stehen, wenn du mal eine Weile untertauchst «

Um diese Zeit st Wildbruch schon Vorsitzender der Sparte,

steht vor seiner Wahl in den Bezirksvorstand und hat den eh-

renvollen Auftrag, den überparteilichen Erfahrungsaustausch• •zu organ1s1eren.

Als Wildbruch wieder vor seinem Arzt sitzt, hört der sich auf

merksam die Entwicklung der Kleingärtnerkarriere an und er-

kennt, daß er für einen rührigen Mann die falsche Therapie aus

gewählt hatte. Er denkt einen Augenblick an Briefmarken, hat

aber Befürchtungen im Hinblick auf die Kadersituation im Phi

latelistenverband und führt Wildbruch lieber zurück auf die

Plattform der Pharmazie: Er verschreibt ihm »Faustan«.

Ernst Röhl

Nael c ~ S dia s t ~ t t ~ todor Dia Ki-isto iHt Sopto11tOor

Wo die Ostseewellen schrecken jäh am Strand

und wo Strandkorbtrümmer modern tief im Sand,

wo's viel Wasser gibt, vor allem im Kaffee,

da ist nun allmählich die Saison passe.

Auf der Düne liegt ein alter Suppentopp

und daneben Dosen aus HO und Shop.

Selbst ein Damenhöschen weht im Wind verwaist,

wer es trug, st unten ohne abgereist.

Und die Hühner ziehen gnatzig überall

wieder ein in ihren finstren Hühnerstall;

Badegäste schliefen drin und fanden's toll -

Hühner, die sind eben ziemlich anspruchsvoll.

Wo man lange Schlange stand vorm Strandlokal

in der Hoffnung auf Makrele oder Aal,

steht ein weißer Golf, den hat der Wirt glashart

seinem werten Gast vom Munde abgespart.

Und die Riesenautoschlangen, die verziehn

sich nach Crimmitschau, nach Plauen und Berlin.Keine Abgasschwaden, alles öd und leer.

An der Küste riecht es ekelhaft nach Meer.

Page 89: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 89/136

Page 90: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 90/136

86

. öher, schneller, weiter: i- t i , WR• p m. tf* f'ir' mwm m,t b± i lt

, s , . „ il 19 , • • ; g i

John Stave

Wieder war ein Bierlachs zu Ende. Damit erhöhte sich Kupfers

Verlierquote auf neun Pils und sechs Kurze. Martin hatte sechs

Pils, und Schikanowski war wieder mal leer ausgegangen. Kup-fer war bedient.

»Mir langts, Leute. Ickjeh za Hause«, sagte er und warf die Kar-ten hin. »Übrijens wartet Trude mits Ahmtbroot. «»Mensch, du würst noch ma vahungem. Wat sagstn, dette sofrieh za Hause kommst « bemängelte Martin sanftmütig.

»Nu jib ma noch mal, Kupfa«, feixte Schikanowski, »diesma

packste uns bestimmt in.«

Kupfer schüttelte den Kopf. »Man dürf dieSache nicht übertreihm. Wennick heute zusehr üban Zappen haue, denn kooft ma Trudeden Fußball am nächsten Sonntach nichmehr ab.«»Watt'n fom Fußball, Kupfa?« fragten Schi

kanowski und Martin wie aus einem Mund.»Na, Mensch, denkt ihr denn vielleicht, Trudeläßt ma nach unsan vorchten Marrathon

Skat noch mal zum Kartenkloppen? Un da

hab ick ihr einfach det Ding mit dem Fußballenjeschenkt, Turbine 89, hab ickjesagt, jejenChemie Halleluja, ein sehr intressanta

Kampf, Trude, hab ick jesagt, kannst ja mit-komm, Mädel, hab ick jesagt - bloß so, vastehste? Na, aus

Fußball macht die sich sowieso nischt. Ins Jejenteil: Obse mir

mal als Kind aus Vasehn mitn feuchten Lappen jetroffen ham,

frägtse. Na, ick komm ihr noch entjejen. Trude, hab ickjesagt,

et is auch bessa, du bleibst za Hause, wo et aufn Platz nich je

heizt is und du von unten so empfindlich bist bei Kälte. Und ge-rade heute, wo et ein Großkampf is, Obalija und so dreieinhalb

Stunden und so, da bleib ma lieba inne scheene warme Kiche.Und du würst ma doch nich die kleene Freude nehm, hab ick

jesagt, wo et doch keen reenes Vajnüjen is? Nee, nee, hatse je

schluchzt, so hatt ick ihr übazeucht, jeh man. Is ja wirklich

eene sehr strapazierfähige Sportart, aba immer noch besser

wie Schkat - Siehta, und dadrum muß ickjetzt Feierahmt ma-chen, so leid's ma tut. Gloobt mir, Leute, et zwickt ma inde Fin-

gern «

Page 91: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 91/136

Höher schneller weiter

Es trat eine kurze, andächtige Pause ein.

»Mann, Kupfa«, unterbrach Martin das Schweigen, »det haste

wien Paster jemacht. Ich hab janich jewußt, wat for Talente in

dir schlumman. Aber scheen wärt doch, wenn wa noch een

Lachs spielen könnten, oda?«

Kupfer zuckte die Achseln. Aber Schikanowskis Gesicht hell

te sich auf. »Ick habs, sprach Schika « grinste Schikanowski.» u azählst Trude einfach, det det een Pokalspiel wa, Kupfa.

Denn sagste, detse sich beit rejuläre Ende ein Remies erkämpft

hatten und det Spiel um zwee Stunden valängert werden

mußte «

»Mensch«, sagte Kupfer, »det ick dadruff nich alleene jekomm

bin Trude, wer ick sagen, eene Valängerung ließ sich nich va

meiden, wejen det Remies. Na, wirdse sagen, dir Luda kenn ick,

du willst ma wohl uff die Schippe nehm Fußball ins Dustre,

so wat jibs doch janich.«»Und wat sagsten denn?« fragten Schikanowski und Martin wie

aus einem Mund.

Kupfer deutete auf die Bierhähne. »Tiefstrahler « und gab Kar

ten.

Ernst Röhl

Potri l coiß

Der Morgen graut. Der Wurm ist drin.

Das Wasser schillert vage.

Was sagt der Fisch, hat s heute Sinn?

Das ist die Grätchenfrage.

Der Vogel singt. Der Angler schweigt.

Natur - welch ein ErlebnisDie Pose steht. Die Sonne steigt.

Kein Bißchen, kein Ergebnis.

Die Sonne sinkt. Genug gefischt.

Nun den Erfolg verdichten

Gebissen nischt, gefangen nischt,

doch sooooviel zu berichten.

87

_____,__

Page 92: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 92/136

88 Höher hneller weiter= = = = = = = = = : = = : = = = : ; : : ; : : : : = ~ ~ = = = = = : ; : = = = = = = = = = = = = = = = = =

Mehrzweckanlage Bei

Schnee nutzen wir sie

als Rodelbahn. 

Frank Kleinke

OH

Die allseitige Entwicklung jedes Schülers ist ein feines Ziel.

Aber das Ziel ist das eine und das Kräfteverhältnis in einem Pädagogenkollektiv das andere.

Ich kam als junger Musiklehrer von einer Schule wo die kul

turell-ästhetische Erziehung edelstes Ziel war und ich ging an

eine Schule wo die sportliche Erziehung im Mittelpunkt der

Arbeit stand. Daß der Sport die erste Geige spielt wurde mir

sofort an den Pokalen Medaillen Siegerurkunden Rekord- und

Ergebnislisten im Schulhaus bewußt. Im Musikzimmer stand

zwar auch eine Beethoven-Büste

aber der Meister hatte das Gesicht bescheiden zur Wand ge-

> ;:. dreht.·

'

„. Diese ersten Eindrücke verfehl

ten nicht ihre Wirkung. Als ich

mich in der Direktion vorstellte

sagte ich nicht »Guten Tag«  son

dern - wenn auch ein wenig zag

haft - »Sport frei «

»Du p ßt zu uns«, rief strahlendder Direktor »so stelle ich mir

einen Musiklehrer vor «

Das Kadergespräch war kurz. Danach wußte ich zweierlei: Er

stens daß ich als Vorstopper in der Lehrerfußballmannschaft

eingesetzt werde und zweitens auch in welchen Klassen ich

Musik unterrichte.

Einige Wochen danach hängte die AG »Sportfoto« ein übergro

ßes Porträt von mir ins Schulhaus. Ich war im zweiten Punkt

spiel so unglücklich gestolpert daß ich versehentlich das Siegestor geschossen hatte. Das bedeutete Tabellenspitze. Seit

dem hieß ich »Klein Frenzel« und war anerkanntes Mitglied des

Schul- und Pädagogenkollektivs.

Das aber änderte nichts daran daß in mir tausend kleine mu

sikbesessene Teufelchen tanzten. Und mit kleinen Teufeleien be

gann ich meinen denkwürdigen Feldzug für die Musik.

Mußte ich zum Beispiel eine Musikstunde ausfallen lassen um

dafür eine Stunde Sport zu geben begann ich mit leichten Lauf

und Lockerungsübungen. Dann gingen wir zu Atemübungen

Page 93: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 93/136

Höher schneller weiter 89= = = = = = = = = = = = = = ; ; = = = = ; ; ; = = = = = = = = ~ = = = = = = =

über. Ich erklärte den Schülern, daß die Atemgymnastik die

Lunge kräftige, und sagte auch, daß Singen eigentlich noch viel

besser wäre. Die kleinen Sportfans kamen von ganz allein dar

auf, daß man viel mehr singen müsse, um in Sport eine »l« zu

bekommen. Wir starteten deshalb sofort mit »Sonne, Sonne,

scheine heller«und trainierten kurz vor Stundenschluß das »Hei-

denröslein«. Die Akustik der Turnhalle war phantastisch Ichkonnte 4 Boxer, 3 Schwimmer und einenLeichtathleten für meinen Schulchor werben.

Solcherlei Fortschritte organisierte ich in der

Folgezeit zahlreich und ebenso fleißig, wie ich

mich um die Vergrößerung meiner Leistungen

im Fußball bemühte. Dann: mit maßvollen

Pässen für meinen Direktor und selbsterziel

ten Toren schoß ich mir mittlerweile als lin-

ker Flügelstürmer - sozusagen den Weg zurEntwicklung des musischen Klimas an der

Schule frei.

Ich gebe zu, daß die Kollegen und Schüler

meine kleinen Aktionen bald durchschauten.

Als ich eines Tages bei den Schachspielern auf-

tauchte, guckten die mich gleich mißtrauisch

an. Ich sagte erst einmal gar nichts und spiel

te Schach. Einige wenige konnten die Nieder-

lage gegen einen Musiklehrer nicht verkraften. Ebendiese begann ich zu trösten. Ich

sagte, sie sollten nicht enttäuscht sein. Laut

V K I N D E ~ · U N D J U G E N D ·SP RT KI DE ER DDR

Karl Marx stecke wirklich injedem ein Boris Spasski oder auch

ein Raffael und in ganz seltenen Fällen auch einmal ein Peter

Schreier. Aber sagte ich, man wisse natürlich vorher nie so

ganz genau, ob es nun gerade ein Spasski wird, wo vielleicht

ausgerechnet ein Schreier drin steckt.

Einige Zeit später fragte mich ein Schüler meiner Singegruppe

verschmitzt, ob Marx das wirklich gesagt hätte, denn ihm wäre

hinterher eingefallen, daß Marx damals weder Spasski noch

Schreier kennen konnte. Ich erwiderte, daß das mit dem Raf-

fael wirklich stimmt, und was den Spasski und Schreier betrifft,

so könnte er als FDJler wieder einmal lernen, wie Marx' Ideen,

auf die heutige Zeit angewandt, uns immer den rechten Wegwei

sen. Das befriedigte ihn denn er war nun einmal ein guter Sän-

ger aber eben nur ein mittelmäßiger Schachspieler.

Jedenfalls entwickelte sich alles in flottem Rhythmus günstig

weiter, zumal ich verbreiten ließ, daß ich die rote Karte zeigen

J Die Spartakiadeteilneh-

mer von heute sin die

Olympiasieger von mor-

gen

Page 94: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 94/136

90

Wenn Sie die Sterbe-

szene nicht besser brin-

gen hole ich mir mei-nen Hauptdarsteller

vom Fußballplatz  <<

Höhe r, schneller weiter

würde, falls es irgendwelche Probleme mit der Musik geben

sollte. Da die Beendigung meiner aktiven Fußballerlaufbahn

einen Rutsch ins Mittelfeld der Tabelle bedeutet hätte, gab es

auch keine mir unangenehmen Fragen oder Aussprachen. So

verging das erste Schulhalbjahr, und es endete an einem Vor-

mittag mit dem Pädagogischen Rat. Der Schulrat lobte den Di-

rektor für die gute kulturelle Entwicklung an der Schule, ich

nahm als stellvertretender Kapitän die Urkunde für unseren1. Platz als Schulhalbjahresfußballmeister entgegen, und Fri-

dolin Breckenfelder aus der l wurde für den neuen Klassen

stufen-Weitsprung-Kreisrekord von 2,57 m ausgezeichnet.Am Abend wurde die traditionelle Abschlußfete des Kollegiums

gefeiert. Wir hatten schon alle mächtig einen geschweppert, als

sich unser Direktor erhob und vorsichtig zu sprechen begann.

»Koegen«,sagte

er, »Koegen,jetzt spricht

zueuch euer ieber

Di-

rektor ... Aso, was schulte uns das erste Lehrhalbjahr? - Na? -

Ich sage euch, Koegen, wir brauchen nich nur - musikbegabte

Füg .. Fügelstürmer ... Wir brauchen ... maaa ..lende Phys - hick

- lehrer, chemisch interessierte

Deutschehrer, poly... poly... poy-

technische Russischlehrer ... i tak

dallsche ... ponimajesch Koege

Warum? - In mir is nämlich derMozart wieder auferstanden, und

ich sage euch, in mir sch... sch ..

schlummert da noch der Darwin,

der Herr Einstein, der GoetheWolfgang und wie sie alle heißn. -Und wenn ihr für euer Fach so

kühn den Riemen auf die Orgel schmeißt wie unser Mus ...Musik-Frenzel, Koegen, dann ham wir genügend Sooo ...los für

unser pädagogisches Konzert ... «Mit einem Brummschädel zog ich heim. Und in meinem alkoholertränkten Gehirn kreiselte die bange Frage, wie ernst die Kol-

legen die direktorale Rede genommen hatten. Mein Chor zum

Beispiel hatte nämlich zur Zeit genau jene stimmliche Ausge-wogenheit, die man als »homogen« bezeichnet. Das würde na-

türlich sofort flötengehen, wenn meine lieben Fachkollegen

unter den 64 Sängern die Talente entdeckten, die zwar Singen,aber eben auch noch vieles andere mehr und vielleicht sogar bes-

ser können ...

Page 95: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 95/136

>-

Bei einem Internationalen Leichtathletik-Sportfest wirft ein a.merika

nischer Hüne den Hammer 84,23 Meter weit. Weltrekord Die

Reporter fragen ihn: »Sagen Sie, worauf führen Sie diesen Erfolg

zurück?« - »Auf mein College. Dort bin ich ausgebildet und train iert

worden. Ich liebe mein College und schenke ihm diesen Sieg.« Der

russische Konkurrent wirft seinen Hammer 85,26 Meter weit.

Weltrekord Wieder fragen die Reporter: »Wie haben Sie das

geschafft?«- »Ich liebe die ruhmreiche Sowjetunion«, sagt der Russe.

»Ich habe nur an mein Land gedacht. Ihm verdanke ich alles << s tritt

ein Sportler aus der DDR an, der schleudert seinen Hammer 87 Meter

weit. Neuer Weltrekord Die Reporter eilen herbei: »Weltrekord

Worauf führen sie das zurück?« - »Auf meinen Vater«, sagt der Sieger.

»Wieso auf Ihren Vater?« - »Als ich noch ganz klein war, hat mein

Vater zu mir gesagt: »Wenn dir jemals einer einen Hammer in die

Hand drückt, mein Junge, wirf ihn soweit weg wie möglich.«

·

Page 96: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 96/136

92 Höher schneller weiter= = = = = = ~ ~ ~ = = ; ; ; = = = = = = = = ~ = = = = ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; = = = = = = =

Jochen Petersdorf

O S ~ O SWOISO

Sketch der Drei Dialektiker

Köbbert: Werte Anwesende Weil wir erfahren haben, daß der

letzte Urania-Vortrag über die gesunde Lebensweise wiederum nur von 6 Rentnern und zwei Leistungssportlern besucht

war ...

Uhlig: Und weil wir Sie, die's eigentlich nötig hätten, gerade malso schön auf einem Raufen haben ...

Stückrath: Deshalb sehen wir uns veranlaßt, Ihnen einen kur

zen Lehrgang zum Thema gesunde Lebensweise unter die

Weste zu jubeln.

Köbbert: Der Lehrgang kostet Sie keine zusätzlichen Gebüh

ren. Er wird durch die Eintrittskarten finanziert und mit LottoMitteln gestützt

Uhlig: Mitglieder sozialistischer Brigaden können den Vortrag

in ihren Kultur- und Bildungsplan aufnehmen und abhaken ...

Stückrath: Und Teilnehmer am Parteilehrjahr haben trotzdem

Immer drauf auf die Butter

solange sie jung ist.

weiterhin ihre planmäßigen Zirkelabende zu besuchen. Es

geht los Die gesunde Lebensweise im Wandel der Zeiten

Köbbert: Die gesunde Lebensweise ist eine Abart des nor

malen Alltags und kommt mitunter sogar in den besten Fa

milien vor.Uhlig: Die gesunde Lebensweise ist so alt wie die Menschheit.

Sie führte schon lange, bevor Darwin entdeckt war, einen harten Kampf ums Dasein

Köbbert: Das wird durch folgendes Zitat bewiesen: »Am Ama

zonas, da saßen unsre Ahnen/ und warfen mit Bananen «

Stückrath: Gesammelte Werke, Band III

Uhlig: Diese Schmeißerei war eine äußerst negative Einstel

lung zum Obst und somit eine sektiererische Haltung zur ge

sunden Lebensweise.Köbbert: Durch die Menschwerdung des Affen kam es zu posi

tiven Veränderungen, und wir können heute mit Stolz feststel

len, daß es nur noch selten vorkommt, daß einem jemand Ba

nanen hinterherschmeißt

Stückrath: 'frotzdem erlebte die gesunde Lebensweise in ihremKampf um Anerkennung immer wieder Rückschläge. Als sich

Eva einen Apfel schnappte, was übrigens schon damals mit

einer Schlange verbunden war, bekam sie mit ihrem Adam ein

mächtiges Ding übergebraten und wurde zu körperlicherbeit verdonnert.

Page 97: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 97/136

Uhlig: Was jedoch kein ausgesprochener Nachteil war, denn Be-wegung an frischer Luft ist ein entscheidender Bestandteil der

gesunden Lebensweise.

Köbbert: Leider wurde diese gesunde Arbeit von den alten Ger-manen vernachlässigt. Das wird durch dieses Zitat bewiesen:

»Sie lagen auf Bärenhäuten/und tranken immer noch eins «

Stückrath: Gesammelte Werke, Band rv

Uhlig: Das Lieblingsgetränk der alten Germanenwar der Met.

Köbbert: Deswegen heißt es ja auch noch heute:

Met in Germany. Er war trüb, leicht säuerlich

und somit ein Vorläufer des Flaschenbieres.

Besonders verdienstvolle Zecher wurden vomdamaligen Getränkekontor mit dem Titel Dok-tor Met geehrt.

Stückrath: Und an allen Wanderwegen hingendamals Schilder mit der Reklame »Öfter malins Metropol

Köbbert: Wenn die Germanen etliche Humpen

gekübelt hatten, stießen sie urige Schreie aus

oder begannen zu singen.

Uhlig: Weil es noch keine Schlagerdichter gab,sangen die alten Germanen, was ihnen geradeeinfiel. Etwa: »Rumba, humba, Tätärä «

Köbbert: Auf dieser Stufe blieb ein Teil von ihnen stehen.Stückrath: Ein anderer, sehr beliebter Schlagergesang hieß:»Heute blau, und morgen blau und«- übermorgen kamen danndie Römer und sammelten die Bierleichen ein.

Uhlig: Woran man erkennt, daß Weintrinker moralisch überlegen sind, vor allem, wenn sie Originalabfüllungen zur Verfü-gung haben.

Köbbert: Trotzdem kann man auch die alten Römer nicht gera

de als Vorkämpfer der gesunden Lebensweise betrachten. ImGegenteil: 1.runksucht und Nikotin sowie übermäßiger Genuß

von schweren Speisen und leichten Mädchen rissen bei ihnen

mächtig ein und zehrten an der Substanz.

Stückrath: Bacchus, Gambrinus, Ganimed und Lukullus sind

dafür mahnende Beispiele. Deshalb haben spätere Generatio

nen nach diesen 'fypen Gaststätten benannt und sie aus er-zieherischen Gründen mit großer Preisstufe und kleinen Por-tionen ausgestattet.

Uhlig: Der Erfolg ist jedoch gering. Die Dinger sind trotzdem

immer voll - und wems zu teuer ist, der schlägt sich zu Hause

den Bauch voll. Denn auch die Freßgier ist bei uns volkseigen.

9

1972 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt: Ein

Kessel Buntes. 8 Fol

gen lang führten Die

drei Dialektiker durch

das Programm bis ihre

satirischen Spitzen1976 nicht mehr ge-

fragt waren  

Page 98: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 98/136

94; = ;; ==;;

- 4 •  ' '

11URZE

7f

Höher, schneller weiterac== lt&J [ oL l r i&&dii ,. . . •• = 2 o w . •i:; • · h

Köbbert: Was durch folgendes Zitat bewiesen wird: »Immer drauf

auf die Butter, solange sie jung ist «

Stückrath: Und: »Solange der Bauch in die Weste paßt, I wird

keine Cama angefaßt « Ausgewählte Reden, Band I.

Uhlig: Ziemlich wissenschaftliche Untersuchungen haben erge

ben, daß man den enormen Butterverbrauch rapide senken

könnte, wenn man die Wartezeiten auf ein Kilo Butter derWartezeiten auf einen Trabant angleichen würde.

Stückrath: Es gibt auch Leute, die die umgekehrte Theorie ver

treten. Sie sagen: Wenn man Autos bekäme wie Butter,

brauchte man nicht mehr zu schmieren.

Köbbert: Was man jedoch ablehnen muß, denn es ist wesent-

lich gesünder, einen Autoverkäufer zu schmieren als einen

Trauerredner.

Uhlig: Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der

gesunden Lebensweise ist ein Minimum an Sauberkeit und Körperpflege.

Köbbert: Was durch folgendes Zitat bewiesen

wird: »Wasser ist zum Waschen da, valleri undvallera «

Stückrath: Köchelverzeichnis Nr. 12.Uhlig: Diesem Zwecke dienten im Mittelalter

die sogenannten Badehäuser, wo sich Männleinund Weiblein gemeinsam in einer Wanne tum

melten. Beim Format unserer heutigen Badewannen ist ein

derartiger Jux höchstens noch Eberhard Cohrs vergönnt.

Stückrath: Alle diese Badefreuden spielten sich damals nur infesten Häusern ab. Das Baden in Flüssen und öffentlichen

Gewässern galt als Schweinerei. Was wir heute nicht mehr

so empfinden, weil wir uns anschließend waschen.

Köbbert: Zur Körperwäsche benutzten die damaligen Menschen

genau wie wir eine gepreßte Masse mit seifenähnlichen Ei

genschaften.Uhlig: Und die Zahnpastaproduktion befand sich genau wie bei

uns noch im Versuchsstadium.Stückrath: Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die

gesunde Lebensweise schon immer nicht leicht in den Griff

zu kriegen war.

Uhlig: Sie ist das Einfache, was schwer zu machen ist.

Köbbert: Zum Abschluß noch 'n Zitat: Lachen ist gesund

Uhlig: Wo steht'n das geschrieben?••

Stückrath: Vertrauliche Verschlußsache. Nicht für die Offentlich-

keit.

Page 99: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 99/136

Page 100: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 100/136

9 nter vier AuJJen

Ralph Wiener

ljo

Man kann verstehen, daß es Max Kleinweber gründlich satt

hatte. Ein Junggeselle mit vierzig will seine Ruhe haben und

nicht jeden Tag dieselben Fragen gestellt bekommen:»Was ist denn, Herr Kleinweber noch immer nicht unter der

Haube?«

»Sie wollen wohl wirklich als Hagestolz sterben?«

»Na Herr Kleinweber schon was in Sicht?«

Es war einfach nicht mehr auszuhalten. Ja, fast sah es aus, als

ob ein Unverheirateter in einem gewissen Alter zum öffentli-••

chen Argemis würde.

Kleinweber beschloß deshalb, die Sache mit einem Schlag zu

beenden. All den lästigen Fragen wollte er die Grundlage entziehen. Ruhe wollte er haben Nichts weiter Und so lasen die

um sein Lebensglück besorgten Nachbarn eines schönen Tages

folgende Zeitungsannonce:

WIR HABEN GEHEIRATET

Antje und Max KleinweberFreunde und Bekannte wunderten sich zwar daß sie diese

Antje noch nie zu Gesicht bekommen hatten, aber Max war

D d

. Fl 'tt h b schon immer ein Heimlicher. Auf jeden Fall waren sie

a 1e 1 erwoc en vor e1 f . d t lltM 1  . h zu ne enges e .waren reagierte ax rea rst1sc . J t t h t ih dl. h · ht gt F B.» e z a es n en 1c erwisc « sa e rau rrn-

baum zur Postzustellerin und sah dabei sogar ein bißchen scha

denfroh aus. »Sie sind schon auf Hochzeitsreise«, verkündete

die Zustellerin, »vierzehn Tage wollen sie bleiben, hat Herr

Kleinweber gesagt.«

»Wohin fahren sie denn? An die Ostsee?«

Das war ein kluger Schachzug von Kleinweber. Vorerst war er

die Fragesteller los. Er fuhr in aller Ruhe zu seiner Schwester

nach Heringsdorf, wo er seinen regulären Urlaub verbrachte.Gelegentlich schrieb er Ansichtskarten an seine Freunde und

Kollegen, die alle den gleichen Text hatten: Von der schönen

Insel Usedom senden die herzlichsten Grüße Antje und Max.

Nebenbei gesagt, kostete ihn die Hochzeitsreise fast gar nichts.

Nur die Ansichtskarten mußte er aufbringen. Eigentlich gar

nicht so teuer, verheiratet zu sein - dachte er sich, und als er

wieder zu Hause war, lenkte er sein Eheleben in entsprechen

de Bahnen.

»Meine Frau schläft früh sehr lange«, sagte er zur Postzustellerin, die unbedingt ihre Gratulation persönlich darbringen

Page 101: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 101/136

97nter vier ugen~ = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = : : : : : = = = = = = : : : = = = : = = : : = =

wollte. Auch andere hielt er fern. Das war nicht einfach, zum

Beispiel Fritz Meusel war ganz hartnäckig: »Menschenskind,

sag wenigstens, wie sie aussieht « - »Sie ist blond«, erklärte

Max, »hat ihre Haare am Scheitel eng anliegend, das macht sie

ein bißchen streng, aber hinten fallen sie schön auseinander.«

- »Nun weiß ich es genau«, sagte Meusel.

Um keinen Verdacht zu erregen, ging Kleinweber fortan mittagsnach Hause. Antje sei leidenschaftliche Köchin, hatte er er

klärt, und nun kaufte er täglich ein. Gemüse, Fleisch, Kartof

feln.

»Ihre Frau hat's gut«, sagte die Verkaufsstellenleiterin, »alles

schaffen Sie heran. So einen Ehemann möchte ich auch mal

haben «

Max verkniff sich weitere Bemerkun

gen und erlernte die Kochkunst. Das

ging nicht ohne Zwischenfälle ab. Oftbrannte etwas an. Der Geruch von An

gebranntem stieg in alle Etagen.

Da die Flitterwochen vorbei waren,

reagierte Max in solchen Fällen ganz

realistisch. Er rannte wild in der Woh

nung umher, rief: »Schlampe Wo hast

du bloß deine Gedanken « - und die

Hausbewohner tuschelten, indem sie

nach oben zeigten: »Bei Kleinwebers

ist wieder was los «

1

,

i

i

1: , •

___ . ___..,..,.

•. - --   -===...-  

• •

•.\ „

. . . . ._ ._  • •1

r ' '1 l

1

Allmählich wurden Antje und Max ein normales Ehepaar. Sogar

zum Stammtisch ließ er sich nicht mehr überreden. »Ich kannSo nun können Sie

ni ht mehr durchs

meine Frau nicht allein lassen«, erklärte er, und die übrigen Schlüsselloch gucken. «

Ehemänner nickten verständnisvoll.

»Aber zwei Theaterkarten nimmst du mir wenigstens ab?«

drängte Kulturobmann Schmidtchen. »In >Rigoletto< wirst du sie

wohl mal mitbringen können «

Max nahm zwei Karten.

Kurz vor Beginn der Vorstellung stand er noch wartend am

Eingangsportal.

»Wann kommt denn deine Frau?«fragte Schmidtchen.

»Du weißt doch, wie das ist«, seufzte Max, »sie wird wahr

scheinlich mit dem Make-up nicht fertig.«

»Das ist wie bei meiner« , stellte der Kulturobmann fest, »gehen

wir also alleine «

Es fiel gar nicht auf, daß Antje nicht kam.

Auch der Postzustellerin fiel nichts mehr auf: Es kamen näm

lich hin und wieder Briefe, die klar und deutlich an »Frau Antje

Page 102: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 102/136

98

Kleinweber« adressiert waren. (Die hatte zwar Max geschrie

ben, aber das konnte die Christel von der Post nicht wissen )

Kleinweber seinerseits lebte glücklich. Er genoß in vollen

Zügen, daß ihn niemand mehr fragte, wann er endlich heiraten

wolle, alle Nachbarn waren beruhigt, und billig war diese Ehe

außerdem. So eine Frau wie Antje fand er nicht alle Tage

Aber er fand eine Petra. Just an seinem einjährigen Hochzeitstag lief sie ihm über den Weg. Zu dumm, daß Antje nicht in den

Weinkeller gekommen war Ausgerechnet am Hochzeitstag

hatte sie Migräne. Aber die Kollegen hatten dafür Verständnis.

»So ein Jubiläum regt Frauen immer auf«, hatte Bernd Breuer

gesagt, und allmählich war diese Petra nicht mehr von seiner

Seite gewichen. Spät am Abend kamen sie vor seiner Wohnung

an.

»Üb deine Frau wirklich schon schläft?« fragte sie.

»Ich nehme es an«, erwiderte Max. Sie schlichen die Treppe hin-auf.

Kurz vor der Tür blieb Petra stehen. »Nein«, flüsterte sie, »daskriege ich nicht fertig.«

»Sei kein Frosch « ermunterte sie Max. »Unsere Ehe ist nicht

wie andere. Antje h t für mich Verständnis. Ich wette, selbst

wenn sie aufwacht, wird sie uns nicht stören Sie wird tun, als

sei sie gar nicht da.«»Trotzdem«, beharrte Petra, »ich mache das nicht «

»Was ist hier los?« ertönte eine keifende Stimme, und eine Türüber ihnen offnete sich. »Gehört sich das mitten in der Nacht?«Eine wütende Frau wurde sichtbar. »Ach, sieh mal an, der Herr

Kleinweber Und mit einem jungen Mädchen noch dazu Neh-men Sie denn auf Ihre Frau gar keine Rücksicht?«

»Die arme Frau Kleinweber « ertönte es vom zweiten Stock, und

bald war das Treppenhaus von empörten Bewohnern angefüllt.

»Schämen sollten Sie sich « - »Ein Skandal « - »Und das in un-serm Hause «

Petra war längst weggelaufen, und Max Kleinweber schlichgesenkten Hauptes durch das zürnende Spalier.

»Verzeih, Antje«, sagte er, als er seine Wohnung betrat, »S

etwas soll nie wieder vorkommen «

Aber Antje kannte kein Pardon. Und irgendwie hatte sie recht.

Denn die Hausbewohner und überhaupt alle Nachbarn waren

erst wieder besänftigt, als Max mit einem Seufzer, aber doch

konsequent mitteilte: »Wir sind geschieden «

Page 103: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 103/136

Unter vier ugen

el i usse

roizoit lf t lf st

Auf die Gefahr hin, ein allgemeines, verständnisloses Schütteln

des Kopfes auszulösen, behaupte ich: Es ist bei uns etwas nicht

in Ordnung mit der GleichberechtigungSchuld daran sind - und nun werden mir wenigstens die Män

ner verständnisvoll zustimmen - wir Frauen. Es fällt mir gewiß

nicht leicht, dies einzugestehen, doch ein besonders beschä

mender und dennoch typischer Vorfall, dessen Zeuge ich zufäl

lig wurde, veranlaßt mich, die bislang geübte Rücksicht auf das

eigene Geschlecht aufzugeben.

Der Vorfall ereignete sich in dem erzgebirgischen Wall

fahrtsort für die Freunde der Schmalspurbahn Oberrit

tersgrün. Einern am ehemaligen Bahnhof des Ortes parkenden Pkw entstiegen Vater nebst Sohn, und während

diese mit verklärten Gesichtern die liebevoll konservier

ten Anlagen betrachteten, blieb eine Frau mit böse ver

kniffenem Mund im Wagen zurück.

Wie denn? fragte ich mich. Hat nicht auch sie das e-

dürfnis, durch Schauen und Betasten der Schmalspur

reliquien in den Genuß des tief beglückenden und zu

gleich unendlich wehmütigen Gefühls zu gelangen, da

sich ihre männlichen Artgenossen hier in so großer Zahlverschaffen?

Nein Und schlimmer noch: Als Vater und Sohn nach

wenigen Stunden von der Besichtigung des Heiligtums

zurückkehrten, beeilte sich diese Frau, das gesteigerte

Lebensgefühl ihres Gatten durch gezielte Schmähungen

wieder auf Normalnull zurückzuängstigen. »War es das«,

sprach sie hohntriefend, »wofür du mit mir zweihundertfünfzig

Kilometer wie ein Verrückter gerast bist? Diesen Schrott muß

test du unbedingt sehen?«Unauslöschlich hat sich mir eingeprägt, was sich bei diesen zy-

nischen Worten im Antlitz des Gatten widerspiegelte, nämlich

das ganze Leid der jahrhundertelangen Unterdrückung des

Mannes durch die Frau und darüber hinaus die schmerzliche

Erkenntnis, starke Gefühlsaufwallungen, wie sie im normal

empfindenden Manne etwa von einer gebrechliche, handbedien-

ten Schmalspurweiche ausgelöst werden, in seelischer Einsam

keit bewältigen zu müssen.

Dieses Erlebnis lehrte mich zu verstehen, was bei uns mit der

• -

•-

»Nun behaupte aber

ni ht mehr, daß ich dir

nichts biete «

Page 104: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 104/136

1 Unter vier ugen. 

Gleichberechtigung nicht in Ordnung ist. Es geht längst nicht

mehr um ihre Durchsetzung am Arbeitsplatz. Dies Thema ist

bei uns nur noch für Historiker interessant. Das Problem liegt

heute vielmehr auf dem weiten Feld der sinnvollen Freizeitge

staltung auf dem die entscheidende Schlacht für ein weiteres

glückliches Zusammenleben der Geschlechter geschlagen wird.

Doch statt ihrem mutig in den Freizeitbereich einmarschierenden Mann zu folgen fällt die Frau ihm oft genug beleidigt in

den Rücken und dies nicht nur in Oberrittersgrün.

Dafür gibt es Beispiele die Fülle. So eine mir bekannte Dame

deren Gatte die äußerst wichtige Aufgabe eines Amateurfun

kers wahrnimmt. Von der Arbeit heimgekehrt begibt er sich in

den Keller des Hauses zu seinen Sendern und Empfängern wo

ihn die Frau bis in die tiefe Nacht hinein ohne jede Nahrungs

zufuhr sitzen läßt.

Anfangs wachte sie im Bett um ihn wenn er nach der harten••

Arbeit im Ather erschöpft auf seine Ruhestatt fiel zum Beispiel

für die viele Tausende Mark zu beschimpfen die er für die Ge-

räte verausgabte. Heute tut sie noch nicht einmal mehr dies für

ihn sondern nimmt ein Beruhigungsmittel ein träumt eine

Weile von einer Wolgareise und schläft ein. So hat der Mann

besseren Kontakt zu den Fidschiinseln als zu seiner Frau.

Ich fragte sie was sie davon abhalte mit ihm gemeinsam die

Fidschis anzufunken. Sie zählte den üblichen Kleinkram auf

daß ich mich in die Anfänge der Gleichberechtigung zurückversetzt fühlte: Beruf Haushalt Kinder Qualifizierung. Doch kein

Wort kam über ihre Lippen zum wahren Grund: ihr mangeln

des Interesse nämlich am wunderbaren weltumspannenden

Amateurkurzwellenbereich.

Eine französische Schachmeisterin soll auf die Frage warum

so wenige Frauen bei diesem Spiel anzutreffen sind geantwor

tet haben: »Weil Frauen nicht so lange schweigen können.«

Eine charmante Ausrede oder für Französinnen vielleicht auch

zutreffend. Die Frau eines meiner Kollegen aber hat gelernt ta-gelang zu schweigen.

Dennoch ist nicht sie sondern ihr Mann die Schachkoryphäe

des Ortes. Oft kämpft er vier- und fünfmal die Woche bis gegen

Mitternacht mit ungeheuer geistiger Konzentration am Brett

hoch angesehen und geschätzt bei allen die etwas von Schach

verstehen. Daheim aber mußte er sich abgewöhnen das Wort

Schach auch nur zu denken. Tut er es dennoch blickt ihn die

Frau aus entzündeten Augen haßerfüllt an  und so fragt er sich

begreiflicherweise oft  warum er sie geheiratet hat wenn sie

Page 105: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 105/136

Unter vier ugen 101= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = =

mit Vierzig schon so schlimm aussieht und er sich mit ihr noch

nicht einmal über das Wichtigste in seinem Leben unterhalten

kann.

Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mir in Altenburg beim Skatge

richt Anfragen aus fast allen fünf Erdteilen zu komplizierten

Spielsituationen anzusehen. Männer mit hohem geistigem Rang

und umfassenden intellektuellen Fähigkeiten sprechen hier

Skatrecht nach ehernen Gesetzen. Und dennoch ist dies Spiel

,,,,,   ,f t f

,

f ' , JI • f I

in den meisten weiblichen Köpfen irgendwo zwi

schen sinnlosem Zeittotschlagen und unheilbarem

Schwachsinn angesiedelt. Ein sieggewohnter Skat

spieler wird daheim oft so behandelt, als wäre er

nicht ein überall begehrter drit ter Mann, sondern ir-

gendein Versager in zwischenmenschlichen Zweier

Beziehungen Die Frau weigert sich zu verstehen,

daß Ehe rasch, Skat aber nie langweilig wird.Oder unsere vierbeinigen Freunde, die Hunde, für

die doch gewiß jeder Verständnis haben sollte. Ein

Herr in unserer Straße hat es in besonderem Maße.

Fünf Jahre hintereinander gewann er mit seinen

' \ 1 •. , ..' I . • 

Hunden erste Preise, und man darf wohl ohne Uber-

treibung sagen, daß er und seine Hunde ein Herz

und eine Seele sind und haben. ußer den Tieren

besitzt dieser im ganzen Ort angesehene Mann drei

Kinder und eine Frau.

11 ,'

'

'f i• I , I /

· 11 l t,1

\ , f Jt f l

t , v l 11

Aber keines der Kinder gehorcht auch nur annä

hernd so wie die Hunde, und nur selten ist eines so

sauber gestriegelt. Hatte die Frau nicht die gleiche

Chance wie der Mann, ihre Freizeit sinnvoll zu nut

zen und aus den ihr anvertrauten Lebewesen preis

würdige Geschöpfe zu machen? Sie hatte und hat

diese Chance, doch statt sie wahrzunehmen, berei

111111 ' \ ,

• \

' \ 1 II

... \ , 1 /

' ' / /-  /

- - -r . - .. - -- -l f

.

, , t/ I ; I I . ..

11{ 1 1 s

tet sie dem Gatten unfreundliche Szenen, wenn er an den Wo-

chenenden frühmorgens mit seinen Lieblingen in den Wagensteigt, um zur Trajningsbahn aufzubrechen• •

Ahnlich Erschütterndes ließe sich aus dem Leben der Kanin-

chenzüchter, Motorsportler, Modelleisenbahner und - ich sage

nur: - und und und berichten. Warum ist das so?

Stellvertretend für viele sei hier die Meinung von Herrn M

wiedergegeben. Herr M gehört zu jenen leidenschaftlichen

Fußballenthusiasten, die ihre sinnvolle Freizeitgestaltung nicht

vor der Bildröhre absolvieren, sondern mit ihrer Mannschaft

durch die Republik ziehen, um jedes Spiel direkt vor Ort zu ver-

. „ •

Page 106: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 106/136

1 2 Unt r vie r Augen=========-==o11:-====::;:;::;:;:;;;;===========================

folgen. So manches entscheidende Tor fiel oder unterbliebschon dank seiner wohlüberlegten Pfiffe. So ist Herr M. ein mitbeiden Beinen im Leben stehender, weitgereister Mensch, derviel Ärger mit seiner Frau hat und auf dessen Urteil man daheretwas geben sollte.Er sagte mir: »Das Unglück besteht darin, daß die Frauen die

Dinge nicht so sehen, wie sie sind Zum Beispiel die Haus-arbeit. Ist sie sinnvoll? Sie ist es Wird sie in der Freizeit er

ledigt? Sie wird Ist es eine Beschäftigung? Es ist eine Doch

welche Frau bringt den Mut und die Logik auf, die Bewältigungdieses Krams nun auch als sinnvolle Freizeitbeschäftigung zuakzeptieren?«»Keine «, gab ich zu, »aber es ist nun mal auch kein Hobby, dasErholung und Entspannung bringt.«»Halten Sie es für Erholung und Entspannung«, fragte michHerr M. hierauf, »Wochenende für Wochenende auf irgendeinemFußballplatz irgendwo in der Republik bei Wind und Wetter die

Niederlagen seiner Mannschaft miterleben zu müssen?In einer Vorstadtkneipe schales Bier trinken und beieinem Kameraden auf dem Fußboden schlafen zu müs

sen?« Herr M. h t den Nagel auf den Kopf getroffen Es

Zwei verschiedene wissen-

schaftlich fundierte sinnvolle

Freizeitgestaltungen sind in

einer Ehe unmöglich.ist der entscheidende Fehler der Frau, die sinnvolle Frei

zeittätigkeit ihres Mannes mit dem Wort Hobby und als Erho-

lung und Entspannung abzutun. Dadurch werden Skat oderFußball in die Nähe von Pulloverstricken oder das Abschleifendes Rostes von Schmalspurbahnpuffem in die irgendeiner un

verbindlichen Kulturveranstaltung gerückt, und es entsteht derEindruck, als ginge der Mann seinem Vergnügen nach, währenddie Frau davon ausgeschlossen ist.So entstehen Neid, Mißgunst und im schlimmsten Falle sogardie Überzeugung bei der Frau, es dem Manne gleichtun zu kön

nen. Die Frau eines Kollegen beispielsweise, der Biergläser

aus der Produktion aller sozialistischen Länder sammelt,tr t

der Kulturbundsparte der Kakteenzüchter bei. Zu spät begriffsie, daß zwei verschiedene, wissenschaftlich fundierte, sinnvol-le Freizeitgestaltungen in einer Ehe unmöglich sind. Der Kol

lege kam in kürzester Zeit völlig herunter und war kaum nochfähig, ein Bierglas zu halten. Natürlich ließ er sich scheiden.Ich denke, das genügt. Wie damals, als es um die Durchsetzungder Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ging, haben die Män

ner auch heute bei der sinnvollen Freizeitgestaltung die grö

ßere Last zu tragen und die härteren Pflichten übernommen.Die Frau sollte ihnen dankbar dafür sein.

Page 107: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 107/136

  st 1 a : • • w  

-

-- -  ===:::: :::_ tL : 

„  ch g h dodt nicht mit ner Einkaufstasche • •,„...,,.„„ ....... ' . . . . _

- -  „ r c t ~ : r ~

Eine Frau will mit Erich Honecker verbunden, sie seieine persönliche Bekannte. »Ich bin's, die Edith Müller,

erinnerst du dich, Erich? Wir haben mal miteinandergeschlafen.«- »Ja? «sagt Erich zögernd. Die Frau: »Und

da dachte ich mir, du würdest mir bestimmt helfen. Ichbrauche ein neues Auto ... « - »Schon gut  , sagt Erich,

»gib der Sekretärin deine Adresse.«Drei Wochen spä

ter ruft die Frau wieder an. »Hier ist die Edith, du erinnerst dich? Schönen Dank für das Auto, kannst du mir

1

noch mal helfen? Ich brauche eine bessere Wohnung•••« - »Geht in Ordnung«, sagt Erich, »sag es meinerSekretärin.« Nach vier Wochen ein erneuter Anruf.

»Hier ist die Edith, du weißt doch, w r haben mal ...« -

»Jaja«, sagt Erich unwillig, »was ist denn schon wie

j der?« - »Ich möchte Urlaub in Amerika machen.« -»Sag malcc, erkundigt sich Erich, »wann soll das eigentlich gewesen sein, dass w r miteinander geschlafenhaben?« - »Na, auf dem letzten Parteitag Ich in der

dritten Reihe und du im Präsidium.«

'

l

''_ _ _:_ _.c:::::::::=- d

i i/ \- - i

>

Page 108: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 108/136

1 4

Ernst Röhl

Vor 100 Jahren, 1875, starb Hans Christian Andersen. SeineMärchen leben, wie jedermann weiß, weiter, wenn sich auch

das eine oder andere heutzutage ein wenig anders liest:

Es war einmal eine Frau, die nichts mehr fürchtete, als ein

kleines Kind zu bekommen. Um diesem Mißgeschick vorzubeu

gen, nahm sie treu und brav und sehr gewissenhaft die Pille.

Jeden Abend vor dem Zubettgehen fragte ihr Mann, der gleich

falls nichts mehr fürchtete, als daß ein kleines Kind käme,

mißtrauisch: »Bevor wir zur Sache selbst schreiten, Schätz

chen, sag an - hast du heute schon dein Verhüterli eingenom

men? Nicht, daß mir plötzlich aus heiterem Himmel ein Kind

hereingeschneit kommt. Du weißt sehr wohl, wir sind in unse-

Das Kind wurde nicht etwa Schackeli- rer Vierzimmerneubaukomfortwohnung räumlich

ne oder Babsicola genannt, sondern

schlicht und einfach Däumelinchen.

stark beengt, bauen derzeit in der Dübener Heide

einen Bungalow und sind auf einen Shiguli ange

meldet «

»Du kannst mir vertrauen, Liebling«, beteuerte die Frau hoch

und heilig. »Ich habe doch Molly, unseren entzückenden Bed

lington-Terrier; wie könnte es mich da nach einem Kinde ver

langen « Aber wie es so geht - das Leben fordert sein Recht,

und sogar die Pille ist nicht unfehlbar. Eines schönen Tages trudelte ein Kindlein ein, und weil es so außerordentlich uner

wünscht war, war es nur sehr, sehr winzig, kaum einen halben

Daumen hoch. Es wurde deshalb auch nicht etwa Schackeline

oder Babsicola genannt, sondern schlicht und einfach Däume

linchen. Und weil es mit seinem Geschrei nicht nur den, wie

man so sagt, glücklichen Eltern auf die Nerven ging, sondern

auch dem Hund, kam es auf dem schnellsten Wege zur Oma.

Der Mann, von dem schnöden Vertrauensbruch seiner Frau zu

tiefst enttäuscht, ergab sich dem Trunke und trieb fortan in allerlei zwielichtigen Bars und Kneipen mit allerlei zwielichtigen

Weibspersonen Hallodri, ging schließlich und endlich aber ein

reichlich intimes Verhältnis mit der Bardame Vanessa Sommer-

latte ein.

Die Frau ihrerseits, von der Vertrauenswürdigkeit der antikon

zeptionellen Mittel zutiefst enttäuscht, suchte auf schier end

losen Spaziergängen mit dem Bedlington-Terrier zu vergessen,

was ihr widerfahren war. Auf einem dieser Spaziergänge übri

gens machte sie die folgenschwere Bekanntschaft des Dompteurs Rinaldo Perdido, der einen Boxer von männlicher Aus-

Page 109: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 109/136

Unter vier ugen 1 5-  ====================:::======================:::======

strahlung an der Leine führte und auch selbst eine stattliche

Erscheinung genannt zu werden verdiente. Kurz und gut, die

Ehe konnte als zerrüttet gelten, und die Scheidung war unab

wendbar. Da aber unter solchen unerfreulichen Zuständen ein

unschuldiges Kind bekanntermaßen am meisten zu leiden hat,

beeilte sich der Vater, das kleine Däumelinchen von der Groß

mutter weg ins Elternhaus heimzuführen, wo er es rührendumsorgte und ihm gar das Fläschchen reichte.

»Haha « rief die Mutter. »Woher dieses überraschende Interes

se an meinem heißgeliebten Däumelinchen?«

»Einer muß sich schließlich um das Kleine kümmern, du

Schlampe«, entgegnete der Mann. »Du hast ja mit deiner Töle

genug zu schaffen.«

»Mein eigen Fleisch und Blut geb ich nicht preis «stieß die Mut

ter leidenschaftlich hervor und breitete, zum Äußersten ent

schlossen, beide Mutterhände über die Wiege.Alsbald traten Frau und Mann vor den Scheidungsrichter und

erklärten, daß sie fürderhin von Tisch und ett getrennt leben,

um nichts auf der Welt aber auf i r Kind verzichten wollten.

Der weise Richter jedoch, der klar erkannte, daß ihnen ledig

lich der Spruch »Wer das Kind hat, hat die Wohnung« im Kopfe

herumspukte, sprach das kleine Däumelinchen der Oma zu.

Doch halt Für dieses salomonische Urteil, so wünschenswert

es immer sein mag, kann der Autor leider keine Gewähr über

nehmen. Aber beim Märchenmuß ja

nicht unbedingt jede Einzelheit stimmen; Hauptsache, es ist wahr.

))Keine Auswahl bei der

Anschaffung  kein

Stammbaum, lebenslang

dasselbe - nee «

Page 110: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 110/136

1 6

Wenn du kochen könn-test ließe ich drüber

reden.  

Unter vier u n

Gerd W Heyse

Es riecht nach Frühling. Betty findet das auch. Sie schmiegtsich eng an mich. Ich schmiege mich zurück. Aber wir fallen

••

nicht auf. Uberall schmiegen sich heute zweie aneinander.Plötzlich bleibt Betty stehen. »Ich hätte es doch bald vergessen«, seufzt sie.»Ja, dein Gedächtnis«, seufze ich zurück. Aber da wird Betty so-

fort böse. »Mein Gedächtnis ist fabelhaft. Aber du hast überhaupt keins. Kannst du mir wirklich Vergeßlichkeit nachwei-sen?«

Ihr plötzlicher Ausbruch ernüchtert mich. Noch

mehr, daß sie sich nicht mehr an mich schmiegt,

sondern wütend neben mir einherstapft.»Aber Betty Wie soll ich dir jetzt Vergeßlichkeitnachweisen Um diese Zeit Ich habe keine Lust, ansolch einem Abend sinnlos zu diskutieren. Komm,

sei wieder nett, Betty. «Betty wirft mir einen wütenden Blick zu.

»Du bist grob und ungebildet. Warum schreist du

überhaupt gleich so laut «»Ich schreie j gar nicht«, schreie ich, »aber du bist

albern. Möchtest du dich nicht erst einmal einen Augenblicksetzen?«Aber Betty will sich nicht setzen.»Es wäre j auch der erste Abend, den du mir nicht verdirbst.Den ganzen Ärger des Tages läßt du immer an mir aus. Abereinmal wird das eben zuviel. Ich will nicht mehr. Gute Nacht «

Betty macht große Schritte. Ich auch.»Betty, jetzt hör mal zu . Ich sehe alles ein. Ich bin rücksichtslos, verärgert und launenhaft. Jawohl, ich bin ein Ekel. Ich bin

unbeherrscht, brutal und beinahe wie ein Mörder. Kannst dumir noch einmal verzeihen? Sei wieder gut, Betty «Betty zieht einen reizenden Schmollmund.»Unter einer Bedingung, mein Lieber. Du mußt mir zur Strafemorgen meine Balkonkästen streichen. Einverstanden?«»Ja, aber was hattest du vorhin eigentlich beinahe vergessen?«Betty zieht die Stirn kraus.»Daß ich dich bitten wollte, morgen meine Balkonkästen zustreichen« sagt sie ärgerlich.

Page 111: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 111/136

Page 112: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 112/136

108 Wo wir sind ist vorn

John Stave

Wir sind, liebe Freunde und Genossen, vor einigen Wochen um

gezogen. Das Haus ist riesengroß, vielleicht fünfhundert Meter

lang, allerdings nur vierzig Meter hoch. Klar, daß man trotzdem in so verhältnismäßig kurzer Zeit nicht jeden Bewohner

oder Mitmieter auf Anhieb kennt oder sogar »Guten Tag «sagt,

zumal es sich insgesamt um nicht weniger als 1500 Seelen

handelt, und zwar um äußerst lebendige.

Die meisten sind überhaupt Kinder, Säuglinge und so weiter,

die in den ausgedehnten Fluren Rollschuh fahren oder einfach

mit den Fahrstühlen spielen. Dementsprechend zählen die mei

sten erwachsenen Bewohner um die dreißig Lenze. Aber es

gibt auch einige weitaus ältere Bürger ... Na ja, gut.Nun, eines sonnigen Nachmittags läutet es an der Tür.

Ich denke noch so: Wer kann denn das wohl sein? Aber

Geben ist seliger wie nehmen.

Ein guter Start für unsere weitere

Zusammenarbeit zum Gedeihen. da öffne ich auch schon. Eine mir völlig unbekannte

unserer Hausgemeinschaft Person männlichen Geschlechts steht vor mir und lüf-

tet den weichen Filzhut. Es ist eine Art Bleichgesicht oder viel

mehr eine sogenannte Leichenbittermiene. Alt ist die Person

etwa vierzig, fünfundvierzig.

»Guten Tag, mein lieber Kollege Zabel«, sagt die Person. »Gut,

daß ich Ihnen endlich einmal antreff. Ich war schon paarmalhier, aber immer unanwesend. Die Sache ist die, daß wir HGLmä

ßig noch nicht arbeitsfähig sind, aber trotzdem muß das Leben

j anrollen. Sie kennen auch kaum jemand im Haus, oder?«

»Nein«, entgegne ich furchtlos. »Und ich bin sowieso öfter auf

Achse«, setze ich noch entschuldigend hinzu und bitte densel

ben, also den Besucher, herein.

»Sie sind Genosse und so? «fragt er ein bißchen lauernd, wie

mir scheint.

Ich sage: »Ja, ich bin Genosse. >Und so< bin ich ebenfalls «»Gut, also hör zu«, sagt er. »Es handelt sich um einen sogenann

ten traurigen Fall. Gewissermaßen eine tragische Kiste .«

Er holt tief Luft, legt den Hut auf den Tisch und zieht aus der

Jacke ein Blatt Papier, das er entfaltet. Ich sehe genauerhin und

da entpuppt es sich als eine Sammelliste. Sie heißt: »Sammel

liste für einen Kranz der Hausgemeinschaft Oskar-Schulze-Allee

90 für den verstorbenen Kollegen Ewald Trappe (Mitmieter).«

»Ich kenne j den betreffenden Kollegen überhaupt nicht « sage

ich, denn ich spüre sofort, daß ich hier offenbar zur Kasse gebeten werden soll. Ich bin nämlich von Natur aus ein bißchen

Page 113: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 113/136

Wo wir sind ist vorn 109~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ ~ ~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = i ~

geizig und gebe an und für sich nur, wenn es sich absolut nicht

vermeiden läßt.

»Niemand kannte ihn Aber alle haben gegeben Hier, sehe dir

die Liste an: Neumann drei Mark, Selbelang vier Mark, Kunzeeine Mark, Doktor Knöterich zehn Mark, Waxmann fünf Mark

und so weiter und so weiter. «Dem Leichenbitter stehen direkt

Tränen in den Augen. Ich taste langsam und nachdenklich nachmeinem Portemonnaie in der Gesäßtasche. Ich tue es ungern,

aber was soll's. Ich seufze.

Er sagt: »Laß nur Laß deine Kröten stecken, Zabel Ich sehe

schon, was mit dir los ist, was für ein Typ du bist. Wir bringen

unsern Kollegen Trappe auch so unter die Erde. Er war neun

undachtzig Du brauchst nichts geben. Aber eins

sage ich dir: Es ist kein sehr ruhmreiches Ruh-mesblatt, das du dir da als Hausgemeinschafts-   .

mitglied zwecks E. ·· g und Reklame an die - ·Brust heften tust «

Er schnaubt sich hörbar die Nase.

Ich rutsche so auf dem Stuhl rum. Ich sage: »Nunkomm, hör auf zu heulen Ich will mich j eintragen. Aber weißt du, der ganze Umzug und so,

das ist mächtig ins Geld gegangen. Ein Klappbett mußte ich auch anschaffen ...«»Der Kollege Trappe braucht kein Klappbett

mehr. Auf dem letzten Gang brauchst du nichtdas popligste Bett Gibst du nun, oder gibst dunicht?«

»Ich geb j schon«, beeile ich mich zu versichern. ,f   cl

Er schiebt mir die Liste herüber, den Kugel-schreiber auch, und glotzt. Er h t rotgeäderte

Augen und riecht ein ganz klein wenig nach Lichtenberger Doppelkorn.

Ich notiere zaghaft eine »1«, aber der Leichenbitter wird sofort

von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Zusätzlichschluchzt er auch noch. Obendrein.

»Ewald Trappe« sagt er leise, »hatte sich so sehr gefreut, war

richtig glücklich, daß es endlich mit der neuen Wohnung geklappt hat. Er wohnte j solange in der Kleingartenanlage >Ei-

nigkeit<, und seine Laube war auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie sollten schon lange herunter, eigentlich. Die Obstbäume waren schon alle weg. Und dann die freudige Botschaft

Ich sehe noch, wie der gute alte Ewald vor der neuen Badewan

ne steht. Er war ...«Der Bleichgesichtige bricht ab. Er zuckt mitden Schultern. Ich setze entschlossen eine »Ü« hinter die »1«.

- -  ·•

>>War hier mal ein sol-

ches? 

a aber sie brauchten

Baufreiheit für die Er-richtung des Straßen-

schildes. «

l

Page 114: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 114/136

110

. .

Stalin fährt ·mit der

Transsib. Als sie ihm ··. . . ;

• u langsam fährt, · ·. .

·gibt er Befehl, den ·Maschinisten urtd ·. · 

. . . . .

·· alle Vera.ntWor.tli ; . .

·chen zu . r s c h i e ß e n ~ ·. .

Chruschtschow fährt. . ··. : .

mit der T r a n s s i b ~ Alst er i1lerkt, wie gering .·

· die Geschwindigkeitist, gibt er Befehl,

. . . .

.den Maschinisten ·· .. . . . .

. . . . .

·alle Verantwo·rtli-  ·.   . . . . . · .

chen und·das g nze · ·.. . . .·· . . . · .

Personal mit·den < . .

höchsten Orden ~ u s ~. .  

i uzeichnen. . . · . .·

·Breshllew fährt mit ·der Transsib. er .·

merkt, daß der Zug ·. . .

sich nicht VOril.Fleck·rührt, sagt. r. »Laßt

uns die Fenstet ver- ···diinkeln Stellen :wir

· 111·s vor, wir a l l r ~ n. .: . · . :·  · . . .

<111it Höchstgeschwin-µigkeit < •... ·· · . ·

Wo wir sind ist vorn

»Brav « sagt der Sammler. Er erhebt sich, reicht mir die Hand:

»Geben ist bedeutend seliger wie nehmen. Du, lieber Kollege

Zabel, stehst mit dem Doktor an der Spitze der Tabelle. Ein

guter Start für unsere weitere Zusammenarbeit zum Gedeihen

unserer Hausgemeinschaft «

Er steckt die Liste ein, schneuzt sich noch einmal und ver

schwindet. Ich höre, wie es beim Nachbarn »Klingklang« macht.

Auf der ersten Hausgemeinschaftsversammlung ist es geram

melt voll, weil auch die Mängel erfaßt werden sollen. Der Dr.

Knöterich hat die Leitung. Den Leichenbitter kann ich im Mo-

ment noch nicht entdecken, und der so früh von uns gegange

ne Kollege Trappe glänzt selbstverständlich auch durch Abwe-

senheit.

»Wir wollen nun einmal gleich in medias res gehen«, sagt der

Doktor, »und deshalb schlagen wir folgende Mie ... «»Moment emol« sage ich spontan. »Ich will mal was zur Ge-

schäftsordnung sprechen. Es handelt sich um folgenden Fakt,

daß wir uns zunächst einmal von den Plätzen erheben wollen,

was dem Doktor unterlaufen ist, um unseren teuren, jedoch ver

storbenen Mitmieter, den Kollegen Trappe, den wir alle so

schätzen, gewissermaßen zu ehren «

Sie stehen alle auf, einige erheben sich auch, nur der Hausmei

ster, der in seiner Ecke sitzt und raucht, denkt nicht im Traum

daran. Im Gegenteil, er fängt plötzlich an zu lachen: »WelcherMieter Trappe? Trappe haben und hatten wir hier nicht. Jeden

falls nicht, solange ich hier bin, und ich bin von Anfang an

hier«, sagt er völlig pietätlos. »Den müßte ich ja kennen, was?«

Nun geht natürlich ein Raunen durch die Massen. Alles ruft

durcheinander. Einer behauptet, er habe zwanzig Mark gege

ben, doch das läßt sich ja nicht mehr überprüfen

»Aber es hat doch jemand gesammelt « ruft einer. »Der mit dem

Vogelkopf.«

»Es war ein gewisser Sandmann, Kollege Sandmann. Ich hab

auch zehn Mark gegeben«, gibt der Doktor zu.

»Und ich erst « rufe ich dazwischen. Denn nun bin ich natür

lich ganz besonders sauer, weil es nicht einmal einem guten

Zweck gedient hat. Verflucht und zugenäht So ein Mist. Der

Sandmann, dieser fingierte Kollege, der hat uns ganz schön

auf die Nudel geschoben.

Aber insgeheim, liebe Freunde und Genossen, als die Versamm

lung ihren Fortgang nimmt, denke ich doch ganz unvermutet

bei mir: Die Idee als solche war nicht schlecht. Oder?

Page 115: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 115/136

•••

,

•. •

• •• ••

. - - -   -

· .Honeeker; bekannt ·als Rassionieu-tei; 'Jägeie, · wollte ell en

· . R ~ J l ~ o e l s c h i e ß . e l i ... H a . b ~ ~ n g e t r o f f e , ~ ? r r a ~ e r den neglei.· . tenaen ·Leitiwächter" · >Genosse · Staatsratsvorsitzender.- -

t • g ~ ) l l l i e n aaS. Xier z D e g n a d i g ~ n „, 0 : : ' • • • : - • • • :. •

-

.

- ~ ~ ~ - - ~ ; , . . . . . ~ . . , ~ ~ - - ~ o r - ' - ~ ~ = : ~ J1

.... d lügt. t das? Liegt auf der Treppe un .

. i

'

Frage: Was is N ue. Deutschland.Antwort: Das e ~ ~ · , . . _ ~ , . . . - ~ ~ ~ n

P JtM'P. '.,&'*"'1:4illJ i ' r - ° ~t•;:y;:oe .... . . . , , .a4pi f '" '"-.

• •

,••. J

Zeidu\Ung: Hei11z Behli"SJ Aber Kollegen, das ist doch schon erfunden f•.Trpisc:hl Und wir sind wieder mo1 nicht informiert worden.•

- •

Page 116: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 116/136

112l ltf . . ; „MI [ tfb 1

Wo wir sind ist vor n7 „ 7 , J 1

19.11sqfl„fSF1pf1p'if,,llhfßii i WJ. 'tzpe: .Jj, ' f ? f f r7WffeC 1CHPt 'F 'f "{( ', r zY

Heinz Winkler

Endlich Penndorf rieb sich innerlich die Hände. Er, Sachbear-beiter beim Bezirk für Kultur am Arbeitsplatz, hatte die Werk

tätigen des VEB KULKOPANT, vertreten durch den Betriebs-leiter, den Hauptbuchhalter und den BGL-Vorsitzenden, von

ihrer künstlerischen Mission überzeugt. Penndorf versprach, in

Kürze bei dem auftragswilligen Malkünstler Sorgenfrey vor

stellig zu werden, um die Einzelheiten auszuhandeln. VEB

KULKOPANT produziert, wie der Name schon richtig sagt, Ku

gellager und in der Konsumgüterproduktion Antennen. Und

das muß, so forderten kategorisch die drei Werktätigen, in dem

Kunstwerk zum Ausdruck kommen.

Penndorf war mit Sorgenfrey so schnell zur Stelle, daß derHauptbuchhalter argwöhnte, der Künstler habe vor dem Be

triebstor gewartet.

Denkste Sorgenfrey versicherte den KULKOPANT-Ver

tretem, daß er ihr Bildverlangen wohl verstehen könne,

wer könne das nicht, nicht wahr, aber er sei total aus-

gebucht, doch für unsere Arbeiter täte er alles, und er

Sorgenfrey zog sich aus dem

Tumult zurück seine Schöpfung

hatte nicht nur die materielle

Seite gestärkt.wolle mal sehen ... »An wieviel hatten Sie denn ge

dacht?« wurde er endlich konkret.

»An ein oder zwei Bilder«, sagte der Betriebsleiter, ein bißcheneingeschüchtert schon. Penndorf vern1ittelte schonend: »Herr

Sorgenfrey meint den Wertumfang, damit er in bezug auf die

Größe des Bildes disponieren kann.«»Wollen wir nicht erst mal drüber reden, was drauf soll?« wagte

der BGL-Vorsitzende einen Einwurf.Man zeigte Sorgenfrey die große Wand im Speisesaal, und er

stellte sofort bindend fest: »Ein Triptychon « Aus einer abge-

schabten Aktentasche zog er einen dicken Stapel einschlägi-

ger Preislisten, überschlug die Fläche der Wand und fand aufder Liste 47 a, daß das Bild sechsunddreißigfünf kosten müsse.

Erneut mußte Penndorf verhandlungsfördemd eingreifen. Er

sprach von den Bedürfnissen unserer Menschen nach großer

Kunst, verwies auf die Verpflichtungen gegenüber nachfolgen-

den Generationen und brachte schließlich die Steigerung der

Arbeitsproduktivität ins Spiel, zu der sich die Werktätigen, von

dem Bildwerk angeregt, spontan entschließen würden.

Der Betriebsleiter forderte nur noch resignierend: »Aber Kugel

lager müssen hinein «

Page 117: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 117/136

  owir sind ist vorn 3~ = = = = = = = = ~ ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = : ~ ~ ~ = = = = : ; : = = = = = = = = = : : . . . J

.  1  1

»Vielleicht sehe ich da gewisse Möglichkeiten«  äußerte sich

der Künstler. »Wenn das Werk fertig ist  lade ich Sie zu einer

kritischschöpferischen Diskussion über das Sujet ein. «

»Wrr als gesellschaftliche Auftraggeber sollen doch wohl auf die

künstlerische Konzeption Einfluß nehmen. Können wir dasdenn noch wenn das Ding schon fertig ist?« fragte vorlaut der

BGL-Vorsitzende.

»Die Diskussion wird dazu dienen daß Sie die richtige Einstel-

1ung zu dem Kunstwerk finden « Sorgenfrey wurde fast ärger

lich blieb aber höflich denn der Vertrag war noch nicht unter

schrieben.

Vier Monate später bereits wurde die schöpferische Diskus

sion über das fertige Werk zelebriert.

Jetzt stellten sie erst mal fest: Das Bild hatte großes Format.22 Quadratmeter. Auf dem unteren Teil breitete sich in acht

Meter Länge und eineinhalb Meter Höhe eine spätbürgerliche

Produktionslandschaft in voll entfalteter Apokalypse aus. Der

Betriebsleiter setzte die Fernbrille auf um zu entdecken ob

auch Kugellager mit an die Oberfläche kamen. Aber die nah

men mit vollem Recht den zukunftweisenden rechten Oberflü-

gel in Anspruch wo sie sich in langer Kolonne auf einer wel-

ligen Straße auf ein sperrangelweit offenstehendes Tor zuwälz-

ten  hinter dem mächtige Schlote qualmten.

»Was r ufmuß wissen

wir schon. ivlr können

bloß nicht malen <<

Page 118: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 118/136

114

>>Dauert s noch lange?<<

Wo w r sind st vorn

»Bitte beachten Sie«, schwärmte Sorgenfrey »daß die Kugeln

in den Lagern ganz rechts noch nicht rund sind sie werden

nach links zu immer runder und symbolisieren so augenfällig

die wachsende Qualität unserer Produktion. Und ganz in der

fernen aber schon erreichten Zukunft rollen die Produkte un

serer Menschen in ein Atomkraftwerk hinein das als Status

symbol der wissenschaftlich-technischen Revolution mit seinen Schloten wie mit siegesgewissen Fingern in den Himmelgreift « Der wie immer naseweise Begeeller räusperte sich: »Sie

haben ein älteres Braunkohlenkraftwerk abgemalt.«

Sorgenfrey war heute nicht zu be-

leidigen. »Wer, mein lieber Freund

von solchen naturalistischen De

tails nicht zu abstrahieren ver

mag wird nichts Bleibendes

schaffen können. Für mich war eseine logische und künstlerische

Konsequenz daß die Kugellager

in einem Atomkraftwerk und nur

dort sich selbst realisieren kön

nen. Futuristisches Denken ist nu

klear determiniert.« Bei der feier

lichen Enthüllung des Bildes das mit einem Tieflader seinenBestimmungsort erreicht hatte guckten die Werktätigen kon

sterniert. Sorgenfrey verbrauchte zu seiner Selbstentäußerungin fünfundzwanzig Minuten das gesamte Vokabular, das ihn als

Modemen auswies und hatte dann nicht mehr die Nerven sich

dem Maschinengewehrfeuer der Fragen zu stellen. »Wer ist

denn das auf dem Pferd?« - »Hebt der mit dem dunkelgrünen

Gesicht die tote Katze auf oder schmeißt er sie weg?« - »Haste

schon mal solche Kullern gesehen?« - »Soll das immer hier

hängen bleiben auch beim Essen?« - »Kann man davon leben

wenn man so was malt?«

Und als gar ein älterer Brigadier seine jungen Kumpels in völliger Verkennung der Sachlage damit beruhigte daß man einem

geschenkten Gaul nicht ins Maul gucke verdrückten sich der

Betriebsleiter und der Hauptbuchhalter mit einem unangeneh

men Ziehen in der Magengegend.

Sorgenfrey zog sich aus dem allgemeinen Tumult ebenfalls dis

kret zurück. Er fuhr nicht ohne Stolz nach Hause. Seine Schöp

fung hatte nicht nur die materielle Basis stabilisiert. Sie hatte

auch stürmische Diskussionen herausgefordert.

Page 119: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 119/136

Wo w r sind st vorn 11 5= = = = ~ = = = ; : = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ; . ; ; ; ; ; = = = = = = = ~ ; ; ; ; . _ = ~

Heinz Helm

Versammlung am Rednerpult

A: Kollegen, ich komme nun zu Punkt 95 meiner grundlegen

den Ausführungen: Die Beitragszahlung für die DSF.

Wir mußten feststellen, daß bei einigen Mitgliedern Bei

tragsrückstände bis zu 4 Monaten bestehen. Kollegen, die

Deutsch-Sowjetische Freundschaft ist uns nicht nur Her

zenssache, sondern auch ein Lippenbekenntnis.

B kommt herein.A: Was ist denn?B: Der Pförtner hat eben angerufen. Unten sind drei Russen.

A: Das heißt nicht Russen, sondern Sowjetbürger. Was wol-

len sie denn?B: Der Pförtner sagt, er kann sie nicht verstehen. Sie sprechen

sowjetisch.

C: Das heeßt russisch Wo wollen sie denn hin?

B: Na zu uns.

D: Ach du meine Fresse, die kommen bestimmt wegen dem

Export.

C: Wieviel Planschulden haben wir denn?

A: Dreihunderttausend.

B: Deswegen kommen wahrscheinlich dreie, das macht eenenpro Hunderttausend

D: Ich gehe gleich mal runter in die Produktion. Die sollen so

fort eine Selbstverpflichtung abgeben, ihre DSF-Mitglieder

um 10 Prozent zu erhöhen.

C: Aber die sind doch schon alle drinne

D: Du guck mal nach, ob 'n paar ihren Ausweis verbummelt

haben, da könn' die wieder neue eingetreten werden.

A: Quatsch Das interessiert die drei da unten doch überhaupt

nicht.C: Dann möchte ich wissen, weshalb du dich eben so aufgepu

stet hast.

A: Mir schwant Schreckliches Karl-Eduard, sag die Wahrheit

Hast du bei deiner letzten Dienstreise eine Sowjetfrau un

sittlich berührt? Hast du dich dort so benommen, wie auf

dem letzten Betriebsvergnügen?

D: Nein.

A: Na was können die denn sonst noch wollen?

Der Parteichef von

Suhl berichtet im.

Dezember im Politbüro, daß es in seinem·Bezirk keine

Kohlen mehr gibt.

»Und was macht die

Bevölkerung da?«

erkundigt sich Hon-; .

ecket. ·

»Sie friert.«

»Es . st doch bewun

dem·swert« sagtHonecker, >>wie unse

re Menschen sichimmer wieder z hel

fen wissen.«

Page 120: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 120/136

  6 Wo wir sind ist vorn-= > l l t J • ~ - • •-• • = s - - - . : z : : ~ - „ ~ • 1 1 1 - - = r : ? t ~ a l - ·   ,

B: Vielleicht kommen sie bloß wegen der Freundschaft.

A: Los, Frieda, koche Kaffee.

B: Die Russen trinken doch keinen Kaffee.

· A: Das heeßt nicht Russen, sondern Sowjetmenschen. Da

kochste Tee.

.................·-  _;_„

>Ich denke, du kannst

russisch, von deinenDienstreisen?

>Ja aber nur die Spei-senkarten.

Auch 1975 gab es wie-

der für Freunde der rus-sischen Sprache Filme

aus dem Bruderland.

B: Sowjetischen?

A: Russischen natürlich. Daß du mir keenen chinesischenkochst. Was stellen wir denn nun mit den Russen an?

D: Siehste, jetzt sagst du 's selber.

A: Herrgott ja, aber mit so etwas hat doch kein Mensch ge rechnet.

C: Ich habs Wir lassen sie nicht rein.

• • )il()Uf-._ . , 4 1 ~

. , _

a . ~ t c c' ·- ' Y.

  . „ „ .

D: Du spinnst wohl

C: Wieso? Es gibt eine Dienstanweisung, wo-

nach Ausländer den Betrieb nur mit Ge-

nehmigung des Generaldirektors betretendürfen

A: Das kann man doch mit Freunden nicht

machen Wo ist der Generaldirektor?

B: Auf Dienstreise in der Sowjetunion.

A: Dann müssen wir sie eben auf der Straße empfangen.

D: Freunde empfängt man nicht auf der Stra

ße . Was willst du denn zu ihnen sagen?

A: Ich? Wieso ich? Ich denke, du kannst russisch, von deinen Dienstreisen .

D: Ja, aber nur die Speisekarten. Ich kannsie doch nicht mit »Soljanka, Soljanka «

begrüßen Am besten, wir setzen uns mit

ihnen ihn eine Kneipe mit hohem Niveau.C: Aufn Fernsehturm

A: Quatsch, da ham sie doch in Moskau eenviel höheren.

D: Dafür sind bei uns die Preise im Cafe höher. Das gleicht sichwieder aus.

B (hat in Akten geblättert): Hier stehts. Die Dienstanweisung

ist wieder aufgehoben. Also dürfen se rein.

A: Das hat uns gerade noch gefehlt.Es klopft.

C: Das sind sie. Wie heißt »herein« auf russisch?A (laut): Drushba

E kommt herein.

Page 121: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 121/136

  owir sind ist vorn 7= = = : = : : : : = : : ; ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = _ J

Wieso bläkst du denn russisch, wenn ich dich was fragen

will?

A: Mach mich nicht wahnsinnig Jeden Moment können die

Brüder - die Freunde kommen.

E: Ach die Die hab ich ins Klubhaus geschickt. Die waren ein-

geladen zu einem, zu einem Vortrag über Deutsch-Sowjeti

sche Freundschaft.A: Gott sei Dank Ich dachte schon, die wollen wissen, wie das

bei uns in der Praxis funktioniert.

Nils Werner

1ail s, tail s

Er ist natürlich nicht irgendwer,nicht irgendein kleiner Statist.

Er ist Funktionär, Kultursekretär.

Ein Preuße - und etwas Marxist ...

In seinen Adern pulst Pflaumenmus,

sein Wille ist schmiegsamer Kitt.

Auf tönernem Fuß, nach obenhin Schmus,

entfaltet er Stumpfsinn-Verschnitt.

Bekämpft eine Glosse (mit Recht) den Mief,

erhebt er sofort ein Geschrei:

»Das Ding liegt schief Zu negativ

Es freut nur die Gegenpartei «

Er ist im Amte und auf der Hut.

Er ist für Satire, gewiß.

Satire ist gut für Leute mit Mut.

Doch er hat meistenteils Schiß.

Er ist natürlich nicht irgendwer,

nicht irgendein kleiner Statist.

Er ist Funktionär, Kultursekretär.

Ein Preuße - und etwas Marxist ... >>Morjen Herr Direktor I<<

Page 122: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 122/136

118 Wo wir sind ist vorn, • 2 12* ' t 'llmaa•nw111,s1t• Jltt'612GJIO, JC:1 : -a • • tm 0

"1 'f'n:l115*4• •m L„.t t:J1n11211

7 u c ; ; s r c r : ~ s m · -  II • • D II : • :llre.111C • 2 ·•

Ein Amerikaner, ein·Franzose und ein ·

DDR-Bürger unterhalten sich, was ihr

·tollstes Erlebnis war.. . ..

Der Amerikaner. _

·

sagt, sein tpllstes Er-lebnis war ·ein Multi-.

Millionen-Dollar· schäft .

Der Franzose sagt,sein tollstes Erlebniswar eine Nacht mit

·einer .Schönheitskö-• •

mgm.· Da sagt der R ~ .

Bürger, mein . ollstesErlebnis war, als ··morgens um fünf die

Stasi bei ihm klingelte und fragte, .ob ·er

·Herr Müller sei und. .

er ·antworten konnte:.

Nein, der wohnt ein ·

Stockwerk höher.. .

Edgar Külow

O SSO

Es gibt welche, die haben dauernd Pech. Der Genosse Born

schein, der war so einer.

Dienstag früh fragt sein Parteisekretär: »Komm mal rein,warum warst du gestern nicht in der BPO-Versammlung?«

Bornschein brach der kalte Schweiß aus: »Ich hab's glatt vergessen «

»Du hast in der Partei einige Male was vergessen. Ich hab mir

deine Kaderakte angeguckt, und was les' ich da?«

»Ich weiß, Genosse Parteisekretär, ich hab 'ne ganz mieseAkte.«

»Ja, Genosse Bornschein, du hast in den fünfziger Jahren, als

die Partei das gar nicht wollte, Westverwandtschaft ersten Grades gehabt, bist Volkswagen gefahren und hast versucht, 'ne

Datsche an der Ostsee zu erwerben «

»Ja«, sagte Bornschein, »es waren fürchterliche Jahre «»Und dann?« lauerte der Parteisekretär.

»Die Verwandten starben, die Datsche ließ ich sausen, denVolkswagen hab ich verkauft, in jeder Parteiversammlung hat

ten sie mich damals dran.«

»Und heute?«

»Was ist heute?«»Wir haben in der Leitung entsetzt festgestellt, daß einige Ge

nossen genau wie du die schon vor Jahren initiierte neue Parteilinie nicht befolgen Bei dir müssen wir konstatieren, daß du

keine Datsche hast, weder Gemüse noch Obst anbaust, daß du

keine Westverwandtschaft hast, daß du keine müde Westmark

in den Intershop trägst Ja, Genosse Bornschein, deine ideo

logische Unklarheit zieht sich wie ein roter Faden durch deinedreißigjährige Parteizugehörigkeit ... siehst du das ein?«

»Natürlich sehe ich das ein, bloß ich habe mich ideologisch inder letzten Woche wirklich stark gebessert.«

»Ah, hast du mal Marx und Lenin gelesen?«

»Nee, aber ich hab über hunderttausend Westmark geerbt ...«

»Mein Lieber, warum sagst du das nicht gleich?«

»Eigentlich wollte ich ... in meiner jetzigen Situation ... also,

ich wollte einen Ausreiseantrag ...«

»Alter, du mußt doch dumm sein Hier bei uns wohnen und ge

nügend Westgeld haben, besser kann's dir doch gar nicht

gehen «

Page 123: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 123/136

  owir sind ist vorn 9; ; : = = = = = = = = = = = ~ = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = ~ _ _ : ~

»Aber ich kann ja leider nicht ... also, nach'm Westen kann ich

ja nicht «

Der Parteisekretär kam immer mehr auf Touren. Es ging

darum, über hunderttausend Westmark unserem Staat zu er

halten.»Genosse Bomschein, das machen wir doch, das machen wir

doch alles .... willste in die Schweiz? Zieh deine Ausreise zurück, mach Urlaub im Westen, mach Arbeitsurlaub im Westen,

aber bleib DDR-Bürger Das machen doch schon mit großem

Erfolg die Schauspieler und so weiter ... «

»Ja«, sagte Bomschein, »ja.«

Er holte sich einen Fiat, kaufte sich für Westgeld in Ahrens-

hoop ein Häuschen, lud die hohen Funktionäre und die Künst-

ler ein ... Ach, in der DDR Kommunist sein, das ist manchmal

verdammt schwer Aber es kann natürlich auch unheimlich

schön sein

K orro t ~Ein Vorurteil sei korrigiert:Der Pessimist, Kollegen, ist

genaugenommen Optimist,

nur besser informiert.

Ernst Röhl

))Allen muß sie es her-

ausposaunen   daß sie

dieses Jahr wieder mit

den Kindern ins Aus-land reist ((

Page 124: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 124/136

120

„ -·  ~ : : i > - „ ~ . ~ ~ ; ~ ; ; , ~ ~ : ? ~ 6 f ~ : ~ : ; ~ r ;

Breshnew

die Baustelle ~ ~ · ' ~. .

Trasse und wundert_

sich daß dort so ·

viele a t r o s e n a r ~beiten. Da raunt „

ihm sein Sicher-· ·

heitsoffizier zu:

hristine Errath

975

1. Januar

1.Januar

15. Januar

20. Januar

975

Die Sonntagsausgaben aller DDR-Zeitungen werden auf

grund von Papiermangel eingestellt.Die FDJ errichtet das Reisebüro >>Jugendtourist<< speziell fürjunge Leute.

Der VEB Transportable Wohnzellen schickt die ersten dreiWohnunterkünfte für die Unterbringung der Trassenbauerdes Zentralen Jugendobjekts Drushba-Trasse in die Ukraine.

Otto Winzer tritt als Außenminister zurück t 3. März 1975).Oskar Fischer wird sein Nachfolger.

25. Januar-2. Februar Günter Mittag vereinbart auf einer Japanreise den

Ausbau der Handelsbeziehungen. Die DDR erhält von Japaneinen Kredit zum Bau des internationalen Handelszentrumsin Berlin.

Ein Parteifunktionär läßt sich von einem japanischen Manager

die Motivation für das hohe Arbeitsethos der Japaner erläutern.

»Die Japaner arbeiten 3 Stunden für den Kaiser 3 Stunden für

Japan und 3 Stunden für sich.«

Der Parteifunktionär erleichtert: »Genau wie bei uns in der DDR

nur haben wir keinen Kaiser und Japan geht uns nichts an.«

28. Januar-2. Februar In Kopenhagen wird Christine Errath Europameisterinim Eiskunstlauf.

31. Januar Nach Unterzeichnung des Protokolls für den Warenaustausch 1975 zeichnet sich ab, daß die Sowjetunion die Erdölpreise schrittweise steigern wird. Die Verbraucherpreise inder DDR bleiben stabil.

14.-16. Februar Wolfram Fiedler, Margit Schumann und B Hahn/U. Hahnwerden Weltmeister im Rennschlittensport in Hammarstrand Schweden).

21. Februar

1. März

2. März

Ein neuer Film mit der beliebten Olsenbande aus Däne

mark läuft an: >>Die Olsenbande läuft Amok   .Erstaufführung von Tennessee Williams >>Endstation Sehnsucht   in Leipzig.

Gert-Dietmar Klause gewinnt als erster Mitteleuropäer denWasalauf.

13.-15. März Übergabe der Bauernkriegsgedenkstätte auf dem Mühlhäuser Kornmarkt. Richtfest fü r das Bauernkriegsdenkmal beiBad Frankenhausen.

25. März In Ost-Berlin unterzeichnen Österreich und die DDR einenKonsularvertrag, in dem Österreich als erstes westliches

Land die Existenz einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaftanerkennt.

Page 125: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 125/136

Zeittafel 1975

26. März Der Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbun

des Herbert Warnke stirbt. Sein Nachfolger wird Harry Tisch.

5.-6. April Die 15. DDR-Juniorenmannschaftsmeisterschaften im Bad

minton finden in Dorfchemnitz statt.

14. April Vertreter der DDR und der Essener Firma Krupp unterzeichnen eine Rahmenvereinbarung über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.

17. April DEFA-Filmpremiere >>Jakob der Lügner<< DEFA/Fernsehender DDR) nach Jurek Beckers Roman.

23. April Die Festveranstaltung zum 150jährigen Bestehen des Bör

senvereins des Deutschen Buchhandels findet in Leipzigohne Vertreter der Bundesrepublik statt.

23.-25. April 2000 Bauschaffende nehmen an der 6. Baukonferenz des

ZK der SED teil. Schlußwort Erich Honecker: >>Unsere ganze

Politik dient dem Wohle der Arbeiterklasse und aller Werk

tätigen.<<

25. April Die DDR unterzeichnet ein Rahmenabkommen mit der

Hoechst AG, das die Lieferung von drei schlüsselfertigenChemiewerken bis 1979 vorsieht.

27. April Die erste DDR-Baukolonne der Drushba-Trasse erreicht

Tscherkassy in der Ukraine.

Bei einem Moskau-Besuch bemerkt US -Präsident Gerald Ford,

daß abends die Straßen menschenleer sind. Er fragt einen Passanten, wie das zu erklären ist. - »Ach wissen Sie, Herr Präsi

dent, im letzten Jahr wurde Solschenizyn wegen seines Buches

in den Westen abgeschoben. Seitdem sitzen die Leute nach der

Arbeit zu Hause - und schreiben, schreiben, schreiben.«30. April

1. Mai

6. Mai

23. Mai

23. Mai

6. Juni

19. Juni

Mit der Besetzung Saigons durch Truppen des Vietcongendet der seit 1946 andauernde Krieg.

In Magdeburg wir das erste regionale Folklorezentrum,>>Zentrum Harzer Volkskunst<<, eröffnet.

Als erste Westbanken dürfen Credit Lyonnais, Societe Ge

nerale sowie Banco Commerciale ltaliana in Berlin eineDependance einrichten.

DEFA-Filmpremiere Till Eulenspiegel<< nach einer Vorlagevon Gerhard und Christa Wolf mit Winfried Glatzeder in der

Titelrolle.

Die erste Müllverbrennungsanlage der DDR nimmt in Ber

lin-Lichtenberg den Betrieb auf.

Egon Günthers Verfilmung des Thomas-Mann-Romans

>>Lotte in Weimar<< mit Lilli Plamer, Martin Hellberg, JuttaHoffmann und Rolf Ludwig läuft an.

Die Volkskammer verabschiedet das Zivilgesetzbuch. Erlaß

des Denkmalpflegegesetzes und des >>Gesetzes über dieBearbeitung von Eingaben der Bürger<<.

26. Juni DEFA-lndianerfilmpremiere >>Blutsbrüder<<.30. Juli/1. August Während der Abschlußphase der KSZE kommen Erich

121

Harry 1'isch

Günter Mittag auf-  . •

der F r i l l l j a h r s s i ~ u n g,

des Zentralkomitees:

»Genossen, ich habeeine  erfreulicheMit·

· ~ · .

· ·

teillilig für euct1; ab„ .

1. Mai wird derLebensstandard in

derl}DR um fü:illzig· _ c . J J , ~ ? ' • ·, ,?   : v · : ~

Proient t e i g e n -

»Um fünfzig Prozent,

meinst du das im.

. I J ~ t ? : « -- »J Q ~ ~ „

jetzt hatten w r ·unter

Kält:e und Versorgungsschwierigkei-

. ten ~ u leiden, v-t>n. r Y; - · : ~ · ~ f .

Mai m nur noch ·

unter Versorgungs

schWierigkeiten:.«. _ ~ u : . ~ . f • , . . -

,,, )i ' • •I , _ · · ~ c -

Winfried latzeder

Page 126: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 126/136

  22

Honecker w ll Urlaubmachen und fragtHelmut Schmidt ob

er ihn nicht vertretenkönne. Schmidt isteinverstanden undfragt ob es Problemegäbe die er in dieserZeit lösen könnte.Honecker nennt erstens das Versor

gungsproblem zwei-. ens das Wohnungs

problem und drittens:»Es gehen immernoah zu viele SED - ·

Genossen in die i r ~ehe.« Nach drei Wo

chen kehrt Honecker· zurück und fragt ·

Sc.hmidt: »Hast du

meine Problemelösen können?« .

Schmidt antwortet:»Das war ganz leicht.Versorgungsproblem. .

gelöst - Ostgrenze·geschlossen. Woh:-

. .

nungsproblem gelöst- Westgrenze geöff- ·net.« - »Und das Kir- ·

.

chenproblem?« fragt·Honecker·erstaunt.

»Das war ganz leicht.

Ich habe in allen Kir

chen dein Bild auf

hängen lassen seit-. . _

dem läßt sich da kei-ner mehr sehen.«

Zeittafel 975.

Honecker und Bundeskanzler Helmut Schmidt erstmals zu

Gesprächen zusammen.

1. August Unterzeichnung der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit

und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki durch 35

Staaten.

20.-25. August WM-Titel für Klaus Grünkeim 1000-m-Zeitfahren und Tho

mas Huschke im 4000-m-Einzelverfolgungsfahren bei den

WM im Bahnfahren in Lüttich-Rocourt (Belgien) .27. August Stapellauf des größten DDR-Fährschiffs, Mukran <<

3. September Die DDR bricht für anderthalb Jahre ihre diplomatischenBeziehungen zu Spanien ab, weil dort Todesurteile gegen

Regimekritiker erlassen wurden.

15 .-23. September Peter Wenzel (Mittelgewicht) wird Weltmeister im Zwei

kampf bei der WM im Gewichtheben in Moskau.

19.-26. September Bei den 3. Tagen des sozialistischen Films im Bezirk Karl

Marx-Stadt wird der sowjetische Spielfilm >>Kalina Kras

naja von und mit Wassili Schukschin erstmals in der DDR

gezeigt.

22. September Die Klaus Renft Combo wird verboten .

24. September Die Einwohnerzahl Jenas erreicht die 100000-Grenze,womit Jena zur 14. Großstadt der DDR wird.

6. 13. Oktober

7. Oktober

Erich Honecker weilt in Moskau. Der zweite >>Vertrag überFreundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Bei

stand<<mit der Sowjetunion wird unterzeichnet.

Der Gründungstag der DDR wird Nationalfeiertag.

8.-10. Oktober Wissenschaftliche Konferenz >>Grundlagen der sozialisti-

11. Oktober

schen Persönlichkeitsentwicklung junger Arbeiter und Studenten<< in Leipzig.

In den Berliner Kammerspielen hat Peter Hacks >>Jahr-

marktsfest zu Plundersweilern<< mit Eberhard Esche, Cox

Habbema und Dieter Franke Premiere.

13.-17. Oktober Besuch einer Delegation des Deutschen Sportbundes derBundesrepublik unter Leitung seines Präsidenten WillyWeyer in der DDR.

15. Oktober

28. Oktober

Page 127: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 127/136

  eittafel 975

30. Oktober Uraufführung von Heiner Müllers >>Die Schlacht<< an derBerliner Volksbühne, Regie: Karge/Langhoff.

7. November Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler erhalten beim Internationalen Chansonwettbewerb in Paris den >>Grand prixde Paris<< 

14. 20. November Festtage der DDR-Dramatik in der Sowjetunion. 120 Theater stellen Inszenierungen vor.

26. November Anna Seghers erhält anläßlich ihres 75. Geburtstages desKulturpreis des Weltfriedensrates.

1. 6. Dezember Die RGW-Staaten beschließen in Budapest ein Langzeitprogramm über den Ausbau des Straßennetzes. Die Autobahnen Berlin-Warschau-Moskau und Rostock-Berlin-PragBudapest-Bukarest sollen gebaut werden.

2. 13. Dezember Die DDR-Hallenhandball-Frauenmannschaft wird Weltmeister.

15. Dezember Günter Guillaume wird in Düsseldorf wegen Spionage für

die DDR zu13

Jahren Haft verurteilt.16. Dezember Der Korrespondent des Nachrichtenmagazins >>Der Spie

gel<< in Ost-Berlin, Jörg Mettke, wird wegen grober Verleumdung aus der DDR ausgewiesen. Er hatte in einem Artikel über >>Zwangsadoption<< von Kindern berichtet, derenEltern in den Westen geflüchtet waren.

19. Dezember Vereinbarung zwischen BRD und DDR über Verbesserung imBerlin-Verkehr, u.a. Sanierung der Autobahn Berlin-Marienborn.

1975 verlassen 16 285 DDR-Bürger das Land.

Sportler des Jahres:

Kornelia EnderSchwimmen

Roland MatthesSchwimmen

Europapokal-Mannschaft der Leichtathletinnen

Torschützenkönig

der Oberliga:

Hans Vogel vom FC

Chemie Halle mit 17

Treffern

Fernsehlieblinge:

Monika Hauff/ KlausDieter Henkler, Susanund Emöke, Helga Göring, Gisela May, Ingeborg Krabbe, MarianneWünscher, AngelicaDomröse, Maria Moese,

Nina Hagen, ReginaThoss, Agnes Kraus;Walter Richter-Reinick,Reiner Süß, Heinz Fülfe,Rolf Herricht, Hans-Joachim Wolfram, HerbertKäfer, Heinz Schröder,Frank Schöbe , AndreasHolm, Hans-JürgenBeyer, Armin MuellerStahl

neue Bücher:

Fred Wander>>Ein Zimmer in Paris<<

Günter Kunert>>Der Mittelpunkt derErde<<

Karl-Hermann Roehricht>>Vorstadtkindheit<<

Hermann Kant>>Eine Übertretung<<

Klaus Schlesinger>>Alte Filme<<

Kurt Bartsch>>Kalte Küche<<

Gert Prokop>>Der Tod des Reporters<<

23

Oberl iga Plazierung

975

1. 1. FC Magdeburg2. FC Carl Zeiss Jena3. SG Dynamo Dres

den4. BFC Dynamo5. FC Vorwärts Frank

furt/O.6. Stahl Riesa7. Sachsenring Zwik

kau8. 1 FC Lokomotive

Leipzig9. FC Rot-Weiß Erfurt10. FC Karl-Marx-Stadt11. Hallescher FC Che-

•m e

12. Wismut Aue13. FC Hansa Rostock14. Vorwärts Stralsund

große Hits:

>>Nach der Schlacht<<Renft

>>Mir doch egal<<

Reinhard Lakomy

>>Nie zuvor<<

Brot und Salz

>>Auf der Wiese<<

Veronika Fischer

Rote Gitarren>>Anna Maria<<

>>Die Liebe ist ein Haus<<

Regina Thoss

>>Doch ich wollte es•

wissen<<Kreis

Page 128: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 128/136

  24i'-------±ibM-i 2-· 2 „&

ranz ühmann

»Hast du schon ge

hört? Ein SP.ortwa-  genmodell Trabantkommt auf den ·Markt « . · . ·

»Nö wie sieht denn

der·aus?« .

· »Mit Turnschuhen im.

·Handschuhfach « ·

·

  976

1. Januar

6. Januar

14. -16. Januar

21. Januar

26. Januar

Zeittafel 976'·

Das Zivilgesetzbuch tritt in Kraft.

Sieger der Internationalen Vierschanzentournee BRD/Österreich wird Jochen Danneberg aus Halberstadt.

Die Direktive zum IX. Parteitag sowie der Entwurf des neuenParteistatus werden veröffentlicht.

Ehrung der Akademie der Künste zum 200. Geburtstag vonE. T. A. Hoffmann. Laudator ist Franz Fühmann.

Als Menschenhändler wird Rainer Schubert aus West-Berlin zu 15 Jahren Haft verurteilt.

4.-15. Februar Olympische Winterspiele in Innsbruck. Medaillenbilanz: siebenmal Gold fünfmal Silber siebenmal Bronze.

4. Februar

12. Februar

14. März

30. März

30 . März

12.April

25. April

25. April

In Reaktion auf die Ankündigung der französischen Kommunistischen Partei den Begriff >>Diktatur des Proletariats<<

aus dem Programm zu streichen betont die DDR: >>Wir sprechen von unserem Staat als einer Form der Diktatur desProletariats. Die Arbeiterklasse kann die sozialistische Ordnung nicht schaffen wenn sie nicht die Macht dazu hat.<<

DEFA-Filmpremiere >>Hostess<< von Rolf Römer mit Annekathrin Bürger.

Auf der Leipziger Messe ist nach der DDR die Bundesrepublik nicht mehr die Sowjetunion größter Aussteller.

Regierungsabkommen zwischen der DDR und der BRD zumPost- und Fernmeldewesen .

Uraufführung von Peter Hacks >>Ein Gespräch im HauseStein über den abwesenden Herrn von Goethe<< im Staatsschauspiel Dresden.

Das Fernsehen zeigt die erste Folge des Mehrteilers >>Da-

niel Druskat<< nach dem Roman von Helmut Sakowski .

Der Palast der Republik wird für die Öffentlichkeit zugänglich; auch Eröffnung des Theaters im Palast mit der PolitRevue >>Salut an alle - Marx<< und der Galerie mit 16 Gemälden u. a. von Tübke Mattheuer Womacka Paris imHauptfoyer.

Der Allgemeine Deutsche Motorsportverein führt Auto

cross als Meisterschaftssportart ein.

Page 129: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 129/136

Zeittafel 976

30. April

30. April

9. Mai

13. Mai

18.-22. Mai

27. Mai

30. Mai

30. Mai

5. Juni

29./30. Juni

Bei der EM im Segeln Soling-Klasse) sichern sich Dieter

Below/Olaf Engelhardt/Michael Zachries den EM-Titel in

Genf Schweiz).

Der Internationale Jugendcampingplatz am Leipziger Auen

see wird übergeben.

Christina Brehmer läuft in Dresden über 400 mWeltrekord;

Angela Vogt stellt einen Weltrekord im Weitsprung auf.

DEFA-Filmpremiere Das Licht auf dem Galgen<< nach einer

Erzählung von Anna Seghers; mit Alexander Lang, Erwin

Geschonneck und Jürgen Holtz.

Der IX. Parteitag der SED findet im Palast der Republik statt.

Ein neues Programm und ein neues Parteistatut werden an

genommen. Das Wohnungsbauprogramm wird zum Kern

stück der Sozialpolitik erklärt. Erich Honecker wird zum Ge

neralsekretär der Partei gewählt, Erich Mielke wird Mitglied

des Politbüros.

Beschluß des ZK und FOGB über die >>Weitere planmäßigeVerbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der

Werktätigen<<. 42-Stunden-Woche für Schichtarbeiter, 43

für alle anderen.

Heiner Müllers 1961 verbotenes Stück Die Umsiedlerin<<

wird unter dem Titel Die Bauern<< an der Berliner Volks

bühne aufgeführt, Regie: Fritz Marquardt.

Eröffnung der Ausstellung Junge Künstler der DDR 1976<<.

Die Schwimmerin Ulrike Richter erreicht in Berlin über

100 m Rücken eine neue Weltrekordleistung.In Ost-Berlin treffen sich 29 Delegationen von kommunisti

schen und Arbeiterparteien Europas.

Jemand fragt einen guten Freund: »Sag mal ehrlich, was hältst duvon dem Honecker?« Der Gefragte sieht sich um führt den ande-

ren aus der Kneipe durch mehrere dunkle Gassen in eine leere

Straße. Dort sieht er sich noch mal um und antwortet schließlich

leise, in das Ohr des Freundes flüsternd: »Find ihn gar nicht so

schlecht.«

9.-11. Juli Bei der 1000-Jahrfeier von Altenburg werden über hundertJugendliche wegen angeblicher Randale festgenommen.

17. Juli 1. August XXI. Olympische Sommerspiele in Montreal. Die DDR

Fußballelf holt Gold, ebenso Waldemar Cierpinski im Ma

rathon. Die DDR gewinnt insgesamt 40 Goldmedaillen .

30. Juli

18. August

Die Mindestlöhne in der DDR werden von 350 auf 400 DM

erhöht.

Der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz aus Zeitz ver

brennt sich, um gegen die DDR-Regierung zu protestieren.

1 2 5

Was haben die DDR

und die Schweiz ge-

meinsam?

Beide bestehen ausBergen und Engpäs-

sen.

Jürgen Holtz

Nun muß man tat-

sächlich auf einAuto nur noch

4 Tage warten:Einen Tag Anmel-

dung und drei Par-

teitage.

Waldemar ierpinski

Page 130: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 130/136

  26

Ein Offizier komm taufgeregt zuBreshnew: »GenosseGeneralsekretär.Auf dem RotenPlatz sind minde

stens hunderttausend Leute « - »Ja,

und? Das sind Tou

risten .« - »Genosse

Generalsekretär siesitzen alle auf dem

Boden « - »Sie wol

len sich wahrscheinlich ausruhn.« -

»Genosse Generalsekretär sie habealle ihr Essen ausgepackt « - »Sie

werden Hungerhaben was istdaran so schlimm? «- »Nichts Genosse

Generalsekretäraber sie essen mitStäbchen.«

ünter Kunert

Zeittafel 976

26 .August DEFA-Filmpremiere >>Die Leiden des jungen Werthers<<mit

Katharina Thalbach DEFA/Fernsehen der DDR).

26.-28. August Zum fünften Mal geht der Europapokal im Wasserspringen

der Männer an die DDR-Mannschaft - in Edinburgh.

6. September Als erster hochrangiger Politiker der DDR trifft Außenmini

ster Oskar Fischer in Großbritannien zu einem offiziellen

Besuch ein.9. September In Peking stirbt Mao Tse-tung.

15. September Während des Fluges von Sojus 22<<machen die Kosmo

nauten mit der Multispektralkamera MKF 6 Fotos von der

Erdoberfläche. Die MKF 6 ist bei Carl Zeiss in Jena konstru

iert worden.

20.-26. September Am 1. Puppentheaterfestival in Magdeburg nehmen 350

Puppenspieler aus der DDR, der UdSSR, Bulgarien und Polen

tei 1

24. September Die DEFA-Komödie>>

Nelken in Aspik  mit

Armin MuellerStahl und Eberhard Cohrs hat Premiere.

29 . September Der Lessing-Preis wird an Hermann Kahler und Heiner Mül

ler verliehen.

5. Oktober In einem Interview mit einem französischen Fernsehsender

betont Leonid Breshnew, daß die Sowjetunion durch inter

nationale Bestrebungen der USA-Politik zur Verteidigung

gezwungen und mit einem zügellosen Wettrüsten kon

frontiert<< ist.

Breshnew bekommt Besuch von seiner Mutter. Er führt sie durch. .

den Kreml, zeigt sein Büro, seine Wohnung, sein Auto. Er fliegtmit i r nach Sotschi zeigt i r Datsche und Swimmingpool.

»Schön, schön Jungchen«, sagt seine Mutter »aber was machstdu, wenn die Roten k o ~ m e n « · · .  ··· . ··  · .

7. Oktober

11. Oktober

13. Oktober

14. Oktober

17. Oktober

29. Oktober

-•

Angelica Domröse und Hilmar Thate erhalten den National

preis der DDR.

Am Deutschen Theater hat Die Insel   ein Zweipersonen

stück des Südafrikaners Athol Fugard mit Alexander Lang

und Christian Grashof, Premiere.

Unterzeichnung des Abkommens über kulturelle Zusam-

menarbeit zwischen der DDR und Dänemark.

DEFA-Filmpremiere >>Beethoven - Tage aus meinem Leben  

nach einer Vorlage von Günter Kunert.

Wahl der 7. Volkskammer.

Horst Sindermann, bisher Vorsitzender des Ministerrates,

wird zum Präsidenten der Volkskammer, Erich Honecker zum

Vorsitzenden des Staatsrates und des Verteidigungsrates

und Willi Stoph zum Vorsitzenden des Ministerrates gewählt.

1. November Erstmals verkehrt der Städteexpreß Gera-Leipzig-Berlin.

Page 131: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 131/136

Zeittafel 976

3. November Der Schriftsteller Reiner Kunze wird wegen des Erscheinens

seines Buches >>Die wunderbaren Jahre<< in der BRD aus

dem Schriftstellerverband ausgeschlossen .

11. November Für den Export von Getreide aus den USA dürfen DDR-Schif

fe erstmals in US-Häfen einlaufen .

16. November Während einer Tournee des Liedermachers Wolf Biermann

durch die Bundesrepublik beschließt das Politbüro der DDRdessen Ausbürgerung .

17. November Petition von Künstlern und Intellektuellen gegen die Bier

man.n-Ausbürgerung.

19. November In Dessau wird die Rekonstruktion des Bauhauses nach den

von Walter Gropius 1925 entworfenen Plänen abgeschlos

sen.

26. November Robert Havemann wird unter Hausarrest gestellt.

15. Dezember Beschluß des Fünfjahrplanes 1976-80.

18 . Dezember Der Sowjetdissident Wladimir Bukowski wird gegen denchilenischen KP-Sekretär Luis Corvalan ausgetauscht.

21. Dezember Das >>Neue Deutschland<< berichtet über die Regierungser

klärung von Bundeskanzler Schmidt vom 15.12 . Im Wider

spruch zu abgeschlossenen Verträgen wären Positionen der

Souveränitat der DDR zurückgenommen worden.

22. Dezember Der ARD-Fernsehkorrespondent Lothar Loewe wird aus der

DDR wegen Diffamierung des Volkes ausgewiesen, man

schieße >>auf Menschen wie auf Hasen<<.

25. Dezember Im Weihnachtsprogramm laufen erneut Folgen des Mehr

teilers >>Das unsichtbare Visier<<.

31 . Dezember >>Ferien ohne Ende<< - der erste Maxe-Baumann-Schwank

wird ausgestrahlt. Bis 1982 läuft immer zu Silvester eine

neue Folge.

1976 verlassen 15 188 DDR-Bürger das Land .

Sportler des Jahres:

Kornelia Ender

Schwimmen

Waldemar CierpinskiMarathonläufer

Fußball-Olympiamann

schaft

Torschützenkönigder Oberliga:

Hans-Jürgen Kreische

von der SG DynamoDresden mit 24 Treffern

Fernsehlieblinge:

Von 1976 bis 1979 werden keine Fernsehlieb

linge gekürt.

neue Bücher:

Jurek Becker

>>Der Boxer<<

Juri Brezan>> Krabat<<

Joachim Nowotny>>Ein gewisser Robel <<

Christa Wolf>>Kindheitsmuster<<

Erwin Strittmatter>>Die blaue Nachtigall<<

Sarah Kirsch

>>Rückenwind.

Gedichte<<

27

. ' '; .„. . . . .

O ~ ~ r l i g a ~ P l a z i e r u n g. . ' . '

.19 76 . ' .· > . t ' ' ' .· t · . . .-

• • •,1 SG f.?ynamo Dres- .· . d·en „· ... . ..„ · '·  · · ·,• ' · . ' • ·  1 • · . '. . . ; .

,2: . s·FE: Dynamo . · ·

: · 1 F Magdeburg' .

_4 .   1. FC Lok L ~ i p z i g .- ' .

5. · FC .Carl Zeiss Jena

6. · .Wismut Aue · . ·

. FC o t ~ W e i ß Erfurt

'8 · Halteseher FC Ctie-. · m·e· .·. · · · : · · 

. -. . .

. . 1 „ . „

Sachsenring Zwik-.·····kau · ·· · ·. -. . . ' .

. . · ,.

1o. ·Stahl Riesa ..

. '

··11 F K a r l ~ M a r x s t a d t. . ., .

12. FC Vorwärts Frank-,.

. furt/O. . . ·. .

·13. ·Chemie Leipz_g V •

·  . ' „

·14 .Energie C,öttbus .. .

große Hits:

>>Lebenszeit<<

Puhdys

>>Suche ein Zimmer<<Karat

>>Wasser und Wein<<

Lift

>>Gartenparty<<

Gruppe WIR

>>Daß ich eine Schnee

flocke wär<<

Veronika Fischer

>>Wenn der Abend

kommt<<Holger Biege

Page 132: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 132/136

  28

Nachweise

Die Karikaturen stammen von:

Horst Alisch: 88 94Peter Bauer: 61

Heinz Behling: 41 50 59 109 111 113

Henryk Berg: 39

Manfred Bofinger: 8 15 16 26 51 65 81 87 117

Henry Büttner: 53 81 97 99 103

Peter Dittrich: 7 5

Barbara Henniger: 32 43 47 69 105 119

Heinz Jankofsky: 24  30 91 103 114

Kurt Klamann: 63

Harald Kretzschmar: 120 121 124 125 126Lothar Otto: 21 35 91

HarriParschau: 23 60 67 79 86 90 101   103 111

Kurt Poltiniak: 71

Louis Rauwolf: 37 77 91

Horst Schrade: 83

KarlSchrader: 12 17 18 19 42 46 106

Klaus Vonderwerth: 38

Fotos:

DEFA-Siftung/Meister Rudolf: 25

Klaus Winkler: 28 29 57

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Texte danken wir

den Autoren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns ge

lungen  Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtig

te Honoraransprüche bleiben gewahrt.

Impressum

Besuchen Sie uns im Internet:

www sammelwerke deGenehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionen

in der Verlagsgruppe Weltbild

Steinerne Furt D-86167 Augsburg

Copyright © Eulenspiegel · Das Neue Berlin Verlags

gesellschaft mbH Co. KG Berlin

Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH Berlin

Umschlagmotiv: DEFA-Stiftung/Meister Rudolf

Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH Zwenkau

Printed in the EU

Page 133: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 133/136

Page 134: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 134/136

Page 135: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 135/136

Page 136: Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1975 - 1976

http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1975-1976 136/136

• • • • • - • 1 •

• •

umor ist eingeplant